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Jahrgan g 49 31. Januar 2002 Nr. I "Die Kunst im Zollernalbkreis" Wiedergabe eines Kapitels aus dem neuen Buch "Kunst und Kulturdenkmale im ZoUernaibkreis"

Schon in der Ausgabe Nr. 11/2001 ist das neue Markt plat z we isende m, ac hteckigem Chorturm Büchlein von Kreisarchivar Dr. Andreas Zekorn Vor- und Frühgeschichte erri ch tet wurde . An der Stadtkirche in Rosenfeld als Band I der neu eröffneten Reihe B der "Zol­ ist vo r allem der spätgotische Vorbau am West­ lernalb-Profile", herausgegeben vom Landrats­ Eine n Einblick in die provinzialr ömisch e Kultur po rtal bemerkenswert, welc her auf das Jahr 1496 amt Zollernalbkreis, angekündigt und kurz char­ gibt das Freilichtmuseum Hechingen-Stein, wo datier t ist. . akterisiert worden. Ein ganzes Team an Autoren umfang reiche Funde eine r vom Ende des 1. bis zur Mitte des 3.Jah rhund erts bewohnten und Im 14. Jahrhundert wurden Chor und Langhaus war maßgeblich daran beteiligt. Geschrieben de r Balinger Friedhofkirche er richtet. Der polygo­ wurde das im Theiss-Verlag erschienene und seit- teilweise rekonstruierten Cutsanlage zu sehe n sind. Ein ebenfa lls konserviertes Römerbad be ­ nal gesc hlossene Chor besitzt in seinem Innern . dem im Buchhandel erhältliche Buch von der ein Gewö lbe, während das Langhaus mit einer Kunsthistorikerin Dr. Ingrid- Helber. Hier die Wie­ sitzt auch die Stadt Rosenfeld. Mit dem Aleman­ neneinfall im dritten Jahrhundert ver lieren sich flachen Holzdecke versehen ist. Nach diesem dergabe des Kapitels "Die Kunst im Zollernalb­ Schema gingen die Baumeister der Gotik im kreis", das einführend und zusammenfassend die baulichen Spuren der Siedler bis ins frühe Mittelalter hinein. Zeugen einer vormittelalterli­ Kreisgebiet bei den meisten Kirchenneubauten dem reich bebilderten eigentlichen Buchinhalt vor. Besonders schöne Chorgewölbe finden sich vorangestellt ist. ehen Siedlungskontinuität finden sich vor allem in Form von Grabbeigaben, die heute jn Museen in den Kirchen von Engstlatt, Isingen, Leidringen und Sammlungen zu sehen sind. und Ostdorf. Überblick Abgesehen von ornamentalen Gewölbemale• reien .ist der Zollernalbkreis an gotischer Wand­ Die Kunst- und Kulturlandschaft des Zollern­ Romantik malerei arm. Das Kreuzigungsfresko im Chor der albkreises ist recht uneinheitlich, aber gerade Engstlatter Kirche, deren Hintergrundlandschaft durch ihre Vielfalt reizvoll und entdeckenswert: Die Michaelskirehe in Burgfelden aus dem 11. Balingen mit dem Hohenzollern. der Schalksburg Eine Region, die vor allem durch ihre landschaft­ und weiteren Burgen darstellen soll, ist somit das lichen Höhepunkte mit dem Albtrauf, den Balin­ Jahrhundert ist neben dem Turm der Friedhof­ kirche in Balingen das älteste aufrecht stehende wichtigste Beispiel dieser Kunstgattung. In ihrer ger Bergen und dem vorgelagerten Bergkegel des Art einzigartig sind im Kreisgebiet auch die mit Hohenzollerns bekannt ist. Daneben wird der Kulturdenkmal des Kreises. Herausragend sind die Wandmalereien Burgfeldens, die zu den be­ Ornamenten und heraldischen Tieren verzierte Kreis jedoch auch durch seine namhafte Indus­ Holzdecke im Schiff der Isinger Kirche sowie die trie geprägt. deutendsten frühromanischen Fresken in Deutschland zählen. Etwa hundert Jahre jünger Glasfenster aus dem frühgotischen Chor von Dieser Führer weist auf herausragende und in­ Kloster Stetten bei Hechingen, welche im 19. teressante Bau- und Kunstdenkmäler im Zollern­ ist die Weilerkirche von Owingen, der älteste Kirchenbau Hohenzollerns. Typische geome­ Jahrhundert in die Michaelskapelle auf Burg Ho­ albkreis hin. Vollständigkeit, ähnlich einem henzollern eingefügt wurden. Denkmalinventar, konnte und wollte nicht an­ trische Zierformen finden sich am abgestuften gestrebt werden. Trotzdem wird neben den allge­ Westportal und am Triumphbogen zum Chor, Ältester gotischer Profanbau ist die so genannte mein bekannten baulichen Sehenswürdigkeiten was im Gegensatz zur Kirche in Burgfe lden schon Alte Apotheke in Rosenfeld. deren massiver Putz­ auch eine Vielzahl bislang kaum oder gar nicht die Endphase romanischer Baukunst markiert. bau auf das Jahr 1244 zurückgeht. Bis zum Ende beachteter Monumente erfasst. Da die Burgen Weitere romanische Spuren finden sich dagegen der Gotik war die Verblattung ("alemannische" und Ruinen im Kreisgebiet in einer eigenen Pub­ nur noch vereinzelt, seien es Türme, Wandteile Fachwerk-Bauweise) als Konstruktionsprinzip für likation dargestellt werden, finden sie hier nur oder Bauplastik. Eine Seltenheit stellt hier das Fachwerkbauten typisch. Man findet die Verblat­ kurze Erwähnung. halbkreisförmige Tympanon der kath. Kirche St. tung sowohl bei den Befestigungstürmen in Ba­ Die frühere Zugehörigkeit der einzelnen Ge­ Agatha in Bietenhausen dar. Als ältester Profan­ Iingen und Rosenfeld als auch bei den Kircht ür­ meinden zu unterschiedlichen Landesherrschaf­ bau gilt der aus Bossenquadern gemauerten Rö• men in Gruol, Nusplingen und Täbingen. Diese ten und Konfessionen schlug sich auch in der merturm in Haigerloch, Überrest eines roma­ Bauweise wurde auch beim Kräuterkasten in Kunst . nieder. Die ehemaligen württember• nischen Bergfrieds aus der Mitte des 12. Jahrhun­ Ebingen angewandt sowie bei der Klostermühle gisehen, überwiegend evangelischen Gemeinden derts. Daneben weisen noch verschiedene Burg­ in Heiligenzimmern, in der außerdem eine sel­ weisen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis ins ruinen ebenfalls romanische Relikte auf. tene spätgotische Eckstube mit leicht gewölbter Riemchendecke erhalten ist. 19. Jahrhundert hinein eine andere künstlerische Eine Besonderheit stellt der romanische Altar­ Entwicklung auf als die kat holischen Gebiete. kruzifix in der evangelischen Johanneskirche in Überdies sin d in kat holischen Kirchen viele Der Zollernalbkreis besitzt außer in den hohen­ Hechingen dar, der als Geschenk des preußi• spätgotische Plastiken erhalten. Unter den zollerischen Residenzen Haigerloch und Hechin­ schen Königshauses hierher kam und nicht Bildschnitzern ragt der Meister von Weilen her­ gen wenig bedeutende Schlossanlagen. Auch die schwäbischer Provenienz ist. aus, benannt nach den Schreinfiguren in der Klöster, wie z. B. Margrethausen, haben keine be­ kath olisch en Kirche St. Nikolaus in Weilen u. d. R. so nderen kunstgeschic htlichen Spuren hinterlas­ sen. Das Kunstschaffen spiegelt sich somit vor al­ Gotik lem im Kirchenbau wieder. Als städtebaulich her­ Renaissance ausragend sind in erster Linie Haigerloch und Die Kloste rkirche in Stetten bei Hechingen Hechingen anzuführen, die über einen bemer ­ wurde um 1290 als frühester gotisc her Kirch en­ Im Gegensatz zu r Got ik wu rden im Kreisgebiet kenswert umfangreichen Bestand an Baude nk­ bau er rich te t. Der hohe Chor mit schl anken in der Renaissan cezeit nur einzelne, dafür aber malen verfügen. Balingen mit· seinem klassizis­ Maßwerkfens tern und Kreuzrippengewölb eist ty­ durchweg bedeuten de Kirche n errichte t. Zu den tischen, schachbrettartig angelegten Zentrum pisch für seine Zeit. Das neu n Meter hohe Sakra ­ wich tigsten Renaissancekirch en Deutschlands steht in der Tradition neuzeitlicher Stadtplanung. mentshäuschen an der Chorwand der Kloster­ zählt die Fra nz iskaner-Klosterkirche St. Luzen in Den Charakter einer Ackerbürgerstadt hat am kirche entstand um 1500 und markier t somit die Hech ingen (1586 - 89), deren Äußeres mit ihren besten Rosenfeld bewahren können, weniger ge­ Spätphase dieser Stilepoche. Spitzbogenfenstern nicht auf die überraschende schlossen jedoch aus Binsdorf und Schömberg. Innenr aumgestaltung schließen lässt. Die von Ländlich geprägte Dörfer mit intakten Ortsbil­ Der unstrittig bedeutendste got ische Sakralba u Wende l Nufer aus Herrenberg geschaffene Stuck­ dern sind abseits der Bundesstraßen noch häufig des Kreises ist die Balinger Sta dtkirehe, die 1443 dekoration an den Wänden zeugt von hoher Qua­ anzutreffen. bis 1510 als dreischiffiger Hallenbau mit zum lität. Seite 1298 HeimatkundJiche Blätter Januar 2002 , Weitere Renaissancekirchen entstanden mit der Als überregional bedeutende Schöpfer von Ba­ loch und Zimmern u. d. B. Viele Gotteshäuser Hechinger Spitalkirche 1602/03 sowie der Haiger­ rockplastiken im Kreisgebiet sind Iohann Georg wurden jedoch in der Zwischenzeit verändert, locher Schlosskirche (1584 - 1609), deren Innen­ Weckenmann und Urban Faulhaber mit seiner etwa durch die Entfernung der ornamentalen Be­ raum in der Barockzeit .allerdings umgestaltet Schömberger Werkstatt zu nennen. malung oder der Ausstattung. Der Außenbau wurde. Erhalten blieb der Hochaltar mit über 60 Zahlreiche barocke Sichtfachwerkbauten sind im blieb hingegen zumeist unverändert - ein Schick­ Figuren, die Virgil Moll geschaffen hat. Vom sel­ gesamten Zollernalbkreis erhalten. Als typisches sal, das auch der evangelischen Diasporakirche in ben Künstler stammen auch die Reliefs zum ehe­ Konstruktionsmerkmal seien die durch-kreuzten Haigerloch widerfuhr, einer der ganz wenigen maligen Hochaltar der Schlosskirche in Hechin­ Rauten genannt, die sich bei der "Krone" in Lau­ neuromanischen Bauten im Kreis. Ende des 19. gen, die später teilweise nach Jungingen ver­ t1ingen und beim Haus Bahnhofstraße 38 in Hart Jahrhunderts wurden bei öffentlichen Gebäuden bracht wurden. In der Stadtpfarrkirche St. Jako­ finden. zunehmend andere historistische Stile, vor allem bus in Hechingen blieb hingegen die bedeutende Neorenaissance und Neoklassizismus, favorisiert Bronzegrabplatte von Graf Eitelfriedrich 11. von (Landgericht Hechingen und Amtsgericht Haiger­ Zollern erhalten, die dem Nürnberger Peter Klassizismus loch). Auch bei repräsentativen Villen war diese Vischer zugeschrieben wird. Der Renaissancestil Architekturrichtung beliebt. Im Wohnungsbau wurde auch in den württembergischen Orten re­ Die Stifts- und Stadtpfarrkirche St. Jakob in He­ wurden im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zipiert, was sich beispielsweise in den Werken Si­ chingen, die nach Plänen von Michel d'Ixnard oftmals klassizistische Schmuckdetails wie Fen­ mon Schweizers (Stadtkirche Balingen: Teger­ 1780 - 83 erbaut wurde, verdeutlicht den Über• sterverdachungen und Eckpilaster angebracht. nau-Epitaph, Schalldeckel) widerspiegelt. Reste gang vom Barock zum Klassizismus. Die stein­ Im Kursaal von Bad Imnau spiegelt sich die zeit­ von Renaissance-Fresken sind auch in den evan­ sichtige Fassade und der Turm weisen eine Glie­ genössische Ausstellungsarchitektur mit vorgefer­ gelischen Kirchen von Leidringen, Ostdorf und derung durch Pilaster und Gurte auf. Der Innen­ tigten Bauelementen wieder. Rosenfeld nachweisbar. Unter Einbeziehung äl• raum gleicht einem Festsaal, der ebenfalls durch Daneben trat der Schweizer Stil bzw. ·der Hei­ terer Bausubstanz wurde Schloss Haigerloch als Wandpfeiler gegliedert wird. Die kleine Dorf­ matstil auf, der mit ausladenden Dächern (Hau­ zweigeschossiger Winkel bau mit polygonalen kirche in Beuren weist ebenfalls eine klassizis­ sen im Killertal) und reichen Sägewerkverzierun• Treppentürmen an den Ecken errichtet. Mit dem tische Ausgestaltung auf. Bei der evangelischen gen oder mit Fachwerk kombiniert sein konnte. unteren Tor in Hechingen sollte die Stadtbefesti­ Kirche in Täbingen, die 1834/35 nach Entwürfen Dieser wurde in der Industriearchitektur (Fabri­ gung verbessert werden. Ein besonderes Bauwerk des Balinger Bauinspektors Carl Christian Nieffer ken und Bahnhöfe) ebenso wie bei Wohnhäusern ist der langgestreckte Fruchtkasten in Rosenfeld errichtet wurde, fällt die strenge Nüchternheit angewandt. Sehr oft wählten Architekten auch mit seinen aufgemalten Fensterumrahmungen des Innenraums auf. Mächtige Säulen mit ägypti• auf Wunsch der Bauherren eine Mischung un­ am Ostgiebel (1581). Zirka hundert Jahre später, sierenden Kapitellen und umlaufende Empore terschiedlicher Stile (Eklektizismus oder Stilplu­ auf das Jahr 1687, datiert der holzgetäfelte Rats­ bestimmen das Kirchenschiff. Im Zentrum des ralismus), was sehr gut bei der alten Villa Haux in . saal im alten Rathaus des Städtchens. geraden Wandabschlusses ist der Kanzelaltar an­ Ebingen (Gartenstraße 2) zu erkennen ist. Bei Fachwerkbauten wurde spätestens seit gebracht. Die Kirche in Täbingen gehört dem so . Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kamen Mitte des 16. Jahrhunderts die Verzapfung (so genannten Kameralamts- oder Finanzkammerstil in der Region Backsteinbauten auf, auch im Zu­ genannte "fränkische" Bauweise) als neue Kon­ an, der im Königreich Württemberg in der ersten sammenhang mit dem Kirchenbau, der sich an struktionsform angewandt. Ein Höhepunkt des Hälfte des 19. Jahrhunderts sowohl bei evange­ der norddeutschen . Backsteingotik orientierte. reich ornamentierten Sichtfachwerks wurde Ende lischen wie katholischen Gotteshäusern Anwen­ Dieses "neue" Baumaterial wurde für öffentliche des 16. Jahrhunderts erreicht. Stellvertretend dung fand (ev.: Erzingen, Heselwangen, Ostdorf Gebäude sowie für den Industrie- und Woh­ nungsbau benutzt. Die ehemalige Samtfabrik seien genannt: das Rote Haus in Gruol und die und Zillhausen; kath.: Binsdorf, Ratshausen und Bühlburg in Weilstetten. Schömberg). Charakteristisch für den auf Verein­ Traugott Ott in Ebingen mit ihren dicht gereihten fachung und Vereinheitlichung angelegten Stil großen Fenstern und Pilastern ist dieser Bau­ sind Rundbogenfenster. die am Bogenansatz mit­ phase zuzurechnen. tels umlaufender Gurte verbunden sind. Die AI­ Um die Jahrhundertwende suchten die Kunstschaffenden nach einem neuen Stil. Die Barock tarwand ist zumeist gerade abgeschlossen. Tendenz zu etwas "Neuern" dokumentiert bei­ 1818/19 wurde nach Plänen des Weinbren­ In der Barockzeit sind rege Bautätigkeit und der spielhaft die Hohenbergschule in Ebingen, die an nerschülers Rudolf Burnitz das lang gestreckte der Hauptfassade noch klassizistische Einflüsse, Wille zur Umgestaltung bei Sakralbauten, vorwie­ dreiflügelige Neue Schloss in Hechingen erbaut, gend in katholischen Gemeinden, festzustellen. im Innenhof jedoch Funktionalität und Material­ dessen Mitteltrakt durch Säulen gegliedert wird. gerechtigkeit zeigt. Mit der Wallfahrtskirche St. Anna in Haigerloch Das bei der Villa Eugenia im Fürstengarten, eben­ entstand das überragende kirchliche Barock­ falls in Hechingen, befindliche Billardhäuschen denkmal des Kreises. Als ihr Urheber wurde von 1830 ist einem dorischen Antentempel nach­ schon der Münchner Johann Michael Fischer empfunden. Weitere repräsentative Profanbau­ Jugendstil genannt, freilich ohne dass dies nachgewiesen ten des Klassizismus in Hechingen finden sich in Durch den namhaften Architekten Theodor werden konnte. Qualitätsvoll ist ebenfalls die Ge­ der Oberstadt zwischen Zoller- und Heilig­ Fischer (München/Stuttgart) hält der Jugenstil staltung der Wallfahrtskirche Palmbühl bei kreuzstraße. Im Gegensatz zur Residenzstadt He­ Schömberg. In Obernheim lieferte der Baumeis­ chingen besitzt die 1809 nach einem Brand wie­ mit dem Schulhausneubau in Binsdorf 1904 im Kreisgebiet Einzug. Das aus Schulgebäude, Pau­ ter des Deutschen Ordens, Johann Caspar Bagna­ der aufgebaute württembergische Amtsstadt Ba­ to, die Pläne für einen Kirchenneubau. Führen• lingen nur einfache klassizistische Bauten, für die senhalle und Lehrerhaus bestehende Ensemble besticht ebenso durch die Klarheit seiner Archi­ der Kirchenarchitekt im zollerischen Teil des stellvertretend das Rathaus angeführt sei. Kreises war der Haigerlocher Christian tektur wie durch die Fähigkeit der harmonischen Großbayer. Sehenswerte katholische Barock­ Einfügung ins Stadtbild. Mit dem Neubau der Martinskirche in Ebingen (1905/06 Schmohl und kirchen finden sich außer in den Städten Haiger­ Historismus loch und Hechingen u. a. auch in Burladingen, Stähelin, Stuttgart) drang der Jugendstil in die Re­ Harthausen auf der Scher, Melchingen, Obern­ gion vor. Dies äußerte sich jedoch nicht im Stil Seit etwa 1800 hatten die Künstler die histori­ der Art Nouveau oder der Wiener Sezession. Viel­ heim, Owingen, Salmendingen und Schörzingen. schen Stilepochen wieder entdeckt und an den Als evangelisches Gegenstück ist die Kirche von mehr bildete sich als "regionaler Jugendstil" ein Zeitgeschmack der Romantik angepasst. Im Mischstil heraus, der am ehesten mit dem Darm­ Bickelsberg anzuführen, welche mit ihrer Aus­ Kirchenbau war besonders die Neugotik beliebt. stattung als einziger protestantischer Barockbau städter Stil zu vergleichen ist und meist Elemente Ausgehend vom preußischen Regierungsbezirk des Barocks, des Klassizismus und des Heimat­ komplett erhalten ist. Einzelne barocke Ausstat­ Sigmaringen, wo König Friedrich Wilhelm IV. die tungsstücke wie Kanzel, Orgel, Emporenbilder stils mit verarbeitete. Ebenfalls dem Jugendstil Neugotik durch die Hechinger evangelischen Io­ zugehörig sind die Kirchen in Tailfingen (Paulus­ usw. finden sich dagegen noch in zahlreichen hanneskirche (1856/57) und den Neubau der evangelischen Kirchen. kirehe 1906/07 Böklen und Feil, Stuttgart) und Burg Hohenzollern (1846 - 67) persönlich för• Boll (1903 - 09 Wilhelm Friedrich Laur). Das im Ursprung barocke, jedoch 1826 klassizis­ derte, verbreitete sich der Stil auch bald darauf Von überregionaler Bedeutung ist die neue Villa tisch überformte Jagd- und Lustschloss Lindich im angrenzenden Königreich Württemberg. Her­ Haux in Ebingen (1908/09 Böklen und Feil, Stutt­ bei Hechingen bildet das Zentrum einer sternför• ausragend ist das Hechinger Ensemble von evan­ gart), die den Erfolg des Unternehmers doku­ migen Parkanlage. radial umgeben von Kavaliers­ gelischen Schule und Johanneskirche von Frie­ mentiert. Zu den herausragendsten Industriebau- · häuschen. Als Beispiele ländlicher Herrenhäuser drich August Stühler, der ebenfalls für den Wie­ ten dieser Zeit zählen die 1913/14 errichtete,Fa­ seien das Stauffenberg-Schloss in Geislingen und deraufbau der Burg Hohenzollern, dem zweifels­ brik der Gebr. Haux (Manz, Stuttgart) sowie die das Schlössle in Zimmern u. d. B. genannt. Ein frei prominentesten Bauwerk im Kreisgebiet, ver­ Anlagen von Balth. Blickle's Wwe. (1909) und loh. schlossartiges Gebäude stellt auch das Amtshaus antwortlich war. Conzelmann zur Rose (1910), beide in Tailfingen. in Straßberg dar, das um 1745 für die Fürstäbtis• Nach diesen Vorbildern fand die Neugotik so­ sin des Stiftes Buchau errichtet wurde. Von vor­ wohl im katholischen wie im evangelischen züglicher Qualität sind auch die Dekorationen in Kirchenbau in der gesamten Region Anwendung. Moderne den beiden Dominikanerinnen-Klöstern zu Bins­ Mehr oder weniger intakte neugotische Kirchen­ dorf und Rangendingen, wobei bei letzterem be­ ausstattungen gibt es noch in Burgfeiden (neue Beeindruckend sind die expressionistischen sonders die Kirche herausragt (1750 - 54). Kirche), Gruol, Rangendingen, Stetten bei Haiger- Kirchenbauten der 20er Jahre in Bitz (1925/26 Januar 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1299

Behr und Ölkrug, Stuttgart), Geislingen (1928/29 net. Einzigartig im Zollernalbkreis ist die Archi­ geI:!?auten erhielten Gauselfingen, Hartheirn, .Lütkemeyer und Schilling, Rottenburg), Hör• tektur der Friedenskirche in Ebingen (1931/32). Stetten u. H. und Nusplingen moderne Neubau­ schwag (1928 Wilhelm Friedrich Laur) und Burla­ Für den Industriebau eignete sich dieser Baustil ten, die durch kubische Formen und unter­ ..dingen (1933/34 Otto Linder) . Die Fenster sind besonders, weshalb er im Raum Albstadt sehr schiedliche Dachformen mit innen sichtbarer ~m i t überspitzten Bögen versehen und rauer, ge­ früh angenommen wurde (L. Haasis, Tailfingen, Struktur bestimmt werden. 'strichener Verputz ziert die Fassade. Auffallend Eisenbahnstraße 12). Das einzige noch beste­ Das Rathaus in Hechingen wurde 1958 von Paul sind die Zollingerdecken in Geislingen und hende Industrie-Hochhaus entstand 1928 in Tail­ Schmitthenner mitAnklängen an klassizistische Hörschwag mit ihrer rautenförmigen Musterung fingen bei J. Maute (Hechinger Straße 40). Vorbilder errichtet. ' Ein gleichfalls typischer Bau der Holzträger, die eigenwillige Lichteffekte er­ Auch die Nachkriegszeit hat eigenwillige Bauten der 50er Jahre ist das Ebinger Hallenbad mit ova­ 'zeugen. Parallel mit dem Expressionismus tritt hervorgebracht: 1951/53 wurde in Grosselfingen lem Grundriss. Die Schulen in Engstlatt, Geislin­ auch das Neue Bauen (Bauhaus) auf, das sich ein großer Kirchenneubau mit expressionis­ gen und Haigerloch entwarf 1965/66 das Stuttgar­ durch seine geraden Linien und Kuben auszeich- tischer Tendenz errichtet. Als Ersatz für Vorgän- ter Büro Behnisch und Bidlingmaier.

Der Haussperling - Vogel.des Jahres 2002 Von Dr. Karl-Eugen Maulbetsch, Naturschutzbund Deutschland, OG Balingen . Ältere Generationen erinnern sich noch an die Schwärme von Sperlingen in den Hühnerhöfen, den Hausgärten und in den verstaubten Feldwegen. Sie suchten dort nach Nahrung und sie lagen in ständigem Streit mit Staren und Rotschwänzen um die besten Nistplätze unter den Haus- oder Scheunendächern. Die Vogelart ist heute bei uns zwar nicht gefährdet, sie gehört immer noch zum dörflichen und städtischen Lebensraum. Ihre Bestandszahlen sind jedoch stark rückläufig und die einstigen Schwärme gehören in vielen Gebieten der Vergangenheit an. Der Naturschutzbund und der Landesbund für Vogelschutz wollen mit der Wahl des Haussper­ lings zum Vogel des Jahres 2002 auf die Rückgänge aufmerksam machen und einige Vorschläge zum Erhalt dieses früheren Allerweltsvogels unterbreiten.

Verbreitung: Der in keinem Dorf und in keiner Stadt fehlende Körnerfresser hat sich hervorra­ gend an den Menschen angepasst. In Baden­ Württemberg kommt der Sperling innahezu allen Feldsperling vorder Bruthöhle Siedlungen vor. Waldgebiete werden jedoch ge­ mieden. Verbreitungskarten zeigen Schwer­ knapp sind, baut der Spatz auch überdachte Ne­ punkte in den tiefen Lagen wie z. B. im Oberrhei­ ster in Bäumen oder im Gebüsch. Bevorzugt wer­ nischen Tiefland, im Bodenseebecken. im mittle­ den Birnenbäume, Espen, Apfelbäume und Spitz­ ren Neckarraum und in der östlichen Donau­ ahornbäume. Die Besetzung der Nistplätze findet ebene. Dies sind auch die Hauptanbaugebiete für in der Regel im März statt. Die Haupt-Nestbau­ Getreide. Auf der Schwäbischen Alb brütet er zeit fällt auf Anfang April. Am Nestbau sind beide noch in Höhenlagen über 900 m, so z. B. im Geyerbad bei Oberdigisheim (900 m), in Obern­ Altvögel, die normalerweise in Dauerehe leben, heim (950 - 935 m) und in Heinstetten (920 m). beteiligt. Das Baumaterial setzt sich aus dürren Grashalmen, Stroh, Wolle und Federn zusam­ Klimatische Verhältnisse und der Mangel an Nah­ Haussperling(Pesser domesticus) men. Die Eiablage beginnt in der Zeitspanne von rung setzen Grenzen für eine noch höhere Be­ vom NABUzum .,vogeldes Jahres 2002"gekürt. (Foto: NABUIR. Siegel) Ende März bis Anfang Mai (Erstbrut). siedlung. Die baumbesetzten Steppengebiete Vorder- Bei uns brütet der Haussperling, je nach Witte­ asiens und des südlichen Mittelmeerraumes Kennzeichen der Männchen sind der schwarze rung und Nahrungsangebot zwei- bis dreimal pro waren wohl die ursprünglichen Lebensräume. Kehllatz, die rotbraunen Schulterfedern, die Brutperiode, die sich in den meisten Fällen bis Mit der Ausbreitung des Ackerbaus drang auch weißen Flügelbinden, der graue Scheitel sowie Anfang September hinzieht. Eine mögliche vierte der Sperling nach Westen und Norden vor. Auf der graue Bürzel. Die Färbungen am Kopf sind Brut ist für Baden-Württemberg nicht belegt. Die Schiffen, sozusagen als blinder Passagier, ge- während der Brutzeit besonders konstrastreich Gelege umfassen in 90 Prozent aller Fälle drei bis langte er, insbesondere ab Beginn des 19. Jahr- und kräftig ausgeprägt. Die Weibchen zeigen ei­ sechs Eier. Die Bebrütung geschieht durch Män• hunderts, in die übrige Welt oder. er wurde be- nen gestreifen Rücken, ansonsten sind sie eintö• nchen und Weibchen. Sie variiert von 10 bis 22 wusst in viele Länder eingebürgert. Heute findet . nig graubraun gezeichnet. Beide Altvögel verfügen Tagen, der Mitte lwert liegt bei 15 Tagen. Die Nah­ man ihn ebenso häufig wie bei uns in weiten Tei- über einen kurzen, dicken Schnabel, ein Kennzei­ rung der geschlüpften Jungvögel, die von beiden len Nordamerikas, .Asiens, Australiens, Neusee- chen für Körnerfresser. Dieses Merkmal war einer Eltern herangeschafft wird, setzt sich überwie• lands, Südafrika und in Arealen Südamerikas. der Gründe für die einstige Einordnung der Sper­ gend aus Insekten und Raupen zusammen. Diese Nicht besiedelt sind die Äquator- und Polar- bzw. linge in die Finkenfamilie. Heute werden sie ent­ eiweißhalte Kost ist für eine schnelle Entwicklung Teile der Subpolarregionen, Westaustraliens so- weder in die Gruppe der Webervögel eingereiht notwendig. Nach einer mittleren Nestlingszeit wie große Räume in Ost- und Südostasien. oder als eigenständige Familie geführt. Der Ge- von 14 Tagen sind die Jungen flügge. Die Verluste Wanderungen und Zug: Die Populationen in Si- sang der Männchen ist relativ einfach. Unver­ sind hoch. Von den Erst- und Zweitbruten verlas­ birien legen weite Strecken, z. T. bis nach Indien kennbar ist das monoton vorgetragene .Tschil­ sen etwa mehr als die Hälfte das Nest, bei den in das Winterquartier zurück, sie sind also Lang- pen". Bei Störungen erklingt ein hartes Zetern, weiteren Bruten weniger. Nur 50 Prozent der streckenzieher. Auch die Bewohner der Himala- das durch einfache Warnrufe ergänzt sein kann. Jungsperlinge überleben das erste Halbjahr. Auch jaregion überwintern in Indien und Pakistan. Bei Brutbilogie: Der Hausperling zählt wie Meise, nach dem Ausfliegen werden die Jungsperlinge uns gehört der Sperling mehrheitlich zu den Rotschwanz oder Mauersegler zu den Höhlen• noch einige Zeit gefüttert, bis sie dann, verge­ Standvögeln. Diese bleiben normalerweise im brütern. Dabei werden normalerweise bereits sellschaftet mit anderen Artgenossen, Ausflüge in Brutrevier, in dem sie je nach Witterung umher- vorhandene Höhlen, Löcher oder Nischen be­ die weitere Umgebung unternehmen. Im ländli• streifen. Kurzfristige größere Wanderungen gibt nutzt. Beim Verfasser nisten Sperlinge in nicht chen Bereich ernähren sie sich von Weizen- und es nur bei Kälteeinbrüchen oder bei starken besetzten Mehlschwalbennestern bzw. unter Haferkörnern, Knospen, Samen von Gräsern und Schneefällen. Einige wenige Exemplare legen dem Dach. Nur in Gebieten, in denen Höhlungen von Beeren, in größeren Städten auch von Abfäl• größere Entfernungen zurück. Sie sind Kurz­ len und Speiseresten. streckenzieher. Angehörige der Population aus Verschiedene Namen: Das einstige massen­ Baden-Württemberg ziehen in der Zeit von Sep­ hafte Einfliegen in die Kornfelder im Sommer, die tember bis Anfang November ab. Die Winter­ Nahrungssuche in Misthaufen sowie das Staub­ quartiere liegen z. B. in Frankreich im Rhönetal. baden brachten dem Sperling ein schlechtes Die Rückkehr in die heimischen Brutareale Image und entsprechende Bezeichnungen ein. geschieht im Februar und im März. Namen wie Korne und Speicherdieb, Mistfink Kennzeichen und Gesang: Der im Volksmund oder Dreckspatz unterstreichen dies. 'Die letzte als Spatz bezeichnete Haussperling hat eine von Bezeichnung dürfte wohl auf die Verhaltensweise der Schnabelspitze bis Ende des Schwanzes ge­ zurückzuführen sein, dass die Sperlinge im Bo­ messene Länge von etwa 15 cm. Charakteristische Balzder Haussperlinge Feldsperling den Mulden ausscharren und gröbere oder fei- Seite 1300 Heimatkundliehe Blätt er Januar 2002

ginne nde Klimaverschlechterung mit kühleren Lebensräume Die und feuchtere n Som mern, aber auch Nachstel­ Verwandten: lungen durch den Menschen dürften zum Aus­ Art sterbe n der Art in Baden-Württemberg geführt Feldsperling Bewo hner von Siedlunge n, haben. Ein weit erer Bewohner der Mittelmeer­ die durch die Landwirtschaft länder ist der Weidensperling. Besondere Feld­ geprägt sin d und von reich ken nzeichen sind die weiß gefärbten Wangen, struktur ierte n Wiesen und der kastanienbraune Scheite l sowie die schwarz gestreiften Flanken. Sperlinge, die sich an ein Le­ Agrarlandschafte n; optimale ben in Hochgebirgsregionen angepasst haben, Habitate sind auch Ort srand­ sind die Schneefinken. Mit einer Gesamtlänge lagen mit Streuobstbestän­ von 17 bis 19 cm ist der Schneefink außerdem den. der größte europäische Sperlingsvogel. Die Steinsperling Bewohnt felsiges und stei­ nächst gelegenen Brutvorkommen liegen in ~en niges Gelände sowie Korkei­ A1lgäuer Alpen, im Vorarlberger Alpenbereich und in den Schweizer Alpen südlich des Säntis. chenwälder im MitteImeer­ auch an Insektenfutter für die Jungen. Der lokale Die Schneefinken sind vor allem Standvögel. Ei­ raum (Beobachtungen von Mangel an Körnerfutter wurde durch die Aufgab e nige legen im Winter jedoch größere Strecken bis landwirtschaftlicher Betriebe mit Kleintier- und Chr. und K~ E. Maulbetsch in in den Bereich des Alpenvorhindes zurück. Von Andalusien) Pferdehaltung ausgelöst. Viele Nistplätze ginger solchen Kurzstreckenziehern gibt es für Baden­ durch eine geänderte Bauweise und durch die Weiden­ Bewohnt Weid engehölze .und Württemberg einige wenige Belege. . Renovierung vieler Altbauten verloren. Mauer­ Bestand, Gefährdung und Schutzmaßnahmen: spe rling andere Baum- und Strauchar­ nischen werden verputzt und Dachspalten ge­ Der Bestand in Europa wird auf 54 bis 180 Mio. schlossen. Auch die Versiegelung offener Flächen ten in der Nähe von Flüssen Brutpaare geschätzt. In Deutschland leben davon und Seen, aber auch Wälder vertreibt die Sperlinge. Sie brauchen Pfützen zum 5,3 bis 7,8 Mio. Paare. Die Siedlungsdichten Baden und staubige Flächen zur Reinigung des und trockene Graslandschaf­ schwanken je nach Biotop mächtig: 153 Brutpare ten mit eingestreute n Bäu ­ Gefieders. je 10 Ha in Oberhausen, 61 in Göttingen,. 14 bis Die Verbände schlagen folgende Hilfen für den men sowie Siedlungen im 19 in Bonn, 13 in Stuttgart-Botnang und Im Bo­ Haussperling, aber auch für andere Vogelarten Mittelmeerraum; Nestanlagen denseeraum 5 Reviere/lO Ha . Die Auszählung der vor: in Bäumen, benutzt abe r auch Reviere in Baden-Württemberg ergab einen Wert • Anlage von Mischkulturen zur Verringerung unbesetzte Nes ter an de rer von 720 000 (1988). Damit ist der Haussp erling des Schä dlingsbefalls; Vögel (Beobachtunge n von be i uns nach Buchfink und Amsel die dritthäu ­ • Pflanz ung von heimischen Sta uden und Chr. und K. E. Maulbetsch in figste Vogelart. Regionale Untersuchungen zeigen Gehö lzen zur Förderung von Nü tzlinge n wie Andalusien und NO-Grie­ jedoch, da ss seit einigen Jahren starke Popula­ Ma rienkäfer und Schwebfliegen. Diese dienen tionsrückgänge zu verzeich nen sind. Im Boden­ chenland) dann als eiweißreiches Futter für d ie Jung­ seegebiet ist z. B. der mittlere Bru tb estand inner ­ vöge l. Beispiele für Sta uden mit einem hohen Schneefink Bewo hner der Hochgebirgsre­ halb von zehn Jahren (1980 bis 1990) von 63 953 Wert für die Insektenwelt sind z. B. Groß• gion in den Alpen bis 3500 m; Brutpaaren auf 49203 Paare zurückgegangen. blü tige Königskerze, Flockenblume, Schaf­ die Nisthö hlen befinden sich Dabei sind die Abnahmen nicht nur in größe ren garbe und Wilder Majoran; Gemeinde n, sondern auc h in kleineren Ort en in Felsspalten und Klüften, • Neuanpfanzung von Hecken und Bäumen. nistet aber au ch in hoch gele­ feststellbar. Die Gründe für 'die Bestandsrück­ Diese bieten Sperlingen und anderen Vögeln gänge sind vielfältig. Der Einsatz von Pestizide~ gene n Gasthöfen und Hot els Rückzugs möglich keiten und Nistgelegen­ in der Landwirtschaft und in Gärten führen zu ei­ heit en ; ner Anreicheru ng von Rückständen in der Nah ­ • Aufhängen von Nistkästen - in Gartenanlagen rungskette und zu einer Verringerung der anima­ außerha lb der Siedlungen ist dies auch eine lische n Nahru ng für den Nachwuch s. Einbußen nere Erde sowie Sta ub in die Federn wirbel n. wirkungsvolle Hilfe für den Felds pe rling; beim Nahrungsangeb ot gibt es auch dur ch die • Reduz ierung der Dünge- und Spritzmittel Nach dem Bad werden die Partikel wieder ab­ Artenarm ut, die in vielen Hau sgär ten herrscht. Es geschüttelt und das Gefieder geputzt. Dies.e mangelt an Gräsern und Krä utern und damit Literatur : Methode dient de r Bekämpfung der Federparasi­ Fitter, R: Buch der Vogelwelt Mitteleuropas, Stuttgart 1973 ten. Grzim eks Tierleben : Band IX, Vögel 3, Lizenzau sgabe 1977 Hölzinger, J.: Die Vögel Baden-Würltembergs, Singvögel 2, Die Verwandten. Der bekannteste Verwandte Stuttga rt 1997 . ist der mit 14 cm Länge etwas kleinere Feldsper­ NABU-lnformationen: Vogel des Jahr es 2002 Art Gefährdung Bildnachwei s: Foto NABU/R Siegel . fing. Wichtigste Kennzeichen sind die rotbraune Zeichn ungen verände rt nach Fitter, R : Buch der Voge lwelt Kopfp latte, die schwarzen Wangenflecke und das Hausspe rling nicht gefährdet , jed och Be- Mitteleuropas, Stuttgart 1973 schmale weiße Halsband. Beid e Gesc hlechter sta nds rückgänge (Untersu- sind gleich gefärbt. Oft wird, we nn von Spa tze n chungen über Abnahmen lie- die Rede ist, nicht zwischen den bei den Arten un­ gen auch aus England vor); in terschieden.Der Felds perling kommt in Baden­ Deu tschland 5,3 bis 7,8 Mio. Württemberg ebe nfa lls in allen Landesteilen vor. Brutpaare; in Baden-Würt- Schwerpunkte sind auc h hier die tieferen Lagen temberg 720000 Reviere unterhalb 600 m. Besiedlungslüc ken gibt es in (1988); im Boden seegebi et den hö heren Lagen des Schwarzwaldes, der 49 000 Reviere (1990/92) Schwäbische n Alb und im Allgäu. Der Feldsper­ ling brü tet bevorzugt in Landsch aften, die mit Feld sperling .aufgeführt in der Vorwarnliste Die Verfasser der Beiträge I Strukturelementen wie Hecken, Feldge h ölzen. - (dort stehen Arten, die bei in dieser Ausgabe: I Büsch en und Baumreihen reich gegliedert sind weiterer Abna h me in den Schriftenreihe B der .Zollem alb-Profile". Land­ sowie in von der Landwirtschaft gepragte n Sied­ näch sten zehn Jahren gefähr- ratsamt Zollernalbkreis / Dr. Ingrid Helber lungen. Im Raum Balingen, z. B. im Tal, befinden det sein werden) ; Dr. Karl- Eugen Maulbet sch sich Nistplätze in Geräteschuppen, in aufgehäng­ in Deuschland 1,1 bis 1,8 Mio 72336 Balingen, Am Stett be rg 9 ten Nistkästen, in aufgeschichteten Haufen aus Baumschnitt, in ausgefaulten Astlöchern und in Brutpaare; in Baden-Würt- temberg 150000 Reviere Spechthöhlen (Beobachtungen von Chr. und K. Herausgegeben von der ' (1988); im Bodenseeraum . E. Maulbetsch) . Die Nahrung besteht vor allem Heimatkundlichen Vereinigung Balingen. 8171 (1990/92) Reviere aus Samen von Bäumen und Wildkräutern. Wei­ Vorsitzender: zenkörner werden nur au sn ahmsweise gefressen. Steinsperling ausgestorben in Deu schland, Christoph Roller, 72336 Balingen, Ain Heuberg 14, Die Jungvögel bekommen tierische Kost. Insekten Telefon 77 82. und Spinnen bilden die Hauptnahrung. Es sind letzter Brutnachweis 1941; Brutvogel im Mittelmeer- Geschäftsführung: bis zu vier Jahresbruten möglich. Ruth Hübner, Im Kirschenwinkel 2, 723 59 Dot­ raum, dort häufig Im Mitt elmeerraum ist der Steinsperfing ver­ ternhausen, Tel efon (07427) 9 10 94. breitet. Die Art brütete im 19. Jah rhundert auch Weiden- Brutvogel im MitteImeer- Redaktion: in Baden -Württem berg. Die Brutplätze lagen da­ sperling raum, dort häufig .Ch ristoph F. Riedl, 72336 Balingen, Gerh.vl-laupt­ mals in klimatisch günstigen Regionen wie in der m ann-Ring 14,Telefon 78 16. südlichen Oberrheinebene und im Taubergrund. Schneefink Wintergast in Deutschland, Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils sehr selten am Monatsende als stä ndige Beilage des "Zollern· Die im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts be- Alb- Kuriers". Jahrgang 49 28. Februar 2002 Nr.2 Die Schweine grunzten zum Gebet Aspekte süddeutscher Volksfrömmigkeit in der Reformationszeit - Von Dr. Peter Thaddäus Lang . Die untrennbare Vermischung des Weltlichen mit dem Heiligen ~ es ist ein ganz charakteristi­ Pfarrers Schweine mancherorts unter der Woche sches Merkmal des Mittelalters. Viele Aspekte dieser Vermischung waren während dieser Epoche in der Kirche untergebracht waren und am Sonn­ so selbstverständlich, so gang und gäbe, dass es keinem Menschen der Mühe wert erschien, sol­ tag in die Sakristei getrieben wurden. Daran che Dinge aufzuschreiben. störte sich .niemand - hielt man do ch das Mit­ bringen von Hunden ohnehin für eine selbstver­ Erst in der Reformationszeit gingen die kirchli­ konnten. Erst ,im 18. Jahrhundert scheint die ständliche Gewohnheit. Die Forderung nach chen Ordnungshüter daran, Welt und Kirche fein sprichwörtliche Friedhofsruhe überall eingekehrt vollkommener Reinlichkeit, des Kircheninneren säuberlich voneinander zu trennen. Nunmehr zu sein, hatte aber außerdem die Folge, dass die Kirchen­ , wurde die Vermischung zum Übelstand erklärt besucher auf sauberes Schuhwerk zu achten ha t­ und alle diejenigen streng bestraft, die sich nicht ten und dass erhöhte Anforderungen an das Rei­ nigungspersonal gestellt wurden. - Dass die an die neuen Regeln hielten. Und nur weil diese Das Gotteshaus Verfehlungen schriftlich festgehalten wurden, ha­ Kirchenleitung neben der Sauberkeit auch fest­ ben wir Kenntnis davon. Was dabei so alles ans liehe Kleidung von den Kirchenbesuchern erwar­ Eine unentwirrbar enge Verquickung des Kirch­ tete, das ist allerdings nur sehr vereinzelt nach­ Tageslicht kam - davon soll nun im folgenden die lichen mit dem Weltlichen begegnet uns ferner Rede sein. weisbar. im ländlichen Gotteshaus. Dort fanden sich die Eine Verbesserung des Bauzustandes hat-zwei­ Dorfbewohner nicht nur zum Gottesdienst zu­ fellos ebenfalls dazu beigetragen, den heiligen sammen, sondern sie suchten in Kriegszeiten an Charakter des Kirchenraums zu verstärken, denn diesem Ort Zuflucht vor feindlichen Uberfällen, schadhafte Dächer, - unebener Bodenbelag, Der Friedhof Die Kirchen auf dem flachen Land waren also zu­ Feuchtigkeit, Moder und mangelndes Tageslicht meist als Wehrkirchen gebaut, mit ausnehmend (bei den winzigen Schießschartenfenstern) stan­ Der französische Historiker Philippe Aries malte dicken Mauern und winzig kleinen Fenstern, die den dem Zustandekommen einer weihevollen mit kräftigen Farben das Bild der mittelalterli­ nicht ohne Grund bisweilen an Schießscharten Stimmung gewiss im Wege. chen Begräbnisstätten als eines Kommunika­ erinnern. Als Beispiel für solche Wehrkirchen in Die protestantischen Kirchenbehörden waren tionszentrums, ähnlich einem Marktplatz: Dort unserer engeren' Umgebung mögen die Gottes­ schon damit zufrieden, wenn die Dächer dicht, begegnen wir nicht nur der Trauergemeinde oder häuser von Frommern und Truchtelfingen ange­ der Boden glatt und die Mauern gerade waren, sehen werden; aber auch der sehr alte Turm der einer Prozession, nein, wir finden dort - laut Aries wenn zudem die Wände in weißestem reinlich­ Tailfinger Peterskirche wird mit Sicherheit ur­ - auch Händler und Marktschreier, Dirnen und stem Weiß erstrahlten und außerdem alles vor Diebe, trommelrührende Landsknechte und asyl­ sprünglich als Wehrturm gebaut worden sein und Sauberkeit nur so funkelte und blitzte. Anders suchende Verbrecher, ja, sogar Backöfen vermag den Tailfingern wie in einer Festung Schutz ge­ aber die katholischen Kirchenbehörden.Ihnen der französische Historiker auf dem Kirchhof währt haben. Die Unsicherheit der Zeitläufe er­ lag darüber hinaus am Herzen, dass Bilder, nachzuweisen. Das heißt also: Statt weihevoller forderte es auch, Wertsachen im Kirchenraum zu Skulpturen, Altäre, Kerzen, Monstranzen, Kelche, Stille herrschte dort (zum indest bisweilen) 'eher lagern. Darüber hinaus benötigte man den Kirch­ Weihwasserbecken und sonstiges Kirchengerät in das lebensfrohe Getöse eines Rummelplatzes. turm zum Aufhängen der Glocken und außerdem ausreichender Anzahl und in optimalem Zustand als Ausguck, um etwaige Feinde oder Feuers­ Die deutschen Quellen lassen indes eine derart vorhanden waren. pralle Fülle der Nutzungsmöglichkeiten eines brünste möglichst frühzeitig entdecken zu kön• Hinter solcher 'Sorge verbirgt sich ein für die ge­ Friedhofs nicht erkennen. Aber immerhin: Die nen. genreformatorisch e Kirche charakteristisch es charakteris tische Vermischung von Weltlichem Die Vermischung des Geistlichen mit dem Welt­ und spezifisch katholisches Programm: Die Gläu• und Geistlichem ist trotzdem deutlich erkennbar. lichen bei der Verwendung des Kirchenraums bigen sollen vor allem übe r das Auge mit Glau ­ So besaßen denn auf dem flachen Lande der zeigt sich ferner auch daran, dass vielerorts Ge­ bensinhalten vertraut gemacht werden - ein Pro­ meindegericht und Gemeindeversammlung im Mesner oder der Schulmeister sehr häu fig seit al­ grarnm, das sich seit dem Mittelalter be i einer Gotteshaus zusammentraten, wenn die Witte­ ters her einen Rechtsanspruch da rauf, ihr Vieh weitgehend leseunkundigen ländlichen Bevölker­ auf dem Kirchhof weiden zu lassen und das nicht rung eine Zusammenkunft im Freien nicht ung bewährt hatte und das in der Barockzeit sei­ abgeweidete Gras als Heu zu ernten. Dazu kamen zuließ. Dies hörte zwar nach der Reformations­ nen H?hepunkt fand. gelegentlich no ch andere Recht e, wie beispiels­ zeit allmählich auf. Als Überbleibsel erhielt sich weise jenes, zwische n den Gräbern Bauschutt jedoch noch jahrhundertelang die Gepflogenheit, ode r auch Stallmist zu lagern. Die Landleute wie amt-liehe Bekanntmachungen von der Kanzel zu auch ihre Geistlichen fanden solches in keiner verlese n. Der Gottesdienst Weise anstößig; ganz im Gegensatz zu den höhe• Des Weiteren konnt e es vorkommen, dass ren kirchlichen Würdenträgern, die das grasende Transportarbeiter schwere Lasten kurzerhand Die unentwirrb are Vermischung von Profanem Vieh von den Begräbnisstätten ferngehalten wis­ durch die Kirche trugen, wenn der Weg um das und Sakralem zeigt sich jedoch in allererster Linie sen wollten. Gotteshaus herum zu weit und zu beschwerlich am Verhalten der Gläubigen selbst . Zu diesem Zweck wurde angeordnet, dass die erschien. Im Reform at ion sjahrhundert stellten Den Landleuten war der Gottesdienst weniger Kirchhöfe mit festen Mauern umgeben sein soll­ die Kirchenbe hörden solche Gewohnheiten wich tig als das Einbringen der Feldfrucht, und so ten und dass der Zugang ausschließlich über ein Schritt für Schritt ab. Nach Auffassung der Theo­ herrschte zur Erntezeit im Gotteshaus oftmals gut verschließbares Tor möglich sein dürfe. Im logen sollte der Kirche nraum ebe n ausschließlich gähnende Leere . Viele blieben außerdem daheim, Lauf des 17. Jahrhunderts gewöhnte man sich an sakralen Handlungen vorbe halten sein. wenn ihnen das Wetter zu schlecht erschien und solche Auflagen, aber ein Gefühl für den heiligen Ein höherer Grad de r Heiligung des Gottes­ wenn der Weg zur Kirche sich durch Regengüsse Charakter des Friedhofs ging damit nicht einher. hauses erfolgte somit zum einen unmittelbar auf in tiefen Morast verwandelt hatte. Noch lange nach dem Dreißigjährigen Krieg fin­ dem Wege von Verbo ten, zum andern aber auch Neben schlechter Witterung und den Erforder­ den wir in den Kirchenakten allenthalben Klagen über die Ästhetik. Da hatte die Kirche zunächst nissen der Landwirtschaft lauerte im Dorf noch über zerfallene Kirchhofmauern und offenste­ makellos und sauber zu sein. Das bedeutete un­ ein weiterer und äußerst populärer Grund, der hende Tore, so dass Gänse, Hühner, Schweine ter anderem, dass Tiere im Gotteshaus nichts die Christen vom Kirchgang abhalten konnte: die oder Ziegen sich dort nach wie vor tummeln mehr zu suchen hatten - wo doch vor dem des Kneipe. Innerhalb der ländlichen Gesellschaft bil- Seite 1302 Heimatkundliehe Blätte r Februar 2002 dete sie einen Gegenpol zur Kirche und kann mit ihren Würfel- und Kartenspielen, mit ihren Rau­ fereien und Kraftmeiereien, mit all ihren Trinklie­ dern und Besäufnissen als ein wichtiger Hort der Volkskultur gelten. Bis ins Zeitalter der Reforma­ tion verfügte das Wirtshaus eindeutig über die größere Anziehungskraft bei der Bevölkerung und erst durch die gemeinsamen Anstrengungen von kirchlicher und staatlicher Obrigkeit begann sich das Blatt zugunsten der Kirche zu wenden ­ zumindest in lutherischen und reformierten Ge­ genden. Wo die Kneipe dicht neben dem Gotteshaus lag, konnte der fröhliche Lärm der Zecher das litur­ gische Gesch ehen gewaltig beeinträchtigen. Um solchen störenden Lärm zu unterbinden und den Landleuten die Wahl zwischen Wirtshaus und Kirche zu nehmen, hatten vielerorts auf obrig­ keitliche Anordnung hin die Kneipen während des Gottesdienstes geschlossen zu bleiben. So lange aber Bürgermeister, Amtleute, Ratsmitglie­ der und andere Vertreter staatlicher Autorität dem Wirtshaus den Vorzug gaben, konnten de­ rartige Bestimmungen wenig fruchten. Wer trotz alledem zur Kirche kam, der betrat nicht unbedingt sofort das Gotteshaus, sondern blieb zunächst einmal auf dem Kirchhof stehen, um Freunde und Bekannte zu begrüßen und mit ihnen die neuesten Klatschgeschichten auszu­ tauschen. Viele der Kirchgänger waren dann der­ maßen in das Tratschen und Ratschen vertieft, dass sieden Gottesdienst völlig vergaßen und erst wieder daran erinnert wurden, wenn sich die Frömmeren unter ihnen nach Beendigung des Gottesdienstes wieder zu ihnen gesellten. Wer Bauernhochzeit, 16. Jahrundert sich aber von dem angeregten Geplausche los­ zureißen vermochte und doch noch den Weg ins Haus des Herrn fand, der ließ es dann des öfteren an der geforderten Andacht fehlen und scherzte und schwatzte dort ungeniert und munter weiter. ben. Deswegen sprache n die Leute auch sche rz­ tig eine n drau fmachen s: so floss zur Kirchweih Die Geräuschkulisse wurde um eine weitere hafterweise von dem "letzten Elen d" und vermie­ denn der Alkoho l in Strömen, gar manche Jung­ weltliche und unüberhörbare Komponente berei­ den es tunlichs t, einen Priester herbeizurufen , frau verlor dab ei ihre Unschuld und mancher chert, denn wie schon erwähnt, mochten sich des wenn jemand im Ster be n lag. junge Mann wurde in üble und mit unter lebens­ Pfarrers Schweine aus der Sakristei heraus mit ih­ Bei den . Sakra me nten der Tau fe und der gefäh rliche Raufhändel verwickelt. Spät Sonntag rem Gegrunze und Gequieke vernehmen lassen, Trauung sah es hinwiederum ganz an ders aus : nachts zogen dann ganze Völkerschaften (meist und auch die Hunde der Kirchenbesucher wer­ Die Taufe gehörte zu den bedeutenderen geselli­ in volltrunkenem Zustande) wieder heimwärts. den mit ihrem fortwährenden Gekläffe, Gefiepe gen Ereignissen im Dorf. Gefeiert wurde mehrere und Gejaule die heilige Handlung akustisch be­ Tage lang, zu Gast war der halbeOrt, und es gleitet haben. wurde alles geboten, was Küche und Keller herga­ Prozessionen und Wallfahrten Zudem wussten die Kirchenbesucher noch ben. Man gönnte sich alles, was man sich sonst nichts von der Tugend der Pünktlichkeit; das Zu­ das ganze Jahr hindurch nicht leisten konnte, Die ausufernde Lebenslust machte auch vor spätkommen galt keineswegs als. Schande: So und am Ende des Fests blieben zumeist ein vom den Prozessionen und Wallfahrten nicht Halt. herrschte während des Gottesdienstes ein stän• Überfressen schmerzender Magen und ein vom Nicht selten endeten die Bittgänge im Wirtshaus diges Kommen und Gehen, denn manche Gläu• Vollrausch dröhnender Kopf. und manchmal führten die Gläubigen das be­ bige zogen es vor, während der Predigt das Got­ Am tollsten aber trieben es die Leute auf dem rauschende Nass kurzerhand gleich mit sich, um teshaus zu verlassen und erst wieder zurückzu• Land bei den Hochzeiten. Da wurde mindestens sich schon unterwegs eine Stärkung zu verschaf- kommen, wenn der Pfarrer seinen mitunter recht eine Woche lang gefeiert, geschlemmt, gezecht, fen. _ langweiligen Sermon zu Ende gebracht hatte. getanzt und gesungen - da blieben am Ende nur Verschiedene Umgänge zogen sich über meh­ noch die Kranken und die Minderjährigen nüch­ rere Tage und Nächte hin, wobei die Teilnehmer tern. sommers gelegentlich alle zusammen im Freien schliefen. Das Keuschheitsgebot fand unter sol­ Die Sakramente . chen Umstän den eine eher geringe Beachtung, Leichenschmaus und Kirchweih wie die Ortsgeistlichen immer wieder klagten. Wie man sieht, zählte die Landbevölkerung den Wiederholt wuchsen sich die Prozessionen zu sonntäglichen Kirchgang nicht gerade zu den Bei Leichenschmaus und Kirchweih übten die üppig ausgestalteten Festumzügen aus und wur­ zentral bedeutsamen Frömmigkeitsübungen. Mit Landleute kaum weniger Zurückhaltung, und den dad urch den heutigen . Faschingsumzügen einigen der Sakramente stand es da nicht viel nicht minder hoch ging es an Weihnachten, Os­ immer äh nlicher. Zudem war es gang und gäbe, besser. tern und Pfingsten her. Wie die Land pfarrer ihrer biblische Gestalten schauspielerisch darzustellen: Zum Tisch des Herrn begaben sich die Gläubi• vorgesetzten Kirchenbehörde berichteten, befand zum Beispiel Adam und Eva, Kain und Abel, die gen höchstens an Ostern; an den übrigen Sonnta­ sich bei solchen Gelegenheiten nahezu die ganze Arche Noah, Samson und Delilah, Judith und Ho­ gen und Kirchenfesten im Jahreslauf zeigte sich Bevölkerung tagelang im Vollrausch, anstatt, wie lofernes, die zwölf Apostel, die Heiligen Drei Kö• kaum jemand am Abendmahl interessiert. Ande­ es den kirchlichen Amtsträgern vorschwebte, der nige, die keusche Susanna im Bade mitsamt den rerseits waren hin und wieder einzelne Leute Geburt des Herrn oder seiner Auferstehung zu Greisen, die sie heimlich beäugten, und was sich (meist ältere Frauen) der Meinung, es würde die gedenken oder die Aussendung des Heiligen sonst noch so alles an augenfälligen Figuren an ­ eigene Heiligung vergrößert werden, wenn man Geistes gebührend zu feiern. bietet. Die Darstellenden neigten hierbei keines­ möglichst mehrmals am Tag den Leib des Herrn Mit den Kirchweihfesten hatte es zu alledem wegs zur Prüderie. Die Menschenmutter Eva trug empfinge. Hinter dieser Auffassung vermuteten noch eine ganz besondere Bewandtnis: Da die selbstverständlcih das nach ihr benannte Evakos­ die Kirchenaufseher jedoch Aberglaube und Ket­ Feste der Heiligen (und damit auch der Kirchen­ tüm und die Gottesmutter reichte ihrem kleinen zerei, weshalb sie den Pfarrern verboten, solchem patrone) ziemlich gleichmäßig über das ganze Sohn natürlich die Brust. Begehren zu willfahren. Jahr verstreut sind, fand auch alle paar Wochen Als besondere Attraktion galt jedoch immer Um das Sakrament der Krankensalbung war es in der Nachbarschaft eines jeden beliebigen Ortes noch die Darstellung der Hölle. Da trieb der Teu­ aber noch wesentlich schlechter bestellt, denn es ein Kirchweihfest statt, wo dann die ganze Be­ fel allerhand Possen, die von den Zuschauern mit wurde durchweg überhaupt nicht mehr empfan­ völkerung der Umgebung zusammenströmte. großem Hallo aufgenommen wurden - unter an ­ gen . In der Bevölkerung herrschte nämlich die Der eine beabsichtigte dort Geschäfte zu ma­ derem bewarf er sie bisweilen mit Pferdeäpfeln Ansicht, wer einmal die Letzte Olung emfangen chen, ein anderer hatte vor, auf Brautschau zu oder mit anderem stinkenden Unrat. habe, der würde nicht mehr lange am Leben blei- gehen, ein dritter wollte einfach nur mal so kräf- (Fortsetzung/Schluss folgt) Februar 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1303 Hauptlehrer Paul Eith (1891 1968) Gründer des Ebinger Heimatmuseums Aus dem Festvortrag vom 6. Dezember 2001 - von Iürgen Scheff, Albstadt-Ebingen Vor 75 Jahren, am 4. Dezember 1926, wurde das Ebinger Heimatmuseum der Bürgerschaft als "Stätte der allgemeinen Volksbildung" durch Hauptlehrer Paul Eith übergeben. Trotz schmerz- licher Substanzverluste im Zweiten Weltkrieg wurde dieses, dank der weitsichtigen Planung en- gagierter Museumsleiter 'wie Oberlehrer Heinrich Breeg, Architekt Ernst Louis Beck, Dr. Walter Stettner und Dr, Karl Schneck, zur Keimzelle der heute blühenden, vielfältigen Museumsland- schaft Albstadts. Den Grundstein hierfür legte aber bereits in den Jahren 1923 bis 1929 Haupt- . lehrer Paul Eith, dessen unermüdliche Forschungsarbeit im Dienste der Heimatgeschichte erst- mals umfassend gewürdigt werden soll.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert der spätere Gründer des Ebinger Heimatmu­ PauJ Eith gra ssierte im Königreich Württemberg das "Rula­ seums, war in spektakulärer Weise in die rnan-Fieber": auch die Ebinger Schuljugend Geschichte der lokalen Heimatforschung einge­ wurde hiervon erfasst. Der Erfolg dieses erstmals treten - und Oberförster Schleicher hatte sich im achtet der in vielen Punkten sachlich begründe• 1878 erschienenen und in zahlreichen Neuaufla­ Erfindungsreichturn der Ebinger Jugend gründ• ten Kritik lässt sich aus zahlreichen Korrespon­ gen bis heute gern gelesenen Jugendromans vom lich verschätzt! denzen herauslesen, dass zwischen dem hoch abenteuerlichen Leben in der Steinzeit aus der Fast auf den Tag genau vor 110 Jahren, am l l . geachteten Archäologen und Altphilologen Peter Feder von Dauid Friedrich Weinland war über• Dezember 1891, wurde Paul Eith als ältester Sohn Goessler und dem Volksschullehrer Paul Eith, wältigend. Generationen von Kindern wurden zu des Prokuristen Karl Eugen Eith und dessen Ehe­ welchem Übereifer vorgeworfen wurde, zumind­ aufregenden Abenteuerspielen angeregt; umso frau Pauline, geb. Glanz in Ebingen geboren. Mit est in den Anfangsjahren ein gespanntes Verhält• mehr, wenn sich in der Nähe auch Höhlen vor­ diversen Auszeichnungen kehrte er als Leutnant nis bestand. Eith formulierte seine Meinung über fanden, wie es rund um Ebingen der Fall war. des Reserve-Infanterie-Regiments 246 aus dem Goessler in einem Schreiben vom 20. Oktober Es war in den Jahren kurz nach 1900, als sich Ersten Weltkrieg zurück und erlangte 1919/20 1923 an einen Freund jedenfalls unmissverständ• unter dem weiten Eingang der Heidensteinhöhle eine erste feste Anstellung als Hauptlehrer in lich: "Gößler hat einen Stolz wie ein frischlackier­ auf dem Raidenberg eigenartige Dinge abspiel­ Ebingen. In seinem etwas älteren Kollegen Ober­ ter Nachtstuhl." ten. Zwei Buben saßen am knisternden Lager­ lehrer Heinrich Breeg (1883 - 1944) fand er einen Die Gründe für diese Aversionen sind leicht aus­ feuer. Mit ihren Taschenmessern schnitten sie Freund mit ähnlichen Interessen: Heimat­ zumachen. Bei einem Fortbildungskurs für ihre Namen in Runen in Holzscheite. Die Vorlage geschichte, Botanik und Geologie. In zahlreichen Lehrer am Urgeschichtlichen Forschungsinstitut bildete ein nordisches Runenalphabet, das ihnen gemeinsamen Exkursionen durchstreiften beide der Universität Tübingen war Paul Eith erstmals - wohl nicht ganz zufällig - in der Schule in die die Zollernalb, kartierten Pflanzen und sammel­ mit jungen Archäologen in Kontakt gekommen, Hände gefallen war. Anschließend rösteten sie ten Fossilien. Im Mai 1920 machten sie eine En­ welche die gängigen Lehrmeinungen kritisch hin­ die Teile über dem Feuer und vergruben sie tief tdeckung, von der jeder Hobbypaläontologe nur terfragten. Standen bisher nahezu ausschließlich im Höhlenlehm. In den Jahren 1907/08 begann träumen kan n. Im Ornatenton des Braunen Jura die reichen Grabfunde der Vorzeit im Interesse der rührige Ebinger Verschönerungsverein mit am Fuße der Schalksburg legten sie umfangreiche der Forschung und der Museen, so wurden nun­ Ausgrabungen in der Heidensteiner Höhle, um Knochenreste eines Großsauriers von fast sieben mehr die weniger spektakulären Siedlungen als diese für touristische Zwecke zu erschließen. Bald Metern Länge frei. Am Paläontologischen Institut wichtige Arch ive für das Leben der damaligen stieß Forstwart Wintterle, der mit den Grabungen der Universität Tübingen nahm sich Prof. Frie­ Menschen entdeckt. Im Januar 1922 hielt Hans beauftragt war, auf spektakuläre Funde. In eini­ drich v. Huene, de r führende Saurierexperte sei­ Reinerth (1900 - 1990) eine viel beachtete Vor­ ger Tiefe fanden sich die Knochenreste einer eis­ ner Zeit, des Fundes an. Rasch erkannte er, dass tragsreihe in Ebingen über die neuentdeckte zeitlichen Tierwelt, unter anderem eines mächti• Eith und Breeg mit der Erstentdeckung der "Pad­ spätbronzezeitliche "Wasserburg Buchau". gen Riesenhirschs - und eben die ominösen Ru­ delechse" Pliosaurus ferox für Deutschland ein Trotz junger Jahre war Reinerth bereits zum Lei­ nenstäbchen der bei den Ebinger Rulamanfans. sensationeller Fund gelungen war und widmete ter dieses Forschungsprojekts avanciert, das dank Deren Lesbarkeit hatte im Feuer aber etwas gelit­ ihr eine umfangreiche Monographie. neuer Grabungs- und Dokumentationstechniken ten. Wie viele seiner Kollegen schloss sich Paul Eith für Jahre von sich reden machte. Zwei von Ger­ Eine wissenschaftliche Sensation witternd, si­ dem ßund für Heimatschutz" an. Dies dürfte für hard Bersu (1889 - 1964) geleitete archäologische cherte sich Professor Grienbergervon der Univer­ den Junglehrer Eith geradezu Pflicht gewesen Grabungen, an denen Eith regen Anteil nahm, sität Czern owitz in der heutigen Ukraine (vor­ sein, war doch mit Oberlehrer Gottlob Friedrich vermittelten ihm erstmals Einblicke in die prak­ mals Österreich/Ungarn), ein berühmter Runen­ Hummel (1869 - 1952) ein altgedienter, geachte­ tische archäologische Arbeit: zunächst im Herbst experte, die alleinigen Veröffentlichungsrechte ter Kollege der Vertrauensmann der Ortsgruppe 1923 die Siedlungsgrabung auf dem Lochenstein an diesem Fund. Der Beweis einer möglicher• Ebingeri. In den Notjahren der Nachkriegszeit, und dann 1924/25 die beiden Grabungskampag­ weise altsteinzeitlichen Runenschrift hätte alle geprägt von internationalen Repressalien, die all­ nen im neuentdeckten Römerkastell auf der Was­ bisherigen Theorien zur Schriftentwicklung wide­ gemein als ungerecht empfunden wurden, er­ serscheide zwischen Ebingen und Lautlingen. rlegt. Peter Goessler (1872 - 1956), der damalige wuchs in weiten Bevölkerungskreisen ein neues Eiths großes Interesse wurde von führenden Wis­ Leiter der Königlichen Altertümersammlung in Heimatbewusstsein. verbunden mit einer Rück• senschaftlern erkannt und genutzt. Zusammen Stuttgart, misstraute dem Fund von Anfang an. besinnung auf das kulturelle Erbe der "guten al­ mit dem Römerexperten Friedrich Hertlein (1865 Die Analyse des Materials der Runenstäbe als Bu­ ten Zeit". Der Aufruf zur Herausgabe heimat­ - 1929) erkundete er 1923 ehemalige Römer• chenholz passte so gar nicht in die Zeit der eis­ kundlicher Führer und zur Gründung von Hei­ straßen der Ebinger Alb. Eine zweitägige Gelän• zeitlichen Kältesteppen, und auch die Form der matmuseen fiel auf fruchtbaren Boden. Auch debegehung im gleichen Jahr mit dem Landwirt Stäbe war von ihm bald als die so genannter Paul Eith.versuchte sich 1922/23 in Zusamme­ Iohannes Dorn (1853 - 1925) vom Weiler Haid bei "Kläpperle" erkannt, kastagnettenähnliches Holz­ narbeit mit zwei Kollegen, Anton Walte r und Iosef Trochtelfingen öffnete Eith die Augen für die stück zur Erzeugung von Tönen oder auch nur Geiger, an der Herausgabe einer mehrbändigen vom Laien nur schwer erkennbaren Überreste Lärm. Somit musste dies die Arbeit eines Schriftreihe zur Kultur- und Erdgeschichte der ehemaliger Gräber und auch Siedlungen. Dorn Fälschers oder eine Spielerei aus jüngster Zeit Zollernalb mit Namen "Der Heimatfreund", von war zweifellos einer der erfolgreichsten Ausgräber sein. Grienbergerwollte dies so nicht akzeptieren. der aber nur drei Hefte erschienen. in den Jahrzehnten um 1900. Wegen der ge­ Es begann ein monatelanger verbissener Disput Eith, der den geologischen und geschichtlichen schäftstüchtigen Vermarktung seiner Funde an zwischen diesen renommierten Wissenschaftlern, Teil bis zum Spätmittelalter übernahm, schöpfte Museen des preußischen Auslands, wo er hohes in den sich auch Oberförster Schleicher aus Ebin­ sein Wissen aus gängiger, aber meist veralteter Ansehen genoss, war er von der offiziellen würt• gen einbrachte: Literatur der Vorkriegszeit. Er hatte weder tembergischen Denkmalpflege zur Unperson er­ "Die Annahme einer Spielerei erschiene mir Geschichte studiert, noch besaß er zu diesem klärt worden. sehr wenig wahrscheinlich. Bei dem 'jetzigen Kul­ Zeitpunkt archäologische Grabungspraxis. Wohl Innerhalb weniger Monate entdeckte nun Paul turzustand von Ebingen erschiene eine solche auf etwas Lob hoffend, legte er sein Erstlingswerk Eith selbst über zehn vorgeschichtliche Sied­ Spielerei ganz ausgeschlossen und früher wird Prof. Peter Goessler, dem Konservator des lungsplätze auf der Ebinger Alb, die zwangsläufig der Bildungsstand in hiesiger Gegend noch tiefer Landesamts für Denkmalpflege in Stuttgart zur für Jahre das Interesse der jüngeren Archäologen• gewesen sein." Der Schwindel flog im September Begutachtung vor. Dessen Kritik war vernich­ generation auf sich zog. Georg Kraft (1894 - 1944) 1909 endgültig auf. Hauptlehrer Ambrosius Koll­ tend: vom Urgeschichtlichen Forschungsinstitut Tü• ros meldete nach Stuttgart, dass zwei nunmehr ".. . Inhaltlich und formell ist Ihre Broschüre so bingen und Paul Eith führten 1924/25 mehrere fast 18-jährige Burschen namens Paul Eith und wenig befriedigend, dass ich sie für "die Schule Siedlungs- und Höhlengrabungen durch. Als Hermann Brändle bei ihm erschienen seien und nicht empfehlen möchte... Ich denke, mit die­ große Hilfe erwies sich dabei Oberlehrer Theodor ihm anvertraut hätten, die Urheber dieses un­ sem offenen Urteil ist Ihnen mehr gedient, als Maute (1863 - 1937), der bereits über langjährige beabsichtigten Verwirrspiels zu sein. Paul Eith, mit einer der üblichen Anerkennungen." Unge- archäologische Grabungserfahrung verfügte. Seite 1304 Heimatkund liehe Blätter Februar 2002

