Die portugiesische Bevölkerung in der Schweiz Rosita Fibbi, Claudio Bolzman, Antonio Fernandez, Andrés Gomensoro, Bülent Kaya, Christelle Maire, Clémence Merçay, Marco Pecoraro, Philippe Wanner Impressum

Herausgeber: Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, CH-3003 Bern-Wabern www.bfm.admin.ch

Die Studie wurde vom Schweizerischen Forum für Migra- tions- und Bevölkerungsstudien (SFM), vom LaboDémo der Universität Genf und von der Haute école de travail social in Genf im Auftrag des Bundesamts für Migration (BFM) durchgeführt.

Autoren: Rosita Fibbi, Claudio Bolzman, Antonio Fernandez, Andrés Gomensoro, Bülent Kaya, Christelle Maire, Clémence Merçay, Marco Pecoraro, Philippe Wanner Die Studie wurde aus dem Französischen übersetzt.

Projektleitung: Rosita Fibbi

Grafik: www.artification.com

Fotonachweis: © Christophe Chammartin / www.rezo.ch

Bezugsquelle: BBL, Vertrieb Bundespublikationen, CH-3003 Bern www.bundespublikationen.admin.ch Art.-Nr.: 420.042.d

© BFM / EJPD August 2010

2 Inhaltsverzeichnis

Vorwort 5

1 Portugal: Geschichte, Geografie, Migration 10

1.1 Geschichte des Landes 12 1.2 Geografie 13 1.3 Die portugiesische Wirtschaft heute 15 1.4 Geschichte der portugiesischen Auswanderung 16 1.5 Geschichte der portugiesischen Einwanderung in die Schweiz 18

1.32 DieMigrationsbewegungen/Flucht- portugiesische Einwanderung und Arbeitsmigration in die Schweiz: Fakten und Zahlen 22xx

2.1 Demografische Daten: Wohnbevölkerung und Migrationsströme 24 2.2 Altersstruktur, Geschlecht und Zivilstand 28 2.3 Einbürgerung 32 2.4 Geografische Verteilung der portugiesischen Bevölkerung 33

3 Ausbildung der Migranten und ihrer Kinder 40

3.1 Die Schulbildung portugiesischer Migranten 42 3.2 Erwerb der Lokalsprache 43 3.3 Schulische Integration junger Personen mit Migrationshintergrund 44 3.4 Erklärungsfaktoren für die Schulleistungen 52

4 Sozioökonomische Integration der portugiesischen Bevölkerung 62 in der Schweiz 4.1 Wirtschaftliche Integration 64 4.2 Wirtschaftliche Ressourcen 71 4.3 Gesundheit 74 4.4 Image 77

3 5 Soziales und kulturelles Leben, Strukturierung 82 der portugiesischen Bevölkerung in der Schweiz 5.1 Familie und innerfamiliäre Beziehungen 84 5.2 Die portugiesischen Frauen zwischen Tradition und Wandel 87 5.3 Sprache und Beibehaltung der Herkunftskultur 89 5.4 Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft 92 5.5 Vereinsleben 94 5.6 «Sem dar nas vistas.» Eine unsichtbare Einwanderung 97

6 Beziehungen zum Herkunftsland: Rückkehr 100 und transnationale Beziehungen 6.1 Rückkehrverhalten im Wandel 102 6.2 Transnationale Beziehungen 106

7 Für eine vorausschauende Sicht 112

7.1 Eine gemischte Bevölkerung 113 7.2 Die Integration im Aufbau 115 7.3 Offene Fragen und Aktionsfelder 116

8 Anhang 120

Anhang I Bibliografie 121 Anhang II Portugiesische Vereine in der Schweiz 128 Anhang III Portugiesische Medien in der Schweiz 143 Anhang IV Liste der Gesprächspartner 144

4 Vorwort

Mit einem Bestand von fast 200 000 Per- sonen machen die Portugiesen 12 % der ausländischen Bevölkerung aus. Damit be- legen sie den dritten Rang der Ende 2009 in der Schweiz lebenden ausländischen Bevölkerungsgruppen. Die portugiesische Einwanderung weist sowohl Ähnlichkeiten mit den Arbeitsmigrationen der 1950er- und der 1970er-Jahre auf als auch mit den Migrationsbewegungen der 1980er-Jahre. Obwohl seit den 1980er-Jahren die Zahl der Portugiesen in der Schweiz stetig zuge- nommen hat, ist wenig über sie bekannt.

Aus diesem Grund erteilte das Bundesamt für Migration (BFM) dem Schweizerischen Forum für Migrations- und Bevölkerungs- studien (SFM) im Rahmen seines Projekts zu Publikationen über die jüngeren Migra- tionsbewegungen den Auftrag, eine Studie über die portugiesische Bevölkerung in der Schweiz durchzuführen. Das Ziel besteht darin, in einer Publikation die wesentlichen Informationen über die Merkmale dieser Migrantengruppe, über die Migrationsge- schichte, die Entwicklung und die Integra- tion zusammenzufassen.

Die Publikation wendet sich an ein breites Publikum und soll ein nützliches Instrument sein für Behörden (auf Gemeinde-, Kan- tons- und Bundesebene), Verantwortliche aus den unterschiedlichsten Bereichen (so- ziale Einrichtungen, Schulen, Gesundheits- sektor, Polizei, Justiz usw.) sowie Privat­ personen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Männern und Frauen portugiesischer Herkunft in Berührung kommen.

5 Mitwirkende Migration sowohl aus der Perspektive des Zur Durchführung dieser Studie hat sich Herkunftslandes als auch des Aufnah- das SFM auf die Arbeit von zahlreichen melandes gesichtet. Die Dokumentation Mitwirkenden gestützt, zu denen auch konnte mit zahlreichen aktuellen Unter­ drei externe Arbeitsgruppen gehören. Jede suchungen sowie verschiedenen Studien dieser Gruppen hat, je nach Kompetenzen der Bundesbehörden erweitert werden. und Fachwissen, den einen oder anderen Aspekt untersucht. Philippe Wanner vom Sodann haben wir unterschiedliche statisti- Laboratoire de démographie der Universi- sche Quellen herangezogen, insbesondere tät Genf hat das für diese Migrantengruppe die Ergebnisse der Eidgenössischen Volks- besonders charakteristische Rückkehr- zählung, namentlich der letzten vom Jahr verhalten näher betrachtet. Das Ceres-­ 2000. Auch das Zentrale Ausländerregister Forschungsteam in Genf, Claudio Bolzman, (ZAR1), die Schweizerische Arbeitskräfte- Antonio Fernandez und Andrés Gomen- erhebung (SAKE), die Schulstatistik, das soro, hat die sozialen Fragestellungen und Gesundheitsmonitoring, die Statistiken der die Strukturierung der portugiesischen Sozialversicherungen usw. wurden verwen- Bevölkerung betrachtet. Clémence Merçay det, um die Stellung der Portugiesen in der vom Institut de géographie der Universität Schweiz im Vergleich mit der gesamten Neuenburg hat die Kartenprojektionen zu ausländischen Bevölkerung oder der ge- den demografischen Daten vorgenommen. samten Bevölkerung des Landes möglichst genau zu dokumentieren. Innerhalb des SFM stellte Marco Pecoraro die statistische Unterstützung sicher, wäh- Schliesslich haben wir verschiedene Ein- rend Bülent Kaya, Christelle Maire und Ro- zelgespräche mit Vertretern der portugie­ sita Fibbi die Auswertung der Literatur, die sischen Bevölkerung in mehreren Kantonen Feldforschung und das Verfassen der Texte sowie mit Fachleuten aus verschiedenen Be- übernommen haben. reichen (Forschung, Gesundheits- und Bil- dungswesen, soziale Einrichtungen, Schul- Arbeitsmethode behörden, für die lokale Integrations­politik Die Studie stützt sich auf drei Hauptquel- zuständige Behörden) geführt. Zusätzlich len: die wissenschaftliche Literatur, die offi- haben wir mehrere Diskussionsrunden or- ziellen statistischen Daten und die Gesprä- ganisiert. Dabei wollten wir einerseits klä- che mit Personen, die sich mit dem Thema ren, wie die Betroffenen von gestern und beschäftigen und die Situation der portu- von heute die Migration erlebt haben oder giesischen Bevölkerung in der Schweiz gut erleben, andererseits sollten unsere Ergeb- kennen. nisse und Fragen qualifizierten Gesprächs- partnern unterbreitet werden.

Zunächst haben wir die bestehende wis- 1 Seit März 2008 wurden die beiden Informationssysteme senschaftliche Literatur zur Einwanderung Zentrales Ausländerregister (ZAR) und Automatisiertes Personenregistratursystem (AUPER) durch das Zentrale in der Schweiz sowie zur portugiesischen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) ersetzt.

6 In der Studie wird die portugiesische Bevöl- Basisinformationen, die sich auf statisti- kerung in der Schweiz untersucht: Men- sche Daten oder konsolidierte Erkenntnisse schen, die eine gemeinsame nationale stützen und die Umrisse einer spezifischen Herkunft, eine gemeinsame Sprache und Realität erfassen. In Kästen mit kundi- in den meisten Fällen eine Arbeitsmigra- gen Äusserungen von Fachpersonen, die tionserfahrung teilen – alles in allem aber oft aus der portugiesischen Bevölkerung eine sehr heterogene Gruppe in Bezug stammen («Expertenmeinung»), und/oder auf das Geschlecht, die Altersklassen, die mit lebhaften Beiträgen von Betroffenen regionale Herkunft und die Lebensläufe in («Aus persönlicher Sicht») wird der Haupt- der Migration. Demnach haben wir darauf text illustriert. In einer kurzen Bibliografie verzichtet, sie als «Gemeinschaft» zu be- erhalten die Leser die Instrumente für eine zeichnen, denn als zusammengeschweisst weitere Vertiefung des jeweiligen Themas. und homogen erscheint diese Migranten- gruppe allenfalls nur den aussenstehenden Im Anhang der Studie findet sich schliess- Beobachtern. Wir haben auch auf die Ver- lich eine – so weit wie möglich – umfas- wendung der Benennung «Diaspora» ver- sende Liste der portugiesischen Vereine. zichtet, die ebenfalls auf den Begriff einer Die Auflistung wird jenen Personen hilf- Gemeinschaft verweist. Mit dieser Bezeich- reich sein, die mit der einen oder ande- nung wird ausserdem nicht nur das Bild ren Vereinigung, in der sich das soziale einer Gruppe verbunden, die den Wunsch Leben der portugiesischen Bevölkerung in hegt, den Bezug zum Herkunftsland auf- der Schweiz abspielt, Kontakt aufnehmen rechtzuerhalten. Der Begriff Diaspora ver- möchten. mittelt auch den Eindruck, die Gruppe kapsle sich ab, um in einer unveränder­ Aus Gründen der besseren Lesbarkeit des lichen Andersartigkeit zu verharren. Textes wird gelegentlich die männliche Form als Gattungsbegriff für beide Ge- Aufbau der Studie schlechter verwendet. Die verschiedenen Teile der Studie können als die Kapitel einer ganzen Publikation gelesen werden. Die Kapitel können aber auch einzeln betrachtet werden, um gezielt nur einen bestimmten Aspekt der portu- giesischen Bevölkerung in der Schweiz zu erfassen.

Die unterschiedlichen Kapitel sind nach demselben Schema aufgebaut: Zunächst werden die wichtigsten Punkte des behan- delten Themas zusammengefasst. Darauf folgt der deskriptive Hauptteil mit den

7 Dank Und schliesslich danken wir den an der Stu- die beteiligten Forschungsteams, die mit Wir möchten an erster Stelle den portu­ Kompetenz, Effizienz und beispielhaftem giesischen und nicht portugiesischen Ge- Sinn für Zusammenarbeit – unter der Lei- sprächspartnern danken, die in grosszü- tung des SFM – zur Verwirklichung dieser giger und enthusiastischer Weise bereit Studie beigetragen haben. waren, ihr Fachwissen und ihre Erfahrun- gen mit uns zu teilen. Die Liste dieser Per- sonen findet sich in Anhang IV: Ihnen allen sei recht herzlich gedankt. Eine besondere Neuenburg, Dezember 2009 Anerkennung gebührt Catarina Pereira und Marta Pinto für ihre Unterstützung bei Rosita Fibbi, Christelle Maire unseren Unternehmungen. Sie haben die Verwirklichung dieser Studie um einiges erleichtert.

Auch die kritische Überarbeitung des Tex- tes durch die Begleitgruppe im BFM haben wir sehr geschätzt. Kompetent und sach- kundig haben sie unsere Arbeit verfolgt und zahlreiche Anregungen und Kommen- tare geliefert: Wir danken Isabel Bartal, Giuseppina Iampietro, Monica Malek und Susanne Wilhelm für den wertvollen und bereichernden, offenen und herzlichen Austausch.

Ausserdem danken wir Denise Efionayi- Mäder, Jean-Hugues Ravel, Barbara Burri Sharani, Denis Dafflon und Katharina Haab für ihre Mitarbeit bei der Zusammenstel- lung der statistischen Daten.

8 9 1 Portugal: Geschichte, Geografie, Migration In Kürze

– Die Stämme der Iberer und der Kelten gerieten unter römische, später unter germanische und maurische Herrschaft. Im 15. und 16. Jahrhundert stieg Portu- gal zunächst mit seinen Entdeckungen, danach mit seinem Kolonialreich zur Seemacht auf. Das Erdbeben von Lissa- bon 1755 leitete den Niedergang der portugiesischen Kolonialherrschaft ein, die jedoch erst in den 1970er-Jahren endete. – Das Land ist dem Atlantik zugewandt. Der Teil nördlich des Flusses Tejo ist gebirgig, der Teil südlich davon eher flach. Die portugiesische Bevölkerung in der Schweiz stammt mehrheitlich aus dem Norden. – Portugiesen wanderten ab Ende des 19. Jahrhunderts zunächst nach Brasi- lien aus, später nach Nordamerika und schliesslich nach Europa, insbesondere nach Frankreich, Deutschland und in die Schweiz. – Die Zuwanderung portugiesischer Staatsangehöriger in die Schweiz ist ein typisches Beispiel von Arbeitsmigration. Sie setzte in den 1980er-Jahren ein und hat seit dem Inkrafttreten der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU deutlich zugenommen.

11 1.1 Geschichte des Landes ruhmreiche Zeit der Entdeckungen, auf die die Portugiesen stolz sind. Wie jedes Land ist auch Portugal die Spie- gelung einer Bevölkerung und eines Ge- Unter Manuel I. entwickelte sich Portugal biets, einer Geschichte und zahlreicher zu einer der grössten See- und Handels- äusserer Einflüsse. Die Iberer und die Kel- mächte Europas. Im 15. und 16. Jahrhun- ten besiedelten ein Gebiet, das als Pro- dert erlebte das Land sein goldenes Zeit­ vinz Lusitanien unter römischer Herrschaft alter als Weltmacht. 1703 geriet Portugal stand, bis 409 die germanischen Stämme in den wirtschaftlichen Einflussbereich Eng- der Sueben und der Westgoten einwan- lands. Mit der Zerstörung Lissabons durch derten. 713, zwei Jahre nach Spanien, fiel das schreckliche Erdbeben von 1755, der das Land unter die Herrschaft der Mauren, Besetzung während der napoleonischen die es bis zum Fluss Douro einnahmen. Der Kriege und der Unabhängigkeit Brasiliens Norden wurde von den Arabern nie besie- 1822 verlor es einen Grossteil seines Reich- delt. Beidseits der Douro-Mündung lagen tums. sich zwei Städte gegenüber: Portus auf der einen Seite, Cale auf der andern. Durch die 1910 bereitete eine Revolution der Monar- Vereinigung der beiden Städte erhielt das chie ein Ende. Von 1910 bis in die 1970er- Land seinen Namen. Die maurische Herr- Jahre leiteten repressive Regierungen das schaft dauerte vier Jahrhunderte. Land. Sie setzten in der Aussenpolitik auf die nordatlantischen Beziehungen, stärk- Die christliche «Rückeroberung» begann ten die kolonialen Verbindungen mit Bra- erst Mitte des 8. Jahrhunderts und war silien und Afrika und bekräftigten das 1249, über zweihundert Jahre vor der traditionelle Bündnis mit England. Salazar, spanischen Reconquista, abgeschlossen. der das Land von 1932 bis 1968 regierte, 1255 wurde Lissabon Landeshauptstadt. betrieb eine isolationistische Politik, die Das 1139 gegründete Königreich Portugal er auf die berühmte Formel «stolz allein» gewann seine endgültige Gestalt durch die brachte. Portugal beteiligte sich am Ersten Siege in den Kriegen gegen die Mauren Weltkrieg, um seine Kolonien zu verteidi- und gegen Kastilien im 15. Jahrhundert. gen, blieb jedoch im Zweiten Weltkrieg formell neutral. Damals begann die Zeit der grossen Entde- ckungen. Portugiesische Karavellen zogen Portugal gehörte 1960 zu den Gründungs- übers Meer nach Afrika und erreichten das mitgliedern der Europäischen Freihandels- Kap der Guten Hoffnung. Danach wandten assoziation (EFTA) und trat der Organisa- sie sich nach Indien und Asien und gelang- tion für wirtschaftliche Zusammenarbeit ten später nach Südamerika, vor allem auch und Entwicklung (OECD) bei. Lange wäh- nach Brasilien. Eine Kugel auf der heutigen rende Kolonialkriege in Afrika beeinträch- portugiesischen Flagge symbolisiert die tigten das wirtschaftliche Wachstum des

12 Zeit Geschichtliches Ereignis 139 n. Chr. Römische Herrschaft (Provinz Lusitanien) 409 Einwanderung der Sueben und der Westgoten 713 Maurische Herrschaft 1139 Gründung des Königreichs Portugal 1249 Portugiesische Reconquista 15. Jahrhundert Zeit der grossen Entdeckungen (Afrika, Asien, Brasilien) 1755 Erdbeben von Lissabon 1910 Ende der Monarchie 1932 Beginn der Diktatur Salazar 1974 Militärputsch und Nelkenrevolution 1976 Inkrafttreten der demokratischen Verfassung Portugals 1976 Beitritt zum Europarat 1986 Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)

Tabelle 1: Chronologischer Überblick der Geschichte Portugals

Landes und bildeten den Abschluss der im- 1.2 Geografie perialen Phase. Portugal ist mit seiner 830 km langen Der Militärputsch und die Nelkenrevolu- Küste im Westen und im Süden dem At- tion vom 25. April 1974 führten zum Sturz lantik zugewandt und hat eine 1300 km von Salazars autoritärem Regime. Im Jahr lange gemeinsame Grenze mit Spanien. darauf gewährte Portugal seinen afrikani- Zum portugiesischen Staatsgebiet gehören schen Kolonien die Unabhängigkeit. 1976 die Inselgruppen Madeiras und der Azo- gab sich das Land eine demokratische Ver- ren westlich von Kontinentalportugal. Das fassung und trat dem Europarat bei. 1986 Gebiet auf dem Festland bildet ein «Recht- schloss sich Portugal zusammen mit Spa- eck» mit einer Breite von 160 km und einer nien im Rahmen der dritten Erweiterung Länge von 560 km. Mit einer Fläche von zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 88 800 km2 ist Portugal mehr als doppelt (EWG) an (Europa der Zwölf). Mit dem Bei- so gross wie die Schweiz (41 300 km2). tritt zur EWG erhielt das Land eine demo- kratische Verankerung und Unterstützung Der Tejo, der längste Fluss der Iberischen bei der Modernisierung und der wirtschaft- Halbinsel, trennt zwei geografisch äusserst lichen Entwicklung. unterschiedliche Regionen. Im Süden herr- schen hügelige Ebenen vor. Der Norden ist gebirgig, stark zerklüftet und von tiefen Tälern durchzogen, die die Mobilität von jeher eingeschränkt haben.

13 Abbildung 1: Landkarte Portugal (Städte) Abbildung 2: Landkarte Portugal (Haupt- regionen) Quelle: www.swissemigration.ch Quelle: www.swissemigration.ch

Es können fünf Hauptregionen unterschie- Der Alentejo, das Gebiet «jenseits des den werden: Der Norden ist die ländlichste Tejo» (além Tejo), ist geprägt durch ein Region, in der sich die portugiesische Tra- trocken-heisses Klima. Grossgrundbesitz dition in besonders hohem Mass erhalten herrscht vor, und es werden Getreide, Oli- hat. In den letzten vierzig Jahren sahen sich ven und Korkeichen angebaut. Die Haupt- viele zur Auswanderung aus dem Minho, stadt Evora ist ein touristisches Kleinod. Die aus Douro und Trás-Os-Montes gezwun- Algarve, deren Name auf den maurischen gen. Porto, die Hauptstadt der Region, an Ursprung verweist (Al-Gharb – der Westen) der Mündung des Douro ist bekannt als und Bezug nimmt auf die Westgrenze des Handelsort und natürlich für den Portwein. muslimischen Reichs, ist eine von Bergen Die Zentralregion ist bekannt für ihre ar- geschützte Region mit einem ganzjährig chitektonischen Meisterwerke und histori- milden Klima. Deren Hauptstadt Faro ist schen Stätten. Deren Hauptstadt Coimbra ein Hafenort und ein beliebtes Touristen- beherbergt die 1290 gegründete älteste zentrum. Universität des Landes. Die Region Lissa- bon zeichnet sich durch eine rege Wirt- schaftstätigkeit aus. Die Hauptstadt Lissa- bon ist als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum für ganz Portugal von Bedeutung.

14 100 %

Portugal 80 % EU Schweiz

60 %

40 %

20 %

0 % Männer Frauen Abbildung 3: Erwerbsquote in Portugal, in der EU und in der Schweiz, nach Geschlecht, 2007 Quelle: OECD, 2009

1.3 Die portugiesische werbsquote der portugiesischen Bevölke- Wirtschaft heute rung liegt sowohl bei den Männern wie bei den Frauen über dem Durchschnitt der EU- Portugal hat etwas mehr als 10 Millionen Staaten, aber unter dem schweizerischen Einwohner. Der Anteil der älteren Personen Durchschnitt (OECD 2009). Schätzungs- (17 %) lag 2007 über dem der Schweiz weise ein Fünftel der Erwerbstätigen arbei- (16 %) und demjenigen der OECD-Länder tet als «Dienstleister» ohne Arbeitsvertrag (14 %). Der in den 1980er-Jahren noch ne- und Sozialleistungen. gative Wanderungssaldo wurde mit der Zu- nahme der Einwanderung im beginnenden Das Wirtschaftswachstum stieg im Zeit- 21. Jahrhundert positiv. Die Zugewander- raum von 1997 bis 2002 über den EU- ten (2006 6 % der Bevölkerung) stammen Durchschnitt, war jedoch von 2002 bis vorwiegend aus Osteuropa und den ehe- 2007 rückläufig. Gemäss Eurostat beträgt maligen portugiesischen Kolonien. das BIP von Portugal nur 75 % des Durch- schnitts der EU-27 und ist damit das nied- Seit dem Beitritt zur Europäischen Ge- rigste in der Eurozone. Länder wie Malta, meinschaft 1986 hat sich die Wirtschaft die Tschechische Republik, Slowenien und diversifiziert und zunehmend zum tertiären Zypern, die der EU 2004 beigetreten sind, Sektor hin verlagert. Die Dienstleistungen verzeichnen ein höheres BIP als Portugal. machen 72 % des BIP aus, die Industrie 25 % und die Landwirtschaft 3 %. Die Er-

15 1.4 Geschichte der portugie­ Nach Unterbrüchen infolge des Ersten sischen Auswanderung Weltkriegs, der Rezession der 1930er- Jahre und des Zweiten Weltkriegs kam die Expertenmeinung Auswanderung in den 1960er-Jahren wie- «Die Portugiesen begannen 1415, ihr Land der in Gang. Es begann die «europäische zu verlassen, und die Auswanderung hält Phase», die bis heute andauert. Wichtigste bis heute an. Der Grund war einst, dass es Zielländer waren nacheinander Frankreich, die bedeutendste Macht der Welt war. Die- Deutschland und die Schweiz (Baganha ses Land ist erfüllt vom Stolz eines Volkes, 1994). In Frankreich ersetzten nicht oder das einmal die Welt regiert hat und über- wenig qualifizierte portugiesische Arbeits- allhin gelangt ist. Ein kleines Volk mit einer kräfte die Italiener und Spanier, die es auf- achthundertjährigen Geschichte: Es ist an- grund der besseren Arbeitsbedingungen passungsfähig, lässt sich aber nur schwer nach Deutschland zog. Zwischen 1962 und assimilieren.» 1973 verliessen rund 1 Million Menschen Interkultureller Mediator Portugal: 80 % begaben sich nach Frank- reich, 17 % nach Deutschland. In Frank- Portugal blickt auf eine sehr lange Migra- reich arbeiteten sie im Baugewerbe (insbe- tionsgeschichte mit wechselnden Destina- sondere im Tiefbau), in privaten Haushalten tionen zurück. Von Ende des 19. bis Mitte und im Gastgewerbe, in Deutschland hin- des 20. Jahrhunderts wanderten die Portu- gegen vorwiegend in der Industrie, im Bau- giesen vor allem nach Brasilien aus. In der gewerbe und im Transportwesen. Fachliteratur wird diese Periode als «brasi- lianische Phase» bezeichnet. Dieses Land Die Portugiesen, die in den 1960er-Jahren nahm 80 % der ausgewanderten Portu- auswanderten, kamen hauptsächlich aus giesen auf. Eine weitere wichtige Desti­ den Gegenden nördlich des Tejo. Diese nation waren vor dem Ersten Weltkrieg Provinzen waren schon immer die bedeu- auch die Vereinigten Staaten. Die «ameri- tendsten Auswanderungsgebiete und sind kanische Phase» setzte sich bis 1960 fort, es auch heute noch. Es wanderten vorwie- wobei Kanada, die Vereinigten Staaten, gend Personen aus bäuerlichen Familien Argentinien und Venezuela die wichtigsten aus, deren kleine Landgüter nicht aus- Zielländer der Portugiesen darstellten. Die reichten, um allen den Lebensunterhalt zu damaligen Auswanderer waren vor allem sichern. Daneben emigrierten auch Taglöh- Männer zwischen 20 und 40 Jahren, die ner, die der ständigen Arbeitslosigkeit zu mehrheitlich Analphabeten waren und aus entkommen suchten, und Dorfhandwerker ländlichen Gegenden stammten, nament- mit geringem Einkommen. Viele von ihnen lich aus den Provinzen Minho, Beira Alta, verfügten über eine sehr geringe oder gar Trás-Os-Montes, von den Azoren und von keine Schulbildung. Dies galt insbesondere Madeira (Marques 2008). für die, die nach Frankreich auswanderten. Ab den 1920er-Jahren stellten die Portu­ giesen in eklatanter Weise die am wenigs-

16 ten alphabetisierten Zuwanderer europäi- konnte somit auch nicht legal ausreisen scher Herkunft dar. (Rocha 1965 in Marques 2008: 209).

Für Portugal war es eine noch nie da gewe- In den 1970er-Jahren stammten die Mig- sene Landflucht, die sich durch den Weg- ranten zwar immer noch aus ländlichen zug bestimmter Gruppen von Arbeitneh- Gebieten, doch nun kamen auch qualifi- menden aus städtischen Industriegebieten zierte Personen aus Industrie und Hand- zusätzlich verstärkte. Zwischen 1958 und werk hinzu. Diese kamen aus allen Ge- 1974 verliessen 1,5 Millionen Portugiesen genden des Landes, z. B. auch aus Aveiro, das Land (Soares de Bastos Schmid 2006). Braga, Porto, Leiria, Lissabon und Viseu Das Phänomen nahm solche Ausmasse an, (Almeida und Barreto 1970). Die Migration dass die Bevölkerung Portugals in mehre- nach Kanada, in die USA und nach Brasilien ren Regionen deutlich schrumpfte, und dauerte fort, wobei jene Migranten haupt- dies trotz einer verhältnismässig hohen sächlich von den Azoren oder von Madeira Geburtenrate. Die damalige Auswande- stammten. Mit der Wirtschaftskrise der rung hatte auch eine illegale Komponente: 1970er-Jahre ging sie stark zurück. Oft wanderten Personen aus, die sich auf rechtmässige Weise keine Papiere besorgen Die Nelkenrevolution von 1974 begüns- konnten. Wer unter 35 Jahre alt war und tigte die Rückkehr der Intellektuellen nach nicht über die erforderliche Schulbildung Portugal. Die Migration nahm zwar in den (Zeugnis für das dritte Schuljahr) verfügte, 1980er-Jahren erneut zu, doch hatte sie hatte keinen Anspruch auf einen Pass und sich wesentlich verändert. Nach den Öl-

17 schocks der 1970er-Jahre schloss Frank- 1.5 Geschichte der portugie­ reich, die bis dahin beliebteste europäi- sischen Einwanderung sche Destination der Portugiesen, seine in die Schweiz Grenzen (Baganha 2003). Damit wurde die Schweiz zu einem neuen Zielland der In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts portugiesischen Auswanderer: 1992 stand gelangten zunächst nur wenige portu- die Schweiz hinsichtlich der Geldtransfers giesische Einwanderer in die Schweiz, die (Remittances) portugiesischer Migranten meisten von ihnen wanderten jedoch nach an zweiter Stelle. Genf aus. Es handelte sich vorwiegend um Studierende und Intellektuelle, die Die Aufhebung der Beschränkungen für sich dem repressiven politischen Regime das Ausstellen von Pässen zog die Ab- entziehen wollten. Formell waren es zwar schaffung des Auswandererregisters nach keine politischen Flüchtlinge, doch gingen sich. Seither ist es schwieriger, das Profil aus ihren Reihen zahlreiche Persönlich- der Auswanderer zu bestimmen. Dennoch keiten hervor, die nach der Einleitung des lässt sich feststellen, dass die Auswande- Demokratisierungsprozesses – der mit der rer überwiegend männlich und jung sind Nelkenrevolution begann – die Politik Por- und aus dem Zentrum (Lissabon und Te- tugals mitbestimmten. Heute erinnert eine jotal) und dem Norden des Landes (1999: Gedenktafel an die Rolle, die Genf in dieser 91 % der Auswanderer) kommen (Marques Zeit gespielt hat: 2008: 223). «In der Brasserie Landolt fanden vor der Die Migration spielt sich nun in einem ins- Nelkenrevolution vom 25. April 1974 die titutionellen Kontext ab, der sich mit dem Versammlungen der portugiesischen poli- Beitritt des Landes zur EG und mit der 2002 tischen Flüchtlinge statt. 25 Jahre danach eingeführten Personenfreizügigkeit grund- drücken diese Portugiesen Genf ihre Dank- legend verändert hat. Mit der Freizügigkeit barkeit aus.» hat der familiäre Aspekt an Bedeutung ge- wonnen und die sogenannten «entsandten Anders verhielt es sich mit der Arbeitsmi- Arbeitnehmer» sind aufgetreten. Zudem gration. In der Schweiz wurde Portugal in wandern die Portugiesen seither in eine den 1960er-Jahren erstmals als mögliches Vielzahl europäischer Länder aus. Herkunftsland von Arbeitsmigranten er- wähnt. Die Schweizer Behörden, die 1958 mit Italien und 1961 mit Spanien ein Mig- rationsabkommen geschlossen hatten, wa- ren aber nicht bereit, auch mit Portugal ein solches Abkommen abzuschliessen (Mah- nig et al. 2005: 134), weil sie die Zuwan- derung von Staatsangehörigen anderer südlicher Länder (namentlich genannt wur-

18 200 000

150 000

100 000

50 000

0 1983 1988 1993 1998 2003 2008 Abbildung 4: Entwicklung der portugiesischen Einwanderung in die Schweiz (kumulativ) Quelle: ZAR 1983–2008 den Portugal und die Türkei) einschränken dem Wortlaut der mit Italien und Spanien wollten. Die Behörden befürchteten näm- abgeschlossenen Abkommen entsprach lich, dass Arbeitskräfte aus Regionen, de- und die Arbeitskräfte als Saisonarbeiter ren Lebensweise sich stark von der schwei- verstand. Ein halbprivater Dienst für die zerischen unterscheidet, sich nur schwer an Rekrutierung portugiesischer Arbeitskräfte unsere Arbeits- und Lebensbedingungen arbeitete im Einvernehmen mit dem Eid- gewöhnen könnten. Die Unterschiede in genössischen Volkswirtschaftsdepartement der Lebensart sowie in den politischen, so- und dem Eidgenössischen Departement für zialen und religiösen Auffassungen erschie- auswärtige Angelegenheiten zusammen. nen ihnen allzu gross1 (Cerutti 2005: 133). Nach dem Ende der Rezession infolge der So fanden die Portugiesen erst zwanzig beiden Ölschocks in den 1970er-Jahren Jahre später – in den 1980er-Jahren – den wurde die Nachfrage nach Arbeitskräften Weg in die Schweiz. Sie drängte sich als Al- für wenig qualifizierte Tätigkeiten durch ternative zu Frankreich auf, das Mitte der Arbeitnehmende aus neuen Rekrutierungs- 1970er-Jahre seine Grenzen für Zuwan­ ländern gedeckt (Afonso 2006). In der derer gänzlich geschlossen hatte (Baganha Tat nahm die Zuwanderung aus Portugal 2003). Die Schweiz traf mit Portugal eine zwischen 1986 und 1992 einen raschen Verwaltungsvereinbarung, die weitgehend Aufschwung. Die Hälfte aller in den letz-

1 Kreisschreiben des Justiz- und Polizeidepartements vom ten dreissig Jahren aus Portugal zuge- 16. März 1964. Bericht der Studienkommission für das wanderten Personen (rund 100 000) kam Problem der ausländischen Arbeitskräfte, 1964 vom BIGA veröffentlicht (BIGA 1964: 183). zwischen 1989 und 1994 in die Schweiz

19 (Piguet 2005). Danach führte das stag- herabsetzte. Dieselbe Erleichterung hatte nierende Wirtschaftswachstum zu einem sie 1983 bereits den Italienern und 1989 Rückgang der Einwanderung. Die saisonale den Spaniern zugestanden (Mahnig et al. Migration erstreckte sich jedoch über einen 2005: 175). längeren Zeitraum. Seit den 1990er-Jahren gilt für die portu- In den 1990er-Jahren setzte in der Schweiz giesische Einwanderung die von der auch der Prozess ein, der zu einer Neube- Schweiz mit der EU ausgehandelte Rege- stimmung der Migrationspolitik führte. lung. Die Portugiesen sind wahrscheinlich Grund dafür waren die steigende Bedeu- die Ausländergruppe, die von den unter tung der Asylfrage und die Annäherung dem Personenfreizügigkeitsabkommen an die EU im Hinblick auf die Schaffung verbesserten Einwanderungsbedingungen des Europäischen Wirtschaftsraums (der am meisten profitiert hat. Dieses hat we- allerdings in der Volksabstimmung von sentlich zur Stabilisierung der aufenthalts- 1992 abgelehnt wurde). Vor Aufnahme rechtlichen Situation der portugiesischen der Verhandlungen zur Abschaffung des Einwanderer beigetragen. Saisonnier­statuts lockerte die Schweiz die bis anhin geltende Regelung, indem sie 1990 die Frist für die Erteilung der Nie- derlassungsbewilligung an portugiesische Staatsangehörige von zehn auf fünf Jahre

20 Weiterführende Literatur

Afonso, Alexandre (2006). Les métamor- phoses de l’étranger utile. Internationali- sation et politique d’immigration dans la Suisse du tournant néolibéral. A Contrario. Revue Interdisciplinaire de Sciences Socia- les, 4 (1): 99–116.

