Birte Frenssen [Text] | Thomas Grundner [Fotos] Natürlich romantisch ! Caspar David Friedrich & Freunde in Mecklenburg-Vorpommern

HINSTORFFΩ 0 5 10 km Kap Arkona Vitt Altenkirchen Nobbin N T R O M P E R W I E K Wiek Ruschvitzer Herthaburg Kloster Glowe Strand Königsstuhl Ruschvitz Hagen Vitte Herthasee Bobbin Schlanteberg I n s e l Quoltitz Stubbenkammer Sagard Wissower Klinken H i d d e n s e e Trent Großer Schaprode Jasmunder Bodden SASSNITZ O S T S E E Dwasieden Ralswiek I N S E L Kleiner Jasmunder P R O R E R W I E K Gingst R Ü G E N Bodden Rugard Ostseebad Binz Mustitz Granitz BERGEN Lancken- Ostseebad Sellin Posewald Granitz PUTBUS Nadelitz Ostseebad Baabe Vilmnitz Neuensiener Ostseebad Göhren See Moritzdorf Neuendorf Groß ing Nordperd Altefähr Hav GARZ Wreechener Stresow Neukamp MÖNCHGUT See Insel Vilm STRALSUND Gustow Reddevitzer Höft Gager Groß Schoritz Klein Zicker Südperd S t r e Greifswalder Oie l a s u n d G R E I F S W A L D E R Stahlbrode B O D D E N Reinberg Ruden

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Vierow Kröslin Ostseebad Ryck Wieck I N S E L U S E D O M GRIMMEN Ludwigsburg Zinnowitz Eldena Streckelsberg WOLGAST Koserow GREIFSWALD I N S E L P Wrangelsburg e e n e W O L L I N s Seebad Bansin t r o m Ostseebad Heringsdorf LOITZ Lassan Ostseebad Ahlbeck GÜTZKOW SWINEMÜNDE

T r e b e l P e e n e n e e P e e Usedom in Sw T o l l e n s e

Janow Veste Landskron

Bergen ALTENTREPTOW Stralsund REUTERSTADT STAVENHAGEN Pleetz Breesen Greifswald Insel Poel Rostock Swinemünde

Wismar Demmin Güstrow Anklam P O L E N NEUBRANDENBURG Gadebusch Burg Schlitz Basedow e Neubrandenburg e s e Schwerin s n Stettin PENZLIN lle To BURG Pasewalk STARGARD Wöbbelin Prillwitz Prenzlau

r ere d O Inhalt

9 Als die Maler laufen lernten

17 Herzerhebende Aussichten

35 Zurück zu den Vätern

57 Scheinheilige Gö!er & schwarze Jäger

75 Fliegende Segel

105 Mit Weibsbildern auf den Kreidefelsen

121 Wo das feste Land endet Eichen am Wall in Neubrandenburg

Bild Seiten 6/7 – Blick von den Zickerschen Bergen auf Klein Zicker, Mönchgut, Insel Rügen