Während seiner früheren Dienstzeit in Gächin- der Forschungen in der bronzezeitlichen Wasser­ gen auf der Uracher Alb um 1900 hatte er bereits burg Buchau am Federsee. Einsetzender Eisrege n erfolgreich Grabhügel geöffnet und war in Fach- schreckte die Ebinger vom Besuch ab; das finan­ kreisen wohl bekannt. zielle Defizit des Abends von 39 Mark wurde von Als pflichtbewusster Beamter erbat sich Paul der Stadtkasse übernommen. Eith beim Landesamt für Denkmalpflege die of- Eine andere Aktion zeigte mehr Erfolg. Eith stat­ fizielle Erlaubnis für weitere eigene Forschungen, tete den Kontoren der einheimischen Industrie, die er auch erteilt bekam. Sein Beitritt zum Würt- aber auch Handwerksbetrieben und betuchten tembergischen Anthropologischen Verein folgte Bürgern einen persönlichen Besuch ab und warb zwangsläufig. Im schwelenden Interessenkonflikt um Geld- und Sachspenden. Sein sorgfältig ge­ zwischen dem Ruf nach Grundlagenforschung führtes "Stifterbuch" liest sich mit Unterschriften .. seitens des Urgeschichtlichen Forschungsinsti- und Firmenstempel wie eine Chronik der um die tuts einerseits und den ebenso berechtigten For- Mitte der 20er Jahre florierenden Ebinger Be­ derungen eines konservierenden, das heißt erhal.- triebe, von denen keiner hinter dem anderen zu­ tenden Denkmalschutzes des Landesamtes für rückstehe n wollte: . Denkmalpflege andererseits tendierte Paul Eith Theodor Groz, August Sauter (Cleß), Gebr. Haux, Der offizielle Fest akt zur Eröffnung fand am klar zu ersterer Position. In einem Schreiben vom Gustav Ott, Traugott ou, Eugen ou, Steinkopf & Abe nd des 4. Dezembers in der Turnhalle vor Februar 1925 nach Stuttgart machte er aber un- Gußmann, Giihring, Hartner, Rehfuß & Stocker, überaus zah lreich erschie nenen Gästen statt. missverständlich klar: "Schatzgräberei treibe ich Friedrich Maag, Ludwig Maag, Wühotri, Gustav Paul Eith referierte in einem zweistündigen keine, dazu ist mir meine Alb zu lieb!" Sauter, Linder & Schm id, Gebr. Friedrich und viele Lichtbildervortrag "Vom Lebe n und Treiben der Eine kleine Episo de aus jene n Tagen wusste mehr. ältest en Bewohner unsrer Heimat". Das Manu- Kurt Georg Kiesinger (1904 - 1988), unser früherer Einen großherzigen Mäze n fan d Eith in Direktor skript blieb erhalten und dokumentiert, dass Eith • Ministerpräsident, späterer Bundeskanzler und Christian Speidei von der Nade lfabrik Theodor mit den aktue llsten, zu m Teil zu diesem Zeit­ Ehrenbürger der Stadt Ebinge n bei der Eröffnung Groz & Söhne, der große Teile der Mus eumsein- punkt noch nicht publizierten Forschungsergeb­ des Museums im Kräuterkasten im April 1986 zu richtu ng sowie den Ankauf zahlreicher Exponate nissen der Landesarchä ologie bestens vertraut erzählen. Auch er selbst war in seiner Kindheit finanzierte. Da der Mus eumssaal nicht beheizbar war. Am Sonntag, den 5. Dezember, machten nach eigene m Bekunden ein begeisterter Rula- war, stellte Direktor Speidei in der Nadelfabrik ei- dann auch die Ebinger Bürger vom Besu ch des manl eser und die Heidensteinhöhle einer seiner nen Raum zur Inventarisieiung und Restaurier- neuen Heimatmuseums reichlich Gebrauch. Paul bevorzugten Spielorte. Sein Vater Christian Kie- ung der Museumsstücke zur Verfügung. Die in Eith hatte dazu in der Presse eingeladen, mit ei­ singer hatte im Juli 1924 beim Sehneeklesfelsen städtischem Besitz befindlichen Gegenstände - ner Bedingung: "Die Eltern schulpflichtiger Kin­ eine frühkeltische Siedlung entdeckt. Kurt Georg Uhren, Bibeln, Truhen, Gewehre der Bürgerwehr, der bitte ich dringend, dafür eintreten zu wollen, Kiesinger, der zu dieser Zeit in Tübingen studierte alamannische Gräberfunde und einiges mehr - dass diese Kinder am kommenden Sonntag mö• und ein Motorrad besaß, konnte sich noch bes- waren nach Angaben Eiths in grauenvollem Zu- glichst wegbleiben." Misstraute Lehrer Eith aus tens daran erinnern, wie er damals das noch stand. Zum Teil waren sie in den .Kriegs- und täglicher Erfahrung der Disziplin der Ebinger nicht motorisierte Grabungsteam um Paul Eith _Nachkriegsjahren zweckentfremdet worden. Ein Schuljugend? Auch an den folgenden Sonntagen auf abenteuerlichen Waldwegen zur FundsteIle Bahrtuch der Bäckerzunft aus dem Jahr 1770 war ein reger Besucherandrang zu vermelden. chauffierte und war voll des Lobes über seine of wurde zum Reinigen der städtischen Gaslaternen Die Museumsarbeit Paul Eiths in den folgenden fenbar leistungsstarke Maschine. benutzt, ein weiteres der Ebinger Schuhmacher Jahren war geprägt vom ständigen Bemühen,die In einem Schreiben vom 22. Mai 1925 mahnte von 1780 war im Krieg zum Abdecken eines Mo- Bevölkerung über die örtlichen Zeitungen von Oberlehrer Gottlob Hummel bei der Ebinger tors missbraucht worden; anschließend diente es Neuerwerbungen in Kenntnis zu setzen und zum Stadtverwaltung die Verwirklichung eines "städ- als Sitzecke der städtischen Straßenwalze. Eith Besuch anzuregen. Die Unterstützung durch die tischen Museums für Altertümer" an und brachte konfiszierte sie wieder. Dank guter Beziehungen Presse muss dabei lobend erwähnt werden. Zur als möglichen Leiter des Projekts den vor Taten- zum Urgeschichtlichen Forschungsinstitut in Tübin- Feier des 1. Geburtstages des Museums gelang es drang sprühenden Paul Eith ins Gespräch, was gen steuerte dieses etliche jungsteinzeitliche Expo- Eith, mit dem Volkskundler Prof. Karl Bohnenber­ letztendlich auch positiv beschieden wurde. Der nate bei, das Landesamt für Denkmalpflege in Stutt- ger von der Universität Tübingen einen renom­ Wunsch nach einem Museum in Ebingen reichte gart half mit den zu diesem Zeitpunkt noch fehlen- . mierten Festredner zu gewinnen. Prof. Bohnen­ indessen schon wesentlich weiter zurück, war den römischen Funden aus. berger, übrigens ein gebürtiger Meßstetter, refe­ aber durch den Weltkrieg und die folgenden Not- Am 27. Juni 1926 präsentierte Paul Eith das im rierte im Saal der "Eintracht" am Samstag, den 3. • und Inflationsjahre in den Hintergrund gerückt Entstehen begrifene Heimatmuseum erstmals der Dezember 1927 über die Bedeutung der he i­ worden. Bereits im Jahre 1883 existierte in Ebin- staunenden Ebinger Bürgerschaft. Leihgaben und mischen Flurnamen. gen, wie in vielen anderen Städten Württembergs Spenden hatten den Fundus stetig anwachsen Vom Erfolg bestätigt, wurde im darauf folgen­ auch, ein "Alterthumsverein", der vermutlich die lassen, doch jeder Stifter wollte seine "Schätze" den Jahr, am 26. November 1928, in Zusamme­ Gründung eines Museums zum Ziel hatte. auch ausgestellt sehen. Zwangsläufig musste Eith narbeit "mit dem Ebinger Volksbildungs- Sein Vorsitzender, Apotheker Hieronymus Edel- akzeptieren, dass sein Museum zunächst eher ei- Ausschuss, erneut ein namhafter Gastredner mann (1853 - 1922) hatte sich in langjähriger nem Kuriositätenkabinett glich, das vom ausges- verpflichtet. Eugen Pjizenmayer aus Stuttgart ber­ Grabungstätigkeit eine bedeutende Sammlung topften Gürteltier bis hin zu diversen. Kriegsan- ichtete in der Turnhalle unter dem Titel: "Auf Ex­ vor - und frühgeschichtlicher Altert ümer zugelegt. denken nahezu alles bot. Die bedeutende geolo - pedition in Ost-Sibirien zur Ausgrabung von ein­ Als er 1894 nach Sigmaringen verzog, nahm er gischen Sammlung des Naturarztes Johannes Bin- gefrorenen Mammutleichen" von der Aufsehen diese jedoch mit. 1908 wu rde sie vom Britischen der (1864 - 1925) konnte nach des sen Tod für das erregenden Bergung des "Beresowka-Mammuts" Museum in London aufgekauft. Ein Großfeu er in Museum gesichert werden und bildete einen in Sibirien im Jahre 1901, an welcher er als Zool­ der Marktstraße im Januar 1911 eröffnete der wichtigen Schwerpunkt. Urkunden, sakrale Ge- oge der damaligen"Russischen Kaiserlichen Aka­ Stadt Ebingen die Möglichkeit, ein großzügig ge- genstände und Utensilien aus Handwerk, Volks- demie der Wissenschaften in Petersburg teilgen­ staltetes neu es Rathaus zu errichten. Den Archi- kunst und täglichem Leben boten einen Über- ommen hatte. (Fortsetzung/Schluss folgt) tektenwettbewerb gewann Martin Elsässer aus blick über die Entwicklung der Stadt Ebingen vom Stuttgart. Außer Konkurrenz hatte der junge Marktflecken des Mittelalters bis zur gesamten Die Verfasser der Beiträge Ebinger Stadtb aumeister Leonhard Schrein (1884 Region beeinflussenden Industrie-stadt des 19. - 1914) einen eigen en Entwurf eingereicht, der in und frühen 20. Jah rhunderts. Gerade die Doku­ in dieser Ausgabe: die endgültige Konzeption mit eingearbeitet mentation der Entwicklung der he imischen Texti­ Dr. Peter Thaddäus Lang wurde. Dieser sah unter an derem im Dach- lindustrie lag Paul Eith besonders am Herzen , wie Johannesstraße 5, 72422 Albstadt geschoss einen großen Saal zur Aufn ahme der zu - folgendes Zitat aus seinen inventarlisten belegt. Iürgen Scheff künftigen Städtischen Altert ümersammlung vor. "Ich halte es für geboten, den Werdegang der hier Im Raid ental 66, 72458 Albstadt Der Raum war bei der Rathauseröffnung im De- gefertigten Waren zu zeigen. Wir haben ein Hei­ zember 1913 noch nicht bezugsfertig, erste Aus- matml;l.seum, keine Altertumssammlun g!" Herau sgegeben von der stellungsobjekte wurden aber bereits gehortet. Die Ubergabe des neuen Ebinger Heimatmu- Heim a tkundlichen Vereinigung BaIingen. lm Sommer 1925 begannPaul Eith mit der Pla- seums erfolgte noch Ende des Jahres 1926. Am 2. nung und Einrichtung des Heimatmuseums. Der Dezember besichtigte der Gemeinderat das Werk Vorsitzender: Ch ristoph Roller, 72336 Balingen, Am Heuberg 14, Museumssaal wurde von der Stadt fertiggestellt, und war, wie dem Gemeinderatsprotokoll zu ent­ Telefon 7782. bereits vorhandene museale Objekte zur Verfü- nehmen ist, voll des Lobes über das in kurzer Zeit Geschäftsführung: gung gestellt. Die Finanzierung des Projekts so- Erreichte. Nach der formalen Übernahme der Ruth Hübner, Im. Kirschenwinkel 2, 72359 Dot­ wie die Beschaffung weiterer Ausstellungsstücke Sammlung als Stätte der allgemeinen Volksbil­ ternhausen, Telefon (07427) 91094. mussten von Paul Eith selbst bewältigt werden. dung durch Stadtschultheiß Spanagel wurde Paul Redaktion: In der Hoffnung auf ein finanzielles Startkapital, Eith in der anschließenden Gemeinderatssitzung Christoph F. Riedl, 72336 Balingen, Gerh.-Haupt­ lud er die Bevölkerung am 9. Dezember zu einem mit der weiteren Betreuung des Museums be ­ mann-Ring 14, Telefon 7816. Vortrag in den "Eintrachtsaal" ein. Hans Reinerth, traut. Für seine bisherigen Verdienste um die Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils nunmehr Privatdozent an der Universität Tübin- Sache wurde ihm ein Geschenk von 300 Reichs­ am Monatsende als ständige Beilage des "Zollern­ gen, referierte erneut über den aktuellen Stand mark bewilligt. AJb-Kuriers". Jahrgang 49 31. März 2002 Nr.3 Hauptlehrer Paul Eith (1891 - 1968) Gründer des Ebinger Heimatmuseums Aus dem Festvortrag vom 6. Dezember 2001 - von Jürgen Scheff, Albstadt-Ebingen -2. Folge (Schluss)

Die Jahre 1926 bis 1929, in denen Paul Eith das Eith von den Freunden und Gönnern seines Hei­ seitens des Landesamtes, in einem vermuteten Heimatmuseum offiziell leitete, waren weiterhin matmuseums. In einem Vortrag, der gleichwohl römischen Anwesen bei Ravensburg zu sondie­ geprägt durch intensive archäologische Feldar­ als persönlicher Rechenschaftsbericht gedacht ren, letztendlich mit bestem Erfolg. Bereits im beit und spektakuläre Ausgrabungserfolge. Fi­ war, führte er das bisher Erreichte noch einmal Jahre 1934 finden wir Paul Eith als neugewählten nanziert wurde alles fast ausschließlich durch vor Augen. Oberbürgermeister Spanagel samt Ge­ Vorsitzenden des Ravensburger Kunst- und Alter­ Direktor Christian Speidel, der den Untersuchun­ meinderat gestalteten am 2. November eine Ab­ tumsvereins damit beauftragt, die dortigen gen wenn möglich beiwohnte bzw. sein Auto schiedsfeier für Paul Eith im Museumssaal, des­ Sammlungsbestände in ein repräsentatives Hei­ samt Chauffeur zur Verfügung stellte, um zu den sen Lage unter dem Dach des Rathauses Eith matmuseum umzuwandeln. Darüber hinaus er­ FundsteIlen zu gelangen. Eine Aufzählung aller gerne dazu benutzte, sich als "höchsten" Bearn­ füllte er über viele Jahre nebenberuflich das Amt Aktivitäten würden den Rahmen sprengen, er­ ten des Rathauses zu bezeichnen. Am Freitag, des Stadtarchivars und Kreisdenkmalpflegers. wähnt seien aber doch die Öffnung mehrerer den 9. November wurde er im Gasthof In letzterer Funktion wurde er am 24. Septem­ bronzezeitlicher und keltischer Grabhügel rund "Deutscher Kaiser" auch von seinen Kollegen der ber 1952 von einer Baustelle in Weingarten infor­ ums Degenfeld mit reichen Beigaben, zum Bei­ Volks- und Mittelschule verabschiedet. In hinter­ miert, in welcher sich menschliche Gerippe zeig­ spiel am Stählernen Männle und Hinter Hainloch sinnigen Gedichten ließen Gottlob Hummel und .ten, Dank seiner großen archäologischen Erfah­ sowie die Grabungen in einem römerzeitlichen Heinrich Breeg die Verdienste und Schwächen rung erkannte Eith sofort, dass hier ein ganz Anwesen an der Bitzer Gasse in Ebingen, wo ein des Scheidenden noch einmal Revue passieren, großer Fund im Boden steckte. Mit gezielter Des­ Gedenkstein des Kaisers Trajan zu Tage kam. nicht ohne am Ende mit den Zeilen Hermann information in der Schwäbischen Zeitung vom Weitere steinzeitliche und alamannische Funde Brändle und Paul Eith stand auf diesem Bu­ 27. September hielt er mögliche Raubgräber fern: der Umgebung konnten von lokalen Privatsamm­ chenscheit noch einmal seine Jugendsünde in der "Eine Besichtigung der GrabsteIle ist zwecklos, lern erworben werden. Heidensteinhöhle ins Gedächtnis zurückzurufen. denn die Funde sind geborgen und außer drecki­ Gegenüber seinen Grabungshelfern zeigte sich Die Nachfolge im Amt des Museumsleiters hatte gen Schuhen ist dort nichts zu holen." In Wirk­ Paul Eith stets vorsichtig. Bei der Freilegung einer Paul Eith längst in seinem Sinne geregelt. Sein lichkeit schlummerte unter der Erde einer der bronzezeitlichen Bestattung am Hainloch ließ langjähriger Freund, Oberlehrer Heinrich Breeg, größten unberührten frühmittelalterlichen Rei­ Eith einen gerade freigelegten gelblichen Gegen­ wurde mehr oder weniger zwangsverpflichtet ­ hengräberfriedhöfe Baden-Württembergs, aus stand blitzschnell in seiner Hosentasche ver­ und Eith hätte keinen geeigneteren finden kön• welchem durch systematische Grabungen des schwinden. Nur Heinrich Breeg bemerkte etwas nen, wie die weitere Entwicklung des Heimatmu­ Landesdenkmalamts bis ins Jahr 1957 über 800 davon, wurde aber zunächst mit der Bemerkung seums zeigen sollte. Wohlgeordnet mit ausführli• Bestattungen geborgen und anschließend wis­ abgewimmelt, es hätte sich um die Fassung einer chen Inventarlisten und einer reichen Fachbi­ senschaftlich ausgewertet werden konnten. Eith elektrischen Birne gehandelt. Später, als beide al­ bliothek war der Anfang für Breeg bestens vorbe­ wurde zur Mithilfe bei der Bergung vom Be­ lein waren, zog Eith das Objekt hervor - einen reitet. Mit seinem Ebinger Heimatmuseum blieb zirksschulamt zeitweise vom Schuldienst beur­ goldenen Fingerring. Eith hatte verhindern wol­ Paul Eith aber auch weiterhin eng verbunden. Bis laubt. Eigens für diese Funde wurde im Kornhaus len, dass seine Arbeiter in einen Goldrausch ver­ Mitte der 50er-Jahre erschienen immer wieder in Weingarten ein Alamannenmuseum eingerich­ fielen. So arbeiteten sie diszipliniert weiter. Es geschichtliche Abhandlungen von ihm in der hie­ tet, dessen Eröffnung im Jahr 1980 Paul Eith aber blieb leider Eiths einziger Goldfund. Innerhalb sigen Presse. Als am 11. Juli 1944 bei einem Bom­ nicht mehr erleben durfte. weniger Jahre hatte sich das Heimatmuseum benangriff das Heimatmuseum schwer getroffen In seiner Heimatstadt Ebingen scheint die Erin­ Ebingen eine überregional bedeutende, alle Zeit­ wurde und Oberlehrer Heinrich Breegkurz darauf nerung an den Heimatforscher und Gründer des epochen abdeckende vor- und frühgeschichtliche überraschend verstarb, war das Wissen von Paul Ebinger Heimatmuseums, Hauptlehrer Paul Bith, Sammlung aufgebaut. Alle Grabungen und Fund­ Eith erneut gefragt. Beim Wiederaufbau in den während dessen letzten Lebensjahre allmählich stücke wurden vorbildlich durch Fotos und aus­ Jahren 1948/49 konnte er wichtige Ratschläge ge­ verblasst zu sein. Als Paul Eith am 28. Oktober führliche Berichte dokumentiert. Es war kein Zu­ .ben, bei der Wiedereröffnung am 2. Oktober 1949 1968 in Biberach/Riß verstarb, erschien in der fall, dass Ebingen am 8.19. Juni 1929 als Tagungs­ war er als Ehrengast anwesend. Ebinger Presse weder eine Todesanzeige noch ein ort des Württembergischen Anthropologischen Der tatenfreudige Paul Eith wäre nicht er selbst Nachruf auf diesen verdienten Sohn unserer Vereins ausgewählt wurde. Paul Eith führte die gewesen, hätte ihn sein Forschungseifer nicht Stadt. Sein Ebinger Heimatmuseum hat dank en­ zahlreichen renommierten Teilnehmer aus Wis­ auch in Ravensburg zu weiteren Taten getrieben. gagierter Ebinger Bürger auch eher museums­ senschaft und Forschung zunächst durchs Mu­ Zunächst unterband die Weltwirtschaftskrise mit feindlich geprägte Zeiten überdauert. Die reichen seum und anschließend zu den Originalfundplät• ihren katastrophalen Folgen nahezu alle For­ vor- und frühgeschichtlichen Sammlungsbe­ zen. Die überregionale Presse berichtete landes­ schungstätigkeiten. Aufschlussreich ist ein Brief stände fanden 1986 im Museum im Kräuterkas• weit ausführlich darüber. Eine ähnliche Exkur­ Eithsvom 12. November 1931 an Konservator Os­ ten, einem Fruchtkasten aus dem 15. Jahrhun­ sion wurde am Sonntag, den 22. September für car Paret vom Landesamt für Denkmalpflege, in dert, eine neue Heimat; ein Jahr später ebendort die interessierte Ebinger Bevölkerung wiederholt. dem er seinen Austritt aus dem Württember• auch die geologische Abteilung. Nach langjähri• Nach drei Jahren erfolgreicher Museumsleitung gischen Anthropologischen Verein zu rechtferti­ ger Odyssee durch mehrere Behelfsquartiere zog Paul Eith am 14. November 1929 mit seiner gen versucht: konnte 1996 auch die stadtgeschichtliche Samm­ Familie nach Ravensburg, der Heimatstadt seiner "Die Zeitverhältnisse, das bis jetzt um 20 Pro­ lung wieder für die Bevölkerung zugänglich ge­ Gattin Rosine Iulie, geb. Maier, um dort als zent gekürzte Einkommen, der hohe Hauszins macht werden. Im Alten Schulhaus im Spitalhof Hauptschullehrer an der evangelischen Volks­ usw. zwingen mich, auf 31. Dezember meinen fand sie eine würdige Bleibe und durfte im De­ schule zu unterrichten. Mehrere Presseberichte Austritt aus dem W. Anthr. Verein zu erklären. zember 2001 dort ihr 75-jähriges Jubiläum feiern. künden von allgemeinem Bedauern über den Dass mir der Austritt schwer fällt, werden Sie ver­ Fortzug des nicht zuletzt ob seines Humors be­ stehen können. Selbstverständlich werde ich, liebten Pädagogen und Mitbürgers. Mit einem nach wie vor, alles berichten, was ich erfahren Quellen: .Hetmatgeschlchthchen Abend" am 29. Oktober kann. Mein Arbeitsverhältnis bleibt nach wie vor Akten des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg. im Saal der "Wachtel" verabschiedete sich Paul bestehen." Letzteres bezog sich auf einen Auftrag des Stadtarchivs Albstadt sowie des Ebinger Heimatmuseums. Seite 1306 Heimatkundliehe Blätt er März 2002 Die Schweine grunzten zum Gebet Aspekte süddeutscher Volksfrömmigkeit in der Reformationszeit - Von Dr, Peter Thaddäus Lang - 2. Folge (Schluss)

Die weit verbreitete Indifferenz konnte sich aber Magische Auffassungen und Praktiken bis zur aggressiven Ablehnung steigern. Das be­ kamen insbesondere die Dorfgeistlichen sehr Wie die Menschen aller Zeiten und Kulturen, so häufig zu spüren - vor allem dann, wenn sie ih­ versuchten auch die Landleute des Reformations­ ren Schäfchen gottgefällige Lebensart und chris­ zeitalters, irdisches Wohlbefinden zu erwerben tlichen Glauben mit zu großer Strenge beizubrin­ oder zu steigern, indem sie die Natur und die gen suchten. Solchen Seelenhirten riefen die Naturgesetze zu beeinflussen suchten - unter Leute auf der Straße Spottverse nach; im Gottes­ Verwendung von Mitteln, die sich teils innerhalb, dienst unterbrachen sie deren Predigt und gaben teils aber auch außerhalb des kirchlich Erlaubten ihnen freche Widerworte; ja, sie schreckten nicht bewegten. einmal davor zurück, ihnen eine lange Nase zu So ließen sich denn die Messbesucher nach Mö• drehen, die Zunge herauszustrecken oder sie un­ glichkeit die Elevation nicht entgehen, das feier- . ter dem schallenden Gelächter der Gemeinde liehe Emporheben von Hostie und Kelch durch nachzuäffen. den Priester. Sobald dies geschah, unterbrachen Sicherlich ging es nicht in allen Kirchen und . die Schwatzbasen auf dem Kirchhof kurzzeitig auch nicht fortwährend derart ungehobelt zu. ihre Unterhaltung und rannten in das Gottes­ Dennoch findet man in den einschlägigen Kir­ haus; die Gläubigen aber, die sich dort bereits chenakten jedweder Konfessionskirche .immer aufhielten, stür mten in wildem Gedränge vor wieder die stereotype Wendung "verachten Pfar­ zum Altar. Sie alle wollten den Leib des Herrn se­ rer und Religion", wenn vom Kirchenvolk die hen , wollten ihm so nahe wie möglich sein, denn Rede ist. Derartige Klagen ertönten allenthalben sie glaubten, dass von ihm eine unmittelbare und verstummten erst allmählich im Laufe des heilsame Wirkung ausgehe, derer man durch den 17. Jahrhunderts. Damit kehren wir zum Aus­ Anblick wie auch durch psychische Nähe teilhaf­ gangspunkt unserer' kleinen Darlegung zurück: tig werden könne. Zu dieser Zeit hatten es Kirche und Staat mit ver­ Dem entspreche nd maßen die Menschen jener einten Kräften geschafft, die aufgeführten Gep­ Zeit den Weihungen und Segnungen ein e enorme flogenheiten weitgehend au s dem Weg zu räu• magische Wirkung bei. Geweihten Gegenständen men. Diese konnten sich nur in einigen entlegen­ (wie etwa Kräuter oder Weihwasser) wurde Zau­ en und schwer zugänglichen Regionen am Leben berkraft zugesprochen; man glaubte, mit ihrer Tanzendes Bauempaar, Albrecht Diiret 1514 halten, weil die Repräsentanten von Thron und Hilfe fähig zu sein, Geister zu bannen, Krankhei­ Altar eben doch nicht jeden fernen Winkel errei­ ten zu heilen oder verlorene Gegenstände wie­ chen und durchleuchten konnten. Deshalb mö• derzufinden. Die genannten Beispiele zeigen, dass es die Laien gen sich manche der hier beschriebenen Erschei­ Dabei war der Übergang von kirchlich sanktio­ am Vorabend der Reformation verstanden, das nungen in irgendwelchen -abgeschiedenen Land­ nie rter Frömmigkeitsübung zu strafwürdiger Monopol der Kirche hinsichtlich des Sakralen auf strichen gewiss noch längere Zeit erhalten haben. Blasphemie durchaus fließend. Um ein Beispiel vielfältige Weise zu umgehen. Die Reformation . an zuführen: Im Bistumsarchiv Eichstätt finden brachte in diesem Punkt einen drastischen Wan­ Quellen: del: Die Kirchenleitungen sahen nunmehr mit al­ E. W. Zeeden / P. Th. Lang u. a. (Hrsgg.), Repertorium der Kir­ sich mehrere klein zusammengeschnürte Papier­ chenvisitationsa kten des 16. und 17. Jahrhund ert s in Archiven bündelchen, die einstmals ein kirchlicher Kon­ leräußerster Strenge darauf, dass ihnen niemand der Bund esrepublik Deut schland. Bd. I:Hessen , Stu ttga rt 1982; trollbeamter unter dem Kopfkissen eines mehr ihr sakrales Monopol streitig machte. Zau ­ Bd. 2, Teilba nd I: Der kath olische Südwes ten. Die Grafsc ha ften berer, Kristallseher, Wahrsager und Kräuterwei• Hohenlohe und Wertheim, Stu ttga rt 1982; Bd. 2, Teilband 11 : Schwerkranken fand und stracks konfiszierte, Der protestan tische Südwes ten. Stuttgart 1987. weil ihm die Sache allzusehr nach Hexerei roch. blein wurden zu Gotteslästerern abgestempelt Als der zuständige Archivarkollege die Bündel• und wanderten allesamt gnadenlos auf dem Scheiterhaufen. Literatur: che n im Herbst 1983 öffnete, war die Ent­ Philippe Aries, Geschichte des Todes , Münschen 1980. täuschung allerdings recht groß, denn sie enthiel­ Jean Delumeau , Le Catholicisme entre Luther et Voltaire. ten keineswegs die vermuteten Zaubersprüche, 4. Auf!. Paris 1992. Widerstand gegen die Kirche Marie-Helen e Proesc hle-Chopa rd. Une definiti on de la religion sondern schlicht und ergreifend das Vaterunser, populaire 11 trav ers le visites pastorales. In:G. Dubosq/ B. das Ave Maria und weitere Gebete, die auch Plongeron/D. Robert (Hrsgg.), La religion populaire, Paris heute noch jed em praktizierenden Katholiken ge­ In ihrem Bemühen, für die rechte Frömmigkeit 1979. läufig sind. zu sorgen (oder vielmehr das, was sie dafür hiel­ Peter Thaddäus Lang, Die Bedeutung der Kirchenvisitation für - die Geschichte der Frühen Neu zeit. Ein Forschungsbericht. Wie man sieht, gingen die Vorstellungen darü­ ten) , war den Konfessionskirchen kein rascher In: Rottenburger Jahrbuch für Kircheng eschi cht e 3, 1984, ber hinaus, was "hilft", zwischen der offiziellen und durchschlagender Erfolg beschieden. Die S. 207 - 212. Kirche und der Bevölkerung auf vielfältige Weise Gottesdienste wurden schlecht besucht, auch der Peter Thaddäus Lang, Die.Kirchen visitationsakt en des 16. Jahr­ hundert s und ihr Quellenwert. In: Rott enburger Jahrbuch für auseinander. Gegebenenfalls wurden die Geistli­ Sakramentenempfang ließ sehr zu wünschen Kirch eng eschicht e 6, 1987, S. 133 - 153. che n sogar gezwungen, den volkstümlichen Vor­ übrig, .und noch 'mehr haperte es mit den kate­ Peter Thaddäu s Lang, Würfel, Wein und Wett ersegen . Kleru s stellungen gemäß zu handeln - im Bistum Eich­ chistischen Veranstaltungen, denen sich Jung und Gläubige im Bistum Eichstätt am Vorabe nd der Refor­ und Alt (je nach Kirchenverfassung) unterziehen mation. In: Volker Press/Dieter Stievermann (Hrsgg.), Martin stätt 'erwarteten die Gläubigen 1480, dass ihren Luther - Probl em e seiner Zeit, Stuttga rt, 1986, S. 219 - 243. kirchlicherseits nicht sanktionierten "Wette rheili­ mu sste. . Peter Thadd äu s Lang, ..Ein grob es, unbändiges Volk". Visita­ gen" auch offiziell besondere Hochschätzung zu­ Die Schuljugend entzog sich ohnehin weitge­ tionsber icht e und Volksfrömmigkeit. In: Herib ert Smo linsky/ hend einer gründlicheren Unterweisung, denn Hansgeorg Molitor (Hrsgg.), Volksfrömmigkeit in der Frühe n teil werde. Des weiteren sahen sich die Pfarrer Neu zeit, Münster/Westf. 1994, S. 49 - 64. ebe ndort massiven Drohungen ausgesetzt, wenn die Kinder wurden zur Sommerszeit in der Land­ Umberto Mazzon e/Angelo Turchini (Hrsgg.), Le visite pastorali sie sich weigerten, die Fruchtbarkeit der Fluren wirtschaft gebraucht, und im Winter wollten die - analisi di una fonte, Bologna 1985. Eltern ihre Sprösslinge nicht in den schlecht ge­ Grabriel LeBras, L'eglise et le village, Paris 1976. durch Prozessionen zu fördern. Anderwärts in Paul Mün ch, Zucht und Ordnung. Reform iert e Kirche nve rfas­ derselben Diözese hinwiederum unternahmen heizten Schulräumen frieren lassen. Denkbar ge­ sungen im 16. und 17. Jahrhundert, Stu ttgart 1978. die Bauern Prozessionen gegen den Willen des ringes Interesse fand auch der Katechismusun­ Robert Muchembled, Culture populaire et culture des elites , terricht am Sonntagnachmittag, der für die her­ Paris 1978. Pfarrers au f eigene Faust - am Walpurgisfest hef­ Heinrich Richard Schrnidt, Konfession alisierung im 16. lahrun- teten sie Reliquien an ein Kreuz und zogen damit an wachsende Jugend einschließlich der Knechte dert, Mün chen 1992. ' bis Jakobi (das ist der 25. Juli) alltäglich umher. und Mägde bestimmt war, denn die jungen Leute Gerald Strau ss, Luth er 's Hou se of Learn ing. lndoctrin ation of vergnügten sich lieber beim Spazierengehen, the Young in de German Reformation , Baltimore and Die Landpfarrer hatten sich demnach zumin­ London 1978. dest gelegentlich den abergläubischen Wünschen beim Kegeln oder bei sonstigen kurzweiligen Keith Themas, Religion and the Declin e of Magie, Stud ies in ihrer Pfarrkinder zu beugen. Daher ist es kein Beschäftigungen. Popular Beliefs in Sixteenth and Seventeenth Century Als natürliche Folge dieser allgemeinen Interes­ England, London 1971. Wunder, wenn die Seelsorger alle möglichen Zau­ Erns t Walter Zeede n, Die Entstehung der Konfession en . Grund­ berer, Wah rsager und Gesundbe ter in ihren Pfar­ senlosigkeit konnte kaum jemand die Katechis­ lagen und Wege der Konfession sbildung im Zeitalte r der reien gewähren lassen mussten , deren Dienste musfragen richtig beantworten. Ein Beispiel ­ Glaube nskämpfe, Freiburg/ Breisgau 1965. zwa r nicht au s Südde utschland, sonder au s Kur­ Erns t Walter Zeede n/ Peter Thad däus Lang (Hrsgg.), Kirche und äußerst rege in Anspruch genommen wurden. Ei­ Visitation. Beiträ ge zur Erforschung des frühneu zeitlichen Vi­ ner de r betroffenen Geistlichen entschuldigte sachsen, abe r so schön falsch, dass man es unbe­ sitationswesens in Europa, Stuttgart 1984. sich bei seinem Vorgesetzten damit, dass es die dingt zitieren muss: Auf die Frage, wer sein Ernst Walter Zeeden/ Hansgeorg Molitor (Hrsgg.), Die Visitat ion Schö pfer. sei, antwortete ein sechze hnjähriger im Dienst der kirchlic hen Reform , 2. Auf!. Münster /Westf. vornehmsten Leute im Dorf seien, die bei de n 1977. Zau berern Hilfe suchten, und mit denen wolle er Junge, dieser heiße Han s Lindner und sei vor kur­ Hugo Zwets loot, Kirche und Kultur in Europa Bd. I, Greifswald sich nicht anlegen. zem verstorben. ' 1931. März 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1307 Die Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen und -Hechingen unter Adler 1803 - 1815 Von Iens-Florian Ebert Das Heilige Römische Reich deutscher Nation gliederte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Maximilian Ioseph (1756-1825) ebenfalls einen 1789 meist sehr kleine reichsunmittelbare Länder (der kaiserlichen Gewalt direkt unterstellte Bündnisvertrag. Kurz darauf wurden die baye-ri­ Reichsstände). Zu den weltlichen Reichsständen gehörten die Landesherren, die Reichsstädte sehen Truppen der französischen Armee unter­ und die große Vielzahl an Reichsrittem mit ihren Kleinstgebieten. Daneben gab es eine Vielzahl stellt. geistlicher Reichsstände wie Erzbistümer und Reichsabteien. Der Reichstag in Regensburg Am 2. Oktober 1805 erreichte Lud­ zählte als Vertretung der reichsunmittelbaren Territorien gegenüber dem deutschen Kaiser zu wigsburg. Auch der württembergische Kurfürst den wichtigsten zentralen Institutionen des Reiches. Friedrich (1754-1816) schloss mit Napoleon ein Bündnis ab, nach welchem er eine Division dem Seit Beginn des 1. Koalitionskrieges 1792 hatte warten, schlossen sich im Januar 1804 auf Initia­ französischen Kaiser zur Verfügung stellte. Eben­ die französische Revolution ihren Schatten über tive des Landgrafen von Fürstenberg die so folgten Hessen-Darmstadt und Nassau. Nur dieses Deutschland geworfen, welches vom habs­ Herrschaften Hohenzollern-Hechingen, Hohen­ das Königreich Preußen blieb zu diesem Zeit­ burgischen Kaiser Franz 11. (1768-1835) von Wien zollern-Sigmaringen, Öttingen-Wallerstein, Wald­ punkt neutral. Nachdem der 3. Koalitionskrieg aus regiert wurde. 1801 war im Frieden von Lune ­ burg-Zeil, Fürstenberg und Waldburg-Wolfegg zu nach der Schlacht von Austerlitz zugunsten Na­ ville, welcher den 2. Koalitionskrieg . des einer "Schwäbischen Fürstenunion" zusammen. poleons entschieden war und Österreichs sowie Deutschen Reichs und dessen Verbündete gegen Der Hauptzweck dieser Union diente der "Le­ Russlands Heer vollständig besiegt wurde, zeigte Frankreich beendete, die Abtretung linksrhei­ benserhaltung in ihrer ganzen reichsstädtischen sich Napoleon gegenüber seinen süddeutschen nischer Gebiete an Frankreich völkerrechtlich und landesherrlichen Integrität". Durch Entsen­ Verbündeten für ihre Waffenhilfe erkenntlich. Am bestätigt worde n. Die im Reichsdeputations­ dungen von Diplomaten nach Paris, Wien , Berlin 1. Januar 1806 wurden Bayern und Württemberg hauptschluss festgelegte Entschädigungsregel und St. Petersburg versuchte die Union, sich poli­ für ihre geleistete Bündnishilfe von Napoleon zu richtete sich nach den Vorstellungen Frankreichs tisch über Wasser zu halten. Sehr wichtig Königreichen, Baden und Hessen-Darmstadt zu und Russlands, welche beiden Staaten nach erschien ihr die Verbindung zu Berlin. Diese Großherzogtümern erhoben. Mit dieser Tat Na­ Österreichs vollständiger milit ärisch er Niederlage sollte durch den mit dem preußischen Königs• poleons begannen die Grundfesten des bereits bei Marengo und Hohenlinden 1800, die beiden haus verwandten und verbundenen Fürsten Her­ morschen Heiligen Römischen Reichs Deutscher stärksten Mächte des europäischen Festlandes mann (1748-1810) von Hohenzollern-Hechingen Nation zu bröckeln. waren. Frankreich und Russland einigte n sich am aufrecht erhalten werden. Die Union blieb jedoch 10. Oktober 1802 in eine r Geh eimabsprach e dar­ zu einem guten Teil nur Papier. Ihre Organisation Das Ende des Heiligen Römischen Reiches auf, die Neuordnung Deutschlands in die Hand blieb in den Anfängen stecken. Am preußischen - Deutscher Nation zu nehmen. Napoleon wollte ein Kräfteverhältnis Hof hatte sie kaum Rückhalt und auch in Wien erreiche n, das die französische Vormachtstellung verhielt man sich eher reserviert. Das Ende des Reiches kam mit der Gründung nicht gefährde n konnte. Auf der Basis von Verein­ Erbprinz Friedrich Hermann (1776-1838) von des Rheinbundes. 16 deutsche Herrscher unter­ ba rungen mit verschiedenen deut-sehen Einzel­ Hohenzollern-Hechingen gab seinem Ländchen zeichneten am 12. Juli 1806 in Paris die Rhein­ staaten arbeiteten Frankreich und Russland ei­ wie den kleineren Territorien überhaupt nur bundakte, mit der sie sich vom deutschen Kaiser nen detaillierten Entschädigungsplan aus . no ch geringe Überlebenschancen. Deshalb verfiel und vom Heiligen Römischen Reich lossagten, Am 25. Februar 1803 beschloss der Reichstag in der Prinz 180511806 für seine Familie auf einen ihre Souveränität erklärten und sich dem Protek­ Regensburg mit geringfügiger Modifikation ge­ unkonventionellen Plan . Er versuchte seinen Va­ torat des französischen Kaisers Napoleon unter­ genübe r dem französisch-russischen Vertrag den ter Fürst Hermann für einen Tausch von Hohen­ stellten. Damit waren Napoleons Bemühungen Reichsdeputationsau sschluss. Am 25. März 1803 zollern-Hechingen gegen ein anderes Territorium neben Preußen und Österreich ein "drittes verabschiede te der Reichstag dieses letzte zu gewinnen. Hierbei spekulierte Friedrich dar­ Deutschland" von Mittelstaaten zu schaffen, die Reichsgrundgesetz. Die Durchführung dieses auf, dass vor allem Württemberg an dem Fürsten• eng an Frankreich gebunden waren, zu einem er­ Beschlusses erfolgt durch Säkul arisierung (Aufhe­ tum interessiert war. Er wollte dem Käufer zur folgreichen Abschluss gekommen. Das form elle bu ng der geistlichen Herrschaftsgebi ete im Bedingung machen, das s dieser auch dann die Ende des Heiligen Römischen Reiches war eine Reich) und Mediatisierung (Aufhebung der Hechinger Hausschulden in Höhe von 600000 notwendige Folge, da die Rheinbundstaaten sich Reichsummittelbarkeit). Durch diesen Abschlu ss Gulde n üb ernahm. Als Ersatz wünschte er für zu einer Trennung vom Reich bis zum 1. August wechse lten nahezu 3 Mio. Men sch en ihre Staats­ seine Familie eine sichere Existenz. Und eine 1806 verpflichten mussten. Am 6. August 1806 angehö rigkeit. An .die Stelle der vielen kleinen solche schien ihm vorzugsweise unter preu­ legte der römisch-deutsche Kaiser Franz II. in Re­ Territorien traten nun große Flächenstaaten. Von ßischer Obhut gewährleistet. Nachdem sich im gensburg die Krone nieder und entband die Kur­ der Regelung profitierten besonders die großen Dezember 1805 Preußen wieder Frankreich ange­ fürsten, Fürsten und sonstigen Reichsstände ihrer und mittleren deutschen Landesherrschaften wie nähert und Hannover besetzt hatte, hoffte er, Pflichten. Einen entscheidenden Schritt zur Auf­ Preußen , Bayern, Sachsen, Württemberg und dass sich seine Familie in Preußen etablieren lösung des Reiches hatte Franz II. selbst bereits Hessen. Diese gewannen am Ende mehr hinzu, könnte. NUT Fürst Hermann vermochte sich für 1804 getan, indem er eigenmächtig und entgegen als sie durch die Abtretung an Frankreich verlo­ die Idee seines Sohnes nicht zu erwärmen. Eine der Vorstellung der Unteilbarkeit der Kaiser­ ren. Allein zum Beispiel Württemberg gewann Aufgabe des angestammten Fürstentums hielt er würde neben dem Titel des gewählten römisch- ' den größten Teil des schwäbischen Reichskreises, nur dann für erwähnenswert, wenn es ihm nicht deutschen Kaisers den eines erblichen Kaisers mit 29 Quadratmeilen und 120000 Einwohnern gelingen sollte, seine Unabhängigkeit zu wahren. von Österreich, mit dem Titel als Franz I. an­ (das Vierfache seines Verluste s) hin zu! Mit dieser nahm. drastischen Verringerung von reichsunmittelba­ Der 3. Koalitionskrieg ren Gebieten und der Zerstörung der geistlichen Die beiden hohenzollerischen Fürstentümer Landesherrschaft verlor das Reich die entsch ei­ Nap oleon, der in den Jahren 1800 bis 1805 eine im Rheinbund denden Grundlagen seiner Macht. starke moderne Armee aufgestellt hatte, wurde ------­ im Jah r 1804 von den Franzosen zum Kaiser ge­ Nach der Gründung des Rheinbundes verloren Sigmaringen und Hechingen während des wählt. England, damals stärkste See- und Welt­ in Südwestdeutschland so bekannte Fürsten wie Reichsdeputationsausschlusses macht erklärte den Franzosen aus verschiedenen die Fürstenbergs, die Hohenlohes oder die Wald­ Gründe n den Krieg und wollte eine Invasion Na­ burgs ihre politische Selbstständigkeit. Ihre Terri­ Hohenzollern-Sigmaringen erhielt im Jah r 1803 poleons auf ihrer Insel verhindern. Nachdem die torien wurden dem Königreich Württemberg und als Ersatz für den Verlust seiner niederländischen Englände r gut bezahlten, waren die relativ armen dem Großherzogturn Baden zugeschlagen. Dage ­ Besitzungen das Kloster Beuron, die Herrschaft Österreicher als erste bereit, in einer 3. Koalition, gen behaupteten sich erstaunlicherweise die bei­ Glatt und das Kloster Inzigko fen. Hohenzollern­ neben Russland, nochmals gegen Frankreich zu den kleinen hohenzollerischen Fürstentümer He­ Hechingen erhielt die zuvor dem Stift Kreuzlin­ marschi eren. Durch die schlechten Erfahrungen chingen und Sigmaringen. Die Fürsten von Ho­ gen gehörende Herrschaft Hirschlatt (später an au s der 2. Koalition gegen Frankreich stellten sich henzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sig­ Württemberg gefallen). Außerde m gestattete der aber die süddeutschen Fürsten 1805 im letzten maringen genossen trotz ihres geringen Territo­ Reichsdeputation sausschluss die Aufhebung der entscheidenden Augenblick auf die Seite Napo­ rialbesitzes schon im Alten Reich ein hohes Anse­ im Fürste ntum Hechingen gelegenen geistliche n leon s. Am 19. September 1805 empfing der ba ­ hen. Nach Württemberg und Baden waren sie die Konvente. Die Klöster St. Luzen und Range ndi n­ disc he Kurfürst Karl Friedrich (1728-1811) Napo­ ranghöchsten Fürsten im Schwäbischen Reichs­ gen sowie das Hechinger Kollegialstift wurden leon in Ettlinge n und schloss mit ihm einen Ver­ kreis. Dass die schwäbische n Hoh enzollern von daraufhif!. aufgelöst. trag ab, in welche m er sich verpflichtete, einige der Mediatisierung Napoleon s versc hont blieb en, Um nicht einfach die Großen über sich ent­ tausend Soldaten der "Grande Armee" zu unter­ ha tte mehrere Gründe zur Folge: 1. Die Ansicht scheiden zu lassen und nicht resigniert auf ein ste llen. Am 23. September 1805 unterzeichnete Napoleons, dass es sich bei den schwäbischen mehr oder weniger zwangsläufiges Schicksal zu Napoleon auch mit dem bayerischen Kurfürsten Hohenzollern um ein österreichfeindliches Haus Seite 1308 Heimatkundliehe Blätter März 2002 handelte. 2. Die verwandtschaftlichen Beziehun­ 3. Oktober 1806 "vervollkommnet". Die Hechin­ gen zum preußischen Königshaus in Berlin. 3. ger Grenadiere waren bereits am 19. Oktober Das freundschaftliche Verhältnis der Sigmaringer 1806 abmarschiert. Hingegen konnte die Sigma­ Fürstin Amalie Zephyrine zu seiner Gattin Kaise­ ringer Dragonerkompanie, deren Aufstellung der rin Josephine und zu anderen führenden Persön­ Erbprinz von Sigmaringen auf Anraten des fran­ lichkeiten in Paris. 4. Die geplante Eheverbin­ zösischen Außenministers Talleyrand (1754-1838) dung des Erbprinzen Karl Anton von Hohenzol­ angeboten hatte, erst Ende November 1806 aus­ lern-Sigmaringen mit einer Nichte des Schwagers rücken. Die schwache Position der beiden hohen­ von Napoleon, dem Marschall Joachim Murat. zollerischen Fürstentümer veranlasste den Erb­ Fürst Hermann von Hohenzollern-Hechingen prinzen Karl Anton (1785-1853) von Hohenzol­ weilte Anfang Juli 1806 in Paris. Eine Gelegenheit, lern-Sigmaringen, im französischen Heer Napo­ in den Entwurf des Rheinbundvertrages Einblick leons den Feldzug gegen Preußen, das so oft zu nehmen, erhielt er aber nicht. Er wie auch seine schützende Hand über die mit ihm stamm­ Fürst Anton Aloys (1762-1831) von Hohenzollern­ verwandten schwäbischen Hohenzollern gehal­ Große Schwierigkeiten bereitete zeitweise die Sigmaringen mussten froh sein, dass sie durch ten hatte, mitzumachen und auch danach im Munitionsbeschaffung. Häuser wurden nach Blei die von dem gemeinsamen Bevollmächtigten Dienst Frankreichs zu bleiben. Er diente später und Zinn durchstöbert, selbst Orgelpfeifen nicht Fischler am 12. Juli 1806 geleistete Unterschrift als Ordonnanzoffizier des französischen General­ geschont! Öfters mu ssten die hohenzollerischen unter den Vertrag dem drohenden Damokles­ stabschefs Marschall Berthier (1753-1815). Noch Soldaten ihre eisernen Kugeln schmieden. Eine schwert der Mediatisierung entrinnen konnten. stärker als die politische Existenz Württembergs größere Zahl der Sigmaringer und Hechinger Sol­ Recht günstig wirkte sich für Hohenzollern-Sig­ und Badens hing die der beiden Ländchen von daten geriet in Gefangenschaft und wurde ge­ maringen die Aufnahme in den Rheinbund 'aus. dem Willen Napoleons ab. Deshalb hatten ihre zwungen, in gegnerische Verbände einzutreten . Anton Aloys wurde eine ansehnliche Vermehrung Regentenhäuser in besonderer Weise Ergeben­ Insgesamt nahmen die hohenzollerischen Solda­ seines Hausbesitzes, die Übertragung zu unein­ heit und Dienstwilligkeit gegenüber dem Kaiser ten an 32 Gefechten teil. 16 Soldaten von ihnen geschränktem Eigentum sowie die Souveränität von Frankreich unter Beweis zu stellen. erhielten Kriegsauszeichnungen. Feldwebel Lo­ über die eigenen und die angrenzenden Gebiete Das Sigmaringer Wochenblatt gab am 26. März renzer aus Hausen am Andelbach zum Beispiel zugestanden. Er erlangte an neuen Territorien 1809 die Modalitäten der Rekrutenaushebung be­ bekam in Anerkennung seiner hervorragenden die innerhalb der alten Grafschaft Sigmaringen kannt. Nicht jeder vom 17. bis zum 40. Lebens­ Tapferkeit und wegen der wiederholten Verwun­ gelegenen, von Österreich aber usurpierten Klös• jahr unterlag dem Wehrdienst. Ausgenommen dungen, die er erlitten hatte, eine Jahresrente von ter Wald und HabsthaI. Ferner die Herrschaften waren die Adligen, die öffentlichen Beamten und 100 Franc aus der französischen Kriegskasse. Hohenfeld und Achberg, die bisher einen Be­ ihre Söhne, die Schullehrer sowie die Meister in Militärisch folgten auf der iberischen Halbinsel standteil des Deutschordens von Altshausen ge­ den herrschaftlichen Bergwerken. Für die Aushe­ die schweren Niederlagen der Franzosen bei Sa­ bildet hatten. Seine Landeshoheit konnte er auf bung waren jeweils vorrangig vorzumerken: "For­ lamanca 1812 und bei Vittoria 1813. die Obervogteiämter Trochtelfingen und Jungnau nikanten" (Männer, die sich eines Unzuchtverge­ Die seit dem Verlassen Madrids die Nachhut der Fürstenbergs, die Oberämter Straßberg und hens schuldig gemacht hatten), ferner Wilddiebe, der französischen Armee König Joseph Bona­ Ostrach des Fürsten Thurn und Taxis sowie . die Einwohner, die sich ihrer Obrigkeit tätlich wider­ 'partes (1768-1844) bildende deutsche Rhein­ Obervogteiämter Gammertingen und Hettingen setzten. Ohne Zweifel handelte es sich bei dieser bunddivision überschritt am 6. Juli 1813 mit den des Freiherrn von Speth ausdehnen. Die Einwoh­ Bestimmung um ein Relikt aus dem 18. Jahrhun­ letzten französischen Einheiten die spanisch­ nerzahl des Fürstentums Sigmaringen erhöhte dert. Als man Taugenichtse "Aushauser" und ver­ französische Grenze. Nachdem Napoleon seinem sich um 11000 auf knapp 39000 Menschen! Im brecherische Elemente vorzugsweise ins Militär Bruder Ioseph den Oberbefehl über die franzö• Vergleich dazu kam Hohenzollern-Hechingen gesteckt hatte. Junge Männer, die nicht zum Kreis sische Spanienarmee entzogen und sie Marschall schlecht weg. Der Rheinbundvertrag räumte ihm der Befreiten zählten, hatten wenn sie "durch das Soult (1769-1851) üb-ergeben hatte, bildeten die lediglich die volle Souveränität ein, jedoch Spiel" rekrutiert wurden, noch immer die Mög• hohenzollerischen Soldaten zusammen mit den musste es auf jede territoriale Vergrößerung und lichke it sich mit obrigkeitlicher Genehmigung Badenern, Nassauern und Frankfurtern einen auf alle sonstigen Hohenzollern-Sigmaringen loszukaufen. Gerade aber die großzügig zuge­ Teil der Reserve . Aber das Gesetz des militä• großzügig gewährten Vorteile verzichten. Fürst standenen Befreiungen und Loskaufmöglichkei­ rischen Handeins lag jetzt in den Händen der Hermann empfand dies als bittere Benachteili­ ten bildeten die Gewähr dafür, dass der Militär­ Verbündeten. Die Nachricht der Niederlage Na­ gung, die er nie ganz überwand. Eine kleine Ge­ dienst im Hohenzollerischen ein negatives Privi­ poleons in der Völkerschlacht bei Leipzig sickerte nugtuung für ihn bedeutete es nun, dass er und leg der Armen und ein Korrektionsmittel für auch in das weit entfernte spanische Grenzgebiet wie aber auch sein Vetter in Sigmaringen mit schlecht beleumundete junge Männer blieb . ,Es durch. Am 10. Dezember lß lS'Tief das gesamte dem Beitritt zum Rheinbund den Titel "Souverä• ist deshalb kaum verwunderlich, wenn im Früh• Regiment Nassau, dem wie erwähnrauch die Sol­ ner Fürst" erhielt und dadurch das Prädikat jahr 1809 von den zwangsrekrutierten Sigmarin­ daten aus Hohenzollern angehörten, sowie das "Durchlaut' und "Prinz" auf alle Nachkommen ger Untertanen auf dem Weg nach Wiesbaden, Frankfurter Bataillon zu den Engländern Welling­ der fürstlichen Häuser ausdehnen konnte. wo sie nassauischen Truppenverbänden zuge­ tons über. Am Tag darauf wurden die verbliebe­ Mit dem Beitritt zum Rheinbund waren die bei­ wiesen werden sollten, 13 von ihnen das Weite nen deutschen Soldaten in der Mehrzahl Badener den Fürstentümer nunmehr auch verpflichtet, suchten. Das Vermögen der Dese rteure zog die von den Franzosen entwaffnet und zu Kriegsge­ Napoleon als deren Protektor Heerfolge zu leis­ fürstliche Regierung in Sigmaringen ein . fangenen erklärt. Abenteuerlich gestaltete sich ten. Das heißt, Sigmaringen und Hechingen das Schicksal der hohenzollerischen Soldaten, die mussten, wenn der französische Kaiser in den Sigmaringer und Hechinger Soldaten in zu den Engländern übergega ngen waren. Zusam­ Krieg zog entsprechend ihrer herrschaftlichen Spanien 1810 bis 1813 . men mit ihren nassauische n Kameraden wurde Bevölkerungszahl Soldaten für dessen "Grande ein Teil von ihnen mit Schiffen nach Sizilien ge­ Armee" stellen. Hohenzollern-Hechingen musste Seit Anfang 1810 kämpften auch die Militärkon­ bracht. Dieser Teil trat schließlich zu Fuß von bei einer Größe von 5,5 Quadratmeilen und tingente der bei den hohenzollerischen Fürsten­ dort den Rückweg nach Deu tschland an. Andere 14000 Einwohnern im Kriegsfall der franzö­ tümer in Spanien. Sie hatten 1809 im Verband versuchten über Frankreich in die Heimat zu ge­ sischen Armee 97 Mann zur Verfügung stellen, der nassauischen Truppen am Krieg gegen Öster­ lan gen. Der Rest kam erst nach England und von Hohenzollern-Sigmaringen, mit einer Größe von reich teilgenommen und waren nach Friedens­ dort übe r Holland nach Hau se. Von 873 überge­ 19 Quadratmeilen und 39000 Einwohnern schluss, im Truppenkö rper des 2. nassauischen lau fen en deutschen Soldaten, die im Februar musste, natürlich weil es menschenreicher war, Infanterieregiments, nach der iberischen Halbin­ 1814 auf Vier Schiffen zum Heimtransport verla­ 193 Mann für Napoleons Kriegsmaschinerie stei­ sei in Marsch gesetzt worden. Dort kämpften sie den wurden, verlor üb er ein Viertel bei Schiffbrü­ len . im Verband der so genannten deutschen Rhein­ che n ihr Leben. Unter den Toten befanden sich bunddivision unter französischem Oberkom­ auch 14 Solda ten aus den beiden hohenzolle­ Sigmaringer und Hechinger Waffenhilfe mando. Ihre Stimmung war sehr schlecht . Auf rischen Fürste ntümern. (Fortsetzung folgt) - Unter Napoleons Adler dem Marsch durch Deutschland und Frankreich ------' desertierten 26 hohenzollerische Soldaten. In den Im 4. Koalitionskrieg gegen Preußen und Russ­ Jahren 1810 und 1811 hielten sich die franzö• Herausgegeben vo n der land 1806/07 hatten das Königreich Württem• sischen Forderungen nach Ersatz- und Ergän• Heimatkundlichen Vereini.gung Balingen . berg, das Großherzogtum, aber auch die beiden zungsmannschaften noch in Grenzen. Aber 1812 Vorsitzen der: hohenzollerischen Fürstentümer, laut der Rhein­ änderte sich dies . In jenem Jahr hatten 155 Mann Christoph Roller. 72336 Balingen, Am Heuberg 14, bundakte, Napoleon Heerfolge zu leisten. Mehr allein aus Hohenzollern-Sigmaringen nach Spa­ Te lefon 77 82. symbolischen Wert hatten die von Hohenzollern­ nien zu ziehen! Die hohenzollerischen Soldaten Geschäftsführun g: Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen ins gerieten unmittelbar nach ihrem Eintreffen in Ruth Hübner, Im Kirschenwinkel 2, 72359 Dot­ Feld zu stellenden Truppenkontingente. Entspre­ Spanien in den heftig entbrannten Partisanen­ ternhausen, Telefon (07427) 91094. chend ihrer Bevölkerungszahl stellten die beiden krieg, auf den sie in keiner Weise vorbereitet Redaktion: hohenzollerischen Fürstentümer Soldaten zur waren. Ständig von Überfällen bedroht, waren sie Christoph F. Riedl, 72336 Balingen, Gerh.-Haupt­ mann-Ring 14. Telefon 7816. "Grande Armee" Napoleons ab. In Hohenzollern­ wie andere Kampfverbände oft von ihren rück• Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils Sigmaringen wurde zu diesem Zweck das wärtigen Verbindungen abgeschnitten, litten sie am Monatsende als ständige Beilage des "Zollern ­ "höchstlandesherrliche Rekrutierungspatent vom unter Verpflegungs- und Versorgungsengpässen. Alb- Kuriers". .- -

