TOUR DES GEDENKENS NS-ERINNERUNGS­ORTE KÖLN

Stadtführung mit dem Fahrrad zu Erinnerungsorten des Nationalsozialismus in Köln IMPRESSUM

Version 01-2021 Erscheinungsjahr: Frühjahr 2021 Auflage: 350 Konzept & Redaktion: Hendrik Hübel (V.i.S.d.P) Mitwirkende an dieser Broschüre: Jörg Stenzel, Thomas Lükewille, Peter Hacke, Felix Tamsut, Yuval Rubovitch, Kurt Schlechtriemen, Roland ­ Schüler,­ Dirk Unschuld, Anne Beringer, Ulf Martin, Carsten Blecher, Torben Faubel, Kathrin Mühlhausen, Hendrik Hübel TOUR DES Coloniacs Ultras (CNS), Definitionsmacht Colonia (DMC), NS-Dokumentationszentrum, Initiative Keupstraße, Bürgerverein Müngersdorf, BiBeriS – Bildung & Beratung im Sport Fotonachweise: Seite 117 Druck: GEDENKENS WIRmachenDRUCK GmbH Mühlbachstraße 7, 71522 Backnang NS-ERINNERUNGS­ORTE KÖLN Gestaltung: Ingo Thiel

Herausgeber:

Kölner Fanprojekt Gereonswall 112 · 50670 Köln www.koelnerfanprojekt.de [email protected]

Träger: Jugendzentren Köln gGmbH Christianstraße 82 · 50825 Köln www.jugz.eu, [email protected] Registergericht: Amtsgericht Köln Registernummer: HRB 29553 Aufsichtsratsvorsitzender: Dr. Ralf Heinen Geschäftsführerin: Almut Gross

In Kooperation mit: LAG-Fanprojekte-NRW e.V. Universitätsstr. 83 · 44789 Bochum www.lag-fanprojekte-nrw.de

NS-Dokumentationszentrum Köln Appellhofplatz 23-25 · 50667 Köln www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum

Gefördert von: Stadtführung mit dem Fahrrad zu Erinnerungsorten des Nationalsozialismus in Köln INHALT NS-Dokumenta­tionszentrum 26 Vorwort – Patrick Arnold (LAG) 6 Kölner Dom 30

Grußwort der Kölnischen Gesellschaft für ­ Politik im Kölner Karneval 32 Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. 8

Einleitung 10 Ma’alot-Denkmal 34

Route 1 12 Rosa-Winkel-Mahnmal 38 Route 2 14 Zielgruppen 16 Hohenzollernbrücke 38 Organisatorisches 17

Antisemitism and fan culture in ­ 18 Messehallen Deutz 42 Antisemitismus und Fankultur in Deutschland 19 Edelweißpiraten 46 Stolpersteine 22

Zwangsarbeiter Gedenktafel­ Mülheim 50 ERINNERUNGSORTE // TOURSTOPPS  Keupstraße 52 Sportpark ­Müngersdorf Ein Gastbeitrag von Jörg Stenzel BiBeriS – Bildung & Beratung im Sport 86 Probsteigasse Köln 56

Jüdischer Sport in Köln „Zigeunerlager“ 58 Ein Beitrag von Yuval Rubovitch 96

Das Schicksal der Brüder Levy Schwarz-Weiß-Platz Bickendorf 58 Aus ‚Im Zeichen des Geißbocks‘ 100 Ehemaliges Fort V 62 „Et kölsche Jeföhl“ Ein Bericht von Felix Tamsut 103 Villa des Bankiers­ Freiherr von Schröder 68 Interview: COLONIACS Ultras 107 Jüdisches Leben und Synagogen in Köln 72 FC Stadionakademie 113

Danksagung 114 Deutsches Sport & Olympia Museum 76

Literaturergänzungen 116 Radstadion – Albert-Richter-Bahn­ 80 Fotonachweise 117

Übersichtskarte 118

4 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 5 Das Besondere am Standort Köln: Alle Ziel­ VORWORT – PATRICK ARNOLD (LAG) orte werden mit dem Rad angesteuert. Die Kolleg*innen des Fanprojektes haben es Historisch-politische Bildung dank einer tollen Kooperation mit der Rad- per Rad mit dem Kölner Fanprojekt werkstadt geschafft, ein besonderes Format Das Kölner Fanprojekt setzt mit der Neuauflage der der Erinnerungsarbeit zu entwickeln. Kos- ­Broschüre „NS-Erinnerungsorte Köln – Stadtführungen tenlos und an der frischen Luft hat man die mit dem Fahrrad zu Erinnerungsorten des Nationalsozi- Möglichkeit, im Rahmen von zwei verschie- alismus in Köln“ erneut Maßstäbe weit über das lokale denen Touren vergessene und weniger ver- Netzwerk von Jugendhilfe und Fußball hinaus. Die Stadt gessene Erinnerungsorte an die Verbrechen Köln bietet auf Grund seiner Größe, aber auch wegen der NS-Zeit zu erkunden. seiner Bedeutung im Nationalsozialismus bereits viele örtliche Ankerpunkte im Rahmen der Erinnerungsar- Das Konzept der Erinnerungsorte ist knapp beit. Allen voran muss man die wichtige Vorarbeit des EL-DE-Hauses sowie anderer 25 Jahre alt, hat aber im Fall der Recherche- zivilgesellschaftlicher Initiativen lobend erwähnen. arbeiten der sozialpädagogischen Fanpro- jekte in NRW nicht an Attraktivität verloren. Das bestehende lokale Angebot wird nun durch ein Projekt des sozialpädagogischen Das liegt vor allem daran, dass die Idee um Kölner Fanprojektes erweitert. (Nicht nur) Fußballfans können sich auf Spurensuche zwei interessante Faktoren erweitert worden ist. Über die Sozialraumorientierung begeben, in ihrer eigenen Stadt. Aktuell arbeiten landesweit an sieben Standorten und das Medium Fußball sind sinnvolle Verbindungen zur lokalen Jugendarbeit und (Bochum, Duisburg, Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Köln, Dortmund und Wup- somit auch zum Bildungsauftrag der Fanprojekte hergestellt worden. Im Projekt Erin- pertal) Gruppen in verschiedenen Zusammensetzungen an vergleichbaren Projekten, nerungsorte geht es um viel mehr als nur reine Örtlichkeiten, im Vordergrund stehen die Ergebnisse sind ebenso divers wie beachtlich. kollektive Erinnerungen – wahrnehmbar an Orten, durch Persönlichkeiten oder be- sondere Geschehnisse. All das sind auch die Zutaten, die den Fußball gesellschaftlich anschlussfähig machen und für eine breite Fanbasis sorgen.

DIE LAG Erinnerungsorte sind identitätsstiftend, daher erscheint das Engagement, lokale Orte mit Realitäten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen Fußballfans zu verknüp- Die Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte NRW e.V. ist eine unab- fen, um so intelligenter wie nachhaltiger. hängige Fachorganisation zur Förderung von Sozialarbeit mit Jugendli- chen und jungen Erwachsenen Fußballfans auf nordrhein-westfälischer Bitte lesen Sie die Broschüre aufmerksam, verknüpfen Sie den Stadionbesuch beim Landesebene und stellt ein Forum für die Zusammenarbeit, den Informa- 1. FC Köln mit einer der angebotenen Touren, geben Sie Feedback und tragen die Idee tionsaustausch und die fachliche Meinungsbildung ihrer Mitglieder dar. weiter.

Gegen das Vergessen, Erinnern heißt handeln.

Patrick Arnold, Geschäftsführer LAG Fanprojekte NRW

6 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 7 te. Orte wie eine Bahnstation, ein Wohnhaus oder ein Fußballstadion, die für viele Menschen ein selbstverständlicher Teil ihrer Stadt und ihres Alltags sind, erlauben GRUßWORT es, in der Vergangenheit mehr zu sehen als nur ein abgeschlossenes Kapitel der Ge- DER KÖLNISCHEN GESELLSCHAFT FÜR schichtswissenschaft. ­CHRISTLICH-JÜDISCHE ZUSAMMENARBEIT E.V. Die Notwendigkeit von Projekten wie diesem wird umso deutlicher, je mehr extrem rechte Akteure und Akteurinnen in Deutschland und Europa an Einfluss gewinnen. So hat sich auch hierzulande in den vergangenen Jahren eine besorgniserregende Liebe Leser*innen, Entwicklung vollzogen, im Zuge derer neben Rassismus und Antisemitismus auch ge- woran und in welcher Form in einer Gesellschaft erinnert wird, ist stets umkämpft. schichtsrevisionistische Einstellungen immer offener geäußert werden können und Dabei sind die Auseinandersetzungen um die Vergangenheit und ihre Deutung immer vermehrt auf gesellschaftliche Akzeptanz stoßen. Dabei verfolgen völkisch-nationa- auch Ausdruck gegenwärtiger Konflikte. Woran sich eine Gesellschaft (nicht) erinnert, listische Akteure und Akteurinnen eine Erinnerungspolitik, in der sie das Gedenken sagt viel darüber aus, welche Werte sie vertritt und wer als Mitglied der Gemeinschaft an die nationalsozialistischen Verbrechen lieber heute als morgen durch eine unge- anerkannt wird. mindert positive Bezugnahme auf die deutsche Geschichte ersetzen würden.

Die in der vorliegenden Broschüre des Kölner Fanprojekts vorgestellten Orte sind Indem das Kölner Fanprojekt an die Verbrechen des Nationalsozialismus, aber auch ein wichtiger Teil der Kölner Erinnerungskultur. Sie erinnern an die nationalsozia- an den rechten Terror in der jüngeren Geschichte Kölns erinnert, der ebenfalls in zwei listischen Verbrechen und deren Opfer und sollten nicht in Vergessenheit geraten. Beiträgen thematisiert wird, macht es deutlich, welchen gesellschaftlichen Werten Dabei zeugen die Geschichten dieser Orte davon, dass das kollektive Erinnern an die es sich verpflichtet fühlt. Es sieht in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozia- Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur und ihre Opfer keineswegs selbstver- lismus einen wichtigen Bestandteil der Präventionsarbeit gegen rechtsextremes Ge- ständlich ist. Wo ein solches Erinnern einigermaßen etabliert werden konnte, ist es in dankengut. Dabei geht es darum, jungen Menschen mit Hilfe der Vergangenheit ihre der Regel das Ergebnis oft jahrelanger gesellschaftlicher Entwicklungen und Ausein- Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft der Gesellschaft, in der sie leben, andersetzungen, in vielen Fällen vorangetrieben von zivilgesellschaftlichen Gruppen bewusst zu machen und sie in diesem Sinne auch zu demokratischer Teilhabe anzu- und Einzelpersonen. Die vorhandenen Gedenktafeln, Denkmäler und Stolpersteine regen. gibt es, weil es Menschen gab, die sich dafür eingesetzt haben. Um die Erinnerung an diesen Orten weiter lebendig zu halten, sind Projekte wie die Stadtführungen zu Auch wir vom Projekt „Rote Karte gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitis- NS-Erinnerungsorten des Kölner Fanprojekts von großer Bedeutung. Sie richten sich mus“ der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit arbeiten vor allem an junge Menschen, die ihr Wissen zum Nationalsozialismus oft aus dem seit vielen Jahren in der historisch-politischen Bildungsarbeit, veranstalten Tagun- Schulunterricht und über Medien beziehen. Die Stadtführungen des Kölner Fanpro- gen und Vorträge, organisieren Workshops für Jugendliche und Erwachsene. Daher jekts ermöglichen einen anderen und sehr lebensnahen Zugang zur NS-Geschich- wissen wir, wie überaus wichtig es ist, dass in allen gesellschaftlichen Bereichen en- gagierte Initiativen wie die Fanprojekte in Nordrhein-Westfalen sich für eine Gesell- schaft einsetzen, in der alle Menschen frei von Angst leben können. Der vorliegenden Broschüre sowie der dazugehörigen Stadtführung wünschen wir in diesem Sinne ein breites und interessiertes Publikum!

8 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 9 Das Kölner Fanprojekt arbeitet sozialpäda- gogisch mit jungen und jungerwachsenen Fußballfans. Neben der Begleitung der Fan- EINLEITUNG gruppen an Spieltagen, der Vermittlung zwi- schen ihnen und dem Verein, der Polizei und weiteren Akteuren, initiieren wir Projekte, interkulturelle Fanbegegnungen, Lesungen und Vorträge rund um den Fußball. Wir ste- hen bei Problemen im Fußballzusammen- hang, aber auch in allen anderen Lebensla- gen zur Verfügung. Ein Schwerpunkt unserer Aufgaben ist die Antidiskriminierungsarbeit. Wir sensibilisieren für alle Formen von Diskri- minierung, die in Fußball und Gesellschaft vorkommen. In verschiedenen Projekten unterstützen wir Fans und setzen uns gemeinsam mit ihnen gegen Diskriminierung ein. Insbesondere Ultra-Gruppen engagieren sich auf vielfältige Weise beispielsweise gegen Rassismus oder erinnern an Unrecht und Menschenfeindlichkeit während der NS-Zeit in ihrer Stadt. In jeder Stadt befinden sich unzählige Erinnerungsorte zum Nationalsozialismus. Viele dieser Orte sind den Bürger*innen jedoch nicht bekannt. Die Idee zu dem Projekt Erinnerungsorte des Nationalsozialismus entstand bei der Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekt NRW e.V. Um die Geschichten der Erin- nerungsorte in Köln an Jugendliche weiterzutragen, hat das Kölner Fanprojekt eine abwechslungsreiche Tour durch die Stadt entwickelt. Den Jugendlichen bietet sich die Chance, ihren Sozialraum zu erweitern und mit anderen Augen wahrzunehmen.

Unterstützt wurde das Fanprojekt dabei vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. Das NS-Dokumentationszentrum ist eine der größten lokalen Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in der BRD und wird auch bei jeder unserer Tou- ren besucht. Die Broschüre enthält auch Orte, die nicht in unsere Routenvorschläge eingebunden sind, welche wir euch trotzdem unbedingt vorstellen möchten, damit ihr sie eigenständig besuchen könnt. Bei individuellen Tourgestaltungen können wir diese auf Wunsch miteinbinden.

Um eine möglichst vielfältige Tour anbieten zu können, werden die Orte mit dem Fahrrad angefahren.

Hierzu haben wir zwei mögliche Routen entworfen, die im Folgenden beschrieben werden.

10 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 11 ROUTE 1 VON DER ALTSTADT NACH MÜLHEIM TREFFPUNKT:

Radstation am Kölner Hauptbahnhof Die Route 1 führt von der Innenstadt entlang des Rheins bis nach Mülheim und ver- Breslauer Platz, 50667 Köln knüpft Erinnerungsorte mit aktuellen Themen des Rechtsextremismus. Wir starten dabei an Erinnerungsorten in der Altstadt und werden uns danach auf der anderen Rheinseite mit einem zentralen Ort des nationalsozialistischen Kölns, den Messehal- len in Deutz, widmen bevor wir den Rhein entlang zur Keupstraße fahren und dort Stationen der Route 1 Thematischer Schwerpunkt einen Ort aktuellen rechtsmotivierten Terrors kennenlernen. Die Tour endet dort. 1.1. NS-Dokumentationszentrum Kennenlernen des NS Dokumentati- onszentrums: Einstieg in das Thema Erinnerungsorte INFOS: 1.2. Früh Brauhaus Karneval im Nationalsozialismus 1.3. Kölner Dom Die Stadt Köln im Nationalsozialismus Strecke 8 km, überwiegend flach und mit einem schönen Panoramablick und danach den Rhein entlang 1.4. Ma’alot – Skulpturen Erinnerungsmahnmal zum Holocaust Dauer ca. 2 ½ Std. (inklusive Stopps und Erklärungen) und der Kölner Hintergrund im Natio- Geeignet für eher größere Gruppen (wenig Stadtverkehr/Ampeln!) nalsozialismus

1.5. Rosa-Winkel-Mahnmal Gedenktafel für verfolgte Homosexuelle Hohenzollernbrücke im Nationalsozialismus

1.6. Messehallen Deportations- und Sammelstelle von Juden und Sinti und Roma

1.7. Jugendpark Widerstand im Nationalsozialismus: Die Rolle der Edelweißpiraten

1.8. Rhein Mülheim Zwangsarbeit im Nationalsozialismus

1.9. Keupstraße NSU Bombenanschlag; Aktualität von Rechter Gewalt, anschließend Zeit für eine Pause und Essen in der Keupstraße

12 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 13 ROUTE 2 TREFFPUNKT: Radstation am Kölner Hauptbahnhof VOM RHEIN ZUM STADION Breslauer Platz, 50667 Köln

Die Route 2 führt uns von Erinnerungsorten in der Altstadt über ehemalige Orte des Geschehens wie dem EL-DE-Haus und der Synagoge in der Roonstraße zu weiteren Er- Stationen der Route 2 Thematischer Schwerpunkt innerungsorten in Ehrenfeld und Bickendorf und endet schließlich, nach einem Stop am Gedenkort am ehemaligen Fort V in Müngersdorf, am Sportpark Müngersdorf. 2.1. Rosa-Winkel-Mahnmal Gedenktafel für verfolgte Homosexuelle Hohenzollernbrücke im Nationalsozialismus So lässt sich die Tour noch hervorragend mit einem Stadionbesuch oder einem Work- 2.2. Ma’alot – Skulpturen Erinnerungsmahnmal zum Holocaust shop in der Stadionakademie abrunden. und der Kölner Hintergrund im Natio- nalsozialismus

2.3. Kölner Dom Die Stadt Köln im Nationalsozialismus INFOS: und danach

Strecke ca. 13 km, zum Stadion hin mit leichter Steigung 2.4. Früh Brauhaus Karneval im Nationalsozialismus

Dauer ca. 3 1/2 Std. (inklusive Stopps und Erklärungen) 2.5. NS-Dokumentationszentrum Kennenlernen des NS-Dokumentations­ zentrum: Einstieg ins Thema Erinne- Geeignet für Gruppen, die im Anschluss ein FC-Heimspiel oder das Stadion rungsorte besuchen sowie kleinere Gruppen 2.6. Synagoge Roonstraße Jüdisches Leben in Köln

2.7. Bahnhof Ehrenfeld Widerstand im Nationalsozialismus: (Bartholomäus-Schink-Straße) Die Rolle der Edelweißpiraten; Hinrich- tungsort

2.8. Schwarz-Weiß-Platz, Bickendorf „Zigeunerlager“, Diskriminierung von und Gewalt gegen Sinti und Roma

2.9. Ehemaliges Fort V, Juden-, Arbeitserziehungs- und Depor- Sammellager Müngersdorf tationslager Müngersdorf

2.10. Albert-Richter-Radrennbahn Das Schicksal von Albert Richter und Ernst Berliner

2.11. Müngersdorfer Stadion Fußball im Nationalsozialismus und das Müngersdorfer Stadion in Zeiten der NS-Herrschaft

14 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 15 ZIELGRUPPEN ORGANISATORISCHES

Das Projekt richtet sich an folgende Zielgruppen: Die Fahrräder können günstig bei dem Kooperationspartner „Radstation“ geliehen werden. Die Radstation ist ein soziales Projekt im Rahmen der Beschäftigungsent-  Kölner Schulklassen wicklung und -förderung. Erwerbslosen Erwachsenen und Jugendlichen wird dort eine Chance auf Berufseinstieg und Reintegration gegeben.  Jugendgruppen & -einrichtungen

 FC Fans & U18 Touren von Auswärtsfans bzw. anderen Fanprojekten Im Folgenden werden die einzelnen Erinnerungsorte beider Touren mit entsprechen- den Erklärungen aufgeführt. Im Informationskasten zu Beginn eines jeden Erinne-  als Bildungsmodul für das Projekt „Nachspielzeit“, bzw. Lernort Stadion rungsortes findet sich der Hinweis, um welche Station welcher Tour es sich handelt, … und alle anderen Interessierten! zusätzlich sind dort auch die GPS-Koordinaten des Orts angegeben. So lassen sich auch individuelle Routen zusammenstellen, auf Wunsch zusätzliche Stopps integrie- ren oder Touren gegebenenfalls auch kürzen.

Alle Touren werden von einem Guide durchgeführt, der viele Hintergrundinformatio- nen gibt, Wissenswertes und Spannendes zu berichten hat und zusätzlich historische Bildaufnahmen bereithält.

Das Kölner Fanprojekt steht Euch jederzeit für Rückfragen zur Verfügung!

Wendet euch bei Fragen aller Art gerne an:

[email protected]

(Auch Buchungsanfragen werden hierüber entgegengenommen!)

Wir empfehlen, bei allen Fahrradtouren einen Helm zu tragen, sowie an witterungs- bedingte Kleidung, mind. 1 Liter Wasser und einen kleinen Snack zu denken!

