Kunst und Fernsehen - Partizipation statt Reproduktion Offenheit, Unbestimmtheit und Leerstellen in der TV-Serie (2017)

Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts im Studiengang Digitale Medienkultur an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, 2019

Verfasserin: Lea Emilia Meer Email: [email protected] Matrikel-Nummer: 10144

1. Gutachter: Prof. Dr. habil. Lothar Mikos 2. Gutachter: Prof. PD Dr. phil. habil. Stefan Winter Kurzfassung

Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit waren Überlegungen zum Verhältnis von Kunst und Medien, speziell dem Verhältnis von Kunst und dem Massenmedium Fernsehen. Dieses Verhältnis wurde und wird im gesellschaftlichen Diskurs und vom Standpunkt der Künste aus häufig negativ bestimmt. Doch gibt es gegenüber dieser negativen Verhältnisbestimmung Positionen, welche die Beziehung von Anfang an als ein Verhältnis von Interferenz und Interaktion beschreiben. Beispiele dafür, wie Fernsehen als Teil unserer Welt, besonders auch sein Einfluss auf unsere Sicht der Welt, künstlerisch reflektiert wird, lassen sich finden, aber lässt sich das Fernsehen auch als künstlerisches Ausdrucksmittel nutzen? Diese Arbeit ist in ihrem ersten Teil als Literaturarbeit und in ihrem zweiten Teil als Serienanalyse konzipiert. Aus der Perspektive ausgewählter medientheoretischer Literatur soll zunächst der Beginn des Diskurses um Kunst und Massenmedien historisch verortet werden. Wie dieser Diskurs unter Einbeziehung wesentlicher Prämissen der Rezeptionsästhetik medientheoretisch weitergeführt wurde, soll dann im Überblick skizziert werden. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei den Konzepten der Offenheit, Unbestimmtheit und Leerstelle zu. Im zweiten Teil dieser Arbeit soll untersucht werden, ob und in welcher Ausgestaltung sich fünf Leerstellen-Kategorien - wie sie Nadine Dablé für das audiovisuelle Erzählen entwickelt hat - in der 3. Staffel der Fernsehserie Fargo (2017) auffinden lassen. Auf diesem Weg soll eine Entscheidung darüber ermöglicht werden, ob der untersuchten Fernsehserie, ähnlich wie literarischen Texten, eine Appellstruktur zueigen ist, die den Zuschauer*innen eine aktive Partizipation im Prozess der Rezeption abverlangt. Die ästhetische Qualität dieser Fernsehserie würde dann also darin bestehen, dass sich die televisuelle Narration in der Rezeption der Zuschauer als „Kunstwerk“ konkretisiert. Selbstständigkeitserklärung

Hiermit versichere ich, Lea Emilia Meer, Matrikel-Nummer: 10144 , dass ich die Arbeit mit dem Titel „Kunst und Fernsehen - Partizipation statt Reproduktion. Offenheit, Unbestimmtheit und Leerstellen in der TV-Serie Fargo (2017)“ selbstständig verfasst und dabei keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Sämtliche Stellen der Arbeit, die im Wortlaut oder dem Sinn nach Publikationen oder Vorträgen anderer Autoren entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher weder gesamt noch in Teilen einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.

______Ort, Datum Unterschrift Inhaltsverzeichnis

I. Kunst, Medien und Zugang zur Welt ...... 2

II. Zum methodischen Vorgehen ...... 4

III. Zur Konkurrenz um die Imagination ...... 5

IV. Zum Prinzip der Offenheit ...... 8

V. Zum Prinzip der Unbestimmtheit und Leerstelle ...... 10

V.1. Formen der Leerstelle im audiovisuellen Erzählen ...... 18

VI. Partizipation statt Reproduktion ...... 22

VI.1. Serien als Kunstform des Fernsehens? ...... 22

VI.2. Zu Fargo ...... 26

VI.3. Offenheit, Leerstellen und Unbestimmtheit in Fargo Staffel 3 ...... 29

VI.4. Ergebnisse ...... 48

VII. Fazit ...... 49

VIII.Literatur- und Medienverzeichnis ...... 52 I. Kunst, Medien und Zugang zur Welt

Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit waren Überlegungen zum Verhältnis von Kunst und Medien, speziell dem Verhältnis von Kunst und dem Massenmedium Fernsehen. Dieses Verhältnis wurde und wird im gesellschaftlichen Diskurs häufig negativ bestimmt. Fernsehen gilt als Medium ohne Kunst, wenn nicht sogar als Antikunst (vgl. Daniels 2002: 241). Als Massenmedium per se scheint es keinen Platz für die Idee einer künstlerischen Avantgarde zu lassen.1 Vor allem mit der Einführung des Privatfernsehens in Europa schien der Konflikt zwischen Kommerz und Kultur eindeutig entschieden zu sein: „Die Einschaltquote wird damit zum einzigen Kriterium für Erfolg oder Scheitern, und die spricht von Anfang an für die Kommerzialisierung“ (Daniels 2004 a: 1). Auch vom Standpunkt der Künste aus wurde das Fernsehen als ein hoffnungsloses Medium betrachtet:

„Das effizienteste Reproduktions- und Distributionsmedium der Menschheitsgeschichte hat im zurückliegenden halben Jahrhundert kaum etwas ausgebildet, was als eine dem Medium eigene Kunstform bezeichnet werden könnte.“ (Daniels 2002: 242)

Gegenüber dieser negativen Verhältnisbestimmung gibt es jedoch Positionen, welche die Beziehung zwischen Kunst und Medien von Anfang an als ein Verhältnis von Interferenz und Interaktion beschreiben. Audio-visuelle Medien besetzten zwar „stückweise ein Gebiet der menschlichen Wahrnehmung, das zuvor ausschließlich den klassischen Künsten und ihren verschiedenen Gattungen (Malerei, Musik, Theater) reserviert war“ (Daniels 2004 a: 1),

1 In den 1960er Jahren wird das Fernsehen zum weltweit beherrschenden Medium der Masse, dessen meinungsbildender Einfluss schnell die Presse und das Radio übertrumpft (vgl. Daniels 2002: 241). Zeitgleich entsteht der Begriff des „Massenmediums“, welcher Presse, Radio und Film zwar mit einschließt, doch es scheint als würde „nur das Fernsehen […] als Synthese von deren Wirkungen den Begriff umfassend […] verkörpern“ (ebd.: 241). Der noch heute gängige Begriff hat dabei eine tendenziell negative Konnotation, wobei er an sich nur aussagt, dass sich das Medium an eine anonyme, heterogene Masse richtet (vgl. Mikos 2008: 21).