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Jahrgang 49 30. April 2002 Nr .4 Die Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen und -Hechingen unter Napoleons Adler 1803 - 1815 Von Jens-Florian Eberg- 2. Folge (Schluss)

der Braut aufge schoben werden und wurde erst Beim Herannahen der österreichisch en Trup­ Napoleons Heiratspolitik mit dem im Februar 1808 gefeiert. Die nunmehr von Na­ pen zog sich Fürst Friedrich in die Schweiz zu­ Haus Hohenzollern-Sigmaringen poleon zur Prinzessin erhobene Antoinette Murat rück. Nach der Völkerschlacht von Leipzig erbat zählte damals gerade 15 Jahre! er seinen Abschied au s der fran zösischen Armee. Das Bestreben Nap oleon s seine enge und wei­ Bei der Ziviltrauung in den Tuilerien am 3. Feb­ In einem Schreiben an den französischen Kriegs­ tere Verwan dtschaft durch Ehen mit den vor­ ruar 1808 waren fast alle Angehörigen der Familie minister bezeichnete er sich als denjenigen nehmsten europäische n Fürstenfamilien zu ver­ Napoleons anwesend. Die kirchliche Trauung Rheinbundfürsten, welcher wie kein anderer bind en, kam der in Paris lebenden Fürstin Amalie vollzog am folgenden Tag der Kardinal Fesch, der seine Ergebenheit gegenüber dem Kaiser unter Zephyrine von Hoh enzollern-Sigmaringen sehr Onkel des Kaisers. Der Kaiser beschenkte das Beweis gest ellte habe. An Napoleon schrieb gelegen. Sie sah in der Stiftung eine r solchen Ehe junge Paar mit dem Palais de Breteuil in der Rue Friedrich, es werde für ihn immer tröstlich sein, ein en großen Vorteil für ihr Haus. Eine Heirat de Rivoli und mit 500000 Franc. Marschall Murat, dass er dem größten Monarchen gedient habe, vermochte das drohende Damoklesschwert, der Onkel der Braut, steuerte eine jährliche Rente solange ihm dies möglich gewesen sei. Bei der welches seit der ersten Hälfte des Jahres 1806 von 25000 Franc bei, die aber beim Regierungs­ Verehrung, die er für den Kaiser der Franzosen üb er den beiden hohenzollerischen Fürstenhäu• antritt des Erbprinzen Karl Anton auf 15000 hegte, ohne Zweifel ein aufrichtiges Bekenntnis. ser schwebte, zu stoppe n und der Mediatisierung Franc vermindert werden sollte. Als persönliches Später als sein Hechinger Vetter Friedrich, Anfang Napoleons zu entrinnen. Daher ging auch im Ge­ Geschenk an Karl Anton überreichte ihm November 1813, entschloss sich Fürst Anton gensatz zu den anderen süddeutschen Fürsten­ Marschall Murat einen ägyptischen Mamelu­ Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen, Kontakt zu häusern Bayern, Württemberg und Baden der ckensäbel. Die klinge des Säbels s~.ammte von ei­ Preußen und Österreich aufzunehmen, um sei­ Anstoß zu solch einer Heirat aus Staatsräson nem der vier von Napoleon aus Agypten mitge­ nem Land die Behandlung als Feindstaat zu er­ nicht von Napoleon, sondern im großen Teil von brachten Mameluckensäbel und stellte somit ein sparen. Ihm wie auch Fürst Friedrich kam es au f Fürstin Amalie Zephyrine au s. Zusammen mit kostbares Geschenk dar. Die Ausstattung der rasche konkrete Ergebnisse an . In einem Brief an ihrer Freundin, der franz ösischen Kaiserin lose­ Braut durch Napoleon und Marschall Murat fiel Kaiser Franz I. von Österreich ersuchte Friedrich ph ine Bonaparte, heckte sie den Plan aus, ihren zur vollsten Zufriedenheit des Sigmaringer Hofes um "Schutz und Gnade". Die Boten beider ho­ Sohn, Erbprinz Karl Ante n, mit eine r Verwandten au s. Doch auch Fürst Anton Aloys hatte beträcht• henzollerischen.Fürsten meldeten auch bald aus des kaiserlichen Hauses zu vermählen. liche Opfer zu bringen. Der noch im fran zö­ dem alliierten Hauptquartier, der Übert ritt zu Fürstin Amalie Zephyrine (1760 bis 1841) von sische n Militärdien st stehende Erbprinz Karl An­ den Verbündeten vollziehe sich auf de r Grund­ Hohenzollern-Sigmaringen war eine gebürtige ton wurde nach der Hochzeit auf sein en Wun sch lage "vollständiger Konservation". Eine Beitritt­ Prinzessin von Salm-Kyrburg. Sie war in Paris im Sta b des Onkels seine r Frau in Spanien ver­ sakte zur Unt erschrift läge bereit. Verhandlungen aufgewachsen und fühlte sich dort eher woh l, die wendet. Er wollte durch seine n kriegerischen Ein­ seie n nicht meh r möglich . doch hätten sich alle den verschwenderischen Luxus gewohnt war, als satz seine Anhänglichkeit an den Kaiser bezeu ­ Souveräne des ehemaligen Rheinbundes densel­ wie im ländlichen Sigma ringen. Durch ihren gen. Im Som mer 1808 erhielt Karl aber Urlaub ben Bedingungen zu unterwerfen. Lieblingsbruder Fürst Friedrich von Salm-Kyr­ und bes uchte erstmals mit seine r junge n Frau die Am 29. November schloss Hohenzollern-He­ burg war sie meist in Paris lebend seh r eng mit Sigmaringer Heimat. Fürst Anto n Aloys nahm die chingen, am 2. Dezember Hohenzollern-Sigma­ dem Vicomte Alexandre de Beau harnais und des­ Schwiegertoc hter in seiner Residenz Sigmaringe n ringen seinen-Allianzvertrag der Reihe nach mit sen Gattin Josephine befreundet. Amalies Bruder mit großer Herzlichkeit auf und bewahrte ihr Österreich, Preußen und Russ land. In entspre­ wurde zusammen mit dem Vicomt e de Beauhar­ zeitlebens eine liebenswürdig-freundschaftliche chender Weise waren wie dem badischen nai s im Juli 1794 wenige Tage vor Ende der Zuneigung. Die zukünftige Fürstin Antoinette Großherzog den beiden hohenzollerischen Fürs­ Schreckensherrschaft Robespierres mit dem Fall­ wurde eine gute Landesmutter und lebte bis ten ihre Souveränität garantiert. Fürst Anton beil hingerichtet. Zeitlebens blieb Fürstin Amalie 1847. Aloys und Fürst Friedrich reisten nach Frankfurt, mit Josephine de Beauharnais befreundet. Beson­ um ihre politische Kehrtwendung den Häusern ders als diese Napoleon Bonaparte heiratete und der alliierten Mächte persönlich zu demonstrie­ dann im Jahr 1804 Kaiserin von Frankreich Vom Russlandfeldzug bis zur Auflösung ren. Hohe n Wert legten die beiden Fürsten auf wurde. des Rheinbundes eine gute Aufnahme durch den stammverwand­ Ende Mai 1806 setzte Amalie ihren Mann Fürst ten Preußenkönig. Natürlich war auch dieser be­ Anton Aloys von dem Plan des Kaisers der Fran­ Die beiden hohenzollerischen Fürstentümer reit ihnen zu helfen. Doch er empfing lediglich zosen in Kenntnis, Erbprinz Karl Anton mit der brauchten im Jahr 1812 keine Soldaten für den Anton Aloys. Friedrich hingegen wollte er nicht Nichte von Napoleons Schwager, dem Marschall bevorsteh enden russischen Feldzug zu stellen. sehen. Dem Hechinger hatte er seine Nap oleon­ Joachim Murat (1767-1815) und nunmehrigen Lediglich der seit 1810 regierende Hechinger hörigkeit noch nicht verziehen. Großherzog von Kleve und Berg zu verheiraten. Fürst Friedrich zog mit der "Grande Armee" im Die Fürstin em pfahl ihre m Gatt en den Heirat s­ Frühjahr 1812 nach Osten. Er kehrte Anfang 1813 plan zu akzeptieren. Der Erbprinz selbst war mit schwer krank und dienstuntauglich in die Heimat diesem Plan einverstanden. Gab der Fürs t nun zurück. Fürs t Friedric h verspürte, nachdem er Gegen Napoleon noch sein Einverständnis, könnte er des stä nd i­ die nstuntauglich aus Russ land zurückgekehrt gen Schutzes Napoleons sicher sein. Über die war, keine große Lust mehr, sich nochmals für Aufgrund der Beitrittserklärung zu den Verbün­ kleinbürgerliche Herkunft der Braut müsste man den Dienst im Heer Napoleons zur Verfügung zu deten verpflichteten sich auch die beiden kleinen hinwegsehen und dabei nur den wichtigen stellen. Die militärische und politische Situation Fürstentümer Waffenhilfe zu leisten und Kontin­ Schwager des Kaisers im Hinterkopf behalten. bewog de n Hechinger Fürsten im Herbst 1813, gente gegen Napoleon aufzubieten. Sigmaringen Die künftige Frau von Erbprinz Karl zählte noch der französische Kriegsminister Clarke (1765­ und Hechingen sahen sich im Dezember 1813 13V2 Jahre. Sie hieß Antoinette und war die Toch­ 1818) hatte dessen Urlaub für eine Badekur am gleichfalls wie Württemberg und Baden veran­ ter des schon vor ihrer Geburt verstorbenen 22. September in Italien gerade verlängert, auch lasst, ihren aus Linienmilitär gebildeten Kontin­ Kaufmanns und Gastwirtes Peter Murat. Die Verbindungen zu einflussreichen Verwandten in genten ein gleich starkes Landwehrkontingent Hochzeit musste wegen der allzu großen Jugend Österreich und Preußen aufzunehmen. zur Seite zu stellen. Der Landwehr wies Fürst An- Seite 1310 Heimatkundliehe Blätter April 2002

ton Aloys in eine r Verlautbarung für Kriegsorder narmee verse tzt und kämpfte dort gegen die chi schen Armeekorps und focht mit Ausze i c h~ "de n ehre nhafte n Beruf' zu ,"für Freiheit und Fra nzosen unter dem noch jungen Napoleon Bo- nung in den großen Schlachte n VOjLAsp o rn ~ ESS ­ Verfass u ng des Vat erlandes in der Reih e der ver- naparte. Im Februar 1797 erhielt der Prin z für ling im Mai und be i WaßraIIl trn Juli 1809 gegen bündet en Mäc hte zu kämpfen". Im Januar 1814 seine Verdiens te da s Kreuz de s Militär-Maria- Nll PD Jo o lI ~ r i~f der Fürst aus Männern vom vollende te n 18. Th er esienorden . ~ Am 31. Juli 1809 .wu rd: Prinz Friedrich . ~ ~.m bis zu vollendetem 60. Leb en sjah r eine n Land- Während_d e~ _2 . - K u a l1tlO ns k neges 1799-1801 General der Kavallene befordert und zum Militär­ sturm ins Leben und gab..Anwoiau n !je Il t ür selne-zelchnete sich Hohe nzollern wiede ru m in Italien, kommandeur von Innerösterreich mit Sitz in - Bewaffn ung und Organisat ion. Fü r den Frank- besonders in den Schl achten bei Magnan o, an erhoben. Im Jahr 1812' folgt e. da s Kornman­ reic hfe ldzug von 1814 wurden badische Linien- der Adda, an der Trebbia und bei Novi sowie bei do de s österreichi schen Reserveko rps in Galizien. truppe n und d ie badi sche Landwehr mit"den ho- Mod en a aus. Nach diesen Schlachten erwarb er Im Frühjahr 1813 kehrte Hohenzollern na ch Graz henzollerisch en und liechtensteinischen Kontin- sich als tapferer und ausgezeichneter Reiterge- zurück und stellte bedeutende Truppenkontin­ gente n (alle drei kleine n Fü rsten tümer bild et en neral der österreichischen Armee bei Freund und gente gegen die Franzosen in IlIyrien und Italien zusam men ein Infanterieb at aillon mit 330 Mann) Feind, Resp ekt und Anerkennung. Nachdem auf. Nach Napoleons Rückkehr von Elba 1815 zum 8. deutschen Bundeskorps unter Kornman- Prinz Fried rich die Toskana beset zt hatte, wurde kommandierte der Prin z da s 2. österreichisch e da des badische n Prinzen, dem Generalleutnant er zu m Feldmarscha ll-Leutnan t (Cene ralleut- Armeekorps de r Armee Schwar zenbergs (177 1­ Graf Wilhel m von Hoc hberg (1792- 1859) zu sam- nant) befördert. Während de s Feldzuges von 1800 1820) am Ob errh ein. Nac h 1815 kehrte Hohenzol­ me ngefasst. Das Korps wa r zur Belagerung der hielt Hohenzollern da s wichtige Genua bis nach lern na ch Graz zur üc k. Im Alter von 68 Jahren fra nzös ische n Garnisonen Kehl , Straßburg, Lan - der Schlach t von Marengo besetzt. Danach zeich- wurde der hoch dekorierte Prin z von Hohenzol ­ dau und Pfalzburg (Phalsbourg) bestimmt, net e er sich besonders in der Schlacht am Mincio, lern-Hechingen 1825 zum Hofkri egsratspräsident welche Aufga be es glüc klich meistert e. Im Juni am 25. Dezember 1800, au s. Im Jahr 1801 wurde in Wien ern ann t. Nachdem er am 18. September 1814 keh rten die Soldaten in ihre Heimat zurück. Prin z Hohenzollern-Hechingen na ch Galizien 1830 zum österre ichischen Feldmarschall erho- verse tzt. Dort erhielt er 1804 da s Militärkomman- ben wurde, zog er sich in das Privatleben zurück. Auf dem Wiener Kongress 1814-1815 do von Westgalizien . Im 3. Koalitionskrieg von Prin z Friedrich von und zu Hohenzollern-He­ 1805 füh rte Hohenzollern ein Korps der österrei- chingen verstarb am 6. April 1844 in Wien. Im Septembe r 1814 reisten die Fürsten Fried­ ch isch en Deutschlandarmee unter Feldmarschall Leutnant von Mack (1752-1828) in Schwaben. rich von Hohen zollern-Hechingen und Anton Quellen: Aloys von Hohen zollern-Sigmaringen na ch Wien. Kurz vor der Kapitulation der österreichischen Paul Saue r: "Napoleons Adler über Württemberg, Bade n und Beide Fürs ten hatten große Sorgen. Die politisch e Armee in gelang es dem Prinzen zusammen Hoh en zollcrn", Stuttgart 1987. mit dem Erzhe rzog Ferdinand d' Este (1781-1835) Heinri ch Büch eler: König Murat aus Obe rlände r Chro nik Nr, Eigens tä nd igkeit ihrer kleinen Länder war gefähr• 375, 1991. det. Kön ig Friedrich von Württem be rg hätte Ho­ na ch Böhmen zu entkommen. Im Krieg von 1809 Pöltz:"Der Rhe inbund historisch und sta tisch da rgestellt" henzollern nur allzu gern se inem Land einver ­ stand Hohenzollern-Hechingen an der Spitze des Constant von Wurzb ach: "Biogra ph isches Lexikon de s Kaiser­ 3. öste rreichischen Armeekorps. Mit diesem tu ms Österreich" 60 Bände, Wien 1856- 1891 leibt. Scho n vor dem Erste n Pari ser Frieden gab Pet er Mast: "Die Hnhe nzo llern", Graz, Wien, Köln 1988 es Bestre bu nge n, zumindest die klein en Rhein­ nahm er an der Schlach t bei Eggmühl in Bayern Bodo Harenberg: "Chronik der Deutsch en ", Dortmund 1988 bundstaat en zu medi ati sier en. Fürst Friedrich teil. Dan ach war er Kommandeur des 2. österrei- Franz Willbold: "Na po leo ns Feldzu g um Ulm 1805", Ulm 1987 von Hoh en zollern-Hechingen knüpfte über eine n im preußische n Militä rd ienst stehe nde n Vetter Kontakt zu König Friedrich Wilhelm 11 1. (1770 ­ Vom alten Pfarrhof 1840) vo n Preußen. Der pr eu ßisch e König zögerte zunächst, war dann aber doch bereit , sich für die stam mverwandten schwäbische n Hohen zollern in Burladingen zu verwende n. Auf dem Wiener Kongress, auf welche m das Schicksal der kleinen früh eren Auch eine Heimatbetrachtung - Von Iosef Schiilzle / Burladingen Rheinbundstaat en entsc hiede n wurde, vermoc h­ te n die be ide n Hoh enzollern ihre Souve rä nitä t Erst war es ein Klein-Bauern-Dorf, dann eine aufstrebende Industriegemeinde (sie weiß aber und ihre Territorien ungeschmälert zu bewahren . nicht, wann das Kerngebäude mit Schornsteinen der heutigen Trigema-Fabrik und von wem es Die Hoffnung des Hechinge r Fü rsten, der zu m erbaut wurde) und nun ist es seit vielen Jahren eine Stadt, die kulturell weiter aufstrebt. Was Woh le seines Hauses und sei nes Landes, auc h im gibt es da nicht alles an kulturellen Bestrebungen! Und was hat sich da nicht manchmal auf Notfall zugu nsten se ines Sohnes abge da nkt hätte, einem ursprünglich ganz anders bestimmten Gelände entwickelt! auf eine kleine Gebietserweite ru ng od er auf eine Da ist z. B. der alte Pfarrhof. Ja wo war denn ab er z.B. Philipp Ferbe r au s Hechingen (t 1772), finanzielle Zuwend u ng, um die Finan zprobleme der" , we rde n Jung- und Neubürger fragen?Na- vorher Hofkaplan in Hechingen . Er baute unter seines kleinen Ländch ens meistern zu können , türlieh hat man schon oft auf dem Weg zur neu en Groß bayer die Georgskirch e neu und renovierte erfü llten sich aber nicht. Beide Fürstentü me r Post ode r zu Ärzten od er zu eine m Großmarkt, da s Pfarrhau s, Pfr. Karl Borromäu s Reithinger blieben bis 1850 eige nstä ndig. Nac h den poli­ we n n man von der Hauptstraß e her kam, Pfarr- (18 19 - 1829). Er erba ute die Gauselfinge r Kirche . tischen Unruhen von 1848 schlossen sich Hohen­ gasse gelesen. Was soll der Name? Nun, in dieser Pfr. Iosef Blum enstetter (1847 - 62), de r von zollern-Sigmaringen und Hohe nzo llern- Hechin­ Gasse sta nd der alt e Pfarrhof. Am heutigen Ge- Burladingen na ch Trillfingen ging, ist in Hechi n­ gen 1850 an das Königreic h Preußen an. bäudekomplex weist kein Schild auf die se Ver- gen begraben. Dass er Abgeordne ter im Frankfur­ gangenheit hin, wie etwa auf Alois Hauser an der ter Parlament war , ist leider auf dem hiesigen Militärhistorische Persönlichkeit: Kreissp arkasse. Straßenschild nicht erwähnt. Er verlegte den Friedrich Franz Xaver Der Albve rein hat sein Jahresprogramm 1999 Friedhof vom "Kirchhof ' der Georgskirche an Prinz von und zu Hohenzollern-Hechingen diesem Pfarrhof gewidmet, geschmückt mit einer den heutigen Platz. Zeichnung von Christian Ritter (nach einer alten Pfr. Fridolin Eiseie (1898 - 1910) von Trochtel­ Friedrich Fra nz Xaver Prin z von und zu Hohen­ Pho tog raphie). Ch r. R. pilgerte se lber als Indus- fingen ging von B. na ch Inneringen, wurde 1914 zollern -Hechingen, Burggraf von Nürnberg und triekaufmanns- Lehrling oftmals in die ses Pfarr- Feldgeistlich er und fiel im Westen am 3. 6. 1918. Gra f von Sigmaringen und Währungen wurde am hau s, um Englisch zu lernen (brauchbar für den Ein Sterbebildehen von ihm ' hat der Hessische 31. Mai 1757 au f Schloss Gheule in der Nähe von Export der Firma). Und alle Studentlein, die nach Flohmarktjäger der , Gemeinde geschickt. Das Maas tricht geboren.Er stam m te au s der nieder­ Sigmaringen an s Gymnasium und ins Fidelishaus Bildehen zeigt sein Grab, von dem man ab er ländisch en Linie der Hechinger Hohenzollern. kamen , nahmen beim Pfarrer Lat einstunden, um heute nichts mehr weiß. Pfr. Weber hat sich ein­ Der Prinz wa r Träge r des Kommandeurskreuzes ein paar Klassen überspringen zu können.Anton mal nach ihm erkundigt. und des Ritterkreuzes des Militär-Mari a-Th ere­ Pfister von Hermannsdorf musst e sogar zu Fuß Pfr. Kaltenbach wurde 1903 geweiht, war Prä fekt sieno rde ns. Im Alter von 18 Jahren trat der Prinz von dort in die Latein stunde nach Burladingen. im Fidelish au s (wie Biener), wurde 1909 Pfarrver ­ 1775 in die nied erländische Armee ein. Im folgen­ Er liegt au f dem hie sigen (neuen) Friedhof, wie weser in Inneringen und 1910 Nachfolger von Pfr. den Jahr wech selt e er jedoch .in ein österrei­ au ch Pfr. Biener, der vom alten Pfarrhof. in den Eiseie. 1928 konnte er sein Silbernes Priesterjubi­ chisehe Kür assier-R egim ent, in welchem sein On­ er 1930 einzog, bald ins Pfarrhaus bei der neu er- läum feiern. Es gibt eine Tafel , die ihn im Kreise kel Regiments inha be r war. Prin z Friedrich bauten Fide liskirche zog (1934). seiner eh emaligen Vikare zeigt. Die Tafel ruht käm pfte im bayerisch en Erbfo lgekrieg sowie ge­ Der letzte Pfarrer von Burladingen, der von wohlverwah rt im Turm der Fideliskirch e. gen die Türken. Nach Auszeichnungen vor Bel­ 1910 bis 1929 im Pfarrhau s lebte, war Ant on Kal- Natürlich verdiente nicht nur da s ehe malige gra d 1788 wu rde er zum Oberstleutnant beför­ tenbach von Wald. Dort war er begrab en. Die Ge- Pfarrhaus eine Hinweistafel, so nde rn z. B. auch dert. Im Jahr 1792 zum Oberst des Kürassier-Re• meind e war nicht imstande, se in Grab zu erhal- (schon um "Ratha us -Sünde n" wiede r gut zu ma­ giments "Kavanagh" (später als Nr. 4 "Kronprinz ten. Die Reihe der Burladinger Pfarrer kann man ch en) das Rath au s und das Hinter e Schulha us. Ferdinand" bekann t) ernannt, kämpfte er bis im Heimatbuch von Rektor Spe ide i (S. 150 ff) Vorne müsste ste he n: "Schul- und Rathau s, Er­ 1795 in fast allen wichtigen Schlachten in den nachl esen. Vielleicht br ingt die Gemeinde od er baut 1846". Seit dem Schulhaus- Neubau beim Niederlanden, Belgien und Nordfrankreich sowie der heut ige Besitze r des ganzen Komplexes do ch Ringinger Käppele (1951- 1953) nur Rat haus. Die am Rhein gegen die französischen Revolutions­ einmal eine Gede nkta fel an (ebe n wie die an der frühe re n Schulen sta nde n am Platz der alten armeen. Im März 1796 wurde er zum Generalma­ Kreissp arkasse für Alois Hau ser). Natü rlich kön- Apothe ke lind des Partn erschafts-Gedenksteins. jor befördert, wurde zur österreichischen Italie- nen nicht alle Pfarr-Na men auf der Ta fel stehe n, Dort könnte also eine Tafel stehe n: Hier stand :. April 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1311

.eine der "alten Schulen" Burladingens, erbaut ein Hinweisschild angebracht werden. Ein Jahres­ Soviel Kopfzerbrechen kann man sich den heu­ wohl unter Pfr. Fechter um 1770. Und am neu- bericht des Albvereins hat auch darauf schon hin­ tigen Verwaltungen. die ja so vieles zu tun haben. be.?annten "Alten Schulhaus" (reine Will~ür!) gewiesen. Man könnte noch manches Gebäude kaum mehr zumuten. Die Heimatbewussten musste stehen: Ehern. Neues Schulhaus (hinter . ." dem Schul- und Rathaus) erbaut 1915 mit Lehrer- sozusagen "aufwerten. Wo wurde z. B. unsere Lehrer fallen aus, da sie meist gar nicht von hier - wohnungen. Die alte Lehrerwohnung steht nicht erste Heimatdichterin Marie M. Schenk geboren? stammen und sich kaum solchem alten Plunder mehr. Auch da könnte an den Neuen Gebäuden Wo Marie Theres Baur? widmen können. Der Schriftsteller HugoBertsch aus Margrethausen Versuch einer literarischen Einordnung - von r», Peter Thaddäus Lang

Man sieht es vielleicht nicht immer auf den ersten Blick: Aber wenn man genau genug hinsieht, so wird man feststellen, dass zahlreiche Orte unserer Gegend bedeutende Persönlichkeiten her­ Heimat-Kunst vorgebracht haben. Einige Beispiele: In Erzingen ist es der Humanist Nikodemus Frischlin (1547 - 1590), in Ebingen der Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (1904 - 1988), in Truchtelfingen Angesichts einer Menschen verachtenden Ar­ der Schriftsteller Hermann Essig (1878 - 1918), in Schömberg der Konstanzer Weihbischof Bal­ beitswelt macht .sich aber zur gleichen Zeit die thasar Wurer (1513 - 1608). Und in Margrethausen eben ist es der Arbeiter-Schriftsteller Hugo Sehnsucht breit nach der Welt des Bauerntums, Bertsch. des ländlichen Lebens. Deshalb finden jetzt der Industrialisierung, die ihn natürlich mitsamt plötzlich die Dorfgeschichten eines Berthold Leben und Werk ihren literarischen Strömungen nachhaltig ge­ Auerbach großes Interesse; seit dem Ende des 19. prägt hat. In dieser Zeit schießen überall die Fab­ Jahrhunderts entsteht die so genannte Heimat­ Am 7. .Oktober 1851 als Sohn des Dorfschul­ riken wie Pilze aus dem Boden. die jungen Leute Kunst. die das Landleben schildert, zumeist auch lehrers in Margrethausen 'geboren, lernte er in ziehen vom Land in die Städte, um dort ihr Glück verherrlicht, und das Leben in den Städten ver­ Ulm und Wilflingen bei Saulgau das Kürschner• zu machen. und auf diese Weise werden viele dammt. handwerk. Nach beendeter Lehre begann er ein Dörfer zu Industriesiedlungen und viele Städte Einige Repräsentanten dieser Richtung sind unstetes Wanderleben, das ihn rund um den Glo­ zu Industriezentren. heute noch unbekannt - den Älteren klingen bus führte: Holland. England. Irland. Kanada, die Die neuen Industriestädte dehnen sich aus und Vereinigten Staaten, Schottland, Argentinien, ballen sich zusammen zu weitläufigen Industrie­ Namen wie Ludwig Anzengruber, Ludwig Gang- . Neuseeland - das waren die wichtigsten Statio­ gebieten. sie geben der Umwelt und den hofer, Peter Rosegger oder Hermann Löns gewiss nen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich auf Menschen ein neues Gepräge. Häusermeere mit angenehm in den Ohren. Diesen Schriftstellern . unterschiedlichste Weise - mal als Holzhacker, Straßenschluchten entstehen, unablässig rau­ ist vielfach gemeinsam, dass sie aus einfachsten als Bergmann oder als Eisenbahnarbeiter. aber chende Fabrikschlote vergiften die Luft und ver­ Verhältnissen stammen und dass sie die Land­ auch als Ziegelbrenner und als Transportarbeiter. schleiern den Himmel, graue Mietskasernen mit schaft und die Natur ihrer Region wie auch die Ja. sogar als Kuhmelker war er zeitweise zugange. zahllosen Hinterhöfen dienen zur Wohnung. Eine Lebensbedingungen der dortigen Menschen zum Erst im reiferen Alter von 40 Jahren ließ er sich am Existenzminimum entlangdarbende- Arbei­ Thema ihres literarischen Schaffens machen. in New York nieder, heiratete eine Irin und ver­ terschaft besiedelt diese Städte. Unterernährung Sprache und Stil bilden mit dem Sujet gemeinhin diente sich fortan seinen Lebensunterhalt in dem und schlechte Kleidung prägen das Bild. Al­ eine Einheit; sie sind deshalbbewusst schlicht ge- erlernten Beruf des Kürschners. In dieser Zeit be­ lenthalben sieht man bleiche, hohlwangige Kin­ halten. ' gann er zu schreiben. 1903 erschien sein Erstling, der mit abgewetzten Kleidern. der Roman "Die Geschwister", und zwar in Das Werk Hugo Bertschs trägt verschiedene deutscher Sprache bei Cotta in Stuttgart. 1904 Züge der Arbeiter-Literatur, erinnert aber verein­ zelt auch an die Heimat-Kunst. Mit verschiede­ folgte der Roman "Bob, der Sonderling" und 1906 Die Arbeitsliteratur der "Bilderbogen aus meinem Leben". In letzt­ nen der Arbeiter-Dichter hat Hugo Bertsch das genanntem Werk schildert er auf höchst an­ unstete Leben seiner frühen Jahren gemeinsam. In dieser Situation entsteht eine neue Literatur­ was bei ihnen allen zu einem überaus farbigen schauliche und unterhaltsame Weise unter an­ gattung, die Arbeiterliteratur. Die Autoren ent­ derem auch seine Kindheit in Margrethausen. und unerschöpflichen Erfahrungsschatz führt. Al­ stammen zumeist dem Arbeiterstand; ihre The­ fons Petzold beispielsweise verdiente seinen Le­ Mit einem größeren zeitlichen Abstand brachte men entnehmen sie ihrer Lebenssituation und er dann 1923 den Roman "Der Tramp" heraus. bensunterhalt mit ständig wechselnden Tätigkei• ihrer Arbeitswelt. In erster Linie bedienen sie sich ten, nämlich unter anderem als Bauhilfsarbeiter, Während es die ersten drei Bücher auf jeweils .der Lyrik, so dass man geradezu von "Industrie­ mehrere Auflagen brachten, fand der "Tramp" Laufbursche, Kellner oder Fensterputzer; Max Lyrik" reden kann. Das Drama spielt daneben Barthel hinwiederum hatte viel von der Welt ge­ bei der Leserschaft weniger Anklang. Hoch betagt ebenfalls eine bedeutsame Rolle, während Ro­ schloss er am 24. August 1935 in New York für im­ sehen. so die Niederlande. die Schweiz, Öster• mane und Autobiographien einen untergeordne­ reich, Belgien, Italien und Russland. mer seine Augen. ten Rang einnehmen. In seinen Werken thematisiert Bertsch die Welt Diese Arbeiterdichter schreiben meist ohne tie­ Zudem sieht Hugo Bertsch die Welt aus dem­ der einfachen Menschen, der sozial Benachteilig­ fere Kenntnis der europäischen Bildungstradi­ selben Blickwinkel wie die Arbeiter-Dichter, näm• ten, schildert harte und entbehrungsreiche Le­ tion: das lässt ihre Werke oftmals klar, hart und lich von unten. aus der Sicht der Benachteiligten. benssituationen. Ein enges Anbinden des Ge­ ungeschnörkelt erscheinen. Sie stehen damit in der Ausgestoßenen. Er nennt die Dinge beim schilderten an die eigene Erlebniswelt schimmert kras sem Gegensatz zur bürgerlichen "Literatur Namen: Hunger, brutale Vorgesetzte, schlechte hindurch. an die eigene Biographie, also an die ihrer Zeit, die in der wehleidigen Dekadenz des Löhne, primitive Wohnverhältnisse, Alkoholis­ Herkunft aus einfachen Verhältnissen. an ein .fin de siede" schwelgt - als typische Beispiele mus. Arbeitsunfälle, Krankheiten. Unmittelbare jahrzehntelanges, rastloses Reisen quer über den sind hier die Werke von Thomas Mann zu nen­ Kritik an den bestehenden Zuständen übt er je­ Clogus, an eine Vielfalt unterschiedlicher Situa­ nen, wie etwa "Buddenbrooks" oder "Der Zau­ doch ausgesprochen selten. Damit nähert er sich tionen, Menschen und Berufstätigkeiten. berberg", Die bürgerliche Lyrik dieser Epoche schon der Heimatkunst an; dies umso mehr bei Eine großartige, weit gespannte Handlung. das verliert sich in den feinen Verästelungen einer der Schilderung seiner Kindheit in Margrethau­ ist nicht sein Ding. An der Schilderung von Vor­ abgehobenen Ästhetik, man denke etwa an die sen, wobei er allerdings nichts beschönigt oder gängen ist ihm nicht gelegen, sondern an der Gedichte von Stefan George oder von Rainer verklärt - in dieser Hinsicht könnte man ihn mit Beschreibung von Befindlichkeiten und von Zu­ Maria Rilke. Peter Rosegger vergleichen. der jn seinen Kind­ ständen. Der Lesefluss kommt nicht durch Span­ Ihrer Tendenz nach prangert die Arbeiter-li­ heitserinnerungen (.,Als ich noch der Wald­ nung zu Stande, sondern durch die Lebendigkeit teratur Missstände an und übt heftige Sozialkritik bauernbub war") ein extrem realistisches Bild da­ des Erzählens. Mit diesen Schlagworten lässt sich .; sie ist oftmals vom Marxismus geprägt und ver­ von zeichnet, unter welch kargen Lebensumstän• das literarische Schaffen von Hugo Bertsch kurz steht sich als Sprachrohr des vierten Stands, der den die steirischen Waldbauern ihr Leben fristen und holzschnittartig charakterisieren. Und aus Arbeiterklasse. Was die Stilmittel anbetrifft, so mussten. In die Nähe der Heimatkunst rückt dies er Charakterisierung ergibt sich der hier vor­ sind sie dem Neuen aufgeschlossen und experi­ Hugo Bertsch des Weiteren durch seine religiösen zunehmende Versuch einer Einordnung in die li­ mentierfreudig. Manche ihrer Werke sind mit ei­ Erörterungen, die insbesondere in "Bob, der Son­ terarischen Strömungen seiner Zeit. ner neuartigen Richtung in Verbindung zu bring­ derling" einen breiten Raum einnehmen. en, mit ' dem Expressionismus. Die Namen der Wenn wir über die Grenzen des deutschsprachi­ einst viel gelesenen Arbeiter-Dichter sind heute gen Raums hinausgehen, entdecken wir eine Arbeiter-Literatur weitgehend vergessen - wer kennt heute noch ganze Reihe weiterer - und zum Teil ausneh­ Autoren wie Alfons Petzold, Max Barthel oder mend frappierender - Wesensverwandtschaften. Hugo Bertsch ist hineingewachsen in die Zeit Karl Bröger? In Norwegen, in Amerika, in Russland. Seite 1312 Heimatkundlieh e Blätter April 2002

Knut Harnsun

Beginnen wir mit Norwegen, mit Knu t Hamsun, der nur acht Jahre jünger ist als Hugo Bertsch, der zunächst ein ähnlich unstetes Leben füh rte wie dieser: Beruflich begann er als Schusterlehr­ ling und Handelsgeh ilfe, er zog es dann aber vor, herum zu vagabundieren und sein Geld als Hau­ sierer und als Straßenarbeiter zu verdiene n. Es zog ihn außerd em - ganz wie unseren Schriftsteller aus Margrethau sen - in die Verei­ nigten Staa ten, doch hielt es den Norweger dort Ukraine, ans Schwarze Meer und na ch Geor­ nur zwei Jahre. Hamsuns großer Durchbruch gien; er lebt eine Zeit lang in de r Hauptstadt der kam 1890 mit seinem Roman "Sult", das heißt doner Elendsvierteln. Tatarische n Repub lik. "Hunger". Ein handlungsarmer, zuallerme ist au s Im Unterschied zu Bertsch betreibt Iack London 'Vor allem in.seine n frühe n Erzählunge n schil­ Reflexion en bestehender Roman, die Geschichte handfeste Sozialkritik und konstruiert äußerst dert der Russe die Leute am Rand e ' der Ge­ eines introvertierten, an der untersten Grenze spanne nde Handlungsbögen - die klassisch en sellschaft - die Arbeitssche ue n und Alkoholiker, des Existenzminimums dahinvegetierenden In­ Abenteuerromane eines Robert Louis Stevenson die Lumpen sammler und Bettler, die Herumtrei­ tellektuellen. Die Parallelen zu Bertschs "Bob, der ("Die Schatzinsel", 1882) oder ein es Henry Field­ ber und Landstreicher - ihre abstoßende Häss­ Sonderling" sind unübersehbar: auch dort wenig ing ("Tom Iones", 1749) dien en dem Amerikaner lichkeit malt er mit unba rmhe rziger Detailtreu e Handlung, auch dort eine extreme, entbehrungs­ als Vorbild. Bertschs introvertiertes Sinnieren au s. Ganz ähnlichen Figuren begegne n wir in reiche Situation, auch dort ständiges Grübeln und seine Religiosität haben bei Iack London al­ Bertsch s "Sonderling" und in seinem "Bilderbo ­ und Nachdenken. lerdings keine Parallele. Beiden gemeinsam ist gen" auf Schritt und Tritt. So sind denn beide hinwiederum die tragende Rolle - und die Faszi­ Schriftsteller mehr an sozial randständigen Cha­ nation - der Eisenbahn in ihren literarischen rakteren interessiert und weniger an ein er Hand­ Iack London Werken. lung; der "kleine Mann" und seine Welt, da s sind die zentralen Themen von Bertsch wie au ch von Eine weitere literarische Verwandtschaft führt Gorki. uns in die Vereinigten Staaten, zu Iack London. Maxim Gorki Trotz aller Berührungspunkte, Parall elen und Dieser ist zwar ein Vierteljahrhunder jünger als Bezüge zwischen Iack London, Knut Hamsun, Bertsch, er tanzt jedoch ebenfalls als unstetes Irr­ Die Eisenbahn benutzen wir als Übergang zu Maxim Gorki und Hugo Bertsch - ein gewaltiger licht durch weite Teile seines Lebens. Als uneheli­ dem Schriftsteller, der wohl die frappierendsten Unt erschied zwischen dem Margrethausener und cher Sohn eines Astrologen und einer .Spiritistin Wechselbezüge zu Hugo Bertsch aufzeigt: zu den anderen Dreien ist unübersehbar: Während fällt er au s dem bürgerlichen Milieu genauso Maxim Gorki. Dieser, 17 Iahre jünger als Bertsch, Bertsch sich nie von seiner Schriftstellerei ernäh• krass heraus wie viele seiner Romanfiguren. Er wächst als Sohn eines Tischlers unter ärmlichen ren konnte und deshalb immer Handwerker und sucht das Abenteuer und die extremen Lebens­ Verhältnissen auf und begibt sich elfjährig nach Arbeiter blieb, machten sich die anderen Drei ei­ verhältnisse bewusst und verherrlicht sie - wir dem Tode seiner Mutter auf Wanderschaft. Er nen Namen, wurden berühmt und konnten ein begegnen ihm als Austernpirat, als Landstreicher, schlägt sich durch als Laufjunge, als Geschirr- von materiellen Sorgen befreites Leben führen, als Matrose, als Goldsucher in Alaska. Sein litera­ .wäscher, als Wanderarbeiter, als Bäcker, als was ihrem literarischen Schaffen selbstverständ­ risches Schaffen ist ungeheuer reich - rund 50 Hausknecht, als Gärtner und schließlich auch als lich in jeder Hinsicht zu Gute kam - sie konnten Bücher - und ebenso vielseitig. Neben Reise-Er­ Eisenbahner, eine Berufsgruppe, mit welcher sich ganz auf die Schreiberei konzentrieren, ihren lebnissen und Tiergeschichten stehen Abenteuer­ Bertsch auf seinen vielfältigen Reisen als Stil vervollkommnen, sich Routine aneignen, Romane, politische Essays und eben auch Erzäh• Schwarzfahrer immer wieder unangenehme Be­ während Hugo Bertsch des Abends, nach getaner lungen aus dem Arbeiter-Milieu, so etwa .T he gegnungen hatte. Gorki bewegt sich solcher Ge­ Arbeit müde, schreibenderweise am Küchentisch People of the Abyss", angesiedelt in den Lon- stalt die Wolga rauf und runter, er kommt in die zugange war, den er sich gelegentlich auch noch mit seine n beiden Kindern teilen musste. Die äu ßeren Umstände ware n also für seine Schriftstellerei denkbar ungünstig. Aber nehmen wir einmal an, sie seien günstig gewesen - wir wollen jetzt einfach spekulieren und an ne hmen, Ebinger Stadtoberhäupter 111: unser Hugo Bertsch hätte im Lotto gewonnen oder eine größere Erbsc haft gemacht , oder auch eine begüterte Frau geheiratet - wie beispiels­ weise Ludwig Uhland - was dann wohl aus seiner Johannes Hartmann Schrifts tellerei geworden wäre? Aller materieller Von Dr. Peter Thaddäus Lang Sorgen ent hoben; nun wäre vielleicht ein erfo lg­ Johannes Hartmann, reiches Buch nach dem anderen erschienen ­ Stadtschulth eiß in wer weiß? Ebingen 1857-1909 Den 1832 in Ebingen geborenen Webersohn ständliche Bestandteile kommunaler Infrastruk­ wählte die Ebinger Bürgerschaft 1857 zum tur gelten, so etwa 1861 eine Telegraphenanstalt, Die Verfasser der Beiträge Stadtschultheißen. Die Amtsführung des gelern­ 1878 der Eisenbahnanschluss und das Kranken­ in dieser Ausgabe: ten Verwaltungsfachmanns wurde allseits mit haus, 1886/88 und 1899/1900 zwei größere Iens-Plorian Ebert großem Lob bedacht."Seine Charakterei­ Schulgebäude (heute: Schlossbergschule und Römerstraße 21, 72459 Albstadt genschaften waren vorbildlich", heißt es da bei­ Hohenbergschule), 1887 ein Postgebäude, 1888 spielsweise, "ausgerüstet mit einem guten Ge­ eine moderne Wasserversorgung und 1892 ein Dr. Peter-Thaddäus Lang dächtnis erledigte er seine Amtsgeschäfte mit .Gaswerk. Johannesstraße 5, 72458 Albstadt großem Fleiß, Pünktlichkeit und Gewissenhaftig­ Gegenüber den teilwei se recht. konträren poli­ Iose f Schülzle keit". An anderer Stelle wird vermerkt, er habe Postfach 193, 72386 Burladingen "umfasse nde Gesetzeskenntnisse, scharfes Ur­ tisch en Strömungen innerhalb der Stadt verhielt teilsvermögen und eine seltene Geschäftsge• er sich vorsichtig und zurückhaltend, weshalb es wandtheit." zu seiner Zeit nie zu größeren Konflikten kam. So Herausgegeben von der, Ohne diese Eigensc hafte n und Fäh igkeiten nannten ihn denn seine Dienstvorgesetzten 1886 Heimatkundlichen Vereinigung Balingen. hätte der Stadtschulheiß die anstehe nde n Aufga­ "entschieden den besten Ortsvorsteh er des Ober­ Vorsitzender: ben auch gar nicht bewältigen kön ne n. Bei sei­ amtsbezirks". Kein Wunder, dass dieser ver­ Ch risto p h Roller, 72336 Balingen, Am Heuberg 14, nem Amtsantritt hatte die Stadt 4525 Einwohne r; dienstvolle Mann mehrere Orden erhielt, dass er Te lefon 7782. • bei seiner Pensionierung im Jahr 1909 war es zum ersten Ehrenbü rger der Stadt ernannt wurde Gesch äftsfü h rung: mehr als das Doppelte (1910: 11423). In dieser und dass ihn de r Maler Christian Landenberger Ruth Hübner, Im Kirschenwinkel 2, 72359 Oot­ langen Zeitspanne mauserte sich Ebingen vom in Öl porträtierte. Dieses Gemälde ist noch heute ternhausen, Te lefo n (07427) 91094. verschlafenen Provinznest zur aufstrebenden In­ im Ebinger Rathaus zu bewundern. Redaktion: dustriestadt; die Kommune veränderte innerhalb Seinen Ruhestand konnte Johannes Hartmann Christoph F. Riedl , 72336 Balingen, Gerb.-Haupt­ einer Generation ihr Aussehen und ihre Wesens­ allerdings nicht sehr lange genießen, denn er mann-Ring 14, Telefon 7816. züge. In der Ära Hartmann entstanden in Ebin­ Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils starb bereits zwei Jahre nach seiner Pensionie­ am Monatsende als ständige Beilage des ..Zollern­ gen viele Einrichtungen, die heute als selbstver- rung. Das war 1911. Alb-Kuriers". Jahrgang 49 31. Mall 2002 Nr.5 Theodor Groz (1828 - 1892) ein Ebinger Industriepionler' von Dr. Peter Thaddäus Lang/Albstadt - 1. Folge

Der Ebinger Stadthistoriker Walter Stettner zählt die Sippe Groz zu den "uralten" Ebinger Fami­ Freilos gezogen hatte und deshalb keinen Militär- ' llen", Seinen Erhebungen zu Polge" ist der älteste, schriftlich fassbare Groz, mit Vornamen Ma­ dienst leisten muss!". Während dieser Zeit wird thias, um 1558 zugewandert. Er war Kupferschmied und muss über außergewöhnliche Geistes­ er auch das Meisterrecht im Nadlerhandwerk er­ gaben verfügt haben, denn er wurde in Ebingen binnen kurzem zum Schöffen und dann sogar worben haben18. Ein Meisterbrief ist allerdings zum Bürgermeister" gewählt. Sein Sohn, der Kupferschmied Bartholomäus Groz, ist neben sei­ nicht erhalten, weder bei den privaten Unterla­ nem Handwerk noch als Verwaltungsmann für das Kloster Beuron tätig, er stirbt 1593 und hin­ gen der Familie noch im Firmenarchiv. Dennoch terlässt einen Sohn Mathias, wie der Großvater, der 1590 zur Welt kommt und bis 1659 lebt. ist ein quellenmäßiger Hinweis auf das Meister­ recht vorhanden, und zwar in einem Schreiben äußern sich allerdings auch Wissensdurst und vom 12. Juni 1863, in welchem Theodor Groz Die Vorfahren Bildungshunger des Verstorbenen: dem Friedrich Beck bestätigt, bei ihm, Groz, das Er hinterlässt 61 Bücher; das ist für die damali­ Nadler-Handwerk erlernt zu haben, "so daß ich Er nennt seinen Sohn ebenfalls nach dem gen Verhältnisse eine ansehnliche Bibliothek ­ ihn jedem meiner Herren Mitmeister bestens Großvater Bartholornäus, oder Bartle, wie es im darunter sechs Pharmazie-Titel, fünf Nachschla­ empfehlen kann.v'? Kirchenbuch heißt. Dieser Bartle wird nur 38 gewerke und Wörterbücher, drei Lateinbücher Jahre alt (1626 - 1664) und bringt es als Geißhirt (Grammatik, Lexika), vier Geschichtsbücher, 14 und Spitalfuhrknecht nicht so weit wie Vater und Andachts- und Gebetsbücher, eine Bibel, sechs Großvater, aber sorgt mit seinen 16 Kindern da­ Gesang- und drei Spruchbücher, ein Geographie­ Der Nadler Iohannes Rehfuß für, dass die Familie nicht ausstirbt. Iohannes, im buch und schließlich noch drei schöngeistige Bü• Todesjahr des Vaters geboren, setzt die Linie fort. eher". Bei der üppig vertretenen Erbauungslite­ In Ebingen ist gerade der einzige Nadler, Jo­ Er ist Schreinerrneister, genau wie sein Sohn Da­ ratur zeigt 'sich eine gewisse Hinneigung zum Pie­ hannes Rehfuß, arri 20. September 1852 gestor­ niel, der sich als herrschaftlicher Kastenknecht tismus'", was jedoch nicht allzu schwer gewichtet berr". In kleinerem Umfang produzierte er ein Zubrot verdient. Es geht mit der Familie also werden sollte, denn man weiß nicht, auf welchem Maschinen-Nadelrr", doch der Schwerpunkt sei­ sozial wieder aufwärts, wie man noch deutlicher Weg Daniel Groz in den Besitz dieser Bücher ge- ner Tätigkeit lag in seinem Ladengeschäfr'". Nach in der folgenden Generation sieht: Johann Jakob langt ist. . . seinem Ableben führte seine Frau dieses weiter, (1755 - 1810) bringt es zum Chirurgen und Stadt­ bis auch sie am 20. Dezember 1852 verstarb. Wie rat - wobei allerdings zu bemerken ist. dass die aus den notariellen Auflistungen seines Nach­ Chirurgen damals nicht unbedingt eine akade­ Lehre und Gesellenzeit lasses23 zweifelsfrei zu ersehen ist, liefen die mische Ausbildung zu absolvieren hatten. Sie ver­ Geschäfte des Nadlers Rehfuß prächtig. Er war standen sich eher als .Leibschnelder" und sahen Theodor, beim Tod des Vaters neun Jahre alt, ist ein erfolgreicher und wohlhabender Geschäfts• dabei das Handwerkliche im Vordergrund. das dritte unter den vier überlebenden Kindern. mann. Neben Haus- und Grundbesitz im Wert Filius Daniel, derVater des Firmengründers Sein Pflichtanteil aus dem väterlichen Erbe be- von 1315 Gulden sind da Aktiva in der beachtli­ Theodor, ist seines Zeichens Apotheker und trägt 49 Gulden - ein Betrag, mit dem keine chen Höhe von 11883 Gulden, darunter Waren­ bleibt damit beim Heilberuf. Daniel heiratet am großen Sprünge zu machen sind: Die goldene bestände in einem Wert von 864 Gulden, dazu 27. April 1817 Maria Rosa Wagner, die katholisch Uhr, die sein Vater hinterlässt, wird mit 50 Gul- kommen 1748 Gulden Bargeld und Außenstände ist und aus dem Badischen stammt. Daniel bringt den fast auf den gleichen Betrag taxiert1 I. bei Kunden in Burladingen, Ebingen, Harthau- ein Vermögen im Wert von 384 Gulden in die Nach- Beendigung der Schule im Jahr 184212 sen, Hartheim, Kaiseringen und Winterlingen. 5 Ehe • Damit bewegt er sich im Mittelfeld dessen, kommt Theodor nach Ludwigsburg und gelit bei Das von ihm erwirtschaftete Kapital hatte Nadl er l3 was zur fraglichen Zeit die jungen Handwerks­ Nadlermeister Friedrich Wöhrn in die Lehre . Rehfuß als Darlehen ausgegeben, teils an öffent• meister in Ebingen durchschnittlich zur Verfü• Das Nadlerhandwerk umfasste damals eine über- liehe Einrichtungen wie die Augustenhilfe od er gung hatten. Wodurch er sich vom Gros seiner raschend vielseitige Produktpalette, nämlich al= die Stiftungspflege in Ebingen oder auch an die Mitbürger unterscheidet, das sind die vier Bü• les, was aus Draht herzustellen ist: neben den ei- Gemeindepflege in Pfeffingen, teils auch an Pri­ cher, die zu seinem Vermögen gehören: Vier Bü­ gentliehen Nadeln auch Korsettschließen und vatleute in Bitz, Burladingen, Margrethausen, cher, das ist schon ganz ansehnlich, denn die Geldbörsen aus Drahtringen, ja sogar Schirmge- Schömberg, Truchtelfingen und Winterlingen. meisten Ebinger besitzen damals überhaupt stelle. Am 24. März 1846 erhält Theodor sein Ge- Das Rehfuß'sche Warenlager hat imposante keine Bücher oder aber nur ein Gesangbuch". Die sellenzeugnls'". Ausmaße, es umfasst eine äußerst breite Palette Titel zeigen, dass der junge Daniel wissensmäßig Ein Jahr noch arbeitet er bei Meister Wöhrn als , von Produkten: Dazu ~ehören hauptsächlich Haf­ vorankommen wollte: Neben einem zweibändi• Geselle, dann macht er sich der zeitüblichen Sitte ten und Stecknadeln 4 , aber auch Stuhlnadeln, gen Lehrbuch der Apothekerkunst finden wir entsprechend als Handwerksbursch auf die Wan- Drahtstifte, Haarnadeln, Knöpfe und Pfeifen- . "Der deutsche Patriot" und "Die Kunst, Bücher derschaft. Sein Weg führt ihn über Frankreichl'' köpfe, dann noch Gürtelschnallen, Haarketten, zu lesen", außerdem - ganz obligat- ein Gesang­ nach Wien und ins fränkisch-bayerische Schwa- Perlenketten, Ringe, Schlösser und Pfeifendeckel, buch. Ganz anders sah es mit dem Vermögen sei­ bach - neben Nürnberg die wichtigste Nadler- des Weiteren Waagen, Uhrenketten, Geldbeutel, ner Ehefrau aus: Sie brachte Besitz im Wert von stadt in Süddeutschland. Dort, in Schwabach, Tabaksbeutel, Pinsel und Mundharmonikas, 2735 Gulden mit, darunter 800 Gulden Bargeld werden Nadeln für die einfachen Wirkmaschinen nicht zu vergessen Muffs, Zollstöcke, Nägel und (und Gesangbücher gleich im Doppelpack). jener Zeit hergestellt, die damals den Namen Mundstücke für Tabakspfeifen. Die Versteigerung Nach 20 Ehejahren stirbt Daniel Groz. Von den "Wirkstühle" tragen, Diese Nadeln bestehen aus umfasst viele hundert Einzelposten und dauert zwölf Kindern haben vier ihren Vater überlebt", Eisendraht, waren deshalb nicht sehr elastisch, mehrere Tage, die Bevölkerung Ebingens beteiligt darunter Theodor, der zukünftige Firmengrün• und werden mit der Feile bearbeitet. Sie sind zu- sich rege, es kommen auch Leute von Tailfingen, der. Wie aus den notariellen Unterlagen der nächst nur aus Frankreich zu beziehen, wo sie Truchtelfingen und ünstmettingen, und sogar Nachlass-Regelung hervorgeht", stehen beim Tod aus Gussstahldraht hergestellt werden16. Die der Herr Pfarrer steigert mit. Neben diesen Un ­ des Apothekers dem Vermögen von 4124 Gulden Wahl von Schwabach als Arbeits-Station beweist, mengen und Unsummen nimmt sich die hinter­ Verbindlichkeiten in Höhe von 1665 Gulden ge­ dass Theodors Interesse mittlerweile stark auf die lassene Werkstatt des Nadlers Rehfuß recht genüber. Es bleiben auf der Haben-Seite somit Nadelproduktion gerichtet ist. bescheiden aus: Werkzeug und Material sind auf 2459 Gulden. Als Geschäftsmann war Daniel Spätestens gegen Ende des Jahres 1850 oder An- einen amtlichen Schätzwert von 68 Gulden ta ­ Groz, so muss man wohl schließen, nicht beson­ fang 1851 wird Theodor Groz nach Ebingen zu- xiert, darunter befinden sich Strumpfweberna­ ders . erfolgreich. Aus denselben Unterlagen rückgekehrt sein, nachdem er im Jahr 1849 ein dein in einem Wert von 20 Gulden. Aus diesem Seite 1314 Heimatkundliehe Blätter Mai 2002

krassen Unterschied von Warenlager und Werk­ de-utschen Industrie-Ausstellung" in München statt wird wohl gefolgert werde n dürfen, da ss die mit mehreren Produkten vertreten, nämlich mit Gesc häftstä tigkeit des Nadlers Rehfuß haupt­ einem Geflecht zu einer Malzd arre", mit einem sächlich im kaufmännischen Bereich lag, weniger Muste~ von Strumpfwirkernadeln" sowie mit ei­ in der Produktion. ~em Geldbeutel von Draht"43. Er selbst be zieht 1855 "sein sicherlich aus· England stammendes Rohmaterial über Rotterdam, wie au s einem er­ haltenen Schreiben an den Spediteur in Mann­ Das Ladengeschäft am Unteren Tor heim hervorgeht". Das Kistchen Draht ist mit In den Nachlass-Unterlagen des Johannes Reh­ TG No 1" bezeichnet, wobei "TG" wohl als die fuß findet sich au ch der Name Theodor Groz. Er i'nitialen des Firmengründers zu deuten sind. Zü• hatte - wohl von der Witwe Rehfuß - "Ladenwaa­ gig muss Groz sein e Werkstatt und seine Kapazi­ ~r ren " im Wert von 86 Gulden und 30 Kreuzern er­ täten ausgebaut haben, denn bald sch?n kann worbe n, die se jedoch zur Zeit der Nachlass-Auf~ 25000 Nadeln an einen Kunden aushefern. Ein listung noch nicht bezahlt. Diese "Ladem~aaren anderer Kunde erhält 1856 eine Lieferung von werden sicherlich den Grundstock fur das 8000 Stück. Geschäft des Theodor Groz gebildet haben, de s­ sen erste Spur wir in der Ebinger Lokalzeitung Der Alb-Bote" finden. In der Ausgabe vom 24. Verbesserung der Qualität Mai 1851 lesen wir eine Anzeige, in welcher Theo­ dor Groz einen Posten von Bürsten und Pinseln .Als Ergebnis seiner fortwährenden Bemühun­ wie auc h seine "Galanterie- und Nadlerwaaren" gen und offensichtlicher Erfolge bei se inen Kun­ zum Kauf em pfiehlr'". Die zeitlich nächste Spur TheodorGroz 1828-1892 den legt Theodor Groz 1855 de r Zentralstelle für bezieht sich auf den Kauf einer Haushälfte "in ei­ Handel und Gewerbe in Stuttgart einige Muster­ nem dreystokigen Wohnhau s mit Kauflad~n \,n­ nadeln aus Gussstahl für Rundstuhlmaschinen zu mern sind stets vorräthig und billig zu haben bei Testzwecken vor'". Das Urteil der Zentralstelle ten in der Markt-Straße, neben Jakob Fn edn ch Theodor Groz Nadler". Die "eigene Fabrikation" Rorninzer Bierbrauer, und Zinngießer Friedrich über die ein~esandten Nadeln is.t jedoch ni~ht Enge l "~6 wird somit arn -Iß. Dezember 1852 erstmals er­ befriedigend" . Es ist eben noch ein langer .muh­ 'sammt dem ganzen Stallanbau'f", die wähnt. Irgendwann im Verlauf des Jahres 1852 er im M~i 1851 um 2900 Gulden von der Witwe samer Weg zu dem Ziel, den deutschen ~Irkern hat Theodor Groz die Herstellung von "Strumpf­ Nadeln anbieten zu können, die besser smd als des Kaufmanns Johannes Binder erwirbr'". wirker-Nadeln" aufgenommen und damit den Im Sommer desselben Jahres nimmt er in dem die französischen. Die Suche nach einem Grundstock für den Ebinger Zweig der Firma geeigneten Draht als Rohstoff für seine Nadeln ist Hau s einige kleinere Umbauten vor". Zur selben Groz-Beckert gelegt. .. Zeit versichert er seine Mobilien und Warenvor­ für ihn das Wichtigste. Am 13. Dezember 18~9 In seiner Weihnachts-Anzeige von 1852 führt wendet er sich erneut an die Zentralstelle m räte bei der Gothaer Bank um 982 Taler'".Eine Groz die im Jahr zuvor pauschal benannten "Ga­ weitere Geschäftsanzeige schaltet er im Alb-Bo­ Stuttgart und bittet um Auskunft über die bisher 31: lanterie- und Nadlerwaaren" einzeln auf". In ei­ erfolgten Erkundigungen nach .eine.m brauch?a­ ten kurz vor Weihnachten 1851 "Kinderspiel­ ner endlos langen Liste nennt er weit überhun• Waaren in schöner Auswahl und zu billigen Prei­ ren Stahldraht. Ferdinand Steinbeis, der Leiter dert verschiedene Artikel, die er pedantisch in al­ der Zentralstelle, antwortet ihm am 19. Dezem­ sen em pfiehlt für be vorstehende Weihnachten zu phabetischer Reihenfolge. auffü?rt: v~n der Ahle gefälliger Abnahme TheodorGroz, Nadler am un­ ber 1859 persönlich und kündigt ihm eine Mus- über Bartpinsel. Drahtstifte, Fmgernnge, Geld­ tersendung aus England an47. Nur wenige. Tage tern Thor". börsen und Goldperlen hin zu Gürtelschn~llen, Zu dieser Zeit ist der Firmengründer noch nicht später wird eine Sendung Klaviersaitendraht aus Haarnadeln, Häkelnadeln, Knöpfen und Pfeifen­ Gussstahl in Aussicht gestellt, hergestellt von der verheiratet. Dies mag insofern bemerkenswert deekeln letztendlich bis zu Scheren, Stecknadeln, dama~s Firma Moritz Poehlmann in Nürnberg'", und sein, weil ßie jungen Handwerker die Tabaksbeuteln, Uhrenketten, Vorhangringen und Gründung einer beruflichen Exist~J1~ mit ~er kurz darauf kündigt sich eine ähnliche Sendung Zirkeln. Dieses extrem breit gefächerte Warenan­ der Firma Gebr. Rahmede & Cie bei Altena an?", Heirat zu verbinden pflegten. Möglicherweise gebot entspricht voll und ganz dem des verstor­ hatte er na ch se iner Rückkehr von der Wan­ Um diese Zeit laufen dieGeschäfte für Theodor benen Nadlers Johannes Rehfuß, wie es uns aus Groz ausnehmend gut. So baut er 1858 seinen derschaft eine passende Partnerin nicht so der Versteigerung seines Nachlasse~ b~ka~nt i~t. sch ne ll gefunden. Dies sollte sich jedoch bald än• Hausteil in der Marktstraße aus'" und ist zwei Theodor Groz ist demnach geschafthch m die Jahre später im Stande, einen weiteren -r:eil des dern: Am 18. März 1852 empfiehlt der Stadtrat, Fußstapfen des verstorbenen Nadlers Rehfuß ge­ The odor Groz vorzeitig von der Minderjährig• Hauses in der Marktstraße zu erwerben, m weI­ 32 treten. chem sich sein Geschäft befinder". Weit ere Um­ keit zu befreien, damit er Rosine, die damals Ein Vergleich der Gewerbesteuer-Entwicklun­ erst 21-jährige Tochter des Schulmeisters Ludwig baurnaßnahmen folgerr'". Dadurch erhöht sich gen bei Rehfuß und Groz bestätigt dies'". Io­ der Anschla~der Feuerversicherung von 2500 auf Rieber heiraten und einen eigenen Hausstand hannes Rehfuß beginnt 1839 mit einem Steuer­ gründen kann. Zur Hochzeit am 29. April 1852 3500 Gulden 3. Außerdem kauft er zur selben Zeit ·. 33 D sat z von 1 Gulden 48 Kreuzern, steigert sich von ein größeres Gartengrundstück am Häringstein lädt eine Anzeige in der Lok a I zettung em . er Jahr zu Jahr und ist 1849 bei 10 Gulden 24 Kreu­ Bräutigam besitzt beim Eintritt in den Ehestand für 230 Gulden, die er bar bezahlt.54. Dieser zern. Damit übertrifft er sogar die reichsten Grundstückserwerb wird wohl so zu verstehen nicht nur den vor Jahresfrist erstandenen Hau s­ Metzger im Ebingen dieser Zeit , die über einen teil in der Marktstraße am unteren Tor, sondern sein, dass er einen Teil des erwirtschafteten Kapi­ Steuersatz von 7 Gulden nicht hinauskommen ­ tals in einer Immobilie anl egt . auc h ein an sehnliches Warenlager, das am tli­ 'und die Metzger gelten damals wie heute als P3~­ che rsei ts auf 1800 Gulden taxiert wird. Freilich ist rad ebeispiel für wohlhabende Handwerksleute . 1861 beschäftigt Theodor Groz neben zwe i Ge­ weder das eine no ch das andere abbezahlt. Dem sellen 25 Arbeiter'" und erhält bei einer Gewer­ Die Geschäfts-Aktivitäten des Johannes Rehfuß Wilh~l~ ste ht ein ere rbtes Vermögen der Braut gegenüber brechen 1849 abrupt ab , wahrscheinlich krank­ beausstellung in Rottweil durch K?nig in Höhe von genau 3982 Gulden, 30 Kreuzern heit shalber. ein Ehrendiplom und einen "chemischen Preis, und vier Hellerrr'". The odo r Groz beginnt zwei Jahre später, 1851, verbunden mit einem Geldbetrag von 20 Duka­ mit einem Ansatz von 2 Gulden und 24 Kreuzern, ten'". Mit diesem Preis find en offensichtlich seine er steigt dann ebenfalls stetig auf und kommt Anstrengungen um eine geeignete Härtung der Nadeln eine Anerkennung. Im folgenden Jahr be­ Nadeln eigener Herstellung 1862 au f einen Steuersatz von 9 Gulden 36 Kreu­ zer womi t er steuermäßig seinem Vorgänger (mit sucht er die Weltausst ellung in London, findet k . An 57 Die in den Groz'schen Geschäftsanzeigen der 10 Gulde n) recht nahe gekommen ist. aber für sich selbst eme neuen regungen . Jah re 1851 und 1852 gebrauchten Formulierun­ Wie gewoh nt bietet der N~dler T~eodor. Groz Seine Bemühungen um brauchbares Material gen sind 'enorm wichtig fü~ die E rs c ? lie ßu n~ des kurz vor Weihnachten 1869 Wieder seme "Kmder­ bringen ihn weiter, vor allem d~rch die Verwe ?­ Gründungsjah res de s Gro z sehen Teds der Firma spielwaaren zu auffallend billigen Preisen", dazu dung von Stahldraht, doch trifft Ihn und a ~ le Wir­ Groz- Beckert. Im stä dtischen Gewerbesteuer -Ka­ einen Ovalofen'": Das Ladengeschäft existi~~t ker im Jahr 1863 ein harter Schlag."Da meme Na­ taster find et sich nämlich die früheste Eintragung also immer noch; es wird erst 1875 aufgegeben , delfabrikation infolge der Baumwollkrisis gan z zum Jahr 185135. Wie man an den beiden Anzei­ als die Nadelherstellung alle Kraft erfordert und darniederliegt'P", sucht er andere Drahtartikel, gen des Jahres 1851 ersehen kann, bet~ti~ e sich vielleicht nicht mehr zur Absicherung der Familie mit denen er seine Arbeiter beschäftigen könnte. Theodor Groz in diesem Jahr au sschheßhch als benötigt wird. Zu ihr gehören bis zu dieser Zeit Dergestalt bittet er 1864 die ~:ntralst~lle um Hilfe Kaufmann; von selbst hergestellter Ware ist mit sechs Kinder; vier weitere waren im Lauf der bei der Herstellung von Nahmaschmennadeln. keinem Wort die Rede. Vergleichen wir hierzu die Jahre entweder tot geboren worden oder aber be­ Doch winkt man dort ab , da im Aachener Raum Groz'sche Weihnachts-Anzeige des Jahres 185236: reits wenige Wochen nach der Geburt verstorben. schon ~rößere Fabriken.für diese Nadelsorte be­ Kinderspie!-Waaren in großer Auswahl. .. em p­ Die im Jahr 1852 gefertigten Mengen an Nadeln stehen. 9 flehlt zu gefälliger Abnahme Theodo.r Groz Nad ­ können nicht sehr groß gewesen sein. 1853 er­ Währenddessen hat sich aber schon eine an­ ler " - und jetzt kommt der entscheidende Satz: folgt schon eine erste Liefe~ng von t~~se~d Na ­ dere Perspektive abgezeichnet, Stichwort "Char­ Gute Strumpfwirker-Nadeln eigener Fabrika­ deln in die Schweiz'" und em Jahr spater Ist der niernadel". Dieses Produkt geht zurück auf den tion in den verschiedenen gebräuchlichen Num- junge Unternehmer bereits auf der "allgemeinen englischen Wirker Townsend, der 1847 eine völlig Mai 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1315

mengründers eine nicht zu schmale Existenz­ Richtigstellung grundlage, eine Grundlage allerdings, die ganz In unserer Ausgabe Nr. 4 vom 30. April 2002 stark von der Mode abhängig und damit krisen­ war der Name des ·Autors des Beitrags "Die anfällig war. Der Entschluss, letztendlich doch Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen .. ." auf die Produktion von Korsettschließen zu ver­ nicht .: richtig wiedergegeben. Der Albstädter zichten, sollte sich somit auf lange Sicht als rich­ Die erste Werkstätte am Historiker heißt nicht "Eberg", sondern Iens­ tig erweisen. Unteren Tor Florian Ebert. \ ' 1864 verwendet Theodor Groz erstmals die Be­ zeichnung "Nadelfabrik"62, doch er selbst ist bescheiden. Die Geburt aller seiner Kinder mel- . neue Nadel für die Herstellung von gestrickten det er noch als "Nadler" an. Erst bei der Hochzeit Textilien erfunden hatte, nämlich die Charnier­ des ältesten Sohnes 1880 ersc heint er als Nadel­ nadel mit beweglicher Zunge. Sie wird in Süd• fabrikant im Trauregister der evangelischen deutschland in Maschinen benützt, die aus Kirchengemeinde Ebingens63. . _ konstruiert, die feinere und leistungsfähigere Na- Frankreich eingeführt worden sind, weshalb das Dreh- und Angelpunkt aller seiner Bemühun- dein erfordern. Wieder steht Theodor Groz vor Wort "Charnier" in der Nadlerei noch bis nach gen um eine zufriederistellen de Nadel ist der , dem Problem, für die höheren Ansprüche einen dem Zweiten Weltkrieg mit "Ch" statt wie sonst Rohdraht und seine War mbehandlung. Es fällt geeigneten Draht zu finden. Dazu kommt wenige üblich mit "Sch" geschrieben wurde. 1863 kommt schwer, 'zuverlässige Lieferanten zu finden, die Jahre später eine gewa ltige Wirtschaftskrise im die erste Anfrage zur Lieferung dieser Werkzeuge gleich bleibende Qualität liefern, um darauf das Deutschen Reich, nachdem die französischen Re­ für die Lamb'sche Strickmaschine nach Ebingen. eigene Härteverfahren abstimmen zu können. parationszahlungen getätigt worden waren und Sofort macht sich Theodor Groz daran, Werk­ Der Entwicklung eines geeigneten Härte- und fortan kein Geld von Westen her über den Rhein ' zeuge und Vorrichtungen zu schaffen, auch diese Temperierofens gilt die unablässige Anstrengung fließt. Unter diesen Umständen ist Theodor Groz / Nadeln in sein Produktionsprogramm aufzuneh­ mit unzähligen Versuchen. Doch 1866 ist es so nahe daran, die Nadelmacherei aufzugeben'". men'". Es gelingt ihm als Erstem in Deutschland, weit. Voll Befriedigung fasst Theodor Groz seine Dazu aber sollte es nicht kommen: Sohn Daniel diese Art Nadeln zur vollen Zufriedenheit seiner ganze Erfahrung in eine . Cenau este Anleitung, kommt 1874 nach seiner Gesellenzeit nach Ebin­ Kunden zu produzieren. Stahl-, Strumpfstuhl- und Charnir-Nadeln in vor- gen zurück und stößt zwei grundlegende Ent­ Doch damit tritt er in Konkurrenz zu den fran­ züglichst unübertrefflicher Qualität anzuferti- scheidun~en an, die neuen Schwung ins Geschäft zösischen, englischen und amerikanischen Her­ gen" 64. . ' bringen/". Die erste Entscheidung betrifft den stellern. - 1865 ist die Textilkrise offenbar noch Bedingt durch die französischen Reparations- von Theodor Groz entwickelten Härteofen. Letz­ nicht beendet, denn noch immer produziert die zahlungen an das Deutsche Reich setzt nach dem terer wurde seiner Größe wegen nur alle drei Wo­ Firma Groz unter anderem auch Korsett­ gewonnenen Krieg 1871 ein starker Aufschwung chen in Betrieb genommen: Man wartete eben, schließen'" . Letztere waren ausschließlich für der deutschen Wirtschaft ein, und damit auch bis genügend Nadeln produziert waren, um ihn den Bedarf der örtlichen Korsettfabriken be­ der Textilindustrie - die so genannte und viel ge- optimal zu nutzen. stimmt; dadurch hatte das Unternehmen des Fir- priesene "Gründerzeit". Neue Masc hinen werden (Fortsetzung/Schluss folgt)