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Baganha, Maria Ioannis (2003). Por- tuguese Emigration After World War II, in Pinto, Costa Antonio (Hg.), Contem- porary Portugal: Politics, Society and Cul- ture. Boulder: Social Science Monographs, S. 139–156.

Mahnig, Hans et al. (Hg.) (2005). His­ toire de la politique de migration, d’asile et d’intégration en Suisse depuis 1948. Zürich: Seismo.

Marques, Laranjo José Carlos (2008). Os Portugeueses na Suiça. Migrantes Euro- peus. Lisboa: ICS Imprensa de Ciências So- ciais.

21 2 Die portugiesische Einwanderung in die Schweiz: Fakten und Zahlen

22 In Kürze

– 2008 lebten in der Schweiz rund ausländischen Bevölkerung (23 % 196 000 portugiesische Staatsangehö- gegenüber 20 %). Auch haben deutlich rige. Dies entspricht 12 % der ständigen mehr Personen aus Portugal ein oder ausländischen Wohnbevölkerung des mehrere unterhaltspflichtige Kinder Landes. Die Zugewanderten aus Portu- unter 15 Jahren als die Angehörigen gal bilden hinter den Migranten aus anderer Migrantengruppen (fast 51 % Italien und Deutschland die drittgrösste gegenüber 28 % bei den Angehörigen Ausländergruppe. anderer EU-Staaten und 19 % in der – Hauptgrund für die portugiesische Schweizer Bevölkerung). Einwanderung ist die Arbeit. Zwei Drittel – Die Einbürgerung von Personen aus der Zugewanderten aus Portugal haben Portugal ist mit einem Anteil von rund eine Niederlassungsbewilligung, was auf 4 % an der Gesamtzahl der Einbür- eine deutliche Stabilisierung ihrer auf- gerungen in der Schweiz eher selten. enthaltsrechtlichen Situation hinweist. Frauen lassen sich häufiger einbürgern – Mit dem Inkrafttreten des Personen- als Männer. freizügigkeitsabkommens, welches die – Die Westschweizer Kantone verzeichnen Zuwanderung von Personen aus den die höchsten Anteile an portugiesischen EU-Ländern erleichtert hat, ist die Zahl Staatsangehörigen. Die grösste Gruppe der portugiesischen Staatsangehörigen befindet sich mit rund 40 000 Einwoh- mit einer B- oder L-Bewilligung gestie- nern im Kanton Waadt. Auch in den gen. Tourismuskantonen Graubünden und – Der Wanderungssaldo ist seit rund Wallis leben viele Portugiesen. 15 Jahren negativ. Obwohl viele neu zugewandert sind, haben seit 1996 mehr Portugiesen die Schweiz verlassen, als sich im Land niedergelassen haben. – Es handelt sich um eine eher junge Bevölkerungsgruppe, in der die 20- bis 59-Jährigen und die unter 15-Jährigen übervertreten sind. Ältere Personen über 60 Jahre leben nur wenige in der Schweiz, weil viele von ihnen bei Errei- chen des Rentenalters nach Portugal zurückkehren. – Bei den Portugiesen liegt zudem der Anteil junger Personen unter 15 Jahren über dem Durchschnitt der gesamten

23 Obwohl die Einwanderung aus Portugal 2.1 Demografische Daten: in der Schweiz bedeutend ist, ist sie noch Wohnbevölkerung wenig erforscht. Sie nimmt eine besondere und Migrationsströme Stellung ein, weil sie zwei Arten von Migra- tion vereint: Die Migrationsgeschichte der Ende 2008 hatten rund 196 000 portu- Portugiesen weist einige Gemeinsamkeiten giesische Staatsangehörige ihren stän- mit früheren Migrationsströmen auf; seit digen Wohnsitz in der Schweiz (BFM 2002 entwickelt sie sich jedoch in einem 2009a). Dies entspricht etwas weniger als völlig neuen politischen und wirtschaftli- 12 % der gesamten ständigen ausländi- chen Umfeld, das durch das Inkrafttreten schen Wohnbevölkerung des Landes. Die des bilateralen Abkommens über die Perso- Portugiesen bilden damit die drittgrösste nenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und Ausländergruppe hinter den Italienern der EU geprägt ist. Bei einem Teil der Por- (rund 290 000) und den Deutschen (rund tugiesen verläuft die Einwanderung nach 235 000). Sie ist in den letzten Jahren ste- dem Muster der Arbeitsmigration, wie sie tig gewachsen: Von 2007 bis 2008 wurden für die Gastarbeiterphase typisch war. Zu fast 14 000 Neuzugewanderte registriert, den Merkmalen dieser Migration gehören was einem Zuwachs der portugiesischen die hohe Rotation der Arbeitskräfte, die Bevölkerung um nahezu 8 % entspricht. berufliche Integration in bestimmte Wirt- Hinsichtlich der Neuzuwanderung liegen schaftssektoren und eine ausgeprägte die portugiesischen Staatsangehörigen da- Rückkehrbereitschaft, die nach wie vor be- mit an zweiter Stelle hinter den Deutschen steht. Heute lässt sich ein hoher Anteil an mit über 30 000 Neuzugewanderten, was Frauen (45 %) und jungen Personen zwi- einer Zunahme dieser Ausländergruppe um schen 0 und 19 Jahren (13 %) feststellen, etwas weniger als 16 % entspricht. beides Indikatoren für eine Stabilisierung des Migrationsstroms. Die familiäre Dimen- Die Auswanderung in die Schweiz war bis sion war stets wesentlich für die portu- in die 1980er-Jahre kaum nennenswert. giesische Einwanderung. Viele Saisonniers Vorher hatten lediglich Oppositionelle, die liessen Familienangehörige in die Schweiz dem diktatorischen Regime Salazars ent- nachkommen, obwohl der Familiennach- kommen wollten, in der Schweiz Zuflucht zug verboten war. Frauen und Kinder leb- gefunden. Als nach dem zweiten Ölschock ten damals als Sans-Papiers in der Schweiz, der konjunkturelle Aufschwung wieder fanden jedoch Zugang zu unangemeldeter einsetzte, traten die Portugiesen an die Erwerbstätigkeit und zur Schule. Stelle der deutlich abnehmenden italieni- schen und spanischen Arbeitskräfte (Mo- nico 2009). (vgl. Kapitel 1.4: Geschichte der portugiesi- schen Auswanderung und Kapitel 1.5:

24 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07

Deutschland Italien Portugal Spanien Andere Länder EU-15 / EFTA-3 Ehemaliges Jugoslawien Türkei Andere europäische Länder Afrika Amerika Asien Ozeanien / andere Länder

Abbildung 5: Verteilung der ausländischen Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeit, 1981–2007 Quelle: ZAR 1981–2007

Geschichte der portugiesischen Einwande- sie 1986 die Schwelle von 5 % und 2003 rung in die Schweiz.) die Schwelle von 10 % (Abbildung 5).

Die Statistik zeigt, dass der Anteil der Die portugiesische Bevölkerung ist seit Be- portugiesischen Migranten in der Schweiz ginn der 1980er-Jahre ziemlich linear ge- in dem Mass gestiegen ist, in dem die Zu- wachsen. Sie nahm bis Mitte der 1990er- wanderung aus anderen südeuropäischen Jahre kontinuierlich zu. Danach folgte Ländern – den traditionellen Herkunfts- eine Phase der Stagnation, die von 1995 ländern von Arbeitskräften – zurückge- bis 2002 dauerte und mit einer schweren gangen ist. Diese Bevölkerungsgruppe ist Krise des Bausektors zusammenfiel. Nach rasch gewachsen: Während sie 1981 noch dem Inkrafttreten des Personenfreizü- kaum mehr als 1,5 % der gesamten auslän- gigkeitsabkommens mit der EU und der dischen Bevölkerung ausmachte, überstieg damit verbundenen Abschaffung des Sai- sonnierstatuts für portugiesische Staatsan-

25 200 000

Ausweis L > 12 Monate Ausweis L < 12 Monate Ausweis C 150 000 Ausweis B Saisonniers

100 000

50 000

0 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07

Abbildung 6: Entwicklung der portugiesischen Bevölkerung nach Aufenthaltskategorie, seit 1981 Quelle: ZAR 1981–2007 gehörige kam die Migration 2002 wieder giesischen Migranten mithilfe dieser Rege- in Gang. Typisch für die portugiesische lung in die Schweiz. Dem Statut entspricht Einwanderung ist vor allem, dass sie mit heute teilweise die L-Bewilligung für Ange- den verschiedenen Konjunkturphasen der hörige von EU-Mitgliedstaaten. Sie erlaubt schweizerischen und portugiesischen Wirt- ihnen, sich zur Ausübung einer Erwerbs- schaft korreliert. Der «Stillstand» Mitte tätigkeit vorübergehend in der Schweiz der 1990er-Jahre lässt sich insbesondere aufzuhalten. Diese Bewilligung bietet ei- mit einer Verschlechterung der Lage des nige Verbesserungen, insbesondere den schweizerischen Arbeitsmarktes erklären, Anspruch auf Familiennachzug, der bei während das erneute Einsetzen der Zu- der Saisonbewilligung nicht bestand. 2007 wanderung Anfang des 21. Jahrhunderts verfügten etwas weniger als 10 % der teilweise auf die damalige schwierige Wirt- portugiesischen Migranten über diese Be- schaftslage Portugals zurückzuführen ist willigung. (Abbildung 6). Die in der Schweiz lebenden Portugiesen Bis zur Abschaffung des Saisonniersta- besitzen heute jedoch grösstenteils eine tuts 2002 gelangten die meisten portu- Bewilligung für einen länger dauernden

26 12 000

10 000

8 000

6 000

4 000

2 000

0

–2 000

–4 000

–6 000 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05

Abbildung 7: Wanderungssaldo der portugiesischen Bevölkerung, 1982–2005 Quelle: ZAR 1981–2005

Aufenthalt. Bis Ende der 1980er-Jahre hat- nach einigen Jahren wieder zu verlassen. ten die meisten eine B-Bewilligung, wäh- Die Rückkehr nimmt häufig konkrete Ge- rend heute deutlich mehr Portugiesen über stalt an, wenn das Rentenalter näher rückt, eine C-Bewilligung verfügen (66 % gegen- das viele der in den 1980er-Jahren zuge- über 24 %). Dies ist ein klares Zeichen für wanderten Personen heute erreicht haben. eine Stabilisierung der aufenthaltsrechtli- Diese Tendenz hat sich mit der 2002 erneut chen Situation. einsetzenden Zuwanderung deutlich abge- schwächt. Auch wenn die Migration aus Portugal (vgl. Kapitel 6.1: Rückkehrverhalten im ständig zugenommen hat, ist der Wande- Wandel) rungssaldo seit rund 15 Jahren negativ. Ob- wohl viele neu zugewandert sind, haben Von den in der Schweiz wohnhaften Portu- seit 1996 mehr Portugiesen die Schweiz giesen ist nur eine Minderheit auf Schwei- verlassen, als sich im Land niedergelassen zer Boden geboren. 2007 waren es weniger haben (Abbildung 7). als 20 %. Der Anteil der in der Schweiz ge- borenen Kinder steigt jedoch: Während er Diese überraschende Feststellung erklärt 1987 nur 9 % betrug, hat er sich innerhalb sich durch die Art des Migrationsprojekts von 20 Jahren verdoppelt (Abbildung 8). der Portugiesen, die die Schweiz oft als vorübergehenden Arbeitsort betrachten In Portugal geborene Personen, die sich seit und in der Regel beabsichtigen, das Land über fünf Jahren in der Schweiz aufhalten,

27 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006

Im Ausland geboren (Anwesenheitsdauer: 0–4 Jahre) Im Ausland geboren (Anwesenheitsdauer: 5 Jahre und mehr) In der Schweiz geboren

Abbildung 8: Verteilung der portugiesischen Bevölkerung nach Geburtsort (in %) Quelle: ZAR 1984–2007 bilden heute die überwiegende Mehrheit Bewilligung zurückzuführen ist. Diese Ein- (über 50 %), während sie 1984 nur 24 % wanderungswelle steht vor allem im Zu- ausmachten. Diese Zahlen zeigen, dass sammenhang mit dem Inkrafttreten des die portugiesische Einwanderung ein eher Personenfreizügigkeitsabkommens, das junges Phänomen darstellt und dass die Personen aus EU-Staaten den Zuzug in die Anwesenheitsdauer relativ lang ist, obwohl Schweiz erleichtert. die Mehrheit der Personen aus Portugal ihr Migrationsprojekt nur als vorübergehend ansieht. 2.2 Altersstruktur, Geschlecht und Zivilstand Die Zahl der Personen, die sich seit über fünf Jahren in der Schweiz aufhalten, hat Kennzeichnend für die portugiesische von Anfang der 1980er-Jahre bis Anfang Bevölkerung in der Schweiz ist die Über- der 2000er-Jahre ständig zugenommen. vertretung von Personen mittleren Alters. Ab 2002 zeigt sich eine umgekehrte Ten- Dementsprechend sind portugiesische denz, was insbesondere auch auf den Staatsangehörige, die sich meistens zur Zuzug von Personen mit einer B- oder L- Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der

28 80+ Männer Frauen 75–79 70–74 65–69 60–64 55–59 50–54 45–49 40–44 35–39 30–34 25–29 20–24 15–19 10–14 5–9 0–4

12 000 9000 6000 3000 0 3000 6000 9000 12 000

Abbildung 9: Altersstruktur der portugiesischen Bevölkerung nach Geschlecht, 2007 Quelle: ZAR 2007

Schweiz niedergelassen haben, häufiger ten aus. Dies ist der höchste Anteil von al- berufstätig als Schweizer Staatsangehö- len Migrantengruppen. rige. Dagegen sind ältere Personen deutlich (vgl. Kapitel 3: Ausbildung der Migranten untervertreten, was vor allem auch damit und ihrer Kinder) zu erklären ist, dass viele bei Erreichen des Rentenalters nach Hause zurückkehren Im Jahr 2007 bildeten die Männer die und dass die Migration aus Portugal erst in Mehrheit, rund 45 % waren Frauen. 1980 jüngerer Zeit begonnen hat (Abbildung 9). hatten diese noch 38 % und 1990 42 % der portugiesischen Bevölkerung in der Diese Migrantengruppe weist auch einen Schweiz ausgemacht. Heute entfallen 60 % Anteil junger Personen unter 15 Jahren auf, der neuen Bewilligungen, die Personen aus der über dem Durchschnitt in der gesam- Portugal erteilt werden, auf Frauen. Damit ten ausländischen Bevölkerung liegt (23 % hat diese Migrantengruppe den höchsten gegenüber 20 %). 6 % der Portugiesen Frauenanteil (Wanner et al. 2002). Diese sind zwischen 15 und 19 Jahre alt. Demzu- Feminisierung unterscheidet die Zuwande- folge wächst die Zahl der portugiesischen rung aus Portugal von allen anderen Grup- Schüler weiter (2000 rund 29 800). 2000 pen von Arbeitsmigranten. Daraus lässt machten Kinder und Jugendliche unter 15 sich auch ableiten, dass der Familiennach- Jahren 27 % der portugiesischen Migran- zug in vollem Gange ist und dass in dieser Migrantengruppe die Einschulung und die

29 80 %

70 %

60 %

50 %

40 %

30 %

20 %

10 %

0 % Schweiz EU Portugal

Ledig Geschieden / getrennt

Verheiratet Verwitwet

Abbildung 10: Zivilstand nach Staatsangehörigkeit Quelle: Berechnungen SFM auf Grundlage der SAKE 2003–2007 (pooled data). Nicht gewichtete Daten.

Eingliederung der Kinder und Jugendlichen jedoch weiterhin deutlich unter derjenigen in der Schweiz zunehmend an Bedeutung der Schweizer und der EU-Staatsangehö- gewinnen. Denn die neuen Bewilligungen, rigen. Der Anteil der Verwitweten ist mit die portugiesischen Staatsangehörigen weniger als einem Prozent sehr gering, aus Gründen des Familiennachzugs erteilt was mit dem relativ niedrigen Alter der in werden, machen die Hälfte aller Bewilli- der Schweiz lebenden Portugiesen und der gungen aus, die Anfang der 2000er-Jahre häufigen Rückkehr von Pensionierten zu- im Rahmen der primären und sekundären sammenhängt (Abbildung 10). Einwanderung erteilt worden sind. Die Portugiesen leben am häufigsten in Was den Zivilstand betrifft, sind etwas einem Haushalt, der aus einem Paar mit mehr als zwei Drittel der portugiesischen Kind(ern) besteht. Diese Familienform Staatsangehörigen verheiratet (70 %). Sie überwiegt sowohl bei allen Ausländer- sind seltener ledig als Schweizer Bürger gruppen als auch in der einheimischen oder Personen aus anderen EU-Ländern. Bevölkerung. Bei der portugiesischen Die Zahl der Ledigen hat jedoch seit 1993 Bevölkerung ist sie jedoch etwas stärker etwas zugenommen. Ab 1991 ist auch vertreten als in der Schweizer Bevölkerung: die Scheidungsrate (einschliesslich Tren­ 61 % der Zugewanderten und 68 % der in nungen) tendenziell leicht gestiegen, liegt der Schweiz Geborenen leben in einem sol-

30 Einpersonenhaushalt Zugewanderte In der Schweiz Geborene

Ehepaar ohne Kinder

Ehepaar mit Kind(ern)

Einelternhaushalt

0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 %

Abbildung 11: Verteilung der portugiesischen Bevölkerung nach Haushaltstyp, 2000 Quelle: Volkszählung 2000 chen Haushalt. Einelternhaushalte sind bei jungen Personen der zweiten Generation fast doppelt so häufig wie bei Angehöri- gen der ersten Generation (Abbildung 11). Allerdings lässt sich diese Tendenz auch bei der schweizerischen Wohnbevölkerung und bei allen anderen Ausländergruppen feststellen. (vgl. Kapitel 5.1: Familie und innerfamiliäre Beziehungen)

Der Anteil von Personen mit einem oder mehreren unterhaltspflichtigen Kindern unter 15 Jahren ist bei den Portugiesen ebenfalls deutlich höher als in anderen Mi- grantengruppen: Er beträgt fast 51 %; bei den Angehörigen anderer EU-Staaten sind es hingegen nur 28 %. In der Schweizer Bevölkerung liegt der Anteil bei 19 %.

31 2500

2000

1500

1000

500

0 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07

Abbildung 12: Entwicklung der jährlichen Einbürgerungen von Personen aus Portugal, 1981–2008 Quelle: ZAR 1981–2008

2.3 Einbürgerung sie stark rückläufig (Abbildung 12). 2008 waren 0,9 % der portugiesischen Bevölke- Mit 1725 Einbürgerungen im Jahr 2008 rung in der Schweiz eingebürgert. (BFM 2009b) belegen die Personen aus Portugal im Vergleich mit den anderen Diese Tendenz ist zurückzuführen auf die Ausländergruppen nur den zehnten Rang. Art der portugiesischen Einwanderung Auf sie entfallen nur knapp 4 % aller Ein- in die Schweiz. Da der Aufenthalt nur als bürgerungen im Jahr 2008. vorübergehend angesehen wird und die Rückkehr eingeplant ist, besteht keine Portugiesische Staatsangehörige lassen Veranlassung zum Erwerb der Schweizer sich nur selten einbürgern. In einer 2002 Staatsbürgerschaft. In den letzten Jah- durchgeführten Studie schätzen Wanner ren ist zu beobachten, dass mehr Frauen und Piguet, dass sie von allen Migranten- ein Einbürgerungsgesuch gestellt haben gruppen eine der niedrigsten standardisier- als Männer (2007 waren über 57 % der ten Einbürgerungsziffern verzeichnen: Mit eingebürgerten Personen aus Portugal 0,5 % liegt ihre Einbürgerungsziffer knapp Frauen). Dieser Unterschied könnte damit über derjenigen der Spanier, die im Gegen- zusammenhängen, dass die Frauen eher satz zu den Portugiesen vor 2003 keine dazu neigen, eine gemischte Ehe (mit ei- Doppelbürgerschaft kannten. Die Zahl der nem Schweizer) einzugehen als die portu- Einbürgerungen hatte von 2004 bis 2006 giesischen Männer. deutlich zugenommen, doch seit 2006 ist

32 Total: 182 324

Maximum: 39 379 (Waadt)

km 0 25 50

Abbildung 13: Anzahl portugiesischer Staatsangehöriger pro Kanton* Quelle: PETRA, ZAR 2007

* Erstellt mit Philcarto: http://perso.club-internet.fr/philgeo, Clémence Merçay / Institut de géographie UNINE

2.4 Geografische Verteilung wohnern portugiesischer Herkunft (20 %) der portugiesischen die grösste portugiesische Bevölkerung. Bevölkerung Auch die Kantone Genf (31 000) und Zü- rich (19 000) weisen eine hohe Anzahl von Die 195 000 portugiesischen Staatsange- Migranten aus Portugal auf (Abbildung 13). hörigen in der Schweiz verteilen sich nicht gleichmässig über das gesamte Staatsge- Die Konzentration der portugiesischen biet. Besonders viele wohnen in den Kan- Staatsangehörigen auf bestimmte Re­ tonen Waadt, Genf und Zürich. Auch die gionen zeigt sich darin, dass ihr Anteil an Kantone Neuenburg, Freiburg und Wallis, der Wohnbevölkerung (alle Nationalitäten die auf der Nordwest-Südwest-Achse lie- zusammengenommen) in fünf der sechs gen, verzeichnen grössere portugiesische Westschweizer Kantone über 5 % beträgt. Migrantengruppen. Gesamthaft gesehen Der Grund für diese einseitige Verteilung wohnen rund zwei Drittel (63 %) der Portu- liegt wahrscheinlich in der sprachlichen giesen in der Westschweiz. Verwandtschaft zwischen dem Portugiesi- schen und dem Französischen, welche die In absoluten Zahlen ausgedrückt, verzeich- Integration der Neuzugewanderten erleich- net der Kanton Waadt mit fast 40 000 Ein- tern kann. Dieser Faktor spielte möglicher-

33 km 0 25 50

5* Von 2,3 % bis 3,8 % 5* Von 3,9 % bis 6,3 % 6* Von 6,4 % bis 8,8 % 5* Von 8,9 % bis 20,6 % 5* Von 20,7 % bis 32,3 % * Anzahl Kantone

Abbildung 14: Anteil portugiesischer Staatsangehöriger an der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung* Quelle: PETRA, ZAR 2007

* Erstellt mit Philcarto: http://perso.club-internet.fr/philgeo, Clémence Merçay / Institut de géographie UNINE weise nicht nur bei der Gebietswahl der Arbeitskräfte angewiesen ist, egal ob sie Migranten eine Rolle, sondern auch in der eine Niederlassungs- oder eine Kurzaufent- Rekrutierungspolitik der Unternehmen. haltsbewilligung besitzen.

Herkömmlicherweise konzentriert sich die Von den städtischen Agglomerationen Einwanderung vorwiegend auf städtische bildet die Agglomeration Genf und Um- Gebiete. Die Migration aus Portugal bildet gebung das grösste Einzugsgebiet für jedoch eine Ausnahme, da Kantone wie Migranten aus Portugal: Rund 35 000 Wallis und Graubünden erhebliche Anteile Personen aus Portugal haben dort ihren von portugiesischen Personen verzeichnen ständigen Wohnsitz. Die geografische Ver- (Abbildung 14). Die Anwesenheit der Por- teilung konzentriert sich hauptsächlich auf tugiesen in diesen Kantonen erklärt sich die Stadt Genf sowie die angrenzenden durch die wirtschaftliche Bedeutung des Gemeinden (insbesondere Vernier, Lancy, Gastgewerbes, das stets auf portugiesische Meyrin, Onex und Carouge). Die im Kanton

34 36 36

23

49 34

37 30 7 16 25 54 22 9 875 10 17 101 Total: 34 300 6 1 21 1367 40 25 3

26

9 30

18 Maximum: 13 050 90 32 (Genf) 58 8 11

Minimum: 0 26 (Signy-Avenex) 17 664 19 46

50 52 100

207 40 18 23 417 1926 45 14 59 8 196 87 4164 29 13050 93 19 2613 1151 24 770 415 1655 19 1884 302 94 79 254 9 420 41 14 171 km 29 9 77 0 2,5 5

Abbildung 15: Anzahl portugiesischer Staatsangehöriger pro Gemeinde in der Agglome- ration Genf* Quelle: PETRA, ZAR 2007

* Erstellt mit Philcarto: http://perso.club-internet.fr/philgeo, Clémence Merçay / Institut de géographie UNINE

35 2 1 243 Total: 20 178 13 7 8 2 9 7 18 183 135 25 6 23 61 0 52 4 Maximum: 7745 14 27 65 (Lausanne) 210 12 19 8 9 18 13 Minimum: 0 14

(Poliez-le-Grand) 806 134 110 31 1 3 641 292 51 7745 78 2432 1000 32 8 133 62 964 655 11 132 5 518 298 2 1318 115 16 57 69 10 2 74 46 135 131 227

284 349

62 20 km 0 2,5 5

Abbildung 16: Anzahl portugiesischer Staatsangehöriger pro Gemeinde in der Agglome- ration Lausanne* Quelle: PETRA, ZAR 2007

* Erstellt mit Philcarto: http://perso.club-internet.fr/philgeo, Clémence Merçay / Institut de géographie UNINE

Waadt gelegenen periurbanen Gemeinden Anteil an portugiesischen Einwohnern auf- Nyon und Gland weisen ebenfalls grössere weisen. Auch in anderen zentrums­nahen portugiesische Bevölkerungsgruppen auf. Vorortsgemeinden wie Echallens, Etoy, Die portugiesischen Migranten, die häufig Cully, und , die vom aus ländlichen Gegenden stammen, wer- Lausanner Stadtzentrum etwas weiter ent- den in der Agglomeration Genf unweiger- fernt sind, leben relativ viele portugiesische lich zu Städtern (Abbildung 15). Staatsangehörige (Abbildung 16).

Die Region Lausanne ist die Agglomeration Zwar gehören nur zwei Westschweizer mit den zweitmeisten Einwohnern portu- Städte zu den zehn bevölkerungsreichsten giesischer Herkunft: Über 20 000 haben Orten der Schweiz,1 doch liegen sechs der sich dort niedergelassen. Die Gemeinde zehn Agglomerationen mit den grössten Lausanne selbst zählt knapp 8000 Portu- portugiesischen Bevölkerungsgruppen in giesen. Wie in Genf konzentrieren sich der Westschweiz.2 die Angehörigen dieser Migrantengruppe hauptsächlich auf die Gemeinden inmit- 1 Zürich, Basel, Genf, Lausanne, Bern, Winterthur, St. Gallen, ten der Agglomeration (Renens, Ecublens, Luzern, Biel und Thun 2 Genf, Lausanne, Zürich, Freiburg, Neuenburg, Sitten, Vevey– und Crissier), die alle einen grossen Montreux, -de-Fonds–Le Locle, Basel und Luzern

36 25 Total: 17 452

1

0 Maximum: 7683 36 (Zürich) 1 70 4 Minimum: 0

12 (Kyburg) 16 49 6 107

6 9 5 46 47 1 155 3 58 83 33 75 21 13 58 26 1

51 102 13 2 99 271 13 7 52 34 118 96 121 153 421 20 13 348 32 68 150 293 81 127 188 24 24 1 176 627 115 6 6 612 750 57 7683 107 164 55 63 4 21 1 13 13

32 129 433 91 36 11 3 17 111 27 18 1 2 5 6 32 1 8 1 118 24 12 6 241 40 55 23 6 76 13 133 35 88 616 50 24 0 2 18 57 8 114 16 64

68 182 7 145

25 96

45

148 26 km 42 0 2,5 5

Abbildung 17: Anzahl portugiesischer Staatsangehöriger pro Gemeinde in der Agglome- ration Zürich* Quelle: PETRA, ZAR 2007

* Erstellt mit Philcarto: http://perso.club-internet.fr/philgeo, Clémence Merçay / Institut de géographie UNINE

37 Zürich und seine Umgebung bilden die drittgrösste Agglomeration in Bezug auf die Einwohner portugiesischer Herkunft: Etwas weniger als 17 000 Portugiesen ha- ben dort ihren ständigen Wohnsitz. In der Rangliste der Deutschschweizer Städte und deren Agglomerationen mit den grössten portugiesischen Migrantengruppen steht Zürich an erster Stelle.

In der Agglomeration Zürich weist die Zent- rumsgemeinde mit etwas weniger als 8000 Personen die grösste Anzahl portugiesi- scher Staatsangehöriger auf. Die geografi- sche Verteilung der Portugiesen innerhalb der Metropole ist diffuser als in den an- deren berücksichtigten Agglomerationen. Gleichwohl zeigt sich tendenziell eine Kon- zentration in Gemeinden mit hoher Sied- lungsdichte wie Dietikon, Dübendorf oder Kloten (Abbildung 17).

38 Weiterführende Literatur

BFM (2009a). Bestand der ständigen aus- ländischen Wohnbevölkerung nach Staats- angehörigkeit Ende Dezember 2007 und 2008. Bern: www.bfm.admin.ch.

BFM (2009b). Einbürgerungen nach den 20 wichtigsten Staaten, Jahr 2008. Bern: www.bfm.admin.ch.

Monico, Reto (2009). Portugal, Kap. 4: Wirtschaftsbeziehungen und portu- giesische Immigration. Historisches Lexikon der Schweiz (HLS): www.hls-dhs-dss.ch, Version vom 15. Juli 2009.

Wanner, Philippe et al. (2002). Familien und Migration. Beiträge zur Lage der Mi- grationsfamilien und Empfehlungen der Eidgenössischen Koordinationskommission für Familienfragen. Bern: Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfra- gen (EKFF).

Wanner, Philippe und Etienne Piguet (2002). La pratique de la naturalisation en Suisse: un aperçu statistique. Population, 57(5): 913–922.

39 3 Ausbildung der Migranten und ihrer Kinder

40 In Kürze

– Portugiesische Eltern haben im Vergleich zu anderen Migrantengruppen in der Schweiz einen sehr niedrigen Bildungs- stand. Dies hängt damit zusammen, dass sich in ihrem Land die Grundschule erst in jüngerer Zeit etabliert hat. – Portugiesische Kinder sind sowohl in Sonderklassen auf der Primarstufe als auch in Schultypen mit Grundansprü- chen auf der Sekundarstufe I und in «Zwischenlösungen» beim Übergang in die nachobligatorische Ausbildung übervertreten. Eher mässige schulische Leistungen portugiesischer Kinder lassen sich auch in anderen Zielländern beob- achten. – Dieser Befund lässt sich auf drei Fakto- ren zurückführen: die geringe Schul- bildung der portugiesischen Eltern als Folge der lange dauernden Diktatur, die relativ hohe Zahl junger Menschen, die in Portugal geboren sind und dort nur eine unvollständige Schulbildung genossen haben, und die ausgeprägte Rückkehrorientierung der Familien. Schliesslich trägt sicherlich auch die Ver- innerlichung einer stark hierarchischen und wenig durchlässigen Gesellschaft – wie sie in Portugal vor der Demokrati- sierung bestand – dazu bei, das Streben nach sozialem Aufstieg zu behindern.

41 3.1 Die Schulbildung dung dauert neun Jahre. Allerdings wurde portugiesischer Migranten die neunjährige obligatorische Schule erst 1996 vollumfänglich verwirklicht. 2007 betrug die Alphabetisierungsrate laut UNESCO (2008) bei den Erwachsenen Die portugiesischen Migranten, die in den 94,9 % und bei den Jugendlichen 99,7 %. 1980er- und 1990er-Jahren in die Schweiz Dies widerspiegelt die heutige Dynamik kamen, stammten aus einem Land, das des portugiesischen Schulsystems und das noch von der Schulpolitik der Diktatur historische Erbe, das dessen Entwicklung Salazar geprägt war, und hatten von der lange Zeit gebremst hat. Reform des Erziehungswesens nicht pro- fitieren können. Dementsprechend haben Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Portu- sie nur eine geringe Schulbildung. Gemäss gal ein äusserst elitäres Schulsystem, in einer Studie über die Eltern von Jugend- dem die tertiäre Ausbildung einer begrenz- lichen, die nach Genf oder Zürich ausge- ten Anzahl Personen vorbehalten war. wandert sind (Fibbi und Lerch 2007), ist Die Analphabetenrate betrug über 80 %. jeder fünfte Erwachsene höchstens vier Versuche, das System zu modernisieren, Jahre zur Schule gegangen. Gemäss einer wurden 1926 durch Salazars Machtüber- Studie über die Eltern von Primarschülern nahme unterbunden. Die drei folgenden in der Stadt Zürich (Eisner et al. 2008) Jahrzehnte waren gekennzeichnet durch dauerte die Schulzeit bei drei Vierteln der geringe Innovation im Bildungswesen, eine Erwachsenen nicht länger als acht Jahre. weiterhin hohe Analphabetenrate und eine Dementsprechend liegt der Bildungsstand fast nicht vorhandene Berufsbildung. Erst der portugiesischen Migranten der ersten 1960 führte das Land den obligatorischen Generation im Durchschnitt unter dem der Schulunterricht für Kinder von sechs bis Angehörigen anderer Ausländergruppen in zwölf Jahren ein. der Schweiz.