!2 von 55! doch führen diese Prozesse gerade nicht zum Verschwinden der einzelnen künstlerischen Gattungen, sondern zur Entwicklung neuer künstlerischer Positionen in

Auseinandersetzung mit einer fortschreitenden Medientechnik.2 Spitzt man diese Gedanken weiter zu, lässt sich die These in den Raum stellen, dass alle moderne Kunst auch Medienkunst ist „weil sie sich, positiv oder negativ, in Beziehung zu den Medien und der von ihnen geformten Weltsicht definiert“ (Daniels 2002: 166). Audio-visuelle Medien sind heute Teil von Welt, mit welcher sich Kunst auseinander setzt; Sie sind heute auch Medien mit und in denen Künstler*innen ihre Auseinandersetzung mit Welt gestalten und transportieren.3 Fotografie, Film und Video, Ton und Musik, digitale und interaktive Medien haben unbestreitbar einen großen Einfluss auf die Bildende Kunst der Gegenwart, aber welche Rolle spielt das Fernsehen? Beispiele dafür, wie Fernsehen als Teil unserer Welt, besonders auch sein Einfluss auf unsere Sicht der Welt, künstlerisch reflektiert wird, lassen sich finden, aber lässt sich das Fernsehen auch als künstlerisches Ausdrucksmittel nutzen?4

Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, ist es nötig, neue Fragen und auch alte Fragen neu zu stellen: Was ist ein Kunstwerk? Was macht eine Fotografie oder einen Film zum Kunstwerk? Gibt es ästhetische Kriterien, die sich nicht nur auf die klassischen Gattungen der Kunst, sondern auch auf sogenannte Medienkunst anwenden lassen? Auch auf das Fernsehen? Es ist keine Frage, dass sich in der Auseinandersetzung mit einer veränderten Kunstpraxis auch die Theorien der Künste verändern.

2 So kann z.B. in der Malerei die Entwicklung von Impressionismus, Kubismus und Surrealismus als Antwort-Versuche auf die mit der Erfindung der Fotografie neu entstandenen ästhetischen Fragen verstanden werden (vgl. Daniels 2004 a: 1).

3 Wenn Marshall McLuhan davon ausgeht, dass Medien die Art und Weise der Weltwahrnehmung bestimmen, spricht er diesen also ein klassisches Merkmal der Kunst zu.

4 Künstler*innen treten im Fernsehen auf, machen das Fernsehen zum Inhalt ihrer Kunstwerke und arbeiten mit dem Fernseh-Gerät, doch gibt es auch eine televisuelle Ästhetik und eigene Kunstformen des Fernsehens?

!3 von 55! In Worten Paul Valérys (1934):

„Man muss sich darauf gefasst machen, daß so große Neuerungen die gesamte Technik der Künste verändern, dadurch die Invention selbst beeinflussen und schließlich vielleicht dazu gelangen werden, den Begriff der Kunst selbst auf die zauberhafteste Art zu verändern.“5

Welche Theorien der Kunst gibt es heute, die eine Beurteilung audiovisueller Medien unter ästhetischen Gesichtspunkten erlauben? Mit welchen Konzepten arbeiten sie? Welche Beurteilungs-Kriterien entwickeln sie? Und welche Erkenntnisse bringt ihre Anwendung bei der Analyse einer gegenwärtigen Fernsehserie?

II. Zum methodischen Vorgehen

Diese Arbeit ist in ihrem ersten Teil als Literaturarbeit und in ihrem zweiten Teil als Serienanalyse konzipiert.

Aus der Perspektive ausgewählter medientheoretischer Literatur soll zunächst der

Beginn des Diskurses um Kunst und Massenmedien historisch verortet werden.6 Wie dieser Diskurs unter Einbeziehung wesentlicher Prämissen der Rezeptionsästhetik medientheoretisch weitergeführt wurde, soll dann im Überblick skizziert werden.

Serien gelten schon lange als „genuine Form televisuellen Erzählens“ (Dablé 2012: 193) und stellen eventuell sogar eine eigene Kunstform des Fernsehens dar. Deshalb soll im zweiten Teil dieser Arbeit eine aktuelle Fernsehserie auf Kategorien der Leerstelle, wie sie Dablé für das audiovisuelle Erzählen entwickelt hat, untersucht werden.

5 Walter Benjamin stellt dieses Zitat seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit“ (1936) voran.

6 Bei der hier besprochenen Literatur handelt es sich primär um: Dieter Daniels (2004 a; 2004 b; 2003; 2002), Dorothee Kimmich (2003), Lothar Mikos (2008; 2001 a; 2001 b) und Nadine Dablé (2012).

!4 von 55! Doch zuvor stellt sich noch die Frage nach der Relevanz. Welchen Mehrwert hat es, eine Fernsehserie als ein potenzielles Kunstwerk zu betrachten? Denn „zu sagen, dass ein Gegenstand kein Kunstwerk ist, heißt keineswegs, ihm auch andere Arten von Leistungen und Qualität abzusprechen. […] Der Kunstbegriff greift vielmehr eine spezifische Art von Leistung heraus, die keineswegs mit anderen Leistungen konkurriert“ (Feige 2015: 137). Das Fernsehen wird also nicht allein dadurch qualitativ besser, dass es als Kunst verstanden wird. Wenn man versucht, mit dem Konzept der Leerstelle eine ästhetische Qualität in einer Fernsehserie zu verorten, geht es im Kern darum, inwiefern Fernsehen die Partizipation der Zuschauer*innen im Prozess der Rezeption ermöglicht. Ein Individuum, dass über ein Medienprodukt und sich selbst als Rezipient*in dieses reflektieren kann, wird zum Subjekt seiner/ihrer eigenen Bildung. Die Bedingungen dafür liegen nicht nur im Individuum, sondern auch im Medium und seinen Inhalten.