"Eckig.undunpoliert" , Der Visitationsbericht des Tailfinger Pfarrers Adolf Kieser aus dem Jahre 1871 - von Dr, Peter Thaddäus Lang/I. Folge

Als Pfarrer Adolf Kieser den nachstehenden Bericht über den ZustMtd seiner Gemeinde abfasst, gensatz etwa zum -Katholizismus, der zwar von ist er 51 Jahre alt, 16 Jahre im Kirchendienst und in Tailfingen seit knapp neun Jahren - das Fall zu Fall in en tspreche nder Weise strenge Re­ heißt, er ist, wenn man so will, ein "alter Hase", einer, der über viel Berufserfahrung verfügt geln aufs tellt, sich ab er insgesamt wesentlich und der die Tailfinger Gemeinde so gut kennt, dass man seinen Beobachtungen und Einschät­ nachsic htiger verhält. zungen großes Gewicht beimessen kann. Solche alten Bräuche scheine n aber auch noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf, Dass der Pfarrer seine Gemeinde ausnehmend Bedürfnislosigkeit gemessen, denn er wertet den trotz aller kirchlichen Zwangsmaßnahmen: Zum gut kennt, das ergibt sich schon allein aus den Verzehr von Bier, Wurst und Käse bereits als Zei­ einen sind es die Lichtst uben, hier "Lichtkränze" Kommunikationsstrukturen in einem Dorf mit ei­ chen der Genusssucht. genannt, in den en sich die Frauen und Mädchen ner fast ausschließlich alteingesessenen Einwoh­ Deutlich streicht Pfarrer Kieser auch die sozia­ an langen Winterabenden bei Handarbeiten. zu­ nerschaft. Hier kennt jeder jeden und Veränder• len Unterschiede zwischen sich und seiner Ge­ sammenfanden. Da sich bisweilen auch Mannes­ ungen im familiären oder beruflichen Bereich meinde heraus: Die Tailfinger beschreibt er als volk in den Lichtstuben herumtrieb, witterte die eines Einzelnen sind willkommene Themen für "eckig und unpoliert": er stört sich an ihren lau­ Geistlic hkeit dort allerlei Unsittliches und den täglichen Tratsch im Ort - somit weiß dann ten "Schneuzen und Husten" während des Got­ drängte seit dem 16. Jahrhundert auf deren Ab­ jeder sehr viel über jeden - und der Pfarrer kann tesdiensts, und außerdem findet er es unschick­ schaffung. Ohne Erfolg, wie das Tailfinger Bei­ dieses äußerst sensible und überaus' rasch arbei­ lich und plump, wenn sich fast alle im Dorf un­ spiel zeigt, was jedoch nicht bedeutet, dass sich tende Informationssystem schon allein auf dem tereinander duzen und mit Vornamen anreden. die Geistlichen mit den Lichtstuben abgefunden Wege seiner Amtshandlungen anzapfen: Über die Ein Vergleich mit einem Ebinger Visitationsbe­ hätten: Pfarrer Kieser wünscht sich ein härteres Krankenbesuche" über Taufen, Trauungen und richt aus demselben Zeitraum zeigt, dass das Durchgreifen der Polizei. Die kommunalen 'Ge­ Beerdigungen, über den Konfirmationsunterricht Tailfingen des Jahres 1871 eine doch noch ausge­ setzeshüter halten sich indessen hierbei sehr zu­ oder über den Pfarrgemeinderat. Auf dieser sprochen ländlich geprägte Gemeinde war. Das 'rück, sicherlich aus dem Grund. idass .sie sich an- Grundlage kann der Pfarrer - beispielsweise ­ zeigt sich nicht nur an "eckigen und unpolierten" dernfalls recht unbeliebt machen würden. sehr präzise Angaben machen über die beruf­ Verhaltensweisen seiner Bewohner. Das zeigt sich Der zweite, hier erwähnte Brauch ist das liche Situation und, die familiären Verhältnisse möglicherweise auch an der im Vergleich zu Schießen bei Taufen mit anschließendem Bier­ der wenigen Katholiken am Ort. Ebingen geringeren Qualifikation des Tailfinger ausschank - dem Pfarrer ebenfalls ein Dorn im ' Natürlich legt er hin und wieder seine persönli• Lehrpersonals. Hier tut sich insbesondere der Auge. Offenbar hat er auch hier keine Handhabe, chen Maßstäbe an , aber dies ist durchaus er­ dritte Schulmeister negativ hervor. So negativ, ' dieses zu unterbinden. kennbar.So sieht er beispielsweise im Gegensatz dass sein Name in dem hier vorgelegten Text zu seinem Ebinger Amtsbruder die industrielle vom Herausgeber anonymisiert wu rde. Entwicklung nur ungenau - Pfarrer Kieser ist, so Schauen wir uns nun an, wie Pfarrer Kieser Verhältnis zu den Katholiken darf man wohl annehmen, ein ausgesprochener seine Gemeinde beurteilt. Landpfarrer, der in den aufkommenden Fabriken' Das Verhältnis zu den Katholiken erweist sich nur die Ursache moralischer Verderbnis sieht. durchaus als meh rschichtig: Einerseits werden Dabei erfasst er die damals offensichtlich schon die wenigen Katholiken am Ort überaus miss ­ entstehende Konsum-Orientierung sehr scharf Disziplinierung trauisch beäugt, zurnal dann, wenn sie in Misch­ und treffend, wenn er von den jungen Fabrikar­ ehen leben. Andererseits aber.lässt Pfarrer Kieser beiterinnen schreibt, dass sie "nichts lernen, als Der Protestantismus ist dafür bekannt, dass er mit der allergrößten Selbstverständlichkeit Orgel Geld verdienen und wieder verbrauchen". seit der Reformation gegen volkstümliches und Kommunionkelche von katholischen Hand­ Wenn er von einer vermehrten Hinneigung zum Brauchtum rigoros vorgeht, wenn es seine werkern (in Lautlingen und Schwäbisch Gmünd) Luxus redet, so ist dies am Maßstab extremer fromme Lebensweise zu stören droht - im Ge- in Stand setzen. Seite 1316 Heim atkundliehe ,Blätter Mai 2002

und Teilungen Tailfingens nach dem Besitz pie­ Die Rolle des Pietismus tistischen Schriftguts durchsucht. Während 14 Prozent der Ebinger im Jahr 1859 pietistisches Als herausragendes Merkmal im religiösen Be- Schriftgut ihr eigen nennen, sind dies in Tailfin­ reich sieht der Ortsgeistliche die besondere Rolle gen - man lese und staune - ganze 38 Prozent! des Pietismus, der in Tailfingen zu jener Zeit of- fen sichtlich weitaus mehr Anhänger hatte als in Diese Beobachtungen geben Anlass zu verschie­ jeder anderen 'Gemeinde des ganzen Oberamts. denen Fragen. Erstens: Der Tailfinger Pfarrer ver­ Der Pfarrer zählt sechs "Gemeinschaften" auf, re- wendet im Hinblick auf die Pietisten die Formu­ det aber von "sechs bis sieben", womit er wohl lierung "das Salz der Gemeinde". Darf man dar­ ausdrücken will, dass er nicht ganz sicher ist, ob aus schließen, dass die Pietisten durch ihr unent­ meinschaftlichkeit und Art. Ehezwiste gibt es lei­ er nicht vielleicht eine'vergessen hat. Zählt man wegtes Wirken auf den - doch beachtlich großen der ziemlich viele, oft von Mein und Dein hervor­ die - teilweise nicht ganz präzisen _ Zahlenanga- - Rest der Gemeinde ausgestrahlt haben? Und gerufen, und wohl auch zum Teil daher rührend, ben zusammen, kommt man auf runde 150 Per- zweitens: Daf man aus dem außerordentlich dass es hier häufig vorkommt, dass das getraute sorien. Das ist im Vergleich zu Ebingen _ mit sei- großen Gewicht der Tailfinger Pietisten schließen, Ehepaar noch I/.!, 1/2 Jahr und noch länger nicht nen damals zirka 5000 Einwohnern>- in der Tat dass sich der Pietismus positiv auf die industrielle zusammenzieht und eine eigene, gemeinsame ganz erklecklich, denn in Ebingen kommt man Entwicklung der Schmiecha-Gemeinde ausge­ Haushaltung anfängt, sondern jeder von den bei ­ laut Visitationsbericht von 1859 auf nicht mehr wirkt hat? den noch daheim bei den Seinigen bleibt; so ge­ als etwa 40 Stundenleute. Ich selbst neige hier eher zur Zurückhaltung: wöhnen sie sich nicht gleich und recht aneinan­ Betrachten wir in diesem Zusammenhang ein - Ohne weitere Untersuchungen angestellt zu ha­ der, und es ist alsdann kein Wunder, wenn de r hier ebenfalls nicht wiedergegebene - Randbe- ben, wollte ich diese Frage weder mit "ja" noch Mann später, wenn sie endlich beieinander woh ­ merkung des Dekans: "Die verschiedenen Ge- mit "nein" beantworten. Es.ist nämlich zu beden­ nen, die Faust oder das Seil glaubt anwenden zu meinschaften halten noch brüderlich zusarn- ken , dass ein stark entwickelter Pietismus in einer müssen. men " (Unterstreichung von mir). Es ist offenbar Gemeindenoch lange keine hinreichende Vor­ Liebe zu den Kindern (" zu dem Kind") herrsch t anderwärts die Regel, dass sich die Gemeinschaf- aussetzung für eine expandierende Industrie ist -. im Durchschnitt in der hiesigen Gem eind e, aber ten untereinander spinnefeind sind, was ihrem Es lassen sich aus Württemberg mit Leichtigkeit dieselbe ist leider meist bloß eine sinnlich-natür­ Ansehen bei dem Rest der Gemeinde nicht eben genug Beispiele von stark pietistischen Gemein­ liche, mit sittlicher Laxheit verbundene,'die zwar förderlich gewesen sein dürfte. Ebingen mag · den anführen, an denen die Industrialisierung das Kind öfter auch schon recht au szunutzen hierfür als Beispiel dienen. spurlos vorüber gegangen ist. sucht, Dritt en (besonders den Lehrern gegen ­ Der Tailfinger Pfarrer stellt den Pietisten in sei­ über) aber dem armen Kind den Kopf hebt, wo­ ner Geme inde ein recht gutes Zeugnis aus: Er bei die elterliche Liebe oft recht un weise und nennt sie, "das Salz der Gemeinde". Der Dekan recht grob und roh durch Räsonnieren und sieht sie allerdings in einer hier nicht wiedergege­ Der Text Schimpfen sich zu helfen sucht, da zu no ch ver ­ benen Randbemerkung wesentlich negativer: Er anlasst und aufgeregt durch die Hetzereien an­ meint, mit ihrem Übereifer machten sie ihrem 1. Statistisches derer, die sich unnötiger und unberufener Weise Pfarrer das Leben schwer. (Ein Urteil, das von ei­ Zahl der ortsangehörigen Bevölkerung der Ge­ dareinmisch en. Der ledigen Jugend gegen üb er nem Kenner der Materie 130 Jahre später bestä• meinde am 3. Dez. 1870 lässt man auch von Seiten der Eltern meist blo ß tigt wird: "Da hat sich nichts verändert!"). a. Evangelisch 2324 b. Katholisch 13 die sinnliche , schwache und laxe "Liebe" walten, Trotz dieses guten Zeugnisses über die Pietisten c. Dissent. 20 d. Israelit. - wenn der Sohn oder die Tocht er nun Geld verdi­ scheint Pfarrer Kiesel' ihnen ansonsten nicht son­ Gesamtsumme: 2357 ent oder von dem Arbe itsverdie nst den Eltern ein derlich gewogen zu sein - sonst hätte er es unter­ 2. Schilderung der Gemeinde ordentliches Kopfgeld bezahlt, was leider beson­ lassen, bei einigen der prominenten Stunden­ Immer mehr bestätigt es sich dem Referenten, ders bei manchen der in den Korsettfabriken ar­ leute ihre wenig respektierlichen Übernahmen zu dass rauh, wie die Scholle und wie die Luft hier beitenden ledigen Söhne der Fall ist. erwähnen: "Bu" und "Büble". oben, auch der Anwohner ist, und eckig und un­ Der gegen früher viel größere und leichtere Ar­ Wie dem auch sei: Aus dem Bericht geht also poliert, wie die vielen auf den Feldern auch das beitsverdienst, besonders in den Fabriken , eindeutig hervor, dass der Pietismus in Tailfingen Volk; dass aber auch eine gewisse zähe Festigkeit verschafft der hiesigen ledigen Jugend viel zu eine beträchtlich größere Rolle gespielt hat als in in dieser rauhen und rohen Naturwüchsigkeit ist bald eine gewisse Selbstständigkeit und Emanzi­ irgendeinem anderen Ort des Bezirks. Diese Fest­ und dass auch zwischen den scharfkantigen, har­ pierung und mach die ledige Jugend zucht- und stellung bestätigt sich, wenn man die Inventuren ten und eckigen Steinen in der scharfen Luft der meisterlos, schwer zu behandeln und genuss­ gute Same hervorwächst, der in die rauhen Schol­ süchtig, denn leider hilft bei manchen alles len mühevoll und in saurer Arbeit ausgestreut nichts, sie mögen nicht an die Zukunft denken worden. So sind die Leute hier im Durchschnitt und, in ein e Sparkasse einlegend, au ch für die­ noch kirchlich, manche freilich mehr oder nur selbe zu sorgen und suchen, so dass ein Vernünf­ aus Gewohnheit und ex opere operando et oper­ tiger mit dem Volke (mit Alt und Jung) es ein Betrifft: Schriftsteller Hugo Bertsch ato . wahrhaft wohlmeinender Men sch nur mit Sorge Buch stäblich unter den Tisch gefallen ist der An­ Sonntagvormittags nimmt, besonders was die und Angst an Zeiten der Geschäftestockung und hang "Werke" und "Literatur" zum Beitrag von Männer betrifft, der Kirchenbesuch ab. Auch die des Misswachsens denken kann. Dr. : Peter-Thaddäus Lang: "Der Schriftsteller monatlichen Bußtage werden gering gefeiert. Die (Fortsetzung/Schluss folgt) Hugo Bertsch aus Margrethausen". Hier ist nun Fest- und Sonntage dagegen werden noch von dieser Anhang: den meisten für' heilig gehalten, die Feiertage be­ deutend weniger. Ein Erwachsener, der am Fest­ Werke von Hugo Bertsch: und Sonntag nicht in die Kirche geht, wenn er - Die Geschwister, 1903 - Bob, der Sonderling, 1904 sonst kann, so er wirklich will, gilt hier immer - Bilde rbogen aus meinem Leben, 1906 noch für keinen rechten Christen und für keinen - Der Tramp, 1923 ordentlichen Menschen, was freilich den Wirts­ Literatur hausbesuch abends bei manchen, besonders bei Verfasser der Beiträge - Manfred Brauneck (Hrsg.), Weltliteratur im 20. Jah rhu nd ert, den Jüngeren, nicht ausschließt. ,Doch gibt es 5 Bde., Ham bu rg 1981 auch noch manchen Bürger hier, der das Wirts­ in dieser Ausgabe: - A. Busse, Hugo Bertsch , ein am erikanischer Erzähler. In: Mo­ Dr. Peter-Thaddäus Lang, Johannesstraße 5, natshefte für de utschen Unt erricht , 22. Janu ar 1930, S. 2 - 9. hausgehen nicht 'nur für kost spielig und für - Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, 5 Bde., 1989. Luxus, sondern auch für unsolid und für un­ 72458 Albstadt - Erwin Gatz (Hrsg.), Die Bisch öfe des Heiligen Röm ischen christlich hält. Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisch es Lexikon , Berlin 1996 (Stichwort Balth asar Wurer). Das geistliche Amt steht noch in einer gewissen - Wilhelm Kosch, Deut sch es Literatur-Lexikon - das 20. Achtung, und Haus-, namentlich aber Kranken­ Herausgegeben von der Jahrhunde rt (Stichwort Hugo Berts ch) , Heimatkundlichen Vereinigung Balingen. - Henning Rischbieter, Gorki, Hannover 1973. besuche werden durchschnittlich gar gerne gese­ - Hedwig Röckelein / Casimir Bumiller, ...ein unruhig Poet hen. Der Geistliche soll es aber sozusagen von Vorsitzender: Nikodemus Frischlin 1547 - 1590. Ausstellungskatalog selbe r wissen, wer und wo einer krank ist. Man­ Christoph Roller, 72336 Balingen,Am Heuberg 14, Balingen 1990. Tel efon 77 82. - Anselrn Salzer /Edua rd v. Funk (Hrsgg.), lIlustriert e che sind mitleidslos und gedankenlos hart gegen Literaturgeschichte in 6 Bänden. den Pfarrer, als hätte derselbe nicht auch eine Geschäftsführung: - Jordan Sauter, Ein Weltenwanderer aus Margretha use n menschliche, der Erholung bedürftige Natur. Ruth Hübner, Im Kirsch enwinkel 2, ' 72359 Dot­ - de r Arbeiterdichter Hugo Bertsch. In: Festschrift 700 Jahr e , Die Familienglieder hängen aneinander, wenn ternhausen, Tel efon (07427) 9 1094. Margrethausen, 1975. Redaktion: - Katja Patricia Schick, Auf den Spuren von Hugo Bertsch. sie auch meist in nichts weniger, als feiner Form Artikel-Serie im .Schwarw älder Boten ", 12. / 13.8.2000, miteinander verkehren. Morgen- und Abend-An­ Christoph F. Riedl , 72336 Balingen, Gerh .-Haupt­ 16.8.2000,19,/2 0.2000,21. 8.2000,23.8.2000,24. 8. 2000, mann-Ring 14,Telefon 78 16. 6.9.2000,9.10.2000,2. 1. 2000. dachten nebst Tischgebet und Lesen einer Pre­ Die Heimatkundlich en Blätter erscheinen jeweils -Günther und 1rmgard Schwei kle (Hrsgg.), digt am Sonntag ist wohl in den meisten Häusern am Monatsende als stä ndige Beilage des "Zollern­ Metzle r Literaturlexikon, Stuttgart 1984. noch üblich, nur nicht immer in der rechten Ge- Alb-Kuriers". Jahrgang 49 30. Juni 2002 Nr.6 "Eckig und unpoliert" Der Visitationsbericht des Tailfinger Pfarrers Adolf Kieser aus dem Jahre 1871 - von Dr. Peter Thaddäus Lang/2. Folge Gesinde gibt es hier eigentlich keines, da fast nach und nach auch immer mehr an Luxusar­ Kirche abgeneigte Männer, so dass bei ihnen die niemand einen Knecht oder eine Magd braucht tiges in Kleidung und (die männliche Jugend) an "Stunden" und "Stundenleute" wohl nicht vom und nimmt. Dagegen sind immer hiesige, beson- Biertrinken und Wurst und Käse etc. Essen. Doch rechten Gleise abirren werden. Für Oetinger und ders Mädchen auswärts, namentlich im nahen ist kein einziges besser eingerichtetes und auch Oetingersche Predigten, wie auch für Phi!. Matth. Ebingen in Dienst. Doch ziehen es in der neueren die Bedürfnisse eines gebildeteren Menschen be­ Hahn hat ein Teil de" hiesigen Gemeinschafts­ Zeit bei weitem die meisten hiesigen Mädchen friedigendes Wirtshaus im hiesigen Orte. leute und der Sprecher eine Vorliebe. vor, daheim zu bleiben und mit Hosen und Nä- Jeder hiesige Bürger hat oder bekommt Allman­ Die Kinderstunden wie auch noch in der vor hen einen regelmäßigen und leichten Arbeitsver- . dengenuss (in 13 ungleichen Einzelstücken etwa zwei Jahren ausführlich geschilderten Weise im dienst zu finden, wobei sie keinen Finger unrein zwei Morgen Feld) und eine Holzgabe (derzeit Hause des Bauern und Kirchenältesten Johann zu machen brauchen, in der warmen Stube blei- nur noch je V2 Klafter Buchenholz). Solches tut Jacob Bitzer ("Mühlebüble") an den Sonn- und ben zu dürfen, ihren Lieblingsgedanken nach- gut, hat aber auch die nachteilige Folge, dass die Festtagen nachmittags an der Kinderlehre von hängen und ungestörter ihre eigenen Wege ge- jüngeren Leute es mit dem Heiraten oft allzu dem verheirateten Weber Johannes Gonser. hen können, freilich auch eigentlich nichts ler- leicht nehmen, und allzu sehr eilen, was dann bei Der hiesige "Jünglingsverein", der mit den an­ nen, als Geld verdienen und wieder verbrauchen. der in nicht geringem Grade vorhandenen rohen deren unseres Lands in Verbindung stand und je­ Wenn sie noch von daheim fortgehen, so gehen Sinnlichkeit wieder zur Folge hat, dass die beiden den Sommer ein Jahresfest feierte, hat leider sie in neuester Zeit lieber in eine Fabrik als in ei- Geschlechter zu bald aneinander denken und nach Weihnachten 1870 aufgehört. Vielleicht ge­ nen wirklichen "Dienst", früher nach Plochingen, sich aufsuchen und zwar so, dass die meisten lingt es, wenn die im Felde stehenden Älteren jetzt nach Sontheim bei Heilbronn. Brautpaar leider defloriert und geschwächt vor wieder hierher zurückgekehrt sind, denselben Die Gemeindeglieder hier dauzen alle einander den Traualtar treten. wieder ins Leben zu rufen und in Gang zu brin­ (mit nur ganz wenigen Ausnahmen), vom klein- Als dem Geistlichen nicht sonderlich ange­ ten. Die jungen und jüngsten Mitglieder wollten sten Kind, das reden kann, bis zum ältesten nehme Eigentümlichkeiten, respektive Eigenhei­ nicht mehr Ordre parieren, was zum Teil auch Manne hinauf, was gewiss zum Teil auch schon ten der hiesigen Gemeinde, kann zweierlei ange­ von den hiesigen leidigen Korsettfabriken her­ etwas Rohes und Rücksichtslos- und Pietätsloses führt werden: einmal das, dass die Leute sich ge­ rührt und mit denselben zusammenhängt. und Gemein-Zudringliches im gegenseitigen Ver- wöhnlich erst spät anschicken, ihre Häuser zu Von den Sammlungen für die Basler Mission kehre hervorruft und unterhält. Neben viel verlassen und in die Kirche zu gehen, woher es und für St. Chrischona, wie auch von dem Winter Dienstfertigkeit in ihrer - freilich meist rauhen - kommt, dass es gar lange ansteht, bis endlich der Missionsstrickverein war schon oben § 2 die Weise sind die Tailfinger oft aber auch recht hart Gottesdienst eigentlich beginnen kann dann und Rede. Zu der Sekte der Hoffmannianer (des und lieblos und prozessierlich gegeneinander, beginnt, und dann der auffallende Mangel an "deutschen Tempels") gehören hier nur zwei Fa­ worauf die "Gerichtstage" auf hiesigem Rathause Stille und Ruhe während der Predigt, (...) wobei milien mit zusammen 17 Personen, nämlich der und die Verhandlungen vor (dem) Oberamtsge- Sitte der Gemeinde ist fast fortwährendes, unnö• Bauer und der Gemeinderat Andreas Bitzer, vulgo richt häufig leider nur zu klare Belege liefern. tig lautes und unmanierliches Schneuzen, Husten "Büble", ohne den kein "deutscher Tempel" hier An allgemeinen christlichen Interessen, na- etc. aufgerichtet worden wäre, und dessen verwitwete mentlich an der Missionssache (weniger leider an Mutter, und den Strumpfweber und Krämer Io­ der Gustav Adolfs Vereins- und an der Bibel­ 3. Besondere Erscheinungen auf religiösem hannes Maute, vulgo "der Bu", Außerdem hat Sache) beteiligen sich manche, besonders die Gebiete noch der Strumpfweber Gottlieb Ammann für Studentenleute. So zählt der Basler V2 Batzen Die "Gemeinschaften" und ihre "Stunden" und sich und seine zwei Kinder den Austritt aus un­ Missionsverein hier derzeit 140 regelmäßige Bei­ "Sprecher" sind noch dieselben wie vor zwei Jah­ serer Landeskirche und Übertritt zum "deutschen tragende, und es bringen die derzeitigen zehn ren. Solche Gemeinschaftspredigten werden hier Tempel" erklärt (seine Ehefrau gehört noch un­ Sammler und Sammlerinnen alle zehn Wochen in der gewöhnlichen alt-württembergischen Wei­ serer Landeskirche an). Einige wenige andere nei­ 24 - 25 Gulden für diesen Zweck zusammen. se gehalten gen und halten sich auch zum "deutschen Tem­ Dazu kommt noch eine regelmäßige Sammlung bei Iohann Georg Conzelmann, Bauer und pel", ohne dass sie aber bis jetzt ihren Austritt bei zum Besten der Pilger Missionsanstalt auf St. Kirchenältester, an Fest- und Sonntagen nach­ uns erklärt hätten. Diese Sekte hat - allem nach ­ Chrischona mit etwa 30 regelmäßig Beitragen­ mittags nach der Kinderlehr mit 20 - 30 Männern hier keine große Zukunft. den. Auch besteht für die Basler Mission ein bei Stephan Maute, Strumpfweber und Von eigentlichen Spöttern und Religionsveräch• Strickverein, dessen 15 - 18 (weibliche) Mitglieder Bauer und Kirchenältester (früher Hoffmannia­ tern ist dem Referenten hier nichts bekannt. Winters allwöchentlich am Montagnachmittag ner) zu derselben Zeit mit öfters 60 - 70 Weibern und -abend im Pfarrhaus sich versammeln und und älteren (ledigen) Mädchen 4. Verhältnis zu anderen Konfessionen dabei manches christlich Gute zu hören bekom­ bei Johann Georg Maier, Strumpfweber und Es haben keine Eingriffe in die Rechte der evan­ men. Bauer, zu derselben Zeit mit gegen 30 Männern gelischen Kirche stattgefunden. Die Kinder der Mit Fleiß und Sparsamkeit auf den Erwerb des und Weibern bis jetzt (Ende Dezember 1870 gerechnet) einzi­ Zeitlichen aus zu sein, nötigt die meisten schon bei dem vorhin genannten Stephan Maute gen hier befindlichen gemischten Ehe (Iohannes ihre Vermögenslosigkeit und die nicht große Er­ kommen an Fest- und Sonntagen nach dem Maute, Strumpfweber auf dem Bol) wie auch die giebigkeit des Bodens. Im Durchschnitt lassen es Nachtessen gegen 15 ledige Mädchen noch zu ei­ eine, im Armenhaus wohnende ledige Weibsper­ sich die Leute im Feldbau und in ihren Gewerben ner Stunde zusammen unter der Leitung der son­ son katholischer Konfession (Helene Bub) wer­ (besonders Strumpf-, Manchester- und in stigen Sprecher den sämtlich evangelisch erzogen; ebenso die neuerer Zeit ganz insbesondere Korsett-Weben) bei der schon über sechs Jahre bettlägerigen Kinder eines hier bürgerlichen, in Zürich woh­ ziemlich sauer werden. Auch geht im Herbst und Ehefrau des Strumpfwebers Konrad Gonser ver­ nenden Schreiners, der eine katholische Würt• Winter alljährlich ein Teil der Hiesigen auf den sammeln sich Samstagnachts 10 - 12 Männer tembergerin zur Frau hat (Iohann Georg Conzel­ Hausierhandel (meist nach Oberschwaben und und Weiber, welche durch gemeinschaftliches mann). Dagegen sind die Kinder eines von hier in den Schwarzwald). In Nahrung, Haus, Einrich­ Lesen und Betrachten der Perikopen oder auch gebürtigen, hier auch noch bürgerlichen, aber tung und auch in Kleidung herrscht, besonders durch Lesen einer Predigt darüber auf den Sonn­ auf einer Mühle bei Ringingen im Killertale woh­ bei den Älteren, im Ganzen noch große Einfach­ tag sich geistlich bereiten und rüsten. nenden Evangelischen (Balthas Schaudt), dessen heit; die Jüngeren sind und werden freilich weni­ Die sechs bis sieben Sprecher sind zum Teil Weib eines Katholikin aus dem Hohenzoller­ ger einfach, - genusssüchtig und gewöhnen sich zwar etwas eigene aber doch keine bösartige der ischen ist, sämtlich katholisch; desgleichen die Seite 1318 He imatkundliehe Blätter Juni 2002 eines hier bürgerlichen, von Winterlingen gebür• und Gesetzgebungs-Standes, was wohl den 11. Kom m union tigen, evangelischen Uhrmachers (Mathias Bizer), Schulthe iß Maute hauptsächlich bewogen ) hat, der in Villingen wohnt, aus welcher Stadt auch seit er diese Neue inge tretenen zu Kollegen erhal­ Kalenderjahr Kalenderjahr seine katholische Ehefrau ist. Ein hier bürgerli• ten, meist von den Pfarrgemeinderatssitzungen 1869 /70 1870 /71 cher und nach dem Tod seiner ersten Ehefrau einfach wegzubleiben. Allerdings ist er überhaupt 1 Neujahr 118 1 Neujahr 63 von Ravensburg hierher übersiedelter Fabrikar­ kein sonderlicher Freund der Pietisten, zu denen 2 Palmsonntag 87 2 Palmsonntag 92 beiter (Johann Georg Conzelmann), der - 18. 4. die mehrfach bezeichneten sämtlich gehören. Im 3 Karfreitag 93 3 Karfreitag 121 1870 - hier zum zweiten Mal mit einer evange­ Besuchen der Kranken und Gebrechlichen etc. lischen Tailfingerin in die Ehe trat, hat eine Toch­ der Gemeinde leisten einige Kirchenältesten (un­ 4 Osterfest 72 4 Osterfest · 47 ter erster Ehe bei katholischen Verwandten seiner ter die aber Schultheiß Maute nicht gehört, da 5 Cantate 190 5 Miser. Dom. 277 ersten Ehefrau in Friedrichshafen zurückgelas• ihn die Kranken so dauern, wie er sagt) wirklich 6 Pfingsfest 230 6 Trinitatisfest 182 sen, dieses Mädchen wird dort katholisch erzo­ nicht wenig. 7 16. Trinit. So. 54 7 20. Trinit. So. 43 gen, während seine beiden, mit ihm hierher Bei der letzten Ergänzungswahl im Spätjahr 8 1. Advent 97 8 1. Advent 118 übersiedelten Söhne der evangelischen Konfes­ 1869 machten von 356 Stim mberechtigten 150, sion folgen . also 42%, von ihrem Wahlrechte Gebrauch. 9 2. Advent 56 9 2. Advent 37 Konfessionswechsel hat keiner stattgefunden. 10 Christfest 42 10 Chris tfest 32 Auch besuchen keine evangelischen Kinder 7. Fromme Stiftungen Privatkomm. 23 Privatkomm. 21 katholische Schulen. (...) 1062 1033 5. Ortsvorsteher und bürgerliche Kollegien 8. Personalien des Pfarrers 12. Liturgisches Der derzeitige Ortsvorsteher Johannes Maute, der auch Mitglied des Pfarrgemeinderats ist und in Adolf Kieser, geb. zu Stuttgart den 27. April 1820, Die Kom munikanten gruppieren sich zum Emp­ seinem 66. Lebensjahr steht, ein verständiger, überhaupt definitiv angestellt seit Mai/Juli 1855, fang des Brotes und des Weines (beim Abend­ ziemlich routinierter, aber auch ziemlich schwa­ also 16 Jah re, hierher befördert von Rein erzau. mahl) zu dreien. Die alte Ortssitte, dass auch die cher Mann, hat als Schultheiß resigniert, und ist Dekanat und Ort Freuden stadt, den 4. November . Väter der Täufli nge m it den Paten während des den 4. April 1871 bei der unter Vorsitz und Lei­ 1862, hier aufgezogen den 16. Dezember 1862, ist Tauf-Aktes vors tehen, wie auc h die nä~eren und tung des Herrn OberamtnTanns Ehrmann vorge­ verheiratet, hat ein Kind (ein Mäd ch en von 91/ 2 nächsten weiblichen Anverwandten mit den Pa ­ nommenen Schultheißenwahl (bei 402 Abstim­ Jahren - zwei Kinder starben ihm in Reinerzau tinnen, kommt immer meh r ab, wodurch das menden und 425 Wahlberechtigten) der bisherige und eines hier - ): liest Schriften seine s Faches, dem Waisenhause gehörige Tau fop fe ~ sich gegen Schütze Martin Schmid, Strumpfweber, 42 1/ 2 soweit ihm sein hiesiges, geschäftsvolles Amt Zeit frü~ e r sich .ziemlich namhaft vernngert. I?as .. . .. d'. . di d Schießen bei Taufen, besonders wenn Ledige, Jahre alt , ein verständiger, solider, auch von sitt­ dazu ubng lasst, me inert seme Pre igten un tli h I di Mädchen zu Gevatter stehen lich -religiösen Motiven wenigstens bis daher sich häl . d h D' iti . frei namen lC e 1ge , a t SIe ann nac lSPOSl ion en m ganz relern konnte bis jetzt leider nicht abgetan werden. Was leiten lassender Mann, mit 315 Stimmen zum Schultheißen gewählt worden, obwohl derselbe Vortrage. aber um so mehr zu wünschen wäre, da meist durchaus keines der sonst wohl leider üblichen 9. Mesner, Organist oder immer nachher ein Zumbestengeben von Agitationsmittel angewendet hat; derselbe ist Mesner und Organist sind: 'der 1. und der 2. Bier etc. damit verbunden ist. Ohne Zuziehung auch von der königlichen Regierung als Schult­ Schulmeister hier, nämlich Johann Christian Axa- des Geistlichen findet kaum einmal die Beerdi­ heiß bestätigt, aber - merkwürdigerweise - vom mitt, alt 46 Jahre, Philip p Friedrich Künzel, alt gung eines totgeborenen unreifen Kindes statt. königlichen Oberamt immer noch nicht (wenig­ 44V2 Jahre. Am Organistendienst (an den Sonn-, 13 K hi . d Tei ) b T . h b h . atec tsanon - stens bis zum 15. Mai 1871 immer noch nicht) Fest- ut.t Feiertagen eteingt Sl.C a wec s- Zu den Katechisationen wird die "Kinderlehr" verpflichtet und in sein Amt eingesetzt worden, lu~gs,,:,else auch der 3. Schulmeister: J o h ~ n ~ gebraucht und dieselbe in 1 bis 11/ 2 Jahren absol­ so dass er immer noch als "Schütze" im Flecken Fnednch Sch., alt 37 Jahre, und der Lehrgehilfe: viert. An Festtagen nimmt Referent in der Regel herum ausschellt und eine Art schädlichen Inter­ Johann Friedrich Enssle, alt 23 Jahre. ein passendes Lied, dass die betreffende Jugend regnums derzeit hier besteht. Wenn Schmid auf Amtsführung und Wandel ist bei den vier ent- und die Gemeinde auch mit unserem Gesang­ die Dauer auch die nötige Energie in seinem ­ sprechend und respektive Kunzel ist als Mesner buch und seinen Liedern bekannter werde. Die hier besonders nicht leichten - Amte hat und pünktlicher als Axamitt. Sch . hat. als Organist viel pflichtigen ledigen Leute erscheinen ordnungs­ zeigt, so ist der hiesigen Gemeinde zu diesem Kenntnis und gr?ße Ge,:"andthelt, aber nac~ ~es mäßig bei den Katechisationen, werden jedes Ortsvorstehertausch aufrichtig Glück zu wün• Referenten Ansteht bei aller Gewandtheit un Mal öffentlich durch den betreffenden Lehrer vor schen. Technischen und bei aller Einsicht und Festigkeit der Gemeinde abgelesen (nach dem Eingangsge­ Polizeidiener ist seit Georgii (23. April) 1869 auch in der Theorie keinen rechten kirchlichen Ge- bete) und die unerlaubt Fehlenden werden kon­ ein anderer geworden, der mehr Energie haben schmack im Praktischen: er ?efriedigt eine ch~ist- sequent kirchenkonventIich bestraft. Die beiden und zeigen kann, als der frühere, und dieselbe liehe Gemeinde als solche mch t. Der Mesnereige- Geschlechter alternieren regelmäßig so, dass am anfangs auch zu zeigen suchte, aber damit - sei­ hilfe, der auch Pfarrgemeinde~~ts-, Ki~chenko~- ersten Sonntage sämtliche ledige Söhne, am an­ nem Sagen nach - bei Schultheiß Maute nicht vents- und auch Ortsschulbehörden-Diener, "",:e dern sämtliche ledige Töchter vorstehen. Auch sonderlich gut angekommen noch angenehm ge­ auch Orgeltreter ist, heißt Iohann Jakob Merz, 1St die Nichtvorstehenden haben dem Gottesdienste worden sei, da Letzterer an den gewöhnlich lau­ Strumpfweber, 60 Jahre alt und ein ordentlicher, anzuwohnen. Dieselben werden aber nicht abge­ fenden Geschäften seines Amts genug gehabt unbescholtener, etwas rauher, aber ehrlicher und lesen. Und ungeschickt ist es, dass die ledigen und nicht auch noch besondere - Untersuchun­ pünktlicher Mann. Söhne ihre Stände hinten auf der nördlichen Em- gen und Bestrafungen nötig machende - Anzei­ 10. Gottesdienste pore haben, was sich bei dem Raummangel in gen des Polizeidieners gewünscht habe. Hier erlaubt sich der Referent mitzuteilen, dass der hiesigen Kirche und bei deren Stände- und Schultheiß Maute (und Schultheiß Schmid) wie er sowohl 1869/70 als auch 1870/71 vom Konfir- Sitze-Einteilung leider wohl nicht anders machen au ch die Mitglieder der bürgerlichen Kollegien mationssonntag an bis gegen den Wiederbeginn lässt. besuchen die fest - und sonntäglichen Morgen­ des Konfirmandenunterrichts an den Sonntaga­ gottesdienste meist regelmäßig (natürlich mit benden eine Bibelstunde in dem Axamittschen 14. Konfirmation Ausnahme des Hoffmannianers Andreas Bitzer, Schullokale gehalten hat in der Weise, dass ge­ Als Lehrbuch wurde das "Konfirmationsbüch• "Büble" genannt) zur Königs- und Königin-Ge• sungen (frei), gebetet, die Abendlektion verlesen lein" gebraucht in Verbindung mit Bibel, Spruch­ burtstagspredigt gehen sie aber meist so wenig und ausgelegt und dann irgend etwas christlich­ buch, Kinderlehr, Katechismus und Gesangbuch her, als zum monatlichen Bußtagsgottesdienst lehrreiches und erbauliches erzählt oder vorgele­ . und, zum Teil, auch mit dem Lesebuch. (Für und zu den Schulvisitationen. Sonst konnte und sen wurde (im Sommer und Herbst 1870 na­ Konfirmiert werden" hört man hier häufig den kann man mit Schultheiß Maute und den bürger• mentlich auch Berichte und Schilderungen vom Äusdruck "das Büchle Beten"). lichen Kollegien schon auskommen und im Gan­ Kriegsschauplatz. Hierauf wurde wieder gesun ­ 15. Kirchengesang zen zufrieden sein. Nur zu viel, besonders aus gen und (frei) gebetet und mit dem Singen von Sein Stand ist im Ganzen ein befriedigender. Was ihrer Kasse, darf man nicht wollen. Die Lichtkärze der Gnade unseres Herrn etc. gesc hlossen. Den das Tempo betrifft, so wird eher zu langsam als werden -kirchenkonventlich behandelt, was bei Gesang leitete zuerst eine Zeit lang Lehrgehilfe zu schne ll gesungen. An den Festtagen, beson­ einer nicht energischen Polizei aber natürlich Maier, und dann rege lmäßig Schulmeister Axa­ ders am Adventsfeste, Christfeste, Karfreitag, Os­ nicht viel Wert hat. mitt. Diese Stunden waren meist rec ht besucht, terfeste werden meist Figuralgesänge von den auch von Männern und Jünglingen (besonders (vier) Lehrern und den Schülern der Oberklasse 6. Pfarrgemeinderat im Sommer und Herbst 1870), doch schlug das (Knabe n und Mädchen) vorgetragen und zwar Die derzeitigen Kirchenältesten sind nicht ohne weibliche Geschlecht immer vor. nicht übel und zur Befriedigung der Gemeinde. Sinn und Interesse für die Zwecke des Instituts Referent nimmt auch regelmäßig Teil an einem Bei Hochzeiten wird hie und da zwischen Predigt und Kollegiums, dessen Organe und Mitglieder alle drei bis vier Wochen stattfindenden Bibel ­ und Kopulation von dem aus etwa 24 Mitgliedern sie sind, können aber im Ganzen, wie wohl fast kränzchen, dem auch die Frauen anwohnen und bestehenden hiesigen Liederkranze, der in neue­ überall, doch nur wenig (greifbares) erzielen. Die das in den Häusern der betreffenden Kollegen (in ster Zeit sich auch eine ziemlich bunte Fahne an­ bei der letzten Ergänzungswahl Neueingetrete­ Truchtelfingen, Pfeffingen, Ebingen, Meßstetten geschafft hat, etwas vierstimmig gesungen, meist nen poltern noch manchmal zu viel mit ziemli­ und hier) abwechslungsweise nachmittags gehal­ nach der Melodie "Schon die Abendglocken klan- cher Verkennung unserer Zeit und ihrer Gesetze ten wird. luni 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1319 gen etc." Referent konnte dieser Art Gesang noch (besonders wegen einer ziemlich nahe befindli­ keinen Geschmack abgewinnen und würde lieber chen Dungstätte) öfters nicht als der Würdigste einen unseren Choräle hören. sich präsentiert. Aber für derartige Mängel haben 16. Kirchenbücher die Hiesigen eben keine Augen und keinen Sinn, (...) und fühlen deshalb auch kein Bedürfnis ihrer Ab­ 17.Kirchengebäude stellung, besonders, wenn letztere auch noch An­ Die Kirche, die keinen Chor und das Besondere sprüche an die Kasse macht. hat, dass der in seinen Mauern dicke und starke, 18. Rezesse aber mit gar keiner schönen Bedachung, dagegen (...) mit schönem Geläute versehene Kirchturm von der Kirche beiseit steht, so dass zwischen der 19. Organismus der Schule und Personalien der Kirche und dem Turm ein das ganze Jahr hin- Lehrer (auch Mesner und Organisten und Kan­ durch zugiger Engpass sich befindet, ist für die Tailfingen 1880 toren. hiesige alljährlich an Seelenzahl zunehmende Ge- 1. Schulmeister, zugleich Aufsichtslehrer: Axa­ meinde entschieden zu klein und daher der Die silberne Hostienkapsel und der vergoldete mitt, Iohann Christian, geb. 13. Aug. 1825jn Wild­ Raum in den Sitzbänken, besonders der ledigen kupferne Kirchenkommunionkelch wurden im berg, Bürger hier, verheiratet mit einer Bauern­ männlichen Jugend sehr enge und beschränkt, Herbste 1870 in Gmünd wieder einer nötigen Rei­ tochter, Vater von neun Kindern, ein Sohn und woher wohl auch zum Teil die auffallend große nigung durch Weißsieden und einer Polierung acht Töchter, wovon jetzt drei konfirmiert (der Unruhe und der Mangel an Stille herrührt. unterworfen und zweckmäßige Etuis (in Holz Sohn und zwei Töchter) sind, seit 28 Jahren hier, Die Werktagsschülerinnen und ein großer Teil und Leder) für diese vasa sacra angefertigt. Auch Lehrer der ersten Schulklasse (Oberklasse), mit der konfirmierten weiblichen Jugend ist parterre wurde statt des alten durch vielfältigen Gebrauch 24 wöchentlichen Unterrichtsstunden im Som­ unter die Orgelbühne hinuntergeschoben, was Krankenkommunionkelches nebst desgleichen mer und mit 26 im Winter. deren Beaufsichtigung sehr erschwert und dage- Patene ein neuer von 13lötigem Silber, innen ver­ Bei seinen zg (ziemlichen) - g(uten) (fast guten) gen ihnen das Schwatzen und Nichtaufmerken in goldet, nebst silbernem, innen auch vergoldetem Gaben und Kenntnissen ist sein Fleiß gut und lo­ hohem Grad ermöglicht und erleichert. Hostienbehälter und silberner, ganz vergoldeter benswert; auch Ehe und Wandel ist gut. Er wurde Es wäre deshalb wohl nicht unzweckmäßig, Patene von Erhard in Gmünd angeschafft (Preis im Mai 1866 wegen Pflege des Gesangs prämiiert. wenn endlich einmal ernstlich an die allmähliche mit Etui: 40 Gulden 42 Kreuzer), wozu auf wie­ Er ist Organist und Kantor in Gemeinschaft und Ansammlung eines Kirchenbaufonds hier gegan- derholte Bitte und Aufforderung von Seiten des Abwechslung mit den übrigen Lehrern an den gen würde. Zur Anbringung einer Dachrinne we- Referenten 16 Gulden 40 Kreuzer in freiwilligen Sonntagen (die Wochengottesdienste und die Ka­ nigstens an der südlichen Seite sollte es auch ' Beiträgen zusammenkam. Die vasa sacra ent­ sualien versieht er als Organist und Kantor al­ endlich einmal kommen. Auf Betreiben des Re- sprechen vor der Hand noch dem Bedürfnisse lein). Er ist auch in Gemeinschaft mit dem zwei­ ferenten wurde von Werksmeis.ter Heinz in Balin- und werden in gutem Zustand und reinlich ge­ ten Schulmeister (Künzel) einen Monat um den gen ein Kostenvoranschlag gefertigt, aber seine halten. Allerdings wird statt des kupfernen Kirch­ andern Lehrermesner vgl. § 9 oben. Als Organist Ausführung bis jetzt zu kostspielig befunden. enkommunionkelches, der schon alt ist und den und Kantor füllt er seinen Platz aus und leistet Die Orgel wurde besonders auch auf Betreiben Erhard und Söhne prädizieren als einen, der nur das Nötige. Er erteilt in beiden betreffenden des Schulmeisters Sch. vom Orgelbauer Gern von noch notdürftig habe wieder hergerichtet werden Schuljahren Schulaspirantenunterricht. allemal Lautlingen im Frühling gründlich durchgesehen können, in nicht zu ferner Zeit ein besserer neuer mit Erfolg. Er machte auch freiwillig den Kantor und repariert, wobei auch die Kopplungmecha- anzuschaffen sei. in der Bibelstunde, welche jeden Sonntagabend nik aus dem Innern des Werkes in den Spielkas- Der Kirchhof ist noch der alte, bergige, der nicht von dem Referenten in den letzten beiden Jahren ten nach vorne verlegt wurde. Auch ist mit Orgel- einmal mit einem rechten Weg versehen und allemal von dem Konfirmationssonntag an bis bauer Gern ein Akkord dahin abgeschlossen wor- statt mit einer soliden Mauer bloß mit einer öf• zum Wiederbeginn des Konfirmandenunterrichts den, dass er alljährlich gründlich nach dem Werk ters lückenhaften Hecke umgeben ist und dessen im Axamitt'schen Schullokale gehalten wurde. sieht und die Stimmung vornimmt. Zugang zwischen den nahestehenden Häusern Vgl. § 10 oben (am Schluss). (Schluss folgt)

Theodor Groz (1828 - 1892) - ein Ebinger Industrieplonier' von Dr. Peter Thaddäus Lang/Albstadt - 2. Folge (Schluss)

Von solcher Größenordnung ist Groz noch mei- städtischen Unterlagen erstmals als "Nadelfabri­ Umzug in die Pfarrgasse lenweit entfernt. kant" geführt:"; Das Groz'sche Unternehmen erreicht damit Wie dem auch sei: Das Jahr 1879 bringt eine eine neue Dimension: Das kleine Ladengeschäft grundlegende Veränderung organisatorischer Art am unteren Ende der Marktstraße wird 1875 auf- für die Firma mit sich". Theodor Groz nimmt Die Fabrik in der Bahnhofstraße gegeben, man zieht in ein geräumigeres Haus in seine beiden ältesten Söhne. Theodor, der jün• der Pfarrgasse'", ein weiterer Betrieb in Bitz ent- gere, übernimmt die kaufmännische Leitung; er Damit waren beide Betriebe - in Sitz wie auch steht. Die Produktionsstätte in der Pfarrgasse hat erschließt neue Märkte in Mittel- und Nord­ in Ebingen - zu klein geworden, und das Jahr bereits einen durchaus fabrikähnlichen Charak- deutschland. Die neuen Absatz-Chancen führen 1884 geht in die Firmengeschichte als das erste ter: im größten Raum des Erdgeschosses betreibt dazu, dass der Junior auf immer schnellere und große Ausbaujahr ein ". In Ebingen entsteht ein eine Gaskraftmaschine über eine Antriebswelle immer höhere Produktionssteigerungen drängt. für damalige Zeiten großzügiges Fabrikgebäude und Treibriemen eine Anzahl von Maschinen, als Aber noch hinkt die Produktion hinter dem Be­ in der Bahnhofstraße. An die Stelle des kleinen da sind zwei Pressen, eine Prägemaschine. eine darf hinterher - es fehlt an geschulten Arbeitern, Gasmotors, der in der Pfarrgasse erst kurz zuvor Schleifmaschine und eine Maschine zum Gerade- es fehlt an Maschinen, es fehlt an Kapital. den Handbetrieb abgelöst hatte, tritt nun eine biegen des Drahtes. In einem weiteren .Arbeitslo- Der Firmengründer sieht Handlungsbedarf bei Dampfkraftanlage mit sechs Pferdestärken. Zu­ kai" stehen fünf zusätzliche Maschinen, die of- der sehr umständlichen und zeitraubenden Her­ gleich errichtet man in Bitz ein stattliches Anwe­ fensichtlich nicht über die Gaskraftmaschine be- stellung der Spitzennadeln - er hat bestimmte sen. Beide Fabriken werden über eine Entfernung trieben werden. Ein dritter Raum beherbergt die Vorstellungen und gibt dazu seine Anregungen. von acht Kilometern mit einem Privattelefon ver­ Härteküche mit Härte-Esse und Feldschmiede'". Endlich, 1883, stellt sich der Erfolg ein: Ferdinand bunden. Die Zahl der Ebinger Mitarbeiter steigt auf 50, die Binder, einer seiner geschicktesten und einfalls­ Während Räumlichkeiten und Ausstattung in jährliche Zungennadel-Produktion erreicht 250000 reichsten Mitarbeiter, hat die bahnbrechende Lö• der Pfarrgasse den Eindruck einer sehr großzügig Stück. sung: Die von ihm entwickelte, so genannte Spit- angelegten Werkstatt mit fabrikähnlichem Cha­ Dieser geschäftliche Aufschwung ist auch an zennadelpresse ersetzt mit einem Schlag vier Ar­ rakter vermitteln, haben wir bei dem Betrieb in den städtischen Gewerbesteuer-Ansätzen ables- . beitsgänge und leistet damit das Zehnfache der der Bahnhofstraße eine klassische Fabrik des spä• bar: Ab 1877 ist Theodor Groz mit einem Steuer- bisherigen Handarbeit. Während also 1882 noch ten 19. Jahrhunderts vor uns. Das "Herz" gewis­ satz von 1111 Mark aufgeführt'" - das ist das 426000 Spitzennadeln hergestellt wurden, steigt sermaßen sind Dampfkessel und Dampfma­ Doppelte von dem, was ein wohlhabender Metz- die Produktion 1887 auf 8137000 Stück, also in schine. Von der Dampfmaschine gehen Antriebs­ ger in Ebingen steuerlich zu berappen hat/", An fünf Jahren auf das Zwanzigfache. Dieser Sprung wellen mit Riemenscheiben aus - wahrscheinlich die steinreichen Ebinger Gastwirte kommt Groz spiegelt sich im städtischen Gewerbesteuer-Ka­ über den Köpfen der Arbeiter an der Decke ent­ freilich noch nicht heran: Der Sternenwirt etwa taster. 1883 rückt Groz auf 4675 Mark auf und lang - und über die Riemenscheiben laufen le­ ist 1877 auf 3155 Mark taxiert?'. Nach Ausweis lässt damit die steinreichen Gastwirte weit hinter derne Treibriemen, die wiederum die vielfältigen der städtischen Gewerbesteuer-Kataster ist der sich?" . 1885 ist er bereits bei 6875 Mark und rückt Maschinen antreiben. Im Vergleich zum Betrieb reichste Mann Ebingens um 1880 der Trikot- und damit in den Kreis der zehn reichsten Männer in der Pfarrgasse hat sich die Zahl der Maschinen Wollwarenfabrikant Jakob Ott mit 11111 Mark". Ebingens aufS. Seit diesem Jahr wird er in den vervielfacht: Seite 1320 Heimatkundliehe Blätter Juni 2002