Die Nelkenrevolution von 1974 leitete den Aus der eidgenössischen Erwerbstätigen- Wandel ein. Die zwei Jahre später ange- statistik geht hervor, dass 63 % der por- nommene Verfassung zielte auf die Beseiti- tugiesischen Arbeitnehmenden nur die gung des Analphabetismus, von dem 18 % obligatorische Schule besucht haben (ge- der Bevölkerung betroffen waren. Das Ge- genüber 4 % bei den Schweizern), 22 % setz von 1986 brachte eine Umgestaltung eine Berufsausbildung (44 % bei den des portugiesischen Erziehungswesens: Schweizern) und nur knapp über 2 % einen Dieses umfasst nun eine vorschulische, eine Hochschulabschluss haben (26 % bei den schulische und eine ausserschulische Erzie- Schweizern) (Tabelle 2). hung (Alphabetisierung und Bildungstätig- keiten, berufliche Grundausbildung und Weiterbildung). Die allgemeine, obligato- rische und kostenlose Grundschulausbil-

42 Herkunft Obligatorische Sekundar­stufe II Tertiäre Ausbildung Schule Männer % % % Portugal 62,6 33,4 4,1 EU 21,3 43,5 35,3 Schweiz 4,3 55,6 40,1 Frauen Portugal 65,2 29,6 5,2 EU 24,1 48,5 27,4 Schweiz 8,1 70,7 21,2

Tabelle 2: Höchste abgeschlossene Ausbildung (in %) Anmerkung: Erwerbstätige (15–62/65 Jahre), fehlende Werte nicht eingerechnet, nicht gewichtete Daten Quelle: Berechnungen SFM aufgrund SAKE 2003–2007 (pooled data)

3.2 Erwerb der Lokalsprache können sich in dieser Sprache auch gut ausdrücken, rund 20 % haben nur rudi- Der Erwerb der Lokalsprache trägt we- mentäre Kenntnisse und 2 % sind der An- sentlich zur Integration der Migranten in sicht, keine Kenntnisse der Lokalsprache die Aufnahmegesellschaft bei. Dement- zu benötigen (Bartal 2003). Diese «am- sprechend wird die Sprachkompetenz bivalente» Beziehung einiger portugiesi- zusehends zu einem Schlüsselindikator scher Eltern zur Lokalsprache wird durch der Integration. Daher wecken einige Stu- eine andere Feststellung bestätigt: Nicht dien, welche bei den Portugiesen geringe einmal die Hälfte der Befragten sind über- Kenntnisse der Lokalsprache ausmachen, zeugt, dass ihre Kinder Deutsch besser be- Zweifel am Verlauf der Integration dieser herrschen sollten als Portugiesisch (Bartal Migrantengruppe. So zeigt eine kürzlich 2003). In diesen Haltungen kommt zweifel- in der Stadt Zürich durchgeführte Studie, los zum Ausdruck, dass die Migration noch dass rund die Hälfte der etwa sechzig be- relativ ungefestigt ist (zahlreiche Neuzuge- fragten portugiesischen Eltern nur geringe wanderte) und dass die Rückkehrneigung Deutschkenntnisse haben (Eisner et al. in der portugiesischen Migrantengruppe 2008). stark verbreitet ist – laut Fibbi und Lerch (2007) bei drei von vier Personen. Angesichts des niedrigen Bildungsstands (vgl. Kapitel 6.1: Rückkehrverhalten im der portugiesischen Migranten überrascht Wandel) dieses Ergebnis kaum. Anfang der 2000er- Jahre ergab sich bei einer von dieser Mi- Über das Erlernen der Lokalsprache wird grantengruppe vorgenommenen Selbst- in der Deutschschweiz deutlich häufiger beurteilung folgende Bilanz: 57 % der debattiert als in der Westschweiz. Die Portugiesen verstehen Deutsch gut und Volkszählung 2000 hat gezeigt, dass die

43 Lokalsprache in der französischsprachigen und Jugendlichen nachverfolgen lässt: Region leichter Eingang in das Sprachre- der Besuch von Klassen mit besonderem pertoire der Familien findet (44 %) als in Lehrplan auf der Primarstufe, der besuchte der deutschsprachigen Region (24 %) (Lüdi Schultyp auf der Sekundarstufe I und der und Werlen 2005). Dies kann sehr wahr- nachobligatorische Ausbildungsgang. scheinlich auf die Deutschschweizer Diglos- sie und die Ähnlichkeit des Portugiesischen Die entscheidende Differenzierung auf der mit dem Französischen zurückgeführt wer- Primarstufe ergibt sich durch die Zuweisung den. zu Klassen mit Normallehrplan und solchen mit besonderem Lehrplan. Insgesamt besu- chen doppelt so viele portugiesische Kinder 3.3 Schulische Integration während der Primarschulzeit Unterricht mit junger Personen mit besonderem Lehrplan wie ihre Schwei- Migrationshintergrund zer Kameraden. Zu unterscheiden sind: a) Sonderschulen für geistig oder körperlich Mit dieser gesellschaftlichen und familiären behinderte Kinder, b) Kurse für Fremd- Prägung begegnen die Kinder portugiesi- sprachige, welche für kürzlich eingereiste scher Migranten der Schule in der Schweiz. Kinder bestimmt sind, die Unterstützung Um die unterscheidenden Merkmale ihrer beim Erlernen der Lokalsprache brauchen, schulischen Integration zu skizzieren, wer- c) Sonderklassen für Kinder mit Lern- und/ den drei Indikatoren verwendet, mit denen oder Verhaltensstörungen. sich die schulische Laufbahn der Kinder

44 12 %

10 %

8 %

6 %

4 %

2 %

0 % Portugal Total Ausland Schweiz

Sonderklassen Kurse für Fremdsprachige Sonderschulen

Abbildung 18: Anteil von Zuweisungen zu Unterricht mit besonderem Lehrplan, 2007–2008 (in %) Quelle: BFS, Statistik der Schüler und Studierenden

Die Herkunft hat einen massgeblichen Laut Doudin (1998) waren 92 % der portu- Einfluss auf die Häufigkeit von Kursen für giesischen Schüler, die im Kanton Waadt Fremdsprachige, weil diese mit der jewei- die obligatorische Schule besuchten, in ligen Anzahl von Neuzugewanderten zu- Portugal geboren und zwei Drittel kamen sammenhängt. Während der Anteil von im Verlauf der obligatorischen Schulzeit in Schülern aus anderen Ausländergruppen, die Schweiz. Mittlerweile ist der Anteil der die Kurse für Fremdsprachige besuchen, in Portugal geborenen Migrantenkinder bei 1 % liegt, nehmen fast 2 % der portu- deutlich gesunken (ein Drittel). Auch die in giesischen Schüler an solchen Kursen teil der Schweiz geborenen Kinder brauchen (Abbildung 18). jedoch Unterricht in der Lokalsprache, wie eine von uns befragte Fachperson für In den 1990er-Jahren stand die Teilnahme Integration erklärt. Im Rahmen eines Pro- portugiesischer Kinder an Kursen für jekts für Französischkurse für Kinder im Fremdsprachige grossenteils in Zusammen- Vorschulalter wurde festgestellt, dass kei- hang mit dem Familiennachzug, der auf nes der in der Schweiz geborenen portu- die Stabilisierung des aufenthaltsrechtli- giesischen Kinder französisch sprach. Dies chen Status der Eltern zurückzuführen ist. ist unter anderem darauf zurückzuführen,

45 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % Portugal Total Ausland Schweiz

Grundansprüche Erweiterte Ansprüche Ohne Selektion

Abbildung 19: Selektion auf der Sekundarstufe I (8. Schuljahr), 2007–2008 (in %) Quelle: BFS, Statistik der Schüler und Studierenden dass das soziale Umfeld der Kinder im Vor- mit Unterstützung der konsularischen Be- schulalter hauptsächlich von der Familie hörden dagegen beschwert. Eine jüngere gebildet wird. Sie werden von den Eltern, Studie, welche die Prozesse der Zuwei- von Onkeln und Tanten usw. betreut, die sung zu Sonderklassen in verschiedenen grösstenteils portugiesischer Mutterspra- Deutschschweizer Kantonen untersucht che sind. hatte, kam zum Schluss, dass ihre Einschät- zung durchaus plausibel ist (Lanfranchi und Die Zuweisung der Kinder in Sonderklas- Jenny 2005). In seinem letzten Integrati- sen variiert signifikant je nach Herkunft. onsbericht stützte sich das BFM auf diesen Zwar ist der Anteil bei der gesamten aus- Befund (BFM 2006). Das analysierte Phäno- ländischen Bevölkerung noch höher, doch men betrifft nicht ausschliesslich portugie- besuchen portugiesische Kinder doppelt so sische Kinder, sondern alle jungen Personen häufig Sonderklassen wie Schweizer Kin- aus Migrantengruppen, die im Rahmen der der. Laut einem leitenden Angestellten der Arbeitsmigration und erst in jüngerer Zeit Genfer Erziehungsdirektion (DIP) reagieren in die Schweiz eingewandert sind. portugiesische Eltern auf diese Situation sehr empfindlich und schreiben sie einem Der zweite Indikator, der Aufschluss über diskriminierenden Verhalten der Schule die schulische Integration portugiesischer gegenüber ihren Kindern zu. Einige von ih- Kinder gibt, ist der Schultyp, den die Ju- nen haben sich mehrmals und manchmal gendlichen im zweiten Teil der obligatori-

46 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % Portugal Total Ausland Schweiz

Zwischenlösungen Vorlehre Anlehre Fachmittelschule Berufsausbildung Berufsmaturität Gymnasiale Maturität

Abbildung 20: Verteilung der jungen Männer im ersten Jahr der Sekundarstufe II nach Ausbildungsgang, 2007–2008 (in %) Quelle: BFS, Statistik der Schüler und Studierenden schen Schulzeit (auf der Sekundarstufe I) Schultyp für den Erwerb der erforderlichen besuchen. In den Statistiken des Bundes- Qualifikation und die Integration ins Be- amtes für Statistik (BFS) werden die vielfäl- rufsleben von entscheidender Bedeutung tigen Bildungsgänge der Sekundarstufe I in (Meyer 2003a). drei Kategorien aufgeteilt: a) Schultypen mit erweiterten Ansprüchen, die zu «lan- Die Hälfte der portugiesischen Kinder be- gen», akademischen Ausbildungen führen, sucht Schultypen mit Grundansprüchen. b) Schultypen mit Grundansprüchen, die Dieser Anteil ist doppelt so hoch wie bei zu «kurzen» Ausbildungen, insbesondere ihren Schweizer Kameraden (25 %), liegt auch zu einer Berufsausbildung führen, über dem Durchschnitt aller Kinder auslän- und c) Schultypen ohne Selektion, wozu discher Herkunft (47 %) und ist vergleich- die in einigen Kantonen (z.B. Wallis) be- bar mit dem Anteil bei Jugendlichen aus stehenden Ausbildungsgänge der obliga- anderen Migrantengruppen, die erst in torischen Schule zählen, in denen keine jüngerer Zeit zugewandert sind (aus der Selektion aufgrund der schulischen Leis- Türkei oder aus den Balkanländern; 52 %). tungen vorgenommen wird. Wegen der Portugiesische Jugendliche sind folglich in Weichenstellung auf der Sekundarstufe I Schultypen mit erweiterten Ansprüchen ist die Zuweisung zum einen oder anderen weniger stark vertreten (39 %) als andere

47 100 %

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0 % Portugal Total Ausland Schweiz

Zwischenlösungen Vorlehre Anlehre Fachmittelschule Berufsausbildung Berufsmaturität Gymnasiale Maturität

Abbildung 21: Verteilung der jungen Frauen im ersten Jahr der Sekundarstufe II nach Ausbildungsgang, 2007–2008 (in %) Quelle: BFS, Statistik der Schüler und Studierenden

Ausländer (48 %) und Schweizer (69 %) (11 % gegenüber 22 %). Dreimal mehr (Abbildung 19). portugiesische als Schweizer Jugendliche (16 % gegenüber 5 %) müssen auf Zwi- Der dritte Indikator zur Beschreibung der schenlösungen ausweichen, um mehr Zeit schulischen Integration portugiesischer für die Konkretisierung ihrer beruflichen Kinder ist der Ausbildungsgang, in dem Pläne zu gewinnen. Das Profil der portu- sich die Jugendlichen im ersten Jahr der giesischen Jugendlichen ist dem anderer nachobligatorischen Ausbildung befinden. ausländischer Jugendlicher ähnlich (Abbil- Zwischen Knaben und Mädchen bestehen dung 20). erhebliche Unterschiede. Junge portugiesische Mädchen wenden Junge portugiesische Männer wenden sich, sich weniger häufig einer Berufsausbil- wie Schweizer Jugendliche, in grosser Zahl dung zu als Schweizerinnen (47 % gegen- einer Berufsausbildung zu (63 % gegen- über 58 %). Auch wenn sich dies bei allen über 68 %). Sie entscheiden sich jedoch Ausländergruppen beobachten lässt, sind weniger häufig als ihre Schweizer Kamera- portugiesische Mädchen in beruflichen den für einen Schultyp, der zu einer gym- Ausbildungsgängen besonders deutlich nasialen oder einer Berufsmaturität führt untervertreten. In Fachmittelschulen sind

48 sie jedoch stärker vertreten als Schülerin- 91 % der Jugendlichen aus Migrantengrup- nen anderer Staatsangehörigkeit (13 % ge- pen, die erst in jüngerer Zeit zugewandert genüber 6 % bei den Schweizerinnen und sind, beginnen eine nachobligatorische allen Ausländerinnen). Sie wählen häufiger Ausbildung. Somit anerkennen und befol- als gleichaltrige portugiesische Männer gen sie die soziale Norm, dass eine nach- einen Schultyp, der zu einer gymnasialen obligatorische Ausbildung «Pflicht» ist. oder einer Berufsmaturität führt (16 %), Allerdings sind sie in dieser Ausbildungs- doch liegen sie weit unter dem Anteil der laufbahn benachteiligt. Denn sie sind in Schweizerinnen (27 %). Mehr als doppelt den weniger anspruchsvollen Ausbildungs- so viele Portugiesinnen wie Schweizerinnen gängen der obligatorischen Schule über- müssen bis zum Beginn einer Ausbildung vertreten, und ihre Kompetenzen liegen eine Zwischenlösung in Anspruch nehmen unter denen der gleichaltrigen Schweizer. (19 % gegenüber 7 %). Auch bei den por- Aufgrund dieses Profils kämen für sie vor- tugiesischen Mädchen ist das Profil eher nehmlich Berufsausbildungen mit tiefem mit dem der anderen Ausländerinnen ver- bis mittlerem Anforderungsniveau infrage. gleichbar als mit dem der Schweizerinnen Paradoxerweise «sind jedoch gerade in die- (Abbildung 21). sem Ausbildungssegment Jugendliche aus Migrantengruppen, die erst in jüngerer Zeit In seiner Längsschnittuntersuchung zum zugewandert sind, am meisten benachtei- Übergang von der obligatorischen Schule ligt» (Meyer 2003b). in die Sekundarstufe II bestätigt Meyer auf- grund der Ergebnisse der Nachbefragung Zwei Jahre nach Austritt aus der obligato- der ersten Kohorte von Schülern, die in die rischen Schule in der Schweiz sind 95 % Erhebung PISA 2000 einbezogen waren, der gesamten Kohorte noch in einer Aus- dass Jugendliche aus Migrantengruppen, bildung, und nur 5 % sind aus der Bil- die erst in jüngerer Zeit zugewandert sind dungslaufbahn ausgeschieden. Bei portu- (aus Portugal, der Türkei und den Balkan- giesischen Jugendlichen ist jedoch das staaten), nach einer einjährigen Zwischen- Risiko doppelt so hoch wie bei anderen, lösung grosse Schwierigkeiten haben, in dass sie (noch) keine postobligatorische eine zertifizierende Ausbildung1 einzustei- Ausbildung beginnen konnten. Mädchen gen: Nur 58 % der Jugendlichen schaf- sind stärker betroffen als Knaben. Nach fen den Einstieg, während der Anteil bei Beendigung einer schulischen Zwischenlö- jungen Schweizern 72 % beträgt (Meyer sung schaffen portugiesische Jugendliche 2003a). den Anschluss an eine zertifizierende Aus- bildung deutlich seltener als Schweizer Ju- gendliche (58 % gegenüber 72 %) (Meyer 2003a). Vier Jahre nach Austritt aus der

1 Als zertifizierende Ausbildung gilt eine Ausbildung, die zu obligatorischen Schule sind 10 % eines einer anerkannten Qualifikation führt, z.B. zu einem Lehrab- Jahrgangs in keiner Ausbildung und haben schlusszeugnis, Fachmittelschulausweis oder Maturitäts- zeugnis. keinen Abschluss. Das Risiko, in diese Situ-

49 ation zu geraten, ist bei Kindern aus Mig- bei allen anderen Gruppen ist die Einbür- rantengruppen, die erst in jüngerer Zeit zu- gerung verknüpft mit höheren schulischen gewandert sind, darunter die Portugiesen, Erfolgschancen (Fibbi et al. 2005). doppelt so hoch (Bertschy et al. 2007). Gesamthaft gesehen, weist die schulische Eine vertiefte Analyse der Ergebnisse der Integration von Kindern und Jugendlichen Volkszählung 2000 lässt die Gründe für aus der portugiesischen Migrantengruppe diese Unterschiede im Bildungsstand er- in der Schweiz verschiedene Schattensei- kennen. Hierbei werden die im Jahr 1980 ten auf: Auch wenn sie gemessen an ih- in der Schweiz geborenen Jugendlichen ren Eltern deutliche Fortschritte erzielen, berücksichtigt. Die Analyse zeigt, dass bei gelingt es ihnen nicht, zu ihren Schweizer gleichem Bildungsstand der Eltern in der Kameraden und dem Durchschnitt aller portugiesischen Migrantengruppe, im Ver- Ausländergruppen aufzuschliessen. Diese gleich zu allen anderen Migrantengruppen Feststellung ist von zentraler Bedeutung und den Schweizern, sowohl das höchste im Integrationsprozess, in der öffentlichen Risiko besteht, eine nachobligatorische Debatte rund um die portugiesische Bevöl- Ausbildung nicht abzuschliessen, als auch kerung sowie in der Debatte innerhalb der die Wahrscheinlichkeit des Einstiegs in eine portugiesischen Bevölkerung. tertiäre Ausbildung am höchsten ist (Mey et al. 2005). Anders gesagt, klaffen bei den Portugiesen gute und schlechte Schulleis- tungen am weitesten auseinander. Wie

50 Ist die Schweiz vergleichbar mit beträgt. Dementsprechend gelangen sie anderen Zielländern? früher auf den Arbeitsmarkt. Sie haben Zunächst stellt sich die Frage, ob diese Si- jedoch keine besonderen Schwierigkeiten, tuation sich nur in der Schweiz beobach- ins Erwerbsleben einzusteigen, und sind, ten lässt. Da die Portugiesen in der zweiten wie ihre Eltern, mehrheitlich einfache Ar- Hälfte des 20. Jahrhunderts in verschie- beiter (Echardour 1996). dene andere Länder Nordamerikas und Eu- ropas ausgewandert sind, dürfte ein kurzer Eine kürzlich in Deutschland durchgeführte Überblick über die Literatur zu einigen Ziel- Studie diente dazu, mittels eines Mikrozen- ländern der portugiesischen Migration eine sus die Integration von Migrantengruppen erste Antwort liefern. zu messen. Sie werden in vier Herkunfts- gruppen eingeteilt. Von den Migranten In Kanada lebt eine grosse portugiesische aus Südeuropa sind die Spanier am erfolg­ Bevölkerung, die über 400 000 Personen reichsten und übertreffen in mancher Hin- zählt. Eine neue Studie zeigt, dass junge sicht sogar die Einheimischen, während Portugiesen im Vergleich zu anderen Min- die Italiener in der Mitte liegen. Die Portu- derheiten eines der niedrigsten Bildungsni- giesen stehen in dieser Gruppe hinsichtlich veaus haben (Nunes 2008) und in Toronto der Ausbildung an letzter Stelle. Auch beim die höchste Misserfolgsquote in der nach- Einstieg ins Berufsleben stossen sie auf obligatorischen Ausbildung aufweisen: zahlreiche Schwierigkeiten (Berlin-Institut 2005 scheiterten 43 % bei den Abschluss- für Bevölkerung und Entwicklung 2009). prüfungen, wobei in erster Linie junge Männer betroffen waren. Somit besteht Bei der Bildungslaufbahn junger Portu- bei jungen Portugiesen das Risiko, dass sie giesen zeigen sich in den verschiedenen die sozioökonomische Randstellung ihrer Aufnahmeländern auffallende Überein- Eltern übernehmen (Ornstein 2006). stimmungen. Zweifellos wiederholen sich ähnliche Phänomene, die ebenso mit den In Frankreich gehen die Studien über die Zielländern zusammenhängen wie mit den portugiesische Migrantengruppe auf die Eigenschaften der Migrantengruppen, was 1990er-Jahre zurück, als die zweite Ge- zu ähnlichen Ergebnissen führt. Daher ist es neration in den Sekundarschulen und angezeigt, die Faktoren, welche die schuli- auf dem Arbeitsmarkt auftrat. Typisch für schen Leistungen beeinflussen, eingehend portugiesische Jugendliche ist eine kurze zu untersuchen. Dabei werden schweizeri- Schullaufbahn. Nur wenige von ihnen sind sche Daten ausgewertet. nach dem achtzehnten Lebensjahr noch in einer schulischen Ausbildung. 15 % der in Frankreich geborenen jungen Portugiesen zwischen 20 und 29 Jahren haben keinen Abschluss, während dieser Anteil in der gesamten gleichaltrigen Bevölkerung 9 %

51 0,6

0,4

0,2 Mittelwert aller Länder 0

–0,2

–0,4

–0,6

–0,8

–1,0

–1,2 Andere Schweiz Italien Ehemaliges Portugal Jugoslawien Frankreich Deutschland Spanien Albanien Türkei Belgien Österreich Kosovo Abbildung 22: Sozioökonomischer Status der Eltern von Schülern der ersten PISA- Kohorte, nach Herkunft Quelle: Meyer 2003

3.4 Erklärungsfaktoren ligten Milieus. Welche Faktoren könnten für die Schulleistungen jedoch die besondere Situation der Por- tugiesen, die sie von anderen Migranten- Für die schulischen Leistungen von Kin- gruppen unterscheidet, erklären? Es lassen dern, insbesondere auch von Kindern mit sich drei Faktoren erkennen: die histori- Migrationshintergrund, und für die Kluft schen Umstände, die Migrationsprojekte zwischen Migrantengruppen und einhei- und das Verhältnis zwischen Familien und mischer Bevölkerung sind im Wesentlichen Schule. zwei Faktoren massgebend: die soziale Herkunft (Bourdieu und Passeron 1970) Die Last der Geschichte und die und diskriminierende Verhaltensweisen, die soziale Herkunft der Portugiesen dazu beitragen, dass die Zuweisung junger in der Schweiz Personen mit Migrationshintergrund zu Wie bereits dargelegt, hat die obligatori- den verschiedenen Schultypen nicht immer sche Schule in Portugal erst in den letzten ihren Leistungen entspricht (Hupka et al. dreissig Jahren ähnliche Formen angenom- 2006). men wie in den anderen europäischen Län- dern. Erst die nach 1980 geborene Genera- Von diesen Faktoren sind jedoch nicht aus- tion kam in den Genuss einer neunjährigen schliesslich junge Portugiesen betroffen, Grundschulausbildung. Portugiesische sondern alle Jugendlichen aus benachtei- Mig­­ranten in der Schweiz, die vor dieser

52 Reform geboren sind und insbesondere Schullaufbahn und Migrations­ aus ländlichen Gegenden stammen, haben projekte ganz andere Voraussetzungen. Gerade in Die zweite Gruppe von Faktoren, welche Portugal rekrutiert die Schweiz Arbeits- die schulischen Leistungen der Migranten- kräfte für Arbeitsplätze mit geringen Quali- kinder beeinflussen können, hängen mit fikationsanforderungen. der Migrationssituation und den Migra­ tionsprojekten zusammen. Expertenmeinung «In Genf wurde die Schule am 21. Mai Wie man weiss, stossen im Rahmen des 1536 obligatorisch. Sage ich «Escola» in Familiennachzugs eingereiste Kinder, die Portugal, beziehe ich mich auf 1976. Da- die Migration direkt miterlebt haben und zwischen liegen vier Jahrhunderte. Man einen Teil ihrer Schulzeit im Herkunftsland muss diese Geschichte verstehen und wis- verbracht haben, weitaus häufiger auf sen, dass es in Portugal damals Regionen ernsthafte Schwierigkeiten als Kinder, die mit 60 % Analphabeten gab. Und dass in einen solchen Übergang nicht persönlich den vorangehenden fünfzig Jahren der Fa- durchgemacht haben. Am Anfang eines schismus herrschte, eine strenge Hierarchie Migrationsstroms ist eine solche Situation der sozialen Schichten bestand usw. Die wesentlich belastender als später, wenn Schulen entwickelten sich in den grossen der Migrationsstrom ein fortgeschritte- küstennahen Städten. Im Landesinnern traf nes Stadium erreicht und die Situation man auf mittelalterliche Verhältnisse und der Familien sich stabilisiert hat. Dies gilt auf Kinder, die – sofern sie überhaupt zur für die portugiesische Migrantengruppe Schule gingen – höchstens bis zur vierten in besonders hohem Masse, weil ihre Mi- Primarklasse blieben. 1976 war es bereits gration lange Zeit auf der Grundlage des ein ausserordentlicher Erfolg, wenn Kinder Saisonnier­statuts beruhte. es bis in die vierte Klasse schafften. In all diesen Regionen im Landesinnern gingen Die Genfer Schulen beispielsweise, die die Kinder arbeiten, weil auf dem Land jede mit einer äusserst mobilen Bevölkerung Hand gebraucht wurde.» konfrontiert waren, haben viel Erfahrung Genfer Lehrerbildner im Umgang mit Schülern gewonnen, die im Verlauf der Schulzeit eingetreten sind. Deshalb haben die Portugiesen im Ver- Anfang der 1980er-Jahre sahen sie sich je- gleich zu den anderen Migrantengruppen doch einer noch nie da gewesenen Situa- in der Schweiz den niedrigsten sozioöko- tion gegenüber, weil viele Schüler – unter nomischen Status (Abbildung 22). Dies er- anderem aus Portugal –, die während der gibt sich aus dem Profil der Eltern der Schü- obligatorischen Schulzeit eintraten, bereits ler, die in der ersten PISA-Erhebung 2000 eine etwas chaotische Schulausbildung hin- befragt wurden (Meyer 2003a). ter sich hatten. Die Schüler mussten somit nicht nur die Lokalsprache erlernen, son- dern auch eine unzulängliche Ausbildung

53 wettmachen. In ihrem Fall kamen zu den (vgl. Kapitel 6.1: Rückkehrverhalten im Auswirkungen eines späten Familiennach- Wandel) zugs, der an sich schon problematisch ist (Ruivo 2001), noch die Folgen der Ankur- Ihre Kinder sind dementsprechend hin belung des portugiesischen Erziehungswe- und her gerissen zwischen einer starken sens, die genau in diesen Jahren einsetzte. gefühlsmässigen Bindung an das Auf- nahmeland und der mehr oder weniger Wegen der fortdauernden Zuwanderung festen Rückkehrabsicht ihrer Eltern. Dies aus Portugal und des Familiennachzugs ist hat häufig negative Auswirkungen auf der Anteil der in Portugal geborenen Ju- ihre Schullaufbahn, die umso stärker sein gendlichen, die dort einen Teil ihrer Schul- können, falls noch der Wechsel von einem zeit verbracht haben, auch heute noch re- Schulsystem zum andern hinzukommt lativ hoch. Er liegt bei etwa einem Drittel, (Wanner et al. 2002). während der Anteil derjenigen, die nicht die ganze obligatorische Schullaufbahn Aus persönlicher Sicht in der Schweiz absolviert haben, gesamt- «Ich erinnere mich, dass ich während mei- schweizerisch rund 7 % beträgt (Meyer ner ganzen Schulzeit immer wieder gehört 2003a). habe: «Wir kehren zurück.» Das war für mich als Kind sehr beruhigend, weil ich Viele portugiesische Migranten spielen mir sagen konnte: «Wenn ich in der Schule überdies mit dem Gedanken, früher oder versage, kann ich immer dorthin zurück.» später in ihre Heimat zurückzukehren. Ich war hier in der Schule miserabel. Das

54 ging mich alles nichts an, und ich hatte den sehen wird. So sind auf beiden Seiten Äus- Eindruck, auf einem anderen Planeten zu serungen zu hören, die sicherlich ein ge- sein.» wisses Unbehagen zum Ausdruck bringen, Erwachsene aus der portugiesischen aber letztendlich ein Zeichen für festgefah- Migrantengruppe rene Positionen sind.