16 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 17 ANTISEMITISM AND FAN CULTURE IN ANTISEMITISMUS UND FANKULTUR IN DEUTSCH- ­GERMANY: LONG WAY GONE, LONG WAY TO GO LAND: SCHON VIEL ERREICHT ABER IMMER NOCH EIN WEITER WEG Eine Bestandsaufnahme von Felix Tamsut, Journalist im Bereich Fußball und aus dem Englischen übersetzt von Anne Beringer Fankultur bei der Deutschen Welle

Der deutsche Fußball und seine Fans ha- Juden, Babelsberg 03“ ist der Text eines German football and its fans have come a songs. Similar antisemitic chants are ben in den letzten 30 Jahren viele Fort- der Lieder. Ähnlich antisemitische Ge- long way over the past thirty years when known to have been heard among sup- schritte gemacht, wenn es darum geht, sänge gibt es auch bei anderen Vereinen it comes to dealing with racist and antise- porters of other clubs. Many Lok Leipzig mit antisemitischen und rassistischen zu hören. Zum Beispiel wurden Fans von mitic tendencies at stadiums. Thanks to fans were documented singing similar Tendenzen im Stadion aufzuräumen. Lok Leipzig dabei gefilmt, bei Spielen both the engagement brought to the sta- chants towards local rivals Chemie Leip- Viele diskriminierende und hasserfüllte gegen den Lokalrivalen Chemie Leipzig diums by many left-leaning ultra groups zig’s ultras. The chants have been caught Fangesänge sind in der Regel nicht mehr ähnliche Gesänge an die gegnerischen in the nineties, and the educational work on camera during the game’s live broad- im Stadion zu hören – auch dank der lan- Ultras zu richten. Obwohl diese Gesänge done by Fanprojekte across the country, cast of MDR, but without any comments desweiten Arbeit der Fanprojekte und vom MDR gefilmt und auch übertragen many of the rather common discrimina- from the commentators. „Juden Jena“ des unermüdlichen Engagements vieler wurden, haben die Kommentatoren sich tory chants are no longer being heard on is a sticker that keeps on popping up linker Ultragruppen seit den Neunzigern. „On Air“ nicht dazu geäußert. „Juden a regular basis. One such example would against FC Carl Zeiss Jena’s ultra scene, Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Jena“ steht auf einem Aufkleber, der be the U-Bahn Lied, a song which refers known to be on the left side of the poli- U-Bahn-Lied, das sich darauf bezieht, immer wieder auftaucht und sich gegen to sending rival fans to Auschwitz, which tical divide. A sticker which shows Anne gegnerische Fans nach Auschwitz zu die linken Ultras des FC Carl Zeiss Jena has all but disappeared from Germany’s Frank wearing a Schalke shirt has been schicken. Dieses Lied ist glücklicherwei- richtet. Ein Aufkleber, der Anne Frank mit footballing landscape. doing the rounds, to name but a few ex- se fast komplett aus den deutschen Fuß- einem Schalke-Trikot zeigt, hat ebenfalls amples. ballstadien verschwunden. die Runde gemacht, um nur ein paar Bei- Despite the progress made, recent ye- spiele zu nennen. ars have shown there’s no reason to get Looking to the future, experts warn that Trotz des Fortschritts der letzten Jahre complacent. A number of high-profile the far right’s rise could pose challenges gibt es keinen Anlass, sich zurückzuleh- Dank Parteien wie der AfD verschiebt cases involving fans from various levels as the time goes by, due to the fact par- nen, wie eine Menge prominenter Fälle sich in Deutschland die Grenze dessen, of German football brought the discussi- ties such as the AfD push the boundaries zeigen, bei denen Fans aller Ligen invol- was „gesagt werden darf“. Experten war- on of antisemitic tendencies in stadiums of what can be said. Many ultra groups viert waren und die die Diskussion über nen, dass dieses Erstarken der Rechten back to the front. have positioned themselves against the antisemitische Tendenzen in den Stadi- eine große Herausforderung darstellen party and its discriminatory tendencies. en wieder angeheizt haben. wird. A documentation by a local NGO sho- 1. FC Köln ultra groups Wilde Horde and wed Nazi salutes and antisemitic chants Coloniacs are among the fiercest critics Eine deutsche Dokumentation zeigt Viele Ultragruppen haben sich bereits being made during a Regionalliga Nor- of the party in Germany’s ultra scene, Hitlergrüße und antisemitische Fange- deutlich gegen die AFD und ihre diskri- dost game between SV Babelsberg and and have protested against it on seve- sänge bei einem Regionalliga Nordost minierenden Tendenzen positioniert. Zu Energie Cottbus. „Zecken, Zigeuner und ral occasions. „Today for FC, tomorrow Spiel zwischen dem SV Babelsberg und den schärfsten Kritikern der Partei gehö- Juden, Babelsberg 03“ said one of the against the AfD!“ read a banner presen- Energie Cottbus. „Zecken, Zigeuner und ren die Kölner Ultragruppen Wilde Horde

18 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 19 ted by Coloniacs as the party had hosted Football fans in Germany, and ultras in und Coloniacs. Beide haben ihrem Pro- wird, wird entscheidend dafür sein, ob its national conference in in particular, take pride in the fact that foot- test bereits häufig Ausdruck verliehen. diskriminierende und antisemitische 2017. ball is the people’s sport, a Volkssport. Tendenzen wieder als Teil der deutschen Encountering discriminatory tendencies Als die AfD zum Beispiel ihren Parteitag Fußballfankultur akzeptiert werden. The way society’s shift to the right would is vital to keeping it open to everyone, 2017 in Köln abhielt, haben die Colo- be reflected, or indeed, not reflected, in Jews included. niacs einen Banner mit dem Schriftzug Die deutschen Fußballfans – insbeson- German stadiums, and the way Germa- „Heute für den FC, morgen gegen die dere die Ultragruppen – sind sehr stolz ny’s ultra scene and the groups making it AfD!“ hochgehalten. darauf, dass Fußball ein echter Volks- would act and react, would both be key sport ist. Sich rechten und diskriminie- to determining whether discriminatory Die Art und Weise, wie der gesamtge- renden Tendenzen entgegenzustellen and antisemitic tendencies would make sellschaftliche Rechtsruck auch in den ist für diese Offenheit für alle – auch jü- their return to being tolerated as part of deutschen Stadien, bei den Fans und dische Fans und Spieler – unabdingbar. Germany’s fan culture. ■ auch den Ultragruppen aufgegriffen

20 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 21 gung verlegt wurde, entwickelte sich hang mit Stolperstein-Projekten kann es aus Diskussionen mit Anwohner*innen daher Konfrontationen geben, wenn der STOLPERSTEINE während eines Kunstprojektes von Gun- Umgang mit der nationalsozialistischen ter Demnig. Demnig hatte 1990 den Weg, Vergangenheit offentlich wird und bis- den 1000 Roma und Sinti in Koln vor ih- herige Geschichtsbilder hinterfragt oder Ein Gastbeitrag von Peter Hacke ter, jeder Stadt und jedem Dorf statt. Und rer Deportation nach Auschwitz durch korrigiert werden müssen. Dabei hängt damit auch in Köln. (Jakobs 2015: 194) Koln gehen mussten, um zum Bahnhof eine Verlegung der Stolpersteine auch Im Gedenken an die Shoa und in der Er- Jüdische Menschen wurden hier milli- Deutz zu gelangen, mit einer Farbwalze vom Konsens mit den politischen Vertre- innerung an den Nationalsozialismus onenfach gedemutigt, verhohnt, ver- nachgezogen. Eine Anwohnerin stritt ter*innen der jeweiligen Stadt ab. (Jakob werden häufig symbolträchtige Orte achtet und zu Zahlen entwertet. (Marks dabei ab, dass es in der Nachbarschaft 2012: 13 – 14) In Köln dürfen allerdings und Gebäude erwähnt. Es wird versucht, 2007: 39) Durch die Stolpersteine wird jemals Roma oder Sinti gegeben hatte. überall im öffentlichen Raum Stolper- den eigentlich weder verstehbaren noch das abstrakte Wissen um die Geschichte (NS-Dok 2007: 12) steine verlegt werden. fassbaren Schrecken an einzelnen Or- der Shoah mit konkreten Begebenheiten ten wie NS-Dokumentationszentren, konfrontiert. Die Geschichte wird in der Demnig beschreibt seine Arbeit an den Es gibt auch Kritik an den Stolperstei- Konzentrations- und Vernichtungslager unmittelbaren Nachbarschaft verortet Stolpersteinen selbst als erschütternd. nen. So ist die Tatsache, dass die Namen oder anderen im Nationalsozialismus und somit ins Bewusstsein geholt. (NS- Er betont, dass es ihm wichtig ist, dass der Opfer im Straßenschmutz liegen und bedeutsamen Stätten wenn schon nicht Dok 2007: 41) Die Steine sollen Spuren es sich um die Erinnerung an einen ein- mit Fußen getreten werden können, un- verstehbar, so zumindest greifbar zu ma- sichtbar machen und den Menschen zelnen Menschen handelt. Auch sei es ter Uberlebenden und Nachfahren von chen. Dazu können auch Orte des Alltags ­wenigstens ihre in Vergessenheit gera- schmerzhaft zu den Orten zu gehen, von Opfern als Form eines angemessenen gehören, wie Bahnhofe, Krankenhauser tenen Namen wiedergeben. (Serup-Bil- denen diese Menschen vertrieben wor- und wurdigen Erinnerns umstritten. Al- oder psychiatrische Anstalten, die auch feldt 2003: 155 – 156) den waren. Allerdings kehre durch die lerdings finden jahrlich ehrenamtliche im Nationalsozialismus zivile Orte wa- Stolpersteine immerhin die Erinnerung Putzaktionen in vielen Stadten statt, bei ren. Gerade dadurch aber wurden sie Das Stolperstein-Projekt, bei dem der an den Menschen zurück. (NS-Dok 2007: denen die Stolpersteine gereinigt wer- Orte der Ausgrenzung, der Deportation, erste Stolperstein noch ohne Genehmi- 37) Das Setzen eines Stolpersteines mar- den und somit ihr Stellenwert hervorge- der Untersagung von Hilfe und der Ver- kiert fur die Angehorigen und Nachfah- hoben werden soll. Auch steht der Kritik nichtung. Orte, die heute immer noch ren von Opfern häufig einen Ort der Erin- die Erleichterung vieler Angehoriger Bahnhofe und Krankenhauser sind. nerung an die verlorenen Menschen, der gegenuber, wenn ihren ermordeten Fa- vorher nicht definiert war – häufig kaum milienangehorigen ein kleines Denkmal Im Gegensatz zu Konzentrationslagern, definiert sein konnte. (Jakobs 2012: gesetzt wird. (NS-Dok 2007: 58) Dennoch die in ihrer Art schon außerhalb der Ge- 13) Demnigs Kunstaktionen konnen als bleibt die Tatsache bestehen, dass viele sellschaft verortet waren, waren diese Intervention im offentlichen Raum be- Passanten im Wortsinne uber die Stol- Orte Teil des alltäglichen Lebens und er- griffen werden. (NS-Dok 2007: 28) Die persteine hinweg gehen konnen, ohne lauben somit die Frage, was war normal. Stolpersteine besitzen dabei fur die Ta- ihre Bedeutung zu erkennen. Auch die (Hilmar 2013: 65) Denn bevor die Men- ter*innengesellschaft beunruhigendes unterschiedlichen ethischen Vorstellun- schen in Dachau, in Auschwitz, Madjanek Potential, da sie den Ausgangspunkt der gen der verschiedenen Opfergruppen und allen anderen zentralen Orte des Verbrechen aufzeigen und somit die To- des Nationalsozialismus mussen bei Terrors und des Mordens eintrafen, fand pographie der Vernichtung neu beschrei- einem Projekt wie den Stolpersteinen Stolperstein von Bartholomäus Schink in der Keplerstr. 33 ihr Leben in Frankfurt, Wuppertal, Müns- (Siehe Kapitel zu Edelweißpiraten) ben. (NS-Dok 2007: 57) Im Zusammen- berucksichtigt werden. So mochten

22 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 23 Sinti und Roma keine namentliche Erin- Bei Touren und Spaziergängen ist es also nerung an ihre Toten. (Jakob 2012: 15). ratsam immer mal wieder den Blick zu SPUR DER ERINNERUNG: Allerdings ist das den Initiatoren des Pro- senken und auch nach Stolpersteinen Gunter Demnig zeichnete 1990 vom Schwarz-Weiß-Platz (siehe Kapitel in dieser Bro- jekts durchaus bewusst und wird nicht Ausschau zu halten, denn sie erinnern schüre) zum Deutzer Bahnhof (siehe Kapitel Messelager Deutz) eine 16 Kilometer lan- als Nachteil wahrgenommen, da es sich uns auf eindringliche Weise an ein dunk- ge „Spur der Erinnerung“, um an die Verschleppung der Kölner Sinti und Roma zu er- nicht aufdrangt, sondern lediglich im les Kapitel der deutschen Geschichte. innern. Die Spur enthielt den durchgehenden Schriftzug „Mai 1940 – 1000 Roma und Alltag prasent ist. Der Text, die Namen, Sinti“. Die Spur des Erinnerns ist heute nicht mehr erkennbar, an 22 auserwählten Geburtsjahre, Todesjahre und Todesort Stellen im Kölner Stadtraum wurde die Spur jedoch durch Bronzeeinlassungen des sind unverruckbar da. Was der*die Pas- Schriftzugs konserviert, diese finden sich beispielsweise an der Hohenzollenbrücke sant*in damit anfangt, ist jedoch nicht und an der Ecke Venloer Straße/Herbrandstraße vor dem vorherbestimmt. (NS-Dok 2007: 51) ■ Ehrenfelder Bezirksrathaus.

Unter dem Motto „Glanz gegen Rechts“ wird immer wieder zum Reinigen der Stolpersteine, auch in Köln, aufgerufen. Ihr wollt auch aktiv werden. Macht mit und pflegt die Erin- nerungskultur mit Bürste und Putzlappen, hier erfahrt ihr, LITERATUR: wie es geht:

HILMAR, TILL: Ausgehend vom historischen Ort, wohin? »Diskursive« Orte der Vermittlungsarbeit zum Nationalsozi- alismus auf Studienfahrten. In: ERKER, LINDA/KIENESBERGER, KLAUS/VOGL, ERICH/HAUSJELL, FIRTZ (Hrsg.): Ge- dachtnis-Verlust? Geschichtsvermittlung und -didaktik in der Mediengesellschaft. Herbert von Halem Verlag, oK ln 2013. S. 61 – 76. JAKOBS, HILDEGARD: Die regionalen Gedenkstätten – Vielfältige Bildungsarbeit in der Nachbarschaft. In: GRYGLEWS- BUCHEMPFEHLUNG: KI, ELKE/HAUG,VERENA, et. al. (Hrsg.): Gedenkstattenpadagogik. Kontext, Theorie und Praxis der Bildungsarbeit zu NS-Verbrechen. Metropol Verlag, 2015. S. 193 – 204. Stolpersteine JAKOBS, HILDEGARD: Die Stolpersteine im Kontext der Erinnerungskultur. In: JAKOBS, HILDEGARD/GENGER, ANGE- LA/KRAMP, ANDREA: Stolpersteine. Erinnerung an Menschen aus Dusseldorf, Erkrath, Langenfeld, Mettmann, Mon- heim und Ratingen. Droste Verlag, Dusseldorf 2012. S. 11 – 17. Vergessene Namen, verwehte Spuren. Wegweiser zu jüdischem Schicksal in Köln KAISER, WOLF: Gedenkstättenpädagogik heute. Qualifizierung von Fachkräften in der historisch-politischen Bildung von Kirsten Serup-Bilfeldt an Gedenkstätten und anderen Orten der Geschichte des Nationalsozialismus.In: THIMM, BARBARA/KOSSLER, GOTT- FRIED/ULRICH, SUSANNE (Hrsg.): Verunsichernde Orte. Selbstverständnis und Weiterbildung in der Gedenkstätten- pädagogik. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2010. S. 19 – 24. Klappentext: „Mit einem Beitrag von Elke Heidenrerich. Der Band gibt einen Einblick MARKS, STEPHAN: „Jemanden offentlich beschämen ist wie Blutvergießen“ (Talmud). Zur Bedeutung von Scham und hinter die „Stolpersteine“, die zur Erinnerung an die in der Nazizeit deportierten Ju- Scham-Abwehr im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik. In: MARKS, STEPHAN (Hrsg.): Scham – Bescha- den, Kommunisten, Sinti und so weiter im gesamten Stadtbild mehr und mehr gesetzt mung – Anerkennung. Lit Verlag, Berlin 2007. S. 33 – 46. werden. Anhand ausgewählter Menschen werden die jeweiligen Biographien erzählt, MULLER, FABIAN/RUPPERT-KELLY, MARTINA: Gelände erkungen. Virtuelle Medien bei der Vermittlung an Gedenkor- ten. In: GRYGLEWSKI, ELKE/HAUG,VERENA, et. al. (Hrsg.): Gedenkstättenpädagogik. Kontext, Theorie und Praxis der so „das Erinnern lebendig gemacht“. Eine detaillierte Karte samt Legende gibt den Bildungsarbeit zu NS-Verbrechen. Metropol Verlag, Berlin 2015. S. 251 – 262. Lesern die Möglichkeit, die einzelnen „Stolpersteine“ zu erwandern. Elke Heidenreich NS-DOKUMENTATIONSZENTRUM DER STADT KOLN (Hrsg.): Stolpersteine. Gunter Demnig und sein Projekt. Her- erzählt in einer Geschichte ihre persönlichen Begegnungen mit den „Stolpersteinen“ man-Josef Emons Verlag, Koln 2007. und darüber, welche Reaktionen diese bei ihr und bei Kölner Bürgern auslösen.“ SERUP-BILFELDT, KIRSTEN: Stolpersteine. Vergessene Namen, verwehte Spuren, Wegweiser zu Kolner Schicksalen in der NS-Zeit. Kiepenheuer & Witsch, Koln 2003.

24 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 25 NS- GRÖSSTE LOKALE GEDENKSTÄTTE Das NS-Dokumentationszentrum der und Forschungsort in einem. Das viel- Stadt Köln ist die größte lokale Gedenk- fach ausgezeichnete NS-Dokumentati- DOKUMENTA­TIONS­ stätte für die Opfer des Nationalsozialis- onszentrum ist heute die größte lokale mus in der Bundesrepublik Deutschland. Gedenkstätte in der Bundesrepublik. Am 13. Dezember 1979 per Ratsbe- ZENTRUM schluss eingerichtet, entwickelte sich die Einrichtung zunächst mühsam, später in EL-DE-Haus großen Schritten zur heutigen Form. Die NS-Dokumentationszentrum bislang letzten Etappen waren die große Das EL-DE-Haus am Appellhofplatz 23- Appellhofplatz 23 – 25, 50667 Köln Erweiterung im Jahr 2012 und die Ein- 25 war von 1935 bis 1945 Sitz der Kölner  GPS: 50.940572, 6.950153 weihung des Denkmals im Innenhof am . Sein Name wurde zum Inbegriff  Station: 1.1. oder 2.5. 8. Dezember 2013. der NS-Schreckensherrschaft in Köln, aber auch für den Umgang und die spä- tere Auseinandersetzung mit der NS-Ge- Gründung schichte der Stadt nach 1945.

Das NS-Dokumentationszentrum ist eine Einrichtung der Stadt Köln. Seine Grün- Gedenkstätte dungsphase beginnt mit einem Rats- beschluss vom 13. Dezember 1979. Die Das ehemalige Hausgefängnis der Ge- Arbeit des NS-Dokumentationszentrums stapo mit den erhalten gebliebenen widmet sich in gleichem Maße dem Ge- Häftlingszellen und den Inschriften der 1.1 2.5 denken, Vermitteln und Erforschen der Gefangenen erinnert am unmittelbars- NS-Zeit in Köln: Es ist Gedenkort, Lernort ten und eindringlichsten an die mit dem

EL-DE-Haus

Es bietet sich immer auch an die Erinne- rungstour mit einem Besuch oder einer Führung im NS-Dokumentationszentrum zu verknüpfen.

Virtueller 360-Grad-Rundgang:

26 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 27 EL-DE-Haus verbundenen Schrecken der NS-Zeit. Das ehemalige Gestapogefäng- 2019 übernahm das NS-Dok zu- nis bildet als Gedenkstätte den Mittel- dem das 3. und 4. Obergeschoss punkt des NS-Dokumentationszentrums des Gebäudes und beherbergt da- und ist ein Kulturgut von nationalem mit nun das gesamte EL-DE-Haus und europäischem Rang. und wurde entsprechend um den Titel „Haus für Erinnern und De- mokratie“ erweitert. Dauerausstellung Zudem befinden sich in dem Haus auch die Info- und Bildungsstelle Die Dauerausstellung im EL-DE-Haus be- gegen Rechtsextremismus (ibs), handelt die Geschichte Kölns in der Zeit die Mobile Beratung gegen Rechts- des Nationalsozialismus. Sie macht die extremismus im Regierungsbezirk Grundzüge des NS-Systems in der kon- Köln, sowie die Fachstelle „[m²]: kreten lokalen Ausprägung sichtbar. Die miteinander mittendrin“. Dauerausstellung wurde 1997 eröffnet und 2009/10 in wesentlichen Teilen um- Alle Infos dazu findet ihr unter gestaltet und durch eine Reihe von Me- www.nsdok.de dienstationen ergänzt.

28 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt KÖLN IN DER NS ZEIT KÖLNER DOM Köln war 1933, so wie heute, die viert- größte Stadt Deutschlands und hatte insgesamt 757 200 Einwohner. Seit 1917 regierte der Oberbürgermeister Konrad Adenauer von der Zentrumspartei. Drei Kölner Dom Viertel der Einwohner*innen war katho- Domkloster 4, 50667 Köln lisch und es hatte sich ein starkes ka-  GPS: 50.941304, 6.958387 tholisches Milieu ausgeprägt. Nach der Die Kölner Hohenzollernbrücke nach Sprengung durch die Wehrmacht 1945  Station: 1.3. oder 2.3. Machtergreifung der Nazis im Januar 1933 kam es im März desselben Jahres Der weitverbreitete Glaube, in Köln hätte zur Reichstagswahl. Durch massive Pro- es nach 1933 mehr Widerstand als in an- paganda und starken Druck auf Politiker deren Städten gegeben, erwies sich als versuchten die Nationalsozialisten die Legende. Soweit es Widerstand im ka- Wahl klar für sich zu entscheiden. Das tholischen Milieu gab, hatte sich dieser Wahlergebnis in Köln lag mit 33,1 deut- durch das 1933 geschlossene Konkordat lich unter dem Gesamtergebnis der NSD- mit dem Vatikan erledigt. Ansonsten un- AP von 43,9. Adenauer wurde direkt nach terschieden sich die Begleitumstände der Wahl abgesetzt und es kam zu Verhaf- der Machtergreifung (Einschüchterung tungswellen gegenüber der Opposition. und Terror) nicht von denen in anderen Städten.

Köln war ein zentraler und bedeutender 1.3 2.3 Ort für Verfolgung und Deportation. Ho- mosexuelle hatten schon ab 1933 unter einer besonders starken Repressionen zu leiden. In Köln begannen die ersten Zwangsumsiedlungen von Sinti und Roma und das Lager in Bickendorf galt als „Vorbild“ für viele Städte. 1940 star- teten die ersten Deportationen von Sinti und Roma aus Westgebieten in Köln. Aus keiner anderen Weststadt gab es so viele Züge in die Vernichtungslager: Mehr als 11. 000 Personen wurde aus Köln depor- tiert.

30 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 31 Köln liebt das Feiern und es liebt den männliche Jungfrau verboten. Männer in Karneval! Auch im Nationalsozialismus Frauenkleidern passten nicht ins damali- POLITIK IM KÖLNER wurde begeistert Karneval gefeiert. Bis ge Weltbild. in die 90er Jahre wurde das Thema ver- drängt und eine Legendenbildung vom Nur wenige Karnevalisten gingen auf KARNEVAL Kampf gegen die Einflussnahme NS Re- Distanz zu den Nationalsozialisten. Karl gime erschaffen. Küpper parodierte in einer Büttenrede den Hitlergruß und bekam daher wegen In den ersten Jahren nach der Mach- „Verächtlichmachung des deutschen FRÜH am Dom tübernahme Hitlers sollte der Karne- Grußes“ Redeverbot. Am Hof 12 – 18, 50667 Köln valszug noch frei von politischer Propa-  GPS: 50.939880, 6.956971 ganda sein, um den Kölner Karneval als Nach dem Krieg wurde die Rolle des  Station: 1.2. oder 2.4. Tourismuswerbung in den westlichen Karnevals im Nationalsozialismus jahr- Nachbarländern zu nutzten. Doch schon zehntelang verdrängt und eine Legen- 1933 waren offen antisemitische Wagen denbildung zur sogenannten „Narren- im Zug zu sehen. So zeigten sie einen revolte“ setzte ein. Dabei wurde lange Wagen in dem Kostümierte mit Bart und überliefert, dass sich bei der Revolte Kaftan zu sehen waren, die unter dem Karnevalist*innen gegen „NS Bonzen“ Motto „die letzten ziehen ab“ in „Rich- aufgelehnt hätten. Erst Jahrzehnte spä- tung Jaffa“ zogen. ter wurde festgestellt, dass es bei der Narrenrevolte nicht um Inhalte, sondern Zwei Jahr später feierten und schunkel- die Organisationsform ging. ten die Kölner*innen zu einem beliebten Karnevalslied mit dem Refrain:

1.2 „Hurra, wir werden die Juden los, 2.4 Aktuell: Der Karneval allgemein die ganze koschere Bande zieht steht, trotz seiner auch kulturell ins gelobte Land, wir lachen uns wertvollen Elemente und teils vor Freude kaputt, der Itzig und die politisch progressiven, sowie teil- Sara ziehen weg!“ weise emanzipatorischen Aus- richtung, immer wieder in der In den folgenden Jahren konnte auf Kar- Kritik, da es u.a. zu rassistischen nevalssitzungen die Judenfeindlichkeit Verkleidungen und Wagenpräsen- offen ausgelebt werden. tationen kommt und nicht selten eine Plattform für diskriminieren- Auch machte die Homophobie der Na- de Übergriffe geboten wird. zis nicht halt vor Karneval. So wurden männliche Tanzmariechen und eine

32 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 33 „Ma’alot“ ist im biblischen Hebräisch die Bezeichnung für die Stufe, Sprosse oder Terrasse. Im neueren Sprachgebrauch MA’ALOT-DENKMAL ist dies auch der Ausdruck für Steigung, Winkel, Grad.

Der israelische Künstler Dani Karavan hat die Platzgestaltung auf dem Areal MA‘ALOT östlich des Doms, zwischen Domchor, Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln Ludwig-Museum, Hauptbahnhof und  GPS: 50.941274, 6.961199 Rheingarten ebenfalls „Ma’alot“ genannt  Station: 1.4. oder 2.2. und beschreibt es als „Environment aus Granit, Gußeisen, Ziegelsteinen, Eisen und Schienen, Gras und Bäumen“.