III. Zur Konkurrenz um die Imagination

In den hier folgenden theoretischen Auseinandersetzungen zum Verhältnis von Kunst und Medien findet sich immer wieder das Motiv der „Konkurrenz von Medien und Künsten um die Imagination“ (Daniels 2002: 177).7

„Erstmals tritt die Situation, dass ein technisches Medium in Konkurrenz zu einem bis dahin den Künsten reservierten Bereich der Weltdarstellung steht, mit der Erfindung der Fotografie auf“ (ebd.: 160). Der französische Schriftsteller Charles-Pierre Baudelaire erlebt 1839 als junger Erwachsener den Anfang einer Fotobegeisterung, die mit der Veröffentlichung von Daguerres Verfahren der Fotografie beginnt und im Laufe der Zeit zunehmend breitere Bevölkerungsschichten erfasst.

7 In der Darstellung des Folgenden beziehe ich mich auf Dieter Daniels (2002) „Kunst als Sendung. Von der Telegrafie zum Internet.“ Daniels untersucht die Wechselwirkung zwischen Medien und Künsten, indem er zunächst in einer Chronologie der Medienentwicklung an ausgewählten Beispielen technischer Entwicklungen die „wechselseitige Bedingtheit und strukturelle Verwandtschaft von Medientechnik und Kunst“ aufzeigt und sodann diese Medienwicklung aus der Perspektive der Ästhetik als Wahrnehmung und Kunst mit den „Theoriebildungen der Moderne“ in Verbindung bringt (Daniels 2002: 9).

!5 von 55! Baudelaire entwickelt sich zu einem ersten vehementen Kritikers dieses Massenmediums. 1859 verfasst er eine Besprechung des Pariser Salons, der zum ersten mal Fotografie in Verbindung mit Malerei und Skulptur ausstellt (vgl. Daniels 2002: 162). In dieser polemisiert Baudelaire heftig gegen die Fotografie. Er verweist auf den Unterschied zwischen technisch korrekter Wiedergabe des Mediums und den mental erzeugten Bildern der Kunst. Für ihn führt die Fotografie mit ihrem „Anspruch, an die Stelle der Realität zu treten“ und ihrer „daraus resultierenden Massenwirkung“ zur Industrialisierung der Imagination (ebd.: 167). Die „Überfülle an Details“ lässt den Betrachter*innen keinen Raum mehr „das Bild selbst zu vervollständigen“ und sich um die „eigene Erinnerungs- und Imaginationsfähigkeit zu bemühen“ (ebd.: 167). Daniels weist darauf hin, dass Baudelaire den Begriff der Moderne zunächst eindeutig negativ verwendet und bezeichnet Baudelaires erste Reaktionen auf das neue Medium Fotografie als „antimodern“ und „antidemokratisch“ (ebd.:163).

Erst in einem zweiten Schritt entwickelt Baudelaire sein Konzept der „modernité“, in dem der Begriff nun positiv zur Beschreibung eines neuen künstlerischen Weltverständnisses verwendet wird (vgl. ebd.: 163). Erwähnenswert, dass Baudelaire als Schriftsteller dieses Selbstverständnis nicht genuin aus der Literatur, sondern aus der Kritik an der Fotografie entwickelt (vgl. ebd.: 164). Mit Bezug auf Gérald Froideveaux (1989) hält Daniels fest: „Eine der fundamentalen Entdeckung Baudelaires besteht in der Tatsache, dass die Kunst von nun an nicht mehr Expression von Welt, sondern Vision der Welt ist“. Und ergänzt: „Dabei ist ‚Vision‘ im französischen Wortsinn sowohl als Beobachtung als auch als davon ausgehende Imagination zu verstehen, ja gerade im Wechselspiel zwischen diesen Bedeutungen liegt das entscheidende Moment“ (ebd.: 164). Allerdings bleibt Baudelaire dabei, dass die Realisten keine Beobachter sind. Deshalb schließt für ihn das technische Bild der Realität die Partizipationsleistung der Rezipienten aus (vgl. ebd.: 168).

!6 von 55! Diese Vorstellung, dass „medientechnisch erzeugte und industriell vermarktete Inhalte“ die menschliche Imagination vollständig besetzten, sehen später auch Max Horkheimer und Theodor W. Adorno 1944 mit dem Tonfilm bestätigt (Daniels 2002: 179). Dieser lässt ihrer Ansicht nach „der Fantasie und dem Gedanken der Zuschauer keine Dimensionen mehr übrig“ (ebd.: 179). Das Fernsehen treibt dies These 10 Jahre später auf den Höhepunkt. Adorno spricht von einer vollständigen „Verdrängung der Imagination“ (ebd.: 179).

Obwohl Walter Benjamin die Texte Baudelaires übersetzte und eine enge Freundschaft zu Theodor Adorno pflegte, kommt er in seinem Aufsatz „Kleine Geschichte der Fotografie“ (1931) und später in "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" (1936) zu einer anderen Beurteilung der neu aufkommenden audiovisuellen Massenmedien Musik, Fotografie und Film. Walter Benjamins Theorie der Fotografie dreht Baudelaires Thesen komplett um:

„Die Verschränkung von Moment und Ewigkeit, die laut Baudelaire die aktive Beteiligung der Imagination des Betrachters erfordert und darum von einem technischen Bild niemals erreicht werden kann, macht Benjamin seinerseits zum Wesensmerkmal der Fotografie.“ (Daniels 2002: 169)

Das Erfassen von Welt, das nach Baudelaire immer die Aufgabe des Künstlers oder der Künstlerin war, „wird für Benjamin zur Leistung des Betrachters gegenüber ihrer technischen Reproduktion“ (ebd.: 169).