Die Eltern stellen häufig die Rückkehr ins Lehrkräfte und Behörden stellen eine ge- Zentrum ihres Migrationsprojekts. Da- ringe Beteiligung der Eltern an schulischen her richtet sich der angestrebte soziale Aktivitäten fest. Sie führen dies zurück Aufstieg nach den Möglichkeiten, die in auf die ungenügenden Kenntnisse der Portugal bestehen. Dieser Aufstieg bedeu- Lokalsprache – vor allem in der Deutsch- tet in ihren Augen meist, sich eine sichere schweiz – oder auf eine Unterbewertung Existenzgrundlage zu schaffen, was oft der Bildung, deren Nutzen die allein auf die mit dem Kauf oder dem Bau eines Hau- Arbeit fixierten Eltern nicht zu erkennen ses verbunden wird. Dazu gehört auch die vermögen. Viele Eltern sind beim Thema Anerkennung im Beruf, namentlich durch Schule besorgt und haben den Eindruck, Ausübung einer selbstständigen Arbeit. dass ihre Kinder diskriminiert werden, weil Diese Art des Aufstiegs ist für Personen, sie Portugiesen sind. Sie sind hilflos gegen- die begabt und ehrgeizig sind, aber nur über einer Schule, die an sie völlig andere über eine geringe Schulbildung verfügen, Erwartungen stellt, als sie diese von ihrer am ehesten erreichbar. Sie ist auch typisch eigenen Schulerfahrung her kennen. Über- für eine vorindustrielle Wirtschaft, wie sie dies erwarten sie von der Schule, dass sie in den Herkunftsregionen der Migranten streng ist, so wie sie es in ihrer eigenen vorherrschte. Sie sehen im Anhäufen von Kindheit erlebt haben. Alles in allem haben Geld, das sie für die Verwirklichung ihrer Lehrkräfte und Eltern ein falsches Bild von- Zwischenziele benötigen, einen Weg, um einander, was für beide Seiten unbefriedi- ihr Migrantendasein zu verkürzen. Daher gend ist. sind sie bereit, während längerer Zeit inten- sive Anstrengungen auf sich zu nehmen, Dass portugiesische Eltern nur selten an um die Ziele, die sie sich und ihrer Familie schulischen Aktivitäten teilnehmen, wird gesteckt haben, zu erreichen. immer wieder festgestellt. Einige Kreise werten dies als mangelndes Interesse der Das Verhältnis der Eltern zur Eltern für die Schulbildung ihrer Kinder, Schule: der Kern des Problems? während andere dies vor allem dem hohen In den Debatten über die schulische Ausbil- Arbeitseinsatz beider Eltern zuschreiben. dung portugiesischer Kinder werden diese strukturellen Faktoren manchmal ausser Expertenmeinung Acht gelassen und es wird eher von Werten «Portugiesische Eltern interessieren sich und Mentalität gesprochen, wobei Letztere sehr für die Schule. Ihr offensichtliches In- als «statisches» kulturelles Element ange- teresse für die Schule zeigt sich in Telefon-

55 gesprächen und Briefen. Als Schulinspektor Somit ist die geringe Beteiligung für viele für den «normalen» Unterricht hatte ich unserer Gesprächspartner nicht eine Frage viele Telefongespräche mit portugiesischen von Desinteresse, sondern viel eher eine Eltern, die über die Zukunft ihres Kindes «Zeitfrage». Für Eltern, die am Abend ar- besorgt waren und grosse Angst hatten beiten, kommen die von der Schule organi- wegen des Sonderunterrichts. sierten Zusammenkünfte teuer zu stehen. Der Begriff Sonderunterricht weckt bei den Die Teilnahme an den verschiedenen An- Eltern Vorstellungen wie «mein Sohn ist be- lässen während des Jahres erfordert Ab- hindert, mein Sohn ist nicht normal, weil er senzen, was unter Umständen das Risiko in der Schule nicht mitkommt, mein Sohn birgt, den Arbeitsplatz zu verlieren. Zudem wird ausgeschlossen usw.». Dass portugie- hat dies zweifellos eine beträchtliche Ein- sische Eltern über eine sehr geringe Bildung kommenseinbusse aufgrund der nicht ge- verfügen und an der Schulausbildung ihrer leisteten Arbeit zur Folge. Ihre Situation un- Kinder sehr interessiert sind, mag paradox terscheidet sich grundlegend von der einer erscheinen, doch ist es wahrscheinlich nur Hausfrau und Mutter oder einer Person, die der Ausdruck enttäuschter Erwartungen.» während der üblichen Bürozeiten arbeitet. Schulinspektor Der intensive Arbeitseinsatz der Eltern hat Am Interesse portugiesischer Eltern be- für viele Kinder einen hohen Preis: Wäh- steht jedoch kein Zweifel: 53 % der Eltern rend im Heimatdorf die Mitglieder der von portugiesischen Jugendlichen geben Grossfamilie oder die Nachbarn während an, sie hätten ihre Kinder ermutigt, sich der Arbeit der Eltern die Betreuung der in der Schule anzustrengen (gegenüber Kinder übernahmen, sind die Kinder in nur 28 % der Schweizer Eltern) (Fibbi und den grossen Städten des Ziellandes oft sich Lerch 2007). Eine befragte portugiesische selbst überlassen. In solchen Fällen muss Lehrerin kann das Interesse der Eltern für unbedingt mit den Eltern das Gespräch die Schule nur bestätigen: Wenn sie die aufgenommen werden, um ihnen diesen Betreuung mehrheitlich der Schule über- grundlegenden Unterschied zwischen den liessen, sei dies wegen ihrer geringen beiden Kontexten bewusst zu machen. Schulbildung. Sie sähen gar keine andere Dieses Problem wird von Beobachtern aus Möglichkeit. Sie hätten eine überaus hohe den verschiedensten Bereichen genannt. Meinung von den Lehrkräften und schätz- ten es sehr, wie diese mit ihren Kindern Expertenmeinungen arbeiten. Eine Schweizer Lehrerin bekräf- «Ich habe mehrere dramatische Situationen tigt dies: «Diese Eltern vertrauen uns, und mit sich selbst überlassenen Kindern erlebt, genau das ist für uns beängstigend. Alles mit Kindern portugiesischer Herkunft, die lastet auf unseren Schultern, (...) die portu- von ihren arbeitenden Eltern kaum unter- giesischen Eltern kennen unsere Strukturen stützt oder sogar fast völlig vernachlässigt nicht und schenken uns dennoch blindes wurden. Die Eltern arbeiten enorm viel und Vertrauen.» haben keine Zeit, sich um ihre Kinder zu

56 kümmern. Die Kinder landen «auf einem men Sie Ihre K-Way mit!» – Was um Him- anderen Planeten» und werden kaum da- mels willen ist eine «K-Way»2?» bei unterstützt, die Regeln, die Konventio- nen dieses «neuen Planeten» zu verstehen, «Das Gefühl, in der Schule «auf einem an- und sind auf sich selbst gestellt.» deren Planeten» zu sein, wird manchmal Leitender Angestellter der Genfer Erzie- durch etwas ganz Simples ausgelöst. Wenn hungsdirektion ich zum Beispiel meiner Mutter mein Kon- taktheft zur Unterschrift vorlegte, fragte sie «Manche Kinder leben praktisch auf der jedes Mal: «Bist du sicher, dass ich das un- Strasse.» terschreiben muss? Wenn alles in Ordnung Portugiesischer Gewerkschafter ist, braucht man doch nicht zu unterschrei- ben.» Somit braucht es viel Überzeugungsarbeit, Erwachsene portugiesischer Herkunft um den Eltern zu helfen, sich in ihrem neuen sozialen und schulischen Umfeld Eine Sozialarbeiterin, selbst Tochter portu­ zurechtzufinden. Dies verlangt von ihnen giesischer Migranten, bestätigt, dass es Verhaltensweisen, die für sie vollkommen nicht einfach sei, das Gespräch aufzuneh- unvorstellbar sind. Die schwierige Kom- men. Sie weist darauf hin, dass die Portu- munikation zwischen Familie und Schule giesen – wie zahlreiche Migranteneltern ist nicht nur sprachlich bedingt, sondern anderer Herkunft – nicht immer empfäng- hängt auch mit den Erwartungen zusam- lich seien, wenn man mit ihnen über diese men: In Portugal werden die Eltern von den Fragen diskutieren wolle. Lehrkräften nur in äusserst schwerwiegen- den Fällen zu einem Gespräch eingeladen. Expertenmeinung Sonst werden sie dort von den schulischen «Sie verstehen nicht, warum sie ein Ge- Aktivitäten ausgeschlossen. Schulbesuche spräch führen sollen. Sie sind einfach da, gibt es nicht. Die Situation lässt sich mit sie arbeiten, ihre Kinder gehen zur Schule. einem Ausdruck zusammenfassen, der im Ja, vielleicht sind die Kinder keine glänzen- Zusammenhang mit dem Verhältnis zwi- den Schüler, aber müssen sie denn wirklich schen Familie und Schule wiederholt zu glänzen? Man bewegt sich eher in einer hören war: Alle, Eltern und Kinder, «lan- «Kultur des Machens» als in einer «Kultur den auf einem anderen Planeten». Deshalb des Wissens».» bedürfen sie einer entsprechenden Beglei- Sozialarbeiterin portugiesischer Herkunft tung. Damit kommt ein wichtiger Aspekt zur Aus persönlicher Sicht Sprache: die geringe Wertschätzung der «Die verschickten Rundschreiben, aber Bildung im Vergleich zum direkten Ein- auch die Information des Lehrers: «Neh- stieg in die Arbeitswelt. Aufgrund der

2 Regenjacke

57 zentralen Stellung, welche die Arbeit – aus Anwalt und tut eine solche Berufsaussicht Sicht der Frauen und der Männer – in der mit der trockenen Bemerkung ab: «Das ist portugiesischen Kultur einnimmt, geben nichts für uns!» die Eltern der Arbeit den Vorrang. So ar- gumentieren jedenfalls einige unserer Ge- Andere befragte Fachpersonen lassen die sprächspartner. Mehrere Studien zeigen, Gegenüberstellung von Arbeit und Bildung dass die Portugiesen kurze, eher berufliche nicht gelten, weil es keine Eltern gebe, die und technische Bildungsgänge bevorzu- den Nutzen der Bildung bestreiten wür- gen, wodurch vor allem der Zugang zur den. Stattdessen plädieren sie dafür, dass Arbeitswelt erleichtert werden soll. Sie den Eltern die möglichen Verknüpfungen streben somit eine rasche Stellensuche an zwischen Qualifikation und Arbeit, die im (Brinbaum 2005). Einige Gesprächspartner schweizerischen Bildungssystem bestehen, erklären, dass manche Eltern ein Studium aufgezeigt werden sollten. Denn die Eltern als «Bedrohung» ansehen. Sie seien zwar werten die Arbeit als angemessenste Le- sehr stolz, dass ihre Kinder ihre Ausbildung bensform von Erwachsenen in der Gesell- fortsetzen, fürchteten jedoch gleichzeitig, schaft. dass die Jugendlichen sich einem Lebensstil zuwenden könnten, der ihnen fremd ist. Expertenmeinungen «Die Eltern legen grossen Wert auf die Eine Frau portugiesischer Herkunft, die beruf­liche Orientierung, denn sie sind hier- heute in der Integrationsförderung tätig her gekommen, um zu arbeiten und nicht ist, hat eine andere Erklärung. Ihrer Ansicht um ihre Kinder in die Schule zu geben. Er- nach haben viele portugiesische Migranten klärt man ihnen den Zusammenhang zwi- ihre untergeordnete Stellung in der sozialen schen der Erlangung eines Abschlusses, Hierarchie verinnerlicht und betrachten sie den damit anerkannten Kompetenzen und als Grenze, die den Aufstiegsträumen ent- der Berufsausübung, verstehen viele Eltern gegensteht. Dieses ausgeprägte Bewusst- die Vorteile der Schule und die Bedeutung, sein des «eigenen» Platzes und der kaum die diese für die Zukunft ihrer Kinder haben überwindbaren Schranken widerspiegelt kann.» eine hierarchisierte, auf Ungleichheit be- Schulmediator ruhende Gesellschaft, die den untersten Schichten den sozialen Aufstieg verwehrt. «Ich habe festgestellt, dass Lehrer und El- Unsere Gesprächspartnerin veranschaulicht tern von Schülern völlig unterschiedliche dies anhand der Anekdote von Pedro. Der Ansichten über den Zweck der Schule ha- elfjährige Junge, ein kluger Kopf, aber ein ben. Die Eltern wollen eine Schule, die «fürs miserabler Schüler, kann sich nicht vorstel- Leben und für die Arbeit vorbereitet», eine len, als Erwachsener irgendetwas anderes eher strenge, anspruchsvolle Schule, die sie zu tun, als wie sein Vater auf einer Bau- dadurch beruhigt, dass dort viel gearbeitet, stelle zu arbeiten. Er träumt nicht wie viele auswendig gelernt wird usw. Die Eltern be- seiner Mitschüler von einer Zukunft als klagen sich, weil nach ihrem Dafürhalten

58 zu wenig Hausarbeiten verlangt werden. Sie haben den Eindruck, in der Schule gehe es viel zu locker zu.» Schulinspektor

59 Weiterführende Literatur Meyer, Thomas (2003a). Jugendliche mit Migrationshintergrund, in Wege in die Bertschy, Kathrin, Edi Böni und Thomas nachobligatorische Ausbildung. Zwischen- Meyer (2007). An der zweiten Schwelle. ergebnisse des Jugendlängsschnitts TREE. Junge Menschen im Übergang zwischen Neuenburg: Bundesamt für Statistik. Ausbildung und Arbeitsmarkt. Ergebnis- übersicht des Jugendlängsschnitts TREE, Meyer, Thomas (2003b). Wege in die Update 2007. nachobligatorische Ausbildung. Die ersten zwei Jahre nach Austritt aus der obligato- Doudin, Pierre-André (1998). Difficultés rischen Schule. Zwischenergebnisse des Ju- d’intégration scolaire des élèves portugais, gendlängsschnitts TREE. Neuenburg: Bun- in Sturny-Bossart, Gabriel und Christianne desamt für Statistik. Büchner (Hg.), Behindert und fremd: Eine doppelte Herausforderung für das Schwei- zer Bildungswesen? Luzern: SZH/SPC, S. 99–104.

Fibbi, Rosita und Mathias Lerch (2007). Transition à la vie adulte des jeunes issus de la migration: dynamique intergénération­ nelle et outcomes sociaux. Neuenburg: Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien.

Hupka, Sandra, Stefan Sacchi und Barbara E. Stalder (2006). Herkunft oder Leistung? Analyse des Eintritts in eine zertifizierende nachobligatorische Ausbildung anhand der Daten des Jugendlängsschnitts TREE. TREE Working paper: 40.

Mey, Eva, Miriam Rorato und Peter Voll (2005). Die soziale Stellung der zweiten Generation. Analysen zur schulischen und beruflichen Integration der zweiten Aus- ländergeneration, in Haug, Werner und Marie Cécile Monin (Hg.), Die Integration der ausländischen zweiten Generation und der Eingebürgerten in der Schweiz. Neuen- burg: Bundesamt für Statistik, S. 61–152.

60 61 4 Sozioökonomische Integration der portugiesischen Bevölkerung in der Schweiz

62 In Kürze

– Ein hoher Anteil der portugiesischen – Der Gesundheitszustand der portu- Frauen und Männer ist berufstätig, oft giesischen Bevölkerung in der Schweiz in einer Vollzeitbeschäftigung. Die Män- ist im Allgemeinen schlechter als jener ner arbeiten hauptsächlich im Bau und der Schweizer Bevölkerung. Zwar in der Industrie, die Frauen im Hotel- scheinen keine spezifischen Beschwer- und Gastgewerbe, im Dienstleistungs- den vorzuherrschen, aber die Ausübung sektor und im Verkauf. Die meisten bestimmter anstrengender Tätigkeiten haben eine untergeordnete Funktion. erhöht das Risiko einer frühzeitigen kör- Die Arbeitslosenquote ist höher als jene perlichen Abnützung, die insbesondere der Schweizer Bevölkerung, aber tiefer zu Gelenk- oder Rückenbeschwerden als jene der ausländischen Bevölkerung und zu funktionellen Behinderungen insgesamt. führen kann. – Die portugiesischen Staatsangehörigen – Im Grossen und Ganzen zeichnet sich sind aufgrund ihrer ausgeübten Berufe die portugiesische Bevölkerung durch in der Schweiz stark von Berufsunfällen ein sehr aktives Präventionsverhalten in betroffen. Die IV-Rate der portugiesi- Bezug auf die Erkennung verschiedener schen Personen ist fast zwei Mal höher schwerer Krankheiten wie Krebs oder als jene der schweizerischen. Sie erhal- Aids aus. Unter den portugiesischen ten demgegenüber öfter Teilrenten und Frauen ist hingegen ein hoher Prozent- somit auch tiefere Beträge. satz freiwilliger Schwangerschaftsab­ – Beim Bezug von Sozialhilfe liegen die brüche festzustellen. Portugiesen leicht unter dem Schnitt der – Die Portugiesen geniessen in der öffent- ausländischen Bevölkerung, obwohl sie lichen Meinung derzeit ein allgemein einer bestimmten Unsicherheit ausge- positives Image, was mit ihrer guten setzt sind, da sie Stellen besetzen, die Integration in der Arbeitswelt zusam- geringe Qualifikationen erfordern und menhängt. Sie werden indes für das befristet sind. als schwach angesehene Engagement – Die Portugiesen sind grösstenteils ihrer Familien in Bezug auf die Bildung Mieter und wohnen meist in einfachen kritisiert. Wohnungen mit einer grundlegenden Ausstattung in grossen Gebäudekom- plexen. Oft sparen sie mit ihrer günsti- gen Mietwohnung Geld im Hinblick auf die Rückkehr in ihr Land. In Immobilien investiert wird vor allem im Herkunfts- land. Portugiesische Migranten mit Wohneigentum in der Schweiz sind selten.

63 4.1 Wirtschaftliche Der Anteil der Erwerbstätigen in der por- Integration tugiesischen Bevölkerung ist äusserst hoch und liegt deutlich über den Durchschnitts- Bei der portugiesischen Einwanderung in werten anderer Nationalitäten: Bei den die Schweiz handelt es sich vor allem um Männern beläuft er sich auf 80 % gegen- Arbeitsmigration. Diese Migration hatte über 72 % der Staatsangehörigen der EU/ lange einen temporären Charakter, war EFTA und 65 % der Einheimischen. Bei gezeichnet durch den Saisonnierstatus und den Frauen tritt die Tendenz noch klarer konzentrierte sich auf die Stellen in Wirt- zutage: 70 % der Portugiesinnen sind er- schaftssektoren wie Hotellerie und Bau, die werbstätig, während 54 % der Frauen aus auf den Binnenmarkt ausgerichtet und vor EU‑/EFTA-Staaten und 49 % der Schweize- Wettbewerb geschützt sind (Afonso 2004). rinnen einer Erwerbstätigkeit nachgehen Diese typischen Merkmale sind zwar nicht (Abbildung 23). ganz verschwunden, aber doch stark in den Hintergrund getreten. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen in Bezug auf die Erwerbstätigkeit Die portugiesische Bevölkerung sticht in- ist unter den Migrantengruppen verschie- nerhalb der neuen Einwanderungsbewe- dener Herkunft bei den Staatsangehöri- gungen in der Schweiz durch den Kontrast gen aus Portugal demnach am gerings- zwischen ihrem schwachen schulischen ten. Die starke berufliche Integration der Rüstzeug und ihrer sehr starken berufli- Frauen äussert sich auch im hohen Anteil chen Integration hervor1 – ihre Arbeits- der Vollzeitstellen (58 %) im Vergleich marktbeteiligung ist nämlich sehr hoch. mit den Frauen aus den Ländern der EU/ EFTA (durchschnittlich 48 %) und den Schweizerinnen (38 %). Die starke berufli- che Integration lässt sich nicht nur durch 1 Die hier dargelegten berufssoziologischen Eigenschaften das Migrationsprojekt der Portugiesen der Portugiesen in der Schweiz entstammen der Schwei- zerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE), einer jährlich erklären, sondern auch durch ihre Merk- durchgeführten Haushaltsbefragung. Seit 2003 wird die SAKE-Stichprobe durch eine Stichprobe von 15 000 male vor der Auswanderung: In der Re- ausländischen Personen ergänzt, welche aus dem Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) gezogen wird. Die gel sind Frauen in Portugal berufstätig. an der Erhebung teilnehmenden Personen gehören zur (vgl. Kapitel 5.2: Die portugiesischen ständigen Wohnbevölkerung. Zur Gewährleistung einer aus- reichenden Qualität der statistischen Informationen basieren Frauen zwischen Tradition und Wandel) die Untersuchungen auf einer Verschmelzung (pooling) der Ergebnisse von mehreren Jahren in Folge: 2003–2007 (pooled data). Die berücksichtigte Stichprobe umfasst 7604 Befragte portugiesischer Herkunft, wovon 5 % eingebürgert Ein Viertel der portugiesischen Männer sind, 81 % über eine Niederlassungsbewilligung, 12 % über arbeitet im Bausektor. Diese Branche eine Aufenthaltsbewilligung und 2 % über eine kurzfristige Bewilligung verfügen. Die Situation der portugiesischen zieht einen Grossteil der Arbeitskräfte aus Bevölkerung wird systematisch mit jener der Schweizer sowie der Staatsangehörigen der Länder der Europäischen Portugal an. Ein Fünftel ist in der verar- Union und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) verglichen. Aufgrund der geringen Zahl der EFTA-Angehö- beitenden Industrie tätig, in welcher die rigen (Island, Norwegen, Liechtenstein) und im Hinblick auf portugiesischen Männer in etwa derselben die Lesbarkeit werden die Informationen zu dieser Gruppe in den Grafiken unter der Bezeichnung EU aufgeführt. Grössenordnung vertreten sind wie jene

64 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % Portugal EU Schweiz Portugal EU Schweiz Männer Frauen Erwerbstätig Lernend Arbeitslos Nicht erwerbstätig

Abbildung 23: Arbeitsmarktstatus nach Herkunft und Geschlecht (in %) Bemerkung: Gesamtheit der Stichprobe (15 Jahre und mehr), nicht gewichtete Daten Quelle: Berechnungen SFM auf Grundlage der SAKE 2003–2007 (pooled data) aus der EU/EFTA und der Schweiz. Die Ver- Industrie und der Landwirtschaft anzu- teilung der Frauen auf die verschiedenen treffen. Die Frauen sind grösstenteils in Wirtschaftszweige entspricht fast jener der unqualifizierten Beschäftigungen sowie Einheimischen. Im Gesundheitswesen sind in den Verkaufs- und Dienstleistungstä- sie weniger stark vertreten wie die anderen tigkeiten des dritten Sektors vertreten. Gruppen, im Gastgewerbe und in den per- (vgl. Kapitel 3.1: Die Schulausbildung por- sönlichen Dienstleistungen hingegen fällt tugiesischer Migranten) ihre Konzentration stärker aus (Abbildung 24). Die selbstständige Erwerbstätigkeit stellt für die Portugiesen ein Ziel des sozialen Die berufliche Stellung der Portugiesen Aufstiegs dar: 4 % erreichen dieses Ziel in unterscheidet sich jedoch merklich von der Schweiz, gegenüber 12 % der Staats- jener der anderen europäischen Migran- angehörigen der EU/EFTA und 17 % der tengruppen und der Schweizer (Abbil- Schweizer (SAKE 2003–2007). dung 25). Aufgrund ihres Bildungsstands sind die portugiesischen Männer haupt- Nach Inkrafttreten der Personenfreizügig- sächlich in unqualifizierten Stellen so- keit hat in der portugiesischen Bevölkerung wie in den Berufen des Gewerbes, der eine neue Migrationsbewegung mit besser

65 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 Portugal EU Schweiz Portugal EU Schweiz Männer Frauen Landwirtschaft Industrie, Gewerbe Technik Bau Handel, Verkehr Gastgewerbe, persönliche Dienstleistungen Administration, Bank, Versicherung Gesundheit, Unterichtswesen, Kultur

Abbildung 24: Wirtschaftsabschnitt der erwerbstätigen Bevölkerung nach Herkunft und Geschlecht (in %) Quelle: Berechnungen SFM auf Grundlage der SAKE 2003–2007 (pooled data); nach Schweizer Berufsnomenklatur qualifizierten Arbeitskräften eingesetzt. sischen» portugiesischen Migranten ohne Dieses Phänomen ist nicht auf die Schweiz Berufsqualifikation, die nach einem nicht beschränkt (Cordeiro 2002). Es muss mit erfolgreichen Versuch der Rückkehr in die dem Ausbau des portugiesischen Bildungs- Heimat in die Schweiz zurückgekehrten systems während der letzten dreissig Jahre, Migranten und die jungen Hochqualifizier- mit den im eigenen Land mangelnden Stel- ten (mit Diplomen in Physik, Wirtschafts- len für die Hochqualifizierten sowie mit wissenschaften, Ingenieurwesen, Architek- den gestiegenen Mobilitätsmöglichkeiten tur usw.). im Kontext der EU in Verbindung gebracht werden. Die Ankunft dieser neuen Arbeitskräfte wird in den Interviews im Rahmen dieser Während der vom Integrationsbüro des Studie verschiedentlich erwähnt. Im Allge­ Kantons Genf organisierten Informations- meinen verfügen die neuen Migranten anlässe für die Neuankömmlinge erklärt über eine universitäre Bildung, sind mehr- die für die Portugiesischsprachigen ver- sprachig, sehr mobil und kommen auf- antwortliche Person, dass drei Gruppen grund der Arbeitsmöglichkeiten, auf die deutlich unterschieden werden: die «klas- sie im Internet oder über die Netzwerke

66 100 %

80 %

60 %

40 %

20 %

0 % Portugal EU/EFTA Schweiz Portugal EU/EFTA Schweiz Männer Frauen Hilfsarbeitskräfte Fachkräfte in Handwerk, Industrie, Landwirtschaft Dienstleistungs- und Verkaufsberufe Fachkräfte mittlerer Qualifikationsebene Führungskräfte und akademische Berufe

Abbildung 25: Berufliche Stellung nach Herkunft und Geschlecht (in %) Quelle: Berechnungen SFM auf Grundlage der SAKE 2003–2007 (pooled data); Berufssystematik ISCO von Headhuntern (und nicht mehr über fach ist, da sie nicht alle eine ihrem Profil die familiären Netzwerke) gestossen sind, entsprechende Stelle finden und aufgrund in die Schweiz. Die früher eingewander- der Diskrepanz zwischen ihrer Stelle und ten Portugiesen beobachten verschiedene ihrem Bildungsstand manchmal frustriert Unterschiede zwischen sich selbst und den sind. Neuzugewanderten. Diese manifestieren sich insbesondere darin, dass diese Perso- In den Statistiken wird dieser Umstand in- nen nicht an die Rückkehr denken, son- des nicht klar abgebildet. Das weist darauf dern hier konsumieren und leben, wie sie hin, dass nicht viele davon betroffen sind. es in ihrem Heimatland tun würden, dass Das Problem wird in der Migrantengruppe sie ausserdem ihrem Sozialstatus eine ge- jedoch wahrgenommen. wisse Bedeutung beimessen und dass sie wirtschaftlich und sozial ambitioniert sind. Aus persönlicher Sicht Einige Befragte weisen jedoch darauf hin, «Wenn ich in Portugal einen guten Job ha- dass die Integration der hoch qualifizierten ben will, muss ich nach Lissabon ziehen. Ich Personen in der Schweiz nicht immer ein- bin aus Porto, und im Zug brauche ich etwa

67 8 %

7 %

6 %

5 %

4 %

3 %

2 %

1 % 2005 2006 2007 2008 März 2009 Schweiz Portugal Total Ausland

Abbildung 26: Anteil registrierter Arbeitsloser, 2005–2009 (in %) Quelle: SECO Arbeitsmarkt und Arbeitslosenversicherung 2009 drei Stunden nach Lissabon, während ich ist das dasselbe. Wenn eine Person die im Flugzeug in zwei Stunden hier in Genf Möglichkeit hat, im Land eine Stelle zu be- bin.» kommen, dann geht sie dorthin und stellt Eingewanderter portugiesischer Ingenieur sich nicht mehr die Frage, dort oder hier zu sein. Es gibt wirklich eine neue Form «Heute ist das Reisen einfacher als früher. der Mobilität, die für die früheren Gene- Die neue Migration hängt auch damit zu- rationen nicht so selbstverständlich war. sammen. Die Sache ist die, dass Portugal Früher ging der Migrationsstrom in eine seinen Universitätsabgängern keine guten bestimmte Anzahl Länder, heute bewegt Berufsperspektiven bieten kann. So müs- er sich in ganz Europa auf der Suche nach sen diese Leute exportiert werden.» einer Arbeit, für das Studium etc.» Eingewanderter portugiesischer Lehrer Portugiesischer Verantwortlicher im Sozialbereich «Die Leute stellen sich heute nicht mehr die Frage, ob «hier oder dort», diese Frage ist Die solide Verankerung der Staatsangehöri- den Portugiesen völlig egal. Wenn jemand gen aus Portugal im Arbeitsmarkt zeigt sich aus Portugal ist, studiert er in Portugal, in ebenfalls in einer relativ geringen Arbeits- Spanien, in Italien. In Bezug auf die Arbeit losenquote im Zeitraum 2003–2007. Diese

68 8 %

7 %

6 %

5 %

4 %

3 %

2 %

1 % Sekundarstufe I Sekundarstufe II Tertiärstufe

Schweiz Portugal EU

Abbildung 27: Arbeitslosenquote nach Herkunft und Bildungsstufe (Männer und Frauen) (in %) Quelle: Berechnungen SFM auf Grundlage der SAKE 2003–2007 (pooled data) ist zwar höher als jene der Staatsangehöri- mit den Einheimischen im Wettbewerb um gen der EU/EFTA und doppelt so hoch wie die Stellen stehen, während die Nichtein- jene der Schweizer (Abbildung 26). Sie ist gebürgerten in den traditionellen Arbeits- jedoch deutlich tiefer als jene der aktuel- sektoren der Eingewanderten leichter eine len neuen Migrantengruppen. In sämtli- Anstellung finden (Fibbi et al. 2006). chen Gruppen lässt sich feststellen, dass die Frauen von der Arbeitslosigkeit stärker Die portugiesischen Arbeitskräfte sind von betroffen sind. der aktuellen Krise aber deutlich betroffen: Zwischen September und Dezember 2008 Die Arbeitslosenquote der Eingebürgerten hat sich die Zahl der arbeitslosen Portugie- übertrifft jene der Nichteingebürgerten sen verdoppelt. Im Januar 2009 wurden (7 % gegenüber 5 %, gemäss den Daten in der Schweiz mehr als 9500 portugiesi- der SAKE 2003–2007). Dieses Phänomen sche Arbeitslose verzeichnet, was gemäss konnte bereits bei der Volkszählung be- den Informationen des Staatssekretariats obachtet werden. Womöglich hängt dies für Wirtschaft (SECO) einem Anstieg von damit zusammen, dass die eingebürger- 108 % gegenüber der Gesamtzahl der Ar- ten und besser ausgebildeten Personen beitslosen im September 2008 (rund 4500)

69 120 000

100 000

85 680 80 000 75 000

67 600 61 776 61 750 60 000

48 100

40 000 Portugal EU Schweiz Portugal EU Schweiz Männer Frauen Abbildung 28: Quartile und Bruttojahreseinkommen für Vollzeitpensum, nach Herkunft und Geschlecht* Quelle: SAKE 2003–2007 (pooled data), nicht gewichtete Daten

* Jahreseinkommen: brutto, Vollzeit. Quartile ohne fehlende Werte berechnet, Erwerbstätige + 15–62/65 Jahre + Vollzeit (≥ 90 %), Herkunft = Nationalität bei Geburt entspricht. Im März 2009 stieg die Arbeits- Personen ohne nachobligatorische Ausbil- losenquote der portugiesischen Bevölke- dung vergleichbar. rung auf über 7 % (SECO 2009). Diese Entwicklung lässt sich wohl dadurch Bei der Analyse der Arbeitslosenquote nach erklären, dass es für die portugiesischen Bildungsstufe kommt eine Besonderheit Staatsangehörigen schwierig ist, im Aus- zum Vorschein (Abbildung 27): Die Ar- land erworbene Qualifikationen in der beitslosenquote der Schweizer sowie der Schweiz geltend zu machen. Dieser Punkt Angehörigen sämtlicher EU-Staaten sinkt, sollte näher untersucht werden, denn im- je höher die Bildungsstufe der Angestell- mer mehr Personen der portugiesischen ten ist. Auf die portugiesische Bevölkerung Bevölkerung verfügen über eine tertiäre trifft dies nur teilweise zu: Die Personen mit Ausbildung, ob sie nun vor Kurzem einge- einem Diplom der Sekundarstufe II sind der wandert oder Nachkommen von Migran- Gefahr der Arbeitslosigkeit weniger ausge- ten sind. setzt, aber die Arbeitslosenquote der Dip- lomierten der Tertiärstufe ist mit jener der

70 4.2 Wirtschaftliche gesund, die anderen sind entweder von In- Ressourcen validität betroffen oder verstorben (Fazen- deiro 2002). Dabei ist zu beachten, dass ein Das Medianeinkommen der portugie­ Viertel der portugiesischen Erwerbstätigen sischen Vollzeitbeschäftigten ist aufgrund in der Baubranche angestellt ist. ihrer Stellung in der Arbeitswelt deutlich tiefer als jenes der Schweizer und der EU- Expertenmeinung Staatsangehörigen insgesamt. Die schwa- «Im Bau sind die meisten Portugiesen, (…) che Streuung der Einkommen der Personen von 15 000, die bei uns sind, sind unge- aus Portugal weist zudem darauf hin, dass fähr 5000 Portugiesen (…) ich habe keine die Gruppe betreffend die berufliche Positi- Statistiken, aber im Baugewerbe sind viele onierung und die wirtschaftlichen Ressour- Portugiesen bei der IV, vor allem wegen cen sehr homogen ist (Abbildung 28). dem Rücken, diese Beschwerden sind recht häufig.» Berufsunfälle und Invalidität Gewerkschafter Aufgrund ihrer Berufstätigkeit sind die portugiesischen Staatsangehörigen in der Im Vergleich zur gesamten portugiesischen Schweiz oft Opfer von Berufsunfällen. Wohnbevölkerung war der Anteil der por- Bei den portugiesischen Männern ist die tugiesischen Bezüger einer IV-Hauptrente4 Quote der neu registrierten Unfälle seit (6 %) im Jahr 2008 höher als der Anteil der den 2000er-Jahren konstant gestiegen. Sie Schweizer (3 %)5. Dieser Unterschied ist da- machten im Jahr 2008 14 % des Totals der rauf zurückzuführen, dass Erstere grössten- in die Statistik einbezogenen ausländischen teils in Branchen arbeiten, in denen das Un- Bevölkerung aus2 (Buri 2009). Das Bundes- fallrisiko deutlich höher ist (Abbildung 29). amt für Sozialversicherungen (BSV) beob- achtet bei den portugiesischen Frauen hin- Die monatliche IV-Hauptrente der portu- gegen einen relativ stabilen Anteil von rund giesischen Staatsangehörigen erreicht im 12 % am Total der verunfallten Frauen.3 Durchschnitt 80 % der durchschnittlichen Infolge der Unfälle können die Personen Rente der Einheimischen (1188 CHF gegen- voll oder teilweise arbeitsunfähig werden, über 1489 CHF). Diese Differenz lässt sich weshalb sie eine Invalidenrente beantragen in erster Linie anhand zweier Faktoren er- (Bolzman und Tabin 1999). klären: Erstens wird die Invalidenrente auf Basis des durchschnittlichen Erwerbsein- Am meisten von Invalidität betroffen sind kommens und der Beitragsdauer berech- die Bauarbeiter, insbesondere aufgrund net, zweitens ist der Invaliditätsgrad der von Berufsunfällen: Nur 57 % der Bauar- portugiesischen Personen durchschnittlich beiter sind bei Erreichen des Rentenalters tiefer. Da ihr durchschnittliches Erwerbsein-

2 Das Total der ausländischen Bevölkerung umfasst die Gesamtheit der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz, 4 D. h. Hauptrente ohne die Zusatzrente für Kinder einschliesslich der portugiesischen Staatsangehörigen. und Ehegatten. 3 Daten vom BSV zur Verfügung gestellt. 5 Information vom BSV zur Verfügung gestellt.

