(Gastropoda Et Bivalvia) Im Flussgebiet Der Unteren Werra
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PHILIPPIA 12/2 S. 125-136 2 Abb./ 2 Tab. Kassel 2005 Gerd Hübner & Ulrich Braukmann Zur Entwicklung der Süßwasser-Mollusken (Gastropoda et Bivalvia) im Flussgebiet der unteren Werra Abstract Zusammenfassung Data of freshwater molluscs found in the catch- Es werden Nachweise von Süßwasser-Mollus- ment area of the salt-polluted lower Werra are ken im Flussgebiet der salzbelasteten unteren compiled and the changes that have occurred in Werra zusammengestellt und Veränderungen the mollusc fauna of the river are described. For der Mollusken-Fauna im Flusslauf beschrieben. the 19th and the beginning of the 20th centu- Für das 19. und beginnende 20. Jahrhundert ries, 18 species are cited from publications and ließen sich Literaturhinweise und Sammlungs- mollusc collections, most of which, including 6 belege für 18 Arten anführen, die größtenteils species of Unionidae, were gathered directly unmittelbar aus der Werra gesammelt wurden, from the river Werra. For the entire drainage ba- darunter auch 6 Großmuschel-Arten. Für das sin data on 34 species of molluscs have been gesamte betrachtete Einzugsgebiet konnten gathered until our time based on publications, anhand der Literatur, Sammlungsbelegen und mollusc collections and the authors’ own inves- eigener Untersuchungen in den Jahren 2001- tigations made during the years 2001-2003. 2003 bis zur Gegenwart Nachweise von 34 Mollusken-Arten zusammengetragen werden. At the beginning of the 20th century the lower Werra still contained an abundant spectrum of Die untere Werra beherbergte zu Beginn des stenotopic molluscs found in streams, most of 20. Jahrhunderts noch ein reiches Spektrum which have since become extinct also in sur- stenotoper Fließgewässer-Mollusken, die heu- rounding regions. By 1950 the mussel fauna of te meist auch in umliegenden Regionen fehlen. the river itself had probably died out completely. Die Muschelfauna des unmittelbaren Flusslau- The increasing salt pollution of the river in the fes erlosch bis 1950 vermutlich vollständig. fi fties permitted only a few salt-tolerant snails to Die steigenden Salzbelastungen der Fünfziger survive. Since the end of the sixties at the latest Jahre ließen nur noch einzelne salztolerante the only remaining mollusc species has been Wasserschnecken im Fluss überleben. Spä- Potamopyrgus antipodarum. The authors’ own testens ab Ende der Sechziger Jahre verblieb investigations revealed three indigenous snail dort nur Potamopyrgus antipodarum als ein- species in the Werra, though only few speci- zige Molluskenart. Bei den eigenen Untersu- men. Mussels continue to be lacking comple- chungen konnten auch wieder drei heimische tely in the river. Schneckenarten aus der Werra gesammelt werden, jedoch nur einzelne Exemplare. Mu- scheln fehlen dem Fluss weiterhin völlig. 