!7 von 55! IV. Zum Prinzip der Offenheit

„Partizipation als Rezeption“ (Daniels 2003: 58) gilt für Daniels als Leitmotiv der Moderne und zwar in einer Epoche, in der die Kunst technische Medien noch nicht als Ausdrucksmittel verwendet. Die Anwendungen der neuen Techniken in der Medienkunst stellt für ihn also eine neue Dimension der Partizipation der Betrachter*innen her. Besonders zwei Künstler sieht er am Anfang dieser Entwicklung als wegweisend (vgl. ebd.: 58): Komponist und Künstler John Cage, sowie der bildende Künstler und die Koryphäe der Videokunst Nam June Paik.

„John Cage hat in seinen Kompositionen seit 1951 der durch Zufall gesteuerten Unbestimmtheit eine zentrale Rolle eingeräumt und beginnt zur gleichen Zeit, Tonbänder und Radioapparate für seine Musik einzusetzen.“ (Daniels 2003: 18)

Daniels bezeichnet Cages Kompositionen als „die ersten völlig ‚offenen Kunstwerke‘“ (Daniels 2003: 59) welche er Anfang der fünfziger Jahre, also schon bevor Umberto Eco 1958 mit diesem Begriff seine kunsttheoretischen Überlegungen bündelte, veröffentlicht. Umberto Eco orientiert sich in seinem Modell des offenen Kunstwerks zwar an der Neuen Musik, auf John Cages Ansätze kommt er jedoch nicht explizit zu sprechen. Trotzdem gilt seine Aufsatzsammlung „Das offene Kunstwerk“ (1962) als eine der maßgebenden Arbeiten zur modernen Ästhetik. Eco stellt darin einen neuen kunsttheoretischen Ansatz vor, welcher eine neue Art der Kunstinterpretation bzw. - rezeption vorsieht. Grundlage für seine Theorie ist die Idee eines „offenen Kunstwerkes“, welches die Mehrdeutigkeit aller Kunstwerke voraussetzt. Offenheit versteht Eco als Möglichkeit einer wechselseitigen Kommunikation zwischen Betrachter und Kunstwerk. So führt erst die Beteiligung der Rezipient*innen zur vollständigen Generierung eines Kunstwerks (vgl. Schalk 2002: 1). „Moderne Kunstwerke transportieren keinen eindeutigen ‚Sinn‘, der vom Rezipienten lediglich passiv aufgenommen wird, sondern gewinnen in jeder Interpretation eine je eigene ‚Bedeutung‘“ (ebd.: 1).

!8 von 55! Offenheit ist für ihn also Auslöser für die „Beteiligung des Rezipienten an der Generierung des Kunstwerkes“ und eine „zentrale ästhetische Kategorie der modernen Kunst“ (Schalk 2002: 1). So gewinnen nach seinem Verständnis Kunstwerke in und durch jede Interpretation ihre Bedeutung und sollen nicht eine eindeutige, unabdingbare Botschaft vermitteln. „Für Eco […] bietet die Kunst das Modell einer selbstbestimmten Alternative zur Fremdbestimmtheit durch die Macht der Medien“ (Daniels 2004 a: 2).

„Die Konsequenz aus der Praxis von Cage und der Theorie von Umberto Eco finden sich in Nam June Paiks ‚Participation TV‘ von 1963, mit der er dem TV- Zuschauer die Möglichkeit zum aktiven Eingriff in das elektronische Bild geben will, und zwar zu einer Zeit, als nur ein Fernsehkanal das Programm bestimmt.“ (Daniels 2002: 171)

Die Fluxusbewegung, für die Cage als Anreger diente und welche sich in ihrem kollektiven (Kunst-)Verständnis auf die zwei Aspekte der „Internationalität und Intermedialität“ (Daniels 2003: 19) beruft, wird Inspirationsquelle für Nam June Paik. „Als koreanischer Musiker findet er in Deutschland über die Neue Musik zum elektronischen Bild, um dann in den USA zur zentralen Figur der Videokunst zu werden“ (ebd.: 19). Nachdem er zunächst noch mit der Modifizierung von TV-Geräten arbeitet, ermöglicht das Aufkommen der ersten Videogeräte um 1965 selbst elektronische Bewegtbilder zu produzieren (vgl. Daniels 2003: 19). Damit entsteht die prinzipielle Möglichkeit der „Teilhabe der Künstler an dem Potenzial des Massenmediums Fernsehen“ (ebd.: 19).

Die Frage, ob und ggf. wie Künstler*innen das Fernsehen oder zumindest einzelnen Formen des Fernsehens verändern, soll jedoch in dieser Arbeit nicht vorrangig verfolgt werden, vielmehr sollen Möglichkeiten der Teilhabe der Rezipient*innen im Sinne einer partizipativen Rezeption aufgezeigt werden.

!9 von 55! V. Zum Prinzip der Unbestimmtheit und Leerstelle

Als offenes Kunstwerk erfordert das moderne Kunstwerk

„also eine konstituierende Leistung des Betrachters, deshalb kann es nicht zu einer völligen Deckung von Intention des Künstlers und Rezeption des Betrachters kommen. Doch auch die Aufzeichnung der Realität durch ein technisches Medium führt nie zu hundertprozentiger Objektivität, denn sie lässt ebenso eine Lücke, die von der Imagination des Rezipienten gefüllt werden kann.“ (Daniels 2002: 169)

An dieser Lücke des Nicht-Gesagten und Nicht-Dargestellten setzt die Rezeptionsästhetik mit ihren Überlegungen und Ausführungen an und entwickelt die Begriffe Leerstelle und Unbestimmtheit.8

Schon 1930 hat Philosoph Roman Ingarden den Begriff der Unbestimmtheitsstelle for- muliert. Er erkennt den Zusammenhang von „Erzählschichten und Rezeptionsspielraum“ (Neuß 2002: 1) und stellt diesen 1931 in seinem Buch „Das literarische Kunstwerk“ dar. Ingarden versteht literarische Texte als schematische, mehrschichtige Gebilde, die (selbst) nicht vollständig sondern nur in bestimmten Aspekten ausformuliert sind:

"Es ist nämlich nicht möglich, mit Hilfe einer endlichen Zahl Wörter, bzw. Sätze auf eindeutige und erschöpfende Weise die unendliche Mannigfaltigkeit der Bestimmtheiten der individuellen, im Werk dargestellten Gegenstände festzulegen; immer müssen irgendwelche Bestimmtheiten fehlen.“ (Ingarden 1975: 45 zit. n. Neuß 2002: 1)