8 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Inventuren und Teilungen Nr. 56 Staatsanzeiger vom 27. 9. 186\. 2917/1837 (Daniel Groz) . 57 Schreiben Theodor Groz an die Zentralstelle vom 18. Juni 1863 9 Johann Peter Hebel, Jung-Stilling, die Zeitschrift "Neue Thalia", (im Firmenarchiv der Firma Groz-Beckert). 10 Kapf, Jung-Stilling, Schütz. 58 Wie vorige Anm. . 11 Einige andere Preise aus dem gleichen Nachlassinventar: ein 59 Schreiben Zentralstelle an Theodor Groz vom 18. Februar 1864 Paar Stiefel 48 Kreuzer, die genannten Bücher 24 Gulden, eine (im Firmenarchiv der Firma Groz-Beckert). Es mag als eine Iro­ Hose vier Gulden, ein Tisch vier Gulden 30 Kreuzer, eine nie des Schicksals erscheinen, dass die Firma Groz-Beckert Schürze ein Gulden, eine Schüssel zehn Kreuzer, eine Schere 1999 eine dieser Firmen (Singer und Würselen bei Aachen) 18 Kreuzer, ein hölzerner Badezuber ein Gulden 30 Kreuzer. übernahm. 12 Vgl. Königliches Gesetz betreffend die Volksschulen vom 29. 60 Jubiläumsschrift 1902 (wie Anm. 41), S. 23. September 1836, Art. 5: "Die Schulpflichtigkeit. .. endigt in dem 61 Und zwar bis 1875: Jubiläumsschrift 1902 (wie Anm . 41). S. 8. vierzehnten Lebensjahre" (A. L. Reyscher (Hrsg.), Sammlung 62 Jubiläumsschrift 1952 (wie Anm. 13) S. 16. der württembergischen Gesetze (sie), Elfter Band: Sammlung 63 Evangelische Kirchenpflege Ebingen, Spitalhof 10, Trauregister der württembergischen Schul-Gesetze, Erste Abtheilung, Tü ­ 1880. bingen 1839, S. 658). 64 Im Firmenarchiv Groz-Beckert. 13 100 Jahre Theodor Groz & Ernst Beckert Nadelfabrik - Com- 65 Jubiläumsschrift 1902 (wie Anm. 14) S. 6. mandit-Gesellschaft 1852 - 1952, Ebingen o. D. (1952), S. 14. 66 Zum Folgenden vgL Jubiläumsschrift 1952 (wie Anm. 13) S. 25 ­ 14 Firma Groz-Beckert, Firmenarchiv. 29. 15 Der Neue Alb-Bote, 17. April 1892 (Nachruf). 67 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Bauschauprotokoll I\. Januar Das Fabrikgebäude in der Bahnhofstraße 16 Martin Gaß, Theodor Groz. Manuskript im StadtA Albstadt. Az. 1875 f. 243 b: Theodor Groz baut sein Haus in der Pfarrgasse 044.47.31 Groz. um, offensichtlich mit dem Ziel, in dem Gebäude geeignete 17 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Gemeinderatsprotokoll vom Produktionsräume zu schaffen. In diesem Zusammenhang .Hier stehen nun unter anderem eine Hebel­ , 18. 3. 1852. wird er .Stuhlnadelfabrtkant'' genannt. War das Haus in der 18 Dies ergibt sich aus der "Revidierten Gewerbeordnung" des Kö• Marktstraße von der Feuerversicherung zuletzt auf 3500 Gul­ maschine, eine Bohrmaschine, zwei Stanz­ nigreichs Württemberg von 1836, vgL Regierungsblatt für das den veranschlagt (vgL oben Anm. 53), so wird das Gebäude in rnaschinen, zwei Fräsmaschinen und zwölf Königreich Württemberg 1836, S. 385ff. Über den Nachweis zur der Pfarrgasse 1876 auf 7600 Gulden taxiert, also auf mehr als Schneidmaschinen, vor allem aber vier der selbst Befähigung zum Meisterrecht heißt es dort in Artikel 46 (Re­ das Doppelte: StadtA Albstadt, HR-E 714.24/04 (Feuerversi­ gierungsblatt 1836, S. 398). dieser Nachweis muss "entweder cherungsbücher) f. 158. entwickelten Spitzen-Nadel-Prägmaschinen, also durch Erstehung einer förmlichen Meisterprobe, oder mitte1st 68 StadtA Albstadt. HR-E 714.24/04 (wie Anm. 67). Sämtliches Ge­ insgesamt das modernste Gerät der damaligen Vorlegung übereinstimmend vorteilhafter, amtlich beglaubig­ rät in der Pfarrgasse wird auf rund 3100 Mark taxiert. (Laut Re­ Zeit. In einem "Schleif-Lokal" stehen drei Schleif­ ter Zeugnisse über eine . .. ununterbrochene Vorbereitung gierungsblatt des Königreichs Württemberg 1875 S. 160 löst durch wenigstens siebenjährige Lehrlings- und Gesellendienste vom \. Juli 1875 an die Mark den Gulden ab . Die Umrechung maschinen, dazu kommen ein Härte-Raum, ein geliefert werden". Die vorgeschriebene, siebenjährige Frist war beträgt sieben Gulden zu zwölf Mark, also 1 Gulden = 1,7 "Ausglüh-Lokal" und ein "Putz-Lokal" mit weite­ im Fall von Theodor Groz 1849 erfüllt. Er dürfte somit schät• Mark) . ren Maschinen - an den Bezeichnungen der zungweise kurz nach der Rückkehr in seine Heimatstadt das 69 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Gewerbesteuer-Kataster 1877 ­ Meisterrecht erworben haben. 1881, f. 43. Räume sind die Produktionsschritte abzulesen?". 19 Firma Groz -Beckert, Firmenarchiv Nr. \.45. 70 Georg Philipp Rieber: 639 Mark. StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Nun beginnt eine Zeit selten erlebter Dynamik. 20 StadtA Albstadt. HR-E 02\.01/01 f. 15\. Gewerbesteuer-Kataster 1877 - 1881, f. 38. "Es war ein herrlicher Wettlauf zwischen Produk­ 21 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Inventuren und Teilungen Nr. 71 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Gewerbesteuer-Kataster 1877 ­ 3428/1840: Dort ist die Rede von fertigen, gefeilten und halbfer­ 1881, f. 107. tion und Absatz" schreibt der Firmen-Chronist in tigen Stuhlnadeln. und zwar jeweils mehrere Tausend, 72 Waller Stettner, Ebingen. Geschichte einer württembergischen der Festschrift zum hundertjährigen Firmenjubi­ 22 VgL die Geschäfts-Anzeige in: Der Alb-Bote, 10. September Stadt, Sigmaringen 1986, S. 414. läum", was angesichts der tatsächlichen Ent­ 1847. Bei der Versteigerung des Nachlasses wird in der Zeitungs­ 73 Zum Folgenden: Jubiläumsschrift 1952 (wie Anm. 13) S. 29 - 31. anzeige ein "Laden" erwähnt: Der Alb-Bote, 24. Januar 1852. 74 Wie Anm . 64. wicklung fast schon bescheiden wirkt. Ein wei­ 23 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Inventuren und Teilungen Nr. 75 Stettner, wie Anm. 72. terer Filialbetrieb erweist sich als notwendig ­ 4524/1852. 76 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Gemeinderatsprotokoll 1885, 1887 wird er in Messstetten eröffnet. 24 Schwäbisch: .Klufen". Register Stichwort Groz, Theodor. 25 Dies bestätigt sich durch eine Bemerkung im Ebinger Gemein­ 77 Jubiläumsschrift 1952 (wie Anm. 13) S. 31 f. Der Steuer-Ansatz bewegt sich nun extrem steil deratsprotokoll vom 18. März 1852, wo es heißt, er habe "seit 78 StadtA Albstadt. HR-E 714.24/07 (Feuerversicherungsbücher) f. nach oben: 1887 steht er bei 7500 Mark'" und bald einem Jahr" ein Geschäft eröffnet. 1219 - 1233. Der gesamte Maschinenpark ist mit 80900 Mark 1889 bei 8000 Mark'". 1888 waren Groz-Nadeln 26 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Inventuren und Teilungen Nr. versichert. Die wertvollsten Einzelobjekte sind Dampfkessel auf den Weltausstellungen in Brüssel und in Bar­ 4497/1852 (Theodor Groz). und Dampfmaschine (5000 Mark) sowie die vier Spitzen-Na­ 27 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Kautbuch Bd. 19f. 243 b, 27. del-Prägmaschinen (zusammen 6000 Mark) . Das Gebäude celona ausgestellt und mit höchsten Anerken­ Mai 185\. selbst ist 1894 auf 57500 Mark veranschlagt (HR-E 714.24/22 f. nungen ausgezeichnet worden'". In den Folge­ 28 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Unterpfandsbuch Bd. 18 BI. 114). Zum Vergleich: Das Haus in der Pfarrgasse war auf 7600 jahren gestaltet sich die Entwicklung mit einer 252, 30. Mai 185\. . Gulden = 12920 Mark veranschlagt (vgl. Anm . 67 u. 68). 29 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Bauschauprotokoll 30. August 79 Jubiläumsschrift 1952 (wie Anm. 13), S. 33. Rasanz, wie sie nur selten anzutreffen ist: Von 185\. 80 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Gewerbesteuer-Kataster 1882 ­ 1889 auf 1891 kommt der Gewerbesteuer-Ansatz 30 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, 5tadtratsprotokolle und Ver­ 1887 f. 57. auf 14000 Mark'" - eine knappe Verdoppelung waltungssachen Bd. 23f. 197 b, 7. Oktober 185\. 81 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Gewerbesteuer-Kataster 1888 - 31 Am 20. Dezember. 1893 f. 73. also - und von 1894 auf 1896 steigt er auf atem­ 32 Im Königreich Württemberg ist die Volljährigkeit mit 25 Jahren 82 Wie Anm. 78. beraubende 29875 Mark'" - mehr als eine Ver­ erreicht. 83 Wie Anm. 81. doppelung in zwei Jahren! Damit ist die Firma 33 Der Alb-Bote 27. 4. 1852. 84 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Gewerbesteuer-Kataster 1894 - 34 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Inventuren und Teilungen Nr 1899 f. 78. Theodor Groz & Söhne steuermäßig mit Abstand 4497/1852 (Theodor Groz) . - Ein Gulden hat 60 Kreuzer und 85 Stettner, wie Anm . 72, S. 415. die Nummer eins in Eblngen'". ein Kreuzer sechs Heller, vgL Hermann Fischer, Schwäbisches 86 Sein gleichnamiger Sohn starb, 39-jährig, zwei Tage vor ihm. Dies sollte der Firmengründer allerdings nicht Wörterbuch, Tübingen 1904ff, Stichwort "Kreuzer". 87 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Inventuren und Teilungen Nr. 35 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Gewerbesteuer-Kataster 1835 - 9249/1892. Um den damaligen Geldwert mit dem heutigen zu mehr erleben. Am 15. April 1892 verschied er, erst 1875f. 193 b. vergleichen, ist nur in sehr beschränktem Umfang möglich. 64-jährig, nach längerer Krankheit'". Seiner 36 Der Alb-Bote 18. Dezember 1852. Hervorhebung von mir. Eine gewisse Vorstellung ergibt sich, wenn man den damaligen Witwe, seinen Kindern und Enkelkindern 3 7 Der Alb-Bote vom 18. Dezember 1852. Geldwert mit 50 multipliziert. Die entsprechenden, modernen 38 Quelle wie Anm. 35. Euro-Werte treffen am ehesten noch auf Immobilien, Möbel hinterließ er Vermögenswerte in Höhe von 39 Z. B. Jakob Friedrich Refuß, Rossmetzger und Viehhändler, Ge­ und Haushaltsartikel zu. \ 320000 Mark'". Von seinen elf Kindern überleb• werbesteuer-Kataster (wie Anm. 34) f. 187 b, oder Georg Philipp 88 Adolf, der jüngste Sohn des Firmengründers, ist der Vater von ten ihn sechs, darunter drei Söhne: Daniel, gebo­ Rieber, ebenda f. 118 b. - An den legendären Löwen-Mauthe Walther, der die 'Firma von 1937 bis 1976 leitete und außerdem kommt Theodor Groz allerdings nicht heran: Dessen "Mechan­ von 1948 bis 1960 (Ober-)Bürgermeister seiner Heimatstadt ren 1854, Oskar, geboren 1868, und Adolf, gebo­ ische Wollspinnerey, durch Dampf-Kraft betrieben" wird 1846 Ebingen war. 88 ren 1876 . Von ihnen sollte nun die Zukunft der auf 15 Gulden 12 Kreuzer taxiert. 1865 hat Mauthe den höch­ Firma abhängen. sten Steuersatz seiner unternehmerischen Lautbahn erreicht: 36 Gulden 48 Kreuzer (Gewerbesteuer-Kataster, wie Anm. 34, f. 358 b) . Anmerkungen 40 Der Alb-Bote 2\. Dezember 1869. 1 Herrn Martin Gaß, Bitz, danke ich an dieser Stelle ganz herzlich 41 50.jähriges Jubiläum der Firma Theodor Groz & Söhne Ebingen Verfasser der Beiträge für die zahlreichen Anregungen und Hinweise. 1852 - 1902 (Iubiläurnsschrift), S. 8. . 42 2 Walter Stettner, Ebingen. Geschichte einer württembergischen Iubiläurnsschrift, wieAnm. 41, S. 18. in dieser Ausgabe: Stadt, Sigmaringen 1986, S. 156. 43 Katalog der Industrie-Ausstellung München 1854 (im Firmen­ Dr. Peter-Thaddäus Lang, Johannesstraße 5, archiv der Firma Groz-Beckert). 3 Derselbe, Einwohnerbuch der Stadt Ebingen, 1270 - 1600. Wei­ 72458 Albstadt tere Quellen zur Geschichte der Familie Groz : Carl Beck, 44 Schreiben vom 27. November 1855 an Firma Rosendeldt, Ner­ Stammbaum Groz , angefertigt 1908, im Stadtarchiv Albstadt ker & Cie. (im Firmenarchiv der Firma Groz-Beckert). vorhanden; Walter Stettner, Einwohner der Stadt Ebingen 1601 45 Schreiben Theodor Groz an die Zentralstelle vom 19. Dezem­ - 1660 (Materialsammlung; alphabetisch geordnete DlN-A4­ ber 1855 (im Firmenarchiv der Firma Groz-Beckert). Karteikarten), desgleichen, 1661- 1700. 46 Schreiben der Zentralstelle an Theodor Groz vom \. Februar Herausgegeben von der 4 Bis 1930 war der "Bürgermeister" in der württembergischen 1856 (im Firmenarchiv der Firma Groz-Beckert). Heimatkundlichen Vereinigung Balingen. Kommunalverwaltung nicht .Ortsvorstehcr" wie heute (dieser 47 Schreiben der Zentralstelle (im Firmenarchiv der Firma Groz­ hieß Schultheiß bzw. Stadtschultheiß), sondern oberster Ver­ Beckert). walter der kommunalen Finanzen. VgLA1fred Dehlinger, Würt• 48 Schreiben des Württembergischen Muster-Lagers vom 29. De­ Vorsitzender: tembergs Staatswesen in seiner geschichtlichen Entwicklung zemger 1859 (im Firmenarchiv der Firma Groz-Beckert). Christoph Roller, 72336 Balingen, Am Heuberg 14, 49 Schreiben des Württembergischen Muster-Lagers vom 2. Ja­ bis heute, erster Band, Stuttgart 1951, S. 273; Hermann Fischer, Telefon 77 82. Schwäbisches Wörterbuch, Tübingen 1904ff, Stichwort "Bür• nuar 1860 (im Firmenarchiv der Firma Groz-Beckert). germeister". 50 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Bauschauprotokoll f. 243 b, 5. Juni 1858. 5 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Inventuren und Teilungen Nr. Geschäftsführung: 1266,1817 (Daniel Groz) . 51 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Kautbuch Bd. 24 f. 383, 3\. 6 Unrichtig lngrid Helber, Inventuren und Teilungen als Quellen März 1860. Groz hatte sich das Haus bisher mit den Brüdern Ruth Hübner, Im Kirschenwinkel 2, 72359 Dot­ in der historischen Forschung, in: Heimatkundliehe Blätter Ba­ Friedrich und Gottlieb Rehfuß geteilt; nun erwirbt er den Teil ternhausen, Telefon (07427) 9 1094. lingen 37, 1990, S. 733f. Zutreffender dieselbe, Bücherbesitz der des Gottlieb Rehfuß. Ebinger Bürger. Inventuren und Teilungen zu Beginn des 18. 52 StadtA Albstadt, Stadt Ebingen, Bauschauprotoko1l28. Juli 1873 Jahrhunderts. In: Heimatkundliche Blätter Balingen 39, 1992, S. (f 184 b) und 12. März 1874 (f, 124 b), Redaktion: 857f., wonach zwei Drittel aller Bücher Gesang- und Gebetsbü• 53 StadtA Albstadt, HR-E 714.24/04 (Feuerversicherungsbücher), Christoph F. Riedl, 72336 Balingen, Gerh.-Haupt­ cher sind. f. 6\. mann-Ring 14, Telefon 7816. 54 StadtA Albstadt. Stadt Ebingen, Kautbuch Bd. 24 f. 356 1/2 b, 7 Unzutreffend die Festschrift von 1952 (bibliographische Anga­ Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils ben Anm . 13). S. 13: "Zwölf Kinder hinterließ der Apotheker 19. März 1860. . 55 Jubiläumsschrift 1902 (wie Anm. 41) S. 4. am Monatsende als ständige Beilage des "Zollern- Daniel Groz." Alb-Kuriers". . Jahrgang 49 :Ü. Juli 2002 Nr.7

Erdbeben auf. der Zollernalb Von Prof.-Dr.-Ing. Hans-Alfred Bitzer, Albstadt-Lautlingen Immer wieder werden wir mit Nachrichten und Bildern von Erdbebenkatastrophen und den geschätzt wurde. Die Dauer des Bebens betrug daraus resultierenden Schäden in den Medien konfrontiert. Dabei sind es insbesondere die nur etwas über drei Sekunden. Starkbeben in Asien, Mittel- und Nordamerika, aber auch in Südeuropa, die vor allem in dicht besiedelten Gebieten verheerende Auswirkungen für Menschen und Gebäudemit sich bringen. Ein Großteil der Schäden entwickelt sich dabei als Folge des Bebens durch Brand, Explosion, Magnitude und Intensität Überschwemmung usw. Will man die "Stärke" eines Erdbebens angeben, Mancher Bewohner des Zollernalbkreises denkt sechs Kilometer Tiefe und hatte eine Länge von stößt man unweigerlich auf Schwierigkeiten, da dabei aber auch zurück an den 3. September zirke fünf Kilometer. Die seismologischen Na- die Ereignisse im Herd nicht unbedingt mit dem 1978, als das letzte stärkere Beben die Alb erzit­ chrechnungen ergaben, dass sich in der Bruch- Geschehen an der Erdoberfläche zusammenhän• tern ließ und daran, dass im Gebiet der Stadt Alb­ fläche Verschiebungen in der Größenordnung gen. So können die Auswirkungen eines starken stadt der seismisch aktivste Erdbebenherd Mitte­ von einigen Dezimetern ereigneten. An der Erdo- Bebens in 100 Kilometer Tiefe (man spricht bei leuropas liegt. berfläche traten dabei Bodenbewegungen auf, solchen Beben von Tiefherdbeben) an der Erdo­ Auch wenn in der Zwischenzeit knapp 24 Jahre die im Bereich einiger Millimeter lagen - auch berfläche viel geringer ausfallen, als die eines Be­ seit diesem Beben vergangen sind und die jün• wenn dies von den Bewohnern häufig anders ein- bens in fünf Kilometer Tiefe (Flachbeben), das er- gere Generation die Wirkung der Erdbeben hier nur noch vom Hörensagen kennt, können wir nie Kurzform der makroseismischen Intensitätsskala EMS-98 sicher sein, dass eine ähnliche Katastrophe nicht (Eruopäische Makroseismische Skala nach Grünthai, 1998) wieder eintritt. EMS Definition Beschreibung der maximalen Wirkungen (stark verkürzt) Intensität Ursachen und Wirkungen I Nicht fühlbar Nicht fühlbar Die geologischen und tektonischen Verhältnisse 11 Kaum bemerkbar Nur sehr vereinzelt von ruhenden Personen wahrgenommen. in Süddeutschland sind äußerst vielschichtig und kompliziert. Sie werden beherrscht von der Sen­ III Schwach Von wenigen Personen in Gebäuden wahrgenommen. kungszone des Oberrheingrabens, dessen Ränder Ruhende Personen fühlen ein leichtes Schwingen oder Erschüttern. - im Osten der Schwarzwald, im Westen die Vo­ IV Deutlich Im Freien vereinzelt, in Gebäuden von vielen Personen wahrgenom- gesen - die Tendenz haben, auseinander zu drif­ ten. Diese Dehnungszone des Rheingrabens wird men. Einige Schlafende erwachen. Geschirr und Fenster klirren, Tü- nun überlagert durch eine großräumige horizon­ ren klappern. tale Druckspannung, die ganz Mitteleuropa von V Stark Im Freien von wenigen, in Gebäuden von den meisten Personen den Alpen bis zur Nordsee beherrscht. wahrgenommen. Viele Schlafende erwachen. Wenige werden ver- Diese Druckspannung verläuft etwa in Nord­ ängstigt. Gebäude werden insgesamt erschüttert. Hängende Gegen- west - Südost-Richtung und hat eines der jüngs- stände pendeln stark, kleine Gegenstände werden verschoben. • ten Erdbebengebiete in Europa erzeugt, das auf Türen und Fenster schlagen auf oder zu. der mittleren Schwäbischen Alb bei Albstadt. Die Aktivität dieses Erdbebengebietes scheint, abge­ VI Leichte Viele Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Einige Gegen- sehen von einem schwächeren Beben 1875 mit Gebäudeschäden stände fallen um. An vielen Häusern, vornehmlich in schlechterem einem Schlag im Jahr 1911 begonnen zu haben. Zustand, entstehen leichte Schäden wie feine Mauerrisse und das Davor gab es, soweit die Chroniken zurückgehen, Abfallen von z. B. kleinen Verputzteilen. keinerlei größere Erdbebenaktivitäten in diesem Gebiet. VII Gebäudeschäden Die meisten Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Möbel Als Ursache betrachtete man damals die Ver­ werden verschoben. Gegenstände fallen in großen Mengen aus den werfungszone des Hohenzollerngrabens, die von Regalen. An vielen Häusern solider Bauart treten mäßige Schäden Nordwest nach Südost über die Alb verläuft, und auf (kleine Mauerrisse, Abfall und Putz, Herabfallen von Schorn- auch die Burg Hohenzollern mit einschließt. In­ steinteilen). Vornehmlich Gebäude in schlechterem Zustand zeigen zwischen wissen die Geophysiker aber, dass der größere Mauerrisse und Einsturz von Zwischenwänden. Hohenzollerngraben selbst eine inaktive Zone darstellt, die schon seit Jahrmillionen ruht. Viel­ VIII Schwere Viele Personen verlieren das Gleichgewicht. An vielen Gebäuden mehr liegen die neuen Erdbebenherde in einer Gebäudeschäden facher Bausubstanz treten schwere Schäden auf, d. h. Giebelteile relativ jungen Bruchzone, die durch Scherbrüche und Dachgesimse stürzen ein. Einige Gebäude sehr einfacher Bau- . quer zum Hohenzollerngraben gekennzeichnet art stürzen ein. ist. IX Zerstörend Solche Scherbrüche entstehen durch hohe Allgemeine Panik unter den Betroffenen. Sogar gut gebaute ge- Druckspannungen, wob ei der Bruch etwa unter' wöhnliche Bauten zeigen sehr schwere Schäden und teilwei sen Ein- 45° zur Druckluft auftritt, in der Richtung, in der sturz tragender Bauteile. Viele schwächere Bauten stürzen ein. die größten Schubspannungen entstehen (ähn• X Sehr zerstörend Viele gut gebaute Häuser werden zerstört oder erleiden schwere liches Verhalten kann man zum Beispiel im Beschädigungen. Druckversuch mit Probekörpern aus Beton er­ zeugen). XI Verwüstend' Die meis~en Bauwerke, selbst einige mit gutem, erdbebengerechtem Der Bereich, in dem dieser Bruch auftritt, stellt Konstruktionsentwurf und -ausführung, werden zerstört. somit den eigentlichen Erdbebenherd dar; die XII Vollständig Nahezu alle Konstruktionen werden zerstört. Bruchfläche wird als Herdfläche bezeichnet. Bei dem Beben von 1978 lag die Bruchfläche in zirka verwüstend. Seite 1322 Heimatkundliehe Blätter Juli 2002 heblieh schwächer ist. Es wurden deshalb im Dach der Samtfabrik hatte mehrere Meter hohe Laufe der Zeit im Wesentlichen zwei unterschie­ Obelisken getragen; eine große Anzahl davon lag dliche Skalen für die Darstellung der Stärke eines morgens unten auf der Straße. Die Fabrikschlote Erdbe be ns von den Seismologen entwickelt. dieser Fabrik zeigten bedenkliche Risse. Ein Ka­ Auf der eine n Seite steht eine auf den amerika­ min mu sste teilweise abgetragen werden, eine ge­ nische n Seismologen eh. F. Richter zurückge• fährliche Arbeit, für welche Pioniere aus Ulm bei­ hende Skala, mit der die Magnitude M ein es Be­ gezogen wurden. Zum Zweck besserer Wieder­ ben s festgelegt wird. Die Magnitude ist ein Maß standsfähigkeit gegen Naturgewalten erhielten Erdbeben Taiwan 1999 für die im Erdbebenherd freigesetzte Energie, die die Kamine eiserne Reifen. Die Zahl der eingeris­ au s den durch die verschiedenen Erdb eb en statio­ senen oder beschädigten Hausbrandkamine mag nen ermittelte n Daten ausgerechnet werden auf 800 geschätzt werden. Große Risse zeigte die kann. Martinskirche an der Chorwand. Der Musiksaal In den Medien wird immer von der "nach oben im Mädchenschulgebäude wurde aus seiner Um­ offenen Richter-Skala" gesprochen, da diese Ska­ gebung, aus dem Dachraum, gleichsam heraus­ la wie z.B. eine Temperatur-Skala natürlich nicht gerissen. Herzog Ulrichs Standbild, das 366 Jahre begren zt ist. Zu beachten ist bei der Richter-Ska­ lang allen Stürmen und Marktstraßenbränden la, dass es sich um eine logarithmische Skala han­ Erdbebenschäden Albstadt 1978 standgehalten hatten, brach der Erdstoß beide delt, d. h. die Steigerung um eine Magnitude, also Beine »über den Knöcheln«." Ort/Eplzentrum MagniludeM Intensität 1 z. B. von M4 auf M5 bedeutet, dass dabei eine 32­ Datum MF2 0 Die Schilderung Hummels ist durch einige fache Energiemenge freigesetzt wurde, das Beben 16.1 1. 1911 22.26 Ebingen 6,1 8 Sätze aus dem .Albboten" vom 18. November zu 20. 7.1 913 13.06 Ebingen 5,6 6 -7 als 32-mal so stark ist. Die bislang stärksten Be­ 2.5. 1943 02.08 Tailfingen 5,5 7 ergänzen: ben wurden mit einer Magnitude von 9,0 ermit­ 28.5. 1943 01.24 Tailfingen 5,6 8 ,,'" Wie sehr den Leuten der Schreck bei der ge­ telt, die stärksten Beben auf der Zollernalb lagen 26.2.1969 02.28 Onstme ttingen 5,1 6 -7 waltigen Erderschütterung am Donnerstagabend bei Magnituden zwischen 5,5 - 6. 22. I. 1970 16.26 lun gingen 5,2 6 -7 in die Glieder gefahren ist, geht daraus hervor, 3. 9. 1978 06.08 Onst mettingen 5,7 7 - 8 Auf der anderen Seite werden Skalen verwen­ dass auch in der letzten Nacht sich sehr viele det, die die Auswirkungen eines Erdbebens auf Erdbeben in Albstadt (M ~ 5,0): nicht entschließen konnten, in ihren Wohnungen die Erdoberfläche, die Menschen und die Ge­ M = Lokalmagnitude und Häusern zu schlafen; sie nahmen Nacht­ 10 = makroseismische Epizen tralintensität bäude zum Maßstab nehmen und in verschie­ 'quartier im Freien, in Gartenhäusern und Schup­ dene lntensitäten einteilen. Die bekannteste diser Wenn man die schwersten Beben von 1911, 1943 pen. Auch während des gestrigen Tags und wäh• Skalen ist die Mercalli-Sieberg-Skala mit 12 Stär• und 1978 nimmt, so erkennt man, dass ihre Epi­ rend der letzten Nacht konnten mehrere leichte kegrade n (man sieht, dass diese Skala im Gegen­ zentren sich etwa auf einer Linie befinden, die Beben wahrgenommen werden. Der Schaden, satz zur Richter- Skala nicht nach oben offen ist!). Herdflächen also in dieser etwa von Südwest den das Erdbe be n an den Häusern angerichtet Heute werde n häufig auch ande re Skalen ver­ nach Nordost verlaufenden Bruchzone senkrecht hat, stellt sich als größer heraus, und mancher wende t, wie die Medvedev-Sponhene r-Karnik­ zum Hoh enzollerngraben liegen. Hausbesitzer muss ganz erhebliche Ausbesserun­ Skale (MSK-Skala) oder die Europäische Makro­ gen vornehmen lassen.. . Gestern Nachmittag seismische Skala nach Grünthai (EMS), die ab er a) Erdbeben in der Nacht fanden au s Anlass des Erdbebens in der Kapell­ im Grundsatz nicht wesentlich von der Mercalli­ vom 16. aufden 17. 11. 1911 kirehe und im großen Saal des evangelischen Ver­ Skala abweichen. Über die Auswirkungen dieses Bebens in Ebin­ einshauses Gottesdienste statt, zu denen der An­ Es muss erwähnt werden, das s die Einstufung gen findet sich bei Hummel/ eine sehr ausführ• drang sehr groß war." von Beb en in die verschied enen Int en sitäten liche Schilderung, die auch eine gute Einstufung Nach einem ande ren Bericht seien vom alten häufig nicht einfach ist, da zum Beispiel die Schä• hinsichtlich der Intensität erlaubt. In einem Zei­ Bürgerturm beinahe alle Dachziegel herabge­ den an Geb äuden nicht nur von der Bodenbe­ tungsbericht am 17. November 1911 schreibt er: worfen worden; an dem alten, vor Jahrhunderten schleunigung, sondern ganz wesentlich auch von ,,'" Eine Nacht des Schreckens liegt hinter uns. gebauten Turm selbst sei das Erdbeben spurlos dem Schwingungsverhalten, der baulichen Sub­ Der größte Teil der Einwohnerschaft hatte sich vorübergegangen. zurRuhe niedergelegt, sich wohl geborgen füh• stanz, den Gründungsverhältnissen usw. der ein­ Großen Schaden richtete das Beben auch in zelnen Gebäude abhängen. lend hinter Mauer und Tür. Da, um 10.30 Uhr ein Lautlingen an. Das Hauptschiff der am Anfang Die stärkste n Beben im Raum Albstadt wären mächtiger Stoß, der die Häuser in ihren Grund­ festen erschütterte. Die Fenster klirren, Teile der des 17. Jahrhunderts aus Bruchsteinen erbauten nach der Mercalli-Skala in die Intensität 7 bis 8 katholischen Pfarrkirche wurde so stark in Mitlei­ einzustu fen. Gipsdecke springen ab , die Bilder an den Wän• den geraten ins Wanken. Gläser und Geschirr denschaft gezogen, dass es abgebrochen werden schmettern zu Boden, der Ofen zittert und wankt, musste, während der Turm der Kirche nahezu unversehrt blieb. Der damalige Lautlinger Pfarrer Erdbeben auf der Zollemalb das ganze Haus droht in sich zusammenzubre­ chen, seihe Bewohner unter den Trümmern zu Pfeffer beschreibt in seine m Bettelbrief an die begraben. umliegenden Kirchengemeinden den Schade n, Es gibt in Mitteleuropa kein Gebiet, das in den den das Beben verursachte, ausführlich: letzten 100 Jahren so viele und so starke Erdbe­ ... Da ist- der Boden übersät mit großen und ,, '" Am meisten zerstört ist die westliche an den ben erlebte wie die Zollernalb mit dem Zentrum kleinen Ziegelstücken; dort liegt das Geröll ganzer und zersprungener Ziegelsteine mitten in der Turm 'anschließende Wand und die \ da ran an­ Albstadt. Insgesamt 13 Beben mit Magnituden schließende südliche Wand. Die Gefahr des Ein­ über 5 sowie eine Vielzahl von Beben, die kaum Straße: die Trümmer eines geborstenen Kamin s. . .. Telephon und Telegraph sind in reger Tätig• sturzes ist hier sehr groß; die Gefahr ist noch ver­ schwäche r waren, legen davon Zeugnis ab. Allein größert, weil auf dieser Ecke die stark belastete vier der schwe ren Beben (M ~ 5,0) liegen mit ih­ keit. Sie melden, das s das Erdbeben einen großen Teil des Badener und Württemberger Landes Empore aufliegt. Die Empore musste au ch mehr­ ren Herden in einem eng begrenzten Gebiet auf fach gestützt werden, um eine Einsturzgefahr zu Albstädter Markung. heimgesucht hat. .. .Aber noch wagten sich viele nicht in ihre verhindern. Die Ostwand des Chores hat sich Häu ser. Es schien auch, als wolle die Erde nim­ stark nach außen geneigt; sie ist von oben nach mer zur Ruhe kommen. Heftigere Stöße wurden unten von schweren Rissen durchzogen und be­ noch verspürt um 2.30, 3.05, 3.45, 4.00, 4.20 Uhr, sonders an der nordöstlichen Ecke ganz erschüt­ und noch nach 6 Uhr wollte das Grollen nicht tert. Eine Einsturz gefahr liegt sehr nahe, zumal ganz verstummen (6.15 und 6.30 Uhr). Der Bahn­ die nah vorbeiführende hohe Stützmauer des damm zwischen hier und Lautlingen war an einer Kirchhofs an mehreren Stellen geborsten ist. Der Stelle unfahrbar geworden, so dass der Nachteil­ östliche Giebel musste in den Tagen nach der zug 12.30 Uhr in Lautlingen angehalten werden Erdbebenkatastrophe kräft ig gestützt werden, um musste. Seine acht Reisenden wurden durch die den drohenden Einsturz hintanzuhalten. Alle hiesige Bahnverwaltung mittels Auto hierherge­ übrigen Wände der Kirche und auch die Sakriste i bracht. sind überall abgerissen und zerstört. . Der heraufziehende Tag gab den durch den ers ­ Nach dem Urteil der Bausachverständigen ist ten Erdstoß angerichteten Schaden noch deutli­ . eine Instandsetzung und Erhaltung des Bauwe rks cher zu erkennen als die Gaslichter der Nacht. ausgeschlossen; bei der ständig drohenden Ein­ Viele Dächer hatten schwer gelitten vom First bis sturzgefahr ist die Katholische Pfarrgemeinde zur Dachrinne; und auch das Innere der Häuser plötzlich vor die Notwendigkeit gestellt, die war schwer mitgenommen worden. Kaum eine Kirche niederreißen zu müssen und ein neu es Straße war verschont geblieben. Besonders stark Gotteshaus zu erb auen. .." ! beschädigt wurden das Wohnhaus des Fabrikan­ In der Folgezeit wurde die Kirche mit Aus­ Erdbebenschäden an der ten Christian Ludwig Maag und die neue Samt­ nahme des im Wesentlichen unversehrten Turms Kirche in Lautlingen (1911) fabrik in der Schillerstraße. Bei ersterem wurde abgerissen und als eine der ersten Eisenbeton­ Lage der Epizentren der schweren Beben aufder der Giebelaufsatz samt Mauerwerk auf den Fuß• konstruktionen, die auch für Erdbebenlasten be ­ Zollern alb steig der Langestraße geschleudert. Das ebene messen wurde, wieder aufgebaut. Juli 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1323 und Material zur Behebung der gröbsten Schä ­ b) Erdbeben vom 2. und 28. Mai 1943 den aufzutreiben. Die Technische Nothilfe griff Mitten in den schwersten Kriegstagen im Jahr tatkräftig ein, für zwei Wochen war auch eine 1943 erschütterten zwei kurz hintereinander lie­ Baukompanie der Wehrmacht eingesetzt. .." gende Erdbeben am 2. und noch stärker.am 28. Mai die Zollernalb. Es waren die seit 1911 stärks- c) Erdbeben vom 3. September 1978 ten Erdbeben, über die sich bei Stettner" nach- Das letzte der schweren Erdbeben traf die Zol- lesen lässt: lernalb am 3. September 1978, einem Sonntag- ,,'" Besonders schwer waren die westlichen · morgen um 6.08 Uhr. Stadtteile, die Schillerstraße, die Munast und der Die Presse berichtete am nächsten Tag: u- ..Zit­ Mehlbaum betroffen. Neun Wohnungen mussten ternde Wände, schwankende Schränke, abgehe­ wegen Einsturzgefahr geräumt werden, Hunderte bene Dächer und stürzende Mauern - so bot sich von Wohnungen wiesen beträchtliche Schäden, gestern morgen ein Schreckensbild im Zentrum vor allem an den Kaminen, auf. Den Gesamtscha- des Erdbebengebiets im Zollernalbkreis rund um Erdbebenschäden in Albstadt (1978) den schätzte man allein für Ebingen aufüber eine Albstadt . .. In Tailfingen und Onstmettingen sah Million Reichsmark. Im Talgang wütete das Erd- es fast wie nach einem Bombenangriff aus. Auch den. Nach Angaben der Württ. Gebäudebrand• beben noch schlimmer. Wenige 'Tage nach dem Wasserleitungen platzten. Auf der Zollernburg versicherung wurden über 7000 Gebäudeschäden zweiten Beben erschienen aus Stuttgart Vertreter bei Hechingen wurden fast alle Räume durch gemeldet, die Gesamtschadenshöhe betrug über des Innen-, des Finanz- und des Wirtschaftsmi- Risse in den Wänden beschädigt. Die Zinnen des 150 Millionen DM. Insgesamt wurden 23 Fa­ nisteriums sowie Erdbebensachverständige aus Schlosses sind abgebrochen, herabstürzende brikschornsteine abgebrochen, 2221 Kamine von Stuttgart und Jena, besichtigten die Schäden und schwere Steinbrocken zerstörten das Kreuzge­ Wohngebäuden abgetragen, 324 Sprießungen, 61 versprachen Hilfe vom Land. Trotzdem taten sich wölbe der mittelalterlichen Burgkapelle ..." Teilabbrüche und 1 Totalabbruch vorgenom­ die meisten Bürger schwer damit, Handwerker In der Tat entstand enormer materieller Scha- men". (Schluss folgt)

Ein Spendenbrief aus dem Kloster Kirchberg für Balingen Pensionierte Klosterfrauen helfen nach dem Stadtbrand 1809/Von Adolf KIek, Balingen

In einem Aktenbündel vom Balinger Stadtbrand 1809 befindet sich im Stadtarchiv ein Brief aus häuslichen Geschäfte sei den Laienschwestern dem Kloster Kirchberg, das knapp westlich der heutigen Grenze des ZoUernaibkreises über Hei­ überlassen gewesen. Die "in Jahren ziemlich weit ligenzimmem im Stadtgebiet Sulz liegt. In weitgezogener Handschrift und noch nicht genorm­ vorgerückte" Priorin habe sich "durch Herzens­ ter Rechtschreibung ist auf einem staubgrauen, handgeschöpften Büttenpapierblatt zu lesen: güte, Sitteneinfalt und Frömmigkeit ausgezeich­ net'". "Das pensionierte Kloster Kirchberg schickt men konnte: 2 Gulden und 24 Kreuzer. Maria Anna von Khuon, am 14. 10. 1741 gebo­ den beträngten bürgeren zu Balingen ein Den Brief zur Übersendung der Geldspende . ren, stammte aus einem führenden Patrizierge­ beysteuer mit 11 fl. Das beigelegt ist von schreibt Maria Anna von Khuon als Priorin des schlecht der Reichsstadt RottweiI. In der Unserm Herr Beichtvatter Schwesternkonventes. Ihre ersten Worte "das Hauptstraße neben dem Alten Rathaus ist noch Wir betten vor sie das gott Ihnen sein segen pensionierte Kloster Kirchberg", geben den der imposante Renaissancebau mit bemalter Gie­ wolle geben neuen Status ihres Dominikanerinnen-Klosters belwand zu sehen, der heute als "Kisnersches Kloster Kirchberg den 5 ten august 1809 an. Es hatte ihn wenige Jahre vorher im Zuge der Haus" bezeichnet wird, vormals aber Maria Anna v Khuon Priorin Neuordnung Europas durch die Kriege Napo­ "Khuon'sches Haus" genannt wurde. Der Ur­ Mit anderer Tinte und Handschrift ist angefügt: leons und die Konsequenzen aus dem Reichsde­ großvater der Priorin, Johann Jakob Khuon, ist Von dem Herrn Beichtvater waren beigelegt putationshauptschluss erhalten. Das Kloster, dort in der Amtstracht des Bürgermeisters abge­ 2 fl. 24 xer. bisher unter österreichischer Landeshoheit, war bildet. Rechts von ihm steht ein Kirsner (Kürsch• Am Kopf des Briefblattes hat diese Hand einen wie einige andere Klöster mit seinem Hab und ner) im Arbeitsschurz. Ihren Vater hat die Priorin Archivierungsvermerk eingetragen: Nro. 126, Fol. Gut in den württembergischen Staatsbesitz ein­ als Reichsschultheiß von Rottweil erlebt." \ 11. Der Verwaltungsbeamte im Balinger Rathaus verleibt und im Rahmen der Säkularisation seiner (Schluss folgt) wird diese Nummer und den Nachtrag bezüglich geistlichen Sonderstellung beraubt worden des Beichtvaters geschrieben haben. Die Num­ (1805/1806). Ein Dekret des Königs Friedrich I. mer entspricht immer noch der Ablage im Akten­ von Württemberg hatte die Ordensbindungen ge­ bündel' des Stadtarchivs. Sie steht auch auf der löst und den Nonnen freigestellt, das Kloster mit Rückseite bei einem roten Lacksiegel, mit dem einer Abfindungssumme zu verlassen oder mit nach dem Zusammenfalten der Brief für die da­ staatlichen Pensionszahlungen bis zum "Abster­ malige Art des Versandes verschlossen wurde. ben" hier zu bleiben. Das runde Siegel stellt ein sehr fein gearbeitetes, nur mit der Lupe identifizierbares Wappen dar. Von Rankenwerk umgeben, sind auf der einen Die letzte Priorin Wappenhälfte der Ordensgründer Dominikus mit dem Hündlein, seinem Attribut, und auf der an­ Zum Zeitpunkt der Klosteraufhebung leitete deren Hälfte weitere übliche Wappensymbole Maria Anna von Khuon den Klosterkonvent mit des Dominikanerordens zu erkennen, dabei auch 31 Frauen. Insgesamt 23 Klosterfrauen wollten der Stern als Zeichen der Gelehrsamkeit. An die wie sie selbst bei der Aufhebung ihren Gelübden Stelle der Empfänger-Anschrift schrieb die Prio­ und dem heiligen Orte treu bleiben. Landeskom­ rin: "Eine Brandsteuer auf BaIIingen". missar Dizinger, der zur verwaltungsmäßigen Aus ihrer weitabgeschiedenen Klosterklausur Übernahme und teilweisen Veräußerung des und ihrem ganz der katholischen Frömmigkeit Klosterbesitzes von der Stuttgarter Regierung auf gewidmeten Leben heraus wollen also die Non ­ den Kirchberg entsandt worden war und aus ei­ nen den durch die Großbrand-Katastrophe "be­ ner evangelisch geprägten Familie stammte, drängten Bürgern" im weltoffenen, rein evange­ staunte während seines längeren Aufenthaltes lischen Balingen nach Kräften helfen, und sie tun hier über den gewohnten Stil des Hauses. Er ber­ das mit einer finanziellen "Beisteuer" von 11 Gul­ ichtet in seinen Lebenserinnerungen, das Tag­ den und mit ihrem Gebet zu Gott! Der Beichtva­ werk der Chorfrauen habe aus Beten und Singen ter des Klosterkonvents hat außerdem beigelegt, bestanden. In den Freistunden hätten sie sich was er vielleicht aus dem Opferstock als kleine bloß mit Sticken oder mit Verfertigen von künstli• . Gaben der Kirchenbesucher insgesamt entneh- chen Blumen unterhalten. Die Besorgung der Seite 1324 Heimatkundliehe Blätter Juli 2002 20. Zustand der Schule, in Absicht auf "Eckig und Religionskenntnisse und Zucht Fächer 1. Klasse 2. Klasse 3. Klasse 4. Klasse Glaubens- und Ziemlich Ziemlich unpoliert" Sittenlehre Die Kinder sind schwer über das Mechanische und Äußerliche, Der Visitationsbericht des Tailfinger Buchstäbliche hinauszubringen Pfarrers Adolf Kieser aus dem Jahre 1871 Biblische Gut Ziemlich Ziemlich Mittel - von Dr. Peter Thaddäus Lang I Schluss Geschichte 2. Schulmeister: Künzel, Philipp Friedrich, geb. Memorieren Gut Gut Gut Gut 24. Dez. 1826 in Bonfeld, wo er auch Bürger ist, verheiratet mit einer Tochter des hiesigen Zucht Ziemlich Gut (fast sehr Gut (fast sehr Ziemlich Schultheißen Maute, Vater von fünf Kindern: vier gut) gut) Knaben und ein Mädchen, seit 27 Jahren Lehrer Verhalten der Die hiesigen Kinder sind teils vermehrt schüchtern, teils aber auch und seit dem 1. Aug. 1859 zweiter Schulmeister hier, Lehrer der zweiten Schulklasse mit 24 wö• Kinder keck, ja frech und fürwitzig und sehr (besonders die Mädchen) zum chentlichen Unterrichtsstunden im Sommer und Schwatzen geneigt und zur Unruhe. Ehrlich einen Fehler eingestehen 26 im Wint er. Er verbindet mit ziemli ch -guten ist auch, besonders in der Oberklasse, gar nicht ihre Gewohnheit. Gabe n und Kenntnissen guten Fleiß, führt gut e Ehe und Wandel und ist au ch als Organist und Kantor gut. Über die Mesnerei vgl. § 10 oben. 21. Zahl der von dem Geistlichen in der Schule erteilten Unterrichtsstunden 3. Schulmeister ist hier: Sch., Iohann Friedrich, geb. 9. April 1934 in Aarau, Bürger in Tübingen, Zahl 1869170 Zahl 1870171 seit dem 12. Januar 1871 verheiratet mit der Tochter ein es hiesigen Strumpfwarenfabrikanten Schulklasse Sommers Winters Sommers Winters und Gemeinderats, seit 17 Jahren Lehrer und seit ~ 2.14. Mai dritter Schulmeister hier, Lehrer der 1a 19 26 17 39 vierten (Elementar-) Klasse, musste und muss 1b 17 26 17 39 Abteilungsunterricht mit vermehrter Stundenzahl 2a 14 29 20 40 erteilen in vermehrten 32 wöchentlichen Unter­ 2b 14 29 2 40 richtsstunden, wofür er als Nachfolger und Erbe Gußmanns 40 Gulden Belohnung au s der Ge­ meindekasse erhält. Lehrgehilfe ist hier: Enßle, Johann .Friedrich, 24. Sonntagsschule Bis jetzt hat er sich besser erwiesen als sein Ruf geb. 3. August 1848 in Hohengehren , wo er auch In der Sonntagsschule werden die betreffenden war, der ihm vorausging, als er zum dritten bürgerlich ist, ledig, seit fünf Jahren Lehrer, seit Perikopen gelesen und der religiöse Mem orier­ Schulmeister hier ern annt war, und den er d. 4./6. Mai 1870 Lehrgehilfe hier, Lehrer der drit­ stoff, der in der Werktagsschule gelernt worden zurückließ, als er anfangs Juni 1868 als Unter­ ten Schulklasse, die er sommers in 24, winters in ist, abwechslungsweise repetiert. Auch wird , be­ lehrer Tailfingen verließ, nachdem er gerade ein 26 Stunden wöchentlich unterrichtet (seit Georgii sonders um die Zeit des Reformationsfestes, die Jah r hier gewesen war. Dieser nicht gute Ruf zog (23. 4.) 1870 darf und muss er Abteilungsunter­ eine oder andere Nummer des Lesebuchs gele­ ihm, als seine Ernennung als dritter Schulmeister richt geben mit vermehrter Stundenzahl - wö• sen. Endlich wird jed e Sonntagsschule mit eine m Tailfinge ns hier bekannt wurde, Ende April 1870 che ntlich 32 Stunden). Mit ziemlichen Gaben oder mehr Choralversen begonnen. eine Protesteingabe der hiesigen Orts schulbe­ und Kenntnissen verbindet er guten und durch­ aus lobenswerten Fleiß. 'Er ist noch ziemlich ju­ Quellen hörde und des Gemeinderats und des Pfarrge­ Landeski rchlic hes Archiv Stu ttgart, A 29 Nr. 4552, Visita tionsbe­ meinderats an die hohe Ober-Kirchen- und gendlich-lebhaft und (noch allzu) unruhig, und rich t 1871. (Aus Platzgrü nden wurde auf die Wiede rgabe der Schul-Behörde zu, die aber den gewünschten Er­ spricht auch als Lehrer viel zu viel. Doch wird Randbem erkungen des Dekans verzichtet.) Stadtarchi v Albstadt, Stadt Ebinge n, Inven turen un d Teilungen folg nicht hatte. Gebessert hat er sich gegen frü• sich Solches wohl auch noch geben mit der Zeit und abklären. Sein Wandel war bis daher unan­ 1878/1 879. her, Gott sei Lob und Dank, er hatte es aber auch Stadtarchiv Albstadt, Stadt Tailfingen, Inve nturen und Teilungen sehr nötig. Ein guter, religionsgewissenhafter, mit stößig und klaglos , obwohl er leider in einem 1878/1 879. weiser Liebe und der rechten Gemütlichkeit die Wirtshaus hier in die Kost gehen muss. Als Kantor und Organist stellt er auch seinen Mann. Literatur Kinder (der Elementarklasse vollends) behan­ P. Th. Lang, Der Ebinge r Visitationsbe richt aus dem Jahr 1859. In: delnder Lehrer und Meister der Schule ist er aber Lehrer waren hier im Schuljahr 1869170 und Heimat kundlich e Blätt er Nov./Dez. 2000. P. Th. Lang, Quellen zur Industr ialisierung im kommunalen Be­ auch jetzt noch nicht und wird solches leider sind von hier abgegangen am Anfange des Schul­ reich . Erscheint demnäch st in eine r der Publikation sreih en der wohl auch nicht mehr werden. Er gibt sich jedoch jahres 1870171: der dritte Schulmeister: Landeskirchendirektion Stuttgart . in seiner Weise Mühe, hat auch - wenigstens Gußmann, Jakob Ludwig. Derselbe wurde im äußere - Ordnung in seiner Schule im Ganzen Berichte auf 1869 prädiziert (dieser 'Bericht ist und führt, soviel wenigstens dem Referenten be­ nicht erhalten). Er kam als Schulmeister nach Ba­ kannt ist, bis jetzt einen unanstößigen, geordne­ lingen, und Sch. ist sein unmittelbarer Arbeits­ ten Lebenswandel. Als Kantor leistet er nicht viel, nachfolger hier. Der Lehrgehilfe: Maier, Andreas. Verfasser der Beiträge da sein Organ vieles zu wünschen übrig lässt; als Derselbe wurde gleichfalls im Berichte von 1869 in dieser Ausgabe: Organist wird er zum Teil sehr gerühmt und gilt prädiziert. Er kam - mit Gußmann - auch nach für einen gewandten und kenntnisreichen Orgel­ Balingen als Lehrgehilfe, und ist hier Enßle sein Prof. Dr. Ing. H. A. Bitzer Am Schloss 10, 72459 Albstadt spiele~ . Vgl. § 9 oben. unmittelbarer Nachfolger. Dipl.-Päd. Adolf KIek Wolfsbühlstr. 6, 72336 Balingen Dr. Peter Thaddäus Lang, Johannesstraße 5, 72458 Albstadt Klassen und deren Lehrer 1869170 1870/71 1869170 1870/71 1869170 1870/71 1869170 1870/71

1.Klasse des Schul- lnsges. 83 88 33 36 50 52 12 -14 13-14 Herausgegeben von der meisters u. Aufsichts- Abt. a 22 41 II 15 II 26 13-14 ' 13- 14 Heimatkundlichen Vereinigung Balingen. lehrers Axamitt Abt.b 27 47 9 21 18 26 13- 14 13 Vorsitzender: Abt.c 34 keine 13 keine 21 keine 12 -13 keine Christo ph Roller, 72336 Balingen, Am Heuberg 14, 2. Klasse des 2. Schul- Insges. 88 86 43 45 45 41 10-12 11-12 Telefon 77 82. meisters Künzel Abt.a 52 40 23 22 29 18 11- 12 ll-12 Geschäftsführung: Abt. b 36 46 20 23 16 23 meist 10 11 Ruth Hübner. Im Kirschenwinkel 2, 72359 Dot­ 2. Klassedes Lehrge- Insges. 76 80 38 39 38 41 meist 10 9-11 ternhausen, Te lefon (07427) 910 94. hilfen Maier Abt. a 50 27 25 13 25 14 meist 10 10-11 Redaktion: (1870/71 Enßlinl Abt. b 26 53 13 26 13 27 . meist 10 9-10 Christoph F. Riedl, 72336 Balingen, Gerh.-Haupt­ mann-Ring 14, Telefon 7816. . .4. Klassedes 3. Schul- Insges. 128 126 7 -9 7 -9 59 60 69 66 Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils meisters Gußmann Abt.a 54 69 26 31 28 38 8 - 9 8 - 9 am Monatsende als ständige Beilage des "Zollern­ (1870/71 Sch.) Abt. b 74 57 33 29 41 28 7- 8 7- 8 Alb-Kuriers"...... -...~...... che·Blätter

Jahrgang 49. " 31. August 2002 Nr.8 Hossinger Vorfahren von Kurt Georg Kiesinger Bauern-Vögte, Handwerker und ihre Frauen 31s Ahnen des Südweststaat-Mitbegründers I Von Adolf KIek, Balingen

In der FÜlle der Veranstaltungen und Publikationen zum 50-jährigen Bestehen des Bundeslan­ des Baden-Württemberg wird immer wieder hervorgehoben, dass es KurtGeorg Kiesinger war, der den Weg zur Gründung des Südweststaates bereitete und später als Ministerpräsident dem Land Baden-Württemberg ein einheitliches, zukunftsoffenes Gepräge gab;

stellter Vater, vermittelten dem Jungen unver- Landesjubiläum weckt Erinnerungen gessliche Eindrücke von der evangelischen Geis­ teswelt. Der Vater wäre lieber Lehrer geworden. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Kiesinger ge- Er veröffentlichte eigene Gedichte in der Lokal­ wann 1951 seine CDU-Kollegen in Bonn dafür, zeitung. das Neugliederungsgesetz zu beschließen, auf Im Haushalt seines Firmeninhabers hatte der Grund dessen die schon länger laufenden Ver- "Vater eine Dominika Grimm aus Bubsheim handlungen in den vorläufigen Ländern im (Landkreis Tuttlingen), Tochter einer katho­ deutschen Südwesten zu einem Zusammen- lischen Bauern- und Bierbrauersfamilie, kennen schluss als vereinigtes, lebenstüchtigeres Bundes- gelernt und "sie geheiratet. Nach ihrem frühen Dr.KurtGeotgKiesingetund sein VaterChristian. land führen konnten. Im Dezember 1958 wurde Tod schloss der Vater eine zweite Ehe, mit einer DasBildist kopiert aus der Sonderausgabedes "er aus Bonn nach Stuttgart ins Amt des Minister- ebenfalls katholischen Gastwirtstochter aus Ebin­ • Zollern-Alb-Kurier am 12. April 1984 aus Anlass des Festempfangsder StadtAlbstadt zum 80. Geburtstagvon präsidenten für das junge Bundesland Baden- gen, deren Familie aus dem benachbarten Ho­ Dr.K. G. Kiesinger Württemberg berufen. Bis er 1966 als Bundes- henzollern-Ländchen stammte. Mit sechs Ge­ kanzler wieder nach Bonn zurückkehrte, führte schwistern aus dieser Ehe ist Kurt Georg in ihrer er mit bewundernswerter Integrationskraft, Frömmigkeitspraxis erzogen worden, besuchte die Filialgemeinde Hossingen ist ab 1593 vorhan­ Klugheit und Repräsentation eine Blütezeit für auch den Kindergarten und die Grundschulklas­ den. sein Heimatland herbei. - sen der katholischen Minderheiten-Konfession in. Ein Thomas Kiesinger in Meßstetten lässt sich "Ich habe es immer als ein Glück empfunden, Ebingen. als frühester belegbarer Vorfahre von Kurt Georg im schwäbischen Land geboren zu sein", schrieb Kiesinger feststellen". Seine Ehefrau Anna er in den Weihnachtstagen 1963 in den ersten Viele Ferienaufenthalte in Bubsheim ließen ihn brachte neun Kinder zur Welt, darunter den Sohn Sätzen seines Büchleins "Schwäbische Kind- die Eigenarten des dortigen Menschenschlages Matthias, der im Jahre 1597 am .Pesto Matthiae" heit'". Auch als Bundeskanzler und Staatsmann kennen lernen. Der Ort im Kerngebiet der frühe• (24. Februar) geboren und getauft wurde. Dieser im weltweiten Horizont blieb er seiner badisch- ren Grafschaft Hohenberg gehörte jahrhunderte­ Matthias Kiesinger heiratete im November 1617 württembergischen Heimat verbunden. Privater lang bis 1805 zu Vorderösterreich, das vom Kai­ in Hossingen eine Ursula Eppler, die im Jahre Familienwohnsitz blieb die Universitätsstadt Tü- serhof in Wien regiert und von Beamten mit Sitz 1600 geboren worden war. Sie war das einzige bingen. Auf seinen beliebten Spaziergängen at. : in Freiburg im Breisgau verwaltet wurde. Kurt Kind der Eheleute Ulrich und Sophia Eppler. Ihr mete er gern die Luft des Schönbuchs oder der Georg Kiesinger verbrachte während seiner Aus­ Vater, ein recht wohlhabender Bauer, regierte Schwäbischen Alb. bildungszeit am Rottweiler Lehrerseminar häufig den kleinen Weiler alsOrtsoberhaupt mit dem Ti­ die Ferien bei einem Vetter Grimm, der in Baden tel "Vogt". Das Eppler-Geschlecht ist in Hossin­ Volksschullehrer geworden war. gen wohl das älteste. Schon im Jahre 1525 lebten Zweierlei Traditionen erlebbar in den vier Häusern des Ortes zwei Familienväter mit diesem Geschlechtsnamen", Matthias Kie­ , Kurt Georg Kiesinger hat gern und dankbar von Die Herkunft des Kiesinger-GescWechts singer blieb im Heimatort seiner Ehefrau wohn­ seinen Vorfahren aus zweierlei Land schaften im haft. Er wurde zum Begründer der Kiesinger-Ah­ höchsten Bereich der Schwäbischen Alb gespro- Wenn sich Albstadt-Ebingen rühmen darf, Ge­ nenreihe in Hossingen. chen, deren Lebensstil bei aller materiellen "burtsort und Jugendheimat des baden-württem• Schlichtheit reich an geistigen Werten war. In sei- bergischen Minsterpräsidenten und späteren nen Erinnerungen schreibt er: "Vom Vater her Bundeskanzlers zu sein, so kann das nahe Dorf Im Amt des Vogtes bin ich schwäbischer Abkunft. Mein mütterliches Hossingen, am Rande der Heuberghochfläche. Geschlecht war alemannisch . . ." Man könne jetzt Teilort der Stadt Meßstetten, stolz darauf Das Kiesinger-Ehepaar in Hossingen konnte ab zwar gemeinsame Eigenschaften der Bevölkerung sein, seinen Vorfahren auf der Vaterseite durch 1620 vier Kinder aufziehen. Bei ihrer Taufe über• im ganzen südwestdeutschen Raum feststellen, zweieinhalb Jahrhunderte hindurch als Heimat nahm das Patenamt"der jetzt regierende Vogt jedoch habe die geschichtliche Entwicklung auch und Lebensmittelpunkt gedient zu haben. Die Georg Mock. Er hatte eine ihm an Alter überle• Unterschiede entstehen lassen. "So betrachtet Gemeinde Meßstetten aber mag darauf verwei ­ gene Witfrau Margarethageheiratet, wahrschein­ war meine väterliche Familie altwürttember- sen, dass das Kiesinger-Geschlecht vorher schon lich aus der Eppler-Sippe, und eine Tochter mit giseh-schwäbisch und protestantisch, meine dort ansässig war. ihr bekommen. Auch dieser Pate muss mit seiner mütterliche vorderösterreichisch-alemannisch Die beiden Ortschaften Meßstetten und Hossin­ "Hausfrau" sehr vermögend gewesen sein, denn und katholisch. Das waren, trotz der Stammes- gen hatte im Jahre 1418 der Graf von Württem• .die beiden können als Stifter von Wandgemälden verwandtschaft, zwei sehr verschiedene Traditio- berg aus dem Erbe des Heinrich von Tierberg ge­ in der Hossinger Kirche angesehen werden. Die nen, welche die ihnen zugehörige Menschen tief kauft. Ursprünglich gehörten sie zum Herr- . Wandbilder sind mit der 1903 abgebrochenen geprägt haberr'." schaftsgebiet der Grafen von Hohenberg. Seit der Kirche verschwunden. "In der Industriestadt Ebingen, jetzt Albstadt- Reformation in Württemberg wird Hossingen Während des Dreißigjährigen Krieges wechselte Ebingen, wo er am 6. April 1904 geboren worden vom evangelischen Pfarramt in Meßstetten mit­ das Vogts-Amt 1639 zu Martin Matthes. Auf ihn war, erlebte Kurt Georg Kiesinger von Jugend auf betreut. Schon im ältesten Tauf-, Ehe- und To­ folgte im Jahre 1652 der genannte Matthias Kie­ vorrangig die altwürttembergisch-pietistische tenbuch dieser Pfarrei, für Meßstetten 1583 be­ singer. In seine Amtszeit fällt ein Wiederansteigen Frömmigkeit und Geschäftigkeit. Die Großmutter ginnend, findet sich mehrfach der Familienname der Einwohnerzahl, die in den Kriegsjahren von "und ihr Sohn Christian, sein als Kaufmann ange- "Kiesinger". Das entsprechende Kirchenbuch für etwa 90 auf 50 Seelen gesunken war. Für die Re- Seite 1326 Heimatkundliehe Blätter August 2002

gelung der kirchlichen und schulisch.en }3elange 'seiner Söhne wirkte ebenfalls als Heiligenpfleger sowie für die Armenfürsorge und die Uberwa­ und zeitweise auch als Vogt. Ein anderer- Sohn chung des sittlichen Verhaltens der Ortsbewoh­ von ihm trat während der Wintermonate als ner hatte jeden Monat der Pfarrer mit dem Vogt Schulmeister in die Fußstapfen seines Onkels. und drei ehrbaren Männern als "Kirchenkon­ vent" zu tagen. Man ließ das kleine Kirchlein ver­ größern und dabei wahrscheinlich die erwähnten Auf kargem Boden Wandgemälde anbringen. Eine neue Glocke konnte beschafft werden, einige Jahre später eine In der anderen Sippe der Kiesinger wird nun die zweite. Ab dem Jahr 1668 gelang es endlich, für überall einsetzende "allgemeine Verarmung'" der die Hossinger Kinder während der Wintermonate Dorfbevölkerungen wahrnehmbar. Je mehr die in einer Bauernstube eine Schule einzurichten. Einwohnerzahl durch den Kinderreichturn an­ Als Nachfolger für Matthias Kiesinger im Amt .stieg, desto kleiner musste bei der gleichmäßi~en Ortszentrum Hessingen um 1960. des Vogtes ist später sein Sohn Georg verzeich­ Erbteilung der Güterbesitz werden. In Hossm­ Aumahme: Privat net. Er hatte 1653 die Witwe von Vogt Matthes ge­ gens rauher Höhenlage von 900 m über N. N. war Kiesinger (1800 - 1859) heiratete 1830 Magdale~a heiratet. Das Kiesinger-Geschlecht behielt also in ohnedies der Ertrag der steinigen Ackerböden Scherlin, die Tochter eines Strumpfwebers m einer weiteren Generation die führende Stellung kärglich. Ein Andreas Kiesinger aus der Ahnen­ Hossingen. Dieses neuartige Gewerbe blühte da~ . im Dorf. Der Vogt eines Ortes wurde in jener Zeit reihe (1716 - 1794), der 1737 eine Katharina Epp­ mals in Ebingen und Umgebung. Unter den drei von der Herrschaft ernannt, war Repräsentant ler geheiratet hatte, bemühte sich als Kuhhirt, Kindern dieser Ehe befand sich als nächster Vor­ des Landesherrn und Vorsitzender des Gemein­ Nachtwächter und Totengräber um einen fahre Iohann Georg Kiesinger, geboren 1840, ges­ degerichts (Gemeinderats). Er genoss Freiheit bescheidenen Verdienst zusätzlich zu seinem torben 1906 in Ebingen. Seinen zweiten Vorna­ von Fron- und Steuerpflichten und erhielt Anteile Kleinbauernbetrieb, um seine sechsköpfige Fa­ men trägt ebenso sein späterer Enkel Kurt Georg von Strafgeldern und Naturalabgaben. Ein Vogt milie ernähren zu können. Kiesinger. , versah in der Regel sein Amt so lange, bis er selbst Die Urkunden erwähnen in dieser Zeit auch ei­ Der Großvater betätigte sich in einem anderen wegen Altersschwäche oder Tod ausschied. Nicht nen Rosshirten, Geißhirten, Schäfer und eine Käl• dieser Vogt Georg, sondern ein anderer Sohn Gewerbe, nämlich als Maurer. Bei seiner Ehe­ berhirtin. Sein Amt als Nachtwächter schlägt sich schließung im Jahre 1867 verließ er den Heimat­ namens Hans stellt das nächste Glied in der nieder in einem Kirchenkonventsprotokoll aus Ahnenreihe von Kurt Georg Kiesinger dar. ort und zogin das Elternhaus seiner Frau Anna dem Jahre 1756, als vier ledige Burschen aus Maria, geborene Schneider (1840 - 1912), das als Oberdigisheim von ihm angezeigt und dann be­ einer von mehreren Einzelhöfen auf dem Michel­ straft wurden, weil sie "den 1. Mai am Feiertag feld stand, nahe bei der Hossinger Markungs­ Philippi und Jakobi in der Nacht bis an den dar­ Mutter bedeutender Söhne grenze. Er wurde dadurch Bürger der im Bäratal auf gefolgten Sonntag in dem Flecken einen liegenden Gemeinde Oberdigisheim. Zum land­ großen Tumult mit Schreien und Johlen ve~h- Aus der Ehe des 162i geborenen Hans Kiesinger ret" . Im gleichen Jahr klagte er als Totengraber wirtschaftlichen Betrieb seiner Schwiegereltern ~nd ei~e mit seiner Ehefrau Maria gingen sieben Kinder dem Kirchenkonvent über Missstände auf dem gehörte, ein Kalkofen, ein Steinbruch hervor. Zwei davon kamen in den letzten Jahren Kirchhof. Der Platz um die Kirche sei für die Ziegelei. Den Lehm dazu konnte man dicht beim des Dreißigjährigen Krieges zur Welt, als es für Beerdigungen viel zu klein, sodass man zu früh Haus graben. Abnehmer für die gebrannten Meßstetten und Hossingen zwölf Jahre lang kei- die Gräber wieder neu belegen müsse. Er stoße Dachziegel und Backsteine kamen aus den nen Pfarrer gab . Ihre Taufe vollzog der Pfarrer beim Graben außerdem zu bald auf felsigen Ortschaften der Umgebung. Auf dem Michelfeld von Winterlingen. Er musste mühevoll die vier Grund. . wurde der Sohn Christian (1876 - 1969), der Vater des Bundeskanzlers, geboren und verbrachte hier evangelischen Heuberggemeinden mitbetreuen. Im Stammbaum folgen auf ihn in den nächsten mit drei Brüdern seine ersten Kindheitsjahre. Im Jahr 1658 wurde dem Ehepaar ein Sohn Hans drei Generationen Familienväter, die jeweils ur­ Taufpate der Kinder war der Adlerwirt von Hos­ geboren, der mit dem gleichen Vornamen wie der kundlieh als Weber bezeichnet werden. Hanf und singen. Im Jahre 1883 zog die Familie des Johann Vater den in Betracht stehenden Stammbaum Flachs wurden auf den ortsnahen Flurstücken Georg Kiesinger vom Michelfeld nach EbiJigen. direkt weiterführt. In der ortsgeschichtlichen Be- .Hanfgarten" und "Flachsländer" angebaut: Was deutung überragt ihn aber seine um drei Jahre äl- die Frauen in der Winterszeit daraus gesponnen tere Schwester Katharina. hatten, verarbeiteten die Männer am Webstuhl in Diese Katharina Kiesinger, geb. 1655, gest. nach einer Kammer im Erdgeschoss ihrer Hauses. So Die Großmutter, eine "wunderbare Frau" 1719 vermählte sich um 1680 mit Hans Martin oft es die notwendige Feldarbeit zuließ, verdien­ Eppl~r aus Hossingen, geb. 1657, gest. 1705...Sie ten die Leineweber damit ein wenig Geld. Bis in sein achtes Lebensjahr konnte der Bun­ wurde die Mutter herausragender Söhne. Ort- Weil der Ertrag der eigenen Grundstücke bei deskanzler die Wesensart der Mutter seines Va­ liehe Führungspersönlichkeiten tragen ab dem den Kleinbauern oft nicht ausreichte, um die Zie­ ters erleben. Er zitiert in seinem Erinnerungs­ 18. Jahrhundert zwar noch "blutsmäßiges" Erb- gen im niederen Stall zu füttern, rupften die band einen derben Ebinger Mann, der von ihr als gut der Kiesinger, aber nicht mehr ihren Ge- Frauen oft mit ihren Händen im Wald und auf von einer "wunderbaren Frau" sprach (S. 28). schlechtsnamen, sondern den der Eppler. , den Felsen ein Tragetuch voll Futtergras. Der Aufschlussreich sind folgende vorausgehenden Katharinas Sohn Johannes Eppler (1682 - 1755) Schwiegervater des Webers Johannes Ki~si~ger Sätze: "Die herauf;kommendeIndustrie hatte heiratete eine Tochter des Schulmeisters Göring (1767 - 1833) verlor seine erste Frau, weil sie ­ meine väterlichen Großeltern nach Ebingen ge­ und wurde dessen Nachfolger in der Winter- wie im Totenbuch steht - "nahe bei dem Flecken zogen, wo der Großvater als Maurer Arbeit fand; Schule. Damit war auch der Mesnerdienst für die auf die Spitze des Berges in das Gras gegangen" dort war er bald nach meiner Geburt gestorben. Kirche verbunden. In den Visitationsberichten und dort über einen Felsen "haushoch" hinab­ Meine Großmutter Anna lebte noch bis zum ' des Dekans an das herzogliche Konsistorium wird gestürzt sei. Es lässt sich dabei an den Steilab~all Jahre 1912. Ihre beiden Söhne stritten sich dar- er nicht nur' ob seiner pädagogischen Fähigkei- von der Hochfläche hinab ins Eyachtal beim .um, wer sie bei sich haben dürfe. Ihre letzten ten sondern auch als theologisch kenntnisrei- . Schuhmacherfels und bei der Hossinger Leiter Jahre verbrachte sie bei uns. Die zarte und lie­ eher, frommer Mann und "selbstgelernterMaler" denken. Von dort sind noch weitere tödliche Un­ benswerte, zuletzt bettlägerige Frau war eine pie­ gerühmt. In der Hossinger Kirche hängt h~utzu- glücksfälle bekannt. Die Frau, die 1895 hier b~im tistisch gestimmte Methodistin, die ein Kränz• tage ein Bild von ihm, zum Gedenken an em v~r- Grasholen ein Büblein gebar, stammte aus emer chen älterer und jüngerer Frauen um ihr Kran­ kenbett versammelte, wo sie miteinander sangen, storbenes Kind der damaligen Pfarrersleute, Im anderen Kiesinger-Linie . Stil der Zeit gemalt. Das Kruzifix, das in der beteten und die Bibel lasen ... Der Geist seiner Kirche über dem Altar aufragt, wurde wohl von Mutter hat meinen Vater, Christian Kiesinger, seinem Bruder Jakob gestiftet. Dieser Hans Jakob sein Leben hing begleitet", Der Großvater verlässt Hossingen Eppler (1690 - 1752) hatte von 1739 bis 1752 das Amt des Vogtes in Hossingen inne: Am Stamm Wegen der bisher beherrschenden. Rolle ~er des Kruzifixes befand sich früher ein kleines Ge­ Landwirtschaft im dörflichen Leben Wird erst Im Hossinger Verwandtschaft heute dächtnisbild mit der Inschrift "Jakob Eppler hat Jahre 1733 möglich, die Schulkinder auch wäh• dieses Bild hauen lassen 1734"5. Im Totenbuch d~rch rend der Sommermonate zum Schulbesuch zu So 'führt der Weg der Ahnenreihe von Kurt trug der Pfarrer bei ihm ein, er sein "ein verpflichten. Es ist gleichzeitig nur für drei Män• Georg Kiesinger durch eine Eheschließung im leibliche und geistliche Anfechtungen geprufter ner eine handwerkliche Berufsbezeichnung er­ Jahre 1617 von Meßstetten nach Hessingen und Mann" gewesen. wähnt: Leineweber, Schmied und Schneider. genau ,?50 Jahre später wieder d~rch..eine Heirat Ein weiterer Sohn von Katharina und Hans Etwa hundert Jahre später (1820) hat die Erbsitte aus diesem Orte weg. Zwei nähere Ver­ Martin Eppler tritt als Heiligenpfleger hervor, also der Realteilung zu noch mehr Kleinbauernbetrie­ wandschaftslinien über das Großelternpaar gibt als Verwalter des Kirchenvermögens. Es ist An­ ben und notgedrungen zu mehr gewerblichen es heute noch in Hossingen. Die wunderbare dreas Eppler (1687 - 1736), im Ort auch "Kreuz­ Zusatztätigkeiten geführt, sodass in Hossingen 14 Großmutter Anna einerseits hatte noch eine gassen-Beck" genannt. Bäcker zu sein, setzte '(er­ Handwerker unter 392 Einwohnern in 49 Wohn­ Schwester Magdalena. Sie heiratete 1877 den mögen zum Bau eines Backofens voraus. Emer häusern registriert sind", Der Weber Johannes Zimmermann Jakob Bodmer in Hossingen. Von ~ugust 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1327

den sieben Kindern dieses Paares blieb ein'Sohn Süddeutschen Rundfunks sagte Dr. Kurt Georg und als handschriftlicher Textband mit Stammbaum-Tafel dem Ministerpräsidenten übergeben. Eine Abschrift beim hier mit Nachkommen wohnhaft. Es ist Richard . Kiesinger beim Rückblick auf seine 80 Lebens­ Verfasser liegt diesem Beitrag zugrunde. In seinen Bodmer, der jahrzehntelang Mesner war und jahre am Schluss dieser Worte: "In Baden-Würt• Erinnerungsband "Dunkle und helle Jahre" hat K. G. Kiesinger viele Nachkommen hat. temberg verlebte ich als Ministerpräsident wohl einige dieser Personendaten aufgenommen (S. 18). 4 } Adolf KIek,Hossinger Kirchen- und Ortsgeschichte, heraus­ Andererseits besaß der Großvater Johann Georg meine glücklichsten Jahre. In Baden-Württem• gegeben von der evang. Kirchengemeinde Hossingen 1963. Kiesinger, Maurer, noch zwei Brüder. Einer da­ berg, in dem Lande, aus dem meine Familie Aus der gedruckten Broschüre sind die Informationen zur Ortsgeschichte für diesen Beitrag entnommen, sofern keine von, Johann Matthäus, blieb in Hossingen als stammt und in dem sie seit vielen Jahrhunderten gelebt hat, habe ich eben immer das gehabt, was andere Quelle genannt ist. Bauer und Schäfer. Ein Sohn Johanneshatte mit 5 } Adolf KIek, Der alte Kruzifixus in Hossingen. Stuttgarter seiner Ehefrau Anna Maria, geb. Strölin 13, Kin­ jeder Mensch braucht: Heimat." 11 evang. Sonntagsblatt. 100. Iahrg. Nr. 14.3. April 1966 6} Siegfried Kullen, Grundzüge der wirtschaftlichen und sozialen der. Sein Postbotenamt gab er an den Sohn Eu­ Entwicklung vom 18. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. In "Der Zollemalbkreis", 2. Aufl.•herausgegeben von Landrat gen Kiesinger und seine Familie weiter. Ein an­ Literatur- und QueUennachweis: derer Sohn des Schäfers, der Bauer und Trikotwe­ Heinrich Haasi s MdL. Stuttgart 1989..S. 125 f. I) Kurt Georg Kiesinger, Schwäbische Kindheit. Tübingen 1964, 7} Näheres bei: Adolf KIek. Die Hossinger Leiter. ber Gottlob Kiesinger ("Schäfer-Gottlob"), führte S.5 Schwarzwälder Hausschatz 1967 mit den Töchtern Bertha (verh. Eppler) und Luise 2} Kurt Georg Kiesinger , Dunkle und helle Jahre ­ 8 ) "Der Landkreis Balingen", Amtliche Kreisbeschreibung Marie (verh. Bodmer) sowie deren Nachkommen Eririnerungen 1904 - 1958. Stuttgart 1989. S. 37/38 Bd. I, 1960. Tabellenanhang S. 17, 18. 20 9 ) wie Nr. 2, S. 19 diesen Zweig der Sippe weiter!". Als die Witwe 3 ) Angaben aus den Kirchenbüchern beruhen - soweit keine andere Quelle genannt ist - auf der Arbeit "Die Vaterseite der 10) Adolf KIek.Verwandte des Bundeskanzlers in Hossingen, des 'Gottlob Kiesinger im Haus des Enkels, des Vorfahren von Herrn Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger, Mitteilungsblatt der Gemeinde Hossingen, 8. Iahrg., Straßenwarts Eugen Bodmer, den 90. Geburtstag erforscht und dargestellt von Hauptlehrer Adolf KIek 1964 in Nr.27. 7. 7.1967 Hossingen" 11) Kurt Georg Kiesinger: Fügung und Verantwortung. Festgabe 1963 erreichte, ließ Ministerpräsident Kiesirrger Auf Anregung des damaligen Ministerpräsidenten und durch des Landtags von Baden-Württemberg für Bundeskanzler a. D. ihr einen besonderen Gruß zukommen. Vermittlung des Meßstetter Landtagsabgeordneten und und Ministerpräsident a. D. Dr. h. c. Kurt Georg Kiesinger, In einem Gesprach mit dem Intendanten des Bürgermeisters Erwin Gomeringer wurden die Daten ermittelt Stuttgart 1984. S. 93