Das 1986 eingeweihte Areal auf dem Heinrich-Böll-Platz ist geprägt durch eben diese verschiedenen baulichen Elemente, die das insgesamt 5.000 m² große Kunstwerk umfasst. Am markan- testen sticht dabei sicherlich der Turm an der nordöstlichen Ecke der Fläche he- raus. Über sechs große Stufen, abwech- selnd aus Granit und Gusseisen eine be- gehbare Treppenskulptur. Die Skulptur 1.4 2.2 ist zudem mit Schlitzen und Durchbrü- che versehen, die wahlweise den Blick auf Dom oder die Rheinbrücke/Deutz ermöglichen und die Stufen gewisser- maßen brechen. Auch die weitere Umge- bung aus „Granitteppich, Kreisstruktur, gepflanzten Akazien- und Ahornbäum und den Ziegeln sind geplante Elemente des Gesamtkonzepts von Karavan. Ein meist doch erst auf den zweiten Blick be- merkter Bestandteil der Gestaltung, sind die in den Boden eingelassenen Eisen- bahnschienen, welche auf den großen­

34 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 35 Spalt in der Treppenskulptur – je nach stellungen bei den Menschen aus- Die stufenähnliche Betrachtet man den Kölner Dom durch den Schlitz in Betrachtung – wahlweise zulaufen oder zulösen, auch Vorstellungen, die Skulptur könnte der Skulptur, so erscheint der Turm des Kölner Doms diesen verlassen. ich selbst nicht hatte, die ich nicht möglicherweise in Verbindung mit der Schiene manchen Menschen wie sehe, Bilder, die ich nicht kontrol- auch als Schornstein ein deutscher Wachturm aus einem Konzentrationsla- Dani Karavan hält sich bezüglich mögli- lieren kann und für die ich nicht wahrgenommen wer- ger. In dieser Lesart wäre die Deutung eine drastische cher Interpretationen und Intentionen, verantwortlich bin.“ den, auf welchen die Anklage gegen die christliche Kirche und ihr Schwei- die sein Enviroment durchaus hervor- Schiene hinzuläuft. gen während der Shoa. rufen kann und möglichere Weise auch soll, geschickt zurück und gibt lediglich Hintergrund: bekannt. sind die (תֹולֲעַמה יֵריִׁש) MÖGLICHE Shirei ha Ma’alot ­INTER­PRETATIONEN & „Ma’alot erinnert „Das Kunstwerk (…) hat nicht die als „Stufenlieder“ bekannten Psalmen somit an die schönste Aufgabe, eine bestimmte Geschich- 120 bis 134, die zum überwiegenden Teil ETWAIGE DEUTUNGEN und an die schlimms- te zu erzählen oder bestimmte den Königen David und Salomon zuge- te Zeit des Juden- Zusammenhänge zu bebildern. Es schrieben werden. Die Psalmen wurden tums. Von einer kann nur Widerhall hervorrufen in Jerusalem gesungen um, die Priester Die Zahl 6 findet sich in dem Gesamtkunstwerk in Position erinnert der und Assoziationen (…) evozieren. zu begleiten während sie die Stufen zum vielen Bereichen wieder – 6 Stufen; 6 Akazien; 6 Kreise Dom an den Tempel Aber in der Hervorrufung dieses Tempel hinaufstiegen. – und wird teilweise als Hinweis auf die Anzahl der in Jerusalem und Echos ist das Kunstwerk frei, es mehr als 6 Millionen ermordeten Juden und Jüdinnen somit an die schönste hat alle Rechte und jede Freiheit, verstanden. Zeit im Judentum, Assoziationen in jede beliebige von einer anderen Richtung anzustoßen und die ver- Position jedoch schiedensten Phantasien und Vor- Die Eisenbahnschiene verläuft parallel zu den Schie- erinnert der Dom an nen der Hohenzollernbrücke und deutet gen Osten Auschwitz, an die nach Deutz, von wo aus am 21. Oktober 1941 die De- schlimmste Zeit im Kulturraumverdichtung.de zum Künstler: portationszüge der noch verbliebenen 6377 Juden von Judentum.“ (Gerd Dani Karavan, geboren 1930 in Tel Aviv, studiert Kunst in seiner Geburtsstadt, Köln in die Vernichtungslager des Ostens rollten. Buurmann, tapferim- in Jerusalem, Florenz und . Seit Ende der 1950er Jahre entwirft er Büh- nirgendwo.com) nenbilder, malt und beginnt mit architekturbezogenen Arbeiten, Wandreliefs, Environments. 1976 bespielt er den Israelischen Pavillon der 38. Biennale Die Wahl der gepflanzten Bäume scheint nicht zufällig Venedig mit einem Environment für den Frieden, ist 1977 und 1987 auf der erfolgt zu sein, Ahorn- und Akazienbäume kommen Die Eisenbahnschie- documenta in Kassel vertreten. 1998 wird er mit dem Praemium Imperiale im Judentum eine besondere Bedeutung zu. So nen können Assozi- ausgezeichnet. Für Düsseldorf gestaltet er den Vorplatz des Landtages (1990), verwendete König Salomon für den Bau des Tempels ationen zur Logistik für Duisburg den Garten der Erinnerung (1999), 2012 wird in Berlin das von Ahornholz und in Jesaja (41, 19) steht geschrieben, der nationalsozialis- Karavan entworfene Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten dass Akazien die Straße der aus dem Exil Heimkehren- tischen Völkermorde Roma und Sinti eingeweiht. den säumen werden. wecken.

36 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 37 An der Hohenzollernbrücke erinnert seit Heinrich Himmler (Reichsführer SS), 1995 ein Mahnmal an die Verfolgung deutlich. Er ordnete an, „die widernatür- ROSA-WINKEL-MAHNMAL von Homosexuellen und an die schwu- liche Unzucht strategisch zu bekämpfen“. len und lesbischen Opfer des National- HOHENZOLLERNBRÜCKE sozialismus in Köln. Als Standort des Auf Reichsebene und in Köln lassen sich Mahnmals wurde eine von Touristen und drei Phasen der Homosexuellenverfol- Kölner*innen sehr stark besuchte Stel- gung feststellen. Die erste Phase war le neben der Hohenzollernbrücke am durch die Verschärfung der Gesetze, also Mahnmal für die schwulen und lesbischen Opfer Rhein gewählt. Ferner gibt es zu diesem der Schaffung von Rahmenbedingun- des Nationalsozialismus in Köln Standort auch einen historischen Bezug, gen, gekennzeichnet und dauerte bis 50667 Köln da sich seit der Jahrhundertwende in der 1936. Mit der Grundlage der neuen und  GPS: 50.94092,6.962619 Nähe an einem öffentlichen Pissoir ein verschärften Gesetze waren Homose- Treffpunkt Homosexueller befand. Der xuelle besonders starken Repressionen  Station: 1.5. oder 2.1. Ort bot anonyme Kontaktmöglichkeiten, durch Polizei und Justiz ausgesetzt. So ohne die Gefahr, in der Gesellschaft als gab es in der zweiten Phase die höchsten homosexuell erkannt zu werden. Auch in Verurteilungszahlen vor Gericht. In Köln den Nachkriegsjahren war die zerstörte wurden 1938 in nur drei Monaten über Brücke ein unauffälliger Treffpunkt. 300 vermeintlich Homosexuelle festge- nommen. Die Inschrift auf dem Mahnmal „Totge- schlagen – Totgeschwiegen“ soll zum ei- Der Erlass, des Reichssicherheitshaupt­ nem auf die Verfolgung, Deportation und amtes von 1940 kennzeichnet die dritte Ermordung Homosexueller während des Phase der Verfolgung. Der Erlass welcher Nationalsozialismus hinweisen. Zum bestimmte, dass alle Homosexuellen anderen soll es an die Situation in den 1.5 2.1 Nachkriegsjahren und die bis heute an- dauernde Diskriminierung von Schwu- len und Lesben hinweisen.

Historischer Hintergrund des Mahn- mals

Homosexualität passt nicht in das Welt- bild der Rassen- und Bevölkerungsideo- logie der Nationalsozialisten. Das Ziel, die Homosexuellen-Kultur aufzulösen wurde schon früh in Ausführungen von

38 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 39 die mehr als einen Partner verführt hat- lagern. Seine Verwendung und Inten- ten, in ein KZ überstellt werden sollten, tion ist dem „Judenstern“ äquivalent, wurde in Köln besonders strikt durch- KZ-Häftlingen mussten einen Stoffauf- geführt. Wiederholungstäter wurden näher in Form eines Rosa Winkel an ihrer zudem zur „freiwilligen“ Entmannung Häftlingskleidung auf der linken Brust gedrängt. Insgesamt verurteilte die NS tragen. Der Künstler Achim Zinkann Justiz von 1935 bis 1945 über 50.000 greift dieses Symbol in seinem Mahn- Menschen wegen homosexueller Hand- mal auf. Zudem hantiert Zinkann dabei lungen. Zwischen 10.000 und 15.000 mit Blöcken, Keilen, Schnitten, Reibung Homosexuelle­ wurden in Konzentrati- und Druck, wodurch die Einzelteile zu- onslager verschleppt und viele dort von sammengefügt „das Ganze“ ergeben ihnen ermordet. und erklärt, dass eine Vielzahl an Inter- pretationsmöglichkeiten gegeben wird. Ein wichtiger Bestandteil seiner persön- Rosa-Winkel lichen Intention war, dass der Gesamt- zusammenhalt durch die Entfernung ei- Der Rosa Winkel diente im deutschen nes einzelnen Keils so sehr gefährdet ist, Nationalsozialismus der Kennzeichnung dass das Gesamtkonstrukt einbrechen Homosexueller in den Konzentrations- würde.

„Zwei Blöcke, zwei Farben, zwei Schnitte, zu einem Ganzen zusammengefügt. Ein grauer, ein rosa Block. Teile einer Gesellschaft. Männer, Frauen. Lesben, Schwule, einander bedrückend, sich aneinander reibend, ineinander aufgeho- ben, sich bedingend.“ (Achim Zinkann)

Info: Zu aktueller gesellschaftlicher Homo- und Transpho- bie, u.a. im Fußballkontext bietet die Kölner Stadionakademie Workshops für Ju- gendgruppen und Schul- klassen an!

Kennzeichen für „Schutzhäftlinge“ in den Konzentrationslagern, u.a. auch der „Rosa Winkel“

40 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 41 Der Gedenkstein an den Messehallen er- draht umzäunt. Teilweise lebten über innert daran, dass hier ein zentraler Ort 500 Personen an diesem Ort. MESSEHALLEN der nationalistischen Gewaltherrschaft war. Zum einen war die Messehalle ein KZ Außenlager (1942 – 1945), zum ande- Erste Deportationen im Mai 1940 DEUTZ rem diente sie als zentrale Sammelstelle für Deportationen. Von hier aus fanden Die Nazianalsozialisten planten mit die ersten Deportationen von Rom*nja Beginn des 2. Weltkrieges die syste- und Sinti*ze (1940) und Juden und Jü- matische Deportation aller Juden und Sinti und Roma Mahnmal – Messegelände Deutz dinnen zwischen 1942 und 1945 statt. Jüdinnen und Rom*nja und Sinti*ze in Kennedy Ufer vor dem Messeturm das besetzte Polen. Im Mai 1940 wur- 50679 Köln-Deutz Rom*nja und Sinti*ze wurden als „art- den im gesamten Deutschen Reich 2.500  GPS: 50.9441035652442, 6.96944017602598 fremde und minderwertige Rasse“ sys- Rom*nja und Sinti*ze deportiert. In Köln  Station: 1.6. tematisch diskriminiert und verfolgt. Ab begannen die Verhaftungen und die In-

Mai 1935 wurde die Verfolgung durch die ternierung am 15.05.1940. 600 Rom*nja Optional: Startpunkt der Route 2 Errichtung des „Zigeunerlagers“ erheb- und Sinti*ze aus dem Stadtgebiet und lich verschärft. Das Lager entstand an Regierungsbezirk, sowie weitere 330 der Venloer Straße auf dem Sportgelän- Personen aus dem Rheinland wurden in de von Schwarz – Weiss Köln und wurde das Lager in Deutz gebracht. Fünf Tage mit einem zwei Meter hohen Stachel- später wurden sie vom Bahnhof Deutz in

2.6

Historische Luftaufnahme des Kölner Messegeländes von 1939

42 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 43 die Ghettos und Lager abtransportiert. Die Gesamtzahl der ermordeten Rom*n- stets ein großer Befürworter und Förde- Kölner*innen können also kaum be- Im Dezember 1942 ordnete Himmler an, ja und Sinti*ze während des 2. Welt- rer der Kölner Messe gewesen. Konrad haupten, „davon“ nichts mitbekommen alle noch verbliebenen Rom*nja und Sin- kriegs ist bis heute nicht bekannt. Es Adenauer konnte kurzzeitig fliehen und zu haben. In Deutz kam es zudem regel- ti*ze zu deportieren. wird vermutet, dass zwischen 220.000 wurde nach abermaliger Festnahme in mäßig zu Versteigerung jüdischen Eigen- und 500.000 Personen ermordet wurden. das „Arbeitshaus und Konzentrations- tums, die Kölner Bevölkerung deckte NS-Polizeihilfsgefängnis lager“ in der früheren Abtei Brauweiler sich dort reichlich mit Haushaltswaren Deportationen nach Auschwitz gesperrt, von wo er am 26. November und Kleidungsstücken jüdischer Fami­ Auf dem Messegelände befand sich zu- 1944 entlassen wurde. Nach Kriegsende lien ein. In Köln begannen die Deportationen dem auch ein Polizeihilfsgefängnis: Aus amtierte er wieder als Kölner Oberbür- nach Auschwitz am 2. März 1943 und Platzgründen wurden u.a. viele Leute, germeister und wurde 1949 schließlich wurden bis Mitte 1944 fortgesetzt. Im ge- die kurzfristig im EL-DE-Haus eingesperrt sogar der erste Bundeskanzler der Bun- Deutz Tief samten Reich wurden insgesamt 22.600 waren, in das Messelager Deutz verlegt. desrepublik Deutschland. Rom*nja und Sinti*ze in das Konzentra- Auch das dieser Ort war ein Ort systema- tionslager deportiert. Im Vernichtungs- tischer Unterdrückung und Folter. Aktuelle Gedenktafel: lager Auschwitz-Birkenau wurde ein 32 Gestapo-Arbeitserziehungslager An dieser Stelle war der Aufgang Baracken umfassendes „Zigeunerfami- Der bis zur Machtergreifung der Nazis zum Bahnhof Deutz-Tief. Von hier lienlager“ errichtet. Die Lebensbedin- amtierende Oberbürgermeister Konrad Gleichzeitig diente das Areal des Messe- aus wurden 1940/41 mehr als 1500 gungen waren so katastrophal, dass in- Adenauer, welcher unter Bedrohung von lagers auch als Arbeitserziehungslager, Sinti und Roma und seit 1941 über nerhalb kurzer Zeit tausende Menschen Leib und Leben sein Amt an die Natio- viele (Kriegs-)Gefangenen wurden zu 11.000 Juden in Konzentrationsla- starben. Insgesamt starben 19.300 von nalsozialisten abgab, war im Messelager Zwangsarbeit verpflichtet. Das durch ger deportiert. Zudem wurden die 22.600 inhaftierten Sinti und Roma im Deutz inhaftiert. Konrad Adenauer war Fliegerbomben zerstörte Köln konnte Häftlinge des Messelagers Deutz Lager. zu seiner Regierungszeit von 1917 – 1933 nur durch ihre Hilfe wieder aufgeräumt hier an- und abtransportiert. Über und aufgebaut werden. Auf den Stra- diese Treppe gingen viele Men- ßen Kölns waren stets Menschen in schen in den Tod. Wenige Tage nach Kriegsende besichtigt Sträflingskleidung unterwegs. der wieder ernannte Bürgermeister von Köln, Konrad Adenauer (1876 – 1967) die zerstörten Reste seiner ehemaligen Haft- stätte im „Messelager Deutz“. (Historische Aufnahme on 1945)

Die internationale Holocaust Gedenkstätte YAD VASHEM hat Informationen zu den Deportati- onszügen, die von (oder durch) Köln rollten, zu- sammengetragen. Hier finden sich neben Zeit- zeug*innenberichten auch statistische Daten zur Transportroute, Namenslisten und viele weitere interessante Informationen.

44 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 45 „M’r Edelweißpirate woren unanjenehm, däm Hitler un NS-Saldate Dat wolln m’r doch mal sin. Jenerälem, hohen Leut, jebührt des Ruhmes Jrad EDELWEISSPIRATEN Doch Widerstand un Vaterland, es doch nix für en Kraad, Se han se einfach opjehange und hück, hück weed jesaat, Echte deutsche Glorie steht niemols zu ’ner Kraad“  Station: 2.7.  Station: 1.7. Jean Jülich in Kohldampf, Knast und Kamelle (2003) Edelweißpiraten Denkmal Kölner Jugendpark Bahnhof Ehrenfeld Sachsenbergstraße, 51063 Köln Eine der bekanntesten oppositionellen Widerstand Schönsteinstraße 3 – 1, 50825 Köln  GPS: 50.953422, 6.979913 Jugendgruppen während der NS Herr-  GPS: 50.951519, 6.915074 schaft waren die Edelweißpiraten. Unter Alleine schon durch die Ablehnung der dem Begriff Edelweißpiraten wurden im Pflichtmitgliedschaft in der Hitler-Ju- Optional: deutschen Reich zwischen 1939 und 1945 gend wurde der Widerstand der Jugend- Stolperstein Bartholomäus Schink, Keplerstraße 33 informelle Gruppen mit unangepasstem gruppen deutlich. Der bekannteste Akt und teilweise oppositionellem Verhalten des Widerstandes war eine regimekriti- zusammengefasst. In Köln wurden von sche Flugblattaktion am Kölner Haupt- 1933 bis 1941 nicht angepasste Jugend- bahnhof. Zudem wurden auch geflohene gruppen von der Hitler-Jugend als „Na- Kriegsgefangene und Juden und Jüdin- vajos“ bezeichnet. nen versteckt oder versorgt. Weiterhin sind einige Angriffe auf HJ-Funktionäre 1.7 2.7 und Repräsentanten des Regimes be- Erkennungszeichen kannt.

Zu den traditionellen Aktivitäten von Ju- gendgruppen gehörten Wanderungen Verfolgung und Fahrten ins Umland großer Städte. Durch einen eigenen Kleidungsstil unter- Mit Beginn des 2. Weltkriegs nahmen Re- schieden sich die Edelweißpiraten von pressionen gegenüber den Edelweißpi- den Einheitsuniformierten der Hitler-Ju- raten zu und immer radikalere Verfol- gend. So war teilweise das Erkennungs- gungsmethoden wurden angewandt. zeichen ein Edelweiß an oder unter der Auf unangepasste und regimekritische Kleidung und auch sonst hatten sie ihren Gruppen wurde mit Razzien, Verleum- eigenen Stil (Skihemden, Wanderschu- dungen, Nötigung, Folter und Gefangen- he, Halstuch, kurze Lederhosen). Im Ge- schaft zu reagiert. gensatz zur HJ wurden auch weibliche Jugendliche aufgenommen. Im Dezember 1942 kam es im Raum Köln zu einer Verhaftungswelle durch die Ge-

46 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 47 stapo und drakonische Strafen wurden trationslager deportiert. An der Venloer Am 10. November 1944 wurden 13 der ausgesprochen. Einige Edelweißpiraten Straße wurden einige Edelweißpiraten Verhafteten in der Hüttenstraße von der wurden im Gestapo-Gefängnis (EL-DE- zusammen mit widerständigen Zwangs- Gestapo ohne ein vorheriges Gerichts- Haus) eingesperrt, aber auch in Konzen- arbeitern öffentlich hingerichtet. urteil öffentlich erhängt. Unter ihnen befanden sich 5 Jugendliche, unter an- derem auch der 16-jährige Bartholomä- Ehrenfelder Gruppe us Schink, nach ihm ist die Straße heute benannt. Die Ehrenfelder Gruppe war eine bis 1944 aktive Widerstandgruppe gegen den Na- Nach Ende des Krieges herrschte ein tionalsozialismus. Der durch Luftangrif- Konflikt um die Anerkennung der Ehren- In Anlehnung an die „Gruppen un- fe zerstörte Stadtteil Ehrenfeld war ein felder Gruppe als Widerstandskämpfer, angepasster Jugendlicher“ wäh- Rückzugsort der sich im Widerstand und der dazu führte, dass dieser Erinne- rend der NS-Herrschaft gründete u.a. deswegen in der Illegalität bewegen- rungsort einem ständigen Wandel un- Info: Der Stolperstein von Bartho- sich 2013 in der Kölner Südkurve den Menschen. Von dort aus agierte die terlag und bis heute Kontroversen aus- lomäus Schink befindet sich vor die Fangruppierung NAVAJOS. Die Gruppe, welche sich um den, aus dem löst. seinem ehemaligen Wohnhaus in Intention der Gruppe war es zu KZ-Außenlager Köln-Messe geflohenen der Keplerstraße 33, unweit des keiner Zeit, Parallelen zwischen Häftling Hans Steinbrück zusammen- Die Edelweißpiraten waren nicht nur in Bahnhofs Ehrenfeld. den Lebensumständen ihrer Mit- setzte und konzentrierte sich durch die Ehrenfeld aktiv, auch in vielen anderen glieder und den Umständen der Beschaffung von Waffen, Lebensmitteln Kölner Veedeln und der Schäl Sick grup- Jugendliche im Widerstand zu und Unterschlupf auf den Aufbau des Wi- pierten sich Edelweißpiraten im Wider- Den Edelweißpiraten wird zudem jähr- ziehen. Vielmehr manifestierten derstands. stand. lich durch das Edelweißpiratenfestival, sie mit dieser Namensadapti- welches aktuell in der Kölner Südstadt on ihren eigenen Anspruch, sich Obwohl es personell nur sehr wenige stattfindet, gedacht. konsequent jeglicher Form von Überschneidungen mit den Edelweißpi- Aktuelle Gedenktafel: Rassismus und Diskriminierung raten gab, verstanden sich, so berichten Das Programm des Festivals findet Ihr entschieden entgegenzustellen. „Hier wurden am 25.10.1944 elf es zumindest die Überlebenden der Eh- unter: Zusätzlich machen sie darauf auf- vom NS-Regime zur Zwangsarbeit renfeld Gruppe, ein Großteil dieser auch  www.edelweisspiratenfestival.de merksam, dass sich Ultras, deren nach Deutschland verschleppte als Edelweißpiraten. Werte sie zwar teilweise kritisch Bürger Polens und der UdSSR und sehen, sich aber gleichzeitig mit am 10.11.1944 dreizehn Deutsche Durch sich ergänzende Ereignisse von einem Großteil dieser Kultur iden- – unter ihnen jugendliche Edel- allgemeinen Personenkontrollen, Hin- tifizieren können, ebenfalls in den weißpiraten aus Ehrenfeld sowie weise aus der Bevölkerung und Verrat heutigen Zeiten als gesellschaft- andere Kämpfer gegen Krieg und kam es letztendlich im Herbst 1944 lich „unangepasst“ wahrgenom- Terror – ohne Gerichtsurteil öf- zu der Verhaftung von letztendlich 63 men werden, wenngleich dies aus fentlich durch Gestapo und SS Personen, von denen jedoch niemand anderen Gründen passiert. gehenkt.“ wegen einer Zugehörigkeit zu den Edel- weißpiraten verhaftet wurde.