71 Schweiz

Italien

Portugal

Ausserhalb Europas

Total

0 % 0,1 % 0,2 % 0,3 % 0,4 % 0,5 % 0,6 % Geburtsgebrechen Psychische Erkrankungen Nervensystem Knochen- und Bewegungsorgane Andere Krankheiten Unfall

Abbildung 29: Quote der neuen IV-Renten nach Nationalität und Gebrechensgruppe, 2007 (in %) Quelle: BSV 2009 kommen unter jenem der Schweizer liegt IV-Rente sind Erkrankungen der Knochen und ihre Beitragsdauer kürzer ist, erhalten und des Bewegungsapparats, die beson- sie öfter eine Teilrente. So wird 72 % der ders oft bei Personen mit einer schweren portugiesischen IV-Rentner eine Teilrente körperlichen Arbeit ohne grössere Qualifi- ausbezahlt (gegenüber 10 % der schwei- kationsanforderungen auftreten. zerischen Rentenempfänger). Im Vergleich zu den portugiesischen Frauen sind die Expertenmeinung Invaliditätsfälle bei den portugiesischen «In meiner Arbeit sehe ich viele Portugie- Männern häufiger und ihre Renten fallen sen (…) Rücken- und Schulterschmerzen, im Durchschnitt höher aus. Krankheiten im Zusammenhang mit der schweren Arbeit. Die meisten Portugiesen Die portugiesischen Staatsangehörigen haben auf Baustellen gearbeitet, im Rei- beantragen häufig eine Rente aufgrund nigungsdienst, in körperlich ziemlich an- psychischer Leiden. Dieser Grund ist in al- strengenden Berufen, die nachweislich zu len Gruppen der häufigste. Bei den Portu- Gesundheitsschäden führen.» giesen führt er jedoch verhältnismässig Sozialarbeiter häufiger zu einem Rentenempfang als bei Schweizer Staatsangehörigen. Der zweit- häufigste Grund für die Beantragung einer

72 Zunehmend prekäre Arbeitsver­ Dementsprechend kann der Bezug von So- hältnisse und Sozialhilfebezug zialhilfe als Abbild der zunehmend prekä- Wird die Altersstruktur der portugiesischen ren Arbeitsverhältnisse angesehen werden. Bevölkerung in der Schweiz betrachtet, lag Im Jahr 2007 bezogen 4 % der Personen der Anteil der portugiesischen Personen im aus Portugal in der Schweiz Sozialhilfeleis- AHV-Alter im Januar 2008 knapp über 3 %, tungen.7 Dieser Prozentsatz ist tiefer als die verglichen mit fast 21 % für die schweizeri- durchschnittlichen 7 % der ausländischen sche Bevölkerung.6 Aufgrund der kürzeren Bevölkerung insgesamt, aber höher als der Beitragsdauer entspricht die durchschnitt- Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung liche Rente der portugiesischen Staatsan- (2 %). Die meisten portugiesischen Sozi- gehörigen 36 % der Durchschnittsrente alhilfebezüger sind zwischen 46 und 64 der Personen aus der Schweiz (633 CHF Jahre alt. Rund 80 % der sozialhilfeabhän- gegenüber 1742 CHF). So beziehen 99 % gigen Portugiesen verfügen zudem über der portugiesischen AHV-Rentner eine Teil- keine Berufsausbildung. Ungefähr ein Drit- rente, während lediglich 12 % der Schwei- tel der Unterstützten ist erwerbstätig, ein zer eine Teilrente erhalten. Drittel ist nicht erwerbstätig und ein Drittel ist arbeitslos. Durch die jüngste Konjunkturentwicklung ist das Stellenangebot in den wichtigsten Wohnsituation Wirtschaftszweigen, in denen Portugiesen Die Wohnsituation gibt einen Hinweis auf arbeiten, stark geschrumpft. Der Zugang die Ressourcen der Familien. Fast ein Vier- zu unbefristeten Vollzeitstellen scheint in tel der portugiesischen Haushalte (24 %) den letzten Jahren schwieriger geworden lebt in Gebäuden mit zwanzig Wohnungen zu sein, da die grösseren Bauunternehmen und mehr. Im Vergleich dazu wohnen nur öfter die Dienste von Temporärbüros in An- 3 % der Schweizer in solch grossen Gebäu- spruch nehmen. dekomplexen. 17 % der portugiesischen Alleinstehenden leben in einer einfach ein- Expertenmeinung gerichteten Wohnung, gegenüber 5 % der «Auch die grossen Bauunternehmen neh- Schweizer Alleinstehenden. Gemäss der men (…) Temporärunternehmen in An- Eidgenössischen Volkszählung 2000 zahlen spruch. Die Arbeiter werden also über Tem- portugiesische Paare mit Kindern eine um porärbüros angestellt, und sobald sie sie 25 % tiefere Monatsmiete als Schweizer nicht mehr brauchen, müssen sie sie nicht Paare (Wanner 2004). mehr tragen und voilà, Vertrag aufgelöst. Das Problem ist heute, eine Festanstellung Die Zugewanderten suchen nach einer zu finden.» Wohnung, die ihren Projekten für die Zu- Sozialarbeiter kunft, ihren finanziellen Mitteln sowie ih- rem Verständnis der Migration entspricht.

6 Information vom BSV zur Verfügung gestellt. 7 Daten vom BFS zur Verfügung gestellt.

73 Einfache Wohnverhältnisse können Aus- 4.3 Gesundheit druck davon sein, dass die Auswanderung in der Absicht einer raschen Rückkehr in die Die Ärztedichte in Portugal war im Jahr Heimat erfolgt ist. Ziel ist, beim Wohnen zu 2005 sehr hoch: Auf 10 000 Einwohner sparen, um Geld beiseitezulegen oder an kamen 34 Ärzte (OMS 2008). Das portu- die Familie in Portugal zu überweisen. Da- giesische Gesundheitswesen basiert auf rüber hinaus haben weitere Faktoren wie einem universellen System eines umfas- die verfügbaren Netzwerke, die Diskrimi- senden und kostenlosen Zugangs zu medi­ nierung sowie der Zugang zu Informatio- zinischer Versorgung, der durch Steuern nen einen Einfluss auf die Wohnsituation finanziert und durch öffentliche und pri- (Wanner 2004). vate Versicherungskassen sowie durch Di- rektzahlungen ergänzt wird (Barros und de Der Erwerb einer Wohnung in der Schweiz Almeida Simões 2007). Da die Arztwahl ist dementsprechend ein Zeichen für den nicht den Patienten überlassen wird, kön- Wunsch, sich in der Schweiz niederzulas- nen die Wartezeiten für eine Sprechstunde sen. Ein Blick auf die Daten der Volkszäh- manchmal sehr lang sein, was bei unver- lung 2000 offenbart, wie viele Haushalte mittelt auftretenden Erkrankungen ärger- mit Kindern über Wohneigentum verfügen: lich sein kann. In diesen Fällen wenden sich Nur einer von fünfzehn portugiesischen die Betroffenen für eine Behandlung an die Haushalten besitzt Wohneigentum, wäh- Notfallstationen der Spitäler. rend einer von zehn ausländischen Haus- halten und einer von drei Schweizer In der Schweiz ist die Arztwahl Sache der Haushalten über Wohneigentum verfügt Patienten. Abgesehen davon bestehen (Wanner 2004). keine wesentlichen Unterschiede zum portugiesischen Gesundheitssystem. Die Aus persönlicher Sicht portugiesischen Migranten begeben sich «Das Erste, was ein junger 25-Jähriger also nicht auf ein unbekanntes Terrain, kauft, ist ein eigenes Haus in Portugal. Er wenn sie mit dem schweizerischen Ge- muss es vielleicht bis fünfzig abzahlen, aber sundheitssystem in Kontakt treten müssen. dann ist fertig (…) Das erleichtert die Rück- kehr, vor allem wenn die Rente hier klein Generell machen die portugiesischen Mig- ist, ist das Leben dort einfacher. Ich kenne ranten gute Erfahrungen mit dem schwei- aber auch Leute, die ihr Haus dort verkauft zerischen Gesundheitssystem. Nur 5 % der haben, um hier oder in Frankreich eines zu portugiesischen Befragten, im Vergleich zu kaufen.» 11 % der ausländischen Befragten, sind Vor der Pensionierung stehender portugie- mit der Berücksichtigung ihrer kulturell und sischer Migrant religiös bedingten Bedürfnisse nicht ganz zufrieden. Trotzdem zog nicht weniger als ein Viertel der portugiesischen Befragten im Jahr vor der Umfrage traditionelle Heil-

74 100 % sehr schlecht schlecht mittelmässig 80 % gut sehr gut 60 %

40 %

20 %

0 % Portugal Schweiz Abbildung 30: Wahrnehmung des Gesundheitszustands nach Herkunft (in %) Quelle: Rommel et al. 2006 praktiker aus ihrer Herkunftsgemeinschaft Gesundheitszustand und häufigste bei.8 Obwohl mehr als 90 % von ihnen ei- Beschwerden nen Hausarzt haben, wechseln sie diesen Gemäss dem selbst wahrgenommenen im Allgemeinen oft und neigen stark dazu, Gesundheitszustand, d. h. dem subjekti- dessen Diagnose infrage zu stellen (Gaba- ven gesundheitlichen Befinden, fühlen sich dinho et al. 2007). die portugiesischen Migranten im Allge- meinen weniger gesund als die Schweizer. Dieses Misstrauen könnte mit sprachlichen Sie leiden jedoch nicht unter spezifischen Kommunikationsschwierigkeiten zusam- Beschwerden (Abbildung 30). Der selbst menhängen. Vor allem die portugiesischen wahrgenommene Gesundheitszustand Männer bekunden Mühe, das medizinische hängt hingegen eng mit dem objektiven Personal zu verstehen: 12 % der portugiesi- Gesundheitszustand zusammen und stellt schen Patienten nehmen beim Arztbesuch somit eine sehr verlässliche Prognose für die Unterstützung eines Dolmetschers in den tatsächlichen Gesundheitszustand dar. Anspruch (Gabadinho und Wanner 2008). Verglichen mit der Schweizer Bevölkerung müssen die Portugiesen ihre Berufstätig- keit öfter infolge körperlicher oder psychi- scher Leiden einschränken oder aufgeben. 8 Zum Beispiel die Endireitas (Osteopathinnen) und die Bruxos (Hexer, Therapeuten) (vgl. Montenegro 2005). Zudem ist die portugiesische Bevölkerung

75 psychisch weniger ausgeglichen als die Gesundheitsverhalten und Risiko­ schweizerische. Schliesslich suchten wäh- faktoren rend der letzten zwölf Monate vor der Bei den meisten Indikatoren zum Gesund- Umfrage mehr portugiesische Männer heitszustand weist die portugiesische Be- (78 %) ärztliche Hilfe auf als Schweizer völkerung im Vergleich zur schweizerischen Männer (70 %) (Gabadinho et al. 2007). keine Unterschiede auf. Der tägliche Alko- Es besteht zweifellos ein Zusammenhang holkonsum ist unter den portugiesischen zwischen dem grossen Anteil portugie­ Männern indes verbreiteter (38 % gegen- sischer Staatsangehöriger mit einer Tätig- über einem Durchschnitt von 19 % bei den keit in «risikobehafteten» Berufszweigen befragten Männern aller Nationalitäten). wie dem Bauwesen und der hohen Zahl Mehr als 10 % der Portugiesen konsumie- ambulanter Behandlungen in den letzten ren mindestens ein Mal pro Monat eine zwölf Monaten. De facto wurden 23 % der grosse Menge Alkohol (gegenüber durch- Portugiesinnen und 20 % der Portugiesen schnittlich 6 % bei den Männern anderer ambulant behandelt, während der Durch- Herkunft). Auch Portugiesinnen tendieren schnitt für die gesamte Bevölkerung rund dazu, mindestens ein Mal pro Monat eine 13 % beträgt. grosse Menge Alkohol zu konsumieren (Gabadinho et al. 2007).

Betreffend Tabak und Drogen unterschei- den sich die portugiesischen Männer nicht

76 von den Schweizer Männern. Die Portu­ etwas stabilisiert, ein deutlicher Rückgang giesinnen hingegen konsumieren weniger ist jedoch nicht auszumachen. als die Schweizerinnen. Schliesslich üben mehr portugiesische Männer wöchent- Expertenmeinung lich eine körperliche Tätigkeit aus, die sich «Ich kann sagen, dass im Rahmen meiner potenziell positiv auf ihre Gesundheit aus- Arbeit als Krankenpflegerin ziemlich viele wirkt. Portugiesinnen einen Schwangerschafts- abbruch vornehmen. Das kann auf man- Erkennung und Prävention gelnde Information und einen mangelnden In Bezug auf die Erkennung mehrerer Arten Dialog zuhause mit den Eltern zurückzu- von Krankheiten zeichnet sich die portu- führen sein. Ich spreche wirklich von der giesische Bevölkerung in der Schweiz ge- Jugend, von blühend jungen Mädchen, nerell durch ein präventives Verhalten aus. die auf dumme Weise schwanger werden, So ist der Anteil der Portugiesen, die ihren das ist es, was ich vor allem sehe. Ich finde, Cholesterinspiegel messen liessen, deutlich dass mehr portugiesische Mädchen abtrei- höher als der Durchschnitt der ausländi- ben als Mädchen anderer Gemeinschaften schen Ansässigen. Im Vergleich zu den (…) man spricht nicht mit den Eltern, man Schweizerinnen unterzogen sich im Jahr macht alles heimlich.» vor der Umfrage auch mehr Portugiesinnen Krankenpflegerin einer mammografischen Untersuchung. am Universitätsspital Genf Einem HIV-Test unterzogen sich ebenfalls mehr portugiesische als Schweizer Männer. 4.4 Image In Sachen Empfängnisverhütung ist prä- ventives Verhalten bei den Portugiesinnen, Das Image der portugiesischen Bevöl- insbesondere den jugendlichen, weniger kerung in der Schweiz ist seit Langem verbreitet. Bereits in den 1990er-Jahren durchwegs positiv. In einer Umfrage des war die Rate der Schwangerschaftsab- Jahres 2002 wurde die Schweizer Bevöl- brüche bei den Frauen portugiesischer kerung gebeten, darzulegen, wie sie die Herkunft mit Wohnsitz in den Kantonen wichtigsten Einwanderungs­gruppen beur- Waadt und Wallis verglichen mit jener teilt (Raymann 2003). Die portugiesische der Ausländerinnen insgesamt sehr hoch Bevölkerung belegt gleich hinter der itali- (Fontana 1994). Zwischen 1999 und 2002 enischen einen guten Rang: Ein Fünftel der bildeten die Portugiesinnen in der Waadt Einheimischen ist der Ansicht, dass ihre An- betreffend Schwangerschaftsabbrüche die wesenheit in der Schweiz bereichernd ist. drittgrösste ausländische Gruppe (Baltha- sar et al. 2004), obwohl die portugiesische Ein weiterer klarer Hinweis auf das positive Migrantengruppe nur 5 % der Kantonsbe- Image der portugiesischen Staatsangehö- völkerung ausmachte. Zwar hat sich die rigen ist auch die Tatsache, dass es heut- Lage in der portugiesischen Bevölkerung zutage keine abschätzige Bezeichnung

77 für diese Gruppe gibt. Es ist vielmehr eine nen Schulkameraden mit «sale portos», Wert­umkehrung zu beobachten: Eine frü- «Drecksportugiese», beschimpft wurde. her verletzende Benennung wird zu einem Heute braucht dieses Wort niemand mehr.» eher positiv konnotierten Emblem für die Sohn von Migranten, dreissig Jahre alt eigene Identität, ja gar zu einer Bezeich- nung, welche die Jugendlichen für sich «Die Portugiesen sind die «Tos», die Jun- beanspruchen. Dies trifft auf den Namen gen brauchen dieses Wort unter sich. Die- «Tos» zu, den die Jugendlichen mit por- ser Name kommt bestimmt von «Portos». tugiesischem Migrationshintergrund in «Tos» ist keine negative Bezeichnung, sie der Schweiz und in Frankreich für sich in wird eher in der Jugendsprache «Verlan» Anspruch nehmen (Pingault 2004).9 Die so verwendet. Die Jugendlichen brauchen insbesondere im Kanton Waadt verbreitete sie, um sich selbst zu bezeichnen (z.B. als Bezeichnung «Tuga» (Kurzwort von «Por- Pseudonym in MSN), es ist überhaupt nicht tuga») hat einen ähnlichen Wandel erfah- beleidigend, man will sogar so bezeichnet ren. werden.» Tochter von Migranten, zwanzig Jahre alt Aus persönlicher Sicht «Ich erinnere mich daran, dass ich Ende der Die Portugiesen werden geschätzt, weil 1980er-Jahre, als ich klein war, von mei- sie arbeitsam sind: Der Arbeitsethos ist für

9 Dieser Prozess weist bestimmte Ähnlichkeiten mit jenem diese Gruppe charakteristisch. Sie sind aus- auf, den die «Secondos», die Jugendlichen italienischer und serdem diskret. «Sie gehorchen und befol- spanischer Herkunft, vor ein paar Jahren in der Schweiz erlebt haben (Bolzman et al. 2003). gen die Regeln», was dazu führt, dass sie

78 von den Arbeitgebern geschätzt werden, völkerung.10 Die Zahl der Jugendstrafurteile wie einige der Befragten betonen. hat sich seit Anfang der 2000er-Jahre nicht verändert (rund 300 Jugendliche). Das hält Das positive Image der Gruppe wird durch mehrere ältere Befragte jedoch nicht davon die ungenügenden Schulleistungen der ab, sich angesichts «ihrer Jugendlichen, die Kinder aus portugiesischen Migrantenfa- entgleisen», insbesondere durch den Alko- milien getrübt. Der portugiesischen Bevöl- hol- und Drogenkonsum, besorgt zu zei- kerung wird vorgeworfen, der Ausbildung gen. In den Augen der befragten Jugend- nach der obligatorischen Schulzeit nicht lichen sind die Älteren in neuen, in ihrem den nötigen Stellenwert beizumessen. ursprünglichen Kontext unbekannten Situ- (vgl. Kapitel 3: Ausbildung der Migranten ationen verunsichert; sie bringen also nur und ihrer Kinder.) 10 Die Daten für 1984 und 2006 weisen darauf hin, dass die Verstösse gegen das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer von über 20 % der insgesamt verzeichne- Rechtlich strafbares Verhalten wird hin- ten Verurteilungen im Jahr 1984 auf weniger als 10 % im Jahr 1996 gesunken sind und seit 2002 unter 5 % liegen. gegen nicht mit den Personen aus Portu- Anhand dieser Entwicklung lässt sich somit die progressive Verbesserung der rechtlichen Stellung der portugiesischen gal assoziiert. Gemäss Strafurteilsstatistik Bevölkerung in der Schweiz nachverfolgen. Die Verurteilun- wurden im Jahr 2000 2,5 % der portu- gen aufgrund von Verstössen gegen das Betäubungsmittel- gesetz machten im gesamten Zeitraum weniger als 10 % der giesischen Erwachsenen verurteilt. Die- Verurteilungen portugiesischer Personen insgesamt aus. Ein Viertel der Verurteilungen erfolgte aufgrund von Verletzun- ses Verhältnis ist mit jenem der gesamten gen strafrechtlicher Bestimmungen. Die Verurteilungen aufgrund von Verstössen gegen das ausländischen Bevölkerung vergleichbar Strassenverkehrsgesetz hingegen, bis 2000 eher konstant und ist höher als jenes der Schweizer Be- auf demselben Niveau, sind in absoluten und relativen Zah- len während des gesamten Zeitraums gestiegen, von 30 % auf rund 60 % der Verurteilungen.

79 eine Sorge zum Ausdruck, die gemeinhin viele Erwachsene gegenüber dem Verhal- ten der Jugend im Allgemeinen plagt.

80 Weiterführende Literatur pulations migrantes en Suisse: une analyse de données du GMM. Neuenburg: Schwei- Afonso, Alexandre (2004). Internationa- zerisches Forum für Migrations- und Bevöl- lisation, économie et politique migratoire kerungsstudien. dans la Suisse des années 1990. Lausanne: Université de Lausanne, Institut d’études Montenegro, Miguel (2005). Les bruxos: politiques et internationales. des thérapeutes traditionnels et leur clien­ tèle au Portugal. Paris: L’Harmattan. Balthasar, Hugues et al. (2004). Deman- des d’interruption volontaire de grossesse Rommel, Alexander, Caren Weilandt und dans le canton de : analyse des don- Josef Eckert (2006). Gesundheitsmonito- nées 2002. Lausanne: Institut universitaire ring der schweizerischen Migrationsbevöl- de médecine sociale et préventive. kerung. Bonn: WIAD, Wissenschaftliches Institut der Ärzte Deutschlands gem. e.V. Bolzman, Claudio und Jean-Pierre Ta­ bin (Hg.) (1999). Populations immigrées: Quelle insertion? Quel travail social? Genf: Les Editions IES.

Buri, Markus (2009). IV-Statistik 2008. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV).

Fibbi, Rosita, Mathias Lerch und Phi­ lippe Wanner (2006). Unemployment and Discrimination against Youth of Immigrant Origin in : When the Name Ma- kes the Difference. Journal of International Migration and Integration, 7(3): 351–366.

Gabadinho, Alexis und Philippe Wanner (2008). La santé des populations migrantes en Suisse: seconde analyse de données du GMM. Le rôle du niveau d’intégration, des discriminations subies, des comportements à risque et de l’isolation sociale (GMM2). Genf LaboDémo, Université de Genève.

Gabadinho, Alexis, Philippe Wanner und Janine Dahinden (2007). La santé des po-

81 5 Soziales und kulturelles Leben, Strukturierung der portugiesischen Bevölkerung 82in der Schweiz In Kürze

– Neun von zehn Ehen werden inner- lokale Sprache umso besser spricht, je halb der portugiesischen Bevölkerung länger sie sich bereits in der Schweiz geschlossen, was aber nicht zu einer aufhält. Heiratsmigration führt. Interregionale – Der herkömmliche Gegensatz zwischen Ehen sind nunmehr alltäglich und Personen aus dem Norden und aus dem binationale Ehen, auch wenn sie immer Süden tritt in den Hintergrund und lässt noch selten sind, stossen heutzutage neue Differenzierungslinien innerhalb auf Akzeptanz. der Gruppe hervortreten: zwischen – Nur 40 % der Kinder werden in der erster und zweiter Generation, zwischen Schweiz geboren. Das ist darauf zurück- traditioneller und neuer Migration, zwi- zuführen, dass immer noch viele junge schen Portugiesen des Kontinents und portugiesische Erwachsene emigrieren portugiesischsprachigen Gruppen aus und viele Eltern Portugal erst nach der den ehemaligen Kolonien. Geburt ihres Kindes oder ihrer Kinder – Das portugiesische Vereinswesen ist verlassen. in der Schweizer Gesellschaft sehr – Die Beteiligung der portugiesischen ausgeprägt und aktiv. Die Portugiesen Frauen am schweizerischen Arbeits- sind in den sozialen, auf das Herkunfts- markt fällt hoch aus. Diese Tatsache land ausgerichteten Netzwerken gut ist nicht allein für das Leben in der integriert. Bei den meisten Vereinen Migration typisch: Entsprechend dem handelt es sich um Vereine mit einem Familienmodell in Portugal ziehen sich regionalen Bezug oder um Freizeit-, die Mütter nach der Geburt ihrer Kinder Kultur- oder Sportvereine. Vereine mit nicht aus dem Berufsleben zurück. politischen, didaktischen, religiösen oder – Die Ausbildung ihrer Töchter hat für die gesundheitlichen Zwecken bilden eine Eltern denselben Stellenwert wie jene Minderheit. Portugiesische Vereine gibt ihrer Söhne. Im schweizerischen Umfeld es insbesondere in der Westschweiz. scheinen die Eltern jedoch im Vergleich zu früher eher bereit zu sein, ihre Töch- ter anzuspornen, besonders was deren schulische Laufbahn betrifft. – Die Frage, weshalb Personen aus Portu- gal oftmals nur über geringe Kenntnisse der lokalen Sprache verfügen, wird in der deutschsprachigen Literatur oft the- matisiert, in der französischen hingegen selten. Die Daten zur Verwendung der lokalen Sprache innerhalb der Familie weisen darauf hin, dass eine Person die

83 5.1 Familie und inner­ war das genau gleich, man heiratete die familiäre Beziehungen Mädchen aus der gleichen Pfarrei. Aber heute hat sich die Mentalität verändert, die Im Migrationsprozess spielt die Familie Leute machen also das, was alle anderen eine grundlegende Rolle. Zumeist wird in tun. Schliesslich ist man frei, andernorts zu der Familie beschlossen auszuwandern. suchen. Die andere Mentalität gehört der Die Migration wird in der Familie organi- Vergangenheit an.» siert. Im Zielland bestimmt die Familie die Religiöser Verantwortlicher Integration, und in ihr wird später über die Rückkehr oder die endgültige Niederlas- «Die Tanzveranstaltungen bieten immer sung im Land entschieden (Wanner et al. Gelegenheit, einen Partner zu finden, vor 2002). Zusätzlich zu dieser pragmatischen allem für die jungen Migranten, die ganz Dimension müssen in der Familie weitere allein einreisen und als Saisonnier in die Fragen geklärt werden. So z.B., wie sich Schweiz kommen, um zu arbeiten usw. Ich die Familienmodelle der eingewanderten kann das vor allem in den Walliser Vereinen Bevölkerung mit den Modellen der Auf- beobachten. Die jungen Leute kommen, nahmegesellschaft vereinbaren lassen, um in der Hotellerie usw. zu arbeiten. Das oder ob die ethnischen oder kulturellen ist also eine neue erste Generation, die Zugehörigkeiten aufrechterhalten werden immer noch gleich funktioniert wie die sollen (Wanner et al. 2005). frühere erste Generation. Aber auch die Jungen der zweiten Generation im Wallis In neun von zehn Fällen wird ein Ehepart- halten sehr daran fest.» ner innerhalb der portugiesischen Bevöl- Integrationsverantwortliche kerung gewählt. Mehrere Befragte beto- nen, dass sich in der Schweiz Personen aus Die Heirat stellt hingegen in keinem Fall ein verschiedenen Regionen Portugals vermäh- Mittel dar, um Landsleute in die Schweiz zu len, was zu einer in der Heimat unbekann- bringen. In mehr als der Hälfte der inner­ ten interregionalen Durchmischung führe. ethnischen Ehen heiraten die Männer eine Die zukünftigen Vermählten treffen sich in der Schweiz geborene Portugiesin, 36 % hauptsächlich im Rahmen der Berufstätig- heiraten eine seit mehr als fünf Jahren in keit oder sozialer Anlässe wie zum Beispiel der Schweiz lebende Frau und nur 4 % Tanzveranstaltungen, an denen sich die wählen eine Partnerin, die seit weniger als portugiesische Bevölkerung in der Schweiz fünf Jahren in der Schweiz wohnt (Wanner trifft. et al. 2005).

Aus persönlicher Sicht Rund 3 % der portugiesischen Frauen und «Früher waren die kulturellen Mentalitä- Männer sind mit Schweizer Staatsange- ten «verschlossen», der Clan war alles. Es hörigen verheiratet (gemäss den Daten gab den Familienclan, aber auch den kul- des Zentralen Ausländerregisters, ZAR, turellen Clan jeder Region. In der Schweiz 1995–2007). Dieser Anteil ist während des

84 gesamten Zeitraums gleich geblieben. In Schema, nach welchem die Frau für die 5 % der Fälle werden Ehen mit Drittstaats- Aufgaben im Haushalt verantwortlich ist. angehörigen geschlossen. Binationale Ehen Sie wird somit durch die Berufstätigkeit stossen heutzutage im Allgemeinen auf und die Hausarbeit doppelt belastet. Der eine gute Akzeptanz. wichtige Beitrag zu den Haushaltsressour- cen, den die Frauen dank ihrer entlöhnten Die Geschiedenen machen weiterhin ei- Arbeit leisten, verleiht ihnen jedoch einen nen relativ kleinen Anteil an der portugie- bestimmten Einfluss innerhalb des Paares. sischen Bevölkerung aus, obwohl in den (vgl. Kapitel 4.1: Wirtschaftliche Integra- letzten Jahren ein leichter Anstieg beo­ tion) bachtet werden konnte (gemäss ZAR 1 % im Jahr 1983, 6 % im Jahr 2005). Laut ei- Aus persönlicher Sicht nigen Befragten lässt sich diese Zunahme «In dieser Gemeinschaft haben immer unter anderem durch die Konsolidierung beide die Hosen angehabt, da die Frauen der Aufenthaltsrechte erklären, von der die immer gearbeitet haben.» portugiesische Bevölkerung aufgrund der Integrationsverantwortliche, Personenfreizügigkeit der Schweiz mit der Tochter von Migranten Europäischen Union profitiert hat. Dem- nach wagen es die portugiesischen Frauen Entscheidungen werden von den Paaren eher, ihren Scheidungswunsch zu verwirk- folglich tendenziell paritätisch getrof- lichen, da sie angesichts ihres Status als fen. Das gemeinsam besprochene Thema europäische­ Staatsangehörige nicht mehr schlechthin bildet die Verwendung der Er- wie früher Gefahr laufen, ihr Aufenthalts- sparnisse, die für das Migrationsprojekt der recht in der Schweiz zu verlieren. portugiesischen Eltern von entscheidender (vgl. Kapitel 5.2: Die portugiesischen Wichtigkeit ist. Die Portugiesinnen nehmen Frauen zwischen Tradition und Wandel) hingegen eher zurückhaltend Einfluss auf die Entscheidungen in Bezug auf den Res- Treten innerhalb der Familie oder des sourcenerwerb und die Berufstätigkeit des Paar­es Schwierigkeiten auf, tendieren die Partners (Fibbi und Lerch 2007). Portugiesen dazu, ihre Probleme für sich zu behalten. Die Unterstützung durch die Gemäss den Daten der letzten Volkszäh- portugiesische Kirchengemeinde wird in lung werden lediglich 40 % der Kinder in schwierigen Situationen jedoch nach wie der Schweiz geboren (Wanner et al. 2005). vor geschätzt. Somit übernehmen die Das ist in erster Linie darauf zurückzufüh- Priester oft eine beratende Funktion und ren, dass immer noch viele junge portu- leiten die Betroffenen mitunter an die ent- giesische Erwachsene emigrieren und viele sprechenden Fachstellen weiter. Eltern Portugal erst nach der Geburt ihres Kindes oder ihrer Kinder verlassen. Aus der Die Rollenverteilung innerhalb der portu- Studie von Fibbi und Lerch (2007) geht her- giesischen Paare folgt dem klassischen vor, dass unter den befragten Familien zwei

85 Drittel der Eltern nach der Geburt ihres ers- ruhige Beziehungen aufbauen können.» ten Kindes in die Schweiz gekommen sind. Integrationsverantwortliche, Aus dem nachträglichen Recht der Saison- Tochter von Migranten niers auf Familiennachzug resultiert, dass die Frauen oft von ihrem Partner (der vor Das Verhältnis Eltern–Kinder ist einer der ihnen in die Schweiz eingereist ist) getrennt Bereiche, in welchen eventuelle interkul- sind und somit deutlich öfter gleichzeitig turelle Differenzen zutage treten können. mit ihrem Nachwuchs in die Schweiz kom- Diese Differenzen können sich z.B. in der men. Bedeutung, die die Kinder für die Eltern haben, in den Funktionen, die die Kinder Werden Kinder, die lange bei anderen Fa- übernehmen, oder den Erwartungen, die milienmitgliedern in der Heimat geblieben die Kinder erfüllen, äussern. Es wird unter- sind, von ihren Eltern in die Schweiz nach- schieden zwischen (1) dem Wunsch nach gezogen, kann dies bisweilen zu Proble- emotionaler Befriedigung durch die Eltern- men in der Familie führen. Oft leiden die rolle und die generationenübergreifenden Kinder unter der Trennungsperiode und Beziehungen, (2) der erwarteten Hilfe, haben Mühe damit, ihren Alltag mit den El- Unterstützung und materiellen Sicherheit tern zu teilen, die sie nur schlecht kennen. durch die Kinder und (3) der Vorstellung, In diesem Kontext kommt es gelegentlich dass die Kinder zu einer materiellen, psy- zu Spannungen und Kommunikations- chischen, physischen oder sozialen Belas- schwierigkeiten. Ausserdem anerkennen tung werden. Eine Studie über Eltern von zahlreiche Befragte, dass die zu hohe Ar- Jugendlichen zeigt, dass zwischen schwei- beitsbelastung der Eltern allzu oft zu Situa- zerischen und portugiesischen Eltern in tionen führt, in denen die Kinder sich nicht Bezug auf den emotionalen Wert, den sie mehr zurechtfinden. dem Kinderhaben beimessen, kein Unter- (vgl. Kapitel 3: Ausbildung der Migranten schied besteht. Die portugiesischen Eltern und ihrer Kinder) erwarten hingegen öfter als Schweizer Eltern, von ihren Kindern unterstützt zu Expertenmeinung werden. Sie betrachten ihren Nachwuchs «Man darf nicht vergessen, dass es Kinder andererseits weniger als Belastung als gibt, die mit 12 bis 13 Jahren über den Fa- Schweizer Eltern (Fibbi und Lerch, 2007). miliennachzug in die Schweiz gekommen sind und dass man in diesem Alter eher in Respekt gegenüber den Eltern ist für die einer rebellischen Phase steckt. Und wenn portugiesischen Kinder immer noch zen- man plötzlich mit einem Vater oder gar mit tral. Loyalität und Solidarität gegenüber einer Mutter zu tun hat, die man praktisch den Familienmitgliedern sind in dieser Mi- nicht kennt, mit Eltern, die ständig unter grantengruppe nach wie vor sehr wichtige Druck sind, usw., dann sind das für mich Werte. In der portugiesischen Bevölkerung eher die Voraussetzungen dafür, dass diese in Frankreich konnte jedoch eine Verände- Kinder vom Weg abkommen, als dass sich rung der Familienmodelle hin zu grösserer

86 Differenzierung und Individualisierung be- Leben in der Schweiz. Dieses Resultat lässt obachtet werden (Camilleri 1992). Diese sich durch den sehr verbreiteten Wunsch Entwicklung zeichnet sich heute auch in der Portugiesen erklären, nach Portugal zu- der portugiesischen Bevölkerung in der rückzukehren und sich dort niederzulassen. Schweiz ab. Ein Beispiel dafür ist die Tat- Von den in der Zürcher Studie von Bartal sache, dass sich die jungen Erwachsenen untersuchten Migrantengruppen (sri-lan- der zweiten Generation im aktuellen Kon- kische, türkische und kurdische) sind die text die Frage stellen, wie sie sich um ihre Staatsangehörigen aus Portugal denn auch Eltern kümmern sollen, sobald diese älter die Einzigen, die die Rückkehr ohne Risiken werden. Die Kinder und Jugendlichen so- ins Auge fassen können. wie ihre Eltern sind gespalten zwischen dem Wunsch, die Eltern im Alter entspre- chend dem traditionellen Modell zuhause 5.2 Die portugiesischen aufzunehmen, und der Schwierigkeit, diese Frauen zwischen Tradition Erwartungen in der Schweiz konkret umzu- und Wandel setzen. Mit der Zeit akzeptieren sie, dass sie ihre gegenseitigen Erwartungen anpassen Welche Rolle spielen die Frauen in der müssen. Familie und in der portugiesischen Bevöl- kerung? Die starke Beteiligung der portu- Was die Erziehung der Kinder betrifft, be- giesischen Frauen am schweizerischen Ar- merken mehrere befragte Fachpersonen, beitsmarkt wurde oben bereits erwähnt. dass die portugiesischen Eltern der Aus- (vgl. Kapitel 1.3: Die portugiesische Wirt- bildung ihrer Töchter den gleichen Stel- schaft heute und Kapitel 4.1: Wirtschaftli- lenwert beimessen wie jener ihrer Söhne. che Integration) In der Schweiz scheinen die Eltern jedoch im Vergleich zu früher eher bereit zu sein, Es muss betont werden, dass diese Tatsa- ihre Töchter, insbesondere auf schulischer che nicht auf die Migration zurückzuführen Ebene, anzuspornen. ist, denn wie eine Integrationsverantwort- liche mit portugiesischem Migrationshin- Im Bereich der Ausrichtung der Erziehung tergrund festhält, «werden die portugiesi- stellt Bartal (2003) bei den portugiesischen schen Frauen erzogen, zu arbeiten, selbst Eltern den starken Wunsch fest, dass ihre wenn sie Kinder haben». Diese traditionelle Kinder nach den Sitten und Gebräuchen ih- Interpretation der Rolle der Frau entspricht res Herkunftslandes leben können (65 %). den Erwartungen der Aufnahmegesell- Eisner (2008) kommt zu denselben Ergeb- schaft gegenüber Arbeitsmigranten voll- nissen. Charakteristisch für die portugiesi- ends. sche Bevölkerung ist auch der hohe Anteil an Eltern, die denken, dass die Erziehung Expertenmeinung die Kinder vor allem auf die Rückkehr in die «Das Modell «heiraten, Kinder kriegen, zu- Heimat vorbereiten muss und nicht auf ein hause bleiben, warten, bis die Kinder gross