Ein Spendenbrief aus dem Kloster Kirchberg für Balingen Pensionierte Klosterfrauen helfen nach dem Stadtbrand 1809/VonAdolf KIek, Balingen - 2. Folge (Schluss)

Aber schon in jugendlichem Alter war Anna von kirche, die auch von vielen Wallfahrern besucht der Einwohner in Nachbarorten und unzähliger Khuon als Novizin bei den Dominikaner-Ordens­ und mit Ablass verbunden waren, verfügte "der mitfühlender Menschen überall. Der König ließ frauen im Kloster Kirchberg eingetreten. Mit 19 Herr Beichtvater" über eine herausragende eine Kollekte im ganzen Land ausschreiben. Ins­ Jahren hatte sie im Jahre 1760 die ewigen Ge­ Würde. Er stammte wie die Priorin aus Rottweil. gesamt gingen über 20000 Gulden an freiwilligen lübde abgelegt. Nach dem Brauch der Kloster­ Vom dortigen Dominikaner-Konvent wurde re- Geldspenden ein und dazu Lebensmittel ("Natur­ frauen nahm sie als ersten Vornamen den Namen gelmäßig ein Pater zum Frauenkonvent im Klos- alien") im Wert von rund 4500 Gulden. Der '"Maria" an, weil die Mutter Iesu als Vorbild ihr ter Kirchberg als Beichtvater und Messpriester Amstpfleger, der Dekan und der zweite Pfarrer an Leben ganz bestimmen sollte. Sie wurde später abgeordnet. , der Stadtkirche regelten die korrekte Weitergabe zur Novizenmeisterin des Klosters für die Einfüh• Im Verlauf der Säkularisation des Klosters im an die Geschädigten. Den Gebäudeschaden er­ rung und Ausbildung neu eintretender Jung­ Jahre 1806 hat ein Mitglied der königlichen Korn- setzte die staatliche Gebäudebrandversicherung." frauen bestellt. Im Jahre 1801 wählten ihre missionen ein Verzeichnis aller hier ansässigen . Für die Balinger Bevölkerung war nun eine Mitschwestern, die überwiegend aus Oberschwa­ Personen ("Individuen") angelegt. Darin sind harte Zeit durchzustehen, aber es bestand sofort ben oder dem Raum Augsburg/München und in außer den Nonnen in einem weiteren Abschnitt wieder die Aussicht auf eine fortschreitende Bes­ der Regel aus einfacheren Familienverhältnissen als "Angestellte Personen" zuerst der Beichtvater, serung der Verhältnisse im Wiederaufbim. Die stammten", sie zur Leiterin des Konvents als dann der Verwalter angeführt und danach ein Klostergemeinschaft auf dem Kirchberg musste "Priorin". Im Dominikanerorden gibt es dafür "Herrendiener", der zugleich auch als Schreiner, dagegen mit unwiederbringlichen Verlusten nicht den Titel eines "Abtes" bzw. einer "Äbtis­ Torhüter und Sacristan tätig war. Über den · durch die Säkularisation und mit ständigen Zei­ sin" auf Lebenszeit. Beichtvater steht hier zu lesen: chen des Niederganges leben. Kostbares Inventar Der Spendenbrief vom August 1809 an die Bür• .,Iohann Nepomuc Linsenmann von Rottweil, war nach Stuttgart geschafft oder gleich vor Ort ger von Balingen wurde also von einer allgemein Alter 54 J., Aufenthalt im Kloster bisher 9 J., be- verkauft worden. Durch Todesfälle verkleinerte hoch geschätzten, fast 68-jährigen Ordensfrau gleitet die Stelle eines Beichtvaters und versieht sich der Konvent laufend. Während das Kloster geschrieben. Sie starb im Jahre 1822 mit 81 Le­ zugleich auch den Gottesdienst in der hiesigen vorher,aus seinem umfangreichen Besitz reich­ bensjahren. Auf'dem Kirchberg lebten nach ih­ Kirche, ist ein sehr fleißiger, tätiger u. aufgeklärter lieh Einkünfte erhalten hatte", zahlte nun die rem Tod noch acht "pensionierte Kloster-Con­ Mann...,,5 Der Pfarrer vom Nachbarort Wiesen- württembergische Staatsregierung den verbliebe­ vents-Glieder", denen es - wie das Archivrnaterial stetten schrieb später in seiner Chronik über Pa- . nen Klosterfrauen nur eine kärgliche Pension. erkennen lässt - sehr schwer fiel, ohne die Per­ ter Linsenrnann: Er "starb als Pensionär im Jahre Man überließ ihnen -kostenfrei die Wohnung, sönlichkeit der letzten Priorin auszukommen. 1820, nachdem er ohngefähr ein paar Jahre zuvor Holz zum Heizen und auch Getreide. Aber die kränklichkeitshälber sich seiner Stelle begeben Pensionszahlung betrug für. eine Chorfrau nur und in seine Vaterstadt zurückgezogen hatte"." 230 Gulden im Jahr, also nicht einmal einen Gul- -den pro Tag. Die Pensionen der Priorin und des Der Herr Beichtvater . Beichtvaters fielen etwas höher aus, die der Laienschwestern deutlich niedriger". Die gemein­ Nöte in Balingen und auf dem Kirchberg Dass der "Herr Beichtvater" seine Geldspende same Spende der Frauen von 11 'Gulden für die an die Balinger nicht in die Spendensumme der Die erstaunliche Tatsache der Hilfeleistung aus Balinger·Bevölkerung stellt demnach ein beacht- Klosterfrauen einfließen ließ, sondern sie geson­ liches Opfer dar. . dert übermittelte, kann kennzeichnend für seine dem Frauenkloster Kirchberg für die vom Brand­ besondere Amtsstellung sein. Er wohnte als unglück betroffene Balinger Bürgerschaft könnte Es werden dazuhin die laufenden Maßnahmen Mannsperson ja auch nicht unter einem Dach mit einem Gefühl der Verbundenheit im beidsei­ .der königlichen Regierung zur Reduzierung des mit den Nonnen. Während diese im Gebäudege• tigen Erleiden besonderer Not zusammenhän• klösterlichen Eigenlebens bedrückend'auf die viert in der Abgeschiedenheit der Klausur lebten gen. Klosterleute gewirkt haben. So wurde Anfang des - die Priorin in Räumen des heute noch stehen­ Es wundert nicht, dass die Nachricht vom Jahres 1809 den Frauenkonventen im Lande den großzügigen Westflügels-, befand sich die großen Stadtbrand in Balingen am 30. und 31. nicht nur die Abhaltung von Exerzitien und Kapi­ Wohnung des Beichtvaters Wie auch die des Ver­ Juni 1809 auch durch die Pforte der Klosterklau­ teltagungen verboten, sondern auch das Singen walters im seitlich vorgelagerten "Herrenhaus". sur auf dem Kirchberg drang. Überall im Land der Psalmen und Hymnen in der traditionellen Zum Abhören ihrer Beichte kam er zu den Frauen wurde davon gesprochen, 'wie nach einem Blitz­ lateinischen Sprache .bei den Stundengebeten, über einen besonderen Zugang direkt in die schlag ein schrecklicher Feuersturm fast die die den Tagesablauf und den Frömmigkeitsstil Beichtzimmer im Westflügel. In der Klosterkirche ganze Stadt mit den frisch gefüllten Heulagern prägten10. saßen die Chorfrauen hinter einem Gitter auf der niederbrannte und über 600 Familien plötzlich Die Nächstenliebe der Klosterfrauen und ihres Nonnenempore. buchstäblich auf der Straße saßen, ohne Hausrat Beichtvaters hat dennoch vor der Konfessions­ Als Dominikanermönch, geweihter Priester und .und Nahrung. Es regte sich auch sofort die Hilfs­ und .vorherigen Landesgrenze nicht Halt ge­ Zelebrant der Messgottesdienste' in der Kloster- bereitschaft des Königs, der Regierungsbehörden, macht. Es bestanden ja in den Jahrhunderten bis Seite 1328 Heimatkundliehe Blätter August 2002 zur Reformation auch enge Beziehungen ihren Personaldaten auf. Unter den Chorfrauen sind nur drei sonderer Bedeutung für die Bevölkerung mit Adelsprädikat, zu denen auch die damalige Priorin gehört, zwischen der Bevölkerung in und um Balingen die Vorgängerin von Maria Anna v. Khuon. Seit der Gründung sind (z. B. Krankenhäuser, Kraftwerke, und dem Kloster Kirchberg. Immer wieder erhielt des Klosters durch Graf Burkhardt III. von Hohenberg 1237 war Feuerwehreinrichtungen), sollen bei stärke- : das Kloster Güter von hier gestiftet' I. In jedem es lange Zeit nur Töchtern aus adligen Geschlechtern ren Erdbeben neben der Standsicherheit ihre vorbehalten geblieben. Kloster lebte. ständig die Vergangenheit schon 5 Gertrud Schmid, Zur Geschichte des Klosters Kirchberg, Funktionsfähigkeit behalten. durch die unzähligen Gebete und Jahrtagsmessen maschinenschriftlicher Band im Hausarchiv, S. 14 Entwurf und Konstruktion eines Gebäudes ent­ mit, die für das Seelenheil verstorbener Wohltäter 6 .E. 0. Iohler, Geschichte des Landkapitels Horb , 1825, scheiden gerade bei den bei uns auftretenden .handschriftlicher Foliant in der Landesbibliothek Stuttgart, im Laufe jeden Jahres gehalten wurden. Signatur Cod. Hist. Fol. 677. Der Hinweis auf diese Quelle ist Schwachbeben-wie weitein Gebäude durch die handschriftlichen, teils stenografischen Notizen von Erdbebenbelastung geschädigt wird. Folgende Anmerkungen und QueUenangaben: . 'Gertrud Schmid zu verdanken. allgemeine Regeln für erdbebengerechtes Bauen I Stadtarchiv Balingen, Unveneichnete Akten vom Stadtbrand. 7 Literarische Quellen hierzu: RudolfTöpfer, Über den großen 6): . Stadtarchivar Dr. Schimpf-Reinhardt gab schon vor Jahren den Balinger Stadtbrand, Heimatkundliche Blätter Balingen, lassen sich zusammenfassen (siehe z. B. Hinweis auf diesen Brief und half in dankenswerter Weise Jahrgang 27, Nr. 6, Juni 1980, dazu auch Zollern-A1b-Kurier Bauwerksform neuerdings beim Auffinden und Interpretieren des Originals. am 21. 7. 1984: Interessantes aus dem Stadtarchiv, 2 Carl Friedrich Dizinger, KönigI. Württ. Ober-Justizrath a. 0., ,,632 Familien saßen auf der Straße". ". Kompakt gegliederte Formen gegebenenfalls Denkwürdigkeiten aus meinem Leben und aus meiner Zeit, 8 Matthias Enberger belegt dies in seinem Werk "Die Säkularisa• durch Fugen trennen. Tüb ingen 1833, S. 1571158. " tion in Württemberg von 1802 - 1810", Stuttgart 1902, mit 3 Diese Rottweiler Daten sind der verstorbenen Frau Gertrud vergleichenden Angaben über die jährlichen Beiträge der Aussteifung Schmid zu verdanken. Sie hat als Oberstudienrätin in Stuttgart Klöster in den niederösterreichischen Religionsfonds. Möglichst gleichmäßige Anordnung der Ausstei­ bei der Einrichtung des .Berneuchener Hauses" im Kloster 9 Eine Notiz von Gertrud Schmid aus einer Akte vom 17. 10. 1806 Kirchberg 1957/58 sich mit der vorausgegangenen Geschichte im Staatsarchiv Ludwigsburg, F 59, Bü 310, enthält detallierte fungselernente (Wände, Verbände), Aussteifung dieser Stätte befasst und ihre Forschungsergebnisse hand­ Angaben. Zu ihrer Versorgung mit Nahrungsmitteln sollten über die gesamte Gebäudehöhe durchführen. oder maschinenschriftlich für das Hausarchiv festgehalten. die Nonnen noch eine kleine Landwirtschaft betreiben. "Weiche Stockwerke" '(ohne ausreichende 4 Ein .Catalogus der hoch- und wohlehrwürden Frauen lind . 10 Hermann Schmid, Die Säkularisation und Mediatisation in Schwestern des wohllöblichen Klosters Kirchberg, Ordinis S. P. Baden und Württemberg. In: Württ. Landesmuseum (Hrsg.) , Wandscheiben) vermeiden. Dcrninici", zusam mengestellt vom Beichtvater Linsenmann Baden u. Württemberg im Zeitalter Napoleons, Stuttgart 1987, Gründung I797, veröffentlicht in der "Beilage zur Horber Chronik" am Bd. 2 27.3. 1833 (Bestan d der Hohenz. Heimatbücherei Hechingen) 11 Siehe "Der Landkreis Balingen, Gleichartige Gründung vorsehen und auf führt 15 Chorfrauen, 2 Novizinnen und 9 Laienschwestern mit Amtliche Kreisbeschreibung" 1961, Bd. 11. gleichartigen Baugrund führen. Einzelfunda- " mente zug- und druckluftfest miteinander ver­ binden. Teilunterkellerungen vermeiden, Unter­ geschoss als "steifen Kasten" ausbilden (Stahlbe­ ton). Erdbeben auf derZollernalb Decken Von Prof.-Dr.-Ing. Hans-Alfred Bitzer, Albstadt-Lautlingen I 2. Folge (Schluss) Scheibenwirkung herstellen, Ringanker vorse­ hen (Holzbalkendecken). Höhenversetzte Ge­ Dass nur wenig Verletzte und keine Todesopfer schosse vermeiden. zu beklagen waren, lag sicherlich nur daran, dass Zähigkeit sich zum Zeitpunkt des Bebens so gut wie keine Konstruktionen und Bauarten mit großem Dis­ Menschen auf den Straßen aufhielten. Bei den sipationsvermögen und plastischer Verformbar­ Schadensbildern waren insbesondere bei Mauer­ keit bevorzugten (Stahl- und Holzbauten, Stahl­ werksbauten immer wieder die folgenden ty­ betonbauten), zähe Verbindungen und An­ pischen Erdbebenschäden zu beobachten: schlüsse.

Schubrisse in aussteifenden Wänden Llterature Bei der Abtragung der horizontalen Erdbeben­ I Heck Hans Dieter u. Schick Rolf Erdbebengebiet Deutschland, lasten durch die Wandscheiben kann die Bean­ Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt. 1980 2 Hummel Gottlob Fr.: Geschichte der Stadt Ebingen, 2. Auflage, spruchung so groß werden, dass die Festigkeit Druck und Verlag der Ebinger Druckerei und Verlags-Gesell­ des Mauerwerks überschritten wird. Dabei ent­ schaft rnbll, 1936 stehen diagonal verlaufende Risse, so genannte nungen in möglichen Bruchflächen aufbauen ­ 3 Stettner Walter: Ebingen - Die Geschichte einer württember• Schubrisse, die häufig kreuzweise verlaufen sie können aber nicht sagen, wann diese gespei­ gischen Stadt, Sigmaringen, Thorbecke-Verlag, 1986 4 Aktionskomitee "Wir wollen helfen" Erdbeben - Dokumenta­ (Kreuzrisse), da beim Beben die Bodenbeschleu­ cherte Energie schlagartig freigesetzt und damit tion über die Naturkatastrophe vom 3. September 1978 im nigung die Richtung ändert. Raum Albstadt, Baden-Württemberg, 1978 ein Erdbeben ausgelöst wird. 5) Bachmann Hugo : Erdbebensicherung von Bauwerken, Basel, Birkhäuser Verlag, 1995 Platten - Biegerisse Für die Erdbebengebiete iri Mitteleuropa, bei 6) Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg: Erdbebensicher Tritt die Erdbebenbeschleunigung senkrecht denen bislang und mit aller Wahrscheinlichkeit Bauen - Planungshilfe für Bauherren, Architekten und Inge­ zur Wand auf, wird diese als Platte beansprucht. auch in Zukunft der materielle Schaden an Ge­ nieure. 3. aktualisierte Auflage, 1995 Dabei können Biegerisse entstehen, vor allem bäuden und Einrichtungen im Vordergrund wenn der Abstand der aussteifenden Querwände steht, muss es daher das Ziel sein, die Bauwerke groß ist. "erdbebensicher" zu erstellen. Für Ingenieure und Architekten bedeutet dies Abreißen von Giebelwänden für die Auslegung von Bauwerken gegen die Wir­ Sind die Querverbindungen von Giebelwänden kung eines Erdbebens zwei Ansatzpunkte (siehe mit der Dachkonstruktion nicht vorhanden oder auch"): nicht ausreichend dimensioniert, kann die ge­ 1. Erfassung der anzunehmenden Erdbebenlas­ samte Giebelwand oder Teile davon abreißen ten und rechnerischer Nachweis der Bean­ und herabstürzen. spruchungen des Tragwerks unter der Erdbe­ Verfasser der Beiträge benwirkung. in dieser Ausgabe: Schäden an Dächern und Schornsteinen 2. Umsetzung geeigneter Tragwerksentwürfe Die große Anzahl abgedeckter Dächer und ab­ sowie konstruktiver Grundsätze und Details Prof. Dr. Ing. H. A. Bitzer gestürzter Kamine zeigt eine besondere Gefähr• bei der Ausführung des Gebäudes zur Mini­ Am Schloss 10, 72459 Albstadt dung, die durch das unterschiedliche Schwin­ mierung der schädigenden Wirkung des Be­ gungsverhalten von Schornstein und dem übri• bens. Dipl.-Päd. Adolf Klek gen Baukörper entsteht. Wolfsbühlstr. 6, 72336 Balingen Für die Berechnung der Gebäude finden sich Angaben in der seit 1981 vorliegenden Norm DIN 4149 Teil 1, die in absehbarer Zeit durch eine Herausgegeben von der Bauen in Erdbebengebieten europäische Vorschrift (Eurocode 8) ersetzt wer­ HeimatkundUchen Vereinigung Ballngen, den soll. Die Ziele beider Vorschriften sind im Vorsitzender: Die Bewohner der Alb wissen, dass sie in einem Wesentlichen gleich: Christoph Roller, 72336 Balingen, Am Heuberg 14, hochgradig erdbebengefährdeten Gebiet leben. Telefon 77 82. Beben mit Intensitäten, wie sie seit 1911 bekannt ~ Im Falle eines starken, selten zu erwarten­ sind, können jederzeit wieder auftreten. Die Wis­ den Erdbebens ("Bemessungsbeben") sollen Geschäftsführung: senschaftler sind aber nicht in der Lage, den Zeit­ Bauwerke standsicher bleiben, damit Ruth Hübner, Im Kirschenwinkel 2, 72359 Dot­ ternhausen, Telefon (07427) 9 10 94. punkt oder die Stärke auch nur annähernd zu Menschenleben geschützt sind. benennen, denn es gibt bis heute keine verläss• ~ Im Falle eines schwächeren, 'häufig zu er­ Redaktion: liche Methode zur Vorhersage von Erdbeben. wartenden Erdbebens sollen die Schäden an Christoph F. Riedl, 72336 Balingen, Gerh.-Haupt­ Geophysiker können zwar durch Beobachtungen Bauwerken .und die Einschränkung ihrer mann-Ring 14. Telefon 7816. Gebrauchsfähigkeit begrenzt bleiben. Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils und Messungen feststellen, dass sich durch Ver­ am Monatsende als ständige Beilage des "Zollern­ formungsbehinderungen entsprechende Span- ~ Bauwerke, die im Katastrophenfall von be- Alb-Kuriers"...... etl-

Jahrgang 49 30. September 2002 · Nr. 9 Städtisches Leben in Süddeutschland um 1500 Von Dr. Peter Thaddäus Lang

Jede Stadt - und damit auch Balingen oder Ebingen, Rottweil oder Tübingen - war zu besagter Obst- und Gemüsestände auf dem Markt, die Zeit nichts anderes als ein Festungsbezirk, entstanden aus dem Gedanken eines m öglichst siche­ Weihrauchwolken bei den vorreformatorischen ren Schutzes nach außen. Durch die zaWreichen Befestigungsanlagen: Die Gräben und Wälle, Umgängen und Prozessionen - dies alles vermit­ Tore und Türme, Ringmauern und Bollwerke, Ausfallbrücken und Auslugzinnen erhielt die äu• telt uns ein Bild, wie wir es heutzutage mit den ßere Silhouette der Stadt ihren viel gerühmten malerischen Charakter. Städten des Orients in Verbindung bringen.

Noch pittoresker wirkte aber das innere Profil. Da die Straßen vielfach krumm .und gewunden verliefen, entstanden zahllose Winkel,und Buch­ tungen, Ecken und Unregelmäßigkeiten, ein wahres Chaos sich kreuzender, brechender, ver­ schränkender Häuserlinien. Dazu kamnoch, dass die Sitte bestand, die höheren Stockwerke in die Straßenfront vorzubauen. Diese Kragungen, die oft noch mit Erkern und Türmchen geschmückt waren, mögen sehr bildhaft gewirkt haben, machten aber die Straßen eng, luftarm und fins­ ter. Sie waren nur möglich, weil der Holzbau noch dominierte, was zu regelmäßigen Feuers­ brünsten führte. Zu ebener Erde gab es eine Menge Werkstätten und Verkaufsbuden, die von der Straße Besitz er­ griffen und die Passage häufig fast gänzlich ver­ sperrten; selbst der Keller streckte seinen-"Hals" in die Straße. Die Pflasterung war in kleineren Städten so gut wie .überhaupt nicht vorhanden: man versank in Schmutz und Morast, .und wer sich die Füße sauber halten wollte, der musste feste Überschuhe anziehen. Die Dachtraufen waren so primitiv angelegt, dass sie ihren Inhalt Balingen, Stich nach .Matthäus Merian d. Ä, 1643 mitten in die Straße ergossen, in deren Mitte sich der Rinnstein befand. Küchenabfälle, tote Tiere und bewegtes Treiben, ein unaufhörliches Kom­ Der Komfort war für unsere Begriffe sehr und sonstiger Unrat wurden der Einfachheit hal­ men und Gehen, Messen und Wägen, Schwitzen bescheiden. Die Treppen finster, labyrinthisch ber kurzerhand aus dem Fenster auf die Straße und Schwatzen. Eine wüste Sinfonie aus allen er­ und unbequem, die Fußböden selten mit Teppi­ gekippt, wo sie von Fliegen, Käfern und streunen­ denklichen Geräuschen erfüllte die Gassen. Vor chen belegt, die Möbel auf das Allernotwendigste den Hunden frequentiert wurden und besonders der Reformation alle Augenblicke Glockengeläute beschränkt: Tisch, Sitzbank oder Stuhl, einige im Sommer binnen kurzem üblen Gestank ver­ und fromme Gesänge, dazwischen das Brüllen, Truhen und Kästen für Kleider und.sonstiges Ge­ strömten. Dieses Aroma verstärkte sich durch die Blöken, Gackern, Schnattern und Grunzen des rät, mehr war kaum einmal vorhanden. Einen ge­ stattlichen Dunghaufen, die regelmäßig neben Viehs, das Gröhlen und Randalieren der Nichts­ wissen Luxus betrieben die Reicheren mit Schau­ den Hauseingängen vor sich hindufteten. Noch tuer in den Wirtshäusern, das Hämmern, Hobeln gefäßen: auf den Borden 'standen schön ziselierte viel lästiger waren jedoch die lebenden Tiere , die und Klopfen der Handwerksleute in den offenen Becher, Krüge und Kannen, die Küchen der Ochsen, Kühe , Schafe, Ziegen, Schweine, Gänse Werkstätten, das Rattern und Quietschen der Wa­ Wohlhabenden glänzten von roten Kupferkesseln und Hühner, die in Massen über die Straße ge­ gen, das Hufeklappern und Wiehern der Zugtiere, und weißem Zinngeschirr. Wer so betucht war , trieben wurden und sich immer wieder in fremde dazu der melodische Lärm der Marktschreier, die dass er nicht auf einem oftmals schon modernen Häuser verliefen. mit ihrem Anpreisungskrakeel in einer Zeit des Strohsack schlafen musste, dem stand ein breites, Ganz so romantisch, wie wir es uns vorstellen, weit verbreiteten Analphabetismus das Plakat er" weiches Bett zur Verfügung, ' fast immer mit ei­ war also das Exterieur der damaligen Städte setzen mussten. Markttag - das war ja nicht nur nem Himmel versehen, was dem Ungeziefer will­ nicht. Was aber einen Spaziergänger von heute einmal im Jahr. Sogar die nicht gerade übermäßig kommenen' Unterschlupf bot. Federkissen sind am meisten befremdet hätte, war der Mangel an große Landstadt Ebingen zum Beispiel . hatte bei den Betuchten allgemein in Gebrauch, jeglicher Beleuchtung. Es gab keine Straßenlam• nicht nur verschiedene Jahrmärkte (Gallenmarkt Nachthemden dagegen generell unbekannt: Ge­ pen, keine lichtglänzenden Auslagen, keine er­ und Jakobimarkt, später noch der Dreifaltigkeits­ meinhin schlief man splitternackt. Auch von der hellten öffentlichen Uhren, und in den Häusern, markt, der Fastnachtsmarkt und der Weihnachts­ wohltätigen Erfindung der Gabel weiß man vor brannten rußende Kienspäne oder düstere Talg­ markt), sondern darüber hinaus den allfälligen, dem 18. Jahrhundert noch nichts: Man zerlegte kerzen, deren kümmerliche Strahlen nicht bis auf aber kleiner dimensionierten Wochenmarkt. das Fleisch, falls es nicht schon vorgeschnitten die Straße reichten. Wer abends ausging, musste Nimmt man zu diesen optischen und akus­ ist, mit dem Messer und aß es mit den Fingern; seine eigene Laterne vor sich hertragen - das war tischen Eindrücken noch die sonderbar gemisch- für Gemüse und Saucen bediente man sich des Vorschrift; wer im Dunkeln ohne Laterne ange­ .ten Gerüche, die unsere alten Städte durchström• Löffels. troffen wurde, geriet in den Verdacht, Ungutes ten: die fetten heißen Kuchen auf dem Markt und Die "Stankgemächer", wie man die Klosetts bis­ im Schilde zu führen. Nach Einbruch der Dunkel­ in den Bäckerläden, die brutzelnden Würste und weilen nannte, befanden sich nach unserem Sau­ heit versank das ganze Leben in Schlummer, nur Selchwaren, die dampfenden Werkstätten, die ja berkeitsempfinden in keinem erfreulichen Zu­ die Obdachlosen und die Einsteigdiebe in ihren alle nach der Straße zu gingen, die rauchenden stand. Dafür aber traf man schon öffentliche Verstecken wie auch die Trinker und Spieler in Pechsiedereien und streng nach Lohe riechenden Aborte an, und zwar sehr öffentliche. Bis weit ins ihren Schenken waren noch aufden Beinen. Gerbereien,' die mitten in der Stadt standen, die 18. Jahrhundert hatte sich nämlich noch nicht Bei Tage aber herrschte ein ungemein buntes Misthäufen, Abortgruben und Kuhfladen, die überall die Auffassung durchgesetzt, dass das Seite 1330 Heimatkundliehe Blätter September 2002

Verrichten der Notdurft eine höchst private Ange- Zünfte. Gefeiert wurde indes allenthalben: Bei bereits erwähnten Jahr- und Wochenmärkte bo­ legenheit sei. So wares zu Luthers Zeiten durch- Kindstaufen und Hochzeiten meist mehrere Tage ten 'somit eine angene hme Abwechslung - und aus noch üblich, mit einem am Wegesrand sich lang, außerdem bei der Kirchweih, beim Jahr­ das tun sie auch heute noch. entleerenden Menschen eine Unterhaltung anzu- markt und beim Leichenschmaus, aber auch bei knüpfen. Vor der Erfindung des Klopapiers behal- der Gesellen- oder Meisterprüfung, bei Antritt fen sich die unteren Volksschichten mit Stroh- eines neuen Arbeitsverhältnisses oder beim Quellen und Literatur: wischen, die höheren mit Bäuschen aus Flachs Durchzug einer hochgestellten Persönlichkeit, Stadtarchiv Ulm, Ratsprotokolle 1500 - 1700. oder Wolle. nicht zu vergessen die Hochfeste im Kirchen jahr. Ernst Walter Zeeden 1 Peter Thaddäus Lang, Repertorium der Kirchenvisiiationsakten aus dem 16. und 17. Jahrhundert in Ar ­ Die körperliche Reinigung spielte sich ansons- All das war den Kirchenleutennach der Reforrna­ chiven der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Hessen, Stuttgart : ten überwiegend in den öffentlichen Badehäu- tion ein Dorn im Auge: sie betrachteten das Fes­ J982; Bd. 2/1 und 2/11 : Baden Württemberg, Stuttgart 1984 und sern ab - dort wurde nicht nur gebadet, sondern tefeiern als eine besonders üble Form der Tage­ 1987. Egon FriedelI, Kulturgeschichte der Neuz eit, München 1927 ­ auch rasiert Und frisiert , darüber hinaus des Wei- dieberei, die zwangsläufig zu Lasterhaftigkeit und 1931. . ter en gegessen, getrunken, musiziert, getanzt Sünde führen musste. Vieles wurde deshalb ver­ Walter Stettner, Ebingen. Geschi chte eine r würllembergischen und geturtelt. boten und abgestellt - bis das Leben - auch in Stadt, Sigmaringen 1986. Weitere Unterhaltungsmöglichkeiten fariden den Städten unseres Raumes - im 18. Jahrhun­ Ernst Walter Zeeden, Deutsche Kultur in der Frühen 'Neuzeit, Frankfurt/M. 1986. sich in den bereits erwähnten Kneipen und dert allmählich ziemlich sittsam und tugendhaft, Hugo Zwetsloot, Kirche und Kultur in Europa, Bd. I,Greifswald Schenken wie auch in den Trinkstuben der ' aber doch auch recht eintönig geworden war. Die 1931.

Die,Schlacht bei Meßkirch am 5. Mai 1800 Von dem Hobbyhistoriker für Napoleonische Geschichte, Iens-Florlan Ebert, Albstadt-Lautlingen

Vor etwas über zweihundert Jahren wurde am 5. Mai 1800 im Gebiet unseres Nachbarkreises sammentreffen mit den Österreichern kommen Sigmaringen in und um Meßkirch eine der größten und blutigsten Schlachten der Koalitions­ könnte. kriege geschlagen. DieRheinarmee des revolutionären Frankreich errang dab ei einen Sieg über Im Gegenteil: Moreau war noch bis zum Mor­ die vereinigten Heere Osterreichs und Bayerns. gen des 5. Mai in der irrigen Annahme Kray habe Die Schlacht bei Meßkirch hatte einen -Schlüs­ bei Tuttlingen die Donau überquert. Hiermit selstatus und öffnete den französischen Revolu­ Die Eröffnung des Feldzugs von 1800 schickte Moreau seine Korps denkbar ungünstig tionstruppen den Weg nach Süddeutschland hi­ in die kommende Schlacht, in dem er das Korps nein. Vom frühen Morgen bis zum Einbruch der Die französische Rheinarrnee, welche von Na- Lecourbe mit ca. 25000 Mann von Stockach aus Dunkelheit war die gesamte Gegend rund um die poleons persönlichem Rivalen, General Iean-Vic- . alleine an der Spitze marschieren ließ, während Stadt bis nach Krumbach von Kanonendonner. tor Moreau (1763 - 1813), kommandiert wurde, im das Reservekorps mit knapp 30000 Mann in Kampfeslärm und den Schreien der Verwundeten war in vier Armeekorps eingeteilt. Diese wu rde n größerem Abstand folgte. Somi t mussten L~­ erfüllt. Sowohl in den umliegenden Dörfern als von den Generälen St. Suzanne (Linkes Flügel- courbes Truppen zu nächs t ohne Unterstützung auch in Meßkirch selbst, welches von den franzö­ korps), Saint Cyr (Zentrumkorps), Moreau selbst kämpfen, als sie au f Krays Abwehr front bei sischen Truppen mit aufgepflanzte m Bajonett im (Reservekorps) sowie Lecourbe (Rechtes Flügel- Meßkirch stießen. Sturm erobert wurde, gingen mehrere Häuser in' korps) befehligt. Auf heftiges Drängen Napoleon Flammen auf. Etwa knapp 'IOD000 Soldaten Bonapartes und zur Entlastung der französische n Italienarmee stießen am 25. April die Korps St. waren an den Kämpfen beteiligt. Noch heute .Die Stellung der Österreicher kann man auf den Schlachtfeldern von damals Suzanne bei Kehl, St. Cyr bei Breisach und Mor­ mit etwas Glück Kanonenkugeln oder verrostete eau bei Basel aus ihren jeweiligen Brückenköpfen Der österreichische Oberbefehlshaber Feld­ Gewehrläufe finden. hervor und eröffneten somit den Feldzug. Zu die­ zeugmeister von Kray hatte, durch die nur zöger• ser Zeit war ' die österreichische Deutschland- liche Verfolgung Moreaus begünstigt, seine Ar­ armee unter Feldzeugmeister Baron von Krayin mee rund um Meßkirch Verteidigungsstellungen Die Vorgeschichte ihren Lagern um Donaueschingen und Villingen ______. versammelt. Einige Tage später am 1. Mai über- beziehen lassen und sein Hauptquartier auf den Höhen von Rohrdorf. die seither den Namen In Frankreich war 1789 die Revolution ausge­ schritt das Rechte französische Flügelkorps unter "Feldherrnhügel" tragen, eingerichtet. Die Nacht brochen. Bereits 1792 hatte die Revolutions­ Divisionsgeneral Claude-Jacques Lecourbe (1758 vom 4. auf den 5. Mai verbrachte Baron von Kray regierung in Paris den Kampf gegen Österreich - 1815) bei Rheinklingen und Büsingen den im Rohrdorfer Gasthaus "Schiff' (Heute und Preußen aufgenommen, welche sich zur Un­ Hochrhein. Die schwachen österreichischen Meßk,ircher Str. 2). Der linke Flügel der österrei­ terstützung der Bourbonendynastie in die inne­ Truppen am Hochrhein wurden auf Engen' und chischeu Armee, das Korps des Prinzen Ioseph ren Angelegenheiten Frankreichs einzumischen Stockach zurückgeworfen. Am 3. Mai kam es von Lothringen-Vaudemont, hielt mit starken versuchten. Dieser sogenannte Erste Koalitions­ schließlich bei Engen und Stockach-Nenzingen Kräften Meßkirch und die Steilböschung des Wei­ krieg (1792 bis 1797) endete mit dem vollständi­ zu zwei getrennt ' voneinander gelieferten herbachtals bis Heudorf besetzt. Das österrei• gen Sieg der französischen Revolutionstruppen, Schlachten. chisehe Zentrum unter Kommando des Feld­ deren Kriegsziel die Rheingrenze war. Der Zweite Während sich Feldzeugmeister Baron von Kray marschall-Leutnants Friedrich August Graf von Koalitionskrieg (1799 bis 1801) war ein Versuch bei Engen gegenüber Moreaus Reservekorps be­ Nauendorf (1740 - 1801) stand hinter dem Dorf einer militärischen Revanche. Eine zweite Koali­ haupten konnte, schlug Lecourbes Korps ein Heu dorf. Starke Vorposten Nauendorfs sicherten tion aus Österreich, dem Heiligen Römischen schwächeres österreichisches Korps unter Prinz die Straßen, welche von Stockach und Pfullendorf Reich Deutscher Nation, Russland und England Joseph von Lothringen-Vaudemont (1759 - 1812) nach Meßkirch führten. Die Kavallerie-Reserve trat 1799 an, um die junge Französische Republik bei Stockach-Nenzingen in die Flucht. Kray, wel­ und die Elite des österreichischen Heeres, acht erneut zum Kampf herauszufordern. Schauplätze cher um seine Rückzugslinie fürchtete, zog sich Grenadierbataillone, lagen bei Rohrdorf. dieses erneuten Krieges waren Süddeutschland, am 4. Mai gegen 3 Uhr morgens in Richtung Os­ Hinter Meßkirch hatte Kray seine gesamte wei­ die Schweiz und Norditalien. ten zurück. Als die österreichische Armee dann tere Infanterie-Reserve zusammengezogen. Eine Bereits im März 1799 gelang es unter der bril­ bei Liptingen mit Ausnahme des Korps von Prinz große Batterie von 25 Kanonen deckte die vor lanten Führung des österreichischen Erzherzogs Lothringen vereinigt war, _beschloss Kray den Meßkirch gelegene große Landstraße von Stock­ Karl (1771 - 1847), die französische Donauarmee Weitermarsch nach Meßkirch. Dort stießen gegen ach (die heutige B 313), die über Krumbach nach unter Jourdan bei Ostrach und Stockach-Liptin­ 21 Uhr auch die Reste vom Korps Prinz Lothrin­ Meßkirch führte. Weitere österreichische Korps gen zu schlagen und hinter den Rhein zurückzu­ gen zu Kray. Feldzeugmeister Baron von Kray unter'Generalmajor Ignaz Grafvon Giulay (1763 ­ werfen. Gegen Ende des Iahres 1799 aber riss der wollte hier bei Meßkirch, welches ein großes Ma­ 1831) und dem Schwager des Kaisers Franz 11 ., aus Ägypten zurückgekehrte französische General gazin der österreichischen Armee beherbergte, dem Feldmarschall-Leutnant Erzherzog Ferdi­ Napoleon Bonaparte die Macht im Staat an sich gegen die von Süden und Westen heran­ nand d'Este (1781- 1850) befanden sich als und rüstete zu einem erneuten Feldzug. Auf der marschierenden Franzosen, durch die Gelände• äußerster rechter Flügel noch in Worndorf und gegnerischen Seite wurde Erzherzog Karl, nach­ begebenheiten begünstigt, eine stark verlaufende Neuhausen ob Eck. Eine mit Österreich verbün• dem er seinen Bruder Kaiser Franz 11. zum Frie­ Abwehrstellung aufbauen. Kray war sich jeden­ dete kurpfälzisch-bayerische Brigade . unter densschluss mit Frankreich geraten ,hatte, als falls bewusst, dass die Franzosen auf dem An­ Oberst Karl Philipp von Wrede (1767 - 1838; Der Oberbefehlshaber der österreichischen Armee marsch waren und dass es bei Meßkirch erneut spätere berühmte bayerische Feldmarschall) abgesetzt und am 18. März 1800 durch den Feld­ zur Schlacht kommen konnte. Anders .die Franzo­ stand in Buchheim unfern von Leibertingen. Ins­ zeugmeister Baron Paul von Kray (1735 - 1804) sen unter Moreau. Dieser rechnete nicht damit, gesamt zählte Baron von 'Krays Truppenmacht ersetzt. dass es bereits am 5. Mai erneut zu einem Zu- knapp 54500 Mann mit einer großen Anzahl an September 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1331

Geschützen. In dieser überlegenen Stellung, die linken Flanke entscheiden würde, und befahl der henden österreichischen Reserveeinheiten konn­ durch die Schlucht zwischen Heudorf und 3. Division Lorge das Dorf Heudorfeinzunehmen. ten den Rückzug aus Meßkirch nicht mehr ver­ Meßkirch sowie das Flüsschen Ablach geschützt Lorge vollzog einen Linksschwenk und schritt hindern. Prinz Josef von Lothringen-Vaudemont wurde, erwartete Kray am Morgen des 5. Mai den durch die Wälder vor Meßkirch vorgehend zum zog sich mit seinen abgekämpften Truppen unter Angriff der Franzosen. Angriff auf Heudorf. Lorge drang mit der 10. dem Schutz starker Artillerie auf die Höhen von Halbbrigade zwar zunächst bis Heudorf vor, Rohrdorf zurück. Aber auch Vandamme und wurde aber kurz bevor ihm die eigene Reiterei zu Montrichard hatten..bei den Kämpfen so sehr ge­ Der Anmarsch der französischen Armee Hilfe eilen konnte, ebenfalls durch einen Gegen­ litten, dass sieden Osterreichern nicht nachsetz­ angriff der österreichischen Infanterie unter Feld­ ten konnten. Sie blieben beide unter dem Schutz Am Morgen des 5. Mai setzte sich das Rechte marschall-Leutnant Graf von Nauendorf unter­ der französischen ' Kavallerie Nansoutys und Flügelkorps der französischen Rheinarmee unter stützt durch ein heftiges österreichisches Artille­ d'Hautpoults nördlich von Meßkirch stehen. Es Führung des Divisionsgenerals Lecourbe gegen 4 riefeuer von 12 Geschützen aus dem Dorf vertrie­ kam hier bis am Abend nur noch zu leichten Ge­ Uhr in Bewegung. Die 1. Division unter Divisions­ ben und musste sich ungeordnet in den hinter plänkel zwischen den feindlichen Vorposten. general Vandamme (1770 - 1830) ließ die Brigade ihm liegenden Wald zurückziehen. Leval zur Sicherung der Straßen zum Bodensee bei Bonndorf zurück und marschierte mit der zweiten Brigade unter Brigadegeneral Gabriel­ Schwere Kämpfe um Heudorf, Iean-Ioseph Molitor (1770 - 1849) von Kloster­ Die Gefechte um Heudorf BoU, Bietingen und Krumbach wald nach Meßkirch. Molitor bildete somit den äußersten rechten Flügel Lecourbes. Die 2. Divi­ Durch die bisherigen Abwehrerfolge ermutigt, Inzwischen hatten die Franzosen bis zur Mit- sion unter Divisionsgeneral Joseph Montrichard warf Feldzeugmeister von Kray nun seinerseits tagszeit auf der Linie von Meßkirch bis Heudorf (1760 - 1828), bei der sich Lecourbe persönlich massierte Kräfte an diesen wichtigen Punkt Heu- zwar die Oberhand behalten, doch an ihrem befand, die Reservedivision unter Brigadegeneral dorf sowie in die Gegend zwischen Womdorf und äußersten linken Flügel entstand nun .eine kri­ Etienne-Marie-Antoine Champion Nansouty Buchheim und verlängerte die Front so erheblich tische und sehr gefährliche Situation, Feldzeug­ (1768 - 1815) des Rechten Flügelkorps sowie die nach Westen hin. Kray versuchte nun die linke meister Baron von Kray, der sah dass die Schlacht Kavalleriedivision des Reservekorps Moreau un­ Flanke der Division Lorge bei Altheim und Bietin- nicht gemäß seinen Erwartungen verlaufen ter Kommando des Divisionsgenerals Iean-Io­ gen zu überrennen, und den Sieg an seine Fah- würde, verließ den Rohrdorfer Feldherrnhügel seph-Ange d'Hautpoult (1754 - 1807) rückten auf nen zu heften. Auch die heranmarschierenden und verlegte seinen Gefechtsstand nach Talheim. der Stockacher Landstraße (heutige B 313) nach österreichischen Truppen unter Giulaybei Worn- Dann ließ er von seiner Reserve acht Grenadier­ Nodenvor. Die 3. Division unter Divisionsgeneral dorf und Erzherzog Ferdinands bei Neuhausen bataillone mit 16 Geschützen unter Kommando Iean-Thornas Lorge (1767 -1826) war Lecourbe ob Eck sowie die kurpfälzische Brigade unter ' des Feldmarschall-Leutnants Vinzenz Maria Graf bis auf die Höhe von Krumbach gefolgt. Oberst Wrede bei .Buchheim erhielten von Kray von Kollowrath-Liebsteinsky (1747 - 1824) gegen Um das Rechte Flügelkoprs Lecourbes zu unter­ denMarschbefehl, in die linke Flanke der Franzo- den linken Flügel der müden und teilweise stützen, folgte ihn der französische Oberbefehls­ sen vorzustoßen. Das Abrücken Giulay und Erz- erschöpften Division Lorge auf dem Plateau haber. Moreau mit seinem Reservekorps. beste­ herzog Ferdinands war nur dadurch möglich ge- zwischen Talheim und Altheim aufmarschieren. hend aus den Divisionen Delmas, Bastoul und Ri­ worden, weil das französische Korps Gouvion St. Auch die kurpfälzisch-bayerische Brigade unter chepance, ebenfalls auf der großen Landstraße Cyr immer noch nicht auf den Höhen von Em- Oberst von Wrede war inzwischen bei Altheim von Stockach nach. Das Zentrumskorps unter mingen-Liptingen eingetroffen war. eingetroffen und eröffnete zusammen mit den Gouvion Saint Cyr (1764 - 1830; Ein späterer Eine neu formierte französische Halbbrigade, Österreichern ihr mörderisches Feuer auf die Di­ Marschall Napoleons) erhielt den Befehl nach die 38. unter Befehl des Brigadegenerals Francois vision Lorge. Der österreichische Kavalleriekorn­ Emmingen-Liptingen vorzurücken und möglichst Goullus (1758 - 1814), formierte sich in Kolonne mandeur Feldmarschall-Leutnant Johann Graf den rechten Flügel der Österreicher unter Giulay und drang im Gegenangrif und Sturm in Heudorf von Riesch (1750 - 1821) hatte zuvor gegen 14 und Erzherzog Ferdinand, falls diese noch auf ein. Jedoch stand hinter dem Ort, auf einem Ab- Uhr mit einer Reiterattacke den Angriff auf Lorge dem rechten Donauufer waren, vom Zentrum hang vom Wald gedeckt, die Masse der österrei- südwestlich von Heudorf eingeleitet. Durch die­ der Österreicher abzuschneiden. Aus dieser Aus­ chischen Infanterie, welche ihrerseits einen sen Zangenangriff gegen Lorge erhoffte Kray, die gangsposition der beiden Armeen, die sich direkt Gegenstoß einleitete und die 38. Halbbrigade er- Franzosen bei Heudorf überflügeln zu können aus den Ereignissen der Schlachten bei Engen neut verdrängte. Dann aber kam ihr die 67. Halb- und die Schlacht zu seinen Gunsten zu entschei­ und Stockach-Nenzingen ergaben, begann am brigade zu Hilfe. Nachdem der Rest der Division den. Morgen des 5. Mai die Schlacht bei Meßkirch. Lorge an diesem ,Punkt ebenfalls eingetroffen Nun begann ein regelrechter Wettlauf um den war, umgingen die .Franzosen das Dorf und er- linken französischen Flügel, der bis zum späten stürmten die von den Österreichern besetzten .Abend andauern sollte und bei dem jede Seite Anhöhen. Heudorf verblieb somit in franzö- immer wieder frische Truppen in den Kampf Die Franzosen werden zurückgeschlagen sischen Händen. Nun musste sich Graf von warf. Lorge, der dem Anstrum der Österreicher Nauendorf aus Heudorf zurückziehen. Zur glei- und Bayern nicht mehr lange standhalten Gegen 6 Uhr morgens hatte die 2. Division ehen Zeit erstürmten Montrichard und Van- konnte; wurde gerettet, als gegen 15 Uhr die 1. Montrichard im Wald (Gewann Marienberg und damme die StadtMeßkirch, Division des Reservekoprs Moreau unter Divi- Ehnried) zwischen Krumbach und Meßkirch als sionsgeneral Antoine-Guillaume Delmas (1766 ­ erstes mit den Vorposten Nauendorfs Feindbe­ 1813), welche an der Spitze des Reservekorps von rührung. Montrichard gelang es hierbei die öster­ Stockach losmarschiert war, auf dem linken Flü- reichischen Vorposten erfolgreich aus dem Wald Die Franzosen erstürmen Meßkirch gel zur Unterstützung Lorges gegenüber Altheim. zu vertreiben. Als Montrichard gegen 9 Uhr am eingetroffen war. So konnten die erbitterten An­ Ausgang des Waldes seine Kolonne in Linie for­ Auf dem rechten französischen Flügel tobte das griffe der österreichischen Grenadierbataillone mieren wollte, wurde seine Division mit einem Gefecht schon längere Zeit, da Vandamme durch vorerst abgewiesen werden. Delmas gelang es so­ mörderischen Artilleriefeuer der Österreicher un­ das Mahlspürer Tal über Klosterwald mit seinen gar die österreichischen und bayerischen Trup­ ter Kommando des Prinzen Joseph von Lothrin­ Truppen vor Meßkirch erschienen war und dort pen, die zur Einkreisung von Lorge angesetzt gen-Vaudemont von den Höhen Meßkirchs und in Gefechte mit den österreichischen Gefechts­ waren, aus dem Wald zwischen Krumbach und Heudorfs aus eingedeckt. Ein Versuch Montri­ posten geriet. Nun ließ Vandamme zwei Batail­ Heudorf zu vertreiben und Krumbach selbst zu chards, eine Batterie von 18 Gesch ützen -unter lone nach Nordwesten absenden, um die Verbin­ erstürmen. Aber Kay warf erneut frische Truppen dem Schutz von zwei Bataillonen und einem Ka­ dung der Österreicher mit Sigmaringen zu bedro­ in die Schlacht, da inzwischen Giulay sowie die vallerieregiment gegenüber den österreichischen hen. Die übrigen Truppen Vandammes unter Bri­ Hauptrnacht des Erzherzogs . Ferdinand südlich Kanonen aufzufahren, endete in einem Desaster. gadegeneral Molitor griffen das von Prinz Joseph der Bayern angekommen waren, sodass sich die Innerhalb kürzester Zeit wurde die französische von Lothringen-Vaudemont verteidigte Meßkirch gesamte Frontlinie jetzt von Meßkirch bis in die Batterie vollständig zusammengeschossen und von Südosten her an. Trotz eines mörderischen Gegend von Boll und Bietingen erstreckte. Nun Montrichard musste unter empfindlichen Verlus­ .Artilleriefeuers eroberten die Franzosen die bestand für die Division Delmas die Gefahr, auf ten im zurückligenden Wald Schutz suchen. Meßkircher Vorstadt sowie auch Schnerkingen. ihrer linken Flanke umgangen zu werden. Aber Auch die Franzosen hatten nun begriffen, dass Diese Gelegenheit nutzte Montrichard, welcher noch war das Wettrennen nicht zu Ende. Hierbei es sich hier nicht um ein gewöhnliches Vorpos­ bislang den Ehnrieder Wald nicht verlassen erlitt die Division Delmas schwere Verluste, und tengeplänkel handelte, sondern sich die gesamte konnte, in den er vor dem österreichischen abermals wendete sich der Sieg zugunsten der österreichische Armee zur Schlacht gestellt hatte. Geschützfeuer in Deckung gehen musste, und Osterreicher und Bayern. . . Da Moreau zu dieser Zeit noch in . Stockach rückte nun ebenfalls auf Meßkirch vor. Gemein­ weilte, verblieb Lecourbe zunächst der rang­ sam gelang es Vandamme und Montrichard ge­ höchste französische General auf dem Schlacht­ gen 13 Uhr die Österreicher aus Meßkirch zu ver­ Die Entscheidung feld. Lecourbe, der sich zu dieser Zeit an der treiben und die Stadt nach heftigen Nahkämpfen Spitze der Division Montrichard aufhielt, begriff, zu erobern. Iust in jenem Augenblick, als die .Österreicher dass sich der Ausgang dieser Schlacht auf seiner Auch die nördlich der Stadt bei Rohrdorf ste- unter Giulay bei Boll vollständig aufmarschiert Seite 1332 Heimatkundliehe Blätter September 2002 waren, erschien die 2. Division des französischen sich daher auf den Ruhmestafeln des franzö• Reservekorps unter Brigadegeneral Louis Bastoul sischen Heers im Are de Triomphe in Paris ver­ (1753 - 1800), welche von Moreau persönlich in ewigt. den Kampf geführt wurden, zwischen Krumbach und Boll auf dem Schlachtfeld. Die Truppen Bas­ touls stießen zwischen Krumbach und Boll auf Der weitere Verlauf des Feldzugs Einheiten Giulays und Erzherzog Ferdinands und die ganze Schlacht entbrannte aufs Neue. Die Os­ Am 6. Mai zog sich die Hauptmasse des öster• terreicher hatten zu diesem Zeitpunkt alle ihre reichisch-bayerischen Heeres auf das linkeDo­ verfügbaren Truppen in den Kampf geworfen nauufer bei Sigmaringen zurück. Ein Teil der und keine Reserven mehr zur Hand. Bei den Truppen Krays passierte bei Laiz die Donau, Franzosen war die 3. Division des Reservekorps Hierbei wurden die Österreicher von der vom General leen-Victor Moreau Feldzeugmeister Baron Paul von Kray unter Divisionsgeneral Antoine Richepance (1770 Zentrumskorps St. Cyr frisch eingetroffenen fran­ - 1802) auf dem Schlachtfeld jedoch noch nicht zösischen Division Michel Ney (1769 - 1815, dem erschienen. Es dauerte aber auch nicht mehr späteren berühmten Marschall Napoleons), bis in lange und eben diese Division erschien bei Boll die Gegend von Inzigkofen hartnäckig verfolgt am rechten Flügel Giulays und Erzherzog Ferdi­ und verloren an diesem tag nochmals etwa 1500 nands. Nun waren die Osterreicher ihrerseits in Gefangene. Doch die Truppen des Kaisers blie­

Gefahr, umgangen zu werden. Mit dem Eintref­ ben kampfbereit und warteten auf die Verstär• :A:. · OJ...... t 9-, .. fen Richepances musste Giulay bei Bietingen sei­ kungen der österreichischen- Korps unter den ~ v.. . l; _ ., ~.: _.. nen Angriff sofort einstellen. Es war gegen.20 Uhr Feldmarschall-Leutnants Michael Freiherr von als die Osterreicher und Bayern nun auf der gan­ Kienmayer (1755 - 1828) und Anton Graf von zen Frontlinie von ' Bietingen bis Meßkirch auf Sztarray (1732 - 1808) welche nach und nach dem Rückzug waren. Allein die Bayern unter vom Oberrhein her eintrafen. Feldzeugmeister Wrede und die Truppen Giulays deckten den ös• Baron von Kray lehnte am 6. Mai seinen linken terreichischen Rückzug. Die hereinbrechende Flügel an Riedlingen und seinen rechten-an Sig­ Nacht verhinderte den vollständigen Erfolg der maringen, während er sich langsam auf Biberach Franzosen. zurückzog. Beceitsam 9. Mai stellte sich Kray bei Biberach den französischen Truppen erneut zur , Schlacht und erlitt abermals eine empfindliche Niederlage, welche ihn zum Rückzug auf die Fes­ Der Rückzug der Österreicher und Bayern ....- tung Ulm zwang. - Gegenseitige Verluste . Die Schlacht bei Meßldrch am 5. Mai 1800 Nach einigen Wochen Stellungskämpfen -und nach einer Skizze von Jens-Florian Ebert Feldzeugmeister Baron von Kray entschloss sich Flankenmärsche entlang der Donau wurde Feld­ noch in der Nacht, seine gesamte Armee in der zeugmeister KrayEnde Juni aus einer festen Stei­ Gegend von Rohrdorf im Norden zusammenzu­ lung aus Ulm von Moreau vertrieben und musste ziehen, um so den Rückzug über Sigmaringen auf nach Bayern zurückweichen. Dort wurde er am die "Feldherrnstraße" an Baron von Krays Anwe­ 31. Juli vom Oberkommando abgelöst und durch das sichere linke Donauufer einzuleiten. Die fran­ senheit im Dorf. Das Grab eines österreichischen den ersten 18-jährigen Kaiserbruder Erzherzog zösischen Sieger lagerten während der Nacht auf Soldaten, der auf dem Rückzug seiner Verwun­ Iohann (1782 - 1859) ersetzt. Die endgültige Ent­ dem Schlachtfeld. Sie erbeuteten die in Meßkich dung erlag, befindet, sich bei Menningen am eingerichteten Magazine sowie das österrei• scheidung fiel dann schließlich am 3. Dezember Waldrand neben der Straße nach Engelswies. chisehe Lazarett im Meßkircher Schloss, in das 1800 östlich von München in der Schlacht bei bereits viele Verwundete der Schlacht von Engen­ Hohenlinden, welche mit der vollständigen Nie­ Quellen und Literatur: Stockach vom 3. Mai gebracht worden waren. derlage des österreichisch-bayerischen Heeres H. Bücheler, J.·F. Ebert , w. Fischer und R. Kessinger:"Die Dieses Lazarett nutzten die Franzosen ihrerseits endete. Im Frieden von Luneville im Februar Schlacht bei Meßkirch, 5. Mai 1800", Meßkirch 2000. Dr. Werner Schütz und Dr, Roland Kessinger :"Die Revolution ist noch während des gesamten Sommers 1800. Die 1801 wurde der Rhein zur Grenze zwischen uns nah!" , Eigeltingen 2000. Verluste auf beiden Seiten waren sehr hoch. So Frankreich und Deutschland erklärt. Die Österreichische militärische Zeitschrift, Jahrgang 1836, hatten allein die Bayern nach einer Quelle 251 deutschen Fürsten sollten für ihre linksrhei­ Paul Azan : "La Bataille de Messkirch" in Revue d'Histoire Nr. 98, Februar 1909. Gefallene und Vermisste sowie 211 Verwundete nischen Gebietsverluste mit rechtsrheinischen Reinhold Günther:"Geschichte des Feldzuges von 1800", Frauen­ zu beklagen, während die Zahlen der österrei­ Gebieten entschädigt werden, was das politische feld 1893. chischen Verluste stark schwanken. Nach offiziel­ Ende fast aller Rechtsstädte und geistlicher Terri­ Ernst Stärk : "Die Schlacht bei Möskirch am 5. Mai 1800", Kon­ stanzer Zeitung Nr. 28,1931 len österreichischen Angaben waren nach der torialstaaten bedeutete und zur Säkularisation Adolphe Thiers:"Geschichte des Konsulats und des Kaiserturms ", Schlacht 477 Gefallene, 1919 Verwundete und der Klöster führte. Leipzig 1845 1571 Gefangene zu beklagen, während die fran­ zösischen Quellen von 3000 bis 4000 toten und verwundeten Österreichern berichten. ' Zeugnisse und Erinnerungen Die Angaben zu den französischen Verlusten der Schlacht um Meßldrch sind noch ungenauer. In einem offiziellen Bericht des Generalstabchefs der Rheinarmee, Desolle, Auch noch heute gibt es zahlreiche stumme Verfasser der Beiträge gestanden sie, 1200 bis 1500 Tote und Verwun- Zeugen der Schlacht um Meßkirch zu .sehen. Ei­ in dieser Ausgabe: dete verloren zu haben, was aber deutlich zu nie- nige Schlachtfeldfunde (Geschützkugeln, , Ge­ drig ist. Denn allein die Divisionen Delmas, Bas- wehrläufe, Degen) werden sorgfältig im Heimat­ Jens-Florian Ebert touls und' Montrichards hatten zusammengen- museum Meßkirch aufbewahrt. Seit Ül96 erinnert Römerstraße 21, 72459 Albstadt ommen 198 Tote, 1232 Verwundete und 406 Ge- eine kleine Gedenkstätte auf dem Rohrdorfer fangene zu beklagen, sodass Desolles offizielle "Feldherrenhügel" an die Schlacht bei Meßkirch. Dr, Peter ThaddäusLang Angaben viel zu niedrig angegeben wurden. Man Die einzige bildliehe Darstellung der Schlacht bei Johannesstraße 5, 72422 Albstadt liegt wohl nicht allzu falsch, wenn man die Ver- Meßkirch befindet sich auf einem Votivbild in der luste mit jeweils 3000 Toten und Verwundeten Pfarrkirche Rohrdorf. Das Bild zeigt Rohrdorf un­ auf beiden Seiten annimmt. ' ter dem Kugelregen der französischen Artillerie. Herausgegeben von der Wie durch ein Wunder blieben die Häuser des Heimatkundlichen Vereinigung Balingen Nicht in das Kampfgeschehen eingegriffen hatte Dorfes von dem Brand verschont. Zum Dank das linke französische 'Flügelkorps unter Divi­ ließen .die Bewohner unmittelbar nach der Vorsitzender: sionsgeneral St. Cyr, welches an jenem Tag bei Schlacht das Bild malen. Christoph Roller, 72336 Balingen, Am Heuberg 14, Emmingen-Liptingenstand. Wäre General St. Cyr In Meßkirch selbst erinnert eine Kanonenkugel Telefon 77 82. von Schwandorf her den Österreichern und in der nordwestlichen Außenwand der St.vMar­ Geschäftsführung: Bayern in den Rücken gefallen, so wäre der Sieg tins-Kirche bis heute an das Bombardement der Ruth Hübner, Im Kirschenwinkel 2, 72359 Dot­ der französischen Armee vollkommen und die Franzosen. Eine weitere Kanonenkugel hängt in ternhausen, Telefon (07427) 91094. Schlacht bei Meßkirch durchaus kriegsentschei­ der Kirche neben der Türe zur Sakristei; ebenfalls dend gewesen. Dennoch konnte Moreau, der befinden sich drei Kanonenkugeln in der Pfarr­ Redaktion: Christoph F. Riedl , 72336 Balingen, Gerh.-Haupt­ während des Schlachtgetümmels vier Pferde un­ kirche St. Peter und Paul von Rohrdorf. Auch in mann-Ring 14, Telefon 7816. ter sich verloren haben soll, der Regierung in der Außenwand des Haus Rarnsperger in Schner­ Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils Paris einen .neuen und denkwürdigen Sieg" ver­ kingen steckt eine - vermutlich österreichische ­ am Monatsende als ständige Beilage des "Zollern ­ meiden lassen. Die Schlacht bei Meßkirch findet Kanonenkugel. In Rohrdorf selber erinnert noch Alb-Kuriers"...... idliche Blätter ...... en.