48 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 49 Im Kölner Stadtgebiet existierten wäh- wenige Quellen. Neben Dokumenten aus rend des Zweiten Weltkrieges Hunderte der Zeit von 1939 bis 1945 beruhen unse- ZWANGSARBEITER von Lagern, in denen Kriegsgefange- re Erkenntnisse vor allem auf Listen, die ne, Zwangsarbeiter*innen und sowie nach 1945 angefertigt wurden, sowie auf ­GEDENKTAFEL MÜLHEIM KZ-Häftlinge aus nahezu 20 europäi- Zeitzeugenaussagen. schen Ländern leben mussten. Von 1989 bis 2014 kehrten über 500 Zwangsarbeiter Gedenktafel Mülheim In Wirtshäusern, Fabrikgebäuden, ehe- ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Stammheimer Ufer, Mülheim Köln maligen Forts, aber vor allem in Bara- Zwangsarbeiter im Rahmen eines bun-  GPS: 50.974866, 7.001085 cken hausten zehn, hundert, zum Teil desweit einmaligen städtischen Be­ (Ehemalige Schlackenbergwerft, 51063 Köln) tausende von Menschen unter strenger suchsprogramms nach Köln zurück.  Station: 1.8. Bewachung und primitiven, oft nur er - Diesen Menschen verdanken wir we- bärmlichen Umständen. sentliche Einblicke in die Praxis der optional: NS-Zwangsarbeit auch in Köln-Mülheim. Präses-Richter-Platz, GPS: 50.959791, 7.011008 In Mülheim sind 18 Orte bekannt, an de- nen ab September 1941 Zwangsarbei- Eine Tafel wurde im Jahr 2009 von terinnen und Zwangsarbeiter*innen in der Geschichtswerkstatt Mülheim in Gruppen von drei bis zu mehreren hun- Zusammenarbeit­ mit dem NS-Doku- dert Personen untergebracht waren. Ins- mentationszentrum der Stadt Köln und 1.8 gesamt mussten mindestens 1.500 von der Willy-Brandt-Gesamtschule Köln- ihnen in 10 Mülheimer Firmen, vorwie- Höhenhaus­ an der Schlackenbergwerft gend Industriebetrieben, arbeiten. Ein aufgestellt. Diese Tafel wurde 2014 um Lager für 650 Menschen befand sich in eine Karte der Zwangsarbeiterlager in der Nähe der Schlackenbergwerft, direkt Mülheim ergänzt. hinter der oben abgebildeten Tafel.

Trotz aller Bemühungen ist unser Wissen über den Alltag und die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter*innen be- grenzt. Auf Grund von Zerstö- rungen während des Krieges, Aktenvernichtungen seit Kriegs- ende und dem jahrzehntelang vorherrschenden Desinteresse von Firmen, Verwaltungen und Gerichten, dieses Kapitel nach 1945 aufzuarbeiten, gibt es nur Gedenktafel zu dem Zwangsarbeiterlager in Köln-Mülheim

50 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 51 Am 9. Juni 2004 detonierte eine Nagel- zu verschaffen. Die Bewohner*innen bombe in der Keupstraße in Köln-Mül- der Straße wiesen in den Vernehmun- heim. Insgesamt wurden 22 Personen gen immer wieder auf einen möglichen KEUPSTRASSE verletzt, vier davon schwer. Die Bombe fremdenfeindlichen Hintergrund hin, wurde vor einem Friseursalon deponiert der aber nicht weiterverfolgt wurde. Ein und zerstörte diesen komplett. Auch die Zusammenhang mit dem 2001 verübten umliegenden Geschäfte und parkenden Bombenanschlag auf ein Lebensmittel- Autos wurden durch die herumfliegen- geschäft in der Probsteigasse konnte Keupstraße, 51063 Köln den Nägel zum Teil schwer beschädigt. nicht hergestellt werden. 2008 stellte die  GPS: 50.965901, 7.008962 Kölner Staatsanwaltschaft die Ermitt-  Station: 1.9. Erst 2011 konnte das Bombenattentat lungen ein, da für weitere Ermittlungen der rechtsextremistischen Gruppe „Na- „jegliche Ansatzpunkte fehlen“. tionalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zugeordnet werden. Ein Zusammenhang Um das Verhalten der Behörden und mit dem 2001 verübten Bombenan- die Ermittlungspannen der NSU – Mord­ schlag in der Kölner Probsteigasse (siehe serie aufzuklären, wurden im Deutschen unten) konnte nicht hergestellt werden, Bundestag und in sieben Bundesländern die zuständigen Behörde unternahmen Untersuchungsausschüsse gebildet. Der keine Bemühungen, einen Zusammen- Abschlussbericht auf Bundesebene zeig- hang zwischen diesen (und auch ande- te zahlreiche Ungereimtheiten und Er- ren rechtsextremen) Taten herzustellen. mittlungsfehler auf. Direkt nach der Tat konzentrierten sich 1.9 die Ermittler*innen darauf, Verbindun- Viele Bewohner*innen mit türkischer Zu- gen in die organisierte Kriminalität zu wanderungsgeschichte fühlten sich von vermuten. Es gab Spekulationen um ei- den Behörden nicht ernst genommen nen Streit im Drogen- oder Rotlichtmilieu und litten lange unter den teils rassis­ oder auch um Schutzgelderpressungen. tischen Verdächtigungen und Ermittlun- Im weiteren Verlauf der Ermittlungen gen gegen sie. Strukturelle Rassismen in wurden alle Bewohner der Keupstraße den deutschen (Ermittlungs-)behörden genauer durchleuchtet, da hier für die sind ein ausschlaggebender Grund da- Ermittlungsbehörden der Grund für den für, dass der NSU-Komplex in Gänze bis- Anschlag zu finden sein sollte.. Dabei her nicht aufgeklärt werden konnte. wurden unter anderem alle 25 bis 35-jäh- rigen Männer per Rasterfahndung und Auswertung der Mobilfunkdaten über- Initiativen prüft. Zudem setzte die Polizei verdeckte Ermittler in der Keupstraße ein, um sich Im Zuge der Aufarbeitung des NSU-Kom- ein genaueres Bild der Situation vor Ort plexes haben sich eine Reihe zivilgesell-

52 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 53 schaftlicher Initiativen gegründet, die losen oder mindestens angemessenen gesellschaftlichen Anklage von Köln-Mülheim gestaltet werden soll. Die gemeinsam gegen das Vergessen aktiv und gerechten Aufklärung nachdrücklich Rassismus. Die Berichte der Betrof- Forderung der Realisierung des Mahn- sind und sich mit den Opfern und Be- aufmerksam gemacht werden konnte. fenen und Angehörigen stehen im mals am geplanten Platz wendet sich ge- troffenen solidarisieren, die Gerichtsver- Die Initiative bleibt weiterhin standhaft Mittelpunkt. Ihre Geschichte gilt es gen die erneute Verdrängung der Opfer handlungen kritisch begleitet haben und und bekundet: „Die Nazis, Teile der Po- zu hören und zu verstehen.“ rassistischer Gewalt. Auf dem Gelände auch die institutionellen Verstrickungen litik, Ermittlungsbehörden und Öffent- des ehemaligen Güterbahnhofs soll nun im NSU-Komplex thematisieren und sich lichkeit sowie die Geheimdienste haben Das Tribunal klagt unter anderem an, ein lukratives Gewerbequartier entste- schlussendlich entschieden und eindeu- ihr Ziel verfehlt, die Keupstraße und eine dass der NSU-Komplex mitsamt seiner hen. tig gegen alle Formen rassistischer Ge- offene Gesellschaft, für die diese Straße institutionellen Einbettung sowie den walt zur Wehr setzen. steht, zu zerstören.“ personellen Verstrickungen aufgelöst Gedenkkultur wird stets neu verhandelt werden muss, und fordert eine „Aufklä- und diskutiert, selbst vermeintlich un- rung, im Namen der Gerechtigkeit, im aufwändige Akte wie Straßenumben- Keupstraße ist überall Tribunal NSU-Komplex auflösen Namen der Opfer und ihrer Angehörigen. nungen und Erinnerungsplaketten an […] Beklagt werden die Opfer rassisti- öffentlichen Gebäuden können in zähen scher Gewalt und das entstandene Leid. Verhandlungen ersticken, umso wichti- Eingeklagt wird das Prinzip einer offe- ger sind der zivilgesellschaftliche Druck nen, durch Migration entstandenen Ge- und motivierte Eigeninitiativen. sellschaft der Vielen.“

Dazu hat das Tribunal unter anderem eine 92-seitige Anklageschrift verfasst, welche weniger als juristische Auseinan- dersetzung, sondern vielmehr als politi- Die Initiative „Keupstraße ist überall“ Das NSU-Tribunal beschreibt sich wie sche Intervention zu verstehen ist. hatte es sich zum Ziel gesetzt, „in Vor- folgt: bereitung auf die Verhandlungstage zur Keupstraße im NSU-Prozess in München „Bis heute sind wir weit von der ver- Zusammenschluss Für weitere Informationen lohnt offensiv zu werden“. Die Initiative bekun- sprochenen „lückenlosen Aufklä- „Herkesin Meydanı – Platz Für Alle“ sich auch ein Blick auf die un- dete während der Verhandlungstage in rung“ im NSU-Komplex entfernt. abhängige Beobachtungsstelle München ihre Solidarität mit den mehr Initiativen und Einzelpersonen, die Die Initiative „Herkesin Meydanı – Platz NSU-WATCH: als 20 Nebenkläger*innen und fordert mit den Betroffenen der NSU-Mord- Für Alle“ zeigt, wie schwierig es ist, Erin- bis heute, „zu erfahren, wer alles zum und Anschlagserie solidarisch ver- nerungsorte, welche zivilgesellschaftlich NSU gehört und was die Rolle der un- bunden sind, entwickelten die Idee gefordert und auch von Betroffenen er- terschiedlichen Akteure war“. So wurde eines Tribunals, das diese Leerstel- wünscht sind, stadtpolitisch umzuset- eine Vielzahl an Menschen aus Köln zu le besetzt. Der NSU-Komplex wird zen. Der Berliner Künstler Ulf Aminde den Verhandlungstagen nach München dabei gedacht als ein Kristallisati- hat mit Betroffenen zusammen einen mobilisiert, wo durch unterschiedlichste onspunkt strukturellen Rassismus. Entwurf vorgelegt, wie der Platz an der Aktionen auf das Anliegen einer lücken- Das Tribunal ist damit ein Ort der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße in

54 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 55 Schon im Jahr 2001 gab es den ersten nationalsozialistische Untergrund zu- NSU-Anschlag in Köln. In der Probstei- rückgreifen konnte. Die Helfer*innen, gasse wurde ein von einer aus dem der konkrete Tathergang und die staat- PROBSTEIGASSE Iran stammenden Familie betriebe- lichen Verstrickungen sind auch aktuell nes Lebensmittelgeschäft Ziel eines noch unaufgeklärt. Alleine diese Tatsa- Sprengstoffanschlags. Der Anschlag in chen rechtfertigen die Forderung: „Kein KÖLN der Probsteigasse verdeutlicht das Aus- Schlussstrich!“. maß des Netzwerks, auf welches der

Ecke Probsteigasse/Blumenstraße 50670 Köln  GPS: 50.945219, 6.946256

Plakette zur Mahnung

An der Ecke Probsteigasse/Blumenstraße haben Erinnerungsinitiativen eine Plakette zur Mahnung und Erinnerung angebracht. Einen offiziellen Ort des Gedenkens gibt es an dieser Stelle (noch) nicht, dennoch bietet eine Gruppe von Aktivist*innen dort einen „Täterspurengang“ an, der diesen und weitere Orte des Rechtsterrorismus in Köln abdeckt.

Die Räumlichkeiten des Kölner Fanprojekts befinden sich unweit dieser Stelle an der Ecke Probsteigasse/Gereonswall. (Gereonswall 112, 50670 Köln)

56 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 57 Zwischen der Venloerstraße, dem Bahn- Das Lager als zentraler Ort damm und der Matthias-Brüggen-Stra- der Unterdrückung ße errichtete die Stadt Köln 1934/1935 „ZIGEUNERLAGER“ auf dem Gelände des Sportvereins In dem Lager wurden die, von den Na- Schwarz-Weiß (heute SC Schwarz-Weiss tionalsozialisten so bezeichneten und SCHWARZ-WEISS-PLATZ BICKENDORF Köln 1912 e.V.) das so genannte „Zigeu- als fremdrassig und asozial diffamierten nerlager Köln-Bickendorf“, welches auch „Zigeuner“ nicht nur zwangseingewie- „Schwarz-Weiß-Platz“ genannt wurde. sen, sondern auch für pseudo-medizini- Ecke Venloer Straße/Matthias Brügge Straße Das Lager war das erste seiner Art, wel- sche „Rasseforschungen“ missbraucht 50827 Köln / Bickendorf ches nicht von zentralen NS-Stellen, und zur Zwangsarbeit herangezogen.  GPS: 50.962900, 6.889561 sondern von kommunalen Behörden Als erste Polizeibehörde des Deutschen geplant und errichtet wurde. Es diente Reiches hatte die Kölner Polizei das  Station: 2.8. damit als Vorlage für viele weitere in den „Kommissariat für Zigeuner“ eingerich- folgenden Jahren errichtete Lager. Spä- tet, welches häufig im Lager agierte. Die ter waren diese Lager Ausgangsorte für Lagerverwaltung der SS bestimmte über Deportationen in die Konzentrationsla- die Aufstellung der Wohnwagen und ger. überwachte die Bewohner*innen stetig. Wer, das Lager verlassen oder betreten Das Lager diente der systematischen wollte musste sich zunächst ab- bzw. an- 2.8 Unterbringung, Überwachung und Kont- melden, später wurde eine Ausgangsper- rolle, der in Köln lebenden Rom*nja und re verhängt. Sinti*ze dieser Bevölkerungsgruppe fern- ab des Stadtzentrums. Die „wilden“ Sied- In dem Lager kam es immer wieder zu lungen aus Behelfsbauten und Wohnwa- Festnahmen durch die Polizei, Wehr- gen waren den Nationalsozialisten aus macht oder SS, meist unter dem Vor- sozial- und ordnungspolitischen und vor wand der Verbrechensbekämpfung, allem ideologischen Gründen hinderlich. worunter die Nationalsozialisten auch Alle Abweichungen aus von der natio- „Faulenzerei“ oder mangelnden Arbeits- nalsozialistischen Norm sollten aus der willen fassten. „Volksgemeinschaft“ ausgesondert wer- den, so eben auch die kulturell und sozial anders geprägten Rom*nja und Sinti*ze. Ausgangsort für Deportationen Das „Zigeunerlager“ wurde von einem Stacheldraht umzäunt, ein auf dem Ge- Schon vor dem Ausbruch des Krieges lände mit seiner Familie wohnhafter wurden im Zuge von Verhaftungen und SS-Lagerkommandanten, bewachte die willkürlichen Maßnahmen immer wieder einzige abgesperrte Zufahrt. Juden und Jüdinnen in Konzentrations- lager oder Ghettos deportiert.

58 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 59 Historische Aufnahme (Dezember 1937): Eine Razzia im Internierungslager für Sinti und Roma Aktuelle Gedenktafel: in Köln-Bickendorf,­ dem so genannten „Schwarz- Weiß-Platz“. Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti

In unmittelbarer Nähe dieser Unterführung, neben dem ehe- maligen Sportplatz des Vereins Schwarz-Weiß Köln, wurde 1935 von der Stadt das bewachte ‚Zi- geunerlager‘ eingerichtet, in das die in Köln lebenden Sinti und Roma eingewiesen wurden. Hier wurden sie von der übrigen Be- Bericht des „Westdeutschen Beobachter“ vom 30. Oktober 1937. völkerung abgesondert, nach ras- sistischen Kriterien erfasst und zu Info zur Verwendung des Begriffs „Zigeunerlager“: Zwangsarbeit gepresst. Von hier Der Begriff „Zigeuner“ ist eine Fremdbezeichnung und aus wurden sie im Mai 1940 über wird von Angehörigen der Roma-Minderheiten abge- lehnt. Es handelt sich dabei um eine historisch gewach- den Bahnhof Deutz-Tief in Ghettos sene, verunglimpfende Bezeichnung, die negative oder und Vernichtungslager im besetz- romantisierende Stereotype zuschreibt und nichts über das Selbstverständnis der so Bezeichneten aussagt. Die ten Polen verschleppt. Wiedergabe des Begriffs „Zigeunerlager“ dient hier zur Im Mai 1940 wurde der Platz von einer Am 21. Mai 1940 wurden um die 1000 Sin- Dokumentation des nationalsozialistischen Sprach- Nur wenige kamen zurück. gebrauchs, welcher auf eine bewusste Abwertung von Abordnung von Polizei, Wehrmacht, ti und Roma in Viehwaggons gepfercht Rom*nja und Sinti*ze abzielt. SS und lokalen Mithelfern umstellt und und Richtung Osten in Arbeitslager, Ghet- komplett und ausnahmslos aufgelöst. tos und Konzentrationslager geschickt. Die Wohnwagen und Baracken wurden Für die meisten Deportierten bedeutete Wohnwagen und verbrannt. Unter dem Vorwand, die dort dies auf kurz oder lang den Tod. Bewohner auf dem lebenden Menschen vor Bombenangrif- Schwarz-Weiß-Platz. Foto der „Reichsstelle Ritter“ fe schützen zu wollen, wurden sie ins Nur einige wenige Überlebende kehrten (Dezember 1937) Sammellager Messehallen Köln-Deutz nach dem Krieg zurück und siedelten gebracht. Dort wurden sie „gesäubert“, sich in der Hoffnung, verlorene Verwand- mussten ihre Wertsachen abgeben und te und Bekannte wiederfinden zu kön- wurden anschließend in ihrem Zigeune- nen, wieder am Schwarz-Weiß-Platz an. rausweis und auf ihrem Körper mit ihrer 1958 wurde der Platz abermals aufgelöst Nummer auf der Deportationsliste ver- und wich einem Gewerbegebiet. sehen. In den folgenden Tagen wurden weitere Rom*nja und Sinti*ze aus dem Umland (Westfalen und Rheinland) in die Messehallen gedrängt.

60 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 61 „GEDENKORT DEPORTATIONSLAGER EHEMALIGES FORT V KÖLN-MÜNGERSDORF 1941 – 1945“ Das Fort V war Teil der ehemaligen preu- nicht aus, daher wurde in der Nähe ein ßischen Befestigungsanlagen im äuße- Barackenlager errichtet. Die jüdische ren Festungsring. Seit 1879 wurde das Gemeinde in Köln musste für die Kosten Fort als Militärgefängnis genutzt und war zur Errichtung des Lagers aufkommen. Fort V seit Beginn des Zweiten Weltkriegs zu- Dieses stand während der Nutzung als Walter-Binder-Weg, 50933 Köln erst Kriegsgefangenenlager. Sammellager für jüdische Menschen un-  GPS: 50.943688, 6.870686 ter der Aufsicht der Gestapo.  Station: 2.9. Sammellager Müngersdorf In dem Barackenlager lebten bis zu 3.500 Juden und Jüdinnen, die aus ihren Woh- Im Zuge der Planungen für die Ghettoi- nungen und Häusern vertrieben wurden. sierung der in Köln verbliebenen jüdi- Die Zustände in dem Lager waren kata- schen Bürger*innen und nach der Enteig- strophal und menschenunwürdig, viele nung von jüdischen Hausbesitzer*innen Vertriebene starben vor Ort an Erkran- wurde das Fort V während des zweiten kungen, Entkräftigung oder gar den, auf- Weltkriegs ab 1941 als Sammellager grund der Ausweglosigkeit gewählten, für Juden und Jüdinnen genutzt. Die Freitod. Unterbringung alleine im Fort V reichte

2.9

Kunstwerk von Simon Ungers am im Frühjahr 2020 neueingeweihten Gedenkort in Köln-Müngersdorf.

62 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 63 zentraler Bestandteil dieser Stätte des mentationszentrum in vier Jahren den Leidens. Das Kunstwerk stammt aus Gedenkort erarbeitet. Zahlreiche Lo- dem Nachlass des 2006 verstorbenen kalpolitiker*innen, die Gesellschaft für Künstlers Simon Ungers (1957-2006) christlich-jüdische Zusammenarbeit und und wurde dem Bürgerverein freundli- weitere Akteur*innen und Bürger*innen cherweise gespendet. Ein roter Weg aus machten es möglich, dass dort nun ein Ziegelsteinen verbindet es mit dem ehe- würdiger Gedenkort entstanden ist. Die maligen Barackenlager. Entsprechende Stadt Köln unterstützte die Initiative mit Informationen finden sich auf drei Stelen 150.000 Euro. an verschiedenen Stellen des Wegs. Die für den 15. März 2020 vorgesehene Zusammen haben der Bürgerverein Einweihungsfeier musste leider wegen Müngersdorf, die Schwester des Künst- der Coronapandemie ausfallen. Bis zum Sommer 1943 wurden alle Juden nen verlegt, unter anderem nach langen lers, Sophia Ungers, und das NS-Doku- und Jüdinnen aus dem Lager über den Evakuierungsmärschen in ein Arbeits- Deutzer Bahnhof in die Vernichtungsla- erziehungslager (AEL) in Hunswinkel im ger im Osten Europas deportiert. Für den Sauerland. Erst wenige Tage vor der Ein- Großteil bedeutete dies letztendlich den nahme Kölns am 5./6. März 1944 durch Tod. die amerikanische Armee wurde das Müngersdorfer Lager aufgelöst.

Gefangenen- und Nach dem Krieg wurden die Baracken Zwangsarbeiterlager und 1962 auch das Fort V abgerissen.

Die Baracken am Fort V wurden in den folgenden Jahren als Lager für politische Gedenkort Gefangene und für Zwangsarbeiter*in- nen genutzt. Zeitweise dienten sie auch Aktuell befinden sich auf dem Gelände als Ersatzarbeitslager für Arbeiter*innen ein Kleingartenverein und an der Stel- aus dem Deutzer Messelager, welches le des Forts der Sportplatz Walter-Bin- durch einen Brand im Herbst 1944 teil- der-Weg. Der Bürgerverein Müngersdorf weise vernichtet wurde. setzt sich aktiv gegen das Vergessen ein und leistet einen erheblichen Bei- Das Lager wurde teilweise auch bei trag zur aktiven Erinnerungsarbeit. Seit Bombenangriffen zerstört, wobei auch dem Frühjahr 2020 erinnert am Ort des Zwangsarbeiter*innen zu Tode kamen. ehemaligen Fort-Gebäudes ein 19 mal 4 Als sich Ende 1944 die Luftangriffe auf Meter großes stählernes Kunstwerk an Köln mehrten, wurden die Insass*in- die dort begangenen Verbrechen. Es ist Flügelseite des noch intakten Fort V des äußeren Festungsrings in Müngersdorf (historische Aufnahme vor dessen Zerstörung um 1920).

