AFD-Parteiporträt

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AFD-Parteiporträt Europa-Dossier AFD-Parteiporträt Europa neu denken. AFD-Parteiporträt - Dossier 1. Kurze Beschreibung der Ausgangslage „Mut zu D(EU)tschland“ lautet das Motto der AfD für die Europa-wahl. Die Partei setzt damit offensiv auf ein nationalis- tisches Momentum. Nach insgesamt drei Parteitagsterminen in drei Monaten hat es die AfD - stets am Rande des Chaos und Scheiterns - geschafft, sowohl eine KandidatInnen-Liste als auch ein Europawahlprogramm zu beschließen (zuletzt der Erfurter Programm-Parteitag der AfD am 22./23.3.2014). Der Parteisprecher Bernd Lucke führt die Liste an, gefolgt vom ehemaligen BDI-Chef Hans-Olaf Henkel. Auf Platz vier kandidiert die bekannte rechtskonservative Politikerin Beatrix von Storch, auf Platz sieben tritt der Lucke-Kritiker und Unterstützer einer Zusammenarbeit mit der europafeindlichen englischen „UKIP“, Markus Pretzell, an. Neben der Spitzenkandidatur Luckes tritt die AfD zugleich eher kurios mit Hans Olaf Henkel als Kandidaten für die Wahl des europäischen Kommissionspräsidenten an. Der Charakter der AfD kann als noch unfertige Mischung aus Bewegung und entstehender professionalisierter Partei- Organisation mit einer populistischen Sammelbecken-Strategie beschrieben werden. Drei politische Strömungen vereint die AfD: eine national-konservative , eine neoliberale und eine rechts-reak- tionäre. Der Versuch, einen soziallliberalen Flügel zu etablieren („Kolibri“) kann als gescheitert bewertet werden. Einige Presse-Kommentatoren unterstellen der AfD starken Einfluss von christlich fundamentalistischer Positionen. Dies ist jedoch bislang keine relevante Strömung. Der Kern der AfD-Führung repräsentiert Positionen und Haltungen des rechten Rands der programmatisch von Merkel entkernten CDU, der sich in der CDU nicht mehr erfolgreich artikulieren konnte. Hinzu kommen Trümmerteile des frühe- ren harten eurokritischen FDP-Flügels („Schäffler-Flügel“) und dieUnterstützung aus dem neurechten Spektrum um die bekannte Publikation „Neue Freiheit“. Neben der diffusen, aber harten Eurokritik spielt vor allem ein deutscher National-Egoismus bzw. Wohlstand- schauvinismus eine tragende Rolle in der AfD-Strategie. Die Zuwanderungsfrage wird geschickt zur Ressentiment-An- fachung ausgenutzt, eine Prise angebliche „Direkte Demokratie“ dazu gemengt und in einer antieuropäischen Suppe serviert. Die AfD gibt zwar vor, gegen rechtsradikale Mitglieder vorzugehen, zielt aber ganz offen auf das entsprechende Wählerpotential. Für die AfD geht es bei der Europawahl perspektivisch um die Existenzfrage. Die AfD wird also zu allem bereit sein. Die Partei gibt sich nach außen optimistisch und selbstbewusst. Als Wahlziel werden von Spitzenfunktionären acht Prozent oder mehr genannt. Die AfD konnte bei der Bundestagswahl 2,05 Millionen Zweitstimmen (4,7 %) erzielen. Davon kamen von der FDP rund 430.000 Stimmen, der Linken 340.000 Stimmen und der Union 290.000 Stimmen. 410.000 Stimmen sind von „kleineren Parteien“ (also auch aus dem rechtsextremen Bereich) gekommen. 210.000 Wähler haben zuvor nicht gewählt, 100.000 waren Erstwähler. Die SPD mit 180.000 Wanderungsverlusten und die Grünen mit 90.000 waren weniger betroffen gewesen. Allerdings hat die AfD die Mobilisierung der SPD bei Nichtwählern und WählerInnen mit geringerem Bildungsniveau deutlich erschwert. Sorge macht deshalb auch aus SPD-Sicht der Blick auf die Erfahrungen mit den Entwicklungsschritten des Rechtspo- pulismus in Europa. Eine erste Phase ist meist die Abspaltung aus „bürgerlichen“ Parteien. In einer zweiten Phase, wenn sich die neue populistische Partei zu etablieren versteht, dringt sie oft auch stärker in Wählerschichten vor, die eher zum 2 sozialdemokratischen Reservoir zählen. Der Kampf gegen den Rechtspopulismus ist deshalb zu Recht ein zentraler Auftrag in der Europawahlkampagne der SPD. 2. Einschätzung der Wahlperspektiven der AfD Folgende Faktoren sprechen dafür, dass es sinnlos ist, die AfD-Wahlchancen zu leugnen: • Der Wegfall der 3-Prozent-Hürde garantiert der AfD bereits so gut wie sicher den Einzug ins europäische Parlament. Es wird keine Argumentation der „verschenkten Stimmen“ mehr geben können. • Das Spitzen-Personal der AfD: Mit Parteichef Lucke und Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel hat die AfD zwei professio- nelle Akteure, die medial „funktionieren“ und zielgruppenaffin wirken. Das täuscht über die wahre Kompetenzsituation der Partei hinweg.. • Nach wie vor sind Fragen der Finanzmarkt-Instabilität, der Schulden- und Banken-Krise, eines „Schuldenschnitts“ in Griechenland und die Wachstumsschwäche in einigen europäischen Ländern von Bedeutung. Die Stabilität der Euro-Währung wird weiter thematisiert werden. Die AfD nähert sich mit der deutlichen Absage der FDP an ihren eurokritischen Flügel einer thematischen