8 Als die Maler laufen lernten

erade einen Tag war Caspar David Friedrich Am Ufer fand sich sta! eines wohleingerichteten G 1818 aus dem heimischen Pommern nach Dres- Hotels eine rauchige Fischerhü!e zwischen verstreuten den zurückgekehrt, da suchte er auch schon den be- Granitblöcken, die den Hungrigen jedoch mit einem freundeten Arzt und Maler Carl Gustav Carus auf. Frühstück aus Ka"ee und zarten Flundern reichlich Kaum ha!e der Reisende seine frisch von der Insel entschädigte. Durch die schlichte Ursprünglichkeit Rügen mitgebrachten Zeichnungen auf den Tisch ge- dieser neuen Welt und einen Sprung in die Fluten er- legt, erwachte in Carus der brennende Wunsch, diese frischt, rückten alle hektischen Alltagsgeschä$e in Gegenden an der Ostsee mit eigenen Augen zu sehen. große Ferne. Bereits auf den lehmigen Wegen nach Gesagt, getan – schon im darau"olgenden Sommer Greifswald ha!en die kargen pommerschen Weiten brach er gen Norden auf. Einige Jahrzehnte später sollte Carus zum Nachdenken gebracht, warum eine ähnlich eine solche Reise mit Eisenbahn und Dampfschi" in arme Natur wie diese in den Niederlanden so hervor- wenigen Stunden ver#ogen sein; Carus aber saß mehr ragende Künstler hervorgebracht ha!e. Die Antwort lag oder minder gemütlich im kleinen Wagen und ließ für ihn auf der Hand: »Weil in der Kunst wie im Leben in langsamer Fahrt Hunderte poetischer Reisebilder die Tiefe in wenigem immer mehr wirken muß, als die an sich vorüberziehen: Eichenwaldungen, Störche im Ober#ächlichkeit in vielem.« Morgenlicht auf schilfgedeckten Bauernkaten, einzelne Heute, wo das Lebenstempo noch angezogen hat, malerische Kiefern. Zug um Zug tranken er und seine ist die Sehnsucht nach Beschränkung und Tiefe aktu- beiden Begleiter aus dem romantischen Becher, als sich eller denn je; und sicher ist es kein Zufall, dass die ge- ihnen in Neubrandenburg mit seinem eichenbep#anz- nügsame Reise auf Schusters Rappen wieder auflebt. ten Wall und den gotischen Toren, wo Friedrich sie bei Auch um 1800 wurde bewusst der Wanderstab ergrif- seinem Bruder untergebracht ha!e, ein Bild wie aus fen und man wallfahrte frisch, fromm, fröhlich, frei als alten Tagen darbot. Die beschauliche Stadt erschien anspruchsloser Pilger durch die Lande. In dieser Zeit dem erschöp$en Arzt als stiller Hafen – und als pas- »spazierte« der deutsche Meisterwanderer und re - sende Ouvertüre für die Wanderung über die Insel publikanisch gesinnte Querdenker Johann Gottfried Rügen, an deren Küste Carus nur wenige Tage später in Seume bis nach Syrakus: wandern, weit ausschreiten, aller Herrgo!sfrühe mit einer Segeljacht in Neuendorf Luft holen – alles würde besser gehen, war er über- landete, nachdem er wegen Flaute eine der Zeit entho- zeugt, wenn man mehr ginge. Fahren zeige Ohn- bene Nacht auf See verbracht ha!e. macht, Gehen Kraft. »Tornistern« nannte Seume

9 Georg Friedrich Kersting (1785–1847): Caspar David Friedrich auf der Reise ins Riesengebirge, 1810, Aquarell über Bleisti! (Kupferstichkabine", Berlin)

seine Art der Fußreise – und hier war leichtes Bord- Mann begeistert durchwandert ha!e, ein abgeschiede- gepäck gefragt. nes Leben. Fernab vom Tagesgeschehen und den Ver- Mit keck über den Wanderstab gehängtem Ränzel lockungen der Städte wollte der poetische Feuerkopf zeichnete der in Güstrow geborene Georg Friedrich in der einfachen, aber großen Natur leben, frei im Geist Kersting auch die hagere Gestalt seines Freundes Cas- und unabhängig im Denken. In den schlichten Men- par David Friedrich auf ihrer »Kunstreise zufus« durch schen um sich her fand er ungestörte Frömmigkeit, das Riesengebirge. In weiser Beschränkung, die nur zu Unschuld und Einfalt der Vorväter, auch wenn ihn die Teilen seinen geringen Mi!eln geschuldet war, bewegte weltlichen Streitigkeiten, über die er zu richten ha!e, sich Friedrich in einem engen nördlichen Kreis: die Ge- schnell wieder auf den BodeBodenn der Prosa zurückholten. gend um Dresden, Böhmen, der Harz und immer wie- Auch die erträumte Einsamkeit wurde angesichts der der die Insel Rügen, die er in rüstigem Wanderschri!, stetig wachsenden Karawane an Reisenden ein rares ganz nah am Puls der Natur und auf Augenhöhe mit Gut. 1804 kamen für damalige Begri"e sagenha$e den Bewohnern der kleinenkleinen Gehö$e durchstrei$e. 96 Personen an einem Tag, nicht zuletzt durch seine Hierher kam er als Einheimischer, der im nahen Greifs- glühenden Schilderungen von Arkona und Stubben- wald, das damals ebenso wie Rügen zu Schweden ge- kammer angelockt. Frisch und an keine feste Form ge- hörte, als sechstes von zehn Kindern eines Seifensieders bunden beschrieb Kosegarten die charakteristischen und Lichtgießers geboren worden war. Übernachtet Naturstimmungen der Insel, mitgerissen von seiner wurde auf Stroh in einer der kleinen Fischerkaten, den Begeisterung für die vorgeblich aus keltischer Vorzeit seltenen Gasthöfen oder bei Bekannten, es sei denn, stammenden Gesänge des Ossian. Mühelos #oss ihm man schlüp$e in einem der o"eenennen Pfarrhäuser unter. die urtümliche Schönheit des Eilands im hohen Nor- Seit 1792 traf der Reisende in Altenkirchen den den mit dem scho!ischen HHochlandochland des blinden Bar- dichtenden Pastor Ludwig Go!hardt Kosegarten. den zusammen: Nebelhimmel über einer unendlichen Nach einer aufreibenden Rektorentätigkeit an der Wol- See, sturmzerzauste EEichenichen oder die mondbeschiene- gaster Stadtschule suchte dieser im »friedewinken- nen Gräber vorzeitlicher HeHelden,lden, vor denen ein stiller den« Pfarrhaus auf der Insel, die er schon als junger Wanderer erschauert.