64 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 65 Das Anliegen des Bürgervereins Köln-Müngersdorf Deportationslager im Äußeren Grüngürtel Ein Gastbeitrag des Bürgervereins

Am Ort des ehemaligen Deportations- mehr deren Namen bekannt. Sie sollen lagers in Müngersdorf am Walter-Bin- wieder einen erkennbaren Platz in unse- der-Weg erinnerte bis vor Kurzem nur ein rer Mitte haben, ihren Ort, der Ihnen auf relativ unauffälliger Findling mit einer grausame Weise genommen wurde. Inschrift von 1981 an die Verbrechen der Nazi-Zeit. Dieser Findling war dem Bür- Es ist leider nur sehr, sehr wenig, was wir gerverein stets als unzulässige Verharm- angesichts der unvorstellbaren Leiden losung der hier begangenen Gräueltaten der Opfer heute noch tun können, aber erschienen. Das wollten wir ändern und dieses Wenige zumindest sollte gesche- uns für einen würdevolleren Gedenkort hen: Für die Opfer und deren Hinterblie- einsetzen. benen ein deutliches Zeichen unseres Mitgefühls, unseres Bedauerns und un- Der erste Schritt dazu war die Aufarbei- serer Scham über die Verbrechen setzen, Eine von zwei existierenden Fotoaufnahmen: Tristes Leben im Sammellager Fort V. tung der geschichtlichen Hintergründe die hier vor unserer Haustür geschehen und ihre Veröffentlichung in der Doku- sind. Und das, dem äußeren Anschein, Vielmehr sollen Offenheit, Toleranz und Geborgenheit und einen Rückzugsraum mentation „Opfer des Nationalsozialis- nahezu unbemerkt von der unmittelba- Solidarität ein friedvolles Miteinander schaffen. Das Kunstwerk überlässt es mus in Köln-Müngersdorf“. Konkretere ren Nachbarschaft. Wir hoffen und wün- ermöglichen. dem Betrachter, sich seine Gedanken zu Vorstellungen, wie es dann weitergehen schen sehr, dass es dafür, auch 75 Jahre machen. Wie er sich darauf einlässt, für sollte, hatten wir zunächst nicht. Dann später, noch nicht zu spät ist. Das abstrakte Kunstwerk von Simon Un- Fragen und Anregungen öffnet, ist seine erfuhren wir durch Zufall vom künst- gers stimmt nachdenklich, ist offen für Sache. lerischen Schaffen von Simon Ungers, Das Erinnern an die erschütternden Ge- Fragen und Denkanstöße, für vielfälti- der sich intensiv mit dem Holocaust be- schehnisse vor Ort ist das eine, ein Zwei- ge Assoziationen und Interpretationen. Der Bürgerverein ist dem großen Kreis schäftigt hat. Und wir erhielten zudem tes ist uns mindestens ebenso wichtig. Es erinnert auf den ersten Blick an die der Helfer und Förderer, auch der 1. FC von Sophia Ungers die Zusage, einen Wir möchten, aufgeschreckt durch den Schienen und die Eisenbahnwaggons, gehört dazu, von Herzen dankbar für ihre passenden künstlerischen Entwurf aus Blick in die Vergangenheit, zur geis- die zu den Konzentrationslagern führ- Unterstützung. Ohne die vielfältige enga- dem Nachlass Ihres Bruders für den Ge- tigen Orientierung in Gegenwart und ten, an die rostroten Wände des Forts gierte, ausdauernde Hilfe und Förderung denkort zu stiften. Zukunft beitragen, zum Nachdenken oder auch an die primitiven Lagerbara- von vielen Seiten hätte dieser Gedenkort anregen über die Voraussetzungen für cken. Man mag aber auch an die unter- nicht errichtet werden können. Allen Mit dem Gedenkort möchten wir dem mehr Mitmenschlichkeit. Vergleichbares schiedlichen Bedeutungen von Wänden nochmals ein herzliches Dankeschön! Vergessen entgegenwirken, das Wissen darf sich nie wiederholen. Ausgrenzung, denken. Wände können Menschen ein- um die Leiden Tausender unschuldiger Rassismus, Antisemitismus, Hass und sperren, Angst machen, ausgrenzen, in Opfer wachhalten und ihnen eine Stim- Hetze gegenüber Unschuldigen dürfen Drinnen und Draußen teilen. Wände kön- me verleihen. Meistens sind nicht einmal in unserem Umfeld keinen Platz haben. nen andererseits aber auch schützen, ■

66 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 67 „GEBURTSSTUNDE“ DES DRITTEN REICHES

VILLA DES ­BANKIERS Am 4.Januar 1933 trafen sich der ehema- war unterwegs zu einem lige Reichskanzler Franz von Papen und Wahlkampfauftritt in Detmold und kam Adolf Hitler in der Villa des Bankiers Kurt in Begleitung von Wilhelm Keppler, Ru- FREIHERR VON Freiherr von Schröder am Stadtwaldgür- dolf Heß und Heinrich Himmler. Das tel. mehrstündige Gespräch fand jedoch SCHRÖDER

Stadtwaldgürtel 39, 50935 Köln  GPS: 50.931897, 6.907564

68 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 69 ausschließlich unter Papen und Hitler ten Reiches“ zwar gewissermaßen die statt. Der Bankier von Schröder war zwar Vorgeschichte negiere, fasst aber gleich- nur Zuhörer dieser Unterhaltung, hatte zeitig auch zusammen: „Natürlich kann dieses Treffen zunächst aber initiiert um die Ursache von Verfolgung, Krieg und wirtschaftliche Interessen zu artikulie- Holocaust nicht allein in dem Gespräch ren. Kurt Freiherr von Schröder war Teil- am 4. Januar 1933 gesucht werden, aber haber des 1790 gegründeten Bankhau- es war Teil einer Entwicklung, die dort- ses J. H. Stein in Köln, welches wiederum hin führte.“ in den Aufsichtsräten der I.G.-Farben und der Vereinigten Stahlwerke vertreten Wenngleich der Krieg für von Schrö- war. Ebendiesem deutschen Monopol- der überraschend gekommen sein mag kapital war durchaus daran gelegen, sich und er den Krieg an sich, aufgrund von durch die faschistische Diktatur Hitlers export­orientierten Handelsinteressen eine wirtschaftliche Machtposition zu nicht befürwortet hat, so war er eben sichern. auch Mitläufer und Steigbügelhalter für die Etablierung der nationalsozialisti- Das Ergebnis des Gesprächs war eine schen Herrschaft und ihrer Gräueltaten. prinzipielle Einigung über eine Regie- Von Schröder konnte sich in der Nach- rung in der Rechtskoalition Hitler-Pa- kriegszeit jedoch geschickt aus der Ver- pen-Hugenberg, welche ein Stürzen der antwortung ziehen und wurde weder aktuellen Regierung Kurt von Schlei- von Alliierten noch in den Nachkriegs- chers implizierte. jahren von der teils nur mäßig ambiti- onierten deutschen Justiz zur Rechen- Das Treffen war schlussendlich ein wei- schaft gezogen. terer Grundstein für die Etablierung der nationalsozialistischen Faschismusdik- tatur, welche mit Mord und Terror ihre Macht sicherte. So merkt der Historiker Ulrich S. Soénius kritisch an, dass die Metapher der „Geburtsstunde des drit-

Literatur:

Soénius, Ulrich S.: Historisches Datum – Adolf Hitlers Kölner Treffen.In Kölner Stadtanzeiger, Köln 2008.

 www.ksta.de/historisches-datum-adolf-hitlers-koelner-treffen-13715480

70 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 71 Ähnlich wie in anderen deutsche Groß- Gemeinde stieg auch der Bedarf nach ei- städten war auch in Köln in den Jahren ner größeren Synagoge. Der Bankier Ab- vor 1933 eine große jüdische Gemeinde raham Oppenheim aus der bedeutenden JÜDISCHES LEBEN UND beheimatet, zwischenzeitlich wohnten Kölner Familie Oppenheim initiierte und fast 20.000 Juden und Jüdinnen in Köln, finanzierte den Bau einer neuen Syna- SYNAGOGEN IN KÖLN in der Weimarer Zeit war Köln die fünft- goge auf dem Klostergeländer. Für den größte jüdische Gemeinde in Köln. Dies Bau und die Architektur konnte Oppen- war auch im Kölner Stadtbild erkennbar, heimer den bekannten Kölner Dombau- Synagoge Roonstraße die Kölner Einkaufsstraßen waren ge- meisters Ernst Friedrich Zwirner gewin- Roonstraße 50, 50674 Köln säumt von jüdischen Geschäften, zudem nen, nach vier Jahren Bauzeit wurde die  GPS: 50.932278, 6.936615 gab es bis 1933 sieben Synagogen im Synagoge 1861 fertiggestellt und einge-  Station: 1.8. Kölner Stadtgebiet. weiht. Sie wurde im Zuge der November- pogrome 1938 geschändet und teilweise Optional: ehemalige Synagogen niedergebrannt. oder jüdische Friedhöfe im Kölner Stadtbezirk Synagoge in der Glockengasse Der katholische Priester Bernhard Fried- 1801 befand sich in der Glockengasse ein rich Gustav Meinertz konnte die Tora aus jüdisches Gebetshaus auf dem Gelände der Synagoge retten, sie steht heute in des Klarissenklosters Maria im Tempel. einem Schaukasten in der Synagoge an Durch die rasant wachsende jüdische der Roonstraße.

1.8

72 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 73 Heute existiert an dieser Stelle, der nach Synagoge an der Roonstraße Synagoge in der Roonstraße um 1900. dem jüdischen Komponisten Jacques benannte Offenbachplatz, zudem erin- Nachdem die jüdische Gemeinde so nert eine Bronzetafel an die ehemalige stark gewachsen war, dass die Synagoge Synagoge: in der Glockengasse nicht mehr ausrei- chend Platz bot, wurde 1895 der Grund- stein für einen Synagogenneubau an der An dieser Stelle stand die 1857 – 61 Roonstraße gelegt. Die liberale Synago- nach Entwürfen von Dombaumeister ge wurde 1899 eingeweiht und bot Platz E. Zwirner erbaute Synagoge für 1.400 Menschen. ein Geschenk von A. Oppenheim zerstört am 9. Nov 1938 Auch diese Synagoge wurde in der Reichspogromnacht­ 1938 geschändet und brannte anschließend komplett aus.

Schon im April 1945 gründete sich die jüdische Gemeinde in Köln neu und konnte nur wenige Monate nach Kriegs- Die Synagogen-Gemeinde Köln bezeich- ende wieder in Köln Fuß fassen. 1957 net das Gemeindehaus in der Roonstra- Alle Kölner Synagogen wurden wurde die Synagoge an der Roonstraße ße 50 als ihr aktuelles „Herzstück“. Die in der Reichspogromnacht im wiederaufgebaut und schon 1959 im Bei- Synagoge bietet nicht nur einen Ge- November 1938 zerstört. An den sein des Bundeskanzlers und früheren betsraum, sondern ist zudem soziales ehemaligen Orten finden sich zur Oberbürgermeisters von Köln, Konrad & kulturelles Zentrum der jüdischen Erinnerung und Mahnung Plaket- Adenauer, der selbst unter dem natio- Gemeinde in der Domstadt und beher- ten. Auch die jüdischen Friedhö- nalsozialistischen Regime gelitten hat- bergt unter anderem ein koscheres Re- fe in den verschiedenen Veedeln te, eingeweiht. Die Synagoge wurde bis staurant, ein Jugendzentrum und eine dienen als Orte der Erinnerung an heute immer wieder Ziel antisemitischer Krabbelgruppe. das jüdische Leben in Köln. Anfeindungen.

Ausblick: Im Archäologischen Quartier in Köln entsteht derzeit das Jüdische Museum „MiQua“ („Museum im Quartier“) welches zukünftig als zentraler Informa- tions- und Erinnerungsort für das jüdische Leben in Köln damals Gedenkstätte im inneren der Kölner Synagoge an der und heute dienen soll. Roonstraße. ■

74 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 75 DEUTSCHES SPORT & OLYMPIA MUSEUM Das Deutsche Sport & Olympia Museum auch die Herausforderungen sowie die (DSOM) im Rheinauhafen präsentiert „Risiken und Nebenwirkungen“ des auf über 2.000 qm die Welt des Sports Sports ins Visier. Aktuelle Informationen Deutsches Sport & Olympia Museum von der Antike bis zur Gegenwart. In der zum Programm des DSOM finden sich Im Zollhafen 1, 50678 Köln beeindruckenden Architektur des denk- unter: www.sportmuseum.de  GPS: 50.931334, 6.964589 malgeschützten Gebäudes zeigt die Dau- Öffnungszeiten: 10 Uhr – 18 Uhr, Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen erausstellung mit einzigartigen Origi- Zum Thema „NS-Erinnerungsorte“ sind Website: www.sportmuseum.de, Kontakt: [email protected] nal-Exponaten eine faszinierende Reise zwei Bereiche der Ausstellung besonders durch 2.500 Jahre Sport- und Olympia- hervorzuheben. Der Raum zu den Olym- geschichte. Die Besucher*innen können pischen Spielen 1936 in Berlin sowie der sich zurückerinnern an die „großen Mo- Boxring, in dem auch die Geschichte von mente“ des Sports und sie können auch Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann er- selbst sportlich aktiv werden, etwa beim zählt wird. Standweitsprung nach antikem Vorbild oder mit dem Fußball an der Torwand des „aktuellen sportstudios“ sowie auf Berlin 1936 – Spiele im Schatten dem Kunstrasenplatz auf dem Dach des des Nationalsozialismus Museums. 1936 nutzte erstmals ein Regime die In der Dauerausstellung steht der Sport Olympischen Spiele systematisch zu als Kulturphänomen im Blickpunkt. Also Propaganda-Zwecken nach innen und die Fragen nach seinen Wurzeln, seinem außen und stellte dafür den gesamten Wesen und den Verbindungen des Sports Staatsapparat zur Verfügung. Empfan- zu anderen Teilen des gesellschaftlichen den die meisten Zeitgenossen das Ge- Lebens, wie Politik, Wirtschaft oder Reli- schehen in Berlin als unerreichten Hö- gion. Wechselnde Sonderausstellungen, hepunkt der bisherigen Entwicklung des sportliche Aktionstage und Veranstal- Weltsports, können die Besucher*innen tungen sorgen für ein thematisch breit im DSOM auch hinter die Kulissen bli- gefächertes Programm. Sie widmen sich cken. So werden auch verborgene Ge- besonders den aktuellen sportlichen schichten, von Sportler*innen, die wäh- Entwicklungen und nehmen bewusst rend oder nach den Spielen zu Opfern

76 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 77 oder Mittäter*innen des NS-Regimes ge die Zeit der NS-Diktatur nachwirken wurden zugänglich, sei es als politisch kann: Erst 2003 wurde Trollmann vom Verfolgte, als Soldaten, Missbrauch- Bund Deutscher Berufsboxer wieder in te oder als Kriegsverbrecher*innen im die Riege der Deutschen Meister aufge- Zweiten Weltkrieg. nommen.

Diese Biografie ist ebenfalls die Grundla- Zigeuner-Boxer – Die Geschichte ge des Theaterstücks „Zigeuner-Boxer“, von Johann „Rukeli“ Trollmann das im Boxring des DSOM für Gruppen aufgeführt werden kann. Es ermöglicht Im Themenbereich zum Boxen ist der einen sehr emotional angelegten Zugang Meisterschaftsgürtel des sinto-deut- in die Zeit des Nationalsozialismus und schen Boxers Johann „Rukeli“ Troll- zeigt anhand einer historisch verbrief- mann ausgestellt. Trollmann gewann ten Lebensgeschichte, wie jedes Recht 1933 die Deutsche Meisterschaft, doch auf ein menschenwürdiges Dasein einer sein Titel wurde ihm wenige Tage später staatlichen Willkür und Gewalt zum Op- aberkannt, da sein tänzelnder und aus- fer fällt. weichender Boxstil „undeutsch“ sei. Die Geschichte des Sportlers, der 1944 im KZ ermordet wurde, verdeutlicht, wie lan- ■

78 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 79 Im 20. Jahrhundert herrschte in Europa den Jahren 1974 – 1975 war die Radrenn- eine enorme Begeisterung für den Rad- bahn somit sogar der alternative Aus- RADSTADION rennsport, vor allem Köln gilt als eine tragungsort für die Spiele des 1. FC Köln Hochburg des Radsports, so wurden und dem SC Fortuna Köln. hier zwischen 1895 und 1954 auch gleich ­ALBERT-RICHTER-BAHN dreimal die Radweltmeisterschaften ausgetragen, welche von bis zu 20.000 Albert Richter Zuschauer*innen verfolgt wurde. Zu der glorreichen Zeit des Radrenn­ Müngersdorfer Radrennbahn Zeitweise wurden im Innenraum der sports gehörten auch die beiden ge- 50933 Köln Radrennbahn in Müngersdorf in den bürtigen Kölner Lokalmatadoren Albert  GPS: 50.936697, 6.872822 1920er-Jahren auch die Fußballspiele Richter (1912 – 1940) und Anton „Toni“  Station: 2.10. der Kölner Fußballvereine Spielverei- Merkens (1912 – 1944), zu den bedeu- nigung Sülz 07 und Preußen Dellbrück tendsten Radrennfahrern in Köln Europa ausgetragen. In den folgenden Jahr- und der Welt. zehnten wurde die Bahn und der Kom- plex des Gesamtareals Sportpark Mün- Richter wuchs in Ehrenfeld auf und gersdorf häufiger umgebaut. Auch das strampelte unweit der Rheinlandhalle, Müngersdorfer Stadion bzw. die Haupt- wo die legendären Sechstagerennen kampfbahn wurde im Zuge von Neuaus- stattfanden, schon in seinen frühen Ju- richtungen und dem Wunsch nach einer gendjahren durch die Straßen und Gas- modernen Sportarena (um-)gebaut. In sen. Auf dem Gelände der 1882 gegrün-

2.10

Das Radstadion im Sportpark Müngersdorf.

80 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 81 ständen arrangieren um den Radsport weiter ausüben zu können. Seine Stand- haftigkeit untermauerte er mit der Tatsa- che, dass er trotz des Kriegsausbruchs, welcher ihn sehr bestürzte, an seinem Betreuer Ernst Berliner, einem Kölner Juden festhielt. Obwohl die Nazis Rich- ter bedrohten, bezeichnete er sie öffent- lich weiter als »Verbrecherbande«. 1934 ging ein Foto um die Welt: Albert Rich- ter verweigerte bei einer Siegerehrung in Hannover den Hitlergruß. Bei seinen Der Stolperstein von Albert Rich- Rennen im Ausland weigerte er sich au- ter befindet sich vor seinem ehe- ßerdem ein Trikot mit dem Hakenkreuz maligen Wohnhaus, Sömmerings- zu tragen. traße 72 in Ehrenfeld Aufgrund des Kriegsausbruchs und der weiteren Verschärfung der Situation in deten Helioswerke wurde, nachdem Deutschland beschloss Richter Ende die dort ansässige Elektrotechnik Firma 1939 in die Schweiz auszureisen. Richter 1927 schließen musste, die Radrenn- stand zu diesem Zeitpunkt schon unter bahn Rheinlandhalle gebaut, welche Beobachtung und versuchte dennoch damals einer der Hotspots des Rad- 12.700 Reichsmark, welche ihm der jüdi- rennsports war. Richter trat dem Rad- sche Textilhändler Alfred Schweizer an- sportclub Arminius bei und startete sei- vertraut hatte in den Reifen seines Rades ne Karriere als Bahnsprinter, 1931 galt er versteckt über die Grenze zu schmug- als große Nachwuchshoffnung des deut- geln. Bei diesem Unterfangen geriet schen Radrennsports. In Rom wurde er Richter in Weil am Rhein in eine Polizei- zum Sprintweltmeister der Amateure im kontrolle, vermutlich war er zuvor an die Bahnrennen gekürt, zwischen 1933 und Gestapo verraten worden. Richter wurde 1939 holte er jedes Jahr den Titel als wegen des Schmuggels in das Lörracher Deutscher Radmeister. Zudem wurde er Gefängnis gebracht. später zweimal Vize-Meister und holte auch noch den Grand Prix in Paris. Hier starb er in der Nacht vom 2. Auf den 3.01.1940, die Indizien und Zeugenaus- Albert Richter stand dem Nationalsozi- sagen sprechen dafür, dass er zunächst alismus ablehnend gegenüber, musste gefoltert und anschließend ermordet sich teilweise aber mit den Lebensum- wurde. Die offiziellen Berichte behaup- Albert Richter mit seinem jüdischen Betreuer Ernst Berliner.

82 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 83 ten, er habe sich in seiner Gefängniszelle Bahnsprint-Weltmeisters in Albert-Rich- selbst das Leben genommen. Die Familie ter-Bahn umbenannt, dort befindet sich FILMEMPFEHLUNG: Richters durfte den nach Köln überführ- auch eine Gedenktafel mit der Inschrift: ten Sarg nicht mehr öffnen. „Zum Gedenken an Albert Richter – Opfer nationalsozialistischer Unmenschlich- TIGERSPRUNG Ernst Berliner überlebte die NS-Verfol- keit“. 2008 wurde Albert Richter in die gung und stellte 1966 Strafanzeige we- „Hall of Fame des deutschen Sports“ gen Mordverdachts. Dafür besuchte Ber- aufgenommen. Seit 2008 gedenken ihm DER FILM liner sogar seine frühere Heimatstadt, zudem Radsportler*innen mit der „Tour der Tod Richters hat ihn stets beschäftigt de Respect“. und tief getroffen. Im Klima der Verdrän- ein Film von Boaz Kaizman, Peter Rosenthal, Marcus Seibert gung kam das Ermittlungsverfahren zu Die Organisator*innen der Erinnerungs- Ernst Berliner war jüdischer Bahnradmanager aus Köln-Ehrenfeld. Nachdem er den keinen neuen Erkenntnissen, wurde wie- tour zu Ehren Albert Richters setzten sich 2. Weltkrieg versteckt in Zaandam in den Niederlanden überlebte und nach Florida der eingestellt und Albert Richter wurde dafür ein, dass auch Straßen nach ihm auswanderte, kehrte er 1966 nach Köln zurück, um die Mörder seines Freundes, des weder als NS-Opfer anerkannt noch re- und Ernst Berliner umbenannt werden. Fliegerweltmeisters Albert Richter zu finden. Die Kölner Staatsanwaltschaft war nicht habilitiert. Zudem fordern sie eine Umbenennung daran interessiert, den Fall aufzuklären. des Radstadions Köln nach Ernst Ber- Das Grab von Albert Richter befindet liner, so wären Albert Richter und sein Albert Richter, Fliegerweltmeister von 1932 und mehrfacher Deutscher Meister, war sich auf dem Kölner Melaten-Friedhof, jüdischer Trainer wieder in der kölner Anfang 1940, beim Versuch Deutschland in Richtung Schweiz zu verlassen, verraten er wurde dort im Januar 1940 unter gro- Erinnerung vereint. und im Gestapo Gefängnis Lörrach ermordet worden. Er hatte sich zuvor stets ge- ßer Anteilnahme der Bevölkerung bei- weigert, den Kontakt zu seinem jüdischen Manager abzubrechen, den Hitlergruß zu gesetzt, was der Völkische Beobachter­ In der unmittelbaren Nachbarschaft zur entrichten oder während seiner Rennen Hakenkreuz-Trikots zu tragen. Die Kölner damals mit den Worten „Heute rot – heutigen Anlage steht die Olympia-Ei- Staatsanwaltschaft will 1966 kein Verfahren zur Aufklärung des Geschehens eröff- morgen tot“ kommentierte. 1996 wurde che, welche Toni Merkens zu seinem ers- nen. Wichtige Zeugenaussagen werden nicht berücksichtigt, eine Autopsie wird nicht die Radbahn in Müngersdorf zu Ehren ten Olympiasieg geschenkt bekommen durchgeführt. des mehrfachen Deutschen Meisters und und dort selbst gepflanzt hatte. Erst nach intensiven Eingaben einzelner Radsportspezialisten und langer Diskussion wurde das Kölner Velodrom Mitte der Neunzigerjahre in Albert-Richter-Bahn getauft. „Ich bin ein Deutscher, aber für Deutsch- Der Streit um die Benennung zeigt, dass der Nazi Ausspruch: „der Name Albert Rich- Mehr Infos zur Tour de Respect: land kann ich nicht kämpfen, wenn es sich ter möge auf ewig aus unseren Reihen gelöscht sein!“ noch weit in die Bundesrepub- gegen Frankreich wendet. Ich gehe nach lik Deutschland hineingewirkt hat. Frankreich, nicht um der Wehrpflicht mich zu entziehen, sondern um nicht auf Men- schen schießen zu müssen, die ich liebe, die mich lieben und denen ich so viel zu verdanken habe.“

(Albert Richter gegenüber dem Journa- listen Fredy Budzinski)

84 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 85 EIN GASTBEITRAG VON JÖRG STENZEL SPORTPARK BIBERIS – BILDUNG & BERATUNG IM SPORT ­MÜNGERSDORF