8 Mikos weist darauf hin, dass es keine genaue Definition der Rezeptionsästhetik gibt. Untrennbar verbunden ist das Konzept jedoch mit der sog. Konstanzer Schule der Literaturwissenschaften. Allen rezeptionsästhetischen Ansätzen ist aber gemein, dass den Leser*innen, Betrachter*innen, Zuschauer*innen und dem Publikum eine wesentliche bedeutungsschaffende Rolle im ästhetischen Prozess zugeschrieben wird (vgl. Mikos 2001: 15)

!10 von ! 55 "Die Seite oder Stelle des dargestellten Gegenstands, von der man auf Grund des Textes nicht genau wissen kann, wie der betreffende Gegenstand bestimmt ist“ nennt Ingarden „eine ‘Unbestimmtheitsstelle’" (Ingarden 1975: 44 zit, n. Neuß 2002: 1). So sind es nach ihm die Lerser*innen, die den Text durch das Füllen oder Auslassen von Unbestimmtheitsstellen (re-)konstruiert.

In seinem Werk "Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung“ (1984) orientiert sich Wolfgang Iser an Ingardens Konzept zur Interaktion von Leser*in und Text. In seinem Konzept der Leerstelle spitzt Iser diese Überlegungen zu, indem er Lücken nicht nur als Merkmal des Textes, sondern grundsätzlicher, als Wirkungsbedingung literarischer Texte versteht (vgl. Neuß 2002: 1). Das Werk selbst ist für ihn nicht bedeutungstragend, „die Sinnkonstitution des Textes [wird] zu einer unverkennbaren Aktivität des Lesers“ (Iser 1972: 7). Für diese sinnkonstituierende Aktivität bietet der Text dem Leser Spielraum in den von Iser sog. Leerstellen, in denen sich die „Appellstruktur des Textes“ manifestiert (vgl. Neuß 2002: 2). Hierbei erfolgt eine Anweisung zu „Konkretisation“9 , die “zwar von den Strukturen des Textes gelenkt, aber von ihnen nicht vollkommen kontrolliert“ wird (Iser 1976: 45). Iser legt also seinem literaturwissenschaftlichen Konzept ein interaktives Kommunikations-Modell zugrunde, indem er das von Umberto Eco (1987) eingeführte Konzept des impliziten Lesers aufgreift. Der implizite Leser ist hierbei jedoch nicht als realer Leser zu verstehen, sondern beschreibt eine kategoriale Rolle in einem theoretischen Konstrukt (vgl. Juhnke 2011 mit Bezug auf Iser 1976).

Wolfgang Kemp überträgt rezeptionsästhetische Ansätze aus der Literaturwissenschaft auf die bildenden bzw. gestaltenden Künste. Er setzt also den Text mit dem Bild gleich.

„Das Kunstwerk erhebt den Anspruch auf Kohärenz - das macht seine ,Leerstellen’ (Hervorh. im Orig.), zu wichtigen Gelenkstellen oder Auslösern der Sinnkonstitution. Für Texte gesprochen, aber auf Bilder leicht

9 Konkretisation ist ein Neologismus Ingardens und meint in dieser Arbeit immer seine Bezeichnung für das von der Textstruktur und dem Bewusstsein des Lesers abhängige Hervorbringung, bzw. Realisieren eines ästhetischen Werkes.

!11 von 55! übertragbar, heißt das: Die Leerstellen ‚funktionieren als die ,gedachten Scharniere‘ (Hervorh. im Orig.) der Darstellungsperspektiven und erweisen sich damit als Bedingungen der jeweiligen Anschließbarkeit der Textsegmente aneinander. Indem die Leerstellen eine ausgesparte Beziehung anzeigen, geben sie die Beziehbarkeit der bezeichneten Positionen für die Vorstellungsakte des Lesers frei; sie ,verschwinden’ (Hervorh. im Orig.), wenn eine solche Beziehung vorgestellt wird.’ Sie können als ‚eine elementare Matrix für die Interaktion von Text und Leser gelten‘.“ (Kemp 1986: 254f.; mit Zitaten aus Iser 1976: 283f.)

Auch Literaturwissenschaftlerin Dorothee Kimmich übernimmt wie Kemp die Leerstelle als visuelle Metapher für ihre Überlegungen zur Bildlichkeit der Leerstelle in den frühen Filmtheorien. In „Die Bildlichkeit der Leerstelle. Bemerkungen zur Leerstellenkonzeption in der frühen Filmtheorie“ (2003) untersucht sie, inwieweit das Konzept der Leerstelle im Film und seiner Ästhetik auftaucht bzw. in filmtheoretischen Ansätzen thematisiert wird. Kimmich möchte diesen Ansatz aus der Literaturwissenschaft, welchen sie von Wolfgang Isler und Hans Robert Jauß übernimmt und mit den Worten Wolfgang Isers (1976) als „Umspringen des Blickpunktes“, als ein Kippen des Zuschauerblickes beschreibt, auf den Film anwenden (vgl. Kimmich 2003: 2). Diese Anwendbarkeit des Leerstellenkonzeptes untersucht sie mithilfe von Texten früher Filmtheoretiker wie Sergej Eisenstein , Béla Balàzs, Siegfried Kracauer und anderen. Sie stellt die These auf, „dass ‚Leerstellen‘, ‚Nullpositionen’ oder ‚Unbestimmtheitsstellen‘ wie Roman Ingarden es nannte, eines der wichtigsten Elemente moderner Filmtheorien darstellen“ (ebd.: 3), stellt aber fest, dass das Konzept der Leerstelle in der Filmtheorie nicht eindeutig definiert wird. Seine Ausgestaltung ist abhängig von der übergeordneten Perspektive. Je nachdem, ob es „etwa im Rahmen assoziationspsychologischer Ansätze, wirkungsästhetischer Überlegungen, politisch- aufklärerischer oder propagandistischer Vorhaben und auch im Zusammenhang der ästhetischen Avantgarde-Theorie“ (Kimmich 2003: 3) rezipiert wird, erfährt das

!12 von ! 55 Leerstellenkonzept spezifische Ausformungen und werden der Leerstelle unterschiedliche Funktionen zugeschrieben. Eine Besonderheit in der von ihr befragten frühen Filmtheorie sieht Kimmich darin, dass die Anregungsmomente für die Rezeptionsleistung der Zuschauer*innen nicht aus den Inhalten, sondern aus der filmischen Ästhetik, und hier speziell dem filmischen Gestaltungsmittel des Schnitts und der Montage, abgeleitet werden. Die „Idee der Montage, des Schnittes und der individuellen Konkretisation durch den Zuschauer in der frühen Filmästhetik“ (Kimmich 2003: 11) ist deckungsgleich zum Konzept der Leerstelle.