87 sind, um wieder zu arbeiten» gibt es nicht. lasse mich scheiden.» Das hätte man vor In Portugal gibt es viel mehr Kinderkrippen 20 Jahren nie gehört. (…) als in der Schweiz.» Ich sehe, dass die Frauen stärker sind und Portugiesische interkulturelle Mediatorin mehr Mittel haben, um standzuhalten, be- sonders aufgrund der Tatsache, dass sie Die berufliche Integration durch eine ent- eine europäische Staatsbürgerschaft ha- lohnte Arbeit bietet den Frauen anderer- ben. So können sie nämlich ihren Mann seits im Vergleich zu früher eine grössere verlassen und ihre Aufenthaltsbewilligung Sicherheit, in erster Linie eine wirtschaftli- behalten, was die anderen zum Beispiel che, aber – insbesondere dank ihres Status nicht können.» als EU-Bürgerinnen – auch eine psycholo­ Erwachsene Tochter von Migranten gische. Denn die berufliche Integration geht mit einer individuelleren Gestaltung Verschiedene Befragte sprechen im Üb- der Lebensläufe einher. Dies wirkt sich auf rigen das Thema der häuslichen Gewalt die Beziehung der Paare aus, wovon zum an, insbesondere im Zusammenhang mit Beispiel die steigende Zahl der Scheidun- dem Alkoholkonsum. Die portugiesischen gen zeugt. Paare melden sich verhältnismässig oft bei den Fachstellen zur Bekämpfung häusli- Aus persönlicher Sicht cher Gewalt. Diese starke Vertretung lässt «Ich höre heute viele portugiesische Frauen sich jedoch nicht auf ein charakteristisches sagen: «Wenn mein Mann mir das Leben Merkmal der Gruppe zurückführen; sie wi- vergiftet, dann sage ich ihm heute: Ich derspiegelt ganz einfach das zahlenmässige

88 Gewicht der portugiesischen Bevölkerung 5.3 Sprache und Beibehal­ im Verhältnis zur gesamten ausländischen tung der Herkunftskultur Wohnbevölkerung sowie ihren gefestigten Rechtsstatus als EU-Bürger. Die portugiesische Sprache wird von den 10,7 Millionen Portugiesen am meisten ge- Expertenmeinung sprochen.1 Gemäss der Volkszählung 2000 «Wie die Polizeistatistiken zeigen, sind die betrachten sehr viele portugiesische Zuge- Portugiesen unter den Fällen häuslicher wanderte in der Schweiz (60 %) ihre Her- Gewalt häufig vertreten. Das hängt aber kunftssprache weiterhin als Hauptsprache. damit zusammen, dass sie in dieser Stadt An zweiter Stelle folgen das Französische die grösste Gruppe von Zugewanderten mit fast 31 % und weit abgeschlagen das sind. Es ist auch möglich, dass die Portugie- Deutsche mit nur 5 %. Der deutliche Unter- sinnen und Portugiesen häufiger als andere schied zwischen dem Deutschen und dem Gruppen Rat suchen, da sie über einen Französischen widerspiegelt die stärkere rechtlichen Status verfügen. Für Frauen aus portugiesische Präsenz in der Westschweiz. Drittstaaten ist das anders, denn die kön- nen nicht einmal Rat suchen.» Für die Kinder und Jugendlichen der zwei- Portugiesischsprachige Verantwortliche ten Generation sind die lokalen Sprachen für Präventionsprojekte indes in drei Viertel der Fälle zur Hauptspra- che geworden; ein Viertel nennt jedoch Die soziale Kontrolle durch die Gemein- weiterhin Portugiesisch als Hauptsprache. schaft hat immer mehr abgenommen, so- Des Weiteren bezeichnet eine von drei dass früher missbilligte Verhaltensweisen eingebürgerten Personen Portugiesisch als der Mädchen mit Migrationshintergrund Hauptsprache. nunmehr toleriert oder gar vollständig ak- zeptiert werden. Aus persönlicher Sicht «Die zweiten Generationen sprechen «por- Aus persönlicher Sicht tugiesisch-deutsch», «deutsch-portugie- «Die Frauen sind freier und emanzipierter sisch» (…). Zuhause sprechen die Kinder als ihre Mütter. Sie können freier ausgehen, deutsch mit ihren Geschwistern und por- ohne grössere Einschränkungen durch die tugiesisch mit den Eltern. Diese Durchmi- Familie. Bis vor zehn Jahren konnte man schung gibt es, aber weniger stark als bei sich nicht vorstellen, dass die Mädchen den Italienern.» ihren Freund nach Hause bringen dürfen Integrationsverantwortliche oder dass die jungen Leute sogar zusam- menleben, ohne verheiratet zu sein.»

Kulturverantwortlicher 1 Das Mirandesische, eine weitere, nur lokal verbreitete und dem Asturischen verwandte romanische Sprache, wird einzig im Nordosten des Landes von rund 10 000 bis 15 000 Personen gesprochen. Siehe www.omniglot.com/writing/ mirandese.htm; Zahl für 2009, Quelle: https://www.cia.gov/ library/publications/the-world-factbook/geos/po.html.

89 Spanier Portugiesen Türken Jahr 1990 2000 1990 2000 1990 2000 Deutschsprachige 25,4 36,6 18,7 24 28,8 31,7 Region Französischsprachige 47,1 55,8 36 43,6 38,5 38,6 Region Italienischsprachige 54,7 72,1 40,8 54,5 35,2 41,2 Region Tabelle 3: Gebrauch der lokalen Landessprache in der Familie durch Fremdsprachige, nach Sprachregionen, 1990 und 2000 (in %) Quelle: Volkszählung 1990 und 2000

Der Fortbestand der Herkunftssprache lässt – und auch ein paar Erwachsene – zu er- sich namentlich durch die vor nicht Langem reichen.» erfolgte Einwanderung der portugiesisch- Verantwortlicher für HSK-Unterricht sprachigen Migrantengruppe, die häufigen Reisen in die Heimat sowie den ungebro- Die Daten der Volkszählung zum Gebrauch chen erneuerten Migrationsstrom erklären. der lokalen Sprache in der Familie (Tabelle Bei den Jugendlichen im schulpflichtigen 3) weisen auf eine gewisse Konsolidierung Alter spielt der häufige Unterricht in - por des Gebrauchs mit fortschreitender Dauer tugiesischer Sprache und Kultur (HSK) eine des Aufenthalts in der Schweiz hin. Die Un- wichtige Rolle. Bereits 1997 kam Doudin terschiede zu anderen Gruppen von Zuge- (1998) zur Einschätzung, dass die Hälfte der wanderten können darauf zurückgeführt Schüler neben der obligatorischen Schule werden, dass diese bereits länger in der HSK-Unterricht besuchen. Heute nehmen Schweiz sind (Lüdi und Werlen 2005). Auf- rund 70 % der Kinder im schulpflichtigen fallend sind die frappierenden Unterschiede Alter Unterricht in portugiesischer Sprache zwischen den Sprachregionen: Unabhängig und Kultur. von der Herkunftssprache ist die sprachli- (vgl. Kapitel 6.2: Transnationale Beziehun- che Integration in der italienischsprachigen gen) Region am besten und in der deutschspra- chigen Region am schlechtesten (Lüdi und Expertenmeinung Werlen 2009). In der deutschsprachigen «Zurzeit sieht es so aus: 15 000 Schüler Landesregion wird der Erwerb der lokalen und 152 Lehrpersonen. 1984 waren es Sprache durch das Zusammentreffen des etwas mehr als 1000 Schüler und nur 10 deutschschweize­rischen Dialekts und des Lehrer für die ganze Schweiz. Und die Zah- Standarddeutschen erschwert. len steigen immer weiter an. Im nächsten Schuljahr hoffen wir, mit unserem HSK- Die Frage, weshalb Personen aus Portu- Unterricht 15 900 Kinder und Jugendliche gal oftmals nur über geringe Kenntnisse

90 der lokalen Sprache verfügen, wurde in ausgesetzt, die in Verbindung mit schwa- der deutschsprachigen Literatur mehrfach chen Kompetenzen in der lokalen Sprache thema­tisiert. Gemäss der 2003 von Bartal stehen. Dazu gehören z.B. die Geburt im in Zürich durchgeführten Studie sind nur Ausland, eine schwache Schulbildung oder 55 % der befragten Portugiesischsprachi- eine unqualifizierte Berufstätigkeit (Bischof gen der Meinung, dass Deutsch die Haupt- und Meier 2008). sprache ihrer Kinder sein sollte. Dieser (vgl. Kapitel 3: Ausbildung der Migranten Anteil ist klar tiefer als jener der anderen und ihrer Kinder) zugewanderten Eltern, die im Rahmen der Studie befragt wurden. Bischof und Meier Wie aus den Studien in französischer Spra- (2008) sowie Eisner (2008) gelangen zu che hervorgeht, scheint der Erwerb der ähnlichen Ergebnissen. Sie weisen zudem lokalen Sprache in den französischsprachi- darauf hin, dass die portugiesischen Eltern gen Einwanderungsgebieten um einiges unter den zugewanderten Eltern am meis- leichter zu fallen. ten ihre Herkunftssprache mit ihren Kin- dern brauchen und über die schwächsten Expertenmeinung Kompetenzen in der lokalen Sprache ver- «Die Portugiesen sprechen französisch. Die fügen. portugiesischen Kinder sprechen franzö- sisch. Vielleicht brauchen sie ein Jahr zur Dieser Befund muss jedoch differenziert Anpassung, aber das Bild, dass wir Schüler werden. Denn die portugiesischen Einge- haben, die nicht Französisch können oder wanderten sind stark den Risikofaktoren die mit Hemmungen französisch sprechen,

91 trifft überhaupt nicht zu. Sie sprechen fran- «Nicht alle Portugiesen sind gleich katho- zösisch mit ihrem Akzent, aber sie sprechen lisch: Vor allem im Alentejo, einer Region französisch. Auch die Eltern, obwohl man mit Grossgrundbesitzern, in der die Bau- sie nicht immer gut verstehen kann, weil ern Widerstand gegen die Grundherren sie erst spät Französisch gelernt haben. Im entwickelten. Die Region ist von einer Umfeld der Schule sprechen die Portugie- Tradition der Distanzierung von der Kirche sen französisch, die portugiesischen Frauen geprägt. Im Dorf zum Beispiel, in dem ich sprechen eher französisch, ihre Männer ler- aufgewachsen bin, gab es keine Kirche. Die nen je nach Berufsumfeld weniger Franzö- nächste Kirche war fünf Kilometer weg, es sisch. Auf der Baustelle sprechen sie nicht war eine umgenutzte Moschee. Es war all- französisch.» gemein bekannt, dass der Priester eine Frau Leitender Angestellter der Genfer Schul­ und drei Kinder hatte.» verwaltung Universitätsstudentin, Tochter portugie­sischer Einwanderer

5.4 Beziehungen innerhalb Demzufolge ist gut vorstellbar, dass zwi- der Gemeinschaft schen den Regionen eine deutliche Kluft bestehen konnte. Dies ging gemäss den Die meisten in die Schweiz eingewander- Erfahrungen mehrerer Befragter sogar ten Portugiesen stammen aus den nörd- so weit, dass Ehen über die regionalen lichen Landesregionen. Es kommen aber Schranken hinaus auf beiden Seiten tradi- auch Leute aus dem Süden, insbesondere tionellerweise nur zurückhaltend geschlos- aus dem Alentejo, einer armen Region mit sen wurden. Zumindest im Kontext der Mi- grossen landwirtschaftlichen Betrieben. gration gehört dieses Verhalten praktisch Sprachliche Unterschiede zeigen sich vor- der Vergangenheit an. wiegend im Akzent, der im Norden etwas härter und im Süden etwas langsamer ist. Aus persönlicher Sicht Wie mehrere Interviewte unterstreichen, ist «Früher war es gar nicht gern gesehen, der Bezug zur Religion ebenfalls ziemlich wenn jemand aus dem Norden jemanden verschieden. aus dem Alentejo heiratete, denn das sind Faulenzer, während die aus dem Norden Aus persönlicher Sicht fleissige Arbeiter sind.» «Die Geschichte selbst, die Mentalität ist Erwachsener Sohn von Migranten überhaupt nicht dieselbe. Selbst innerhalb des katholischen Glaubens sind das zwei Auch im Vereinswesen musste man lernen, verschiedene Dinge. Man muss mit den die beiden aufgrund ihrer kulturellen Tra- Unterschieden umgehen können, um eine dition so verschiedenen Richtungen mitei- Einheit zu schaffen.» nander zu verbinden. Folgende Anekdote Kirchenleiter einer bestens über die Geschichte der portugiesischen Migrantengruppe in der

92 Waadt informierten Person ist ein gutes ball-Europameisterschaften von 2004 und Beispiel dafür. 2008. Die vielen portugiesischen Flaggen neben den Flaggen anderer Länder haben Expertenmeinung eine Migrantengruppe, die bis dahin vor- «Soweit ich weiss, gibt es keinen regio- wiegend durch ihre Diskretion aufgefallen nalen portugiesischen Verein. In Lausanne war, auf unerwartete, aber gute Weise gab es einen Verein, der aber aufgelöst sichtbar gemacht. wurde. Zurzeit bauen sie einen neuen Ver- ein auf und eine der grossen Fragen war, Die überraschendste Kluft schliesslich wie man ihn nennen will. Schliesslich ha- besteht zwischen den Portugiesen «des ben sie ihn «Kulturverein Nord- bis Südpor- Kontinents» und den anderen portugie- tugal» genannt. Man musste «Nord- bis sischsprachigen Gruppen aus den ehe- Südportugal» sagen, weil es dieses Mal ein maligen Kolonien. Eine empathische und Verein für alle war.» klarsichtige Beobachterin, die sowohl die Integrationsverantwortliche Perspektive der Insiderin als auch jene der Vermittlerin einer lokalen Integrationspoli- Heute bestehen andere Klüfte innerhalb tik kennt, lässt erahnen, wie schwierig der der portugiesischen Bevölkerung in der Umgang mit dem Thema dieser «distan- Schweiz. Am deutlichsten tritt der Unter- zierten Nähe» ist. schied zwischen der ersten und der zwei- ten Generation hervor. Beide neigen dazu, Expertenmeinung sich anhand ihrer sprachlichen Ressourcen «Ich spreche von den Migranten aus den und ihrer beruflichen Integration voneinan- ehemaligen Kolonien Portugals, vor allem der zu differenzieren. Diese Distanz äussert von den Angolanern. Sie kommen zu mir sich im Vereinswesen und in den Freizeit- und sagen «wir sind beide Portugiesen». aktivitäten. Hier gibt es noch viele von ihnen. Entweder sind es «Retornados» oder Leute, die nach Eine weitere Kluft besteht zwischen der Portugal ausgewandert sind und dort das traditionellen und der neuen Migration. Bürgerrecht erhielten. Hier werden sie als Die Vertreter beider Migrationswellen Portugiesen bezeichnet und nicht als Afri- unterscheiden­ sich bezüglich des Bildungs- kaner; auf jeden Fall halten sie sich nicht standes und der Sprachkompetenzen, der dafür. Die Portugiesen «des Kontinents» Berufszweige und des sozialen Umfelds. betrachten sie natürlich mit den Augen der Demgegenüber erscheint Fussball als eine Kolonialisten. (…) Die Portugiesen haben Möglichkeit für die verschiedenen Kompo- auch Mühe damit, hier die Brasilianer auf- nenten der portugiesischen Bevölkerung, tauchen zu sehen, «denn das sind natürlich sich zu begegnen und sich sogar vorü- liederliche Leute».» bergehend wieder zu vereinigen: Zu den Integrationsverantwortliche, Tochter portu- augenfälligsten Ereignissen dieser Wieder- giesischer Migranten vereinigung zählen zum Beispiel die Fuss-

93 5.5 Vereinsleben Geselligkeit innerhalb der Gemeinschaft entwickelt: Sie nehmen die Mahlzeiten Die ersten portugiesischen Vereine wurden in der Familie gemeinsam ein, knüpfen kurz vor der Nelkenrevolution von 1974 nachbarschaftliche Beziehungen aus dem gegründet und erhielten in den 1980er- Herkunftsdorf in der Migration wieder Jahren mit der ersten grossen Welle portu- an, organisieren Tanzveranstaltungen und giesischer Migration in die Schweiz starken verbringen die Wochenenden mit ande- Auftrieb. In den 1970er-Jahren kamen die ren Leuten der Gemeinschaft. Wie wichtig Migranten hauptsächlich in die Schweiz, das Leben unter sich ist, widerspiegelt sich um als Saisonniers zu arbeiten. Das Migra­ übrigens darin, dass, wie bereits erwähnt, tionsprojekt der meisten war auf eine bevorzugterweise ein Partner portugie­ Rückkehr in das Herkunftsland ausgerich- sischer Herkunft gewählt wird. Die einen tet. Sie beteiligten sich nicht stark an der schliessen von dieser Geselligkeit innerhalb Schweizer Gesellschaft und interessierten der Gemeinschaft auf einen Rückzug in sich vielmehr für die Ereignisse in Portugal. ein Ghetto. Das mag vielleicht auf die Si- Somit wollten sie in den portugiesischen tuation in der Deutschschweiz zutreffen, Vereinen, Klubs und Restaurants eher das namentlich aufgrund der grösseren sprach- soziale Klima ihrer Heimat aufleben lassen. lichen Schwierigkeiten. Diese Analyse wird von anderen Befragten indes ganz und gar Ausserhalb der zwangsläufigen Durch- verworfen. Sie weisen darauf hin, dass es mischung im Arbeitsumfeld haben die weder eine Ablehnung durch die Aufnah- Personen aus Portugal eine ausgeprägte megesellschaft noch durch weitere Zuge-

94 wanderte gibt, womit ein grundlegender nistischen Systems in Europa (Chaudet et Baustein für die Existenz eines Ghettos al. 2000), sank in den 1990er-Jahren das fehlt. Interesse für die sozialen Fragen. Die in der Folge gegründeten Vereine sind eher auf Die ausgeprägte Vorliebe, unter sich zu Freizeitaktivitäten und auf das Fortleben bleiben, trägt unter anderem zu einem hö- der portugiesischen Kultur ausgerichtet. heren Stellenwert der katholischen Kirch- gemeinden für die Gemeinschaft bei. Jeden Expertenmeinung Sonntag sind die Kirchen portugiesischer «Wir haben den Verein «Association du 25 Sprache «zum Bersten voll». Eine junge avril» gegründet, um des Staatsstreichs zu Frau erklärte zum Beispiel, dass sie nicht gedenken. Die Leute, die kommen, fühlen wegen ihres Glaubens ziemlich regelmäs- sich also eher links. (…) Früher gab es Ver- sig in die Messe gehe, sondern weil dieses eine, die als politisch galten, wie kurz nach gemeinsame Ritual ihr Gefühl der Zugehö- dem 25. April. Es gab linke, kommunisti- rigkeit zur portugiesischen Gemeinschaft sche und demokratische Vereine. Heute stärke. Diese Versammlungen sind eine gibt es das nicht mehr. Nun sind das Vereine Art, die Gemeinschaft in einem ihr eige- von Regionen wie Viseu, neben Porto. Sol- nen Raum zu feiern und die Beziehungen che gibt es zwei oder drei (in der Schweiz). innerhalb der Gemeinschaft zu stärken. An Sonst sind es Vereine, Fussballklubs.» diesen Orten trifft man sich, um eine ge- Gründungsmitglied des Vereins «Associa- meinsame Identität zu teilen. tion du 25 avril»

Laut einigen interviewten Fachpersonen Im Gegensatz zu den spanischen Vereinen hat der Übergang von einer vorläufigen scheint das portugiesische Vereinswesen Migration zu einer Migration mit Nieder- ziemlich homogen und kaum von regi- lassungsabsichten zweifellos eine Auswir- onalen Merkmalen geprägt zu sein. Die kung auf die Vereine, auf die Öffnung der Vereine sind wie Triebfedern für die Über- portugiesischen Bevölkerung gegenüber mittlung der Identität. Viele bieten einen der schweizerischen Gesellschaft, auf den Ort, wo die eigene Identität bestärkt wird Integrationswillen der portugiesischen und wo weiterhin die traditionellen Formen Staatsangehörigen und auf die Bildung der Geselligkeit – indem Beziehungen zur einer portugiesischen Identität in der Herkunftskultur geknüpft werden – prak- Schweiz. Früher waren die Vereine auf die tiziert werden. Ihre Aktivitäten haben ei- portugiesische Politik, die Unterstützung nen sehr volkstümlichen Charakter, seien der Arbeitsmigration und die Rückkehrhilfe dies nun der Fado, die Fussballspiele, die ausgerichtet. Im Kontext der Arbeitslosig- Kartenspielturniere, die Tanzveranstaltun- keit, der zunehmend prekären Lage eines gen, die Musik, die Folklore usw. Diese für Teils der Arbeitskräfte und des allgemei- die zweite Phase der portugiesischen Ver- nen Klimas der Entpolitisierung, verstärkt eine typischen Aktivitäten werden jedoch durch den Zusammenbruch des kommu- auch kritisiert. Im Rahmen einer Studie

95 zum Wandel des Vereinswesens befragt dens, wo sich die Leute treffen, um ge- (Matthey et al. 2009), bedauert eine Frau, meinsam zu essen, zu diskutieren oder ein dass sich die Aktivitäten der Vereine auf die Fussballspiel auf dem Grossbildschirm zu «3 F» beschränken, das heisst auf Fussball, schauen. 80 % der portugiesischen Ver- Fàtima (religiöse Frömmigkeit) und Fado2, eine in der Schweiz weisen einen Bezug womit sie auf die beherrschenden kulturel- zu einer Region, zu Kultur und Sport auf. len Bezugspunkte der Salazar-Zeit anspielt. Katholische Vereine machen lediglich 6 % aller portugiesischen Vereine aus. Darauf Die Untersuchung der Vereinsliste für den folgen politisch engagierte und im Bereich Zeitraum 2006–2009 zeigt, dass in der Migration oder im Arbeiterschutz aktive Schweiz mehr als 250 portugiesische Ver- Vereine (5 %), bildungsorientierte Vereine, eine bestehen, eine geringe Mehrheit da- die sich sowohl mit der Integration der Ju- von in der französischsprachigen Landesre- gendlichen in die Aufenthaltsgesellschaft gion. Diese bedeutende Zahl ist ein Zeichen als auch mit der Vermittlung der Kultur des dafür, wie lebendig das portugiesische Ver- Herkunftslandes auseinandersetzten (5 %), einsleben ist. und schliesslich die medizinisch und prä- (vgl. Anhang II) ventiv tätigen Vereine (1 %).

Zwei Fünftel der portugiesischen Vereine Heutzutage sind die Vereine innerhalb der (42 %) tragen den Namen einer Stadt oder portugiesischen Bevölkerung durch die einer Region des Herkunftslandes, 24 % zunehmend vielfältigen Bedürfnisse ge- wurden für kulturelle, folkloristische und fordert. Einerseits schrumpft die Zahl der Freizeitaktivitäten geschaffen und 15 % Mitglieder, die die Vereinsbewegung ur- stehen in Verbindung mit dem Fussball- sprünglich getragen haben, da viele von spielen beziehungsweise den Fans. Der ihnen in die Heimat zurückkehren oder grösste Anreiz für die Mitgliedschaft in ei- pensioniert werden. Andererseits unter- nem Fanverein – der erleichterte Zugang zu scheiden sich die Hochqualifizierten der den Spielen der portugiesischen Fussball- neuen Migration, die mit dem Inkrafttre- meisterschaft – soll jedoch an Bedeutung ten der Personenfreizügigkeit eingesetzt verloren haben, seit das digitale Fernsehen hat, durch ihren Lebensstil von den ersten und das Internet Auftrieb erhalten haben Migranten. Das Leben der Töchter und der und die Parabolantennen für alle zugäng- Söhne von Migranten spielt sich in einem lich geworden sind (Marques 2008). breiteren Bezugsrahmen ab, wodurch die Welt der portugiesischen Vereine an Exklu- Die Aktivitäten dieser drei Vereinsarten sivität, ja an Attraktivität verliert. Die Ver- überschneiden sich oft. Denn die meisten eine der neuen Generationen sollen sogar Vereine nehmen die Form eines Treffpunkts diverse Identitäten in sich vereinen, da sie an, einer Bar, eines Restaurants, eines La- Teil mehrerer kultureller Räume sind und einem vielfältigeren Publikum offenstehen 2 In der salazaristischen Trilogie geht die ländliche Folklore anfangs dem städtischen Fado vor (Pingault, 2004). (Matthey et al. 2009; Muñoz 2002). Es

96 handelt sich demnach um mehrdimensi- 5.6 «Sem dar nas vistas.»4 onale Vereine, die sowohl den Willen zur Eine unsichtbare Öffnung gegenüber der Aufnahmegesell- Einwanderung schaft als auch die Verbundenheit mit der Heimat zum Ausdruck bringen. Jede Gruppe hat jeweils die Absicht, ein möglichst positives Bild von sich zu geben, Doch auch das externe Umfeld hat einen um aus der Partizipation ihrer Mitglieder Einfluss auf die Entwicklung der Vereine. mit der Gesellschaft, in der die Gruppe lebt, So führten Gesetzesänderungen bei der das Beste herauszuholen. Diese allgemeine Vergabe von Wirtepatenten3 zur Profes- Regel lässt sich natürlich ebenfalls auf die sionalisierung der Dienstleistungen von Migration anwenden: Jede Einwanderer- Vereinszentren und zur Einführung von gruppe versucht, sich vor dem gegebenen- ökonomischen Prinzipien in der Geschäfts- falls misstrauischen oder feindlichen Blick führung der Klubs und der Kantinen der der Aufnahmegesellschaft, die sich recht Vereine (Matthey et al. 2009). Ausserdem oft erst mit der Zeit an die Anwesenheit der sehen sich die Vereine durch die in den Neuankömmlinge gewöhnt, zu schützen. 2000er-Jahren eingeführte Integrations- politik mit neuen Funktions- und Finanzie- Eine solche Strategie setzt Selbstdisziplin rungsweisen konfrontiert: Sie werden zur und soziale Kontrolle durch die Familie Zusammenarbeit angespornt, da es für sie und die Gemeinschaft voraus, insbeson- darum geht, sich an den «Einbeziehungs- dere an den Orten der Geselligkeit und massnahmen» (Cattacin und La Barba des Gemeinschaftslebens. Sie ist nötig, um 2007) zu beteiligen, die von den instituti- die Chancen auf eine Konsolidierung des onellen Strukturen entwickelt wurden. Für sozialen Status – des eigentlichen Ziels der die Vereine stellt dies eine Gelegenheit, Migration – aufrechtzuerhalten. Zu viel aber auch eine Herausforderung dar. Ressentiment oder Aggressivität vonseiten der Aufnahmegesellschaft würde diese Die in der Schweiz lebenden Staatsange- Chancen gefährden. hörigen Portugals verfügen – neben den Vereinen – über mehrere spezifisch an sie Die Diskretion wird dementsprechend als gerichtete Medien: Sie sind die Zielgruppe Merkmal betrachtet, das besonders für die von zwei Zeitungen, vier Zeitschriften und portugiesische Einwanderung charakteris- vier Radiosendungen. Es gibt nur eine ein- tisch ist, sei dies in der Schweiz oder in an- zige portugiesische Buchhandlung in der deren Zielländern. «Sem dar nas vistas» ist Schweiz, die sich in Genf befindet. die Devise der portugiesischen Zugewan- (vgl. Anhang III) derten. Die in allen Gruppen beobachtete Diskretion wird bei den Portugiesen zu ei-

3 Lange waren die Voraussetzungen für die Vergabe von ner sprichwörtlichen Unsichtbarkeit gegen- Wirtepatenten an die Vereine viel weniger streng als für die Leute vom Fach. Heute gelten für die Vereine dieselben Regeln wie für die Wirte. 4 Keine Wellen schlagen, kein Aufsehen erregen.

97 über den Gesellschaften, in denen sie le- ben. Diese Strategie wird von einer Vielzahl portugiesischer Migranten verinnerlicht. Dies umso mehr, als sie die Migration als etwas Vorübergehendes betrachten. Das bietet ihnen zudem die Möglichkeit, in der Gesellschaft des Aufnahmelandes ein ab- geschirmtes Leben zu führen – zumindest, was das öffentliche Leben betrifft – und sich gleichzeitig stärker am Leben in der eigenen Migrantengruppe zu beteiligen (Cordeiro 2004).

Aus persönlicher Sicht «Die Diskretion, worauf ist sie zurückzu- führen? Auf die sehr bescheidene ländli- che Herkunft der ersten Migranten, die in den 1980er-Jahren gekommen sind und Mässigung und Zurückhaltung zur Pflicht gemacht haben? Zweifellos. Aber da ist auch die Liebe zur Heimat, die ununter- brochen mit der Rückkehr lockt. Also der Eindruck, dass sie nur vorübergehend hier sind. Diese Gemeinschaft (…) gibt zu, sich in der Schweiz gut zu fühlen, «weil man da diskret leben kann».» Aus «Portugais de Suisse: la migration invi- sible», Le Temps, 23.5.2008

98 Weiterführende Literatur

Bartal, Isabel (2003). Paradigma Integra- tion: Persönliche und kontextuelle Deter- minanten integrativen Verhaltens. Eine em- pirische Studie mit Eltern von Schülern und Schülerinnen portugiesischer, türkischer, kurdischer und tamilischer Herkunft in der Stadt Zürich. Philosophische Fakultät der Universität Zürich. Zürich.

Eisner, Manuel, Denis Ribeaud und Tuba Topçuoglu (2008). Indikatoren zur wirt- schaftlichen, sozialen und kulturellen Lage von immigrierten Minderheiten in der Stadt Zürich. Erarbeitet auf der Basis der Eltern- befragungen im Rahmen des Zürcher Pro- jekts zur sozialen Entwicklung von Kindern zuhanden der Integrationsförderung der Stadt Zürich: Stadt Zürich Integrationsför- derung.

Fibbi, Rosita und Denise Efionayi (2008). Erziehungsfragen in Migrationsfamilien, in EKFF (Hg.), Familien – Erziehung – Bildung. Bern: Eidgenössische Koordinationskom- mission für Familienfragen, S. 48–66.

Lüdi, Georges und Iwar Werlen (2005). Sprachenlandschaft in der Schweiz. Neu- enburg: Bundesamt für Statistik.

Matthey, Laurent et al. (2009). Nous, moi et les autres. Les associations de migrants et la formation de l’identité. Lausanne und Neuenburg: Institut de géographie, Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien.