Sportpark/-anlage Müngersdorf Aachener Straße 999, 50933 Köln-Müngersdorf  GPS: 50.934776, 6.875310 Aachener Straße 999, Köln-Müngersdorf. Der gesamte Komplex mit den im Geiste  Station: 2.11. Hier liegt er, der Sportpark, mit seinem der Zeit genannten Kampfbahnen erhielt Fußballstadion, den imposanten Sport- damals eine geradlinige, hierarchische stätten und weitläufigen Freiflächen. Ausrichtung. Vom Eingangsbereich im Schon 1923 bei der Einweihung 80 ha Norden an der Aachener Straße richten groß, ist er heute auf riesige fast 120 Hek- sich alle Sportstätten nach dem Stadi- tar angewachsen! on aus, das im Zentrum des Parks liegt. Steht man in der Mitte der Vorwiesen auf dem Oskar-Rehfeldt-Weg, blickt man Orientierung direkt auf diese Hauptkampfbahn, auf das Müngersdorfer Stadion (heute nach Überquert man vom Walter-Binder-Weg einem Umbau auch als RheinEnergieSta- kommend die Aachener Straße, so be- dion bekannt). An den seitlichen Flanken tritt man hinter den Gleisen der Stadt- dieses Zentrums liegen die Ost- und die bahn ein weitläufiges Gelände mit viel Westkampfbahn. 2.11 grüner Wiese, imposanten Stadionanla- gen und verschiedensten Sportstätten. Das Eingangsportal zum Stadion („Mara- Hier befinden wir uns im Sportpark Mün- thontor“) bilden die nach dem Architek- gersdorf. Als zu Beginn des vorigen Jahr- ten Peter Abel benannten Abelbauten. hunderts ein Strukturwandel im Kölner Diese beiden Gebäudeflügel mit den Ko- Westen (z. B. die Stadtwalderweiterung) lonnaden stehen unter Denkmalschutz. einsetzte, wurde dieser Sportpark nach In den Bauten waren lange Zeit die Um- Entwürfen des damaligen Gartenbaudi- kleideräume vom 1. FC Köln bzw. der rektors Fritz Encke angelegt und schließ- Fußballteams untergebracht, heute sind lich am 16. September 1923 von Kölns dort das Sportamt, die Kölner Sportstät- Oberbürgermeister Konrad Adenauer ten GmbH, der Boxclub SC Colonia 06 feierlich eingeweiht. und an DFB-Spieltagen eine Kinderbe-

86 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 87 Erdwall entstand, weil dort der Aushub Diem gestaltete als Generalsekretär des des nebenan gelegenen Adenauerwei- Deutschen Reichsausschusses für Leibe- hers deponiert wurde. Den höchsten sübungen (DRA) und der Organisations- Punkt des Hügels markiert bis heute ein komitees der Olympischen Spiele 1916 Denkmal, das 1928 zu Ehren des 150. und 1936 wie kein anderer das sportli- Geburtstags von „Turnvater“ Friedrich che Geschehen im Deutschen Reich. Er Ludwig Jahn eingeweiht wurde. Dessen war der bedeutendste Theoretiker des Wahlspruch findet sich in Form von vier Sports der 1920er Jahre und hatte mit stilisierten F-Buchstaben an der Spitze seiner Kritik am Gesundheitszustand des Denkmals wieder: „Frisch, fromm, des Deutschen Volkes maßgeblichen An- fröhlich, frei“! teil z.B. an der Idee zu einem geplanten Reichsspielplatzgesetz. Dadurch wurde der Aus- und Neubau von Sportstätten Der Sportpark in der Zeit bis 1945 politisch stark gefördert. Die Benennung des „Carl-Diem-Wegs“ zwischen Stadion Welche Bedeutung der Sportpark Mün- und Sporthochschule sorgte hingegen gersdorf für den Kölner Sport in der wegen Diems zweifelhafter Rolle in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit NS-Zeit immer wieder für Diskussionen, hatte, wird in dem 2015 erschienenen bis der Weg 2007 endlich umbenannt Schriftwerk „Siegen für den Führer“ von wurde (Name heute: „Am Sportpark Historische Luftaufnahme des Sportpark Müngersdorf. MOLZBERGER/WASSONG/LANGEN gut Müngersdorf“). treuung zu finden. In Nachbarschaft zu der Sportfunktionär Carl Diem. Seit 1960 herausgearbeitet. den Abelbauten befinden sich noch das steht der Neubau, heute ist sie die einzi- Der starke Wunsch, Köln als „Sportstadt Sportinternat Köln und zwei Fußball- ge deutsche Sportuniversität. Links der Der Park muss als Ausdruck der Ent- des Westens“ zu etablieren, nahm mit schulen. Hauptkampfbahn sind darüber hinaus wicklung des Sports zum kulturellen dem Sportpark Fahrt auf. Schon früh noch ein großes Schwimm- und Stadi- Massenphänomen gewertet werden. profilierte sich die Stadt als Schauplatz Auf der rechten Seite zum Fußballstadi- onbad sowie die Sportanlagen der bei- Durch den Aufbau des multifunktionalen überregionaler (Sport-)Events. Der erste on liegt das Radstadion Köln, auch „Al- den Kölner Vereine KTHC Rot-Weiss (Ten- Sportgeländes wurden zwei Zielsetzun- große Aufschlag waren die II. Deutschen bert-Richter-Bahn“ genannt (siehe wei- nis und Hockey) und ASV (Leichtathletik) gen verfolgt: Zum einen sollte über den Kampfspiele von 1926. Durchgeführt terer Artikel in der Broschüre). Hierbei zu finden. Sportpark die Sportstadt Köln national als nationaler Ersatz für die Olympi- handelt es sich um eine teilüberdachte und auch international bekannt werden. schen Spiele, von denen Deutschland 250 Meter Holzbahn mit Tribüne (für Die Jahnwiese hinter dem Stadion (im Zum anderen wollte man so die dem 1920 und 1924 als Verlierer des Krie- ca. 2.500 ZuschauerInnen). Direkt hin- Süden, sprich hinter der „Südkurve“, Sport zugeschriebene gesundheits-, ges ausgeschlossen war, wurden im ter dem Radstadion ist das Gelände der der Heimtribüne der FC-Fans) wurde moral- und sozialerzieherische Wirkung Müngersdorfer Sportpark 200.000 Zu- Deutschen Sporthochschule Köln. Im ursprünglich für Großveranstaltungen in die Massen tragen, um letztlich – wie schauerInnen gezählt. Noch größeren November 1947 nahm die Hochschule geplant. Ein aufgeschütteter Hügel ganz es damals auch Carl Diem formulierte – Zuspruch – weil weitaus bedeutender – damals noch in den Abelbauten – den an der Südseite bildet die Einfassung „das deutsche Volk zu stärken und wehr- – erfuhr zwei Jahre später (21. – 30. Juli Unterrichtsbetrieb auf, Rektor wurde und den Abschluss des Geländes. Dieser tüchtig zu machen“. 1928) das 14. Deutsche Turnfest unter

88 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 89 der Schirmherrschaft von Reichspräsi- listen (auch in Köln) nutzten aber nach nicht etwa mit rassistischen Ausfällen seiner Geschichte (MEYER 2002). Doch dent Karl von Hindenburg. Mit 300.000 der Machtübernahme die Olympischen kommentiert, sondern äußerst positiv ab Herbst 1936 hinterließ die zunehmen- TeilnehmerInnen und Gästen gilt es bis Spiele – der eigentlichen Ablehnung der – ganz im Sinne des Staates, dessen Ab- de Auswanderung von Juden dann ihre heute als das größte Fest seiner Art. Olympischen Bewegung zum Trotz – als sicht es war, die vordergründig „faire“ Spuren, auch die Zahl der Übungsstätten Außerdem wurde sich verstärkt darum Chance zur Selbstdarstellung. Auch eine Ausrichtung der olympischen Sporter- nahm kontinuierlich ab. bemüht, Fußballländerspiele in Köln wirkliche redaktionelle Meinungsvielfalt eignisse des Jahres 1936 als Beleg für die durchzuführen (siehe nächstes Kapitel). konnte in der (gleichgeschalteten) Pres- vermeintliche Friedfertigkeit und Weltof- Am 31. März 1933 hatte das Kölner Aber auch wichtige Radveranstaltun- se der NS-Zeit dabei nicht ausgemacht fenheit Deutschlands zu nutzen. Die Stadtamt für Leibesübungen bereits of- gen (6-­Tage-Rennen 1927), bedeutende werden. Vielmehr wurde als gemeinsa- wahre Gesinnung der Nationalsozialisten fiziell verkündet, dass es ab sofort den Leichtathletik-Events, prunkvolle Sport- me Charakteristika der Berichterstat- wurde dennoch immer deutlicher. Denn jüdischen Sportlern verboten sei, städ- feste mit Fackelläufen oder auch die tung die wiederkehrende Bewertung der mit der Machtergreifung wurde auch der tische Sportanlagen zu benutzen. In der Heroisierung eines Max Schmelings (trai- Olympischen Spiele als „nationale Auf- Sport ein staatsrelevantes Instrumenta- Praxis wurde jedoch zunächst anders nierte u.a. in Köln-Mülheim und beim gabe“ festgestellt. Genauso wurden die rium zur Durchsetzung der neuen Ideo- verfahren, denn noch bis 1938 nutzten SC Colonia) als „DEN deutschen Boxer“ Erfolge der Kölner Athleten (es gab u.a. logie. Das Leitbild der nordischen Rasse jüdische Vereine die Sportanlagen in wurden gepflegt, demonstrierten sie drei Olympiasieger) allgemein dieser mit der Verkörperung des Kraftvollen Müngersdorf. 1934 z.B. feierte der SC doch den „Gedanken der Volksgemein- Darstellung klar untergeordnet. und Schönen wurde von nun an zum ide- Hakoah sein großes Sportfest. Er lud die schaft“ (LANGEN 2009) gegenüber den alen Menschentyp, „Andersartige“ waren westdeutschen Makkabivereine in die britischen und französischen Besatzern Besondere Aufmerksamkeit erfuhr je- minderwertig und der Ausgrenzung und Westkampfbahn, abends gab es dort den des Rheinlands. doch der Auftritt von Jesse Owens beim Vernichtung ausgesetzt. „Fußball-Großkampf“ Süddeutschland – ASV-Sportfest in Köln am 10.08.1936, kurz Westdeutschland. Und die 1. Mannschaft Köln bewarb sich mit dem Müngersdor- nach Olympia. Der US-Sprinter mit af- Das traf vor allem das jüdische Leben; der Fußballer vom JTV wurde 1937 noch fer Stadion zudem sogar um die Aus- roamerikanischer Abstammung war der der Ausschluss von Juden und Jüdinnen Westdeutscher Verbandsmeister. Es soll- richtung der Olympischen Spiele 1936, Leichtathletikstar seiner Zeit und gerade aus deutschen Sportvereinen begann. te der letzte bedeutende Erfolg gewesen zog diese Bewerbung aus sportpoliti- vierfacher Goldmedaillen-Gewinner in Doch Köln galt nach Berlin und Frank- sein … schen Gründen dann aber zugunsten Berlin geworden. Gemäß den NS-Presse- furt als Zentrum des jüdischen Sports von Berlin zurück. Die Nationalsozia- vorgaben wurden solche Auftritte jedoch in Deutschland, wo viele regionale und Auch am allgemeinen Badebetrieb durf- nationale Sportwettkämpfe ausgetra- ten jüdische Bürger in jener Zeit nicht gen wurden. Die verhältnismäßig guten mehr teilhaben. Am Stadionschwimm- Trainingsbedingungen und die Größe bad in Müngersdorf stand ein Schild der Gemeinde gaben dafür wohl den mit den Worten: „Juden sind nicht er- Ausschlag. Es kam durch die Neuorien- wünscht.“ Nach der „Reichspogrom- tierung fast zwangsweise zu erheblichen nacht“ im November 1938 hatte der An- Mitgliederzuwächsen bei zwei jüdischen tisemitismus in Deutschland schließlich Vereinen, dem Jüdischen Turnverein 02 eine neue Stufe erreicht. Eine sportliche (JTV) und dem SC Hakoah Köln (dem Betätigung für jüdische Vereinsmitglie- Nachfolgeverein des 1933 aufgelösten der war von nun an gar nicht mehr mög- Bar Kochba). 1936 zählte der JTV 440 lich, selbst das Betreten ihrer eigenen Luftbild des Müngersdorfer Stadion zwischen 1975 und 2002. Mitglieder, die höchste Mitgliederzahl Sportstätten wurde ihnen verboten. Im

90 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 91 Juni 1939 löste die Reichsregierung alle deutsche Arbeiterauswahl auf eine so- Dreimal trug der DFB in den 1930er UEFA-Pokals und stand achtmal in einem jüdischen Sportorganisationen auf. wjetische Elf. Das Duell gegen das völlig Jahren das Endspiel um die Deutsche Europapokal-Halbfinale. Mit 111.111 unbekannte Team zog dennoch rund Fußballmeisterschaft im Müngersdorfer Mitgliedern ist er der größte Sportverein Nur ein Jahr nach der Schoah in Köln 50.000 ZuschauerInnen an, die allerdings Stadion aus, obwohl daran keine Kölner in Köln und der sechstgrößte in Deutsch- entstand ein neuer Sportclub unter dem eine 2:12-Niederlage der Westdeutschen Mannschaft beteiligt war. Zu dieser Zeit land (Stat. Bundesamt, Stand: Februar Namen „SC Maccabi“. Nachdem dieser hinnehmen mussten. wurde die Vergabe des Meistertitels im 2020). jedoch 1950 vermutlich mangels Betei- K.O.-System entschieden. Die jeweils ligung seinen Sport einstellte, gründete Das erste offizielle Spiel einer Fuß- besten Teams der Regionalverbände Zum ersten Präsidenten beim 1. FC Köln sich im Jahr 1967 mit dem TuS Makkabi ball-Nationalmannschaft in Köln fand qualifizierten sich für die vom DFB aus- wurde Franz Kremer gewählt. Kremer Köln wieder ein jüdischer Sportverein in am 20. November 1927 statt. Gegner getragene Endrunde, bei der Partien laut führte das Amt 19 Jahre lang bis zu sei- der Domstadt, der bis heute existiert. waren die Niederlande, es endete mit ei- Reglement auf neutralem Platz stattfin- nem Tod aus und gilt bis heute unum- nem 2:2-Unentschieden. Bedingt durch den mussten. Dass Endspiele nach Köln stritten als die wichtigste Persönlichkeit die große Beliebtheit der deutschen Elf vergeben wurden, liegt zum einen an der Vereinsgeschichte. Er war es auch, Fußball im Sportpark Müngersdorf in den 1920er Jahren (mit Spielern wie den herausragenden Sportstätten, zum der den vorgesehenen Namen – Erster vor 1948 dem Schalker Ernst Kuzorra oder Jo- anderen sicher aber auch an vorhande- Fußballclub Köln – durchsetzte, der den sef Pöttinger vom FC Bayern München) nen politischen Seilschaften zwischen Anspruch des neuen Vereins ausdrückte, Mit der Durchführung der II. Deutschen strömte mit geschätzten 60.000 Fans die Stadt-, Landes- und Reichsoberen. Je- aber weder durch das Alter noch durch Kampfspiele im Sportpark Müngersdorf bis zu diesem Zeitpunkt „höchste Be- denfalls wurden in Müngersdorf sowohl den seinerzeitigen sportlichen Stellen- war der aufstrebenden Sportstadt Köln suchsziffer in der Statistik des Deutschen Hertha BSC Berlin (1931, 3:2 gegen 1860 wert der Fusionsvereine gerechtfertigt im Juli 1926 also das Debüt als Gast- Fußball Bundes“ (BILLSTEIN 1932) in die München) als auch Fortuna Düsseldorf wurde. Doch der neue Großverein sorgte geberin geglückt. Das Sportprogramm Hauptkampfbahn. (1933, 3:0 gegen Schalke 04) und Schal- direkt für Aufsehen, spielte erfolgreich an jenen sieben Tagen war abwechs- ke 04 (1935, 6:4 gegen VfB Stuttgart) und stand bereits Anfang der 1950er lungsreich und spektakulär. Massen- Bis zum Ausbruch des Zweiten Welt- Deutscher Fußballmeister! Jahre mehrfach in der Endrunde zur turnübungen mit tausenden Turnern kriegs kam es noch zu drei weiteren of- Deutschen Meisterschaft. Schon bald sowie hochkarätige Wettkämpfe in der fiziellen Fußball-Länderspielen in Köln. entbrannte in der Stadt eine Diskussion Leichtathletik und in den Mannschafts- 1929 besiegte die deutsche Nationalelf Fußball im Sportpark Müngersdorf um einen Um- oder Neubau, Stichwort: sportarten ließen die Herzen nicht nur das Team aus Schweden mit 3:0. Die bei- von 1948 bis heute reines Fußballstadion. der Sportler höherschlagen. Zwei Mona- den nächsten Auftritte gab es in der NS- te später führte der deutsche Arbeiter- Zeit 1935 gegen Spanien (1:2) und 1938 Das Müngersdorfer Stadion wird heu- Zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in sport, der als „linksorientierte Gegenbe- gegen die Schweiz (1:1). Die Niederlage te überwiegend vom 1. FC Köln für die Deutschland sollte ein neues Stadion wegung zur Deutschen Turnerschaft CDT gegen die Spanier sah erneut eine Re- Heimspiele seiner Fußball-Profimann- her, Köln bewarb sich als Austragungs- und den bürgerlichen Sportverbänden“ kordkulisse von 73.000 ZuschauerInnen, schaft genutzt. Der 1. Fußball-Club Köln ort. Doch aufgrund politischer Streitig- galt (SPORT FÜR KÖLN, 2009), in der die nur durch die Errichtung von Sonder- 01/07 e.V. wurde am 13. Februar 1948 keiten um Entwürfe und Kosten wurden Hauptkampfbahn das 1. Westdeutsche tribünen bewältigt werden konnte. Im durch Zusammenschluss der beiden die nötigen Fristen verpasst – die WM Arbeiter-Turn- & Sportfest durch. Dort April 1941 besiegte die DFB-Elf in Köln Fußballvereine Kölner BC 01 und SpVgg fand außerhalb Kölns statt! Dennoch war für viele das so genannte „Russen- noch Ungarn mit 7:0, bevor es zu einer Sülz 07 gegründet. Er wurde seither drei- begannen 1973 die Abrissarbeiten an spiel“ der Höhepunkt der Festtage. Bei kriegsbedingten Unterbrechung auch mal Deutscher Meister, viermal DFB-Po- der Hauptkampfbahn und für die Über- dieser Fußballbegegnung traf eine west- von sportlichem Leben kam. kalsieger, erreichte 1986 das Finale des gangszeit mussten Fußballspiele in das

92 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 93 nebengelegene Radstadion verlegt wer- Schüssel“, wie das Stadion bei Fans ge- den. Das Provisorium für gut 27.000 Fans nannt wurde, war weit, ausladend und war zwar für Spieler wie für ZuschauerIn- unsexy. Dennoch verbinden nicht nur nen äußerst unkomfortabel, besaß aber KölnerInnen mit der Arena große Augen- eine einzigartige Atmosphäre. Das be- blicke. Hier holte der FC 1978 das Dou- rühmte „Füßetrampeln in der Radrenn- ble, er erschlich sich 1983 im kölschen bahn“ machte den Fans auf den hölzer- DFB-Pokalfinale gegen die an diesem nen Tribünen gehörigen Spaß und war Tag bessere Fortuna ein mickriges 1:0 beim Gegner gefürchtet. Die Rennbahn und 1989 fiel hier gar eines der wichtigs- entfaltete ein eigenes Klangbild und war ten Tore deutscher Fußballgeschichte. so eng, dass man Wolfgang Overath beim Denn hätte Thomas Häßler im entschei- Eckball durch den Zaun am Trikot zup- denden WM-Qualifikations-Spiel nicht jedes Jahr das DFB-Pokal-Endspiel der für schwule und lesbische AthletInnen. fen konnte. Für den Kölner Profifußball das 2:1 gegen Wales erzielt, der spätere Frauen ausgetragen. Der Sportpark Müngersdorf war und ist war diese Zeit sehr prekär, denn in der Weltmeister Deutschland wäre erst gar Gastgeber für Konzerte aller Art (Pink Saison 1973/74 spielte auch die Fortuna nicht mit zur WM nach Italien gefahren. Von 2004 – 2007 spielte im RheinEner- Floyd, Michael Jackson, Rolling Stones, in der Bundesliga (tragischerweise die gieStadion das Team der Cologne Cen- Pink, Robbie Williams, AC/DC, Helene einzige Saison in der 1. Liga) und musste Auch für die Fußball-WM 2006 plante turions American Football für die NFL Fischer, …), hier wurden Gottesdienste sich das Radstadion so mit dem großen die Stadt Köln ein neues Stadion, da das Europe. Auch die Deutsche Eishockey (z.B. beim Besuch von Papst Johannes Stadtrivalen teilen. alte nicht mehr den FIFA-Bestimmungen Liga (DEL) trug dort im Januar 2019 vor Paul II. 1987 oder im Rahmen des XX. entsprach. Dieses Mal wurde rechtzeitig 47.000 ZuschauerInnen beim sogenann- Weltjugendtags 2005) und sogar Begeg- Nach nur 22 Monaten Bauzeit wurde das begonnen, und nach einer Bauzeit von ten Winter Game erstmals ein Eisho- nungsfeste der Zeugen Jehovas durch- neue Müngersdorfer Stadion am 12. No- 30 Monaten und Baukosten von mehr ckeyspiel unter freiem Himmel aus. Im geführt, und man feiert und zelebriert vember 1975 mit einem Spiel 1. FC Köln als 111 Millionen EUR eröffnete das nun August 2010 fanden außerdem die Eröff- jährlich den Come-Together-Cup und die gegen Fortuna Köln (3:0) eröffnet. Es be- komplett reine Fußballstadion (ohne nungs- und Abschlusszeremonie der VIII. Saisoneröffnung vom 1. FC Köln… saß gleich zwei moderne Anzeigetafeln, Laufbahn) mit der Freigabe der letzten Gay Games statt, einem internationalen auf seinem Dach thronte die stärkste Tribüne am 31. Januar 2004. Nun haben Multisport- und Kulturtreffen von und Schön, dass Köln diesen Sportpark hat! Flutlichtanlage Europas und überhaupt 50.000 ZuschauerInnen Platz. war es das erste deutsche Stadion mit komplett überdachten Rängen – und Das neue Stadion wurde und wird seit- LITERATUR: dies ohne lästige, die Sicht einschrän- dem auch anderweitig genutzt. So spiel- kende Pfeiler. Zu seiner Zeit galt es als te Alemannia Aachen in der Fußballsai- BERNETT, H.: Sportpublizistik im totalitären Staat 1933 – 1945. In: Stadion 11. 1985 äußerst modern, aber es war eben kein son 2004/05 als damaliger Zweitligist BILLSTEIN, H.: Das Kölner Stadion. In: Die Sportstadt Köln und ihr Stadion. Köln, 1932 reines Fußballstadion, sondern eine seine Heimpartien im UEFA-Pokal in DIEM, C.: Die Anlage von Spiel- und Sportplätzen. Berlin, 1926 Mehrzweckarena der 70er Jahre, ein Köln. Am 05. August 2007 fand in Mün- LANGEN, G./DERES, T.: Müngersdorfer Stadion Köln. Köln, 1998 Kompromiss. Das war ein Zugeständ- gersdorf die zweite Auflage des Türki- MEYER, M.: 100 Jahre jüdischer Sport in Köln. Vom J.T.V. 02 zum TuS MAKKABI. Köln, 2002 nis an den ASV Köln und sein Sportfest, schen Supercups statt, den Fenerbahce MOLZBERGER, A./WASSONG, S./LANGEN, G.: Siegen für den Führer. Der Kölner Sport in der NS-Zeit. Köln, 2015 das aber dank schneller Tartanbahn so Istanbul mit 2:1 gegen Besiktas Istanbul STADT KÖLN SPORTAMT (Hrsg.): Sport für Köln – gestern, heute, morgen. Köln, 2009 manchen Weltrekord verbuchte… „Die gewann. Und seit 2010 wird hier auch STENZEL, S.: Fußballsport in Köln in der Zeit von 1933 – 1945. Diplomarbeit. Köln, 2009