10 Kapelle in Vi", Insel Rügen

11 Philipp O"o Runge (1777–1810): Selbstbildnis, 1805, Öl auf Eichenholz (Kunsthalle, Hamburg)

Diese Schwärmerei und das damals grassierende früh mehrere Rügenansichten des jungen Mannes zier- Werther-Fieber ha!en den hochbegabten Kosegarten ten, Kontakt. Als der Pastor über ein Bethaus oberhalb schon während seiner Greifswalder Studienjahre mit des nahen Fischerdörfchens Vi! nachdachte, wünschte Johann Go!fried Quistorp zusammengeführt. »Werth - er sich im Innern ein Gemälde von Runge oder von ing« nannte er den emp%ndsamen Freund, was sich Friedrich. Wenn es das We!er zuließ, fanden dort nach bi!er bewahrheiten sollte, als dieser wie Goethes Ro- alter Si!e zur Zeit des HeriHeringsfangs, in der die Fischer man%gur versuchte, sich umzubringen, was Kosegarten jede Sekunde in ihre Boote springen mussten, die Got- nur knapp verhinderte. Kein aanderernderer als dieser, bald tesdienste unter freiem Himmel sta!. Zumindest eine zum Zeichenmeister an der Universität Greifswald dieser legendären Uferfeiern, bei denen sich in den Ge- avancierte Quistorp sollte den jungen Caspar David sang das Rauschen der Brandung mischte, dür$e Fried- Friedrich in seine Obhut nehmen. Und kein anderer als rich miterlebt haben. Wer weiß, ob ihm Kosegartens Kosegarten sollte im kaum 30 Kilometer entfernten Worte im Weiterwandern noch in den Ohren klangen, Wolgast den zarten Philipp O!o Runge unterrichten wenn das glänzende Buch des Himmels und der Erde und ihn bei seinem pragmatischen Vater in dem be- aufgeschlagen vor ihm lag. Was für ein Glück, ha!e der fremdlichen Wunsch unterstützunterstützen,en, Maler zu werden. wortgewaltige Prediger seinen Zuhörern im grünen Tal Wann immer möglich, besuchten Friedrich und zugerufen, den größten Teil seines Lebens in Go!es Runge in späteren Zeiten ihre Lehrer – auch über freier Natur zu verbringen, wo man sich dem Ewigen Kreuz, denn wie Runge und Quistorp in Wolgast die viel näher fühlt und mit erquickenden Schauspielen wie Köpfe zusammensteckten, hielten auch Friedrich und dem Auf- und Untergang der Sonne, dem Regenbogen, Kosegarten, dessen Studierstube in Altenkirchen schon dem Nordlicht, aber auch den verheerenden Krä$en