99 6 Beziehungen zum Herkunfts­ land: Rückkehr und trans­ nationale Beziehungen

100 In Kürze

– Die portugiesische Migration war lange portugiesische Sprache und die Kirche. Zeit temporär: Von drei Portugiesen, Die politische Beteiligung fällt hingegen die in den 1980er-Jahren in die Schweiz relativ schwach aus. kamen, sind zwei wieder in ihre Heimat – Rund zwei Drittel der portugiesischen zurückgekehrt. Die meisten beendeten Eltern sehen regelmässig Fernsehsen- ihren Aufenthalt in der Schweiz zum dungen aus ihrer Heimat. Zeitpunkt, an dem die Einbürgerung möglich geworden wäre. Gemäss allgemein anerkannten Studien – Dieser Trend schwächt sich jedoch all- soll der Fortbestand der Rückkehrideologie mählich ab: Nicht nur die in der Schweiz (Brettel 2003) typisch für die portugiesische geborenen und eingeschulten Jugend- Migration sein – ein Charakterzug, der Teil lichen bleiben immer häufiger in der einer langen Tradition der portugiesischen Schweiz, sondern zunehmend auch die Migration in der ganzen Welt ist. Das nicht Migranten der ersten Generation. übersetzbare Wort «saudade» drückt das – In der Vorstellung der portugiesischen intensive und melancholische Gefühl der Migranten nimmt die Idee der Rückkehr Sehnsucht nach einem Ort, einem ehe- immer noch einen wichtigen Platz ein. mals glücklichen Leben aus. Dieses in der Auch wenn sie nicht definitiv in die Hei- Volkskultur und der literarischen Tradition mat zurückkehren, reisen sie regelmäs- thematisierte Gefühl bildet eine der Trieb- sig, die meisten mindestens ein Mal pro federn des mehr oder weniger mythischen Jahr, zurück, um ihre Familie und ihre Projekts der Migranten, in die Heimat zu- Angehörigen zu besuchen. rückzukehren. – Die in der Schweiz lebenden Personen aus Portugal überweisen viel Geld in ihr Wie äussert sich diese Ideologie der Rück- Land: Hinter Frankreich ist die Schweiz kehr bei den portugiesischen Zugewander- europaweit das Land mit den meisten ten in der Schweiz? Ist dieser Charakterzug Geldüberweisungen nach Portugal. immer noch so stark ausgeprägt wie vor – Rund zwei Drittel der Portugiesen zwanzig oder dreissig Jahren? haben ein Haus in Portugal erworben, entweder um im Falle einer Rückkehr eine Wohnung zu besitzen oder um zu investieren. – Die portugiesische Bevölkerung in der Schweiz hält sehr enge Beziehungen mit ihrem Herkunftsland und den Landsleuten in der Diaspora aufrecht. Diese Beziehungen laufen vornehmlich über die Familie, aber auch über die

101 6.1 Rückkehrverhalten Ein- und Ausreisen in der portu­ im Wandel giesischen Bevölkerung Die Staatsangehörigen aus Portugal sind Die portugiesische Migration in die Schweiz hauptsächlich Ende der 1980er- und An- war zu Beginn eine temporäre Migration. fang der 1990er-Jahre eingewandert. Im Vergleich zu anderen Migrationsbewe- Einen weiteren, weniger markanten gungen aus dem Mittelmeerraum war sie Höchststand erreichte die portugiesische lange durch eine hohe Rückkehrquote ge- Einwanderung im Jahr 2002 beim Inkraft- kennzeichnet. Verschiedene Faktoren ha- treten der Abkommen über die Personen- ben jedoch dazu beigetragen, dass diese freizügigkeit zwischen der Schweiz und der Migrationsart anderen Formen gewichen Europäischen Union. Aus Abbildung 31 ist. Dazu gehören Faktoren wie die Auf- zu den Ansässigen mit einer Aufenthalts- nahme Portugals in die Europäische Ge- bewilligung B oder C geht hervor, dass meinschaft (1986), die bilateralen Verträge I sich die Ausreisen ziemlich ähnlich wie zwischen der Schweiz und der EU (1999), die Einreisen entwickelt haben. Allerdings das Wirtschaftswachstum und der allge- ist die Kurve für die Ausreisen jeweils um mein gestiegene Bildungsstand der Jugend ein paar Jahre verschoben, ihr Profil für die in Portugal sowie auch die aktuelle Wirt- einzelnen Jahre ist etwas gestauchter, und schaftskrise. es verteilt sich auf eine längere Dauer. Die Abbildung 31 weist darauf hin, dass die Heute bleiben zahlreiche portugiesische Portugiesen häufig zurückkehren, wobei Staatsangehörige immer länger oder sogar das Ein- und das Ausreisedatum etwa fünf definitiv in der Schweiz. Dies trifft insbe- bis zehn Jahre auseinanderliegen. Die zwei sondere auf in der Schweiz eingeschulte Spitzen der Ausreisekurve lassen sich frag- Kinder portugiesischer Migranten zu, aber los mit der Wirtschaftslage in der Schweiz auch auf Portugiesen, die als Erwachsene in Verbindung bringen. in die Schweiz eingewandert sind und auf eine Rückkehr in ihr Heimatland verzich- Das Rückkehrverhalten der portugiesischen ten. Oft lässt sich ebenfalls ein Hin und Her Bevölkerung lässt sich auf Grundlage der beobachten, doch dieses Phänomen lässt Daten des Zentralen Ausländerregisters2 sich noch nicht genau erfassen. Die Rück- vertieft untersuchen, indem für jede Per- kehr1 nimmt somit immer vielfältigere For- son die genaue Aufenthaltsdauer ab dem men an. Zum Teil lassen sich diese Formen 2 Das Zentrale Ausländerregister (ZAR) umfasst Daten über von statistischen Daten ableiten, zum Teil sämtliche seit 1981 legal in der Schweiz anwesenden aber auch aus Interviews mit Personen aus ausländischen Personen. Nicht erfasst und somit in der Untersuchung nicht berücksichtigt wurden die Personen Portugal. mit unbefugtem Aufenthalt – im Verlauf der beiden letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hielten sich einige Portu- 1 Der Einfachheit halber wird in diesem Kapitel bei der giesen mehr oder weniger illegal in der Schweiz auf. In die Auswanderung portugiesischer Staatsangehöriger aus der Untersuchung einbezogen wurden portugiesische Personen Schweiz von «Rückkehr» gesprochen. Es muss jedoch präzi- mit einer Aufenthaltsbewilligung B oder C, die Personen mit siert werden, dass der neue Niederlassungsort nicht genau einer Saisonbewilligung oder einer kurzfristigen Bewilligung bekannt ist. Portugiesen, die die Schweiz verlassen, können hingegen nicht, da die Rückkehr für sie eine ganz andere sich selbstverständlich auch in einem Drittstaat niederlassen. Bedeutung hat.

102 15 000 Eingewanderte Ausgewanderte 12 000

9 000

6 000

3 000

0 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04

Abbildung 31: Anzahl portugiesische Eingewanderte und Ausgewanderte, nach Jahr (nur Ausweise B und C) Quelle: ZAR, verschiedene Jahre, Berechnungen SFM

Datum der ersten Einreise in die Schweiz kehrneigung aus: Rund 70 % der 1981 in berechnet wird. Die Analyse wurde für die Schweiz eingereisten Portugiesen sind zwei Gruppen portugiesischer Staatsange- im Verlauf der folgenden 25 Jahre in ihr höriger durchgeführt: jene, die 1981 und Land zurückgekehrt, gegenüber 52 % der jene, die 1990 eingereist sind. Die Gruppe Italiener und 49 % der Türken beispiels- der 1981 Zugewanderten lässt sich über weise. Nur knapp weniger als ein Drittel einen maximalen Zeitraum beobachten (25 der Gruppe ist nach zwanzig Jahren weiter- Jahre); die andere Gruppe wurde ausge- hin in der Schweiz ansässig. Dabei wird die wählt, weil 1990 das Jahr einer sehr star- portugiesische Staatsbürgerschaft meist ken Einwanderungswelle war. behalten. Einbürgerungen bilden in dieser Migrantengruppe eher die Ausnahme. Das Rückkehrverhalten der (vgl. Kapitel 2.3: Einbürgerung) portugiesischen Bevölkerung im Vergleich zu anderen Migrations­ Der Zeitplan für die Rückkehr bewegungen in der Schweiz Abbildung 32 zeigt das Altersprofil der Verglichen mit den anderen ausländischen 1981 in die Schweiz eingereisten und vor Bevölkerungsgruppen in der Schweiz zeich- 2007 in ihre Heimat zurückgekehrten Per- nen sich die portugiesischen Migranten un- sonen aus Portugal zum Zeitpunkt ihrer bestrittenermassen durch eine starke Rück- Ankunft und ihrer Ausreise. Daraus lässt

103 100 Einreise Ausreise 80

60

Bestand 40

20

0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Alter

Abbildung 32: Zeitliches Profil der Ein- und Ausreisen portugiesischer Staatsangehöriger mit einem Ausweis C, die bei der Einreise mindestens achtzehn Jahre alt waren. Migran- ten des Jahres 1981 Quelle: ZAR, verschiedene Jahre, Berechnungen SFM sich ablesen, wie die Migration in den jeweiligen Modalwerte sind um 15 Jahre Lebenslauf integriert wird. Die vertikale verschoben. Achse gibt den Bestand der Zurückgekehr- ten an, in der horizontalen Achse wird das In mehr als einem Drittel der Fälle fand die Alter zum Zeitpunkt des Ereignisses dar- Rückkehr nach einem Zeitraum von zehn gestellt.3 Der Modalwert4 für das Alter der bis zwölf Jahren statt und in einem Viertel 1245 im Jahr 1981 eingereisten Personen, der Fälle nach einem Zeitraum von 13 bis die die Schweiz vor 2007 verlassen haben, 15 Jahren. Die Migration ist somit nicht nur belief sich bei ihrer Einreise auf 25 Jahre. eine temporäre Migration – zwei Drittel der Für das Alter bei der Ausreise ergab sich ein im Jahr 1981 eingereisten Migranten sind Wert von 40 Jahren. Beide Kurven weisen in ihr Heimatland zurückgekehrt – sondern einen ziemlich ähnlichen Verlauf auf; ihre auch eine Migration mit einer bestimmten Dauer. Paradoxerweise endet der Aufent- 3 Erfasst wurden lediglich die Personen mit einem Ausweis C, die bei der Einreise mindestens 18 Jahre alt waren. Der halt in der Schweiz in den meisten Fällen Grund dafür ist, dass nur die Migranten der ersten Genera- tion und deren Ehepartner, die frei und selbstständig über gerade zu jenem Zeitpunkt, an dem die den Zeitpunkt ihrer Ausreise entscheiden können, berück- sichtigt und die Kinder ausgeschlossen werden sollten. Einbürgerung möglich würde. 4 Als Modalwert oder Modus wird die Variable bezeichnet, die dem grössten Bestand oder der grössten Häufigkeit entspricht.

104 600 Einreise 500 Ausreise

400

300 Bestand

200

100

0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Alter Abbildung 33: Zeitliches Profil der Ein- und Ausreisen portugiesischer Staatsangehöriger mit einem Ausweis C, die bei der Einreise mindestens achtzehn Jahre alt waren. Migran- ten des Jahres 1990 Quelle: ZAR, verschiedene Jahre, Berechnungen SFM

Im Jahr 1990 war die Zahl der Zugewan- denn die Ausreisen verteilen sich auf einen derten höher. Von den im Jahr 1990 in die längeren Zeitraum. Es fällt insbesondere Schweiz eingereisten portugiesischen Er- auf, dass die 1990 Zugewanderten häufi- wachsenen mit einem Ausweis C sind bis ger im Verlauf der ersten fünf Jahre nach Ende 2006 insgesamt rund 5300 in ihre ihrer Einreise zurückgekehrt sind als die Zu- Heimat zurückgekehrt. Wie aus der Abbil- gewanderten der frühen 1980er-Jahre, die dung 33 hervorgeht, hat sich der Modal- dies noch selten getan hatten. wert für das Alter bei der Einreise im Ver- gleich zur Migrationsbewegung des Jahres Die Rückkehr aus persönlicher 1981 leicht nach hinten, auf 28 Jahre, ver- Sicht schoben. Der Modalwert für das Alter bei Dieses aufgrund statistischer Daten er- der Ausreise andererseits beläuft sich auf haltene Bild muss noch mit Aussagen aus 36 Jahre. Die Migrationsdauer hat sich also den Interviews ergänzt werden. «Erfolg- deutlich verkürzt (von elf auf acht Jahre). reich ist die Rückkehr der Pensionierten», meinen die befragten Personen. Das be- Anders als für das Jahr 1981 lässt sich zu- währte Modell besteht darin, am Ende dem kein vorherrschendes Modell bezüg- des Berufslebens zurückzukehren, um den lich Rückkehrverhalten mehr ausmachen, wohlverdienten Ruhestand zu geniessen.

105 Oft möchten die Männer zurückkehren, zusammenzuleben, brachte mich auch in die Frauen ziehen es vor, bei ihren Kin- meiner Loyalität gegenüber Portugal ein dern und Enkelkindern zu bleiben – eine wenig in die Klemme.» Erscheinung, die auch bei anderen Mig- Psychologin, Tochter von Migranten rantengruppen beobachtet werden konnte (Bolzman et al. 2006). Vor allem die Mig- ranten der ersten Generation träumen von 6.2 Transnationale der Rückkehr. Die Mitglieder der jüngeren Beziehungen Generationen schmieden relativ selten sol- che Pläne. Die Migration umfasst nicht nur die Wande- rung von Personen im Raum. Sie führt auch Manchmal endet die Erfahrung der Rück- dazu, dass zwischen räumlich getrennten, kehr interessanterweise auch mit einer aber durch menschliche Aktivitäten ver- Rückkehr in die Schweiz. Dies kommt vor bundenen Orten mit der Zeit Beziehun- allem dann vor, wenn die Migranten mer- gen geknüpft werden (Portes et al. 1999). ken, dass sich das Leben in Portugal seit ih- Diese imaginären oder realen Beziehungen rer Auswanderung ziemlich verändert hat, bilden weder die Herkunfts- noch die Auf- und sie sich nicht mehr zurechtfinden. nahmegesellschaft nach. Sie sind vielmehr ein Raum zwischen beiden Gesellschaften. Die aktuelle Krise könnte die Rückkehr von In einer vor Kurzem veröffentlichten Studie arbeitslosen Personen kurz vor der Pensio- wird dargelegt, wie die portugiesischen Mi- nierung beschleunigen. Da die Krise überall granten in der Schweiz diese Beziehungen herrscht, ist jedoch nicht mit einer massi- mit ihrem Herkunftsland in der Praxis auf ven Rückkehrbewegung zu rechnen. sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ebene leben (Kaya et al. 2007). Aus persönlicher Sicht «Die Idee der Rückkehr ist Teil der portu- Familiäre und soziale Praxis giesischen Vorstellungswelt. Sie ist zum Die Portugiesen pflegen die Beziehungen Beispiel Teil meiner Vorstellung. Ich bin fast zum Herkunftsland in erster Linie im fami­ sicher, dass ich eines Tages trotzdem zu- liären und soziokulturellen Bereich. Sie rückkehren werde, um dort zu leben. Die kehren regelmässig in ihr Land zurück, die Rückkehr ist für die Portugiesen nicht ein meisten mindestens ein Mal pro Jahr (Fibbi Projekt, sondern ein Erwartungshorizont.» und Lerch 2007). Diese Reisen sind haupt- Doktorand, Sohn von Migranten sächlich mit dem Zweck verbunden, die Fa- milie zu besuchen und den Fortschritt der «Meine Vettern sagen mir: «Du hast dich Arbeiten am eigenen Haus zu beobachten mit einem Mann aus der Schweiz zusam- oder ganz allgemein das Eigentum im Auge mengetan, du kommst also nie mehr nach zu behalten. Normalerweise begleiten die Portugal zurück.» Da ist etwas dran, das Kinder ihre Eltern, wodurch sie eine per- mich auch berührt. Mit einem Schweizer sönliche und direkte Beziehung zu Portugal

106 knüpfen können. Dadurch werden die Fe- gendlichen, an diesem Unterricht teil. Da- rien in der Heimat nach und nach zur wich- bei handelt es sich vorwiegend um Kinder tigsten transnationalen Aktivität der Kinder von Migranten der ersten Generation. Aber und Jugendlichen der zweiten Generation. auch zahlreiche junge portugiesische El- tern, die in der Schweiz die Schule besucht Neben den Ferien in Portugal werden die haben und in diesem Land bleiben wollen, Bereiche Schulbildung und Religion stark melden ihre Kinder noch zum HSK-Unter- genutzt, um eine Beziehung zur Herkunfts- richt an. kultur aufrechtzuerhalten. In der portu- (vgl. Kapitel 5.3: Sprache und Beibehaltung giesischen Bevölkerung wird der Schulbil- der Herkunftskultur) dung eine grosse Aufmerksamkeit zuteil, insbesondere wenn es um den Erhalt der Transnationale Beziehungen werden aus- Herkunftssprache und -kultur geht (Oriol serdem über die Tätigkeit der katholischen 2004). Der Unterricht in heimatlicher Spra- Kirchengemeinden portugiesischer Sprache che und Kultur (HSK) ist in der Schweiz re- in den verschiedenen Städten (namentlich lativ gut entwickelt. In einigen Fällen wird in Genf, Lausanne, Montreux, Neuenburg, der unter der Leitung der konsularischen Basel und Zürich) entwickelt. Die Kirchen- Behörden organisierte Unterricht im Stun- gemeinden sind stets in Kontakt mit den denplan der Schule integriert. Die Verant- Kirchengemeinden der Heimat und stehen wortlichen dieser Institutionen pflegen eine im Zentrum des Soziallebens in der Migra- enge Beziehung zu Portugal, wenn es um tionsbevölkerung. Zudem besorgen sie die die Festlegung des Lehrplans, die Bestel- Papiere aus Portugal, die für Eheschliessun- lung von Lehrbüchern und die Einstellung gen und Taufen in der Schweiz benötigt von Personal geht. Der als «portugiesische werden. Viele Portugiesen heiraten aller- Schule» bezeichnete HSK-Unterricht bildet dings in Portugal oder lassen ihre Kinder die Basis für eine langfristige transnationale dort taufen. Dies nicht nur aus praktischen Beziehung. Im Unterricht werden Wissen Gründen – die Verwandten und Freunde le- und symbolische sowie kulturelle Werte des ben in Portugal –, sondern auch als Zeichen Landes vermittelt, und das Gefühl der Zu- der Verbundenheit mit ihrem Land. gehörigkeit zu einer Gemeinschaft wird bei den Portugiesen, deren Aufenthalt in der Für einige portugiesische Migranten Schweiz vor allem wirtschaftliche Gründe schliesslich ist die jährliche Wallfahrt nach hat und rückkehrorientiert ist, verstärkt. Fátima, «dem portugiesischen Lourdes», ein zusätzlicher Grund für eine Reise nach Auf der Primarstufe besucht ein überwie- Portugal. Die Fachpersonen weisen jedoch gender Teil der Kinder HSK-Unterricht darauf hin, dass die transnationalen Akti- (mehr als 90 % der portugiesischen Kin- vitäten religiöser Art für einen grossen Teil der). Mit zunehmendem Alter nimmt dieser der portugiesischen Bevölkerung in der Anteil ab. Insgesamt nehmen rund 15 000 Schweiz immer weniger wichtig sind. Schüler, also 70 % der eingeschulten Ju-

107 Wirtschaftliche Praxis satz zu anderen Migrantengruppen über- Gemäss einer Studie über die Eltern von weisen die Personen aus Portugal die Mittel Jugendlichen in Zürich und Genf (Fibbi und im Allgemeinen über formelle Kanäle (Ban- Lerch 2007) haben es zahlreiche seit Lan- ken und Poststellen). Einige portugiesische gem in der Schweiz lebende Portugiesen Banken mit einer Niederlassung in der (63 %) geschafft, in der Heimat Eigentum Schweiz haben sich auf Geldtransfers der zu erwerben. Migranten spezialisiert.

Die von den Portugiesen an die im Her- Die Überweisungen erfolgen nicht nur mit kunftsland verbliebene Familie überwiese- dem Ziel, Eigentum zur späteren Verwen- nen Mittel stellen für die Angehörigen eine dung im Fall einer Rückkehr zu erwerben wichtige Einnahmequelle dar. Unter der und die Angehörigen in Portugal zu unter- portugiesischen Bevölkerung der ersten stützen. Sie sollen auch eine Investition ins Generation ist dies eine der bedeutends- Herkunftsland sein. Portugiesische Agen- ten und am meisten verbreiteten transna- turen für Immobilienanlagen haben sich in tionalen Aktivitäten. Im Jahr 2008 beliefen der Schweiz niedergelassen, um den portu- sich die Geldüberweisungen nach Portugal giesischen Migranten, die eine potenzielle auf insgesamt rund 850 Millionen Schwei- Kundschaft für Investitionen in Portugal zer Franken; 2007 waren es 21 Millionen darstellen, ihre Dienste anbieten zu können Franken weniger. Die Schweiz ist, nach (Marques und Gois 2008). Frankreich, das Land mit den meisten Geld- überweisungen nach Portugal (Correio da Auf der anderen Seite importieren die Manhã vom 28. Februar 2009). Im Gegen- portugiesischen Migranten Nahrungsmit-

108 tel, Bücher, CDs und DVDs sowie Dekora- hängt eher davon ab, ob ein Medienpro- tionsartikel aus Portugal (Bartal 2003). Die dukt für ihre Altersgruppe attraktiv ist, un- Art dieser wirtschaftlichen Aktivität und das abhängig von der nationalen Herkunft des Bedürfnis, über die einzuführenden Pro- Produkts und von der Sprache der media- dukte und deren Transport selbst die Kon- len Übermittlung (Kaya et al. 2007). trolle zu haben, setzen nicht nur häufige Reisen zwischen der Schweiz und Portugal Die modernen Informationstechnologien voraus, sondern auch enge Beziehungen sind unter den älteren portugiesischen Mi- zwischen den verschiedenen wirtschaftli- granten nicht sehr verbreitet. Die Jüngeren chen Akteuren. Gemeinschaftliche Aktivi- hingegen greifen öfter darauf zurück, na- täten, die ein breites Netz wirtschaftlicher mentlich um die Beziehung zu den Fami- Akteure voraussetzen und die ökonomi- lienangehörigen und zu Freunden in an- sche Entwicklung des Herkunftslandes be- deren Ländern aufrechtzuerhalten – ganz zwecken, sind hingegen selten, wenn nicht besonders nach der Rückkehr aus den Fe- gar inexistent (Kaya et al. 2007). rien in Portugal, aber auch während Fest- tagen wie Geburtstagen und Weihnachten Kulturelle und politische Praxis (Kaya et al. 2007). Ausserhalb dieser ausgeprägten transna- tionalen Aktivitäten pflegen die portu- Expertenmeinung giesischen Migranten ihre Beziehung zu «Sie verbringen ihre Ferien immer in Por- Portugal über die portugiesischen Medien. tugal, das ist ihnen heilig. Sie sind auch Per Kabelempfang oder Satellit haben sie auf José Saramago stolz, ihren berühmten Zugang zu den gleichen Sendungen der öf- Schriftsteller. Sie schauen immer das por- fentlichen oder der privaten Kanäle wie in tugiesische Fernsehen, die Telenovelas, die Portugal – dem Fernsehen wird gegenüber Musik. Die jungen Portugiesen erhalten der Presse, die nur von einem Drittel der eine Beziehung zu ihrem Herkunftsland portugiesischen Eltern gelesen wird, der aufrecht, aber nicht über die Vereine.» Vorzug gegeben (Fibbi und Lerch 2007). Integrationsexpertin Diese Tatsache ist bestimmt auf die geringe Schulbildung der portugiesischen Migran- An politischen Aktivitäten zeigen sämtliche ten zurückzuführen. Die Eltern verfolgen Generationen portugiesischer Migranten die portugiesischen Fernsehsendungen re- kein besonderes Interesse: Im Verlauf der gelmässig (zwei Drittel der von Fibbi und letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr Lerch [2007] befragten Eltern von Jugend- 2006 begaben sich lediglich rund tausend lichen); die Kinder hingegen «tun dies ein Portugiesen in der Schweiz zur Wahl in ein wenig aus ‹Pflicht› und bevorzugen eher Konsulat.5 Im Übrigen ziehen politische französische Sender», wie eine junge Zusammenkünfte, Versammlungen und portugiesische Studentin aus der West- schweiz erzählt. Der Bezug der zweiten 5 An der Europawahl 2009 lag die Wahlbeteiligung der por- tugiesischen Bevölkerung (37 %) unter dem europäischen Generation zu den portugiesischen Medien Durchschnitt (43 %).

109 Konferenzen nur eine Handvoll Interes- Ähnlich verhält es sich mit den Lusodescen- sierte an. Dies trotz der Anstrengungen ei- dentes: Die im Rahmen der portugiesischen niger portugiesischer Politiker, die bis in die Aussenpolitik gegründete Bewegung der Schweiz reisen, um in der portugiesischen 1990er-Jahre verfolgte das Ziel, die portu- Bevölkerung politische Unterstützung zu giesischen Bevölkerungsgruppen im Aus- suchen. Das geringe Interesse für die Politik land zu beleben, was sich auch im poli­ ist in der Literatur zu den portugiesischen tischen Leben in Portugal niederschlagen Migranten in anderen Ländern breit doku- sollte. In Deutschland und in Frankreich mentiert (Cordeiro 2004). war der Bewegung ein gewisser Erfolg be- schieden, in der Schweiz stiess sie bei den Dieses mangelnde Engagement überrascht jungen Portugiesen der zweiten Genera- umso mehr, als der Staat für die portu- tion jedoch auf ein bescheidenes Echo. giesischen Staatsangehörigen im Ausland bereits verschiedene Massnahmen ergrif- fen hat, sowohl auf symbolischer6 als auch auf konkreter Ebene: Wahlrecht für im Ausland ansässige portugiesische Bürger in den portugiesischen Konsulaten, vier Sitze für die portugiesischen Gemeinschaften ausserhalb des Landes im Parlament in Lis- sabon, Unterhalt eines breiten Netzwerks von Lehrkräften (rund 150 Lehrpersonen in der Schweiz) oder die Berufung des Rates der im Ausland ansässigen Staatsangehö- rigen Portugals, dessen Mitglieder von den Migranten gewählt werden7 und der eine beratende Funktion bei den Behörden in Lissabon hat.

6 Folgende drei Beispiele sollen diese aktive symbolische Politik veranschaulichen: Das Land selbst feiert die ausgewander- ten Portugiesen, indem in den Dörfern Denkmäler für die Ausgewanderten errichtet werden. Durch dieses Zelebrieren der Auswanderung wird ein Bezug zwischen der Gegenwart und der glorreichen Vergangenheit der portugiesischen Entdeckungen hergestellt. Ein weiteres symbolisch wichtiges Element ist der am Nationalfeiertag, am 10. Juni, gefeierte Tag der portugiesischen Gemeinschaften. Ausserdem unterstützten die portugiesischen Behörden die Bewegung der Lusodescendentes in der portugiesischen Diaspora in Deutschland. In Frankreich hingegen wurde diese Bewegung von den jungen Migranten ausgelöst; sie genoss jedoch die Unterstützung der Behörden (Dos Santos 2007; Pingault 2004). 7 Vier in der Schweiz lebende Portugiesen gehören diesem Rat an.

110 Weiterführende Literatur

Bolzman, Claudio, Rosita Fibbi und Marie Vial (2006). What To Do After Retirement? Elderly Migrants and the Question of Re- turn. Journal of Ethnic and Migration Stu- dies, 32(8): 1359–1375.

Brettel, Caroline B. (2003). Emigrar para Voltar: A Portuguese Ideology of Return Migration, in Brettel, Caroline B. (Hg.), An- thropology and Migration: Essays on Trans- nationalism, Ethnicity and Identity. Walnut Creek: Altamira Press, S. 57–74.

Kaya, Bülent et al. (2007). Immigrants’ Transnational Practices in Switzerland: the Cases of the Turkish and Portuguese Com- munity, Bericht zuhanden des Schweize- rischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Neuenburg: SFM.

Marques, José Carlos und Pedro Gois (2008). Pratiques transnationales des Cap- verdiens au Portugal et des Portugais en Suisse. Revue européenne des migrations internationales, 24(2): 147–165.

Pingault, Jean-Baptiste (2004). Jeunes issus de l’immigration portugaise: affir- mations identitaires dans les espaces po- litiques nationaux. Le Mouvement Social, 4(209): 71–89.

111 7 Für eine vorausschauende Sicht

112 7.1 Eine gemischte In der portugiesischen Bevölkerung ver- Bevölkerung einen sich die Züge der alten Migrations- bewegungen von Gastarbeitern (Arbeits- Die Portugiesen bilden die letzten Arbeits- kräfte mit geringen Qualifikationen, nach migranten, die aufgrund ihrer geringen dem Rotationsprinzip in der Schweiz) und Qualifikation für unqualifizierte Tätigkei- jene der neuen Migrationsbewegungen ten in der Schweiz ausgewählt wurden. (Herkunft aus Ländern ohne privilegierte Wie die vorherigen Migrationsbewegun- historische Beziehungen zur Schweiz, stei- gen wenig qualifizierter Arbeitsmigranten gender Frauenanteil, gleichzeitige Präsenz war auch die portugiesische lange von von hochqualifizierten Zugewanderten und der Ideologie der Rückkehr geprägt. Diese Sans-Papiers). Die Tatsache, dass nunmehr Ideologie war sowohl mit dem Auswan- zwei Drittel dieser Bevölkerung über eine derungsprojekt unzertrennlich verbunden langfristige Aufenthaltsbewilligung verfü- als auch mit den institutionell festgelegten gen, zeigt klar, wie sich diese Gruppe eta- Migrations- und Anstellungsbedingungen. bliert hat und wie ein bedeutender Teil der Die portugiesische Migration hat zuge- portugiesischen Zugewanderten und ihrer nommen, und zwar nicht nur der Bestand Familien allmählich eine andere Migrati- an Zugewanderten. onsabsicht verfolgt. Dennoch wurden 80 % von den Portugiesen im Ausland geboren, Das Personenfreizügigkeitsabkommen – 20 % leben erst seit weniger als vier Jah- und mit diesem die Festigung des rechtli- ren in der Schweiz und 10 % sind noch im chen Status – sowie die neue bundesweite Besitz einer kurzfristigen Aufenthaltsbewil- Integrationspolitik der Schweiz ab den ligung: All dies weist darauf hin, dass der 2000er-Jahren bilden einen fruchtbaren Migrationsprozess noch nicht abgeschlos- Boden für das beschleunigte Wachstum. sen ist. Er wird von einem ununterbroche- Die Stabilisierung dieser Gruppe erfolgte nen Zustrom von Neuankömmlingen be- in einer deutlich kürzeren Zeit, als dies gleitet und betrifft nicht die portugiesische noch für die Italiener und die Spanier der Bevölkerung als Ganzes. Fall war, zwei Gruppen von Arbeitsmigran- ten, die mit der portugiesischen Gruppe in Demnach lässt sich heute bei den Portu- Bezug auf ihre Stellung in der beruflichen giesen in der Schweiz eine Vielzahl von Hierarchie der Schweiz am ehesten ver- Profilen, Situationen, Lebensläufen, Ziel- glichen werden können. Mit einem Anteil setzungen und Lebensstilen beobachten. von 12 % an der gesamten ausländischen All diese Faktoren verleihen der portu- Bevölkerung stellen die Portugiesen hin- giesischen Bevölkerung im Vergleich mit ter den Italienern und den Deutschen die anderen Zugewanderten einen beson- drittgrösste eingewanderte Bevölkerungs- deren Charakter. Es handelt sich um eine gruppe der Schweiz dar. gemischte Gruppe aus Personen, die mit einer gemeinsamen nationalen Zugehö- rigkeit etikettiert werden, aber durch sehr

113 unterschiedliche Erfahrungen geprägt sind. finieren. Zu erwähnen sind jedoch auch die Die allgemeinen Indikatoren zur Erfassung Herausforderungen, die durch die jüngste des Integrationsprozesses sind zwar nütz- Migrationsbewegung entstehen: das Pro- lich, widerspiegeln aber die für die portu- blem des Spracherwerbs bei Neuzuwan- giesische Einwanderung charakteristischen derern, das Problem der Einwanderung Gegensätze zwischen den früheren Gene- von Arbeitskräften mit geringen Qualifika­ rationen und den Neuankömmlingen nur tionen – die sich während des Migrations- ungenügend. Trotzdem werden die Erwar- prozesses neue Kompetenzen aneignen tungen in Bezug auf die Fortschritte der müssen –, aber auch das Problem der Mi- portugiesischen Bevölkerung im Integrati- gration von Familien, vor allem betreffend onsprozess tendenziell am Profil der besser die Kinderbetreuung. Damit sich ein hoher etablierten Migrantengruppen ausgerich- Anteil von Frauen am Berufsleben beteili- tet, namentlich jener mit einem Anteil an gen kann, muss eine umfassende Betreu- langfristigen Aufenthaltsbewilligungen von ung der Kinder gewährleistet werden. mehr als 90 % (z. B. Italiener und Spanier).

Nach diesem Einblick in die Lebensweise der Portugiesen in der Schweiz wird klar, dass der Integrationsprozess «am Laufen» ist. Davon zeugt ganz offensichtlich die Dy- namik, mit welcher die Jugendlichen mit Migrationshintergrund ihre Identitäten de-

114 7.2 Die Integration Auch die neu aufgebauten Identitäten wei- im Aufbau sen insbesondere bei den Jugendlichen auf einen Prozess der Neugestaltung des Be- Bei Fragen zu den integrationsspezifischen zugsrahmens hin. Ein Beispiel dafür ist die Perspektiven der portugiesischen Zuge- Identität «Tos»: Dieses Label ist abgeleitet wanderten und ihrer Familien äussern sich von «Portos», einer Benennung, mit der zahlreiche Interviewte optimistisch in Be- die Portugiesen früher abschätzig bezeich- zug auf die Zukunft in der Schweiz. Ihres net wurden, die die jungen Portugiesen Erachtens befindet sich diese Migranten- heute jedoch mit Stolz und Vergnügen für gruppe mehr oder weniger auf demselben sich in Anspruch nehmen. Ähnlich verwen- Weg wie die Zugewanderten aus Italien det wird auch die Bezeichnung «Tuga», und Spanien. Früher bezweifelten einige eine gekürzte Fassung von «Portuga». noch, ob soziale Mobilität für Kinder von Migranten möglich sei; heute sind sie der Ein Vergleich dieser Bezeichnungen mit je- Ansicht, dass sich deren Perspektiven ge- ner der «Secondos», unter deren Banner bessert haben. sich die Jugendlichen mit einem Hinter- grund in der italienischen und der spani- Aus persönlicher Sicht schen Einwanderung in der Schweiz An- «Die Zukunft der Portugiesen hier? Wie die fang der 2000er-Jahre versammelten, kann Schweizer werden sie ein normales Leben dazu beitragen, die Bedeutung der Iden- aufbauen … Sie werden nicht mehr diesel- tität der jungen Personen portugiesischer ben Hindernisse haben (…) sie werden sich Herkunft zu entschlüsseln. Die jungen in der Masse auflösen, werden studieren, Portugiesen waren damals in der Schweiz, heiraten, vielleicht in ein anderes Land zie- namentlich in der Deutschschweiz, noch hen.» nicht zahlreich genug, um in der Bewe- Portugiesin, Mutter von zwei jugendlichen gung der «Secondos» eine Rolle zu spie- Töchtern len. Doch heute zelebrieren sie ihren Stolz, «Tugas» oder «Tos» zu sein, indem sie in Die Prognose fällt umso günstiger aus, als der Schweiz eine Bezeichnung einführen, die Staatsangehörigen aus Portugal heute die auch den Jugendlichen portugiesischer aufgrund des Personenfreizügigkeitsab- Herkunft in Frankreich gemein ist. kommens mit der Europäischen Union über dieselben sozialen Rechte verfügen Diese Bezeichnungen weisen alle gemein- und nach dem Grundsatz der Gleichbe- same Züge auf: Eine stigmatisierende Be- handlung mit den Inländerinnen und Inlän- zeichnung erlebt jeweils einen Wandel dern behandelt werden. Durch das Fehlen der Bedeutung ins Positive, sie erinnert einer negativen Einstellung gegenüber den jeweils an die fremde Herkunft, und sie Portugiesen­ wird das Gefühl einer mittel- erfordert sprachliche Kreativität, um einer fristig guten Perspektive noch verstärkt. ganz neuen Realität Ausdruck zu verleihen – der Realität der Jugendlichen, die hier

115 leben und eine andere Herkunft haben. 7.3 Offene Fragen Letztendlich geht es dabei darum, dass die und Aktionsfelder exklusive nationale Identität von der Selbst- definition in der Migration überlagert wird. Optimismus ist somit angebracht. Um Die nationale­ Verwurzelung, wenn auch glaubwürdig zu sein, muss er jedoch mit fast nicht zu erkennen, ist in den Bezeich- einer scharfsichtigen Analyse der offenen nungen «Tos» und «Tugas» indes besser Fragen einhergehen, damit die wichtigsten ersichtlich. Dies lässt sich zweifelsohne Aktionsfelder aufgezeigt werden können. darauf zurückführen, dass die Einwande- In drei Bereichen ist ein koordiniertes Vor- rung in jüngerer Zeit erfolgt ist und dass gehen der öffentlichen Hand sinnvoll: der Einwanderungsstrom ununterbrochen anhält. Aber auch darauf, dass der Aus- Ausbildung von Arbeitskräften wanderung, ja sogar der Diaspora, in der mit geringen Qualifikationen nationalen Geschichtserzählung immer viel Die portugiesischen Migranten ohne Qua- Raum gegeben wurde. lifikationen, die weiterhin in die Schweiz strömen, um deren Bedarf an Arbeits- kräften zu decken, sehen sich mittelfristig mit der Forderung konfrontiert, die lokale Sprache zu erlernen. Dabei stellt sich fol- gende Herausforderung: sie vom Nutzen des Spracherwerbs zu überzeugen und ein passendes Angebot zu schaffen.