94 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 95 JÜDISCHER SPORT IN KÖLN EIN BEITRAG VON YUVAL RUBOVITCH

Der jüdische Sport in Köln bis Ende 1938 Die Geschichte des jüdischen Sports in bildete eine bunte, heterogene Szene, Köln beginnt kurz nach der Jahrhun- die dem wichtigen Platz der jüdischen dertwende, mit der Gründung des JTV Gemeinde in Köln vor dem Holocaust Köln 1902. Dieser Verein, der später zu Leichtathletinnen von Bar Kochba Köln entspricht. Um die Positionierungen einem Turn- und Sportverein wurde, der verschiedenen jüdischen Vereine in war zunächst zionistisch gesinnt und Arbeiter-Sportfeste mit anderen west- Mitgliedslisten aus dem Vereinsheim am Köln zu verstehen, muss man erst mal Teil des späteren Makkabikreises. Nach deutschen Vereinen. Im Schwimmen Mauritiussteinweg entfernen und damit die verschiedenen Gruppen bzw. Bünde dem Ersten Weltkrieg entstanden Mei- und Boxen war der Verein auch relativ er- die Verhaftung vieler Mitglieder verhin- aufzählen, die innerhalb des jüdisches nungsverschiedenheiten innerhalb des folgreich. Turnhallen besaß der Verein in dern. Sports aktiv waren. Vereins, weshalb zionistische Mitglieder der Volksschule Burgunderstraße („zwei 1923 ihren eigenen „Zion-Sportverein Minuten vom Barbarossaplatz“), beim Der JTV wechselte vom aufgelösten Jüdische Sportvereine in Deutschland Bar-Kochba Köln“ gründeten, der so- Apostelgymnasium, an der Bottmühle VINTUS zum „Schild“ Verband. 1934 gab es im zionistischen deutschen Mak- zialistisch geprägt war und außer seiner und in der Antwerpener Straße. Fußball konnte der Verein einen eigenen Platz kabikreis und im Arbeiter-Turn- und Zugehörigkeit zu Makkabi auch beim spielte man in Müngersdorf und auf den in Köln-Mülheim pachten. 1937 wurde Sportbund (ATSB), weitere Vereine or- ATSB angegliedert war. JTV Köln dagegen Jahnwiesen. er jedoch gezwungen, ihn aufzugeben. ganisierten sich unter dem Dach des schloss sich 1925 dem neutralen VINTUS In der Schild-Liga im Rheinbezirk spiel- Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten an und spielte in der Rheinstaffel. Damit Seine doppelte Tätigkeit im zionisti- te der JTV immer oben, 1935 errang er (RjF). Letztere schlossen sich ab 1933 war der Verein nicht mehr zionistisch ori- schen Makkabikreis und im ATSB erklär- jedoch nur den 4. Platz. 1936 war ein dem neugegründeten Bund „Schild“ an, entiert. Zu diesen Jahren bat der Verein te der Verein 1931 damit, dass in beiden schlechter Start für „nur“ den 3. Platz der deutsch-national gesinnt war. Dazu seinen Mitgliedern Fußball-, Wandern, Verbänden „der Sport [.] nur ein Mittel verantwortlich. 1937 kamen die großen entstand Mitte der 1920er Jahre im heu- Leichtathletik, Boxen und Turnen (in der zum Zweck“ sei. Die Ideologie war bei Erfolge: alle vier Mannschaften vom JTV tigen Gebiet von NRW der Verband jü- Halle in der Lützowstraße) an. Bar Kochba Köln keine Nebensache. Köln holten die Meisterschaft. In der letz- disch-neutraler Turn- und Sportvereine Nach der Machtübernahme Hitlers wur- ten Saison, 1937/38, spielte der Verein Westdeutschlands (VINTUS), der die ers- Bar Kochba war zu dieser Zeit, außer im den fast alle Arbeitersportvereine ver- am Fort Deckstein in der neuen Mittel- te jüdische Fußball-Liga in Deutschland Fußball, vor allem in seiner Leichtath- boten und zwangsaufgelöst. Im Fall des rhein-Staffel mit dem westdeutschen gründete. Sowohl ATSB als auch VINTUS letikabteilung stark. Der Verein orga- Kölner Vereins kam das vorzeitige Ende Meister Schild Bochum. Bochum gewann wurden 1933 aufgelöst. nisierte mehrere innerjüdische- und am 30.03.1933. Das Vorstandsmitglied die Meisterschaft in dieser Saison, die Fritz Lewinson konnte rechtzeitig alle vorzeitig unterbrochen wurde.

96 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 97 Als neuer zionistischer Verein in Köln, Die Boxstaffel mit Ostrowski, Reif und nach der Auflösung von Bar Kochba, Rosenberg war ebenfalls erfolgreich im entstand 1933 Hakoah Köln. Hakoah, deutschen Makkabikreis. unter der Führung Fritz Lewinsons, war ebenfalls ein Mehrspartenverein. Ein Top-Leichtathlet war Franz Orgler, der sogar an dem Olympia-Vorbereitungs- kurs für 1936 teilnahm, als Jude aber nicht weitertrainieren durfte. Zwischen 1934 und 1937 gewann er jedes Jahr die Goldmedaille im 800m Lauf der deut- schen Makkabimeisterschaft, sowie zwei Mal Gold und zwei Mal Silber im 400m Schauturnen bei der Chanukka-Feier der Hakoah Köln, Lauf. Nach der Gründung von Hakoah Dezember 1934. Wuppertal zog er zurück in seine Heimat- stadt. Er floh rechtzeitig nach Schweden, Die Fußballabteilung spielte 1934 bis dort starb er 2015 im Alter von 101. 1937 mit zwei Mannschaften in der west- 1946 gründeten die zurückgekehrten Kölner Juden Karl Lichtenstein (hier mit seiner Tochter Ruth) und Moritz Goldschmidt den deutschen Makkabi-Liga, diese litten SC Makkabi Köln. Das Bild zeigt das erste Spiel des SC Makkabi Köln (rechts) gegen den neugegründeten Hakoah Berlin. jedoch an Abwanderungen und wurden kein Meisterschaftskandidat. Der Hei- Fritz Lewinson selbst flüchtete 1936 Ich bedanke mich beim Archiv des Mac- maustragungsort war anfangs in Hand nach Palästina. Der Vorsitzende ab 1935, cabi-Museums in Ramat-Gan, Israel, für (Bergisch-Gladbach) und später dann Albert Kramer, war ab 1939 Vorsitzender den Erhalt von Text- und Bildquellen zu der Sportplatz an der Ecke Militärring/ der jüdischen Gemeinde. 1942 wurde er jüdischem Sport in Köln. Gleuler Straße. Ab Oktober 1936 spielte ins Ghetto Lodz verschleppt und dort er- Hakoah in der Sportanlage Fort Deck- mordet. stein. Das letzte Turnier des Vereins fand am 23. Oktober 1938, unter der Beteili- gung von Makkabivereinen aus Essen, Düsseldorf, M.Gladbach und Köln, statt. Die Novemberpogrome kamen zweiein- LITERATUR: halb Wochen später und beendeten bru- Lorenz Peiffer, Henry Wahlig: Jüdische Fußballverein im nationalsozialistischen Deutschland. Eine Spurensuche, tal auch den jüdischen Sport in Deutsch- Göttingen, 2015. land. Arthur Henrich, Lorenz Peiffer (Hrsg.):Juden im Sport in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Ein historisches Handbuch für Nordrhein-Westfalen, Göttingen, 2019. Robin Streppelhoff: Jüdischer Sport in Köln 1933 – 1938, in: Ansgar Molzberger, Stephan Wassong, Gabi Langen (Hrsg.), Siegen für den Führer. Der Kölner Sport in der NS-Zeit, Köln, 2015.

Jüdische Zeitschriften aus den 1920er- und 1930er Jahren: „Makkabi“, Organ des deutschen Kreises im ­Makkabi-Weltverband, 1924 – 1938. Einladung zur Chanukkah-Feier der Hakoah Köln, Dezember 1934 Jüdische Rundschau

98 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 99 Adolf und Otto Levy Neustadt-Nord. In dem Anwesen lebte zudem die ebenfalls jüdische Familie Lei- DAS SCHICKSAL DER Der Ausschluss der jüdischen Mitglieder ser. An der Roonstraße, nur gut andert- war vor allem für den KBC von besonde- halb Kilometer von der Spichernstraße rer Bedeutung, denn der Klub war seit entfernt, wurde im Jahre 1899 die „Sy- BRÜDER LEVY frühester Zeit auch von seinen jüdischen nagoge Köln“ eingeweiht. Laut den Un- Mitgliedern geprägt gewesen und wur- terlagen des Bundesarchivs deportierte AUS ‚IM ZEICHEN DES GEISSBOCKS‘ VON TOM de vom Volksmund zuweilen sogar als man Adolf Levy am 30. Oktober 1941 ab „Jüddeklub“ (Kölsch: „Judenklub“) be- Köln nach Lodz im heutigen Polen, wo HARDT, FREDERIC LATZ UND DIRK UNSCHULD zeichnet. Der Ausschluss aus dem gelieb- er im dortigen Ghetto leben musste und ten Sportverein war in der Regel erst der nicht einmal ein Jahr später, am 08. Sep- Die Mitglieder der vorgängervereine des erwarten. Wie viele andere auch, waren Anfang eines langen Leidensweges der tember 1942, verstarb. Über die Todesur- 1.FC Köln, Sülz 07 und der Kölner Ball- sie dem nationalen Rausch um Hitlers jüdischen Mitglieder, wie das Beispiel sache ist nichts bekannt. spiel-Club, litten unter den drastischen Machtantritt verfallen. Bereits am 9. Juli der Gebrüder Otto und Adolf (genannt Maßnahmen des Nationalsozialismus. 1933 stimmte der DFB der Selbstauflö- „Addy“) Levy zeigt. Beide waren mindes- Otto Levy (*27.03.1885) war ebenfalls Einige wenige Schicksale und Gescheh- sung zu und wurde anschließend zur tens ab 1902 Mitglieder des 1901 gegrün- gebürtiger Kölner. In den vorliegenden nisse sind gesichert. „Fachsäule 2“ innerhalb des Reichsbun- deten KBC. Nachweislich bis 1906, wahr- Dokumenten wird als Beruf „Chocola- des für Leibesübungen. Die Vereine er- scheinlich aber länger, spielten Otto und tier“ angegeben. Nach 1933 verzogen hielten einheitliche Satzungen, nach der Adolf Levy in der 1. Mannschaft. Neben Otto Levy und dessen aus Dresden stam- 1933 – 1945 Ausschluss und beispielsweise ein für die politische Schu- dem sportlichen Einsatz engagierten sie mende Ehefrau Katharina Levy (gebore- Gleichschaltung: Sport und Fußball lung zuständiger „Dietwart“ eingestellt sich auch abseits des Fußballplatzes: ne Schwarz, *17.08.1896) nach Berlin, im Nationalsozialismus werden musste und jüdische Mitglieder Durch Kontakte und Vermittlungsge- wo er als „Hilfsarbeiter“ bei der Firma ausgeschlossen waren. Die Vorstands- schick hatten die Gebrüder Levy maß- Daimler-Benz beschäftigt war. Ob die Der Machtantritt von Adolf Hitler und posten der Vereine übernahmen nicht geblichen Anteil daran, dass der Rhei- Übersiedelung nach Berlin und die Tä- den Nationalsozialisten im Januar 1933 selten „linientreue“ Parteigenossen, nisch-Westfälische Spielverband im Mai tigkeit bei Daimler-Benz freiwillig oder brachte auch dem Sport und damit auch sofern sich die bisherigen Amtsinhaber 1905 an den DFB angeschlossen wurde, unter Zwang erfolgte, ließ sich nicht re- dem Fußball einschneidende Verände- nicht entsprechend anpassten. So muss- wovon letztlich auf der KBC profitierte. cherchieren. Am 14. und 16. Januar 1943 rungen. Der zuvor populäre Arbeiter- te Karl Büttgen, langjähriger Vorsitzender Dies lässt den Schluss zu, dass Otto und mussten die Eheleute Levy gemäß der sport wurde sofort verboten, manche von Sülz 07 und seit 1931 Mitglied der „Addy“ Levy sich auch auf Verbandsebe- elften Verordnung zum Reichsbürgerge- Arbeitersportvereine lösten sich auf um SPD, aus politischen Gründen aus dem ne einbrachten und auf entsprechende setz vom 25.11.1941 der „Vermögens- einem Verbot zuvorzukommen. Es folgte Sülzer Vorstand ausscheiden. Auch in der Verbindungen zurückgreifen konnten. verwertungsstelle“ Vermögenserklärun- die Gleichschaltung des „bürgerlichen“ Klub-Publizistik machte sich der „neue gen abgeben. Die entsprechende Akte Sports. Regionale Sportgaue und reichs- Geist“ bemerkbar: Wurden in der Fest- Zu den Biographien der Gebrüder Levy (Nr. 22423) ist im Brandenburgischen weite „Fachsäulen“ lösten die zuvor exis- schrift zum 30-jährigen Jubiläum des KBC konnten nur noch wenige Details re- Landeshauptarchiv einsehbar. Der Ver- tierenden Fachverbände, wie den West- (1931) die jüdischen Fußballpioniere Otto cherchiert werden. Adolf Levy wurde mögenserklärung folgte die Vermögen- deutschen Spielverband, ab. Von den und „Addy“ Levy noch erwähnt, sucht am 23. Januar 1883 in Köln geboren. seinziehung und laut den Daten des zumeist konservativ-national geprägten man diese in der KBC-Festschrift von Letzte ermittelbare Anschrift war die Bundesarchivs am 29. Januar 1943 die Funktionären war kaum Widerstand zu 1941 (40-jähriges Jubiläum) vergeblich. Spichernstraße 30 im Kölner Stadtteil gemeinsame Deportation in das Konzen-

100 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 101 trationslager Auschwitz-Birkenau. Dort im jüdischen Elternheim in Köln, einer verliert sich die Spur der Eheleute Otto sozialen Einrichtung in der kranke und und Katharina Levy. Ein Sterbedatum ist alte Menschen betreut und gepflegt wer- bislang nicht bekannt. den. Vermittelt vom Kölner Oberbürger- „ET KÖLSCHE JEFÖHL“ meister und FC-Verwaltungsratsmitglied Theo Burauen sowie von DFB-Präsident Ernst (Hermann) Pelzer Peco Bauwens (dessen Rolle in der NS- EIN BERICHT VON FELIX TAMSUT Zeit nicht unumstritten ist), kam der Ebenso tragisch verlief die Lebensge- 1. FC Köln im Winter 1960 mit Emma EFFZEH-VERLIEBT, FUSSBALLBEGEISTERT, schichte von Ernst (Hermann) Pelzer. Pelzer in Kontakt. Eine Abordnung des AWAY DAY SLEEPER, JOURNALIST, ISRAELI, Am 28. April 1896 in Köln geboren, war FC-Vorstandes, darunter der ehemalige Pelzer als selbständiger Unternehmer „Pelzer-Lehrling“ Karl-Heinz Schäfer, be- IMI & KÖLSCHTRINKER in seiner Heimatstadt tätig. In seinem suchte die inzwischen 90-jährige Dame, Betrieb absolvierte unter anderem der die den Tod ihres Sohnes nie verarbeiten spätere „Amateurchef“ und langjährige konnte, im jüdischen Elternheim. „Nach- 3. Vorsitzende des 1. FC Köln, Karl-Heinz dem wir bisher nichts von ihm hörten, „King“ Schäfer, eine kaufmännische Aus- haben wir nun leider die Gewissheit, dass bildung. Nach 1933 wurde das Unterneh- auch er der Nazizeit zum Opfer gefallen men „arisiert“, was zur Folge hatte, dass ist“, berichteten die FC-Clubnachrichten I remember the day I moved to Cologne. together and finding ways to celebrate Ernst Pelzer die Firma zum Tiefstpreis im Dezember 1960 über das Schicksal It was the first time I lived in a big city in their cultural differences rather than tur- an einen deutschen Unternehmer ari- von Ernst Pelzer. Sehr deutliche Worte my life. Being a newcomer from Israel, I ning them into an obstacle. The fact peo- scher Herkunft veräußern musste. Vor im Vergleich zur sonst in den Nachkriegs- was overwhelmed by the opportunities ple here are so easy going, that even if der Machtübernahme durch die Natio- jahren eher auf „Verdrängung“ bedach- this place has to offer, but most of all, I you go to a bar on your own, you’re likely nalsozialisten hatte er sich intensiv als ten Sportpublizistik. Der FC schenkte was amazed by how, despite being a city to end it having drinks with a group of Betreuer im Nachwuchsbereich des KBC Emma Pelzer zu Weihnachten 1960 einen of more than one million people, it felt complete strangers. It felt new and fami- engagiert, wurde dann jedoch, wie die neuen Sessel und hielt die Verbindung like a small village. liar at the same time. It was everything I anderen jüdischen Mitglieder, aus dem fortan aufrecht. Für die Aufmerksamkeit wanted to have in a city. Verein ausgeschlossen. Die Deportation des 1. FC Köln bedankte sich Emma Pel- It was one week ahead of Karneval. I was in das Ghetto Lodz fand laut den Daten zer mit einem persönlichen Brief, der in told its meaning to this city, to the peo- And then there’s the football club. If the- des Bundesarchivs am 22. Oktober 1941 den FC-Clubnachrichten (Ausgabe Feb- ple here, but I did not take this seriously re’s any city in Germany which is being ab Köln statt. Später wurde Ernst Pelzer ruar 1961) veröffentlicht wurde. until I actually ended up walking for 45 so truly and accurately represented by für tot erklärt. Als Sterbedatum/Sterbe- minutes in a freezing cold, completely its football club more than Cologne and ort wird der 6. Dezember 1942 in Lodz hungover, at 09:30 in the morning. Need- 1. FC Köln, I’m not familiar with it. The geführt. Die genaue Todesursache ist less to say, I fell in love. combination of the incredible atmo- nicht bekannt. sphere, the Südkurve, the Hymne, the I fell in love with how open this city is. chants in Kölsch and the beer. I felt like Ernst Pelzers Mutter, Emma Pelzer, über- It was fascinating to see so many peop- I belonged. lebte die NS-Zeit und wohnte nach 1945 ■ le from so many different places living

102 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 103 This love for this city doesn’t come easy. rather than just live in it. The many an- Having grown up in Israel, the Holocaust ti-racist Karneval songs, for instance, al- was all over the place. You hear survi- low me to celebrate Fastelovend with a vor stories from elementary school age. clear conscience, and the rejection of an- „ET KÖLSCHE JEFÖHL“ You hear about things that took place tisemitism by large parts of 1. FC Köln’s against your people, right here, by peo- ultra scene allows me to stand in the aus dem Englischen übersetzt von Anne Beringer ple who used to live exactly where you Südkurve and sing my lungs out for the do now, speak the language you recently club which became mine in recent years, learned, people who might have loved a club which I’m a proud member of. Ich erinnere mich gut an den Tag, an nahbar sind, hat mich begeistert. Sogar to drink the same beer, maybe even sup- dem ich nach Köln gezogen bin. Zum ers- wenn man ganz alleine in eine Bar geht, ported the same football clubs. And this is exactly what it’s about. We ten Mal lebte ich in einer Großstadt. Als stehen die Chancen nicht schlecht, dass can’t change the past. What we can do, Neuankömmling aus Israel war ich über- man am Ende mit ein paar komplett After my move to Cologne, falling in however, is making sure the lesson is le- wältigt von den vielen Möglichkeiten, die Fremden zusammensitzt und trinkt. Es love with this place made me decide to arnt, both in terms of words and actions; Köln mir bot. Noch mehr allerdings hat fühlte sich neu und altbekannt zugleich leave this chapter in history behind, for to make sure that despite this city’s his- mich begeistert, dass sich Köln trotz sei- an, es war alles da, was ich mir immer an now, despite it involving my people, so- tory, everyone will be able to take part. ner immerhin 1 Millionen Einwohner*in- einer Stadt gewünscht hatte. metimes even my own family. For the That’ll make sure that other people will nen anfühlte wie ein kleines Dorf. first time in my life, I found my place in learn to appreciate and love this city for Und dann gibt es hier noch diesen Fuß- the world, I thought, why destroy it with what it is today rather than what it was Es war eine Woche vor Karneval. Mir war ballverein. Falls es eine deutsche Stadt things that happened 75 years ago? back then. zwar vorher erzählt worden, welche Be- geben sollte, die so derart passend deutung diese Zeit für die Bewohner*in- durch ihren Verein repräsentiert wird, I was naive to think this is possible. Be So that, just like me, others will also feel nen dieser Stadt hat, richtig bewusst kenne ich sie noch nicht. Die Kombina- it the many Stolpersteine in and around they belong. wurde mir das allerdings erst, als ich tion aus der unglaublichen Atmosphäre, the Belgisches Viertel; the Holocaust morgens um halb zehn völlig verkatert der Südkurve, der Hymne, der kölschen Denkmal between the Dom and the eine Dreiviertelstunde durch die klirren- Gesänge und des Biers – ich fühlte mich Rhein; the Edelweißpiraten-Denkmal in de Kälte nach Hause lief. Dass ich mich sofort zu Hause. Ehrenfeld, I felt like I tried to avoid the da schon in diese Stadt verliebt hatte, past, but it found me, no matter where in muss ich ja nicht extra erwähnen. So einfach war es jedoch für mich auch the city I was. wieder nicht, diese Stadt zu lieben. Ich Ich habe mich in die Offenheit dieser bin in Israel aufgewachsen, das The- One of my ways of dealing with this is by Stadt verliebt. Es war absolut faszinie- ma Holocaust ist dort allgegenwärtig. reminding myself that this city stands for rend für mich, wie so viele Menschen Ab der Grundschulzeit wirst du mit den other values nowadays. That Cologne aus so vielen verschiedenen Orten auf Geschichten der Überlebenden konfron- stands for acceptance, for Weltoffenheit der Welt zusammenlebten und es dabei tiert. Du hörst Geschichten darüber, was and against racism and antisemitism, sogar schafften, ihre kulturellen Unter- Angehörigen deines Volkes angetan wur- is something which I’m proud of, and schiede zu feiern, anstatt diese als Hin- de. Geschichten, die genau dort passiert which allows a person like me to feel like dernisse zu sehen. Auch die Tatsache, sind, wo du jetzt wohnst. Dinge, die von I can become an active part of the city, ■ dass die Menschen hier so unglaublich Menschen getan wurden, die dieselbe

