Das Kriegsende Und Die Shoah Filmisch Erinnern

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Das Kriegsende Und Die Shoah Filmisch Erinnern Themendossier Mai 2020 Das Kriegsende und die Shoah filmisch erinnern 75 Jahre nach der Befreiung Deutschlands von der NS-Herrschaft sind Filme ein unverzichtbarer Teil un- serer Erinnerungskultur. Anlässlich des Jahrestages stellt unser Dossier besonders prägende Spielfilme über das Kriegsende vor. Darüber hinaus widmet es sich mit Nacht und Nebel und Shoah zwei Doku- mentarfilmen, die filmische Wegmarken im Geden- ken an die Ermordung der europäischen Juden sind. Die Arbeitsblätter zum Dossier sind für den Unter- richt ab der 10. Klasse konzipiert. © picture alliance/akg-images alliance/akg-images © picture Themendossier Mai 2020 Das Kriegsende und die Shoah filmisch erinnern Inhalt EINLEITUNG FILMBESPRECHUNG 04 Filme über das 19 Nacht und Nebel Kriegsende FILMBESPRECHUNG FILMBESPRECHUNG 21 Shoah 06 Die Mörder sind unter uns UNTERRICHTSMATERIAL 23 Arbeitsblätter FILMBESPRECHUNG - VORBEMERKUNG ZUM EINSATZ DER FÜNF ARBEITSBLÄTTER IM UNTERRICHT 08 Deutschland im Jahre Null 24 Aufgabe 1: Die Brücke - DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR FILMBESPRECHUNG - AUFGABE ZUM FILM 10 Die Brücke 27 Aufgabe 2: Nacht und Nebel FILMBESPRECHUNG - DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR 12 Ich war neunzehn - AUFGABE ZUM FILM FILMBESPRECHUNG 30 Aufgabe 3: Shoah 14 Die Ehe der Maria Braun - DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR - AUFGABE ZUM FILM HINTERGRUNDARTIKEL 34 Aufgabe 4: 16 Bilder trotz allem – die Deutschland im Jahre Null Dokumentarfilme Nacht - DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR und Nebel und Shoah - AUFGABE ZUM FILM www.kinofenster.de Themendossier Mai 2020 Das Kriegsende und die Shoah filmisch erinnern 36 Aufgabe 5: Die Ehe der Maria Braun - DIDAKTISCH-METHODISCHER KOMMENTAR - AUFGABE ZUM FILM 38 Filmglossar 46 Links und Literatur 49 Impressum www.kinofenster.de Themendossier Mai 2020 Das Kriegsende und die Shoah filmisch erinnern Einleitung: Filme über das Kriegsende (1/2) die Opfer der nationalsozialistischen Ge- waltherrschaft lebendig zu erhalten und darüber aufzuklären. Unser Hintergrund- text widmet sich zwei ebenfalls im Kanon enthaltenen dokumentarischen Werken, die als Wegmarken herausragen: Alain Res- nais‘ Nacht und Nebel (1955) und Claude Lanzmanns Shoah (1985). Ruinen als Filmset Mit dem Zusammenbruch des NS-Staates im Mai 1945 kam auch die Filmproduktion in Deutschland zum Erliegen. Doch bereits im Frühjahr 1946 begannen die Dreharbei- ten zum ersten deutschen Nachkriegsfilm: Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns, die erste DEFA-Produktion, nahm sti- listisch Anleihen an das expressionistische Kino der Weimarer Republik, nutzte dabei aber die reale Ruinenlandschaft Berlins als Schauplatz. Er inspirierte eine Reihe 4 weiterer Trümmerfilme, die vor allem die Filme über das Kriegsende (49) aktuelle Not der Bevölkerung in den Mittel- Das Kino hat den Diskurs über das Kriegsende und die Shoah maßgeblich punkt stellten. Staudtes Blick richtete sich mitbestimmt. Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung stellen wir einige vor allem auf die Vergangenheit: Sein Prot- bedeutende Filme zum Thema vor. agonist ist ein Kriegsheimkehrer, der unter seinen Erinnerungen an die Erschießung unschuldiger Zivilisten und Zivilistinnen as Ende des Zweiten Weltkrieges in Konrad Wolfs Ich war neunzehn (1968) an der Ostfront leidet – und der beschließt, DDeutschland wurde im Kino schon oft und Rainer Werner Fassbinders Die Ehe der den verantwortlichen Offizier persönlich und auf sehr unterschiedliche Weise the- Maria Braun (1979). Diese im Kanon ent- zur Rechenschaft zu ziehen. matisiert. Einige der Filme haben den öf- haltene Auswahl ergänzt Wolfgang Staud- Indem Staudtes Film die Sühne der fentlichen Diskurs zweifellos maßgeblich tes Die Mörder sind unter uns (1946), der NS-Verbrechen