Im Folgenden sollen einzelne Beobachtungen Kimmichs herausgegriffen werden, von denen Anregungen für die Untersuchung von Leerstellen in der Fernsehserie zu erwarten sind.

In seinem Text zur „Montage der Attraktionen“ (1924) bezeichnet Sergej Eisenstein die Zuschauer*innen als „Grundstoff“ des Filmes (vgl. Kimmich 2003: 6 f.). Mit diesem „Grundstoff“ arbeitet der Film, indem er versucht, in der Psyche der Zuschauer*innen Assoziationen hervorzurufen und vertraut so auf die Fähigkeit der Rezipient*innen montierte Einstellungen, die eventuell nichts oder wenig miteinander zu tun haben, in einen Zusammenhang zu stellen und zu verbinden:

„Daher besteht die Aufgabe des Regisseurs darin, eine Szene so zu montieren, daß der Affekt als Ergebnis der Assoziationen des Zuschauers und zwar im Zuschauer entsteht. Diese Assoziationen setzen genau dort an, wo nichts gezeigt wird: an der Leerstelle zwischen den verschiedenen Bildern.“ (Kimmich 2003: 7)

Nach Eisenstein ist also die Montage das wesentliche „wirkungsästhetische[…] Mittel, das die Rezeption von Filmen als einen kreativen, rationalen und emotiven Akt zugleich versteht“ (ebd.: 9).

!13 von ! 55 Béla Balàzs variiert Eisensteins Konzept zur Beziehung von Montage und Assoziation. Er spricht von der „Assoziations- und Deutungswirkung der Bildnachbarschaft“ und vom „Beziehungsstrom“ (Balàzs 1972: 141 zit. nach Kimmich 2003: 12). Damit betont er, dass nicht „einzelne Bilder“, sondern erst die „Beziehungen zwischen den einzelnen Bildern, die Bedeutung und Sinn schaffen“ eine Deutungsmöglichkeit ergeben (Kimmich 2003: 12f.). Er spricht der Form der Montage Qualität zu, die für die Rezipient*innen etwas erfahrbar macht, was in den Bildern selbst nicht zu sehen ist, weil es im Zwischenraum der Bilder ungezeigt bleibt.

„Die Bilder sollen nicht Gedanken bedeuten, sondern sie sollen Gedanken gestalten und bewirken, Gedanken also, die nur als Folgerungen entstehen und nicht als Symbole, als Ideogramme […].“ (Balàzs 1972: 138 zit. nach Kimmich 2003: 12.)

Viktor Schklovskij schreibt Eisensteins Filmen eine „aufklärerischen Wirkung von Verfremdung“ zu, die gerade darin entsteht, dass diese Filme durch ihre Montage „stereotype, standardisierte oder heteronome Wahrnehmungsmuster“ aufbrechen (Kimmich 2003: 14). Ganz nach dem Konzept der Leerstelle wird den Zuschauer*innen so eine individuelle Wahrnehmung und Rezeption eröffnet. „Hier ist das Konzept der Montage als Möglichkeit einer Revolution der Sehgewohnheiten, als Provokation von Alltagswissen gedacht“ (ebd.: 14).

Nach Kimmich kommt Siegfried Kracauer im Rahmen seiner Wahrnehmungs- und Erkenntnistheorie nach anfänglich kritischer Einstellung zu einer Wertschätzung der neuen Medien Fotografie und Film. Gegenüber einer alltäglichen, in pragmatischer Absicht ausgeführten Wahrnehmung der Welt, die sich letztendlich als Fiktion herausstellt, gelingt es diesen modernen Medien, „die Komplexität und Kontingenz von ‚Realität‘ in ihrem ganzen irritierenden Ausmaß zur Darstellung zu bringen“ (ebd.: 15).

!14 von ! 55 Für Kracauer besteht die besondere Leistung eines guten Filmes eben darin, Handlungen und Sachverhalte nicht zu verdichten, sondern auszuweiten, zu vervielfältigen und zu erweitern, durch das „‚überschüssige(n)’ Material, das die Filmbilder transportieren“ (Kimmich 2003: 15).

„Hier handelt es sich also nicht um eine Leerstellenkonzeption im Sinne einer Lücke, sondern im Sinne einer Überdetermination, einer Art Überschuß an Assoziationsangeboten in der Bilderfolge, die für den Zuschauer nutzbar sind, weil sie nicht direkt in die Handlungsmotivation eingebunden sind und gerade auf diese Weise an verschiedene individuelle Kontexte anschließbar sind.“ (Kimmich 2003: 15 f.)

Kimmichs Aufsatz ist für diese Arbeit also insofern von Bedeutung, dass sie mit der Verortung der Leerstelle in der Filmtheorie dem Medium Film ein wichtiges Qualitätsmerkmal der Kunst zuschreibt. Wenn später im Analyseteil dieser Arbeit gezeigt werden kann, wie Leerstellenkonzepte in einer Fernsehserie Anwendung finden, dann ist zumindest teilweise eine Beantwortung der Frage zu erhoffen, ob sich im Medium des Fernsehens, speziell mit der TV-Serie, eine eigene Kunstform etabliert hat. Ob dann „gutes Fernsehen“, genauso wie „gute Filme“, sich dadurch auszeichnet, dass es für die Zuschauer*innen eine aufklärerische Funktion übernimmt, „indem […] [es] einen neuen Blick auf die Welt, die Dinge und den Menschen provozier[t]“ (Kimmich 2003: 1), soll im Fazit der Arbeit bedacht werden.