Jahrgang 49 31. Oktober 2002 Nr.l0 Von "Nähterinnen" und "Strumpfwebern"· Frauenarbeit in der Industrialisierungsphase Tailfingens - Von Barbara Guttmann und Ute Grau Teil 1: Neue Aufgabenverteilung in der bäuerlichen Familie- Zum Wandel geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung im 18. und 19. Jahrhundert

1947. Welche Rolle spielten nun die Arbeits- und fingen zählte 1812 bereits 1318 Ortsanwesende. Finanzkraft der Frauen im Wandlungsprozess 1846 waren es 1638. Viele suchten ihr Glück an­ Tailfinges vom "armen Bauerndorf" zur "wohlha­ derswo: Zwischen 1843 und 1852 kam im Ober­ benden Industriestadt"? Wie veränderte sich die amtsbezirk Balingen ein Auswanderer auf 259 geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zwischen Einwohner. Männern und Frauen? Das in der regionalen Geschichtsschreibung aufgegriffene Thema "Vom Bauern zum Textilfabrikanten" - "Vom Heimar­ Männer übernehmen traditioneUe Frauenarbeit beiter zum Unternehmer" erfährt hier eine be­ deutende Variation. Die Zurückgebliebenen suchten durch eine In­ tensivierung der landwirtschaftlichen Produktion ihr Auskommen zu sichern. Dies führte zu einer 11' •• der Reichen sind gar wenig, ja es sind veränderten Arbeitsteilung zwischen Mann und Tailfingen, heute Teilort Albstadts, entwickelte vielmehr auch die Reichen arm...11 sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem Frau und für die Frau insbesondere zu einer er­ heblichen Steigerung der Arbeitszeit. War zu­ Zentrum der südwestdeutschen Maschenindus­ Verständlich wird der gesellschaftliche Wandel trie. Von Anfang an war das Textilgewerbe eine nächst im bäuerlichen Haushalt der Mann für die im Industriealisierungsprozess und die Rolle, die Produktion der Rohstoffe und die Frau für deren Branche, in der Frauen einen relativ hohen Anteil Frauen darin spielten, nur vor dem Hintergrund an den Beschäftigten stellten. Die Frage nach Weiterverarbeitung sowie die Viehversorgung der spezifischen wirtschaftlichen Entwicklung ei­ zuständig, übernahm nun die Frau zusätzlich zu dem Beitrag von Frauen an der Herausbildung ner Region. Was zu einem bestimmten Zeitpunkt der industriellen Landschaft bildet somit einen ihren häuslichen Arbeiten auch außerhäusliche. als "Männerarbeit" und was als "Frauenarbeit" Frauen und Kinder wurden zunehmend für Feld­ wichtigen Aspekt der lokalen Geschichte: Frauen betrachtet wurde, kann in der Leinenweberei haben nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern teil­ arbeiten, Heu- und Getreideernte. Kartolfelanbau Schlesiens anders gewesen sein als in der oder Gartenarbeit benötigt, während sich für die weise als mitarbeitende "Untern ehmerinnen" Maschenindustrie der Schwäbischen Alb - oder auch ihr Vermögen in die neu entstehenden Fir­ Männer wenig änderte. Dennoch reichten Acker­ in Tailfingen schon anders als in Stuttgart. Vor boden und Viehzucht in den klein- und unter­ men eingebracht. voreiligen Verallgemeinerungen ist hier zu war­ bäuerlichen Schichten für eine gesicherte Le­ Die beiden Historikerinnen Ute Grau und Dr. nen, doch genau das macht den Reiz von Lokal­ Barbara Guttmann erforschen diesen bislang we­ bensführung nicht mehr aus. Die Männer such­ geschichte aus: sie lässt ein differenziertes Bild ten teilweise Beschäftigung als Tagelöhner oder nig beachteten Gesichtspunkt der Industrialisie­ von Geschichte entstehen. Wanderarbeiter. rungsgeschichte derzeit am Beispiel Tailfingen. Textiles Arbeiten wird als "typisch -weibliche" Seit dem 17. Jahrhundert, mit der Entwicklung Erste Ergebnisse wurden bei einer Vortragsveran­ Qualifikation definiert, doch wir kennen anderer­ staltung im Maschenmuseum Tailfingen vorge­ des Verlagssystems in Deutschland, bildeten sich seits die Weber Schlesiens und die Strumpfstri­ auch auf der Schwäbischen Alb protoindustrielle stellt. Damit wurde die zu den Frauenkulturtagen cker und -wirker der Schwäbischen Alb. Welche 2000 mit einem Rundgang begonnene Spuren­ Produktionsformen heraus. Hatte im bäuerlichen Arbeiten jeweils Männer und Frauen innerhalb Haushalt die textile Produktion zunächst dem Ei­ suche zur Geschichte von Frauen in Albstadt fort­ des Hauses, der Landwirtschaft und der gewerbli­ gesetzt. genbedarf und gelegentlichen Absatz auf den ehen Produktion übernahmen, unterlag in der Märkten gedient, wurde nun für einen Verleger Proto-Industrialisierung, das heißt in der Zeit, in gearbeitet. Der Aufbau des Verlagssystems im der sich die Produktionsbedingungen in Richtung Ebinger Raum ging von Hechinger Juden aus. Vom Heimarbeiter zum Unternehmer? auf eine industrielle Produktion entwickelten, In Tailfingen tauchte 1728 erstmals die Berufs­ und dann vor allem in" der Industrialsierung­ bezeichnung "Leineweber" auf. Wichtiger als die Die Textil- und Bekleidungsindustrie spielte sphase des 19. Jahrhunderts einem starken Wan­ eine zentrale Rolle im Industrialisierungsgesche­ Leinenweberei war hier jedoch die Strumpfstri­ del. ckerei. Das Stricken ist in dieser Region seit etwa hen. In Deutschland bildeten sich mit regionalen Das Leben in einem Bauerndorf der Schwä• Schwerpunkten arbeitsteilige Zentren der Textil­ 1550 bekannt. Strickten zunächst nur Bäuerinnen bischen Alb war geprägt durch karge Böden und Strümpfe, fanden sich bald Männer, die das industrie heraus: in Schlesien und Bielefeld die raues Klima. "Klein und erbärmlich liegt der Ort Leinenweberei, im Erzgebirge und Vogtland das Stricken - "lismen" genannt - gewerbemäßig zwischen den Bergen, die Sommer sind kurz, die übernahmen. Sie nannten sich .Hosenlismer" Spitzenklöppeln, in Berlin, Stettin und Aschaf­ Winter lang. Die Acker sind steinig und karg, die und fertigten Strümpfe, Taschen, Handschuhe fenburg die Herrenkonfektion und auf der Ernte ist gering . .. Der Reichen sind gar wenig, ja und Häubchen. Dies belegt auch die 1686 für Schwäbischen Alb die Maschenindustrie. es sind vielmehr auch die Reichen arm .. ." So In der Maschenindustrie setzte der Mechani­ Württemberg erlassene.Strumpf- und Hosen­ schilderte Pfarrer M. Iulius Nördlinger 1718 Tail­ strickordnung". sierungsprozess relativ spät ein. Der Höhepunkt fingen. Der Ort zählte 1668330 Einwohner, um der Industriealisierungsphase war in Ebingen 1700 waren es ca. 500, viele wanderten ab, da der zwischen ca. 1880 und 1900 erreicht, Tailfingen Boden sie kaum ernähren konnte. Nicht alleine folgte etwas später, zwischen 1900 und 1910. Klima und Bodenbeschaffenheit bildeten eine Aus Strickern werden Strumpfwirker Tailfingen wurde zu einem ,,'" Musterbeispiel schwere Hypothek für die Menschen in Tailfin­ dafür, was gut geleitete Industriealisierung ver­ gen, verschärft wurde die Situation, wie in den Flüchtende Hugenotten brachten schließlich mag! In einem Menschenalter wurde dank der meisten Regionen Altwürttembergs, durch die die Technik der Strumpfwirkerei aus Frankreich Einführung und Ausdehnung der Trikotagenfab­ vorherrschende Realteilung. Dies führte zu einer nach Württemberg. In Tailfingen wurde 1730 der rikation aus dem kleinen und armseligen Albdorf voranschreitenden Bodenzersplitterung. die ei­ erste "Strumpfweber" erwähnt, 1750 wurde eine eine schmucke, wohlangelegte Industriestadt mit nen Großteil der Bevölkerung an den Rand des "Strumpfwirkerordnung" erlassen. 1797 zählte über 10 000 Einwohnern", schrieb Karl Bergmann Existenzminimums brachte, denn diese wuchs die Tailfinger Strumpfwirkerzunft schon 80 ' in seiner wirtschaftswissenschaftlichen Arbeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stark an. Tail- selbstständige Meister sowie 'zah lreiche Facon- Seite 1334 Heimatkundliehe Blätter Oktober 2002

oder Stückmeister, die im Lohn für Verleger ar ­ entstanden neue'weibliche Berufsfelder, z. B. in den Fingerfertigkeit, Routine und hohe Arbeits­ beiteten. Gearbeitet wurde an rund 300 Wirk­ der Stickerei oder bei der Konfektionierung von disziplin, jedoch keine spezialisierte Ausbildung. stühlen. Dabei handelte es sich um Flachwirk­ Gewirke. Im Zuge der Industrialisierung führten tech- stühle, die ein Flä hengewirke erzeugten. Der Mit der Reform des württembergischen Gewer- nische Neuerungen schließlich zu einer erneuten 1798 von Decroix in Frankreich entwickelte berechts und der Aufhebung des Zunftzwangs Veränderung von Frauen- und Männerarbeit. Mit Rundwirkstuhl sollte erst 1836 seinen Weg nach 1828 hielt die Strumpfwirkerei als Heimarbeit in dem Einzug von Maschinen in der textilen Pro­ Ebingen finden. Es war Johannes Mauthe, einer nahezu jede Haushaltung Einzug. Der ökono- duktion übernahmen Männer deren Bedienung. der frühen Ebinger Firmengründer, der von sei­ mische Zwang zur vollen Ausnutzung der Arbeit- Dies verdeutlicht, dass nicht eine bestimmte Tä• ner Wanderschaft aus Belgien einen solchen skraft führte nun teilweise zu einer AngIeichung tigkeit "typisch weiblich" ist, sondern die Zuwei­ Rundwirkstuhl mit in seine Heimatstadt brachte, der Funktionen von Mann und Frau innerhalb sung - was ist "Frauenarbeit", was ist "Männerar• den er technisch verbesserte und in mehreren der Familie, manchmal gar zu einer Austausch- beit" - jeweils von konkreten ökonomischen Be­ Exemplaren nachbaute. barkeit oder Umkehrung traditioneller Arbeitsfor- dingungen abhängig ist, die regional durchaus Am Ende des 18. Jahrhunderts war die textile men. "Die Frau als Messer- oder Nagelschmied unterschiedlich sein können. Erwerbsarbeit, die Strumpfwirkerei, im Ebinger sowie als Organisatorin des außerhäuslichen Ver- Im Albstädter Raum festigte sich bis ins 20. Jahr­ Raum und damit auch in Tailfingen mittels triebs der gewerblichen Produkte kam ebenso vor hundert innerhalb der textilen Produktion die Zunftrecht den Männern vorbehalten. Diese ar­ wie der Mann als Spitzenklöppler oder Hand- geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der beiteten nun vorwiegend im Haus, während spinner", so der Historiker Hans Medick. Auch in . Form, dass Männer als Trikotwirker, Frauen als Frauen sich um die bäuerliche Subsistenz­ Tailfinger Haushaltungen dürfen Feldarbeit und "Nähterinnen" tätig waren. wirtschaft kümmerten. Eine geschlechtsspezi­ Viehhaltung, Hausarbeit und Kindererziehung Welchen Beitrag Frauen (und Männer) in der fische Umverteilung .im Arbeitsprozess erfolgte sowie die Arbeit am Wirkstuhl, wie es der Tagesa- Gründungsphase der Tailfinger Maschinenindus­ also nicht erst durch die Verlagerung der Produk­ blauf zuließ, von Männern und Frauen und auch trie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert tion aus dem Haus in die Fabrik, sondern bereits von Kindern erledigt worden sein. _ leisteten, wie ihre Arbeitsbedingungen aussahen im Rahmen des Hausgewerbes. Männer übernah• Der Grund: Die wichtigsten textilen Verarbei- und wie sich der Alltag infolge der Industrialisie­ men die "Frauenarbeit" Strumpfherstellung, als tungstätigkeiten waren relativ leicht erlernbar, rung veränderte, wird in folgenden' Beiträgen be­ diese ökonomisch einträglich wurde. Gleichzeitig Arbeitskräfte somit austauschbar. Benötigt wur- leuchtet werden.

Fasnad oder Fastnacht? von Anton Georg Grözinger, Schömberg

Im nördlichen und mittleren Europa wurde schon in vorchristlicher Zeit versucht, den langen, wird mit der Nacht vor dem Frühling gleichzuset­ kalten Winter mit Umzügen zu vertreiben. Dabei wurden, den Frühling symbolisierend, Masken zen sein, an den sich viele Fasnachtsbräuche he­ von Hirschen getragen. Den Winter stellten so genannte Dürregestalten (z. B. Stroh- und Erb­ rantasten, da immer nach Nächten gezählt senbären) und als alte Weiber verkleidete Personen in zerrissenen Kleider dar. wurde. (Tiroler Fasnacht - S. 15) "Fas" - andel ist eine leichtsinnige, buhlerische Weibsperson, "eine windichte Weibsperson = Die Feste, die unsere Vorfahren feierten, schlos­ dabei um ein "Erwecken" der Natur dreht, um zweideutige, herumziehende Weibsperson. Fas sen sich naturgemäß aufs Engste an den Wechsel eine das Fruchten fördernde Nachahmung natür• el: Nachzucht von Haustieren. Ein guter Fas-el = der Jahreszeiten an. Davon gab es nur zwei , Win ­ licher Fruchtbarkeitsvoraussetzungen; dafür gute Rasse, -besonders bei Schweinen. Fas el = ter und Sommer. Ganz anders als wir heute mus­ spricht neben anderem besonders das Mittragen Anflug einer Nadelholzpflanzung. Fas elhemd: sten sie, denen weder feste Steinhäuser mit Dop­ (mitführen in vielen Zünften) von Fatschenkin­ das Hemd, welches die Gevatterin ihrem Paten­ pelfenstern, Ölzentralheizung, Kachelofen und dern und "PoppeIn". Auch Beziehungen auf kind gibt, damit es desto besser darinnen gedei­ elektrisches Licht die Beschwerden des Winters Flachsgedeihen, Maiswuchs und Roggenerträgnis hen möge. Fas elmann: verlarvte Person. Fas el­ erträglich ' machten, den Wiederaufstieg der treten bei diesem Brauchtum hervor". narr. Fas elochs = Zuchtstier. Fas eIn: brünstig Sonne in ihrem Jahreslauf begrüßen! Lange Mo­ Zur Klärung der Frage Fasnacht trägt wohl auch sein, begatten, gebären und gedeihen. Unrecht nate eingeschneit in niedrigen Blockhütten, in die Tatsache bei , dass in Garmisch eine maskierte Gut, fas le (gedeiht) nicht. Fas le - fas elen = die kaum ein Schimmer von Tageslicht fiel, zu­ Person den Namen "Fasnacht" trägt, ein Weib schwärmen, wahnsinnig tun. (H. Fischer, Schwä­ sammengedrängt in Rauch und Ruß 'ums offene mit zerzaustem Haar "a rechte Fasinad" heißt bisches Wörterbuch Band 11 S. 960 - 978 (1904). Herdfeuer, mussten die Naturkinder von Tag zu und dass die "Fasinad" als Gestalt faulen Mägden Das Fasnachtstreiben der Effeltrichter .Fas­ Tag mehr von einer unbändigen Sehnsucht er­ den Rock zerzaust (Rügerecht). (Fastnacht und alecken" in Baiersdorf hält Rühl- (Ein Beitrag zur füllt sein nach Licht, Luft und Sonnenwärme, Fasching - Webinger Alfred S. 61 ff - 69) Volkskunde Ostfrankens in: Bayrisches Jahrbuch nach den frischen Gaben des Feldes, nach dem In der Thüringischen Volkskunde meint Martin für Volkskunde 1952, S. 91- 94-) für einen der "äl• frohen Weidwerk, nach dem Bad im klaren Fluss. Wähler wohl mit gutem Recht, einzelne Fas­ testen und sinnvollsten Bräuche". Am Fas­ Schon das Mitwinterfest, das ungefähr auf die chingsbräuche schienen "eine Steigerung der an­ nachtsdienstag schließt sich ein Brauch an, der Wintersonnenwende fiel, wurde als Iul-, d. h. als hebenden Frühlingskraft zum Gedeihen für aus Jagen, Peitschen und "schwärzen der Mäd• Jubelfest gefeiert. Von da an hörte das ausgelas­ Mensch, Vieh und Acker in ernsten kultischen chen" besteht. sene Treiben aus Freude über die zunehmenden Fasnachtsbegehungen bezeichnet zu haben". Schriftliche Nachrichten aus früherer Zeit über• Tage nicht mehr auf, bis es in einer Frühlingsfe• Alte Bräuche - frohe Feste, nennt sich eine Aus­ mitteln die Worte "Fasnacht" oder Fasenacht. ier, um die Osterzeit, einen Höhepunkt erreichte. gabe der Allianz Versicherungsges. AG aus dem Der Wortteil "Fas" kann Wachstum, Frucht oder Der größte Teil unserer Fasnachtsbräuche ist Jahre 1984: An der Schwelle von Winter zum von einer möglichen Erweiterung .fasel", in Saft nichts anderes als der laute Ausbruch des Früh• Frühling sollen in vorchristlicher Zeit durch Lärm geraten, Tollheiten treiben, umherschwärmen, Iingsübermutes. Damit verbanden sich oft heid­ und Masken die bösen Dämonen, die der erwa­ Unsinn reden, stammen. nische Kulthandlungen, besonders die Be­ chenden Natur Schaden zufügen könnten, abges­ Die ältesten Nachrichten von Fasnachtsbräu• schwörung böser, schädigender Geister. chreckt und vertrieben werden. chen in Tirol nennen durchweg die Worte Fas­ Dass es in vielen europäischen "Masken ­ In der Frühzeit der Linguistik machte der eng­ nacht oder Fasenacht. Dieselbe Aussprache ver­ landschaften" Elemente gibt, die auf einen Jahr­ lische Orientalist 1786 eine folgenreiche Ent­ mitteln die Dichter Oswald von Wolkenstein und tausende alten Zusammenhang mit vorchristli­ deckung. Er fand auf fallende Ähnlichkeiten Hans Vintler, die dem Volksleben und der Volks­ chen Kulthandlungen um Wachstum und Licht, zwischen Sanskrit (- seit dem4. Ih, vor Chr. - die poesie am nächsten standen; sie kennen nur eine . um Fruchtbarkeit und Sommersegen hindeuten, Kunstsprache der alt-indischen Nationalepen) vasenacht oder vasnacht. erwähnte der bekannte Volkskundler Herbert griechisch, Latein, keltisch und gotisch. So lassen Jakob Grimm, bekannt durch Grimms Märchen, Schwedt in seine m Vortrag am 15. November sich fast alle Sprachen Europas außer finnisch, stellt sich hinter die Deutungsart des Wortes 1979 in Konstanz. estisch, ungarisch, baskisch, etruskisch, - die ira­ Jas". K. A. Barack bedient sich in seinen Auf­ Der Historiker Kurt Klein bezeichnete in: "Echte nische - und indische Sprachgruppe, auf eine ge­ zeichnungen in der Chronik der Grafen von Zim­ Narren sind Weise" - Allemannische Volksfas­ meinsame Urform zurückführen, die sich im Ver­ mern derselben Deutung. In Wolfram von nacht zwischen Neckar, Rhein und Bodensee ­ lauf von vielleicht 6000 Jahren in die heutigen Eschenbachs "Parzival" (um 1206) ist das Wort die Fasnacht als ein wesentliches Glied in der Sprachen aufgelistet hat. (Bild der Wissenschaft ­ "vasnat" genannt. Frühe Kalendarien, Urbare, Kette der "Fru chtbarkeitsbräuc he" unserer Vor­ 2/2000) Weistürmer und Chroniken berichten von Fas­ fahren. Diese Bräuche nahmen ihren Anfang, Ein Worterklärer aus dem Tiroler Volk, der ein nacht oder Fasenacht. wenn im November Nacht und Kälte über das gutes Sprachgehör besaß, war Pfarrer Karl Stau­ Das Wort Fas nacht, durch die Wortbildung Land he reinbrechen und enden erst, wenn um dacher in Vahren bei Brixen . Er hielt sich an die Fas(t) nacht zu ersetzen, würde den umfangrei­ Pfingste n die letzte Frostgefahr gebannt ist. Wortwurzel "fas" und führte diese bis ins Indi­ chen anderslautenden Deutungen, die sich auf Nichts ist leichter zu ersehen, als dass es sich sehe zurück. Darin bedeutet "fas" Frühling. Das das Wort Jas" konzentrieren widersprechen. Oktober 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1335

Fas(t)nacht steht eben in engster Verbindung mit den Zug der abgesetzten, gestürzten (Winter)Göt• im Jahre 716 an Bischof Martin von Bayern rich­ dem Wort Fastenzeit. Schon unseren Vorfahren, ter bedeuten. Die christliche Kirche hat freilich tete, wissen wir folgendes: Papst Gregor verbietet den Germanen, war der Begriff des Fastens nicht dieser wissenschaftlichen Ableitung gegenüber Festbräuche, in denen die .Siinden der Heiden" unbekannt. Dieses germanische Fasten wurde al­ eine ihr angenehmere Bedeutung des Wortes weiterleben. Im Jahre 742 beschwert sich Bischof lerdings von der Kirche als "heidnisch" verurteilt. Karneval gegeben, nämlich von carne und vale = Bonifatius beim Papst, es sei ihm unmöglich, den Aus dieser Zeit wurde das Wort "Fasten" nicht Fleisch, leben wohl. Alamannen, den Bajuwaren und Franken - ihre überliefert. Es befasste sich mit dem Wort "Karneval" auch heidnischen Kulttänze und Lieder - auszutreiben. Dr. H. Hoffmann-Krayer, Zürich, bemerkt in ei­ Reinsberg-Düringsfeld. Er sagt: die gewöhnlich Bonifatius spricht von winterlichen Lärmumzü• nem Artikel: "Die Fasnachtsgebräuche in der Auslegung sein "caro-vale", "Fleisch lebe wohl", gen und Vermummungen, welche die Germanen Schweiz" zur Etymologie des Wortes "Fastnacht", wie der Germanist Wackernagel erklärte, ist eine nicht aufgeben wollten. (Deutsche Sagen, Sitten das schweizerische Idiotikon besage auf Grund gewisse Fasnachtslächerlichkeit. Es ist vielmehr und Gebräuche aus Schwaben - Ernst Meier -) . . des ihm zu Gebote stehenden Sprachmaterials aus carrus navalis "Schiffswagen" entsprungen. Zu den Kulttänzen sagt Campbell, in seiner Lek­ aus älterer und neuerer Zeit, dass es genüge dar­ Bei den Umzügen, die man später zu Ehren der türe "Mythologie der Urvölker". Es gibt eine dritte auf hingewiesen zu haben, dass die Herleitung fruchtbringenden Götter und Göttinnen beim Er­ Tiefe, noch ferner und dunkler, darunter - unter von der Wurzel -fas- durch die älteren schwei­ wachen des Frühlings veranstaltete, spielte dann dem äußersten Horizont der Menschheit. Denn zerischen Quellen Unterstützung findet. (Schwei­ ein Schiff auf Rädern die Hauptrolle. Reinsberg­ wir finden den rituellen Tanz bei den Vögeln, den zerisches Archiv für Volkskunde - Bd. 1 S. 47/48). Düringsfeld bezeichnete erweiternd das alt­ Fischen, den Affen und Bienen. Es muss daher Wenn wir den in der Überlieferung festgehalte­ deutsche .Pasenacht" als das richtige Grundwort, gefragt werden, ob nicht der Mensch, wie diese nen Formen nachspüren, so ergibt sich folgendes von dem das altdeutsche Fa sei n herkommt. anderen Mitgeschöpfe. angeborene Tendenzen Bild: vas-naht... 1206, 1295, 1298, 1300, 1360 u. (Germanische Völker - Abergiaube-Sitten-Feste. besitzt, auf bestimmt, von seiner Umwelt und ö.; vase-naht... 1208, 1363, 1405 usw.; vasen­ Das festliche Jahr - S. 90) von seinesgleichen ausgesandte Signale in strikt naht; vaß-naht; vash-nacht.. . 1327 vasch-nacht, Die junge christliche Kirche bekämpfte den vorprogrammierter artgebundener Weise zu rea­ fasche-naht (1376 - 1439); Fasehang... 1283 u. Ö. heidnischen Mummenschanz aufs Heftigste, was gieren. (Seite 18). so auch 1391; vasch-ang. Von 1299 an vast-naht sich in zahllosen Verboten ausdrückte. Gleich mit Auf dem Konzil von Benevent im Jahre 1091 un­ (1314, 1334, 1350) , fastabent (1477). Schon ein welchen Quellen wir es zu tun haben: Deutlich ter Papst Urban 11., wurden vier Sonntage, die in­ ~lick auf diese Formenreihe drängt einem die wird, dass das heidnische Neujahrsbrauchtum nerhalb der Fastenzeit liegen, fasterifrei erklärt. Uberzeugung auf, dass Fast-nacht kaum vor Fas­ den christlichen Predigern große Sorgen bereitet Die Fastenzeit dafür aber um diese vier Tage er­ nacht zustehen kommen dürfte. hat. Die Festfreuden zum Jahresbeginn versuchte weitert, und der Beginn der österlichen Fasten­ Das Wort fastnath wird jedoch erst in Aufzeich­ man mit Fastengeboten zu unterbinden. zeit auf den Mittwoch vor Invocavit vorverlegt. nungen seit 1299 verwendet, und vastenaht Die Mönche des Christentums lehnten kirch­ Historiker glauben, dass damit eine weitere zeit­ taucht erst 1314 auf. Die älteste Deutung ist dann liche Feste an die heidnischen an: Weihnachten liche Einschränkung des ausgelassenen, aus heid­ eben das Wort "vasnaht". an das Mitwinterfest, Auferstehung (Ostern) an nischer Zeit hergeleiteten Treibens, beabsichtigt Vor allem sind die Formen mit Fase- und Fas-, das Frühlingsfest. Der neue christliche Glaube, und auch erreicht wurde. also Fasenacht, Fasinacht, Fasinad, Vasnacht, der noch immer tief im heidnisch-barbarischen Erstaunt steht die Forschung vor der inszenier­ Fasnacht u. ä. geradezu gehäuft im Gebrauch in verwurzelt war, und einer Religion, die im ten Ekstase, in der ein Mensch die gewohnten den lebendigen Mundarten. Schon Schmeller deutschen Sprachgebiet ihr höchstes Fest - das Bahnen seiner Vernünftigkeit verlässt, sowie vor stellt fest, und zwar für die älteste Zeit, dass die .der Auferstehung Christi - wie selbstverständlich der einstudierten Raserei. Mit diesen Techniken Formen mit vas- (fas-) am gängisten sind und nach der sächsischen Göttin Ostera benannte. werden im Ritual die panischen und neuro­ eben dadurch Zweifel gegen die Ableitung von (Ritter, Mönch & Bauersleut - Dieter Breuers ­ tischen Reaktionen der Menschen unter dem fasten erregt würden; dabei bringt er gegen 40 Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach - S. 226). Eindruck der katastrophalen Ereignisse wiederge­ entsprechende Formen mitfas- auf; er selbst Georg Buschan weist in seiner Lektüre "Das geben. In Rottweil ist bereits um 1360 von .vas­ schreibt Faßnacht. deutsche Volk" auf Seite 57 auf diese Problematik nacht Krapfen" die Rede. In Rottenburg am Es ist leicht zu ersehen, dass es sich dabei viel­ hin: Wörtlich weist er darauf hin, dass Mariä Neckar sind für das Jahr 1410 Stadtpfeifer (Pfiffer) fach um ein "Erwecken" der Natur dreht, um eine Reinigung oder Lichtmess, der 2. Februar, seinen erwähnt, die "auf vassnacht" auszubezahlen das Fruchten fördernde Nachahmung natürlicher Ursprung in einer heidnischen Feier, und zwar in waren. Fruchtbarkeitsvoraussetzungen; dafür spricht ne­ den römischen Luperkalien hat. Wie bei anderen Aus einer Renteirechnung des Jahres 1605/06 ben anderem besonders das Mittragen von heidnischen Festen, so sah sich die katholische aus Haigerloch erfährt man "An der Faßnacht Fatschenkindern und .Poppeln''. Martin Wähler Kirche auch hier (494) vor die Notwendigkeit ver­ den jungen Gesellen allhie etwas bezahlt". Ähn­ meint in seiner Thüringischen Volkskunde wohl setzt, diese althergebrachte Sitte beizubehalten. lich lautet die Formulierung 1609/10: "Den jun­ mit gutem Recht, einzelne dieser Faschings­ Der Name Lichtmess kommt erst später (7. Ih.) gen Gesellen und Buben an der Faßnacht verehrt bräuche schienen "eine Steigerung der anheben­ auf. Zu den Worten Fasnacht und Fas(t)nacht 1 fl 54 x." 1638/39 wird berichtet: Der ledigen den Frühlingskraft zum Gedeihen' für Mensch, erklärt er, auf Seite 61, das richtige Wort sei ,,Fas­ Burst ahn der fasnacht alß Süe mit dem Gewehr Vieh und Acker in ernsten kultischen Fasnachts­ nacht" und habe mit Fasten nichts zu tun, son­ uff dem Schloß gewesen altem Brauch nach ver­ begehungen bezeichnet zu haben". dern hängt mit dem mittelhochdeutschen Zeit­ ehrt 1 fl 30 x. (Zeitschrift: Hohenzollerische Hei­ Dass fassnacht (mhd. Vasenaht, fasnacht) zu ei­ wort vasen = umherschwärmen. ausgelassen sein, mat - Nr. 1/1987). nem fasen nicht aber zu (asten gehöre, ist um so zusammen. Die Fasnacht, ist eine Zeit der Unordnung. "Im wahrscheinlicher, als der letzte Donnerstag in der Während des Konzils von Tours, anno 567, 1495 jar vor fasnacht, zoch ain muotwillig Volk Faßnacht der unsinnige piinztig, oder nur der un­ wurde im 17. Kanton beschlossen: In Anbetracht von Uri, Underwalden und Zug in das Turgow; sinnige heisst. (Die deutschen Mundarten - S. der Tatsache, dass die Tage zwischen Weihnach­ aber die grafschaft Dockenburg hielten die von 226 Band 5). ten und Epiphanie (Dreikönig) - eine einzige Pe­ Schwiz, als si zuo inen waren komen und fas­ Aufschlussreich scheint auch eine Schilderung riode der Feste sind - hat man in dieser Zeit nacht hieltend" (Cf. L.) Zehnder: Volkskundliches auf den Seiten 1365/66 im Deutschen Wörter• reichlich Gelegenheit, den kulinarischen Freuden in der älteren schweizerischen Chronik, Basel buch Bd. 3 zu sein. Dort ist zu lesen "solche orgia zu frönen. Um aber heidnischem Brauch vorzu­ 1976 (a..a. 0., S. 258). Bacchi, solche zusammenkunften und wallfahr­ beugen, haben unsere Väter beschlossen, dass Während der Renaissance - im 16. Jahrhundert ten wurden den satyren zu gehorsamen ehren ge­ man an diesem Tage der Kalenden ("Kalenden" war man solche Burschen, wenn sie es zu wild halten, auf welchen sie auch am reien die vor­ sind die ersten Tage jeden Monats nach dem rö• trieben, nicht selten ins Gefängnis oder man ver­ nembste waren, das beste thaten, sich mit den mischen Kalender) des Januar Litaneien (Flehge­ urteilte sie zu gesalzenen Geldbußen, wie etwa heiden toll und voll soffen, im wald und gebürg bete) und Psalmen singt und zu achten Stunde jene fünfzehn jungen Bürger, die .zu vassnacht mit unden mit oben lagen, tag und nacht in gro­ desselben Tages die Messe der Beschneidung ge­ ziten" des jahres 1532 ,,nackendig" auf den Gas­ szem geschrei und fatzerei zubrachten, schwarm­ feiert wird. sen hin und her getanzet und ein ungefüg leben fest un ,fasznacht" hielten, einander durchzogen. Als Papst Gregor um 600 die vierzigtägige Fas­ glich einem uffrur getriben haben. (Duerr Hans dahero die fasznacht als fasnacht oder fatznacht tenzeit vor Ostern e!nfiihrte, nicht zuletzt um Peter Traumzeit - Uber die Grenzen zwischen ihren ursprung und namen bekommen". das Masken-Unwesen, das nach kirchlicher Vor­ Wildnis und Zivilisation - S. 15). Die Wortschöpfung Fastnacht wird vom kirchli­ stellung immer wieder ausuferte, in Schach zu Der heilige Franz von Sales (1563 - 1622) chen, christlichen Begriff "Fasten" abgeleitet und halten, steigerte 'sich dessen Intensität beson­ äußerte sich zur Fasnacht mit folgenden Worten: würde "die Fastennacht" bedeuten, im Sinne der ders stark vor Beginn der Fastenzeit. Wir fordern daher Priester, Erzpriester & Vikare nicht nur germanischen Zählung, die Abend und Im Jahre 633 wurden von der christlichen auf, vor allem in größeren Dörfern & Städten, ihr Nacht zum folgenden Tag rechnet. Es ist also der Kirche z. B. alle Narrenfeste um die Jahreswende Bestes zu tun, um diesen Mißbrauch der Maske­ Vorabend vor Beginn der Fastenzeit gemeint, der verboten. Doch die Bemühungen der christlichen raden Einhalt zu gebieten, die nichts anderes als Dienstag vor Aschermittwoch. Kirche, das Neujahrsbrauchtum trocken zu legen schändliche Überbleibsel des Heidentums sind. In seiner Lektüre Des deutsche Volk"· geht und die Energien auf Weihnachten oder Epipha­ Zu diesem Zwecke sollen sie sich, besonders ab Georg Buschau auf Seite 64 noch kurz auf das nias als christliche Feste umzuleiten, waren sehr dem Dreikönigsfest bis zur Fastenzeit, in ihren Wort Karneval ein und meint dazu: Das Wort mühsam und dauerten Jahrhunderte. (Jörg Kraus Predigten & Lehren dagegen aussprechen; sie sol­ Karneval soll von dem altdeutschen karn, worun­ - Metamorphosen des Chaos - Hexen, Masken len das Lächerliche & die Gefahren aufzeigen, in­ ter der feierliche Zug der Götter verstanden und verkehrte Welten.) dem sie dem Volke klarmachen, dass diese Un­ wurde, und von v'll (= Tod) abzuleiten sein, also Aus dem Text eines Briefes, den Papst Gregor 11. ordnung für Gott, dessen Ebenbilder verunstaltet Seite 1336 Heimatkundliehe Blätter Oktober 2002 werden, beleidigend ist; dass sie die Jünger lesu Der Literatur "Feste im Alpenraum" kann ent­ Ventil für unterdrückte Sexualität und Hem­ Christi entwürdigen etc. Er fordert die Gläubigen nommen werden, dass plötzlich im 19. Ih, die mungslosigkeit erblickte. während der Fasnacht mit frommen Aufgaben zu Fasnacht wieder auflebte, obwohl sie seit der Re­ Weise berichtet uns der König der Humanisten, beschäftigen; wenn möglich sogar in ihren Kir­ formation durch Pfarrer und weltliche Obrigkeit Erasmus von Rotterdam: Je toller sie den Näch• chen die vierzig Stunden Gebete während der unterbunden und als papistisches Blendwerk ver­ sten einreiben, ,,anrussen ", durchwalken, desto letzten drei Tage wieder einzuführen. Msgr. de teufelt wurde. (Migros - Presse, Zürich -S. 20) lieber leben sie wieder zusammen. Demnach Bernex, Bischof von Annecy (1697 bis 1735) ver­ Forschern bietet dieses Treiben eine Fülle von trägt eine solche Narrheit zur Gesundheit der langt, die Absolution muss jenen verweigert wer­ Beobachtungen, denn sie finden hier einen kla­ Menschen und ihrer gegenseitigen Beziehungen den, die sich der persönlichen oder Öffentlichen ren Aufbau und altertümliche Züge wie selten an­ bei. So sind viele Menschen gleich den Fas­ Ermahnung, sich zu verkleiden, wie es der derswo. Bei der Fülle der Fasnets-Literatur wird nachtsnarren umso glücklicher, je mehr sie bege­ Brauch in der Fasnachtszeit war, widersetzen. einem klar, dass hinter dem ganzen Brauchtum henkönnen. (Alpenbräuche - Gerlinde und Hans Haid - Edi­ eine ureigene Geschichte steckt. Was hier überlebt hat, ist nach Auffassung der tion Tau - 1994 - S. 146). In der Zeitschrift "Süddeutsche Heimat" berich­ Tiefenpsychologie eine "prähistorische Mensch­ Richtungweisend sind drei Predigten, die uns tet ein nicht genannter Verfasser unter dem Titel heltsstufe". Teilauszug aus dem Buch: "d' Schör• aus dem Jahre 1601 vorliegen. Es handelt sich um "Magie der Masken", es wäre eine Verkennung zinger Hexafasnad", in 'Bearbeitung. ,,3 Predigten wider die Faßnacht". Gerafft wer­ der ohnedies derben mittelalterlichen Welt, wenn Uteraturhinweisel den nachfolgend aus diesen Predigten Textteile man in einem solchen Maskenwesen nur ein (s, Ausgabe: d'Schörzinger Hexafasnad) wiedergegeben. Schon in der Vorrede finden sich die Worte: ,,sölliche von Heyden harlangende sa­ chen abzuschaffen ": In der ersten Predigt ist ver­ merkt: "es ist zu erwysen / daß die Faßnacht eine heidnische abgötterei seye, / daß sie ein heidnisch Fäst seie / daß nit Gott verehrt werde. Ebinger Stadtoberhäupter IV: Konservativen wollten trotzdem ihr Missfallen an "Unser Tütsch wörtli heiße Faßnacht" seiner Person bekunden. Sie riefen deshalb dazu auf, leere Stimmzettel abzugeben. Bei der Aus­ Doch muß ich mich schier - schämen Fast­ August Spanagel zählung kam man dann auf 4445 Stimmzettel, nacht - zu heißen. Darumb ich mit der Wahrheit 3590 davon trugen den Namen des Amtsinhabers die Fasnacht also beschrieben, dass sy seye ein und 855 waren leer - das heißt, dass 76 Prozent uralt Heidnisch/abgöttisch Fäst. ... und ye wüs• der Wähler sich für Spanagel entschieden hatten! ter einer thue ye bas es Jrem Schöpffer des wyns Einen solchen Vertrauensbeweis hatte sich der gefalle. " der böse feind die armen Heyden ver- Von Dr. Peter Stadtschultheiß auch redlich verdient - in seiner blendet. ein söliche Heidnisch Fäst (wie grad Thaddäus Lang ersten Amtsperiode wurde nämlich nicht nur die die Faßnacht ist) so das Fäst haltend und nicht Gewerbeschule in Ebingen eröffnet (1912) und Gott dienendind. " ... daß die gebott Gottes mit ein neues Rathaus gebaut (1913), sondern es ent­ dem wüsten Faßnacht leben alle fräfenßlich standen darüber hinaus mehrere Wohnsiedlun­ iibettretteti werdind". ... wenn wir nit mit eyfer Ebingen, Spanage1 Au­ gen (1919 - 1922: Mazmann, Mehlbaum, Munast) die Faßnacht abschaffend, werden wir an dem gust, Oberbürgermeister, - damit hatte Spanagel menschenwürdigen letzte Tag gerichtet. geb.25. 12. 1870, Wohnraum für einen Großteil der Ebinger Fa­ Der vierdt grund den sy am allermeisten trey­ gest. 1. 10. 1950 brikarbeiter und ihre Familien geschaffen. bend, ist es baß umb uns gstanden, die frücht Als 1931 seine zweite Amtsperiode zu Ende ging sind besser gerathen dann yetz, da man uns die und wieder gewählt werden musste, stellten die Faßnacht verbeiitet. Als der Ebinger Stadtschultheiß Iohannes Hart­ Kommunisten einen Gegenkandidaten auf. Die­ Alle verböggend und verbutzend sich, daß sy mann am 31. März 1909 im Alter von 77 Jahren ser erhielt 1652 Stimmen von den 6160, die abge­ von niemand erkennet werdind. Viel sehend von seinem Amt zurückgetreten war, fand einen geben wurden. Auf den bisherigen Amtsinhaber wüste, grewenlichen thier gleicher dann den Monat später, am 30. April, die Neuwahl statt. entfielen 4508, das macht 73 Prozent - ein fast so mensche, sie kommend dahär wie der lybhafft Drei Kandidaten hatten eine reelle Chance, ge­ überwältigendes Ergebnis wie jenes von 1921. Mit teuffel aus der hell. Zu Rom einist in dem monat. wählt zu werden: der Gaswerksverwalter Beck, den Nazis hatte Oberbürgermeister Spanagel Ein fröud und kurtzweyl gehalten hat. Sy lieffen der Bezirksnotar Rieber und der Regierungsasses­ nichts am Hut (den Titel "Oberbürgermeister" durch die gassen ell, Gantz nackend und und sor Spanagel. Von den 1322 abgegebenen Stim­ durfte er seit 1927 tragen). Deswegen quittierte er bloß dann zumal. Und schlägt mit der geißlen men konnten Beck und Rieber jeweils 251 für sich - erst 58-jährig - Ende Februar 1934 sein Amt bhend. Der jungen weyblin zarte hend. scble­ buchen (= 19 Prozent), während es der 32-jährige und zog nach Tübingen, wo er noch bis 1950 hends nicht der wybern hend. Greiffends bas gä• Spanagel auf 767 Stimmen (= 58 Prozent) lebte. gem unterhemd. brachte.' Damit hatte dieser die absolute-Mehr­ Damit hands anzeigen wollen, daß sy dest eh heit erreicht und war auf zehn Jahre gewählt. gebären söllen. Deß lacht der Teuffel in der höll. (Die Amtszeit wurde später noch um weitere zwei Inn böggen kleidern angethon. Als wärinds all Jahre verlängert). von sinnen kon. . .. Darauß entsteht groß Mit ihm besaß Ebingen erstmals einen studier­ ergermuß. By jungen lüthen doch voruß. Die ler­ ten Verwaltungsjuristen als Stadtoberhaupt, zu­ Verfasser der Beiträge nend alle sehend, bis wirt verderbet statt und dem einen, der aus einer alteingesessenen Fami­ in dieser Ausgabe: land. lie stammte - sein Vater war der Ebinger Schuh­ Aushowen der wurtzen außjetten ' unnd macher Caspar Spanagel. In einem der Wahlauf­ Anton Georg Grözinger außschütten muß: zu abschaung deß unkrauts rufe für ihn hatte es geheißen: "Als einen der al­ Schillerstraße 17, 72355 Schömberg der unseligen Faßnacht; wider Gotts gebott. Daß lerfähigsten Köpfe unserer städtischen La­ du viI mehr auß dem abnehmen solt, daß es des teinschule sahen wir einst Spanagel heranwach­ Dr. Peter Thaddäus Lang Teufels Fest seye. (Wider die Faßnacht - Drey in sen" - Einer der allerfähigsten Köpfe war aller­ Johannesstraße 5, 72422 Albstadt der H.Geschrifft wohlbegründete Predigten Anno dings auch unbedingt erforderlich, um die Pro­ (auch verantw. f. d. Beitrag "Von Nähterinnen 1601 - Sub. VI, 379 Stadtbibliothek Zürich.) bleme zu meistern, die sich in seiner Amtszeit er­ und Strumpfwebern") Amtsschreiber und Spielbearbeiter in der Re­ gaben, brachte doch der Erste Weltkrieg in Ebin­ naissance wandten die Schreibweise "Fast­ gen eine Fülle von Versorgungsmängeln mit sich. nacht" nicht an. (Tiroler Fasnacht S. 15) Es fehlte an Lebensmitteln, an Kleidung, an Herausgegeben von der Einer oberschichtliehen Bewegung gelang es Brennmaterial, an. Rohstoffen für die Fabriken. Heimatkundlichen Vereinigung Balingen nicht, das naturgegebene gesellschaftliche Gefüge Das gesamte Wirtschaftssystem geriet ins Wan­ und volksläufige Brauchtum restlos aufzulösen ken - vorübergehend musste sogar Notgeld ein­ Vorsitzender: oder gar auszulöschen. Dieselbe Kirche, die das geführt werden. All das führte zu Unzufriedenheit Christoph Roller, 72336 Balingen, Am Heuberg 14, Maskentreiben und dessen dämonische Überlie• und zu politischer Unruhe, die auch nach Kriegs­ Telefon 77 82. ferung zeitlich wie keine andere Macht zu be­ ende nicht sofort abebbte. In dieser Zeit fanden Geschäftsführung: schränken vermochte und gesellschaftlich soweit in Ebingen mehrere große Arbeiterdemonstratio­ Ruth Hübner, Im Kirschenwinkel 2, 72359 Dot­ drückte, als es für ethnische Aufklärung und nen statt, bei denen auch mehrere Fabrikanten­ ternhausen, Telefon (07427) 91094. milde Zivilisierung gegenüber dem alten Heiden­ Villen beschädigt wurden. Redaktion: tum auftrat, trug mit ihrem barocken Lebensge­ Spanagel überstand all diese schweren Zeitläufe Christoph F. Riedl, 72336 Balingen, Gerh.-Haupt­ fühl und dessen üppigen Stilformen merklich unbeschadet, und als 1921 seine Wiederwahl an­ mann-Ring 14, Telefon 7816. dazu bei, dass manche Bräuche, und wenn auch stand, setzte sich sogar die SPD für ihn ein, ob­ Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils in 'anderen Ausmaßen, wieder reichhaltiger, ja le­ wohl er als Parteiloser auftrat. Ein Gegenkandidat am Monatsende als ständige Beilage des "Zollern­ bensfroher und lebensverbundener hervortraten. war weit und breit nicht zu erblicken, aber die Alb-Kuriers". Jahrgang 49 30. November 2002 Nr. ll Die Arnoldsche Jahrzeitstiftung - vom 23. November 1502 Von Dr. Wilhelm Foth, Balingen

"Wir .• .Auberlin Arnoldt, Marina sins Bruders.. . Heintz Arnoldts gelaßen Witwe (hinterlassene Witwe), Hannß Gabler und Ciriax Gretzinger, alle Burger unnd gesäßen (sesshaft) zue Balingen, bekhennen unnß vor menniklichem (vor jedermann) mit urkhundt unnd in crafft diß brieffs••. der geben ist uff Mitwoch vor Sanct Catharinentag, der halligen Jungfrawen unnd Märterin deß Iars nach Christi geburt, alls man zahlt (zählt) Fünffzehenhunndert unnd zway Jahre." Das war der 23. November 1502.

Das ist der Anfang und das Ende einer Urkunde, Margarethe, der St, Agathe und der St. Katharina die zu den wichtigsten und interessantesten de r in der St.-Nikolaus- und Liebfrauenkapelle in der Balinger Stadtgeschichte zählt. Sie liegt nicht Stadtrnitte, der heutigen evangelischen Stadt­ mehr im Original vor, aber in zwei Abschriften kirche.Dazu gehörte auch der Inhaber der erst von 1614 (damals lag der "Stifftungs-Brieve" noch 1701 gestifteten Prädikatur, der PredigersteIle. "originaliter.. .mit anhangenden Insigeln ...gantz Zu diesen elf Balinger Priestern kamen dre i von unnd unversehrt" vor) und von 1741. Mit dieser Ostdorf, nämlich der dortige Pfarrer sowie zwei, Urkunde von 1502 - jetzt fast auf den Tag genau die die Frühmesse und die St.-Peters-Kaplanei in­ vor 500 Jahren - wurde die Arnoldsche Jahrzeit nehatten. Auch von Frommem kamen zwei neu gestiftet und geregelt. Priester, nämlich der Pfarrer und der "Frühmes­ ser" , der also, der die Früh messe feierte. Ebenso nahmen die Kaplane von Hese lwangen So war es bisher und von Pfeffingen sowie die Kirchherren (Pfar­ rer) von Geislingen, von Grosse lfingen, von Stein­ "Unnsere Vorderen (Vorfahren), die Arnoldten" hofen, von Engstiatt, Erzingen, Endingen, haben vor, "etwen vii Iaren... zu Trost unnd Haile Roßwangen, "Wylan un nd er der Lochen" (heute irer selbs, auch ihr Vorderen und Nachkommen Weilstetten), Tieringen, Digisheim (wohl Oberdi­ seelen ein begengkung (Begehung) eines Iarzyts" gisheim), Dürrwangen und Burgfeide n an der Ar- gestiftet und die ist "bißher mit zwaintzig Pries­ noldschen Jahrzeit teil. . tern zu Lob Gott dem Allmechtigen und allem himmlischem Hörr (Heer) begangen worden. Da­ für hatte unnser Vatter unnd Schweher (Schwa­ Wie verlief das eigentliche Fest? ger) Hanns Arnoldt selige" fünfzig Gulden von seinem Gut gestiftet. Am Vorabend des Katharinent ages, also am 24. Nikolsuskspelle", seit der Reformation Pfarr- und Stadt­ November, sollen die elf Priester von Balingen kirche von Balingen, wo die Hauptfeier der Amoldschen sich in der "Pfarrkirche ob den Gräbern", also der lehtzeit stattfand und wo sich das Grab der Familie Arnold Und so soU ab 1502 die Jahrzeit heutigen Friedho fkirche, versammeln, eine Seel­ befand. Aufnahme von ca. 1890durch Friedrich SpeideI begangen werden vesper lesen un d "röche n", also mit Weihrauch räuchern.Damit war der Abendgotte sdienst ten, Brot im Wert von 5 Schilling als Spende gege­ Da diese Jahrzeit zwar jährlich begangen wor­ beendet. Für die Priester fand anschließend ein ben - ein Gott wohlgefälliges Werk. den ist, aber nicht mit der notwendigen Bestän­ gemeinsames Vesper, Collarz genannt, statt mit Danach zogen die 30 Priester, begleitet wohl digkeit und da die Anordnungen auch' nicht Schmalzkuchen, Käse, Nüssen und Brot, wozu ih­ von Messbuben und Gläubigen, ~u ch vom Lehrer schriftlich niedergelegt waren, erfolgt jetzt, am nen vier Maß Wein gereich i: wurden. der Lateinschule und seinen Schülern, in feierli­ 23. November 1502, eine Neuregelung durch die Am nächsten Morgen, also am Katharinentag, che r Prozession von der "Pfarrkirche ob den Grä• vier bereits oben genannten Personen, nämlich dem 25. November, begannen die Hauptfeierlich­ bern" hinauf zur "Niclauskapelle" am Marktplatz. Auberlin Arnoldt, Marina, dieWitwe von Heintz keiten wiede r in der Friedhofkirche. Die 30 Pries­ Diese Kirche wur de gerade umgebaut, der neue Arnoldt, Hannß Gabler und Ciriax Gretzinger. Sie ter aus Balingen und den genannten Orten fan­ Chor war fertig, de r markante Tur m war bis 1502 handeln als Erben und "gesüppten" (Sippen- d. den sich dort ein. Sie hatten zum Teil sehr weite . wohl schon zur Hälfte em porgewachsen. In ande­ h. Familienangehörige) derer, die die Jahrzeit an­ und beschwerliche Wege zurückzulegen, etwa die ren zeitgenössischen Quellen wird diese Kirche gefangen und bisher gefeiert haben. Sie soll .zue von Burgfeide n, von Tieringen oder Obe rdi­ auch "Liebfrauen- und Niclauskapelle" genannt. ewigen Zeiten" jährlich begangen werden mit gisheim, woher sie wohl meist geritten kamen. Hier hatten die Priester ein Amt von Unserer dreißig Priestern "uff den nechsten Donnerstage Beschwerlich war dieser Anmarsch auch deshalb, Lieben Frauen zu singen und "ob dem Grab" zu vor Sannct Catharinentage" (25. November). weil Ende November erst spät der Tag anbricht röchen, d. h. das Weihrauchfass zu schwenken und mitunter schon Schnee liegt. mit dem Psalm "Miserere Domine" (Erbarm dich, Der Gottesdienst begann also in der Pfarrkirche. Herr). Welches Grab gemeint ist, wird nicht aus­ Woher kamen diese Priester? Die Priester sangen eine ganze Vigilie mit den drücklich gesagt, denn es war wohl selbstverstän• "Leetionibus", Parce mihi, Domine (Verschone dlich: Bei einer "Jahrzeit", einer Totengedächtnis­ Das waren zunächst der Kirchherr (Pfarrer) zu mich, 0 Herr). Anschließend sangen sie ein Seel­ feier, macht es nur Sinn, wenn damit das Grab Balingen mitsamt den dortigen zehn verpfründe• amt und dann ein "Salve Regina" (Gegrüßet seist der Stifter, d. h. der Familie Arnoldt, gemeint ist. ten Priestern, bei einer damaligen Einwohnerzahl du, Himmelskönigin). Es folgte eine Seelvesper Das Würde zugleich bedeuten, dass es sich bei von rund 1000 eine sehr hohe Anzahl. Unter die­ und wieder ein ausgiebiges Röchen, d. h. Räu• den Arnoldten um eine wirklich hoch angesehene sen Priestern befanden sich mit Sicherheit die chern. Familie handelte, die ihre Verstorbenen in der des St.-Peter-, St.-Afra-, St.-Gallen- und St.-Mi­ Im Anschluss daran wurde dort "armen Leu­ Kirche beisetzen durfte - ein seltenes Vorrecht. chael-Altars und die des St. Sebastian, der St. ten", die wohl dem Gottesdienst beigewohnt hat- Das Grab und die Grabplatte gibt es heute nicht Seite 1338 Heimatkundliehe Blätter November 2002 mehr. Es wurde wahrscheinlich, wie zahlreiche später nach Balingen käme, noch nachträglich Angaben da rüber, ob die Jahrzeit selbst tat­ andere, beim Einbau der Heizung in die Stadt­ seine Praesenz (Bezahlung) von 7 Pfennig erhal­ sächlich begangen, die Gottesdienste gefeiert und kirche im Jahr 1913/14 zerstört. ten sollte. die Festmähler stattgefunden haben. Übrigens hatte der Schulmeister das "Amt von Es war auch der Fall vorgesehen, dass einer der .Deßen alles, zue waren steetem unnd vestem Unserer Lieben Frau" zu "regieren", d. h. zu diri­ Priester überhaupt nicht mehr zur Verfügung Urkhundt, sonnderlieh aber zue glaubwürdiger gieren. Seine Schüler (mehr als zehn bis zwölf stand: Dann sollte der Älteste der Arnoldten in unzweiffenlicher Bezeugung" wurde sie besiegelt dürften es in der damaligen Lateinschule nicht Zusammenarbeit mit der Priesterschaft einen an­ vom Untervogt mit seinem eigenen Siegel, so­ gewesen sein) sollten beim Singen "mithelfen". deren Priester auswählen, damit die Zahl 30 im- dann vom Bürgermeister und Gericht durch To­ Das Ende des Gottesdienstes bildete eine Messe mer voll wäre. . bias Murschel und Johann Finckh, den amtstra­ von allen 30 Priestern. . Sogar der Fall war vorgesehen, dass die Ausrich­ genden Bürgermeistern' und verordneten Sieglern Nach dem Festgottesdienst gab es für die Pries ­ ter der Jahrzeit oder ihre Erben und Nachkom­ mit der "Stattgemeinen Secret Innsiedel". Diese ter einschließlich des Schulmeisters ein Festmahl men säumig würden bei der Ausrichtung des To­ Siegel sind leider nicht mehr erhalten; entweder mit mehreren Gängen: Zunächst Wurde das ,,vor ­ tengedenkens. Dann sollten die Priester die Er­ gingen sie verloren oder wurden eine Beute von essen" aufgetragen, danach Rüben (wohl Gelbe laubnis haben, die genannten Zinsen selbst in die Sammlern. . Rüben) und Fleisch; es folgten Brühe und Fleisch, Hand zu nehmen (denn diese waren für sie ein anschließend Sulz und Küchle, dann Braten und willkommener Nebenverdienst) und "die Iarzyt Gemüse und als Abschluss gab es Käse und Ku­ järlich und ewiglich ...zuversehen ohne alle Hin------­ chen. Zu allem wurde (viel) guter Wein und Brot derung..." Das SpitaUagerbuch von 1741 gereicht. Diese Urkunde wurde auf Bitte der Ausrichter Die nächsten Nachrichten über die Arnoldsche Diese s Mahl dürfte sich über mehrere Stunden besiegelt von Junker Wernher von Rosenfeld dem Alteren und von Caspar Büter, Alt-Bürgermeister Jahrzeit liefert erst das Spitallagerbuch von 1741. hingezogen haben. Es war reichlich, aber viele Darin sind alle Güter und Gülten des Spitals auf­ Speisen, die uns heute selbstverständlich erschei­ zu Balingen sowie von Auberlin Arnoldt und Hannß Gabler selbt, je mit ihren eigenen Siegeln. geführt. Dabei werden öfter Urkunden in Ab­ nen, gab es nicht: weder Kartoffeln und Reis, die schrift wiedergegeben, die diese Abgaben be­ erst später aus Übersee eingeführt wurden, noch Diese Siegelung durch zwei der drei Ausrichter der Jahrzeit zeigt ebenfalls, dass es sich um eine gründeten. Irgendeine Systematik ist nicht er­ andere Lebensmittel, die von weither hätten an­ kennbar: Es scheinen einfach die Urkunden ko­ transportiert werden müssen. Noch nicht einmal hoch angesehene und wohlhabende Familie han­ delte, denn nur solche besaßen eigene Siegel. piert worden zu sein, die dem Schreiber (mehr "Spätzle" werden genannt! . oder weniger) zufällig vorlagen. So finden wir ne­ Die Reste des Mahls wurden "armen Leuten", ben anderen auch eine Abschrift der Urkunde die "ungefahrlich", zufällig, anwesend waren, ge­ von 1502, mit der, wie oben dargelegt, die Ar­ geben - wahrscheinlich hatten sie sich, bei der Der Schweizer Zweig der Familie Arnoldt noldsche Jahrzeit begründet bzw. in ' eine damaligen großen Armut, vor den Türen des rechtsverbindliche Form gegossen wurde. Gasthauses gedrängt. So konnte das Totengeden­ Im 15. Iahrhundert sticht nicht nur in Balingen Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass die Jahr- . ken mit einem "guten vyerk" verbunden werden. die Familie Arnoldt durch ihre Frömmigkeit und zeit als Fest tatsächlich noch begangen wurde. Gleichzeitig wurden die Priester für ihre Dienste ihre Wohlhabenheit hervor. Zu Brugg im Aargau Man darf wohl als gesichert ansehen, dass dies bezahlt: Der Kirchherr von Balingen bekam 11 macht ein "Conrad Arnold de (von) Balingen" , nicht mehr der Fall war und die Verwaltung und Pfennige, die anderen Priester je 7 Pfennige, die der dort 1454 eingebürgert wurde, große Stiftun­ Verwendung der Stiftungsgüter eine Art Eigenle­ "Frauenpfleger", wohl die Kirchenpfleger, fürs gen; er ist auch als Mitglied mehrerer Bru­ ben erlangt hatte, dem jeder religiöse Hinter­ Kerzenaufstecken (darum wurden sie oft auch de rschaften und von 1460 bis 1490 als Schultheiß grund fehlte. Lichtpfleger genannt) und die 2 Mesner 1 Schil­ in Brugg bezeugt. Auch bei der Grundsteinlegung ling Heller. .Denselben Betrag erhielt übrigens der Brugger Stadtkirche 1479 wird "Cunrat Arnold auch der Schulmeister für seine Dienste - ein Zei­ de Balingen", der "Bruggli" genannt wird und der chen dafür, ' dass er, obwohl zum geistlichen mit einer Tochter des Junkers Cunrat Meyerver­ Die Nachforschungen des Stand gehörig, sich keiner besonders großen so­ heiratet ist, erwähnt. Auch sein Sohn Cunrat war Diakonus M (Magister) Klemm von,..l772 zialen Wertschätzung erfreute. Über die Kaufkraft weiterhin führend in Brugg tätig. dieser Geldbeträge können leider keine Angaben Aus welchen Gründen Conrad Arnold von Ba­ Nähere Angaben über das Schicksal der Ar­ gemacht werden. lingen auswanderte und wie die genauen Ver­ noldschen Jahrzeit geben die Güterbücher aus wandtschaftsbeziehungen zum Balinger Zweig dem 19. Jahrhundert, die sich auf Akten aus dem waren, ist auch Fritz Scheerer unbekannt, dem 18. Jahrhundert beziehen, die heute allerdings diese Nachrichten zu verdanken sind. nicht mehr auffindbar sind. Wahrscheinlich gin­ Die Güter der Jahrzeitstiftung gen sie verloren, vielleicht beim Stadtbrand von 1809. Für die Ausrichtung der Gottesdienste, der Mahlzeiten und nicht zuletzt der Bezahlung der Die Renovation von 1614 So heißt es im Güterbuch von 1886/87: "Der Geistlichen war jeweils "der älteste der Arnoldten, hiesige Diakonus M. Klemm gab sich im Jahr Stammens und nahmens", verantwortlich. Und In den nächsten Jahren und Jahrzehnten erfah­ 1772 nach den vorhandenen Akten alle erdenk­ wenn niemend mehr am Leben wäre, jeweils der ren wir von der Arnoldtschen Jahrzeit in Balingen liche Mühe, ein ·'schema genealegicum' über die älteste Freund oder Erbe, wie es in der Urkunde nichts. Weder in Urkunden noch in Lagerbü­ berechtigten Personen (d. h. den Verfügungsbe• heißt. chern wird sie erwähnt, was erstaunlich ist, da rechtigten) an den Gütern der ArnoldschenIahr­ Die 50 Gulden des Stiftungsvermögens bestan­ ansonsten über diesen Zeitabschnitt umfang­ zeit anzulegen. Allein nach schwerer Arbeit erge­ den aus einer großen Anzahl von Gütern, die ver­ reiches schriftliches Material vorliegt. ben sich, wie dessen Bericht vom 6. Juli 1772 liehen waren und deren Nutzer jährlich Zinse zu Erst 1614 findet sich die "Renovation und Er­ zeigt, erhebliche Bedenken, weil die Familien­ entrichten hatten. neuerung über die Arnolden Iarzeyt zu Balingen". und die Ehebücher früher nicht geführt wurden." Diese Güter werden ihrer Lage nach genau be­ Diese wurde vorgenommen auf Bitten von Iacob Und dann wird aus dem Bericht des Diakons, d. schrieben, wobei -Bezeichnungen auftreten, die Eyselin, Martin Holltzhäwen und Hans Mayer, h. des zweiten Pfarrers neben dem Dekan, M. Ja­ mitunter für uns sehr interessant sind. So wird in genannt Kechelhannß, im Namen seiner Haus­ kob Friedrich Klemm (er hatte das Balinger Amt dieser Urkunde z. B. erstmalig der Marktplatz in frau Christina durch den geschworenen Stadts­ von 1763 bis 1782-inne), weiter zitiert: "Wegen Balingen genannt oder die "Metzig" (in der heuti­ chreiber Michael Kromppein zu Balingen. Sie der 250 Jahre lang unterbliebenen Fortführung ist gen Färberstraße), wo die Metzger ihr Fleisch ver­ .waren die Verfügungsberechtigten über das Ver­ die Benützung dieser Stiftung auf solche Perso­ kauften. Auch die "Schule" und der "Schulgarten" mögen der Arnoldtschen Iahrzeit, die sie von ih­ nen gekommen, die niemals einen begründeten erscheinen erstmalig. Genannt werden außerdem ren Altvorderen Hanns Eyselin, Iacob Holltzhä• Anspruch hieran gehabt haben und dass die Nut­ die "Obere Mühle" und ihr Wehr. wen und Hans Koch übernommen hatten. zung von Anbeginn an der Freundschaft halber Im Jahr 1614 war also schon keiner mehr mit in unrichtiger Ordnung gelaufen ist und andere den alten Namen Arnoldt, Gretzinger und Gabler unbillig zurückgesetzt wurden." am Leben, wenigstens nicht in Balingen. Es ist Und wie soU die Jahrzeit auf Dauer auffällig, dass auch in den Lagerbüchein der Deshalb stellten der Oberamtmann, der Spezial gesichert werden? . Herrschaft Württemberg von 1560 und 1565, die (Dekan), auch Bürgermeister und Gericht (Ge­ sehr viele Namen enthalten, die oben genannten meinderat) bei der höheren Behörde (in Stutt­ "Wirdt sich aber fügen, daß der obbestümbten nicht auftauchen. Die Träger dieser Namen gart) den Antrag, "dieses Gestift gegen die Priester, einer oder mehr ehehafftiger ursach waren also wohl ·schon in der ersten Hälfte des bisherigen Nutznießer aufzuheben und an den halb (aus gerechtfertigten Gründen) zue dem Iar­ 16. Jahrhunderts erloschen, ausgestorben' oder ohnehin verarmten Spital zu ziehen". Dieser An­ tage gehn Balingen nit kommen möcht.. .so soll ausgewandert. trag wurde aus juristischen Gründen abgelehnt. er der Jarzyt ... uff einen gelegenen Tag danach in Die Renovation von 1614 enthält die Kopie der Es wurde weiterhin in derselben fragwürdigen seiner Kirchen begöhn unnd das am Sonntag da­ Stiftungsurkunde von 1502, die oben besprochen Weise verfah ren wie bisher. (Übrigens: Der Spital vor seinen unnderthonen (Untertanen) an (von) worden ist, und sie enthält ein Verzeichnis der war eine Art Alten- und Armenhaus, das 1489 ge­ der Canntzel verkhönnden." Für diesen Fall war Güter und Zinse, die zum Stiftungsvermögen ge­ stiftet worden war). übrigens vorgesehn, dass der Priester, sofern er hören. Diese Renovation enthält ab er keinerlei Fortsetzung folgt November 2002 Heimatkundliehe Blätter Seite 1339 Conrad Schick (1822 - ,1902) aus Hitz Wie aus einem einfachen Mechaniker im Schwabenland ein königlicher Baurat in Jerusalern geworden ist I Von Martin Gaß