einforderte, besetzte er beeinflusst. Umso mehr sind sie als Gegen- Begründer des sogenannten Trümmer- eine Ausnahmeposition im deutschen stand gleichermaßen der Filmbildung wie films. Außer einer kurzen Einführung im Kino der unmittelbaren Nachkriegszeit. auch der historischen politischen Bildung Rahmen dieses Textes bietet die Ausgabe Denn die Filmschaffenden, von denen von besonderem Interesse. So enthält der Filmbesprechungen und Arbeitsblätter ab viele zuvor selbst Teil der vom NS-Staat 2003 von der bpb veröffentlichte Filmka- der 10. Klasse sowie Links zu weiteren In- gelenkten Filmwirtschaft gewesen waren, non einige bedeutende Filmwerke, die sich formationen und Materialen zum Thema. schwiegen sich über das Ausmaß der Ver- mit dem Kriegsende auseinandersetzen. 75 Jahre nach Ende des Zweiten Welt- strickung der deutschen Bevölkerung aus. In unserer aktuellen Monatsausgabe krieges ist absehbar, dass es bald keine Der italienische Regisseur Roberto Ros- nehmen wir den 75. Jahrestag der Befrei- Zeitzeugen und Zeitzeuginnen mehr geben sellini hingegen griff das Thema auf. Sein ung von der NS-Dikatur zum Anlass, um wird, die aus eigenem Erleben über die da- Film Deutschland im Jahre Null beglei- diese Filme noch einmal vorzustellen: Im maligen Ereignisse berichten können. Mehr tet einen Zwölfjährigen, der vereinsamt Einzelnen handelt es sich dabei um Rober- noch als bisher werden Filme daher zu ei- durch das zerstörte Berlin streift. Seine to Rossellinis Deutschland im Jahre Null nem zentralen Baustein einer Erinnerungs- Begegnung mit einem früheren Lehrer hat (1948), Bernhard Wickis Die Brücke (1959), kultur, deren Ziel es ist, das Andenken an schließlich fatale Konsequenzen: Fehl- www.kinofenster.de Themendossier Mai 2020 Das Kriegsende und die Shoah filmisch erinnern Einleitung: Filme über das Kriegsende (2/2) geleitet von der Nazi-Ideologie des Mannes autobiografischen Ansatz. Der Regisseur de ihre bürgerlichen Existenzen fortsetzen vergiftet der Junge seinen bettlägerigen hatte das Kriegsende als deutschstäm- konnten. Vater, um das Elend der Familie zu lindern. miger Offizier auf Seiten der Roten Armee Dass die Auseinandersetzung des Ki- Rossellini inszenierte Deutschland im erlebt. In seinem fragmentarisch erzählten nos mit dem Kriegsende noch längst noch Jahre Null im Stil des damals aufkom- Film verarbeitete er eigene Erinnerungen nicht abgeschlossen ist, zeigen diverse menden italienischen Neorealismus mit an seine Rückkehr in das ihm auf verstö- Produktionen aus jüngerer Zeit. So sind Laiendarstellerinnen und -darstellern, rende Weise fremd gewordenes Geburts- Filme wie Anonyma – Eine Frau in Berlin an Originalschauplätzen und in einer do- land. Dass Wolf in seiner Darstellung der (Max Färberböck, 2008) oder Wolfskin- kumentarisch anmutenden Bildästhetik. Befreiung inhaltlich enge Grenzen gesetzt der (Rick Ostermann, 2013) Beispiele dafür, Er selbst sah den Film als Versuch einer waren, liegt in der restriktiven Filmpolitik dass hierzulande im Kino inzwischen immer objektiven Bestandsaufnahme. Der Titel der DDR Ende der 1960er-Jahre begründet. häufiger das Leid deutscher Zivilisten und verweist auf ein Land im Zustand des zivili- Zivilistinnen thematisiert wird – ohne in an- satorischen Nullpunkts. Die Illusion des Neuanfangs gemessener Weise auf die von Deutschen Rossellinis schonungsloser Blick auf Mit Die Ehe der Maria Braun schloss der begangenen Verbrechen einzugehen. Deutschland stieß hierzulande kaum auf westdeutsche Autorenfilmer Rainer-Wer- Zustimmung. Ebenso wenig fand er in den ner Fassbinder eine Leerstelle in der deut- Autor: Folgejahren Nachahmer im deutschen schen Kinogeschichte, indem er eine weib- Jörn Hetebrügge, freier Filmjournalist Kino. In der jungen DDR konzentrierten liche Hauptfigur ins Zentrum eines Films und kinofenster.de-Redakteur, sich die Filme über die NS-Zeit meist auf über das Kriegsende stellte. Auch im Aus- 05.05.2020 die Verklärung des sozialistischen Wider- land wurde