Neben den Literatur- und Kunstwissenschaften verändert sich die Idee des Rezipient*innen-Verhältnisses also auch in den Film- und Medienwissenschaften und akzentuiert die Rolle der aktiven Rezipient*innen.

Lothar Mikos ist im Kontext dieser Arbeit erwähnenswert, da er den Ansatz der Rezeptionsästhetik ganz explizit in die Fernsehanalyse mit einbringt und dabei zu einer Rezeptionsästhetik des Fernsehens weiterentwickelt.

!15 von ! 55 Auch hier findet sich der immer wieder variierte Grundsatz: „Fernsehen und auch andere Medien der Populärkultur erlangen ihre Bedeutung erst durch die Aktivitäten der Nutzer, sie realisieren sich erst im Gebrauch“ (Mikos 2001 b: 12).

Der Mediensoziologe betont die Eingebundenheit der Interaktion von audiovisuellem Text und Zuschauer*in in soziale, gesellschaftliche und politische Diskurse und Kontexte und plädiert für die Berücksichtigung der Cultural Studies in einer Rezeptionsästhetik des Films und ausdrücklich auch des Fernsehens. Besonders für ein rezeptionsästhetisches Betrachten des Kommunikationsmediums Fernsehen werden diese Kontexte unverzichtbar:

„Denn die Rezeption des Fernsehens ist stärker als die Filmrezeption in die soziokulturelle Praxis und die alltäglichen, kulturellen Diskurse eingebettet, denen die Zuschauer verhaftet sind. Es wird deutlich, dass die Text-Zuschauer- Interaktion nicht unabhängig von diesen Kontexten gesehen werden kann.“ (Mikos 2001 a: 334)

Dieser Kommunikationsprozess von audivisuellem Text und Zuschauer*in kann auf zweifache Weise geschehen. Mikos unterscheidet zwischen „Rezeption“ und „Aneignung“ (vgl. Mikos 2008: 22).

„Mit der Rezeption ist die konkrete Zuwendung zu einem Film oder einer Fernsehsendung gemeint. In der Rezeption verschränken sich die Strukturen des Film- oder Fernsehtextes und die Bedeutungszuweisung sowie das Erleben durch die Zuschauer.“ (Mikos 2008: 22)

So sind es nach Mikos auch die Rezipient*innen, welche in bzw. durch ihre aktive Rezeption den zu rezipierenden Text erst erschafft, welcher „gewissermaßen die konkretisierte Bedeutung des ‚Originaltextes‘ darstellt“ (ebd.: 22). „Mit Aneignung ist dagegen die Übernahme des rezipierten Textes in den alltags- und lebensweltlichen Diskurs und die soziokulturelle Praxis der Zuschauer gemeint“ (ebd.: 22).

!16 von ! 55 Eine Fernsehsendung kann Interaktion und Handel der Rezipient*innen bestimmen, so zum Beispiel als Gesprächsstoff im Austausch mit ihren Mitmenschen. „Menschen benutzen Filme und Fernsehsendungen sowohl zur Gestaltung ihrer eigenen Identität als auch zur Gestaltung ihrer sozialen Beziehungen“ (Mikos 2008: 22). Mikos versteht die Konzepte von Rezeption und Aneignung nicht als zwei nacheinander ablaufende Prozesse, sondern als zwei theoretische Perspektiven im Blick auf die Handlungen der Zuschauer*innen. In seinem Aufsatz „Cultural Studies, Medienanalyse und Rezeptionsästhetik“ (2001) führt Mikos ein Zitat von Stephen Lowry an, dass diesen Zusammenhang prägnant zusammenfasst:

„Die Wirkung eines Films kann man als ein Angebot an Bedeutung, Zeichen, Gefühlsanregungen und Identifikationsmöglichkeiten begreifen, aus dem die Zuschauer und Zuschauerinnen ihr Filmerlebnis zusammensetzen und die sie zur Deutung ihrer Lebenswelt nutzen.“ (Lowry 1992: 123 zit. nach Mikos 2001 a: 331)

Aufgabe einer rezeptionsästhetischen Medienanalyse, die auf diese Bestimmungen aufbaut, ist es aufzuzeigen, „wie Texte auf das Wissen verschiedener Zuschauergruppen oder Publika hin geöffnet sind […]“ (Mikos 2001 a: 331). Mikos übernimmt hier das Leerstellenkonzept, spezifiziert es aber dann, indem er mit dem Rekurs auf das bewusste oder unbewusste Wissen - das die Zuschauer*innen in diese offenen Stellen einbringen können - über die konkrete Interaktion mit dem Text hinaus, die gesellschaftlichen und kulturellen Kontexte der Zuschauer*innen mit einbezieht.

!17 von ! 55 V.1. Formen der Leerstelle im audiovisuellen Erzählen

Unter dem Titel „Leerstellen Transmedial. Auslassungsphänomene als narrative Strategie in Film und Fernsehen“ veröffentlichte Nadine Dablé 2012 die Ergebnisse ihrer Dissertation. Wie Kimmich in ihrem Aufsatz skizziert, verortet auch Dablé ihr Konzept der Leerstelle zunächst in den literarischen Theorien zur Rezeptionsästhetik von Ingarden und Iser und nimmt Bezug auf das Kunstverständnis Umberto Ecos. Sie stellt die Aufnahme dieser Ansätze in der Kunstwissenschaft dar und kommt schließlich auf film- und fernsehtheoretische Leerstellenkonzepte zu sprechen. Dablé setzte sich so auch mit den von Kimmich genannten Positionen der frühen Filmtheorie auseinander und ergänzt diese mit neueren filmtheoretischen Konzepten von Jean-Pierre Oudart, Kristin Thompson und fernsehtheoretische Leerstellenreflexionen von Gerhard Eckert,

Raymond Williams, John Ellis, John Fiske und Jeremy Butler.10

Im Ergebnis ihrer sogenannten „quellenbezogene[n] Rekonstruktion der Kategorie Leerstelle“ kommt Dablé zu dem Schluss, „dass es sich dabei um ein supramediales Phänomen handelt, das nicht nur für die Literatur, sondern auch für das audiovisuelle Erzählen wesentlich ist“ (Dablé 2012: 111). Die von Ingarden und Iser konzipierten Kategorien der Unbestimmtheit und des Kontinuitätsbruches lassen sich also auch in medientheoretische Kontexte übersetzten. Dabei lässt sich die Kategorie der Unbestimmtheit nach Definition Isers unverändert beibehalten, wohingegen das Konzept der Kontinuitätsbrüche von Dablé in die Kategorien „Auslassung, Dekontextualisierung und Unterbrechung“ differenziert wird (ebd.: 111). Zusätzlich führt sie die Kategorie der Darstellungsleere ein, welche jegliche Art der „Nicht-Information“ beschreibt (ebd.: 111).