Alleinstellungsposition (die CSU kann diese nicht gefährden, ebenso wenig die Linke). • Die Medienaufmerksamkeit gegenüber der Partei hat nur wenig abgenommen. • Die AfD hat mittlerweile ca. 18.000 Mitglieder und durch die Wahlkampfkostenerstattung der Bundestagswahl relativ solide Finanzen. Ein Wahlkampfetat von deutlich über einer Million Euro dürfte für die Europa-Wahlkampagne einge- setzt werden können. • Die AfD wird bei allen 10 Kommunalwahlen, die parallel zur Europawahl stattfinden, in den Bundesländern antre- ten, allerdings nicht flächendeckend, sondern nur in ausgewählten Kommunen, insbesondere Großstädten. Da die Kommunalwahlen als Mobilisierungsfeld sehr wichtig sind, hat die AfD hier zwar die Schwäche, nicht flächendeckend antreten zu können. Der Neuigkeits- und Aufmerksamkeitseffekt in den Ländern bzw. vor Ort kann dies jedoch zum Teil ausgleichen. Die AfD könnte aus dem Stand Hunderte Kommunalmandate erringen. • Die AfD erweitert ihr Themenspektrum: Neben der Ablehnung der Euro-Rettungspolitik und der Forderung nach Auflösung des Euro-Währungsgebietes kommt der Betonung nationaler Interessen eine starke Bedeutung zu. Die AfD tritt für einen europäischen Staatenbund ein und lehnt die transnationale Weiterentwicklung Europas strikt ab. Nicht die europäische Demokratie soll gestärkt werden, sondern direktdemokratische Verfahren (Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild ) und Veto-Rechte zur nationalen Abwehr der europäischen Integration. Daneben steht die AfD für eine strikte Austeritätspolitik und fordert eine Neuordnung des Asylrechts und des Einwanderungsrechts (Einwanderungspolitik nach dem Vorbild Kanadas). Ein eigenständiges Mobilisierungsthema ist die Ablehnung der EU-Beitritts-Verhandlungen mit der Türkei und ein latenter Anti-Islamismus (die AfD Sachsen fordert z.B. Volksabstimmungen bei Moschee-Bauten). Latente Homophobie paart sich mit erzkonservativen Aussagen zur Familien- und Bildungspolitik. 3 3. Populismus als Strategie Aktuell entwickelt die AfD ihren „Populismus 2.0“ weiter. Sie hat aus dem Schicksal einiger populistischer Parteienpro- jekte in der Geschichte der Bundesrepublik gelernt. Sie besitzt ein relativ durchdachtes Kommunikationskonzept, das u.a. aus folgenden Elementen besteht: • einer betont „sachkompetent“ argumentierenden Führung („Professorenpartei“); • einer „Sammelbeckenstrategie“, die versucht, aus allen politischen Lagern Mitglieder und Stimmen zu gewinnen verbunden mit der Leugnung, rechts oder links zu sein (Lucke: „Die AfD kommt aus der Mitte.“) bzw. der Reklamation, eine „wahre Volkspartei“ zu sein (bzw. Volkspartei werden zu wollen); • der Bedienung der vorhandenen sogenannten Parteien- und Politikerverdrossenheit (Korruptionsvermutung, Lob- byismus-Vorwurf, „Entfremdung-vom-Volk-Motiv“, „Etablierte, die sich den Staat zur Beute machen“, usw.); • der taktisch gemäßigten bzw. dosierten Nutzung populistischer Rhetorik (der Spruch der CSU „Wer betrügt, fliegt“ wird von Lucke als „hetzerisch“ bezeichnet); • der Betonung einer demokratischen Grundhaltung („Wir stehen zum Grundgesetz“, „Wir wollen mehr Demokratie wagen, auch mehr direkte Demokratie“); • der Aktualisierung des typischen Populismus-Motivs vom „Volkswillen“, der durch „degenerierte“ Politiker und Parteien manipuliert, verraten oder missbraucht wird durch positive Bezugnahme auf massendemokratische Instrumente wie Volksabstimmungen. 4. Zentrale Aspekte der Gegenkommunikation Folgende Punkte sprechen klar gegen die AfD: Die AfD hat ein Demokratieproblem. Die AfD fordert öffentlich mehr direkte Demokratie – zugleich wird sie autoritär geführt und soll noch stärker vom Bundesvorstand kontrolliert werden können. Das Verhältnis der Partei zu Öffentlichkeit und Medien ist zudem schwer gestört. Die AfD ist keine funktionierende Partei. Die Sammelbeckenstrategie der AfD führt u.a. auch dazu, dass politisch Gescheiterte, Frustrierte, Querulanten, Egomanen und Karrieristen die politische Arbeit zu dominieren drohen. Die AfD ist in sich mittlerweile völlig zerstritten und nur mit Mühe und Not autoritär (und gar nicht demokratisch) vom Vorsitzenden Lucke zu kontrollieren. Zahlreiche Landesverbände sind politisch nicht handlungsfähig und zerlegen sich zunehmend. Streit, Rücktritte und Austritte sind der Dauerzustand. Der Versuch Luckes, sich eine stärkere Führungsmacht per Satzung garantieren zu lassen, scheiterte auf dem Erfurter Bundesparteitag der AfD. Harte Konfliktlinien sind Differenzen der drei Parteiflügel, Finanzfragen und das Verhältnis von Landesverbänden zur Bundespartei. Die AfD hat ganz rechts eine offene Flanke. Der Zustrom von rechtsextremen Einzelpersonen kann die Partei nach wie vor nicht kontrollieren. Der jüngste Skandal ist der Rücktritt eines hohen Funktionärs des inoffiziellen AfD-Jugendverbandes wg. rassistischer Aktivität
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