126 Gerd Hübner & Ulrich Braukmann 1. Einführung einschließt, ist in Abb. 1 dargestellt. Das Gebiet Unter den Wasserschnecken und Muscheln teilt sich auf die Bundesländer Niedersachsen, fi nden sich zahlreiche hoch spezialisierte Arten Thüringen und Hessen, wobei fast drei Viertel mit enger Bindung an die Substrat- und Was- der Fläche zu Hessen gehören. serqualität. Aufgrund ihrer Standorttreue gelten sie als Langzeitindikatoren für die ökologische Dem Beitrag liegt in erster Linie eine Litera- Qualität von Fließgewässern. Der Kenntnis- turauswertung zugrunde. Ferner wurden Re- stand über die historische Verbreitung der Bin- cherchen über historische Sammlungsbelege nenmollusken in Mitteleuropa ist, verglichen aus Naturkundemuseen vorgenommen. Die mit den meisten anderen Wirbellosen-Grup- Angaben über Großmuscheln aus dem Frank- pen, als gut anzusehen. Daher kommt den Mol- furter Senckenberg-Museum entstammen lusken für die Untersuchung der langfristigen der Datenbank des Tierarten-Erfassungspro- ökologischen Entwicklung von Fließgewässern gramms der Niedersächsischen Fachbehörde eine hohe Bedeutung zu. für Naturschutz (ALTMÜLLER 2004) und wurden teilweise ergänzt nach JANSSEN (2004). Die In- Die autochthone Makrozoobenthos-Biozöno- formationen über die Sphaeriidae des Muse- se der unteren Werra fi el im Verlauf des 20. ums sind JANSSEN (2004, 2005) entnommen. Jahrhunderts den vielfältigen anthropogenen Die Angaben über Sammlungsbelege aus dem Belastungen nahezu vollständig zum Opfer, Naturkundemuseum Magdeburg stammen aus insbesondere den Salzeinleitungen der hes- PELLMANN (2004). sisch-thüringischen Kaliindustrie. Innerhalb der letzten 15 Jahre wurden diese Salzeinlei- Im Zeitraum 2001-2003 erfolgten eigene Ma- tungen stark reduziert und die Salzkonzentrati- krozoobenthos-Erhebungen. Die Mollusken- on im Fluss wesentlich gleichmäßiger gestaltet funde werden hier mitgeteilt. Die Beprobungen (FGG WESER 2004). Untersuchungen aus den erstreckten sich über zwei Untersuchungsjah- letzten Jahren zeigten jedoch, dass auch das re, von September 2001 bis August 2002 sowie reduzierte Belastungsniveau der Werra für fast über das Jahr 2003. Einen Überblick über die alle angestammten Makrozoobenthos-Orga- Lage der Probestellen gibt Abb. 1. Im ersten nismen weiterhin als lebensfeindlich einzustu- Untersuchungsjahr wurden 10 Hauptzufl üsse fen ist (HÜBNER & BRAUKMANN 2003, 2005). der unteren Werra an je 2 Stellen beprobt, zum einen mündungsnah, zum anderen an einem In diesem speziell auf die Wassermollusken noch möglichst naturnahen Unterlaufabschnitt. ausgerichteten Beitrag werden bisher bekannt Ferner wurde die Werra jeweils oberhalb der gewordene Arten-Nachweise für das Fluss- Einmündungen dieser Zufl üsse beprobt. Im gebiet der unteren Werra zusammengetragen Jahr 2003 wurden nur die 5 Hauptzufl uss-Pro- und durch eigene Funde ergänzt. Soweit mög- bestellen Fr-m, We-m, Be-m, Ge-m und Rb-m lich wird auf die Verbreitungsentwicklung der sowie die oberhalb befi ndlichen Werra-Stellen Arten im Untersuchungsgebiet eingegangen. W2-4, W7 und W10 nochmals untersucht. Zu- Wie die Recherche zur historischen Fischfauna sätzlich wurden in diesem Jahr die unmittelba- der unteren Werra (HÜBNER 2002) dient auch ren Mischzonen der vorgenannten 5 Hauptzu- dieser Beitrag als Grundlage zur Erarbeitung fl üsse mit der Werra sowie der Salzbach bei eines ökologischen Leitbildes für die Limnofau- Wendershausen in die Untersuchung einbezo- na des Flussgebietes. gen. Die aquatischen Stadien des Makrozooben- 2. Untersuchungsgebiet und Methodik