das in seiner Farbigkeit an klas- stands. Im vom Wirtschaftswunder be- sische Hollywood-Melodramen erinnernde Foto: 5 © picture alliance/United Archives seelten Westen strickte das Kino mit am Werk seinerzeit begeistert aufgenommen. (49) Mythos der sauberen Wehrmacht. Erst Über den Neuaufbau der bundesdeutschen 1959 sorgte dort der Film Die Brücke für Nachkriegsgesellschaft zieht der Film ein Aufsehen, indem er radikal mit dem He- illusionsloses Fazit: Die geschäftstüchtige, roismus des Soldatentums brach und die von Hanna Schygulla gespielte Protago- Menschenverachtung der nationalsozi- nistin erlebt das Ende der NS-Zeit als eine alistischen Führung klar zum Ausdruck vorübergehende Phase der Freiheit, in der brachte: Bernhard Wickis auf einem Tatsa- für sie als Frau ein selbstbestimmtes Leben chenroman beruhendes Drama erzählt von möglich scheint. Letztlich scheitert Fass- Schülern, die in den letzten Kriegstagen als binders Heldin jedoch an den patriarchalen Soldaten eingezogen werden und erbittert Machtstrukturen, die sich im Deutschland eine unbedeutende Brücke verteidigen: der Adenauerzeit rasch wieder etablieren. Kanonenfutter, das in der Hitler-Jugend Der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft auf seine Rolle eingeschworen wurde. 1954, das sogenannte Wunder von Bern, Wie Bernhard Wicki knüpfte auch Kon- steht im Film sinnbildlich für diese Konti- rad Wolf in seinem ebenfalls in Schwarz- nuität. Mit seiner gesellschaftskritischen Weiß gedrehtem Ich war neunzehn visu- Sicht war Fassbinder in der von heftigen ell an den Neorealismus an. Den Einfluss politischen Kontroversen geprägten Bun- des italienischen Nachkriegskinos auf den desrepublik der 1970er-Jahre freilich DEFA-Film verrät schon die Eingangsse- längst nicht mehr alleine – wie auch der quenz mit dem gespenstischen Bild eines gemeinsam mit anderen Filmschaffenden auf dem Fluss treibenden
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  • Rainer Huhle „Nacht Und Nebel“ – Mythos Und Bedeutung 1
    Rainer Huhle „Nacht und Nebel“ – Mythos und Bedeutung (Alberich setzt sich den «Tarnhelm» auf den Kopf) Dem Haupt fügt sich der Helm: ob sich der Zauber auch zeigt? (sehr leise) «Nacht und Nebel – niemand gleich!» seine Gestalt verschwindet; statt ihrer gewahrt man eine Nebelsäule Siehst du mich, Bruder? Mime blickt sich verwundert um Wo bist du? Ich sehe dich nicht.1 1. „Nacht und Nebel“ – die Faszination der Alliteration „Nacht und Nebel“, „Noche y Niebla“, auch „Night and Fog“ und „Nuit et Brouillard“, dieses Wortpaar übt bis heute eine ungebrochene makabre Faszina- tion aus, besonders in den Sprachen, in denen die beiden Wörter, wie im deut- schen Original, aber auch im Spanischen, durch ihre Alliteration einen geradezu wagnerischen Sog entfalten. Tatsächlich soll sich Hitler selbst bei seinem be- rüchtigten „Nacht-und-Nebel“-Befehl von der Figur des bösen Zwergs Alberich in Wagners „Rheingold“, der sich mit einer „Tarnkappe“ unsichtbar machen konnte, inspirieren haben lassen.2 Im Nürnberger Prozess gegen das Oberkom- mando der Wehrmacht (OKW) sagte der Leiter der Rechtsabteilung im OKW, Ministerialdirektor Generaloberstabsrichter Dr. Lehmann3, aus, Hitler habe wörtlich gefordert, dass solche Gegner des Regimes, denen nicht sofort ein kur- zer Prozess gemacht werden könne, „bei Nacht und Nebel“ über die Grenze nach Deutschland gebracht werden und dort isoliert bleiben sollten.4 Gesichert ist jedenfalls, dass die von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel Ende 1941 ausgegebene Order, die offiziell „Richtlinien des Führers und Obersten Befehls- habers der Wehrmacht für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten“ überschrieben war, schon 1942 im internen Verkehr der NS-Behörden als „Nacht-und-Nebel-Erlass“ bezeichnet wurde.5 Nicht so klar ist, wie weit der Begriff „Nacht-und-Nebel-Erlass“ über die NS-Behörden hinaus bereits während des Krieges bekannt wurde.
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