12 Philipp O"o Runge: Blick auf Wolgast, o. J., Scherenschni" (Kunsthalle, Hamburg)

Bild Seiten 14/15 – Kreideküste an den Wissower Klinken, Insel Rügen

des Sturms über allen Tand des Lebens emporgehoben die »selige Freye« voll Licht, Lu$ und Raum und er- wird. Wird das Sichtbare zu einem Fingerzeig des Un- sehnte wie Friedrich ein einfaches Leben auf dem Lande, sichtbaren, donnerte er mit sseinereiner tiefen, etwas hohlen »vern von dem gesi!eten Volke«. Stimme, schleppt man sich nicht mehr mit träger Im Mai 1815 entgegnete Caspar David Friedrich Gleichgültigkeit unter den Werken des Schöpfers auf eine Einladung ins Grüne: »In Gottes freier Natur umher, sondern denkt bei allem, was einem schön, erschließt sich der Mensch dem Menschen, und durch groß, lieblich oder furchtbar in der Schöpfung er- Geben und Empfangen wird er besser und besser. In scheint, an den HerrlicheHerrlichen,n, von dem es stammt. Mauern einge[s]pärt verschließt sich der Bruder den Kein Wunder, dass Friedrich einen Städter gla! an Bruder und er wird schlechter und schlechter. Eine solcher Zwiesprache mit der Natur scheitern ließ: Ein vorhabende Reise diesen Sommer in die Heimat und mit Gehrock und Zylinder gezeichnete Mann schaut, an nach der Insel Rügen zu gehen, glaube ich wird auf einer kargen Küste sitzend, durch ein Fernrohr auf ein mich wohlthätig einwirken. Wir wollen uns ganz den totes Meer und sieht – trotz oder gerade wegen des Hilfs- schönen Einwirkungen der Natur hingeben! Sie im mi!els – nichts. Einem tiefsinnigen Schäfer dagegen, friedlichen Thale unter schattigen Bäumen, ich am eins mit Go!es Natur und umgeben von den in Licht ge- Strande der Ostsee hinaus schauen in die grünliche badeten Landzungen Rügens, gelingt sie ohne Mühe. Fluth.« So konnte es nur heißen: Tornister heraus »Der Mensch erbaut die Städte;/Doch Go! erschuf das und die Malerei aus der Stube gelassen! Insgesamt sie- Land«, dichtete der Wusterhusener Karl Lappe, der mit benmal sollte Friedrich in den 46 Jahren nach seinem Runges Brüdern bei Kosegarten die Schulbank drückte Weggang aus der Heimat an den Ostseestrand zurück- und später Hauslehrer in Altenkirchen wurde. Er pries kehren.

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Klosterruine Eldena, Greifswald

16 Caspar David Friedrich: Landscha! mit Regenbogen, 1810, Öl auf Leinwand (verschollen)

20 Bild oben – Caspar David Friedrich: Die Ruinen der Veste Landskron in Pommern, um 1825, Aquarell, Bleisti ! (Pierpont Morgan Library, New York)

Bild unten – Der heutige Zustand der Veste Landskron

26 Blick auf Greifswald mit den Kirchtürmen von St. Marien, St. Nikolai und St. Jacobi (von links nach rechts)

34 Caspar David Friedrich: Wiesen bei Greifswald, um 1820/21, Öl auf Leinwand (Kunsthalle, Hamburg)

39 Großsteingrab bei Nobbin, Insel Rügen

Bild Seiten 46/47 – Opferstein bei Quoltitz, Insel Rügen

45 Alte Eichen nahe Burg Schlitz

50 Caspar David Friedrich: Hünengrab im Schnee, 1807, Öl auf Leinwand (Galerie Neue Meister, Dresden)

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Klosterruine Eldena

60 Caspar David Friedrich: Abtei im Eichwald, 1809/10, Öl auf Leinwand (Nationalgalerie, Berlin)

Bild Seiten 62/63 – Caspar David Friedrich: Der Mönch am Meer, um 1809, Öl auf Leinwand (Nationalgalerie, Berlin)

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Caspar David Friedrich: Mondaufgang am Meer, um 1835, Feder, Pinsel (Kunsthalle, Hamburg)

138 Steinstrand am Swantekahs nahe Glowe, Insel Rügen

Bild Seiten 140/141 – Blick von der Insel Rügen auf die Ostsee

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