thos wurden jeweils dreimal pro Jahr, und zwar Das nach hydrographischen und naturräumli- im Frühjahr, Sommer und Herbst beprobt. Die chen Gesichtspunkten abgegrenzte Flussge- Probenahme erfolgte manuell mit Hilfe eines biet der unteren Werra zwischen Treffurt und Sammelnetzes mit 0,5 mm Maschenweite, das Hann. Münden, das den Naturraum „Unteres an einem bis auf mehrere Meter verlängerba- Werraland“ (KLINK 1969) nahezu vollständig ren Stab befestigt war. Je Probestelle und Un- Zur Entwicklung der Süßwasser-Mollusken im Flussgebiet der unteren Werra 127 Abb. 1: Das Untersuchungsgebiet: Unteres Einzugsgebiet der Werra (= „Flussgebiet der unteren Werra“) mit den Makrozoo- benthos-Probestellen (verändert aus HÜBNER 2005). tersuchungstermin wurde mit 6-10 Teilproben 3. Wassermollusken im Flussgebiet der insgesamt 1 m² Gewässergrund erfasst, wobei unteren Werra die vorgefundenen Substrate proportional zu ihrem Deckungsgrad beprobt wurden. Zusätz- 3.1 Vor 1920 nachgewiesene Arten lich zu den Netzfängen wurden je Probestel- Der älteste gefundene Mollusken-Hinweis, der le ca. 10 Hartsubstrate (Steine, Totholz) nach auf das hier betrachtete Flussgebiet bezogen sessilen Organismen abgesucht. Weitere An- werden kann, stammt von CARL PFEIFFER gaben zur Methodik fi nden sich bei HÜBNER (1821, S. 106), der das Vorkommen einer sel- (2005). teneren Form von Theodoxus fl uviatilis „mit et- was erhabenem Gewinde“ für die Werra und Die Einteilung der Arten nach ihren Biotopan- Diemel anführt. sprüchen bezieht sich auf die naturräumlichen Verhältnisse im Untersuchungsgebiet. Die Weitere Informationen liefert die Tierartenlis- Nomenklatur folgt GLÖER & MEIER-BROOK te des Eschweger Arztes CARL SCHREIBER (2003). (1849) für den „Physikatsbezirk Eschwege“. Dieser Bezirk befand sich ausschließlich im un- teren Werra-Einzugsgebiet und umfasste den Werra-Abschnitt von Heldra bis Albungen mit den Städten Wanfried und Eschwege (SCHREI- BER 1849). Den Angaben kann leider nicht ent- 128 Gerd Hübner & Ulrich Braukmann nommen werden, in welchen Gewässern die die „Werra“ aber nur dieses eine Mal, liegt der Mollusken vorkamen. Verdacht eines Schreib- bzw. Druckfehlers nahe, zumal LÖNS (1894, S. 94) zu der Art aus- BORNEMANN (1856) nennt Mollusken aus der führt: „Bisher nur aus der Ebene bekannt“. Werra im damaligen Kreis Mühlhausen. Nach ZEISSLER (1984) handelt es sich um den aus Mühlhausen stammenden Geologen und Palä- 3.2 Anmerkungen zu den vor 1920 nachge- ontologen Dr. Johann Georg Bornemann. Der wiesenen Wasserschnecken Kreis Mühlhausen beinhaltete von 1816-1950 auch kurze Werra-Abschnitte im Bereich Groß- Arten der Fließgewässer burschla, Treffurt und Falken (GÜNTHER 1979). Auch wenn Falken nach KLINK (1969) nicht Theodoxus fl uviatilis mehr im Naturraum „Unteres Werraland“ und Die Gemeine Kahnschnecke (Abb. 2) kann als bereits außerhalb des Untersuchungsgebiets charakteristisch für die Werra gelten, da nach liegt, werden die von BORNEMANN (1856) ohne PFEIFFER (1821), WEBER (1903) und FITTKAU nähere Fundortangaben der Werra zugeordne- (1950) keine Funde aus dem Schwesterfl uss ten Arten uneingeschränkt berücksichtigt. Fulda bekannt sind. In der unteren Werra war die Schnecke hingegen bis in die Fünfziger Jah-