104 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 105 Sprache sprechen, die du seit kurzem möglich, Fastelovend mit einem guten auch lernst, von Menschen, die vielleicht Gewissen zu feiern und die klare Ableh- INTERVIEW dasselbe Bier mochten wie du und die nung von Antisemitismus von Seiten der vielleicht auch denselben Fußballverein Ultraszene des 1. FC Köln erlaubt es mir, unterstützten, wie du jetzt. in der Südkurve zu stehen und aus vol- COLONIACS ULTRAS lem Hals meine Unterstützung für die- Nachdem ich nach Köln gezogen bin, sen Verein kundzutun. Der Verein, der in hat mich die Liebe zu dieser Stadt dazu den letzten Jahren zu „meinem“ Verein bewogen, dieses Kapitel in unserer Ge- geworden ist und in dem ich ein stolzes schichte hinter mir zu lassen, auch wenn Mitglied bin. es hier um Verbrechen an meinem eige- „BILDET UND INFORMIERT EUCH nen Volk ging, sogar an meiner eigenen Und darum geht es. Wir können die Ver- ÜBER DIE VERSCHIEDENEN ARTEN VON Familie. Zum ersten Mal in meinem Le- gangenheit nicht ändern. Was wir jedoch ben hatte ich das Gefühl, meinen Platz tun können, ist, die Vergangenheit nicht ANTISEMITISMUS, UM DIESE ZU ERKENNEN gefunden zu haben. Ich dachte: Warum zu vergessen, daraus zu lernen. Dies be- UND ZU ENTLARVEN.“ das jetzt kaputt machen mit Geschich- zieht sich auf Worte genauso wie auf Ta- ten, die 75 Jahre her sind? ten. Trotz der Vergangenheit Kölns kann Die Coloniacs Ultras über ihr Engage- Anliegen lassen sich nur durch politi- jede*r heute mitmachen. ment gegen Antisemitismus im und au- sches Handeln verwirklichen und sind Ich war ganz schön naiv in dem Glauben, ßerhalb des Müngersdorfer Stadions dementsprechend motiviert. Es liegt uns dass dies möglich sei. Egal ob die vielen Und das sorgt letztendlich dafür, dass jedoch fern, uns in Kategorien stecken  Stolpersteine im belgischen Viertel, das jede*r diese Stadt für das lieben kann, zu lassen. Wir sind Ultras und keine Po- Holocaust Denkmal zwischen Dom und was sie heute ist und nicht dafür hassen Kölner Fanprojekt: Hey Coloniacs, dan- litiker. Antirassistische Arbeit ist eine tra- Rhein oder das Edelweißpiraten-Denk- muss, was sie einmal war. Auf diese Art ke, dass ihr euch die Zeit nehmt und den gende Säule unserer Gruppe. Auch wenn mal in Ehrenfeld – unsere Vergangenheit geben wir allen die Chance, sich zugehö- Leser*innen der Erinnerungsbroschüre wir sicherlich nicht fehlerfrei sind, versu- fand mich immer, obwohl ich ihr ja aus rig zu fühlen. So wie ich. Rede & Antwort steht. Fangen wir doch chen wir trotzdem eine Atmosphäre zu dem Weg gehen wollte. direkt mal mit einem Klassiker an: der schaffen, in der sich jeder Mensch beim Spruch „Fußball ist Fußball und Poli- FC und in der Südkurve wohlfühlt. Was Um damit klarzukommen, sagte ich mir tik bleibt Politik“ ist zum Glück schon uns verbindet ist der 1. FC Köln, unsere immer wieder, dass diese Stadt nun- in den unterschiedlichsten Diskussio- Stadt und die damit verbundenen Werte, mehr für etwas völlig Anderes stand: für nen als billige Ausrede oder taktischer für die sie stehen. Akzeptanz, Weltoffenheit, gegen Rassis- Move (von mindestens rechtsoffenen  mus und Antisemitismus. Diese Werte Gruppen) entlarvt worden. Wie steht’s machen es für mich einfach, stolz auf die bei euch um die Auseinandersetzung Fanprojekt: Ganz konkret beschäftigt Stadt zu sein und geben Menschen wie mit „dem Politischen“ beim, im und um sich diese Broschüre mit der national- mir das Gefühl, ein aktiver Teil der Stadt- den Fußball? sozialistischen Vergangenheit Kölns gesellschaft zu sein und nicht nur darin und dementsprechend auch mit Anti- zu leben. Die vielen antirassistischen Coloniacs: Wir sehen uns als Ultras und semitismus. Antisemitismus ist auch Karnevalslieder machen es für mich ■ damit als politische Menschen. Unsere im gern als weltoffen titulierten Köln

106 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 107   gegenwärtig ein Thema, auch im Mün- Fanprojekt: Ihr habt euch ja auch schon Fanprojekt: Antisemitismus tritt ja gersdorfer Stadion? Lehrer*innen be- in der Südkurve klar positioniert und nicht immer in einer offen-expliziten schweren sich beispielsweise auch unter anderem mal ein Banner „Gegen Form auf, sondern häufig auch ver- über die zunehmende Beleidigung jeden Antisemitismus“ gezeigt. Könnt deckt, bspw. in der Reproduktion von „J*de“ auf den Schulhöfen, könnt ihr ihr kurz darlegen, was es mit der Kon- Stereotypen. So werden hin und wieder Ähnliches in der Fankurve beobachten? kretisierung „jeden(!)“ auf sich hat? auch Konstrukte wie RB Leipzig auf ein- mal mit Bildern des „gierigen Finanzka- Es wäre utopisch, davon auszugehen, Gegen Juden gerichteter Hass begeg- pitals“ bspw. in der Darstellung einer dass es im Müngersdorfer Stadion keine net uns in der Gesellschaft in verschie - Krake, Scharbe oder des Marionetten- Leute mit antisemitischen Einstellungen denen Formen, die es alle abzulehnen spielers, der alle Fäden der Welt- und gibt oder dass keine antisemitisch kon- und gegen die es aufzustehen gilt. Sei Finanzmacht in der Hand hält darge- notierten Beleidigungen verwendet wer- es ein eher völkischer Antisemitismus stellt. Findet zu diesem Thema eine den. Diese Einstellung ist jedoch nicht deutscher Nazis, der Glaube an eine jü- Auseinandersetzung statt? hegemonial, d.h. es gibt keine antisemi- dische Weltverschwörung, struktureller tischen Spruchbänder oder Gesänge im Antisemitismus, eine Israel-Kritik, die ins Ja, auch damit setzen wir uns ausein- Müngersdorfer Stadion. Wenn wir anti- Antisemitische abdriftet, oder der Anti- ander. Zusammen mit unseren Bünd- aber es gab ja auch zwei Vorgänger- semitisches Verhalten in unserem Block semitismus der in Teilen der arabischen nispartnern (Kölner Fanprojekt, Definiti- vereine. Findet ihr es wichtig, auch die wahrnehmen, dann gehen wir entspre- Welt oder dem Iran propagiert wird. onsmacht Colonia, BiBeriS und Navajos) SpVgg Sülz 07 und den Kölner BC 01 chend unserem Selbstverständnis aktiv Nicht alle Formen sind direkt als solche haben wir im Rahmen der Aktionstage in die Betrachtung mit einzubeziehen dagegen vor. zu erkennen, daher ist es wichtig, die gegen Antisemitismus 2016 Alex Feuer- oder sollte irgendwo auch einfach mal Aufmerksamkeit nicht nur auf die Offen- herdt eingeladen. In seinem Vortrag hat ein Schlussstrich gezogen werden? sichtlichen zu legen. Alex dargelegt, wie sich Antisemitismus im Fußball äußert und ist dabei auch ex- Da der FC erst 1948 gegründet wurde, gilt plizit auf die von dir genannten Bilder im es, sich die Geschichte der beiden Vor- Bezug auf RB Leipzig eingegangen. gängervereine KBC 01 und Sülz 07 wäh- rend der NS-Zeit anzuschauen. In meiner  Wahrnehmung ist in Sachen Aufarbei- Fanprojekt: Viele Fußballvereine arbei- tung von offizieller FC-Seite noch deut- ten ihre Vergangenheit auf und lassen lich Luft nach oben. Im Februar hat der die Rolle des Vereins und der damaligen FC im Rahmen der „Nie wieder“ Kam- Aktiven (Funktionäre, Spieler, Trainer pagne an das Schicksal der Brüder Otto etc.) sogar von historischen Expert*in- und Adolf Levy, zwei jüdischen Spielern nen aufarbeiten. Wie bewertet ihr den des KBC, während der Zeit des National- Umgang des FCs in dieser Hinsicht? Im sozialismus erinnert. Das war in meiner Kontext der Erinnerungsarbeit mit dem Wahrnehmung das erste Mal, dass sich FC stoßen wir häufig auf das Argument der FC öffentlich mit der Vergangenheit „…, aber der FC ist doch erst 1948 ge- seiner Vorgängervereine während der gründet und hat damit nichts zu tun!“, NS-Zeit auseinandergesetzt hat.

108 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 109 Sicherlich gibt es in Köln immer wieder jeden Fall eine der wertvollsten Erfahrun- gute Projekte gegen Antisemitismus, gen in ihrem bisherigen Leben. Der Wert dem Thema könnte aber sicherlich von eines Gesprächs mit einem Zeitzeugen, Seiten der Stadt und uns als Stadt-Ge- des Austauschs mit Israelis in unserem sellschaft noch mehr Aufmerksamkeit Alter lässt sich nicht mit wenigen Worten zukommen. hier bemessen. Wer vorher schon eine Verantwortung dafür verspürt hat, dass  ein Übel wie die Shoah, niemals wieder Fanprojekt: Nicht nur der Blick in die geschehen darf, den wird diese Reise si- nationalsozialistische Vergangenheit cherlich nochmal bestärkt haben, dafür ist wichtig und lehrreich, auch in der einzustehen. Gleichzeitig durfte man ein jüngsten Vergangenheit finden sich lei- unglaublich vielschichtiges Land ken- der etliche rechtsterroristisch motivier- nenlernen, in dem sich verschiedenste  te Taten. Sind diese Taten ein Thema Kulturen begegnen und teilweise eine Fanprojekt: Seid ihr als Ultras eigent- für euch als Ultragruppierungen oder Einheit bilden, manchmal jedoch auch lich auch mit lokalen Initiativen ver- findet eine Auseinandersetzung dazu starke Kontraste. netzt, die sich gegen Antisemitismus eher im Privaten statt? einsetzen? Falls ja, wie sieht eure Zu- Solche Angebote kann es nicht genug sammenarbeit dort aus? Auch wenn wir uns öffentlich nicht dazu geben und sie sind äußerst unterstüt- geäußert haben, so befassen wir uns in- zenswert. Vor allem eine Reise nach Yad Wir sind mit und in diversen Initiativen nerhalb der Gruppe auf jeden Fall mit den Vashem in Jerusalem, der israelischen  und Zusammenhängen vernetzt und rechtsterroristisch motivierten Taten der Gedenkstätte, die an die Toten der Sho- aktiv. So standen zum Beispiel zwei un- Fanprojekt: Auch lokalpolitische The- jüngeren Vergangenheit. Durch unsere ah erinnert und die Verbrechen des Ho- serer Mitglieder bei der von der AG Arsch men sind euch immer wieder ein Anlie- Vernetzung mit lokalen Initiativen (s.o.) locaust dokumentiert, wäre wohl eine huh organisierten „Du Bes Kölle“-Demo gen, das wird ja auch im Kallendresser liefern wir einen Beitrag zur Thematisie- wertvolle Reise für jeden Menschen, der im Dezember 2014 auf der Bühne und (Fanzine der Coloniacs) deutlich. Wie rung, auch wenn da dann nicht immer in Deutschland aufwächst. haben eine Rede gehalten. Außerdem bewertet ihr die städtische Erinne- das Lable „Coloniacs“ draufsteht. unterstützen wir die Kampagnen „Kein rungsarbeit?  Kölsch für Nazis“ und „Kein Veedel für Rassismus“. Was die Erinnerungskultur in Köln an- Fanprojekt: Das Fanprojekt bietet im- geht, ist wohl keine Institution so prä- mer mal wieder Erinnerungstouren an. gend wie das NS-Dokumentationszen- Ein paar Coloniacs waren 2017 mit dem trum (kurz NS-Dok), das im EL-DE-Haus Kölner Fanprojekt in Israel. Was habt am Appellhofplatz angesiedelt ist. ihr aus dieser Reise mitgenommen und Außerdem gibt es noch die Kölnische wie bewertet ihr solche Angebote? Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zu- sammenarbeit, die Vorträge und Fortbil- Für viele, wenn nicht sogar alle Mitglie- dungen zu dem Thema organisiert. der, die in Israel waren, war die Fahrt auf

110 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 111  Fanprojekt: Es gab mal einen Fanclub in der Kölner Südkurve, die sich in An- lehnung (und Erinnerung) an „unan- gepasste Jugendliche“ im Widerstand NAVAJOS genannt haben. Gibt es Paral- lelen zwischen Jugendlichen im Wider- stand gegen den Nationalsozialismus und unbequemen, rebellischen Ultras, die sich benennen lassen ohne die FC STADIONAKADEMIE gänzlich unterschiedlichen Lebensbe- Bildungspolitische Workshops im RheinEnergieSTADION dingungen und –realitäten der Jugend-  lichen damals und heute zu relativie- Seit 2017 bietet das Kölner Fanprojekt mit der „FC Stadionakademie“ interaktive ren? Fanprojekt: Danke für die klaren Worte. bildungspolitische Workshops im RheinEnergieSTADION an. Das Angebot umfasst Zu guter Letzt noch eine wichtige Frage: die Workshops „You’ll never walk alone“ (Für Vielfalt und Toleranz – Gegen Diskrimi- Für uns sind das Äpfel und Birnen. Si- Wie können andere FC-Fans euch und nierung und Ausgrenzung), „Blutgrätsche“ (Gewaltprävention), „Eingenetzt“ (Social cherlich ist Ultrà nach heutigen Maßstä- uns in der Arbeit gegen Antisemitismus Media, Fake News, Hate Speech) und „Ablösesumme“ (Nachhaltigkeit). Zusätzlich ben eine subversive Jugendkultur, in der unterstützen? zu den Workshops gibt es das Angebot „Flucht und Fußball“, wobei sich die Teilneh- man Institutionen kritisch hinterfragen mer*innen anhand der Wanderausstellung „Flucht, Fußball und Migration“ die The- lernen kann und sich unangepasst ver- Bildet und informiert euch über die ver- men Flucht und Fluchterfahrungen im Zusammenhang mit Fußball erarbeiten und hält. Es wäre allerdings vermessen, das schiedenen Arten von Antisemitismus, sich darüber austauschen. Hier werden speziell auch geflüchtete Jugendliche ange- in irgendeiner Art und Weise mit dem um diese zu erkennen und zu entlarven. sprochen. Des Weiteren gibt es mit dem „Goldenen Geißbock“ ein Sportangebot für Widerstand Jugendlicher im National- Wenn ihr im Stadion antisemitische Äu- jüngere Teilnehmer*innen. Dieses Angebot verbindet einen kurzen Workshop mit ei- sozialismus zu vergleichen. Den bemer- ßerungen oder Symboliken wahrneh- nem Sportabzeichen. Die Workshops und Angebote richten sich an Schulen, Jugend- kenswerten Mut, aber auch die schiere met, dann sprecht diese Person gezielt einrichtungen, Vereine und Bildungseinrichtungen. Die Dauer und Inhalte werden Verzweiflung, mit denen Jugendliche darauf an, wenn ihr euch sicher genug dabei individuell an die Teilnehmer*innen angepasst. und junge Erwachsene sich damals ge- fühlt. Falls ihr euch unsicher fühlt, könnt gen die Maschinerie der Nazis gewandt ihr auch uns unten im Block Bescheid haben, werden wir womöglich niemals geben. aufbringen oder nachfühlen können. Weitere Informationen unter: DANKE FÜR EUER ENGAGEMENT!  www.fc-stadionakademie.de

Das Interview führte ein Mitarbeiter des sozialpädago- gischen Fanprojekts mit Mitgliedern der Ultragruppie- rung Coloniacs. Obwohl die Ultras versucht haben, ei- nen Gruppenkonsens zu skizzieren, ist es möglich, dass Teile der Antworten subjektive & individuelle Äuße- Austellung Flucht & Fußball digital: rungen beinhalten, die nicht komplett von der Gruppe  www.flucht-und-fussball.de getragen werden oder intern noch nicht abschließend verhandelt sind.

112 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 113 Die Broschüre bietet keine vollständige Übersicht über alle Erinnerungsorte in Köln, die ist aber auch nicht der Anspruch dieser Broschüre. Mit unserer Auswahl möchten DANKE! wir keine generelle Hierarchisierung der Erinnerungsorte vornehmen, verschiedene Kriterien (u.a. die Routenauswahl) haben jedoch leider zum Ausschluss einiger Orte Ein Großteil des in dieser Broschüre zusammengetragenen Wissens stammt in erster geführt, wir bitten um Verständnis. Nicht komplett unerwähnt bleiben, sollen… Linie nicht von uns. Wir bedanken uns ganz herzlich bei den verschiedenen Institutio- nen, Vereinen, Einrichtungen und Einzelpersonen, die sich aktiv gegen das Vergessen  das Denkmal der grauen Busse am LVR-Landeshaus in Deutz Opfer der so genann- einsetzen und die unbedingt notwendige Erinnerungskultur durch ihre Recherchen ten „Euthanasie-Aktion T4“ und Beiträge bereichern und für deren Verbreitung sorgen. Viele Informationen ha- ben wir durch die hervorragende Arbeit des Projekts KuLaDig – Kultur. Landschaft.  das „Arrest- und Correctionshaus am Klingelpütz zu Cöln“ – Gefängnis Klingelpütz Digital. – des Landschaftsverband Rheinland (LVR) erlangt, Danke!

 die jüdischen Friedhofe in Köln

„KuLaDig ist ein Informationssystem über die Historische  der Exekutionsort „Schießplatz Dünnwald“ Kulturlandschaft und das landschaftliche Kulturelle Erbe. KuLaDig befindet sich im Aufbau, der Datenbestand wird  die NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen ständig ergänzt.“

 die Abtei Brauweiler

Weitere wichtige Informationsquellen und Akteur*innen in der Kölner Erinnerungs-  der Lern- und Gedenkort Jawne arbeit sind das NS-DOK und die christlich-jüdische Gemeinde. Bei beiden möchten wir uns für ihre Arbeit und den Beitrag zu dieser Broschüre bedanken! Der Dank geht  das Deserteurdenkmal (am Appelhofplatz) ebenfalls an unseren Kollegen Thomas für die umfangreiche Vorarbeit und die aller- erste Version dieser Broschüre.  …

Zusätzlich gilt unser Dank selbstverständlich allen, die gegen das Vergessen kämpfen Erinnerungsorte und -kultur sind nie statisch, sondern unterliegen stetigem (meist und sich aktiv für eine tolerante, vielfältige und diskriminierungsfreie Gesellschaft politischen und kulturell beeinflussten) Wandel. So wird wahrscheinlich auch diese einsetzen. An dieser Stelle möchten wir neben den beiden oben genannten noch den Broschüre irgendwann einer Überarbeitung (bzw. einer Neuauflage) bedürfen, wir Bürgerverein Müngersdorf und die Initiativen zum NSU-Komplex hervorheben. freuen uns jetzt schon über konstruktive Kritik und Rückmeldungen. Unsere Solidarität gilt den Opfern, Angehörigen und Betroffenen!

Zudem ist diese Broschüre auch eine Einladung, sich mit den historischen Orten in In diesem Sinne: Wider das Vergessen – Nie wieder! der jeweiligen Umgebung und Lebenswelt auseinanderzusetzen und auch mal selbst auf Spurensuche zu gehen.

114 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 115 LITERATURERGÄNZUNGEN FOTONACHWEISE

Für weitere Recherchen und Informationen empfehlen wir insbesondere: Einband (Cover & Backcover) – Pixabay License (freie kommerzielle Nutzung)  NS-Dokumentationszentrum Köln: museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum S. 7, 10, 11, 16, 21, 35, 39, 51, 57, 63, 71, 94 – Kölner Fanprojekt  Kultur. Landschaft. Digital. (KuLaDig): kuladig.de S. 8 (Logos) – Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. Neben diesen beiden Quellen, wurde zur Erstellung der Beiträge in dieser Broschüre S. 22, 49 (Stolperstein Bartholomäus Schink) – Asio otus auch auf folgende Literatur zurückgegriffen: (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Köln-Ehrenfeld-StolpersteinSchinkBartholomäus1-Asio. JPG#filelinks), „Köln-Ehrenfeld-StolpersteinSchinkBartholomäus1-Asio“ / CC BY-SA 3.0 Becker-Jákli, Barbara (2002): Ich habe Köln doch so geliebt. Lebensgeschichten jü- S. 28 (Innenansicht NS-Dok), S. 61 (Artikel) – NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln discher Kölnerinnen und Kölner. Emons Verlag. S. 31 (Plakat) – Landschaftsverband Rheinland, KuLaDig – Kultur. Landschaft. Digital S. 31 (Hohenzollernbrücke) – Bundesarchiv, Bild-P008041 Becker-Jákli, Barbara (2012): Das jüdische Köln: Geschichte und Gegenwart. Emons S. 37 (Zeichnung) – Axonometrie: Dani Karavan Verlag. (http://maalot25.de/wordpress/wp-content/uploads/2014/11/1.-Das-Gesamtaussenkunstwerk-Dani-­ Karavan-800-x-252.jpg) Fings, Karola (1996): Messelager Köln. Ein KZ-Außenlager im Zentrum der Stadt. In: S. 41 (Schautafel) – Bundesarchiv, Bild 146-1993-051-07 Schriftenreihe des NS Dokumentationszentrum der Stadt Köln Band 3. S. 43 (Luftaufnahme) – unbekannt / Historisches Archiv der Stadt Köln Fings, Karola & Sparing, Frank (2006): Rassismus, Lager, Völkermord. Die natio- S. 44 (historische Aufnahme) – unbekannt / Archiv Klemens Kurz nalsozialistische Zigeunerverfolgung in Köln. In: Schriftenreihe des NS Dokumentati- S. 60 (Aufnahme Razzia) – Bundesarchiv, Bild 146-1990-104-16A onszentrum der Stadt Köln Band 13. S. 61 (Bewohner) – Bundesarchiv, Bild 146-1997-019-27A S. 64 (Lageplan) – Karte: Bernd Grimm Fischer, Bruno (2012): Köln und Umgebung 1933 – 1945. Der historische Reiseführer. S. 65 (Fort) – Arbeitsgemeinschaft Festung Köln e.V. Leifeld, Marcus (2015): Der Kölner Karneval in der Zeit des Nationalsozialismus. Vom S. 67 (Lageraufnahme), S. 74 (Innenansicht) – Synagogengemeinde Köln regionalen Volksfest zum Propagandainstrument der NS-Volksgemeinschaft. In: Schrif- S. 69 (Gehwegplatte) – Superbass (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stadtwaldguertel35-koeln-4.jpg), tenreihe des NS Dokumentationszentrum der Stadt Köln Band 18. „Stadtwaldguertel35-koeln-4“ / CC-BY-SA 3.0 S.73 (Synagoge) – Hans Peter Schaefer, http://www.reserv-a-rt.de (https://commons.wikimedia.org/wiki/ NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (2011): Köln im Nationalsozialismus File:Köln_synagoge_pano.jpg), „Köln synagoge pano“, Zuschnitt von Ingo Thiel / CC-BY-SA 3.0 S. 74 (Gedenktafel) – Horsch, Willy – Ein Kurzführer durch das EL-DE-Haus. Emons Verlag. (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Köln_Gedenktafel-der-Synagoge-Glockengasse-027.JPG), „Köln Gedenktafel-der-Synagoge-Glockengasse-027“ / CC-BY-SA 3.0 Müller, Jürgen (2003): Ausgrenzung der Homosexuellen aus der Volksgemeinschaft. S. 75 (historisches Bild) – Rheinisches Bildarchiv (Pracht, Elfi: Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen. Die Verfolgung der Homosexuellen in Köln 1933 – 1945. In: Schriftenreihe des NS Doku- Teil I: Regierungsbezirk Köln. Köln 1997. Seite 296; Abb. 154) mentationszentrum der Stadt Köln Band 9. S. 78, 79 (DSOM) – Deutsches Sport & Olympia Museum S. 82 (Luftaufnahme) – Peter Rakoczy / KSTA Serup-Bilfeldt, Kirsten (2003): Stolpersteine. Vergessene Namen, verwehte Spuren, S. 82 (Stolperstein Albert Richter) – Nicola at German Wikipedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/­ Wegweiser zu Kolner Schicksalen in der NS-Zeit. Kiepenheuer & Witsch. File:Stolperstein_Albert_Richter.JPG), „Stolperstein Albert Richter“ / CC-BY-SA 3.0 S. 83 (Albert Richter & Ernst Berliner) – picture alliance / ullstein bild / Robert Sennecke Roeseling, Severin (1999): Das braune Köln: Ein Stadtführer durch die Innenstadt in S. 88 (Luftaufnahme), S. 90 (Müngersdorfer Stadion) – Kölner Sportstätten GmbH der NS-Zeit. Emons Verlag. S. 96 bis 99 – Archiv Maccabi-Museum Ramat-Gan, Israel Rüther, Martin (2015): „Senkrecht stehen bleiben“ – Wolfgang Ritzer und die Edel- S. 107 bis 112 – Coloniacs Ultras weißpiraten. Unangepasstes Jugendverhalten im Nationalsozialismus und dessen S. 118/119 (Übersichtskarte) – Myra Faubel späte Verarbeitung. In: Schriftenreihe des NS Dokumentationszentrum der Stadt Köln Band 21.

116 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 117 ÜBERSICHTSKARTE

118 Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt Erinnerungsbroschüre Kölner Fanprojekt 119 Träger: In Kooperation mit:

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