116 Für die Betroffenen ist dieses Erfordernis Beziehung Familie–Schule: aufgrund der stetigen Ankunft von neuen eine Frage der Mediationsarbeit Zugewanderten aus Portugal womöglich weniger offensichtlich, zumal sie umso Die jungen portugiesischen Zugewander- eher den Eindruck haben werden, in ei- ten zeigen im Durchschnitt keine guten nem vielseitigen und portugiesischspra- schulischen Leistungen, was mit ihrer be- chigen urbanen Umfeld leben zu können. scheidenen Herkunft und namentlich mit Die Rückkehrorientierung in der portu- dem begrenzten schulischen Rüstzeug vie- giesischen Bevölkerung ist immer schwä- ler portugiesischer Eltern zusammenhängt. cher ausgeprägt, aber immer noch stark Schulbildung war in ihrer beruflichen und genug, um diese Notwendigkeit infrage zu sozialen Laufbahn nicht ausschlaggebend. stellen. Sie legen viel Wert auf die Schule – obschon ihnen diese Welt in ihrer eigenen Erfahrung Da sich diese Migrantengruppe durch etwas fremd bleibt – und messen sie nach eine sehr starke Wertschätzung der Arbeit dem Nutzen für die berufliche Integration. und eine bemerkenswerte Beteiligung am Berufsleben auszeichnet, wird das über- Der Übertritt von der obligatorischen zeugendste Argument voraussichtlich der Schule in die nachobligatorische Ausbil- Zusammenhang zwischen Spracherwerb dung und danach in den Arbeitsmarkt und beruflicher Integration sein. Die Frage verdient besondere Aufmerksamkeit: Diese der Berufsbildung dieser Arbeitskräfte so- beiden Übergangsphasen sind für alle Ju- wie jene der positiven Auswirkungen der gendlichen entscheidend. Zahlreiche junge Bildung auf die Neupositionierung im Ar- Portugiesen nehmen sie mit dem Handicap beitsmarkt stellen sich nach wie vor. einer nicht immer ausgezeichneten Schul- zeit und eines familiären Sozialnetzes in Im Ausbildungsangebot sollte berücksich- Angriff, das nicht dicht genug ist, um sie tigt werden, dass die Personen aus Portu- wirksam auf eine Lehre oder eine Stelle gal aufgrund ihres mittleren Bildungsni- ausserhalb der für portugiesische Migran- veaus für Schulungen in für sie ungewohnt ten typischen Berufsbranchen hinzulenken. formalisierten Rahmen nicht besonders gute Voraussetzungen haben. Da die Für die Arbeit mit portugiesischen Familien portugiesische Bevölkerung vom Bestand in Zusammenhang mit dem Schulbesuch her die grösste ausländische Gruppe in der ihrer Kinder reichen Informationen und Schweiz ist, die keine der Landessprachen Broschüren womöglich aus. Denn mit die- spricht, muss das Angebot auch zahlen- sen Mitteln bleibt die Kommunikation stark mässig angepasst sein. vertikal, sie verläuft von den Wissenden zu den Unwissenden. Hier scheint vielmehr interkulturelle Mediationsarbeit nötig zu sein. Damit ist nicht gemeint, dass sich die kulturellen Eigenheiten der Gruppe nicht

117 überwinden lassen. Das entscheidende bedacht oder auch in die subtile Arbeit der an der Mediation ist die direkte Kommu- Kontaktaufnahme und Mediation mit den nikation. Auf diesem Weg sollen Perso- Eltern und den Jugendlichen einbezogen nen, Gruppen und Instanzen mit einer werden. (ursprünglich) unterschiedlichen Stellung zu einem gemeinsamen Verständnis ge- Migration von Familien langen, auf die Beweggründe des anderen und Kinderbetreuung eintreten, andere Meinungen respektieren Wie bereits erwähnt, wandern die Portu- und möglichst eine Einigung finden. giesen mit der Familie ein und sind auf dem Arbeitsmarkt, der Arbeitskräfte braucht Es geht darum, dass alle betroffenen Par- – namentlich weibliche –, willkommen. teien auf eine gemeinsame Haltung inner­ Die Migration von Familien und die hohe halb der portugiesischen Bevölkerung Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen stellen gegenüber der Schule hinarbeiten. Die jedoch einen Widerspruch dar, der nicht lokalen Behörden des Aufnahmelandes allein von den Familien getragen werden können dabei auf die Behörden des Her- kann. Werden die Familien bei der Lösung kunftslandes – und das dichte, von ihnen dieser Spannungen sich selbst überlassen, unterhaltene Netz portugiesischer Lehrper- besteht die erhebliche Gefahr, dass sie sonen – zählen, die für die Frage der Bil- sich mit Stresssituationen konfrontiert se- dung der zweiten und der dritten Genera- hen und sich schlimmstenfalls nicht mehr tion sehr offen sind. Diese Tatsache stellt genügend um ihre Kinder kümmern kön- eine Ressource von unschätzbarem Wert nen. Denn im Umfeld der Migration verfü- dar. Es geht nun darum, zu lernen, sowohl gen sie nicht mehr über die familiäre und auf institutioneller als auch auf konkreter die ausserfamiliäre Unterstützung wie im Ebene, und vor Ort Synergien zu schaffen, Herkunftsland, mit der sie Familien- und dort, wo die portugiesischen Migranten Berufsleben unter einen Hut bringen konn- leben und wo wichtige Kontakte zwischen ten. Personen geknüpft werden. Die portugiesischen Familien weisen sehr Die oben erwähnte Diversität der portu- deutlich darauf hin, dass die institutionel- giesischen Bevölkerung bietet auch andere len Antworten auf die Bedürfnisse mo- interessante Wege, um die Kräfte der Mig- derner Familien unzureichend sind. Das rantengruppe zu mobilisieren. So existiert gilt nicht nur für portugiesische Familien, beispielsweise eine begrenzte, aber den- sondern für alle Familien, die «Kinder und noch bedeutende Gruppe junger Personen Arbeit» miteinander vereinbaren möchten. der zweiten Generation, die eine höhere In dieser Hinsicht muss ein Angebot für Bildung absolvieren, sowie junger Hoch- eine ausserfamiliäre Betreuung geschaffen qualifizierter, die vor Kurzem in die Schweiz werden, die sich auf die Arbeitszeiten ab- eingereist sind. Sie könnten Gewinn brin- stimmen lässt und die sich Haushalte mit gend mit der Funktion eines role model einem bescheidenen Einkommen leisten

118 können. Dies stellt sicherlich eine wirksame Methode dar, sich den Herausforderungen der persönlichen und familiären Integration zu stellen – für die Eltern und die Kinder.

119 8 Anhang

120 Anhang I: Bibliografie Pinto, Costa Antonio (Hg.), Contemporary Portugal: Politics, Society and Culture. Afonso, Alexandre (2004). Internationa- Boulder: Social Science Monographs, S. lisation, économie et politique migratoire 139–156. dans la Suisse des années 1990. Lausanne: Université de Lausanne, Institut d’études Balthasar, Hugues et al. (2004). Deman- politiques et internationales. des d’interruption volontaire de grossesse dans le canton de Vaud: analyse des don- Afonso, Alexandre (2006). Les métamor- nées 2002. Lausanne: Institut universitaire phoses de l’étranger utile. Internationali- de médecine sociale et préventive. sation et politique d’immigration dans la Suisse du tournant néolibéral. A Contrario. Barros, Pedro Pita und Jorge de Almeida Revue Interdisciplinaire de Sciences Socia- Simões (2007). Portugal Health system les, 4 (1): 99–116. review 2007. Health Systems in Transition, 9(5). Aja, Eliseo et al. (2000). Towards emer- ging ethnic classes in Europe? Volume 2: Bartal, Isabel (2003). Paradigma Integra- Southern Europe: country reports on Italy, tion: Persönliche und kontextuelle Deter- Portugal and Spain. Weinheim: Freuden- minanten integrativen Verhaltens. Eine em- berg Stiftung. pirische Studie mit Eltern von Schülern und Schülerinnen portugiesischer, türkischer, Almeida, Carlos und Antonio Barreto kurdischer und tamilischer Herkunft in der (1970). Capitalismo e Emigraçao em Portu- Stadt Zürich. Philosophische Fakultät der gal. Lissabon: Prelo Editora. Universität Zürich. Zürich.

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127 Anhang II: Portugiesische keine Garantie dafür abgegeben werden, Vereine in der Schweiz dass die Liste abschliessend und vollkom- men aktuell ist. In diesem Anhang findet sich die Liste der Vereine und Treffpunkte, die von Portu- giesen in der Schweiz geführt werden oder für diese bestimmt sind. Um die Verwen- dung der Liste zu vereinfachen, wurden die Organisationen nach ihrem Hauptzweck und jeweils nach Kantonen gruppiert. Viele lokale Vereine erfüllen jedoch mehrere Funktionen zugleich. Sie werden dement- sprechend unter der am weitesten gefass- ten Kategorie aufgeführt.

Die rund 260 identifizierten Organisatio- nen werden zuerst nach folgenden Kate- gorien unterteilt: – politische und kommerzielle Organisa­ tionen; – Kultur- und Freizeitorganisationen; – folkloristische Kulturorganisationen; – religiöse und soziale Organisationen; – Jugendorganisationen und bildungsori- entierte Organisationen; – Sportorganisationen.

Die Liste ist das Ergebnis des Vergleichs verschiedener Quellen: Die Auskünfte der befragten Personen wurden mit den Infor- mationen des Portal das Comunidades Por- tuguesas, des Forums für die Integration der Migrantinnen und Migranten (FIMM Schweiz), der kantonalen katholischen Kongregationen, der kantonalen Fussball- verbände usw. zusammengeführt.

Da Veränderungen innerhalb der Migran- tenorganisationen sehr häufig sind, kann trotz der unternommenen Anstrengungen

128 Verbände auf nationaler Ebene Freiburg Waadt Clube de Amizade Portuguesa Federação das Associações Portuguesas Square-des-Places na Suíça (Faps) 1707 Freiburg Postfach 493 1020 Renens Genf Associação Democrática dos Trabalhadores Zürich Portugueses de Genebra Federação Portuguesa de Folclore Ch. du Furet 61 e Etnografia na Suiça (Fpfes) 1269 Genf Obergasse 49 8193 Eglisau Associação 25 Abril Postfach 103 Verbände auf regionaler Ebene 1258 Perly Wallis União das Associações Associação dos Trabalhadores Emigrantes Portuguesas do Valais Portugueses de Genebra Postfach 926 Rue des Vollandes 17 1920 Martigny 1207 Genf

Politische und kommerzielle Neuenburg Organisationen Associação dos Trabalhadores Portugueses Basel-Landschaft de La Chaux-de-Fonds Associação de Emigrantes Portugueses Rue Hôtel de Ville 101b, Postfach 30 de Basileia 2300 La Chaux-de-Fonds Mühlemattstr. 36 4104 Oberwil Waadt Associação Democrática dos Trabalhadores Bern Portugueses Emigrantes em Lausanne Associação dos Trabalhadores Portugueses Av. Tivoli 62 Rue du Crêt 4, Postfach 7113 1007 Lausanne 2503 Biel Wallis Associação dos Trabalhadores Emigrantes Portugueses de Sion Rte d’Aproz, Postfach 73 1951 Sion

129 Kultur- und Freizeitorganisationen Associação Portuguesa de Berna Aargau Ey 5 Associação Portuguesa da Região de Baden 3063 Ittigen Bahnhofstr. 54 5233 Koblenz Associação Portuguesa de Grindelwald Postfach 49 Associação Zofingen «União Lusíada» 3818 Grindelwald (Azul) Postfach 225 Associação Portuguesa de Langenthal 4800 Zofingen Dennliweg 21 4900 Langenthal Associação Recreativa Portuguesa de Aarburg Associação Portuguesa de Moutier Postfach 68 e Val-de-Tavannes 4663 Aarburg Rue de Soleure 25 2740 Moutier Clube Português de Bremgarten Isenlaufstrasse 3 Comunidade Portuguesa «Os Lusitanos» 5702 Bremgarten de Interlaken Florastr. 14 Basel-Landschaft 3800 Interlaken Associação Portuguesa de Laufen Naustr. 81, Postfach 103 Comunidade Portuguesa em Thun 4242 Laufen Industriestr. 5 3600 Thun Comunidade Portuguesa de Sissach Rheinfelderstr. 59 Centro Cultural e Recreativo de Bienne 4450 Sissach Rue Karl-Neuhaus, Postfach 63 2500 Biel 3 Basel-Stadt Centro Cultural e Social de Basel Centro Cultural e Recreativo de Lyss Postfach 3819 Werkstr. 59, 3250 Lyss 4002 Basel 3250 Lyss

Bern Freiburg Associação Desportiva dos Portugueses Centro Português de Interlaken Rte de l’Industrie 51 Bahnhofstr. 2, Postfach 250 1784 Courtepin 3800 Unterseen

130 Clube Português Ibéricos Associação Cultural e Recreativa Rte de la Pisciculture 6a de Engadina Baixa 1700 Freiburg Innpark 7505 Celerina Comunidade Cultural e Recreativa Portuguesa de Friburgo Associação Cultural e Recreativa St. Nicolas de Flüe 4, Postfach 622 Portuguesa de Engadine 1700 Freiburg Postfach 58 7514 Sils-Maria Comunidade Cultural e Recreativa Portuguesa de Romont Associação Cultural e Recreativa Rte Billens 14 Portuguesa de Davos 1680 Romont Bahnhofstr. 19 7260 Davos Comunidade Cultural e Recreativa Portuguesa de la Gruyère Clube Desportivo Cultural e Recreativo Rue de l’Industrie 8 Postfach 43 1630 Bulle 7504 Pontresina

Associação Portuguesa de Morat Clube Recreativo Português Länggasse 15 Kasernenstrasse 97 3280 Murten 7000 Chur

Genf Centro Cultural Desportivo Recreativo Associação dos Portugueses de Genebra Português de Engadina Baixa Rte de Saint Julien 5-7, Postfach 1374 Plan d’en Nairs 1227 Carouge 7551 Ftan

Glarus Jura Associação Portuguesa de Glarus Associação Recreativa Portuguesa de Por- Postfach 24 rentruy 8750 Glarus Rue de Lorette, CFF 6 Gare aux Marchandises Graubünden 2900 Porrentruy Clube Português de Scuol Clozza Luzern 7550 Scuol Centro da Comunidade Portuguesa de Triengen-Büron Kantonsstrasse 6233 Büron

131 Centro Português de Beromünster Centro Português de Rorschach Industriestrasse Thurgauerstrasse 33 6215 Beromünster 9400 Rorschach

Centro Cultural e Recreativo Português Centro Português de St. Gallen de Luzern Zürcherstrasse, Postfach 30 Triebschenstrasse, Postfach 2506 9013 St. Gallen 6002 Luzern Associação Recreativa Portugal Amigo Centro Cultural Português Taminastr. 2a Rengglochstrasse 7310 Bad Ragaz 6012 Obernau Schaffhausen Neuenburg Associação dos Portugueses Associação Portuguesa de Val-de-Travers de Schaff­hausen Rue du Fourcil Mühlentalstr. 72, Postfach 3008 2103 Noiraigue 8201 Schaffhausen

Casa do Benfica em Neuchâtel Associação Portuguesa Rue E. Borel 13 Kesselstrasse 14 2003 Neuenburg 8200 Schaffhausen

Centro Português de Neuchâtel Schwyz Rte des Falaises 21, Postfach 81 Associação Portuguesa de Schwyz 2008 Neuenburg Postfach 267 6430 Schwyz Obwalden Associação Portuguesa de Sarnen Solothurn Marktstrasse 5 Centro Recreativo Português 6060 Sarnen Postackerstrasse 1 4710 Balsthal St. Gallen Associação Portuguesa de Rapperswil-Jona Associação Recreativa Portuguesa Fluhstr. 30 de Solothurn 8645 Jona Zeughausweg 6 4528 Zuchwil Centro Português de Flawil Postfach 112 9230 Flawil

132 Tessin Uri Centro Cultural e Recreativo Português Club Lusitano do Ticino Reussstrasse 30 Postfach 219 6472 Erstfeld 6593 Cadenazzo Waadt Centro culturale recreativo portoghese Associação «Amigos dos Anhões» Via Cantonale Rue Neuve 14 6742 Pollegio 1350 Orbe

Thurgau Associação Portuguesa de La Sarraz Centro Português de Bischofszell Ch. de la Condémine Bleikerweg 6 1315 La Sarraz 9220 Bischofszell Associação Portuguesa de Aigle Centro Português de Diessenhofen Châble Croix, Postfach 456 Obertor 30 1860 Aigle 8253 Diessenhofen Associação Portuguesa de Nyon Centro Português de Kreuzlingen Postfach 1313 Konstanzerstrasse 40 1260 Nyon 8280 Kreuzlingen Associação Portuguesa de Rolle Clube Europa Postfach 577 Arbonerstrasse 3 1180 Rolle 8599 Salmsach Associação Portuguesa de Versoix Clube Português Centre CETEC, rte Suisse 7 Poststrasse 9 1295 Mies 8580 Associação Portuguesa Clube Português Diessenhofen Rue de l’Industrie 21 Obertor 30 1450 Ste-Croix 8253 Diessenhofen Association Ibérique Centro Cultural e Recreativo Português Rue des Narcisses 3 de Frauenfeld 1844 Villeneuve St. Gallerstr. 18 8500 Frauenfeld Centro Inter Português 1660 Les Moulins

133 Centro Português de Morges Centro Cultural e Recreativo Português Rue de Lausanne 19, Postfach 399 de Montreux 1110 Morges Rue de la Corsaz 19 1820 Montreux 2 Centro Português de Orbe Z. I. Les Ducats, Postfach 28 Centro Cultural e Recreativo Português 1350 Orbe de Renens Rue du Lac 16a, Postfach 531 Centro Português de Vevey 1020 Renens 1 Passage St-Antoine 7 1800 Vevey Centro Desportivo e Recreativo Português de Payerne Club Furadouro Route de Mourens-La Palaz Postfach 11 1530 Payerne 1580 Avenches Clube Recreativo Cultural «O Lusitano» Confraria Lusitana de Cozinha Rte des Avouillons 4 Postfach 6285 1196 Gland 1002 Lausanne Wallis Grupo Português «O Lusitano» Centro Cultural Português de Martigny Rue du Lac 22b Rue des Finettes 56, Postfach 156 1020 Renens 1920 Martigny

União dos Portugueses de Bex Associação Colónia Livre Portuguesa Rue du Simplon, Postfach 195 Rue du Châble Bet 22 1880 Bex 1920 Martigny

Associação Recreativa de Clarens Associação Portuguesa de Monthey Ch. du Crépon-La Foge e Arredores 1815 Clarens Postfach 568 1870 Monthey Centro Cultural e Recrativo Português de Moudon Associação Portuguesa de Zermatt Zone industrielle La Pussaz 3920 Zermatt 1510 Moudon Centro Português de Saxon Centro Cultural e Recreativo Português Place de la Pierre-à-Voir 6B Quai de Nogent 5 1907 Saxon 1400 Yverdon-les-Bains

134 Associação Cultural, Recreativa Lafões Clube Português e Desportiva Portuguesa de Sierre Ruchwiesenstrasse 5 Iles Falcon 15, Postfach 1 und 4 8180 Dielsdorf 3960 Sierre Associação Cultural e Recreativa Associação Desportiva e Recreativa de Wetzikon de Viseu Industriestrasse 5 Postfach 3 8620 Wetzikon 1957 Ardon Centro Cultural e Caritativo de Winterthur Zug Im Halbacker – Rümikon Associação Cultural e Recreativa de Baar 8352 Räterschen Altgasse 47 6340 Baar Folkloristische Kultur­ organisationen Zürich Aargau Associação da Comunidade Portuguesa Rancho Folclórico Português de Aarburg de Regensdorf na Suíça Postfach 162 Postfach 10 4663 Aarburg 8105 Regensdorf Freiburg Associação Portuguesa de Rapperswil Rancho Folclórico Português de Friburgo Postfach 1722 Postfach 762 8640 Rapperswil 1701 Freiburg

Associação Portuguesa de Zurique Genf Birchstr. 80 Associação Cultural para a Divulgação 8050 Zürich do Fado (Acdf) Chemin Adolphe Pasteur 27 Centro Lusitano de Zurique 1209 Genf Birmensdorferstr. 48 8004 Zürich Associação Portuguesa de Informação e Cultura – APIC Clube Lusitano «A Taberna» Boulevard James Fazy 18 Wermatswilerstrasse 20 1201 Genf 8320 Fehraltorf Association Cœur du Portugal Rue de Lausanne 19 1201 Genf

135 Centro Português de Cultura em Genebra Rancho Folclórico O Lusitano Rue de l ’Athénée 22, 1206 Genève Av. Victor Ruffy 6 1201 Genf 1012 Lausanne

Rancho Folclórico Estrelas de Portugal Grupo Papillons du Portugal de Rolle Rue des Vieux Grenadiers 10 Av. de la Gare 15 1205 Genf 1180 Rolle

Schaffhausen Atelier Casa Mundo Núcleo de Intervenção Cultural e Expressiva Pavement 1 Alpenstr. 130 1018 Lausanne 8203 Schaffhausen Wallis Waadt Grupo Etnográfico Português Grupo de Teatro «O Rega Bofe» Postfach 39 de Lausanne 1902 Evionnaz Postfach 16 1001 Lausanne Grupo Folclórico Português de Verbier Postfach 230 Grupo de Teatro Português «O Embrião» 1936 Verbier Postfach 90 1018 Lausanne Rancho Folclórico da Comunidade Católica de Martigny Grupo Etnográfico Português Postfach 269 Postfach 493 1920 Martigny 1020 Renens Zug Grupo Folclórico «Andorinhas de Morges» Rancho Folclórico Swissmix Av. de Morges 47 Waldheimstr. 63 1027 6314 Unterägeri

Grupo Folclórico Português de Moudon Zürich Rue de la Gare 19 Rancho Folclórico Juvenil «Os Corações» 1510 Moudon de Winterthur Stadlerstr. 27 Grupo Folclórico Português de Vevey 8404 Winterthur Quai de la Veveyse 11 1800 Vevey

136 Religiöse und soziale Jugendorganisationen Organisationen und bildungsorientierte Genf Organisationen Associação Comunidade Católica Aargau de Língua Portuguesa de Genebra Comissão de Pais de Baden Av. de Sainte-Clotilde 14bis Landstr. 9 1205 Genf 5430 Wettingen

Graubünden União de Pais de Wettingen Comunidade Católica e Recreativa Postfach 3071 Portuguesa de Chur 5430 Wettingen Industriestr. 11 7000 Chur Appenzell Ausserrhoden Comissão de Pais de Herisau Waadt Postfach 1012 Communauté Catholique Portugaise 9102 Herisau Rue Maison Rouge 14 1400 Yverdon-les-Bains Freiburg Associação de Pais de Alunos Portugueses Comunidade Católica de Língua e Cultura de Friburgo Portuguesa de Lausanne Postfach 115 Av. de Morges, 60d 1701 Freiburg 1004 Lausanne Genf Comunidade Católica Portuguesa de Nyon Associação dos Estudantes Portugueses da Rue de la Colombière 14 Universidade de Genebra 1260 Nyon Rue De-Candolle 4 1211 Genf Wallis Comunidade Católica Portuguesa Jura Postfach 269 Comissão de Pais Juventude Portuguesa 1920 Martigny Postfach 397 2800 Delémont Comunidade Católica Portuguesa de Sion Rue de Lausanne 56a Luzern 1950 Sion Comissão de Pais da Escola Portuguesa de Sursee Postfach 3047 6210 Sursee

137 Neuenburg Comissão de Pais de Bischofszell Comissão de Pais da Escola Portuguesa de Postfach 173 La Chaux-de-Fonds 9220 Bischofszell Postfach 858 2300 La Chaux-de-Fonds Comissão de Pais Landquartstrasse 34, Postfach Comissão de Pais de Alunos da Escola Por- 9320 tuguesa de Le Locle Rue de France 14 Waadt 2400 Le Locle Associação de pais e encarregados de edu- cação de Lausanne e arredores A.P.E.E.L.A Comissão de Pais de Neuchâtel Postfach 8 Postfach 55 1001 Lausanne 2008 Neuenburg Associação Juventude Académica Schaffhausen Portuguesa de Montreux Comissão de Pais de Schaffhausen Av. des Alpes 80bis, Postfach 187 Postfach 3008 1820 Montreux 8200 Schaffhausen Associação Portuguesa «Rêves d’enfants» Schwyz Av. de Morges 35B Associação de Pais de Pfäffikon 1004 Lausanne Postfach 264 8808 Pfäffikon Comissão de Pais de Bex e Arredores Postfach 68 Associação de Pais e Escola Portuguesa 1880 Bex Unterdorfstr. 20 8808 Pfäffikon Comissão de Pais de Yverdon Postfach Tessin 1401 Yverdon-les-Bains Associação Escola Portuguesa de Lugano Postfach 106 Wallis 6906 Lugano Comissão de Pais de Fully 1926 Fully Comissão de Pais de Arbon Comissão de Pais de Sierre Postfach 17 3960 Sierre 9320 Arbon

138 Comissão de Pais de Visp Sportorganisationen Postfach 108 Aargau 3930 Visp Grupo Desportivo Cultural Português Comissão de Pais de Zermatt de Lenzburg Postfach 367 Postfach 3920 Zermatt 5600 Lenzburg 2

Comissão de Pais Portugueses Desportivo Português Aarburg de Leukerbad Postfach 68 Postfach 326 4663 Aarburg 3954 Leukerbad Basel-Stadt Zug Clube Desportivo Lusitano Comissão de Pais do Cantão de Zug Reinacherstr. 137 Deinikonerstr. 35a 4053 Basel 6340 Baar Grupo Desportivo Cultural Transmontano Hammerstr. 149 Zürich 4057 Basel Comissão de Pais de Zurique Hardstr. 243 CD Lusitano Basel 8005 Zürich Postfach 2573 4002 Basel Associação Recreativa e Cultural Amigos da Escola Portuguesa de Regensdorf Bern Krästelstr. 19, Postfach 10 Portugal Futebol Clube 8106 Adlikon Freiburgstr. 139C 3008 Bern

Freiburg Futebol Clube «Os Lusitanos» Rte du Petit-Moncor 1 1752 Villar-sur-Glâne

Sport Beauregard et Benfica Rue de la Carrière 1700 Freiburg

139 Genf FC Lusitanos de Samedan Clube Académico de Viseu em Genebra Cho d’Punt 59, Postfach 106 Rue de Neuchâtel 10 7503 Samedan 1201 Genève SC Luso Chur FC Acacias-Ville Postfach 138 Rue Eugène Marziano 17a 7007 Chur 7 1211 Genf 4 Porto Club 70/78 FC Association des Portugais de Genève Via Principale 64 Postfach 80 7078 Lenzerheide 1211 Genf 20 Jura FC Famalicão de Genève Associação Futebol Clube Postfach 136 Juventude Portuguesa 1211 Genf 8 Rue Emile Boéchat 110 2800 Delémont Futebol Clube Lusitano Ch. du Pont du Centenaire, Postfach 118 Luzern 1228 Plan-les-Ouates Futebol Clube Hochdorf – Portugal Postfach 836 Sport Genève Benfica 6280 Hochdorf Postfach 1212 1211 Genf 1 Futebol Clube Sursee – Portugal Postfach 3109 Sporting Futebol Clube 6210 Sursee Postfach e 244 1211 Genf 21 Luzerner Sportclub Casa do Benfica de Genebra Zollhausstrasse 2 Rue de la Servette 17–19 6015 Reussbühl 1201 Genf Neuenburg Graubünden FC Centre Portugais Associação Desportiva Portugal 91 Rue des Falaises 21 Via S. Clau Sura, 2 2000 Neuenburg 7130 Ilanz FC Benfica NE Associação Desportiva Portugal 91 Postfach 167 Casa Garda, Via Streia 2000 Neuenburg 7031 Laax

140 FC Deportivo FC Desportivo Postfach 553 Postfach 53 2301 La Chaux-de-Fonds 1543 Grandcour

FC Lusitanos FC Vila Mea (Centro Português de Crissier) Postfach 20 Av. des Alpes 51, Postfach 221 2300 La Chaux-de-Fonds 1023 Crissier

St. Gallen Sport Lausanne e Benfica Casa do Benfica de Rorschach Ch. de la Coline 10 Löwengartenstrasse 12 1007 Lausanne 9400 Rorschach Tessin União Portuguesa de Futebol FC Os Lusíadas Place du Tunnel 13 Postfach 351 1005 Lausanne 6900 Massagno Wallis AS Lusitanos Casa do Benfica (Fan Club Benfica Lisboa) Postfach 324 Av. du Grand Champsec 2, 6600 Locarno Postfach 483 1950 Sion 2 AS Portoghesi Ticino Via Stazione 25 Football-Club Português 6532 Castione Rte des Rottes 19 1964 Conthey Casa do Benfica do Ticino Via Monte Ceneri Núcleo Sportinguista de Sion 6593 Cadenazzo Postfach 4214, 1950 Sion 4 1964 Conthey Waadt Associação Desportiva Portuguesa Unidos Futebol Clube de Sierre «Derrière Les Murs» Av. de France 6 Postfach 13 3960 Sierre 1580 Avenches Zürich FC Atlantic Futebol Clube Portugueses na Suíça Rue du Verger 10 Postfach 412 1800 Vevey 8423 Embrach

141 Sporting Clube de Zurique Albulastrasse 57 8048 Zürich

Casa do Benfica de Zurique Wagistr. 7 8952 Schlieren

Lafões Club Português Rosenstrasse 1 5417 Untersiggenthal

142 Anhang III: Portugiesische Rádio Arremesso Medien in der Schweiz Centre Commercial de la Praille Route des Jeunes 12 Zeitungen 1227 Carouge Gazeta Lusófona Postfach 3010 Nozes e Vozes (Radio Zones) 6002 Luzern Postfach 171 1211 Genf 7 Luso Helvético Postfach 268 www.radiocamoes.com 1030 Bussigny Bâtiment Perez Le Vernay Jornal «O Portucalense» 1184 Luins Postfach 114 2014 Bôle

Zeitschriften Luso Anuário Postfach 459 1226 Thônex

Guia Info Shop Portugal Wasserfallstrasse 72a 6390 Engelberg

Pessoas Magazine Postfach 1877 1211 Genf 1

Selectiva Postfach 1877 1211 Genf

Radiosender Hora Lusitana (Radio Cité) Postfach 1111 1211 Genf 1

143 Anhang IV: Liste der Ge­ Fraga, Alcino sprächspartner Mission catholique de langue portugaise, Neuenburg Beja, Manuel Alfonso Gewerkschaft UNIA, Sekretär Lisboa, Fernanda Pflegerische und hauswirtschaftliche Bento, Mauro Betreuung Sozialarbeiter, Pro Infirmis M., Maria Cattafi, Filippo Universitätsstudentin, Erziehungsdepartement Genf, Tochter von Migranten Leiter Weiter­bildung Lehrpersonen N., Daniel Cervaens, Nuno Forscher CERN Ingenieur Swisscom Oliveira, Alvaro da Cunha, Antonio Unterrichtender HSK-Kurse Ehem. Präsident FIMM, Universitätsprofessor­ Pereira, Catarina Psychologin, Tochter von Migranten da Silva, Adozinda Lehrerin, ehem. Stadträtin, Lausanne Pereira, Nuno Universitätsstudent, Sohn von Migranten Dandelot, Maurice Pinheiro, Fernanda Erziehungsdepartement Genf, Krankenpflegerin Leiter Sozialpädagogik Pinheiro, Antonio De Matos, Manuel Leiter einer portugiesischen Buchhandlung Portugiesische Botschaft in Bern, Sozialberater Pinho, Jorge Dozierender HES, Soziale Arbeit, Wallis De Sà Ferreira, Adelino Gazeta Lusofona, Redaktionsleiter Pinto, Marta Stadt Renens VD, Integrationsdelegierte, Diaz Ferreira, Jorge Tochter von Migranten Erziehungsdepartement Genf, Lehrer Weiterbildung Lehrpersonen Reis, José Caritas, Sozialarbeiter Fazendeiro, Manuel Gewerkschaft UNIA Genf, Sekretär

144 Ruesch, Maria Teresa Integrationsförderung der Stadt Zürich, interkulturelle Mediatorin

Silva, Maria Madalena Portugiesische Botschaft in Bern, Koordinatorin HSK-Kurse

Vasconcelos, Maria Luiza Departement für Institutionen, Genf, Fachstelle für Gleichstellung

Witzig-Marinho, Ana Maria Eidgenössische Ausländerkommission, ehem. Mitarbeiterin

Yolanda Sommelière

Andrés Elektriker

Luis Kaufmännischer Angestellter

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