Im Jahre 1898, drei Jahre vor seinem Tod, be­ In Korntal tat mir die überaus schöne Einrich­ schrieb Conrad Schick die ersten 24 Jahre seines tung der Brüdergemeinde so wohl, und was ich Lebens. Er stellte seine Erzählung der Zeitschrift da hörte, elektrisierte mich . Wenn der Herr Pfar­ "Christlicher Volksbote aus Basel" zur Verfügung, rer Kapp z. B. so viel vom alten Menschen sprach in welcher sie vom 4. Juni bis 13. August 1902 un­ und von der Wiedergeburt, so waren es Dinge, ter der vorstehenden und den folgenden Über• die ich zu meiner eigenen Verwunderung ver­ schriften veröffentlicht wurde. Die folgenden Ka­ stand. Was ich im Herzen und Gedanken mit mir pitel "Kinderjahre" bis "Der Lebensabend" sind, herumtrug, aber keine Worte dafür hatte, wurde mit einigen Kürzungen, ·eine wörtliche Wieder­ hier deutlich ausgesprochen. gabe. Herr Kullen leitete damals eine Anstalt für Töchter, nachdem er diejenige für Knaben schon einige Jahre vorher aufgegeben hatte. Mit ihm Kinderjahre . hatte mein Onkel schon gesprochen. Herr Kullen stellte allerlei Fragen, zeigte mir auch Bilder.und Ich bin am 27. Januar 1822 in Bitz bei Ebingen Karten und ließ mich sagen, was es sei und der­ in Württemberg geboren. Mit sechs Jahren gleichen. Da sagte er: "In diesem Jungen steckt musste ich die Dorfschule besuchen, und als ich ein Mechaniker! Ihr hättet ihn sollen vor zwei lesen konnte, las ich besonders gerne - die Jahren zu mir bringen, dann hätte er Geistlicher Geschichten in der Bibel. Mein Vater war Orts­ werden können, aber jetzt ist's nach dem ge­ vorsteher, und weil kein besonderes Rathaus im wöhnlichen Bildungsgang zu spät. Ein Schul­ Ort war, diente unsere Wohnstube als Ratszim­ lehrer kann er noch werden, aber dazu rate ich mer, wo sich der Gemeinderat versammelte und nicht. Mich dünkt, der Knabe wird einst Missio­ alle amtlichen Geschäfte sich abwickelten. Als nar, und da ist's gut, wenn er vorher ein Hand­ stiller Knabe hörte und sah ich da manches, was werk lernt und zwar Schlosserei, das ist die erste für mein späteres Leben von großem Nutzen war. Stufe zur Mechanik." Einmal war der Oberamtmann (Landrat) von Ba­ Alles was der Mann sagte, schien mir wie pro­ lingen gekommen, und weil es damals an einem phetisch 'gesprochen. So kam ich für drei Jahre ordentlichen Gasthaus fehlte, bereitete meine nach Korntal iridie Lehre. Es war eine gnädige Mutter für ihn ein Mittagessen, an dem mein Va­ Führung des Herrn. Die Arbeit fiel mir, dem et­ ter -mit teilnahm. Als dann gegen Abend die Conrad Schick, 1822 -1904, Aufuahme wohl um 1897. was schwächlichen Knaben, nicht gerade leicht, Geschäfte beendet und der Postknecht mit einer Orden (v. li): russischer Stanislausorden, bstetreicnischer und auf das unverständige Drangsalieren der Kutsche von Ebingen gekommen war, begleitete Prsnz-losepb-Orden, preußischer Kronenorden Lehrjungen und eines Gesellen. ,wäre ich wohl ihn mein Vater bis zum Gefährt. Ich saß neben einmal durchgegangen und hätte nicht ausgehal­ der Haustüre am Boden. Ein ander' Mal dachte ich mir aus, wie eine ten, wenn nicht die Gottesfurcht und der Ge­ Sowie nun der vornehme Herr heraustrat, stand Burg anzulegen wäre oder wie man Leitern ma­ danke, später doch nicht bei diesem Geschäft zu ich auf und, unbemerkt vom meinem Vater, ließ chen könnte, um sehr hoch hinaufzusteigen, bleiben, mich gehalten hätten. Daneben war er etwas Geld in meine Westentasche gleiten. Als ohne dass sie sehr schwer zu sein brauchten. Korntal ganz der rechte Platz, um in der christli­ ich es dann später herausnahm, waren es fünf Dann wieder, wenn ich Schulmeister werden chen Wahrheit tiefer gegründet zu werden, und Sechser, wie man die Sechs-Kreuzerstücke sollte, wie ich mit den Kindern umgehen, ihnen wo ich nicht nur gar vieles lernen konnte, son­ nannte, was einen halben Gulden ausmachte. Ich die Dinge erklären würde. So fühlte ich mit Nach ­ dern auch in der Nähe von Stuttgart, Cannstatt, kam mir nun auf einmal ganz reich vor und denken über noch viele andere Dinge die Zeit Ludwigsburg, Hohenheim und der Solitude war, meine Eltern sagten: "Du darfst nun für das Geld aus. wo ich Sammlungen besuchen und mir reiche kaufen, was du willst." So wünschte ich mir Pa­ Jedermann merkte, dass in mir :kein Bauer Kenntnisse erwerben konnte. pier, Farben, Bleistift, Lineal und einen kleinen steckte. Und wenn mitunter auch gesagt wurde, Zirkel, was mir auch beim nächsten Ebinger man sollte mich in eine Schule, etwa nach Ebin­ Markt gekauft wurde. Nun fing ich an zu zeich­ gen in die Latein- oder Realschule, tun, so kam es Unter gutem Einfluss in Komtal nen und zu malen. doch nicht dazu. Die Konfirmation ging ohne be­ sonderen Eindruck vorbei, denn der Pfarrer war Nach Korntal kamen auch allerlei fremde Leute ein Rationalist. Er kam gewöhnlich am Sonntag­ aus aller Herren Länder zu kürzerem oder länger• Was will aus dem Buben werden? morgen von Ebingen, um Kirche zu halten; und em Besuch, so z. B. nach der Heimat zurückkeh• es beschränkte sich der Konfirmationsunterricht rende Missionare. Dadurch wurde mein Herz Merkwürdig ist, dass ich am liebsten Häuser, insgesamt auf nur ganz wenige Stunden im Gan­ und auch der Gesichtskreis erweitert, was später Kirchen und Burgen zeichnete. Doch versuchte zen. Jedoch wusste ich ja, dass ich dem Heiland für mich von großem Wert war. Ich lernte es ich es auch mit Dörfern und Städten, die mir aber gehöre, und hatte den festen Vorsatz, ihm treu zu praktisch zu verstehen, was es heißt, "Unter aller­ weniger gelangen. Ebenso merkte ich bald, dass bleiben. lei Volk, wer Ihn fürchtet und Recht tut, der ist ich wenig Geschick für Zeichnen von Menschen Als ich nun die Schule nicht mehr zu besuchen Ihm angenehm". Durch alles das bekam der Ge­ und Tieren hatte, mehr noch für Blumen und an- . brauchte, und 14V2 Jahre alt war, wurde ernster danke, Missionar zu werden, immer wieder neue dere leblose Dinge. Während meine Brüder und daran gedacht, dass der Junge nun doch einen Nahrung. Ich erzählte es dem Meister, der mein andere Knaben in meinem Alter sich auf der Beruf ergreifen und irgendwo in die Lehre ge­ Vorhaben billigte und sagte, er wolle mit dem Gasse aufhielten, Spiele machten oder in.iden bracht werden müsse. Mein Vater hatte nur einen Herrn Pfarrer darüber sprechen. Dies war der Wald gingen, blieb ich in meinem Eckchen sitzen, Bruder und derselbe hatte keine Kinder. Er war später so berühmt gewordene Prälat Kapff. zeichnete, malte oder las und versuchte selbst, ein entschieden frommer Mann, und in seinem Als ich in dessen Studierstube trat, fragte er eine Chronologie /der Urväter und damit eine Haus wurde die so genannte "Stunde" (der altpie­ mich allerlei und wunderte sich, dass er mich in . Zeitrechnung der Bibel anzustellen und Ähn­ tistischen Gemeinde) gehalten. Diese hielt vor al­ der Kinderlehre nicht habe näher kennen gelernt. liches mehr, was mir großes Vergnügen gewährte. lem der Gemeindepfleger. der vermöge seines Doch ich war stets da gewesen und hatte ihm die Älter geworden, hatte ich dann auch an den Ar­ Amtes viel in unser Baus kam. Beim Einkassieren Worte vom Munde weggenommen. Er ging bei beiten der Landwirtschaft mitzuhelfen, beson­ der Steuern musste er oft lange warten bis je­ seiner Unterweisung im Zimmer auf und ab, frug ders vom zwölften !Jahre an mit den Pferden zu mand kam und Geld brachte. Da pflegte er mir mich aber niemals direkt, und so gab ich aus fahren und "Mene" zu treiben; d. h. die an den dann allerlei zu erzählen und viele gute Samen­ Schüchternheit auch keine Antwort. Nun trug er Pflug gespannten Pferde zu führen und zu leiten. körner in mein junges Herz und Gemüt zu legen, mir auf, ich solle jeden Sonntag seine Predigt Das Pflügen ist ein ermüdendes Geschäft, weil so dass ich noch heute den alten Mann, der aufschreiben, aber nicht in der Kirche, sondern man stets dabei laufen muss, und auch sehr ein­ schon längst heimgegangen ist, segne. Er war da­ nachher, um mein Gedächtnis zu üben, und sie förmig: darum war ich oft mit den Gedanken neben ein Drechsler und so hielt ich mich öfters selbst zu ihm bringen. So geschah es einige Wo­ nicht dabei. Da half ich mir z. B. damit, dass ich bei ihm in seiner Werkstatt auf, wodurch in mir chen lang. Da sagte er, ich solle nun an der latei­ die Anzahl der notwendig werdenden Furchen der Trieb zur Mechanik reifte, so dass ich zu nischen Klasse im Knabeninstitut teilnehmen. So schätzte und zählte sie dann durch Auf- und Zu­ Hause auch allerlei, wie man dort sagt, "bastelte": geschah es, dass ich als 18-jähriger Jüngling mit machen meiner Westenknöpfe. Auch maß ich die Da nun mit ihm beraten wurde, was man mit mir Knaben .von 12 Jahren jeden Vormittag eine Länge einer Furche nach Schritten und rechnete anfangen solle, so sagte er: Am nächsten Johan­ Stunde lang auf einer Bank saß und die latei­ auf diese Weise aus, wie viel wir an einem Tag nis-Feiertag (24. Juni 1836) gehe er nach Korntal, nische Konjugationen und Verben hersagte. Ich Schritte machen müssen. da wolle er den Konrad mitnehmen. fand, dass das Sprachlernen für mich eine Seite 1340 Heimatkundliehe Blätter November 2002

schwere Sache sei, doch setzte ich es ' mit viel es hieß da auf einmal in mir: Diese sind glück• über Offenburg das Kinzigtal hinauf' bis zur Fleiß durch, so dass de r Lehrer stets zufrieden lieh, sie können ohne Gewissensbisse sündigen! Herrnhuter Gemeinde Königsfeld. Hier wäre ich war. Schließlich aber war es meiner Natur doch . Da erschrak ich übe r mich selbst und sagte mir, gerne geb lieben, ab er es fand sich wiederum kein zu viel, ich fiel in ein Nervenfieber, und man "So weit ist's also schon mit dir gekommen. Du Platz und so zog ich nach dieser Reise, auf der ich glaubte, ich werden sterben. befindest dich in einer gefährliche n Lage, du viel gesehen habe, vollends heim. Alles Studieren hatte nun eine Ende und meine musst fort von hier". So kündigte ich den Dienst Nach zwei Wochen nur kam die Anzeige von Mutter holte mich in einem Gefährt nach Hause, auf ging heim und sagte: "Ich reise in die Basel. So, jetzt könne ich kommen, es sei ein wo ich mich bald so weit erholte, dass ich wieder Schweiz." Alle, auch mein Onkel meinten: "Ach Platz für mich da. Ungesäumt folgte ich dem Ruf aufstehen konnte. Bald stellte sich heraus, dass was, wo willst du hin? Du kannst ja bald selbst und trat dort bei Herrn Epple ein, der eine große ich noch an einer anderen chronischen Krankheit ein Geschäft anfangen und dergleichen." Als ich Werkstatt mit vielen Arbeitern hatte. litt, wodurch es immer schlimmer mit mi r wurde. abe r dann meinem Onkel die wahre Ursache Ich hatte besonders Schmerze n in den Knien; Al- sagte, meinte er: "Nun geh e in Gottes Namen, les Einreiben von Salben, Auflegen von Pflastern der Herr wird mit dir sein ". usw. half nichts. Auch war ich sonst nicht wohl War er dafür, waren es au ch meine Eltern, und und zehrte ab, so reiste ich zunächst nach Schaffhausen, wo ich Arbeit fand. Nach einiger Zeit aber merkt e ich, dass ich hier den Anforde ru ngen bei der Arbe it Auf der Wanderschaft nicht recht gewachsen sei. Es war eben eine ganz ande re Art, auch viel mehr Maschinenbetrieb Eine Kur durch Salzbäder hatte Wunder getan! usw. So ging ich dann weiter nach Zürich, Lu­ Nach weiteren drei Wochen war ich fast gesund zern, Aarau und Basel, wo ich 'mehrere Missions­ und konnte in Ebingen als Geselle Arbeit in der zöglinge kennen lernte. Gern hätte ich in letzte­ . feineren Mechanik und in Messing aufnehmen, ren Stadt Arbeit angenommen, um der Mission denn es wurden da allerlei mathematische In­ näher zu sein. Da sich aber"nichts zeigen wollte, strumente verfertigt. sagte ein Bruder: "Weißt du was? Gehe nach Die Nebengesellen waren Weltkinder und spra­ Hause, und so wie ich für dich einen passenden Piertkirche ob den Gräbern ", vorreformatorische Pfarr­ chen, wenn der Meister nicht da war, von ihren Platz finde, will ich es dir schreiben." Ich folgte kirch e von Balingen, heutige Friedh ofkirche, wo die Feier­ dem Rat; ging dann über Mühlhausen, weil ich lichkeiten bei der Begehung der Arnoldschen Iehrzeit je­ leichtsinnigen Streichen, von Frauenzimmern weils ihren Anfang nahmen, Im Vordergrun d Steinbruch und dergleichen. Ich verabscheute anfänglich, auch einmal mit der Eisenbahn fahren wollte, über die Eyach im Zuge der ..schweizerstraße" entlang de. das hören zu müssen. Aber länger fortgesetzt, über Colmar nach Straßburg. Da sich aber auch Albtraufs, Sie wurde vom Hochwasser 1895 zerstört, - Auf­ muss es doch seine Wirkung getan haben, denn dort keine passende Arbeit-für mich fand, zog ich nahme von ce. 1890durch Friedrich SpeideJ

dann sind da noch die Skulpturen und Skulptu­ Erlebnisreiche Tage im Elsass ren-Friese außen an den romanischen Kirchen und die Ornamente innen. Deren Aussagekraft ist Eine Bus-Studienreise mit Professor Roller verblüffend zeitlos, geradezu teilweise modern. Die Pfarrer dieser Kirchen gaben Deutungen, Die Heimatkundliehe Vereinigung Balingen erkundete mit einer Bus-Studienreise das Nord-El­ ebenfalls zeitlos modern. Besonders packend sass. Das Besichtigungsprogramm unter der Organisation und Leitung von Professor Roller war sind solche Skulpturen an den Kirchen St. .Io­ wieder ungemein vielschichtig, tiefgründig und packend. . hann, Neuweiler, Andlau, Rosheim und Maurs­ münster. Kultstätten der Kelten beeindruckten durch ihre wahrsten Sinne des Wortes, ~ie Bu~gen im Was- Von christlicher Nächstenliebe zeugt das uralte monumentale und strategische Lage und Größe. g~nwald. und den Vogesen. Die zwei Burgen Wa- Hospiz-Kirchlein in Obersteigen. Die Autobahn- Sie faszinieren durch die Tatsache, dass damals sigenstem beherrschten Tal und Handelsstraße. ki h St Chri t h b . B d B d . . . W d d d . M' II rc e . ns op orus ei a en- a en, eme schon geophysikalische Kraftströme und Kraft­ Wen mmmte es un er, ass ort Im itte a ter . Pyr id it K t icht hl i d . h ti felder erkannt und geortet werden konnten. Die­ dem Kampf der Könige Walther von Aquitanien arm e rm ryp a, spnc wo Je en e1! 1- . t te) it G t W (B der) gen Menschen an. Der Ausklang der Exkursion sen Naturkräften galt bei den Kelten, genauso bei (Wes go e rru un er von orms urgun er f d b . d . h P ' .B ilik . . di d Walth 'L' d b . gt an statt ei er romamsc en nrrnn- aS11 am den Germanen, die kultische Verehrung. Vorran­ st attfan,d Wie ies as an- re esm. Rheinmi S h h E . I b . · k über ieweil üb 100' emmunster- c warzac. s waren er e rus- gig der christlichen Mission der Iren, Columban Heut e noch ann man u er jewei s u er m . h T d . d di .. I' h sei hier genannt, ist zu verdanken, dass dann den Fe I s ge hauene Stufuren diie b er iden BergfrinedeLF reic e age un unvergessenI b Dsm hie tag IC en erkliImmen, D'ie R etc' h s- F retiherren von Flec ken- esungen. von rau nge org annen. aus, vorge-.. dem Schöpfer dieser Naturkräfte die Ehre erwie­ .. . tragen mit warmem Humor und zeitlos geistiger sen wurde. Dies begründet der Christus-Hymnus stem erreichten als Vasallen der Staufer-Kaiser ' W . h it ied in b d Höh kt in Kolosser 1.15-20. weitreichenden Machtzuwachs. So zeigt sich eis en, Wie er ein eson erer 0 epun . Dieses hohe Wissen wurde über Jahrhunderte auch heute noch ihre Burg Fleckenstein als weitergegeben. Davon zeugen im Nord-Elsass der Ruine, in Größe und Wucht des 12. bis 17. Jahr- Odilienberg, ein ehemals keltisches Sonnen-Hei­ hunderts. ligtum. Im 6. Jahrhundert gründete dort, in der Einen Ausblick bis Paris, und Metz Verfasser der Beiträge herzoglichen Burg ihres Vaters, Odilie ein Kloster bietet die Festung Lichtenberg, Stammsitz der und wurde dessen erste Äbtissin. Kloster und Landgrafen von Lichtenberg-Hanau, später Hes­ in dieser Ausgabe: . sen-Darmstadt. Genutzt werde diese riesige Burg "Heidenmauer" sind gleichermaßen beeindru­ Dr. Wilhelm Foth ckend. Auf ähnlichem Kraftfeld, aber diesmal im als Festung bis 1870, als sie vor der württember• Lisztstraße 35, 72336 Balingen Tal der Andlau, gründete im 9. Jahrhundert Kai­ gischen Artillerie kapitulierte. Aber derzeit wird serin Richardis auf ihrem eigenen herzoglichen sie zu einem grenzüberschreitenden' Kulturzen­ MartinG3.ß Grund und Boden das Kloster Andlau. Die Krypta trum ausgebaut, einfühlsam und sehr gut! Und (verantw. f. d. Beitrag: Dr. Peter-Thaddäus Lang) der Abteikirche, die sie als erste Äbtissin und Stif­ der kleine aber feine Felskegel Dabo, die Dags­ Johannesstraße 5, 72458 Albstadt terin bauen ließ, umschließt heute noch dieses burg aus dem 10. Jahrhundert, ist schon lange messbare Kraftfeld. . Wallfahrtsort zu Papst Leo IX, der als Bruno, Graf Der Pfarrer der Abteikirche in Neuweiler geht zu Egisheim und Dagsburg im Jahr 1049 die Herausgegeben von der diesen Kraftströmen wissenschaftlich nach. Er Papstweihe erhielt. Übrigens, diese Grafen waren Heimatkundlichen Vereinigung Balingen demonstriert diese Phänomene, die man fas­ Vorfahren der Habsburger. sungslos zur Kenntnis nehmen muss. Neuweiler Wer Kirchenfenster mit Glasmalerei-Zyklen aus Vorsitzender: ist eine Gründung irischer Mönche des 6. Jahr­ dem 12. bis 15. Jahrhundert bewundern will, Christoph Roller, 72336 Balingen, Am Heuberg 14, hunderts. Im 8. Jahrhundert wirkte dort Pirmin muss in das Elsass gehen. Weißenburg, Walburg, . Telefon 7782. nach seiner fragwürdigen Vertreibung von der Altdorf, Niederhaslach und Zabern sind allein Geschäftsführung: Reichenau im Bodensee. Über 500 Jahre alt sind wegen dieser Farbenpracht der Fenster einen Be­ Ruth Hübner, Im Kirschenwinkel 2, 72359 Dot­ die berühmten Adelphi-Teppiche, farb frisch und such wert. Offenbar haben sowohl Franzosen wie ternhausen, Telefon (0 74 27) 9 10 94, ausdrucksstark mit Schriftbändern versehen, in Deutsche bei ihren vielen Kriegen ihrer Artillerie Redaktion: der Kapelle über der Krypta. Die Führung durch Schonung abverlangt. Andere hatten da weniger Christoph F, Riedl, 72336 Balingen, Gerh.vl-laupt­ den Pfarrer der Abteikirche zog alle in den Bann Skrupel. mann-Ring 14, Telefon 7816. und er unterbrach extra für uns seinen Urlaub in Das Elsass ist ja auch ein Land mit Silbermann­ Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils der Bretagne. So was muss man erlebt haben! Orgeln. Eindrucksvoll wurde dies insbesondere in am Monatsende als ständige Beilage des "Zollern­ Weitere Höhepunkte der Exkursion waren, im Buchsweiler und Maursmünster erlebt. Und Alb-Kuriers", Jahrgang 49 31. Dezember 2002 Nr.12 Conrad Schick (1822 - 1902) aus Hitz Wie aus einem einfachen Mechaniker im Schwabenland ein königlicher Baurat inJerusalem geworden ist I Von Martin Gaß I 2. Folge

Chrischona die Bibel werden genau kennen ler­ Wie ich auf St, Chrischona kam dass dem ersten Brüderpaar noch andere folgen nen, dabei jedoch auch noch täglich einige Stun­ werden." Nun entwickelte er seine Gedanken den Handwerk zu verrichten haben werden, so Nun war ein anderer Geselle da; ein Schreiner, über die Gründung eines Brüderhauses. könnten wir vielleicht dieses Modell machen. auch aus dem Württembergischen, der meldete Ich ergriff die Sache mit großer Begeisterung sich zur Aufnahme ins Missionshaus und fragte und entwarf dann die Pläne, machte die kleine­ mich, warum ich so lange zögere. Da war es mir Vorbereitung auf den Auszug ren Dinge, während der Schreiner die Bretter und 'auf einmal klar, was ich zu tun habe, ging ins . Riegel und den Boden, auf den das Ganze zu ste­ Missionshaus und ließ mich beim Herrn Inspek­ Wenn auf jenem Gang nach St. Chrischona bei hen kam, verfertigte. Ich hatte es so gemacht, tor W. Hoffmann anmelden. Er empfing mich Riehen meine Wahl für Jerusalem bestimmt dass man den Vorhof mit seinen Vorhängen und liebreich und kannte mich noch von Korntal her. wurde, so wurde durch die Wahl Gobats zum Bi­ das Ganze zusammenlegen konnte, um es da Er riet mir, mich mit einem selbstverfassten Le­ schof von Jerusalem auch die Zeit zur Aussen­ und dorthin transportieren zu können. Für die bensabriss zu bewerben. Als aber die Zeit vorüber dung der Brüder festgesetzt. Die Wahl fiel bald gestickten Decken hatte ich Zeichnungen und die und mein Name nicht unter den Aufgenomme­ auf einen zweiten Bruder, Christian Palmer, da­ Größe angegeben, damit alles zusammenstim­ nen war, sagte ich zu mir, das wird auch so recht mals Zögling und Lehrer auf St. Chrischona. Herr men möge. Dieselben wurden dann in einer sein, nun hast du deine Schuldigkeit getan, Divisionsprediger Dr. Strauß kam in jener Zeit Bandfabrik, deren Teilhaber Herr Christ war, ge­ kannst nun fernerhin ruhig abwarten, wie es der von seiner Palästinareise zurück nach Basel. Er woben und die Vergoldung der Bretter in seinem Herr weiter mit dir führt. So war ich wieder fröh• wünschte uns Glück und Segen, erzählte uns Hause unter seiner Aufsicht vorgenommen. Das lich bei meiner Arbeit. auch manches und meinte, mit Uhren könnten Modell war im Maßstab ungefähr 1:20 gemacht. wir gute Geschäfte machen. Da sagte eines Tages der genannte Schreiner, Dies war die Grundlage und der erste Anstoß, der So wurde ich als Mechaniker durch Vermittlung der auf sein Gesuch auch keine Aufnahme ins alle meine folgenden Modelle der Stiftshütte von Herrn Pfarrer - später Dekan - Ledderhose Missionshaus gefunden hatte. "Wir sind heute nach sich zog. zu einem Uhrenmacher in den Schwarzwald Abend zu Herrn Spittler ins Fälkli bestellt. Aber geschickt, wo ich vier Wochen lang lernte, wie die ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat." So gin­ Uhren gemacht werden; auch die dazu nötigen gen wir beide hin, und Herr Spittler empfing uns Ein entscheidender Gang und Zwiegespräch Werkzeuge und alle Berechnungen mit den Zäh• mit den Worten: "So ihr seid die Brüder, die auf nen und dem Triebwerk der Uhren kennen den Berg (St. Chrischona-Anstalt) gehen wollen! Eines Tages hatte ich Herrn Spittler von seinem lernte, so dass ich später in Jerusalem längere Ich habe den Inspektor Hoffmann gebeten, mir Haus in Basel, dem Fränkli, auf dem Weg nach St. Zeit für das Haupt der Uhrenmacher angesehen die Namen zu schreiben von den Brüdern, die Chrischona zu begleiten. Das Gespräch auf dem wurde. Das Geschäft hatte aber nicht den erhoff­ man auch noch gerne aufgenommen hätte, die Wege war für uns beide von großem Interesse. ten Erfolg; wir dachten viel zu wenig kaufmän• aber wegen der beschränkten Zahl abgewiesen Herr Spittler hatte die Geschicklichkeit, die in­ nisch. Und dann nahmen die wichtigeren werden mussten." Da antwortete ich: "Wenn das nersten Gedanken eines Menschen herauszu­ Geschäfte, die unser Missionarsberuf mit sich so ist, so muss ich mir die Sache überlegen, ins locken. Er sprach von den Verhältnissen auf St. brachte, auch zu viel von meiner Zeit in An­ Gebet nehmen und meine Eltern darüber befra­ Chrischona, und weil manche Brüder Klage vor­ spruch. Darum wurde später ein eigentlicher Uh­ gen. Da es so ungesucht an mich herantritt, darf brachten, so dachte er wohl, ich werde auch kla­ renmacher vom Schwarzwald, Bruder Müller ­ ich es nicht so kurzer Hand abweisen." Da sagte gen. Als davon nichts verlautete, kehrte er den nachheriger Missionar in Nazareth und Bethle­ Herr Spittler: "Sie haben ganz recht und müssen Stiel um und sagte: "Aber ihr lernt auf St. hem - für dieses Fach nach Jerusalem gesandt. es so machen." Durchs Gebet bekam ich bald die Chrischona doch nicht genug, um in Amerika Als die Vorbereitungen gemacht und die Zeit Überzeugung, dies sei des Herrn Weg und sagte predigen zu können." Diese Anstalt hatte damals der Abreise festgesetzt war, jeder von uns auch zu. Auch meine Eltern schrieben, ich solle tun, den ausgesprochenen Zweck, Katechisten, Schul­ vorher bei Eltern und Verwandten in der Heimat was ich für recht halte. So traten wir beide auf St. lehrer und Prediger für die deutschen Einwan­ den Abschiedsbesuch gemacht hatte, ordente Chrischona ein. derer in Amerika auszubilden. Da antwortete ich: uns in einer schnell zusammenberufenen Ver­ ..Ich lerne genug, Herr Spittler, komme auch sammlung im Fälkli der alte und würdige Dr. . nicht nach Amerika, werde dort kein Prediger Steinkopf aus London, der gerade eine Schweiz­ werden, sondern etwas anderes. Was, das weiß reise machte, nach Jerusalem ab. Er legte uns die Eine Doppelarbeit auf St, Chrischona ich aber selbst nicht; aber nicht, wo. Aber Ameri­ Hände auf und segnete uns zu dem Missionsbe­ ka wird es nicht sein. Der Herr hat mich auf St. ruf in Jerusalem. Nachdem der Schreiner und ich von Herrn Chrischona gesetzt, und was ich da lern, wird Spittler warm aufgenommen worden, schickte er nachher genügen und gerade für mich passen uns zu Herrn Ratsherrn Christ (dem damaligen sein." Die große Reise wird angetreten Präsidenten der Basler Missionsgesellschaft) mit seiner Empfehlung und den Worten, wir seien Da blieb Herr Spittler wieder stehen, drehte sich Am 7. September 1846 zogen wir durch das Brüder, die nun auf St. Chrischona eintreten. Wir um und sagte: "Wie merkwürdig, gerade so einen Aeschentor hinaus. Als wir den Hauenstein hi­ taten das, und Herr Christ wünschte uns des Menschen suche ich schon lange, und zwar für naufgekommen waren, erblickten wir nochmals Herrn Segen, dass wir tüchtige Arbeiter werden Jerusalem. Schon längst möchte ich einen Bruder das treue Kirchlein St. Chrischona am tiefen Hor­ mögen im Dienste des Herrn. Als wir am Gehen hinschicken. Aber bis jetzt fand ich keine passen­ izonte stehen und nahmen noch einmal innerlich waren, sagte er: "Wartet noch ein wenig." Und da den Leute." Darauf antwortete ich: ..Ja, nach Ieru­ segnend und betend Abschied. Unser Weg führte erzählte er, er hätte schon längst gern ein Modell salem würde ich gerne gehen; dies stimmt mit uns Zofingen und Luzern zu, wo wir übernachte• von der Stiftshütte für die Schulen. Geistliche, meinen inneren Gedanken und Anschauungen ten. Dann fuhren wir auf dem herrlichen Vier­ welche die Bibel gut kennen und studieren, seien überein; aber ich kann nur mit einem Bruder ge­ waldstättersee bis Fiüe!en und weiter mit dem eben keine Handwerker, und die Handwerker hen, denn der Heiland hat ja auch zwei und zwei Postwagen über den Gotthard. Am dritten Tag kennen und verstehen in der Regel die Bibel nicht ausgesandt!" "Da hast du ganz recht", erwiderte frühstückten wir in Lugano. In Mailand half uns genug! Weil wir Handwerker seien und auf St. er, "auch ich denke gerade so und bin überzeugt, ein Freund wegen der Pässe und Plätze nach Ve-

------Seite 1342 Heimatkundliehe Blätter Dezember 2002 nedig. In Triest mussten wir uns einen Aufenthalt Der Plan der Pilgermission ging, wie schon be­ die Karossen der preußischen und englischen von 14 Tagen gefallen lassen. Nun ging's hinaus richtet, dahin, ein deutsch-evangelisches Brüder• Konsulen von Jaffa und Ierusalem, dann der Bi­ aufs große offene Meer. haus in Jerusalem zu errichten. Indessen wollte schof auf schwarzem Pferde, die Missionare, die Unsere Herzen waren etwas gedrückt in dem sich nirgends eine Gelegenheit finden, ein ei­ Konsulen in Uniform und zum Schluss ein Trupp Gedanken an das Zurücklassen der Heimat, an genes Haus oder Wohnung zu mieten. Wir hiel­ Engländer, Proselyten usw. Die Frauen waren die Seereise und an die Türkei vor uns. Aber Gott ten aber die Hoffnung fest, der Herr, der uns bis hundert Schritte voraus mit den Kindern. Es war hat ja das Meer gemacht, die Türken gehören nach Jerusalem gebracht, werde wohl auch da zu mir merkwürdig, mein ganzes Herz erhebend auch sein. In kurzem stellte sich die Seekrankheit sorgen wissen. Und was geschah? Schon am 7. und zum Lob und Preis des Herren simmend, ein und Sturm nahte, der immer heftiger wurde November, als eben mein lieber Genosse Palmer den Bischof in Jerusalem einziehen zu sehen. Er und Todesgedanken in uns erweckte. Bald jedoch an meinem Krankenbette saß und mir Mut zu­ ging sogleich nach der englischen Kapelle, wo wurden wir wieder getrost und 'ruhten in dem sprach, erhielt er von Schreiner H. die Nachricht, Missionar Nicolayson eine Anrede und Be­ Herrn. Auf der schönen Insel Lissa wurde gelan­ dass ein Haus zu mieten sei, dessen Bewohner grüßung hielt, welche Gobat mit herzlichen, ein­ det, dann ging's nach Korfu. Oft priesen wir uns auf ein halbes Jahr nach England reisen wolle. fachen und bewegten Worten erwiderte. glücklich, die fremden Sprachen nicht zu verste­ Der preußische Konsul, den wir um Rat befrag­ hen, dass und alles Geschwätz unheimlicher ten, war über diese Fügung ungemein erfreut Menschen nichts anging. In anderer Beziehung und riet uns, den Kontrakt sogleich abzus­ aber fühlten wir die Unkenntnis der italienischen chließen, was auch geschah. Am 12. November Der Beginn der Arbeit im Bruderhaus Sprache sehr, weil wir uns auch mit keiner ande­ bezogen wir dieses Haus und fingen unsere ei­ ren Sprache zu helfen wussten. Unser Deutsch genen Haushaltung an. Die Einrichtung eines deutsch-evangelischen redender Kapitän behandelte uns anfangs Auf dem Dach oder Söller unseres Hauses kön• Brüderhauses ist und bleibt nach Ansicht des Bi­ freundlich, als wir aber zu seiner Vertraulichkeit nen wir fast ganz Ierusalern überblicken. Gerade schofs ein gewaltiges Unternehmen, solang noch mit einer Dirne, die auf dem Schiff war, ein vor uns liegt der Ölberg, den man wirklich seiner so wenig Deutsche hier sind (die Deutschen ernstes Gesicht machten, ließ er uns seine Un­ Schönheit und Lieblichkeit wegen und weil Jesus Templer kamen erst ab 1870 nach Jerusalem), gunst fühlen. so oft mit seinen Jüngern auf demselben verweilt und daher auch die Arbeit und der Verdienst hat, nicht genug betrachten kann. Auch können fehlt, auf welche wir doch angewiesen sind. Von All 23. Oktober wurden wir sehr früh durch das wir gerade auf den Platz des Tempelbergs sehen, einer geistlichen Wirksamkeit kann ohnehin Rasseln der Ankerketten aufgeweckt, und beim auf dem die Omar-Moschee steht. Im Hause galt nicht die Rede sein, da wir die Landessprache erst Anbruch des Tages lag in voller Pracht der Liba­ es aber, in vielen Stücken sich kümmerlich zu be­ mit Mühelernen müssen: non und Beirut zu unseren Füßen. Zum Glücke helfen. Kein Ofen im Hause; die Kälte in dem stei­ Unsere schon früher erwähnte Wohnung haben fügte es sich, dass noch an demselben Abend ein nernen Gewölbe auf dem steinernen Boden, wir am 11. Februar um 146 Gulden wieder auf ein arabisches Segelschiff nach Iaffa fuhr, mit dem ohne Bettlade und ohne Federbette, empfindlich Jahr gemietet in der Hoffnung, der Herr werde wir sogleich weiterreisen konnten. Der Kapitän, genug. Nicht einmal einen Strohsack konnten wir unseren Glauben nicht beschämen. Im Nordwes­ der uns sehr gewogen war, führte uns mit seiner bekommen, weil weder Stroh noch Heu noch Ho­ ten der Stadt in einem Quartier, das größtenteils Barke ans Land und sorgte dafür, dass wir im la­ belspäne noch Welschkornblätter zu haben von Griechen bewohnt ist, nicht sehr weit von teinischen Kloster Unterkunft fanden und von waren, um ihn Zu füllen. Die Lebensmittel sind so der Kirche des heiligen Grabes sowie des grie­ den Mönchen freundschaftlich aufgenommen teuer, dass unser Geld bei der einfachsten Le­ chischen und lateinischen Klosters liegt unser und erquickt wurden. Ein getaufter Israelite, der bensweise gar bald zusammenschmolz: Brüderhaus, jenseits der so genannten Via Dolor­ in Jaffa christliche Schriften verkaufte, kam uns Wir sind darauf angewiesen, sobald als möglich osa an einer Ecke, wo sich drei Gassen schneiden. entgegen, führte uns in sein Magazin und er­ mit unserer Hände Arbeit unser Brot zu erwer­ Der Platz ist sehr belebt durch Leute von zählte uns allerlei von dem Gang der Mission in ben. Aber wie schwierig ist das, da die Handwer­ verschiedenen Nationen, namentlich aber von Jerusalem. Ein deutscher Schreiner aus Jerusalem ker in Jerusalem die Rohstoffe meist um teures Arabern, die nicht selten mit ihren Kamelen unter war auch da und nahm sich unser liebreich an. Geld vom Auslande herzubeziehen genötigt sind. unseren Fenstern'lagern. Ein Schuhmacher z. B. muss sein Leder von Kon­ Er wollte uns, da er eben nach Jerusalem reiste, Ob, wann und auf welche Weise wir Verwahr­ stantinopel oder von Marseille beziehen, weil es gleich mit sich nehmen; es waren jedoch für uns loste aufnehmen können, hängt von Gottes in Jerusalem keine Rinde zum Gerben gibt! Über• keine Pferde zu bekommen und so mussten wir Weisheit und Gnade ab. Verlassene oder eigent­ dies ist eine große Eifersucht unter den Bewoh­ ein paar Tage in Jaffa verweilen. Am 29. Oktober lich verkommene Knäblein irren genug bettelnd nern der Stadt. Ein Araber lässt nichts bei einem konnten wir mit einer Karawane griechischer Pil­ umher, und schon manche derselben haben Europäer machen, ein Grieche nichts bei einem ger den Weg nach der heiligen Stadt antreten. mich um ein Stücklein Brot angefleht und beim Armenier; der Jude kauft beim Juden, der Araber Empfang desselben unsere Haustüre freudig ver­ beim Araber, der Grieche beim Griechen. lassen. Schon oft wallte mein Herz vor Erbarmen Deutsche sind nichtviele da. Die wenigen Fami­ und Liebe gegen sie, und wir hätten auch das lien, welche hier wohnten, fühlten sich unheim­ eine oder andere in unser Haus genommen, al­ Hinauf nach Ierusalem lich und reisten wieder ab:"S'omit ist für Hand­ lein verschiedene Gründe hielten uns ab. In einer werksdienst wenig Aussicht vorhanden. Mit Herzen voll Dank gegen Gott ritten wir am Nacht, schlaflos auf meinemLager liegend, trug 30. Oktober zum Jaffator hinein. Wie froh waren ich deshalb die Sache dem Herrn vor, mir deut­ wir nun, hier zu sein. Unsere erste Sorge war, ir­ liche Fingerzeige zu geben. gend ein Obdach zu suchen. Schreiner H., der Als Erhörung meiner Bitte sah ich es an, dass uns vorausgereist war, hatte auf unsere Bitte hin In der Erziehungsschule der preußische Konsul, Herr Dr. Schulz, einige bereits bei einer deutschen Familie ein Zimmer Tage nachher hierher kam und mich fragte , ob für uns gemietet, das wir nun beziehen konnten Wie schon früher berichtet, nahm mich Gott ich nicht einen arabischen Knaben in die Lehre und wo wir freundlich aufgenommen wurden. gleich beim Eintritt in Jerusalem durch meine nehmen wolle. Er sagte dann, dass der türkische Der preußische Konsul Dr. Schulz nahm sich sehr Krankheit in eine besondere Schule. Denken, le­ Effendi, der vorgestern bei uns gewesen und dem liebevoll unserer an und bot uns seine Hilfe an, sen, schreiben und sprechen konnte ich eigent­ die Soldatenuhr, die er bei uns gesehen, großes wenn wir in Verlegenheit kämen. Ersuchte uns lich nicht mehr. Ich hatte kein Gedächtnis mehr, Vergnügen gemacht hatte, einen Sohn habe, wei­ einmal in unserer Wohnung auf und lud uns wie­ so dass ich - wenn ich auch nur ein Wort las ­ chen er die Uhrenmacherei erlernen lassen derholt ein. nicht wusste, was ich gelesen hatte, und im Spre­ möchte. Er glaube, dass ich bei diesem Knaben chen ging es gar nicht, denn ich wusste keine bald arabisch lernen würde, indem er schreiben Worte mehr und konnte sie in keinem Satz zu­ und lesen könne. Sein Vater ist hier der gelehr­ sammenstellen. Daher hatte ich eigentlich auch teste Mann, Mufti, der Einzige in dieser Gegend, die Fähigkeit verloren zu beten, konnte bloß in­ Allerlei Prüfungen der den ganzen Koran auswendig kann. Es ist mir nerlich seufzen und schreien, wobei mir das merkwürdig und ermuntert mich sehr zu erfah­ Schreien Moses immer tröstend als Beispiel da­ So weit ging es uns trotz mancherlei Heimsu­ ren, dass ein türkischer Gesetzeslehrer seinen stand. chungen über Erwarten gut. Nun aber traten an­ Sohn einem Christen in die Lehre geben will! dere Probleme des Glaubens ein, welche Waschen mit kaltem Wasser am ganzen Leib Als wir am 4. Februar unsere Sachen und somit schwerer als die bisherigen auf uns lasteten. Nach und Bewegung im Freien stärkte meine leiblichen auch unsere Uhren erhielten, beeilte ich mich, wenigen Tagen brach bei mir das Klimafieber Kräfte wieder. Am 20. Dezember machte ich bei sie aufzuhängen, zu regulieren, die Schilde darauf aus. Schwäche und Fieber wechselten miteinan­ schöner warmer Witterung einen Gang nach und die Gewichte daran zu machen, auch die der, und meine Kräfte nahmen sichtbar ab . Dazu Bethanien. Die Bäume blühten und der Boden Werkstatt einigermaßen einzurichten. Bereits bemächtigte sich meiner auch Heimweh, das sich grünte. Die Erinnerung, dass der Heiland diesen waren alle fertig, aber es zeigten sich wenig lieb­ allmählich zur Melancholie gestaltete und erst Weg so oft gegangen, war besonders lieblich. haber. Ich begann zu sorgen, unser Geld ging nach und nach wieder verlor. Ich fing nun an, Am 30. Dezember 1846 kam morgens ein Bote aus, und wir hätten also gerne verkauft. Da tru­ mit Eifer das Arabische zu betreiben, worin ich mit der Nachricht, Bischof Gobat werde bis Mit­ gen wir sie auch unserem Bäcker, der ein Jude ist, schon auf St. Chrischona einen kleinen Anfang tag ankommen. Nun gingen wir vor das Jaffator an. Er nahm sogleich eine. Bald kamen andere gemacht hatte, um so bald wie möglich mit den hinaus, und nachdem wir einige Stunden gewar­ Juden und fragten nach dem Preise. Der Dol­ Landeskindern reden zu können. tet, sahen wir den schönen Zug einziehen. Voraus metscher des preußischen Konsuls kaufte auch Dezember 2002 Heimatkundliehe Blätt er Seite 1343 zwei, und so ging eine um die andere weg. Vorige Woche kam nun ein Jude. der Uhrenmacher ist, und kaufte mir alle miteinander ab. Neue Uhren Im Dienst der englischen Judenmission kann ich hier noch lange nicht machen. weil mir (ab sofort erzählt nicht mehr Schick selbst - sondern Martin Gaß) noch viele Einrichtungen fehlen. Im Jahr 1850 folgte Schick einem Ruf von Mis­ zur Beschäftigung seiner Proselyten, auf Bestel­ sionar Nicolayson in Jerusalem, durch welchen er lung aus Russland, England oder Deutschland Das weitere Leben in Ierusalem in das Handwerkinstitut der englischen Juden­ hin, Modelle, die um ihrer Genauigkeit willen missionsgesellschaft in Jerusalem gezogen wurde. großer Anerkennung fanden. Ein solches der Im ersten Sommer war das Bürgerhaus in den Er übernahm damit auf drei Jahre die Verbind­ Omarmoschee - wo man auch den Fels des ehe­ heißen Monaten August und September zum lichkeit üb er die Iudenproselyten, die an jenem maligen Tempelhauses auf dem denkwürdigen Krankenhaus geworden. Palmer hatte infolge Insitute ordentliche Handwerksberufe erlernten, Morijaberg abdecken kann - ist im Museum un ­ eines Sonnenstichs das hitzige Fieber. das ihn die Aufsicht zu führen. Am 21. November trat er seres Basler Missionshauses aufgestellt. sehr schwächte. Kaum konnte er wieder das Zim­ aus und verlegte seine Werkstätte in das Indus­ Kein Zeitgenosse Schicks hatte sich durch un­ mer verlassen, so legte ich mich mit kaltem Fie­ triehaus, wo er sich indessen einheimisch ablässige Studien aus Anlass der englischen Aus­ ber nieder, zusammen mit dem Knaben, den wir machte. Er fand den geistlichen Zustand dieser grabungen und nach eigenen Untersuchungen zu uns ins Haus aufgenommen hatten. Unsere .Neubekehrten besser. als er es erwartet hatte. und Nachforschungen eine so gründliche Kennt­ Lage war eine beschwerliche, da wir bisher selbst und überzeugte sich namentlich, dass der üble nis des unter- und oberirdischen Jerusalems an­ bedient und alles selber versehen hatten. Wir Ruf, in welchen sie oft stehen. vielfach eine geeignet wie er. Der Basler Volksbote hat seit sei­ rühmen aber die treue Fürsorge des Herrn. der es Schmach um Christi Willen sei, dessen Namen nem Besuch in Jerusalem im Jahre 1879 fortw äh• un s au ch nicht im Geringsten an etwas mangeln sie nun genommen haben. Bei allen fand er ein rend mit dem wohlunterrichteten Manne korres­ ließ. Von allen Seiten wurde uns Hilfe angeboten. redliches Suchen des Seelenheils. Nicht irdische pondiert, und viele seiner Leser haben mit Fast jeden Tag kam ein Diener au s dem bischöfli• Dinge und Aussichten waren die Beweggründe großem Interesse alle die fortlaufenden Mittei­ chen Hause, obschon auch dort vier Kranke la­ ihres Religionswechsels. lungen über gemachte Funde und Entdeckungen gen. und brachte Essen oder sonst etwas, was wir Nach langjährigen treuen Diensten in diesem so historischer Stätten gelesen. von denen wir nun nötig hatten, wie Kissen und Leintücher. weil un­ genannten "House of Industry" trat Schick in die die hervorragendsten nennen wollen. sere Strohkissen für Fieberkranke etwas hart ihm zugewiesene Stellung eines Bauinspektors . Im Frühjahr 1888 berichtete Baurat Schick dem waren. Da waren wir um so dankbarer für die er­ der Judenmission über, in welcher er Zeit fand, Volksboten, wie der Tei Bethesda, das Haus der fahrene Hilfe. Wir sind bald wieder eifrig mit der sich vielseitigen Studien - vornehmlich aber der Barmherzigkeit. entdeckt und ausgegraben Pflege unseres gemieteten Gartens beschäftigt, in Erforschung Palästinas und zunächst der heiligen wurde. Man fand da fünf gewölbte Hallen und welchem Blumenkohl, Bohnen, Spinat, Salat. Stadt - hinzugeben. In seiner Bibliothek, die zu­ darüber fünf Kammern. die mit Türen unterei­ gelbe Rüben. Rübkohl und Kartoffeln sehr schön gleich Arbeitsstube war, konnte man den uner­ nander verbunden waren. Später hat man dort gedeihen und eine gesegnete Ernte versprechen. müdlich tätigen Mann bis in sein hohes Alter auch eine Kirche erbaut, deren Grundriss heute Der Gedanke, arme und verlassen e Kinder in ih­ noch mit Zirkeln. Maßstäben und Plänen hantie­ noch zu erkennen ist. Ist es nicht bedeutungsvoll, rem Hau s aufzunehmen und sie zum Lernen und ren und arbeiten sehen. . so fügt Schick aus Anlass dieser Auffindung bei , Arbeiten anzuhalten, beschäftigt uns stets. Zu un­ Herr F. Mattmüller, der längere Zeit in Jerusa­ dass in unserer Zeit eine althistorische Stätte um serem ersten Zögling ist bald ein zweiter gekom­ lern tätig war und Herrn Schick wohl kannte und die andere aufgefunden wird und dadurch die men . verehrte. erzählte, wie derselbe um seiner großen Kenntnis über das alte Jerusalem und seine Geschicklichkeit willen in allem, was mit Hand­ Geschichte gefördert wird? Als eine neue Sendung von Schwarzwälder Uh­ Im Jahr 1892 berichtet Baurat Schick über die ren in Jaffa eintraf und von Palmer abgeholt wor­ fertigkeit. Mechanik und Bautechnik zusammen­ hängt, von den deutschen Kindern in Jerusalem Entdeckung von Grabkammern im Westen vor den war , hatte ich große Freude, so viele und der Stadt, zu denen ein in den Fels gehauener schöne Uhren zu bekommen; und seither sehr zu kurzweg "Bruder Gschickt" genannt wurde. Je­ nem ersten Modell der Stiftshütte, das er - wie Hof führt. Zwei Steinsärge wurden darin gefun­ wachen, dass ich nicht selbst eine Uhr werde, d. den, von denen einer am Deckel mit ungemein h. mein Herz an sie hänge. Denn seit die Uhren wir berichteten - im Auftrage von Herrn Rats­ herrn Christ auf St. Chrischona verfertigte, folg­ schönen Verzierungen geschmückt war. Diese da sind, ist unser Hau s alle Tage und den ganzen Gräber stammen aus der jüdisch-römisch en Zeit , Tag voll der verschie densten Leute von allerlei ten viele andere; darunter auch eines. wo die Decken der Hütte, sta tt platt über der Hütte kurz vor Christi Geburt. Klassen. Etwa die Hälfte ist schon verkauft, die Im gleich en Jahr 1892 erhielt Baurat Schick von anderen hab e ich noch nicht fertig. Viele geh en hängend, in Zeltform au sgeführt sind. worüber die bib lische Beschreibung Vermutungen Raum eine m schwedisc he n Altertumsforscher den Auf­ ins griechische Kloster, andere werde n bei den tra g, den Begräbnisplatz der Pilger , Hakeldamach Lateinern. Türken und Juden abgesetzt. Die grie­ lässt. Eines dieser Mod elle der Stiftshütte. wie au ch ein solches der Omarmoschee und des alten (Blutacker). den Töpfersacker, welch en nach chischen Bischöfe un d tü rkische n Effendis finde n Matth. 27,7 die Hohenpriester mit den 30 Silber­ sich fast täglich in unserem Hau s ein. Im Dreh en Ternpe lplatzes, blieb bis an sein End e in seinem Haus aufgestellt, um es vielen Reisenden - auch lingen des Verräters Judas kauft en, auszumessen gibt's immer mehr Arbei t und mein Proselyten­ und zu beschreib en . Es ist. so schreibt er dem lehrling hält sich ordentlich. hoh en Herrscha fte n. die ihn je und je besuchten - zu erklären. Volksboten, eine natürliche, durch Menschen ­ Wir wurden fast jeden Tag dr ingend gebeten. hand erweiterte Felsh öhle, in deren Nähe heute neue Knaben - meist vater- oder mutterlose Wai­ Auch von der Grabeskirche und dem salomo­ nocheine Art Pfeifenerde gegrabe n wird und wo sen - in das Brüderhaus aufzune hmen. nisc he n Tempel machte er, hauptsächlich auch ein Töpfer seine Werkstatt betreibt.

Inhaltsverzeichnis 2002

Thema Seite: "Eckig un d unpoliert" I 2. Folge (Dr, Lang) 1317 "Oie Kunst im Zollemalbkreis" aus dem neuen Buch Kunst - und Kulturdenkmale The odor Groz I 2. Folge (Dr. Lan g) 1319 im Zollemalbkreis (Dr, Ingrid Helber) 1297 Erdbebe n auf der Zollemalb I L Folge (Prof. Or.-Ing. Han s-Alfred Bitzer) 1321 Der Haussperling - Vo.gel des Jah res 2002 (Dr. Karl-Eugen Mau lbetsch) 1299 Ein Spen de nbrief aus dem Kloster Kirchberg für Balingen I L Folge (Adolf Kiek) 1323 Die Schweine grunzten zum Gebet I Volksfrömmigkeit in der Reformationszeit I L Folge (Dr. Lang) 1302 "Eckig und un poliert " I 3. Folge 1324 Hauptlehrer Paul Eith,Gründer des Ebinger Heimatmuseums 'Hosstnger Vorfahren von Kurt Georg Kiesinger (Adolf Kiek) 1326 L Folge (Jürgen Scheff) 1303 Ein Spe nde nbrief aus dem Kloste r Kirchberg ... I 2. Folge (Ado lf Kiek) 1327 Hauptleh rer Paul Eith, Grü nder des Ebinge r Heimatmuseums I 2. Folge (Jürgen Scheffl 1305 Erdbeben auf der Zollern alb I 2. Folge (Prof. Or. Bitzer) 1328 Oie Schwei ne grun zten zum Gebet - Volksfrömmigkeit in der Reformationsze it I Städti sch es Leben in Süddeutschland um 1500 (Dr. Lang) 1329 2. Folge (Dr. Lang) 1306 Oie Schlacht bei Meßkirch am 5. Mai 1800 (Jen s Florian Ebert ) 1330 Oie Fürste ntümer Hoh enzollem-Sigmaringen und -Hechingen unt er Napoleons Adler I L Folge (Jens-Florian Ebe rt) 1307 Von "Nähterinnen" und "Strumpfwebem " (Barbara Guttmann/Ute Grau/Or. Lang) 1333 Oie Fürste ntüme r Hohe nzo llem-S igmaringen (etc.) I 2. Folge (Jen s-Florian Ebert) 1309 Fasnad od er Fastnacht? (Anton Georg Grözing er) 1334 Vom alten Pfarrh of in Burladingen (Josef Schü lzle) 1310 Ebinger Stadt oberhäupter I IV: August Spanagel (Dr. Lang) 1336 Oer Schriftsteller Hugo Bertsch aus Margrethausen (Dr, Lang) 1311 Oie Arnold sche Jahrzeitstiftung I L Folge (Dr. Wilhelm Foth ) 1337 Ebinger Stadtoberhäupter I IlI: Johannes Hartmann (Dr. Lang) 1312 Conrad Schick aus Bitz - Vom einfachen Mechan iker im Schwabe nland zum kön ig!. Baurat in Jerusalem I L Folge (Martin Gaßl 1339 Theodor Groz - ein' Ebinger Industriepionier I L Folge (Dr, Lang) 1313 Conrad Schick aus Bitz I 2. Folge (Martin GaßlDr. Lang) 1341 "Eckig und unpoliert" -Visitatio nsbericht des Tailfinger Pfarrer s Ado lf Kiesers I L Folge (Dr. Lang) 1315 Oie Arnoldsche Jahreszeitstiftung I 2. Folge tnr, Foth) 1344 Seite 1344 Heimatkundliehe Blätter Dezember 2002

Das Jahr 1893 brachte die Grundsteinlegung der Der Lebensabend sung kraft Gesetzes an den letzten Besitzer über, deutschen evangelischen Erlöserkirche auf dem d. h. an die Stadt Balingen. Dieser wurde durch anno 1869 dem deutschen Kronprinzen Friedrich Seine beiden letzten Briefe, die er an den Volks­ die Aushändigung des Fideikommissscheins der vom Sultan geschenkten Muristan, dem mittelal­ boten schrieb, der erste vom 30. August, der letzte Besitz bescheinigt. terlichen Klosteranwesen der Johanniterritter. vom 7. November 1901, sechs Wochen vor sei­ Baurat Schick hatte als Senior der deutschen Je­ nem Tod , zeigen uns, dass der alte Mechaniker Rückblick rusalemgemeinde mit anderen segnend drei bis an sein Ende in kindlichem Gottvertrauen Hammerschläge auf den Stein zu tun. Das war und dankbarem Sinn gelebt hat und darum auch Mit diesem Beschluss des Oberlandesgerichts für die evangelische Minderheit in Jerusalem ein so jugendfrisch und arbeitsfreudig geblieben ist. hoffnungsvoller Freudentag. Stuttgart endet die Geschichte der Arnoldschen Jahrzeitstiftung. Am 23. November 1502, vor ge­ nau 500 Jahren, war sie zum Totengedächtnis der Familie gestiftet und mit umfangreichen Gütern Die Arnoldsche Jahrzeitstiftung ausgestattet worden, wie es dem Geist der Zeit entsprach. Die Sorge um das Seelenheil war für die meisten Menschen der damaligen Zeit ein - vom 23. November 1502 zentrales Anliegen. Von Dr. Wilhelm Foth I 2. Teil (Schluss) Bis wann die religiösen Feiern, deren Ablauf da­ mals genau festgelegt worden war, abgehalten vorher vereinzelt Güter verkauft und von deren wurden, ist nirgends festgehalten, doch spricht Und wie verfuhr man im 19. Jahrhundert? Ertrag Wertpapiere gekauft, etwa Kommunalan­ alles dafür, dass'dies nur bis .zur Reformation der leihen, so ging jetzt im Krieg eine patriotische Fall war. Es war üblich, diejenigen ältesten Personen in Aufwallung durchs deutsche Volk und auch Als Herzog Ulrich .1534 aus der Verbannung in den Stiftungsgenuss einzusetzen, die ihre Ab­ durch Balingen. sein Land zurückkam, führte er in Württemberg stammung von einem früheren Nutznießer be­ Die Stadtverwaltung kaufte für das Geld dieser die Reformation ein . Sie brachte eine völlige Än­ weisen konnten. Es ist auffällig, dass sich von Stiftungen Kriegsanleihen. Und diese fielen, was derung nicht nur der Glaubensinhalte, sondern 1806 an kein auswärts ansässiger Abkömmling beim Kauf niemand vorausgesehen hatte, der In­ auch der kirchlichen Sitten und Gebräuche. mehr meldete. Als Nutznießer kamen praktisch flation, mit ihrem Höhepunkt im Jahr 1923, zum .Jahrtage" mit "Seelämtern" und "Seelvespern" nur noch "alte Balinger" in Frage. - Meist alt von Opfer. und mit "Räuchern" galten als "papistisches Teu­ Lebensalter und alt von der Ansäßigkeit der Fa­ Im Jahr 1947, also nach dem 2. Weltkrieg, felswerk", als "katholisch", wie wir heute sagen milie in Balingen. machte die Stadtverwaltung erneut den Vor­ würden, und wurden abgeschafft bzw. sie schlie­ Im Jahr 1842 fertigte dann Diakonus Lempp, schlag, die minimalen Erträgnisse der Ar­ fen ein, allein schon, weil die äußeren Vorausset­ der zweite Pfarrer, ein Verzeichnis der Personen, noldschen Jahrzeitstiftung den Insassen des Städ• zungen fehlten: In Balingen gab es nicht mehr elf die an die "sogenannte Arnoldsche Jahrzeitstif­ tischen Spitals zukommen zu lassen. Der Ge­ Geistliche wie 1502, sondern zunächst nur noch tung" Anspruch geltend machten, "soweit die meinderat lehnte dies ab, da dies dem Stiftungs­ einen. Sache mittels Tradition und Kirchenbücher ins zweck widersprechen würde. Aber das Erstaunliche war: Die Stiftung lebte Reine gebracht werden konnte", wie es ein­ Durch die Währungsreform von 1948 waren die fort durch die Jahrhunderte, auch ohne religiöse schränkend heißt. Erträgnisse so zusammengeschmolzen, dass zu­ Feier. Sollte ursprünglich der Älteste der Arnol­ Übrigens: Standesamtsregister bzw. Standesäm• nächst auf eine Ausschüttung verzichtet werden den die gestifteten Güter für die Ausrichtung der ter gab es damals no ch nicht - die gibt es in musste. Bis 1967 hatte sich wieder ein Stiftungs­ Jahrzeit verwenden, so dienten diese von nun an Württemberg erst seit 1876. Alle Personenstands­ ertrag von 501,96 DM angesammelt. Auf Be­ den (richtigen oder vermeintlichen) Nachkömm• veränderungen - Geburten, Hochzeiten, Todes­ schluss des Gemeinderats vom 9. Januar 1968 lingender Stifterfamilie als (kleine) Beihilfe zum fälle - wurden nur in den Kirchenbüchern festge­ wurden davon einmalig je 50,00 DM an vier "Be­ Lebensunterhalt. Die einst religiös motivierte halten: Der Pfarrer war gleichsam Standesbeam­ rechtigte", die sich gemeldet hatten, ausgezahlt. Jahrzeitstiftung war ein Selbstläufer geworden, ter. Unter diesen befand sich übrigens auch die vie­ war vollkommen säkularisiert, bis sie sich dann Die Nutznießer der Jahrzeitstiftung haben bis len alten Balingern noch bekannte Iulie Cantner, schließlich, erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhun­ zum Jahr 1857 die bei dieser Stiftung vorhande­ eine Tochter des Goldschmieds Zürn. derts, tot gelaufen hatte. Auch wenn sich heute nen Güter teils selbst genutzt, teils an Dritte ver­ Bei dieser Gelegenheit wurden vor dem Ge­ kaum noch jemand an sie erinnert, so bleibt die pachtet. Diese Nutznießung galt meist nur für ei­ meinderat die Stiftungsgüter aufgelistet. Arnoldsche Jahrzeitstiftung doch ein wichtiger nen kurzen Zeitraum: Da die Nutznießer ihr Gut Es handelt sich um 38,17 Ar Acker im Tal, Bestandteil unserer Stadtgeschichte. erst in relativ hohem Alter erhielten und es bei ih­ 16,17 Ar Acker vor Rohrloch, rem Tod an die Stiftung zurückfiel, blieb es nicht Quellen: 12,12 Ar Wiese vor dem Wahlberg, Im Stadtarchiv Balingen: lange in einer Hand. Der nächste Nutznießer 10,58 Ar Acker vor dem Wahlberg, Renovationüber Arnolden Jahrzeit zu Balingen 1614 stammte oft aus einer anderen Familie, und so Renovation des Spitallagerbuchs von 1714 . insgesamt also 77,14 Ar. Güterbücher der Arnoldschen Jahrzeit aus dem 19. Jahrhundert kam es, dass die Bewirtschaftung sehr oft wech­ Dazu kamen 38 Ar Wald in Heselwangen. Akten zur Arnoldschen Jahrzeit selte, oft sogar jedes Jahr. Die Folge: Diese Güter Sie ergaben, wie Bürgermeister Hagenbuch auf­ Handakten der Stadtkämmerei Balingen wurden oft stark vernachlässigt bzw. "herunter­ führte, jährliche Einnahmen von ca. 68,00 DM, literatur: . gewirtschaftet", wie es öfter ausdrücklich heißt. Oberamtsbeschreibung Balingen 1880 wovon aber 34,00 DM Grundsteuer und, ab 1968, Kreisbes chreibung Balingen, Bd. 11 , 1961 Das wohl haarsträubendste Beispiel: Ein Nutz­ 50,00 DM Verwaltungsgebühren abzuziehen Wilhelm Foth , Die Arnoldsche Jahrzeitstiftung von 1502, Heimat­ nießer, dem ein Wald zur Bewirtschaftung über• waren. kundliehe Blätter, Januar 1955 geben worden war, ließ diesen kurzer Hand'fäl­ Fritz Scheerer, Ein Stück Balinger Heimatgeschichte. Balinger Der Aufwand war also höher als der Ertrag. So Volksfreund vom 16.4.1960 len. Durch diesen "Kahlschlag" hatte zwar er den größtmöglichen Ertrag, aber seine Nachfolger war es kein Wunder, dass der Gemeinderat in standen auf Jahrzehnte hinaus ohne Ertrag da! derselben Sitzung den Beschluss fasste, "die Vor dem Kirchenkonvent gab es häufig erbitter­ rechtlichen Voraussetzungen für eine Auflösung der Stiftung zu prüfen und gegebenenfalls eine Verfasser der Beiträge in dieser Ausgabe: ten Streit sowohl was die Berechtigung der Nutz­ nießer anbetraf als auch über den häufig trostlo­ Auflösung der Stiftung herbeizuführen." . Dr. Wilhelm Foth sen Zustand der Güter. In der Folge gab es Rückfragen beim Landrats­ Lisztstraße 35, 72336 Balingen amt, bei der Gemeindeprüfungsanstalt, beim So entschloss sich am 26. März 1857 der Stif­ Martin Gaß tungsrat, die Verpachtung und Beaufsichtigung Amtsgericht. Und schließlich nahm die Angele­ genheit eine überraschende Wendung: Zuständig (verantw. f. d. Beitrag: Dr. Peter-Thaddäus Lang) der Güter "von Amts wegen", 'd. h. durch die Johannesstraße 5, 72458 Albstadt Stadtverwaltung, anzuordnen. Die Stadt verpach­ für die Auflösung einer solchen Familienstiftung, tete die Güter, und die eingezogenen Pachtgelder in der juristischen Fachsprache "Fideikommiss" genannt, war , wie man endlich erfuhr, das Ober­ Herausgegeben von der Heimatkundlichen wurden anschließend an die Nutznießer verteilt. Vereinigung Balingen Für die Nutznießer blieb meist nur eine recht ge­ landesgericht Stuttgart, das dafür einen eigenen Senat hatte. Vorsitzender: ringe Summe. Dieser Senat wurde von der'Stadt Balingen an­ Christoph Roller, 72336 Balingen, Am Heuberg 14, Telefon 7782. Das Ende der Arnoldschen Jahrzeitstiftung gerufen. Laut Beschluss vom 23. Januar 1971 er­ klärte er die Arnoldsche Stiftung in Balingen zum Geschäftsführung: Der Wert aller Güter dieser Stiftung wurde im 1. Januar 1939 (!) als Fideikommiss, als erloschen. Ruth Hübner, Im Kirschenwinkel 2, 72359 Dot­ ternhausen, Telefon (07427) 91094. Jahr 1908 mit 9700 Goldmark angegeben. Sie Der Beschluss erging aufgrund eines Reichsge­ spielte unter den anderen damals in Balingen setzes vom 6. Juli 1938, das man in Balingen Redaktion: bestehenden Stiftungen, genannt sei nur die bis1971 nicht zur Kenntnis genommen hatte, we­ Christoph F. Riedl, 72336 Balingen, Gerh.-Haupt­ mann-Ring 14, Telefon 7816. Stingsche Schulstiftung und die Röslerstiftung, nigstens nicht in Bezug auf die Arnoldsche Stif­ Die Heimatkundlichen Blätter erscheinen jeweils nur noch eine untergeordnete Rolle. tung! am Monatsende als ständige Beilage des "Zollern­ Dann kam der 1. Weltkrieg. Hatte man schon Das Vermögen der Stiftung ging bei der Auflö- Alb-Kuriers".