Im Folgenden sollen diese 5 Dimensionen der Leerstelle genauer vorgestellt werden, da im zweiten Teil dieser Arbeit untersucht werden soll, ob und in welcher Ausgestaltung sich diese Leerstellen-Kategorien in der 3. Staffel der Fernsehserie Fargo (2017) auffinden lassen.

10 Diese ergänzenden Konzepte sollen hier nicht im einzelnen aufgeführt werden, da dies den Umfang dieser Arbeit überschreiten würde.

!18 von ! 55 (Abbildung aus Dablé 2012: 145)

(1) Unbestimmtheit

Unbestimmtheit kann auf der Handlungsebene als narrative Leerstelle sowie auf der Darstellungsebene sowohl als akustische als auch visuelle Leerstelle auftauchen. Unbestimmtheitsstellen entstehen durch den Verzicht auf vollständige und umfassende Darstellungen in dramaturgischer Absicht.11 Es geht also um die „Partialität der gegeben Informationen“, um das Abstrakte, das in Teilen Gezeigte und das Weglassen „narrativ relevanter Aspekte“ (Dablé 2012: 113). So ist mit Unbestimmtheit also kein vollständiges Auslassen von Information gemeint, vielmehr soll das Gegebene den Anreiz schaffen, das Nichtgegebene zu konkretisieren (vgl. ebd.: 113).

(2) Auslassung

Während sich eine Unbestimmheitsstelle durch partielle Auslassungen und/oder abstrakte Darstellungen von Informationen definiert, bestimmt sich eine Auslassung

11 Audiovisuelle Darstellungen sind nie allumfassend, deshalb ist es wichtig, sich hier auf Unbestimmtheiten zu beschränken, die dramaturgische Relevanz besitzen (vgl. Dabé 2012: 112).

!19 von ! 55 durch das völlige Fehlen von Information (vgl. Dabé 2012: 122). Auch die Auslassung fordert eine imaginäre Vervollständigung der Narration heraus. Allerdings, so Dablé, sind Auslassungen nicht wie Unbestimmtheit simultan erkennbar, sondern zeigen sich häufig erst retrospektiv (vgl. ebd.: 122).

(3) Dekontextualisierung

Dekontextualisierung wird erkennbar durch „textimmanente Widersprüche, durch montagebedingte akustische bzw. visuelle Kollisionen, sowie durch Brüche im Plot, die die Zusammenhänge der aufeinander bezogenen Erzähleinheiten nicht rekonstruierbar werden lassen“ (ebd.: 129). Auch hier wird - wie bei der Auslassung - die räumliche und zeitliche Kontinuität gebrochen. Die Zuschauer*innen werden gefordert, widersprüchliche und irritierende Elemente selbst in einen Sinnzusammenhang zu bringen, da ihnen ein sinngebender Kontext verweigert wird (vgl. ebd.: 129).

(4) Unterbrechung

„Im Falle einer Unterbrechung handelt es sich um eine Leerstelle, die durch das Abbrechen einer Erzähleinheit entsteht, in der Regel, um sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen und fortzusetzen.“ (Dablé 2012: 134)

Diese Unterbrechung in der Kontinuität des Narrativs weckt in den Rezipient*innen das Bedürfnis, das Noch-Nicht-Gezeigte zu konkretisieren. Unterbrechungen spielen mit den Rezeptionserwartungen der Zuschauer*innen, da sie eigene Konkretisationen anregen, die sich auf Zukünftiges beziehen (vgl. ebd. 134).12 Die Rezipient*innen müssen „zwangsläufig Hypothesen entwickeln“ (ebd.: 135), welche sich in der fortlaufenden Handlung entweder bestätigen oder widerlegen.

12 Beim seriellen Erzählen kann Narration nicht nur innerhalb der erzählten Episode aussetzten, sondern auch bis zum Erscheinen der fortsetzenden Folge oder bis zum Beginn der neuen Staffel angehalten werden (vgl. Dabé:134).

!20 von ! 55 Dablé nennt in diesem Kontext auch das filmische Gestaltungsmittel der Parallelmontage (vgl. Dablé 2012: 136). Durch das Hin- und Herspringen, das sogenannte Cross-Cutting, zwischen zwei oder mehrere Handlungsstränge, können diese zwar miteinander in Verbindung gebracht werden, jedoch werden die parallel erzählten Handlungen bei jedem Schnitt aufs Neue unterbrochen und die Auflösung der einzelnen Szenen hinausgezögert.

(5) Darstellungsleere

Die Dimension der Darstellungsleere lässt „sich durch eine übermäßig ausführliche Darstellung, das extensive Vorführen von Informationsleere oder Redundanz charakterisieren“ (ebd.: 139). Durch ein permanentes Warten auf Aktion und Suchen von Bedeutung bleiben die Rezipient*innen aufmerksam. Gerade durch wiederkehrende, nicht variierende Motive, darstellungsleere Szenen und durch den Mangel an Orientierungsmöglichkeiten wird „die Aktivität der Zuschauer beim Rezeptionsprozess herausgefordert“ (ebd.: 140) und eine eigene Konkretisation motiviert.

Trotz der Herausarbeitung dieser einzelnen Kategorien von Leerstellen bleiben diese für Dablé immer in einen narrativen Gesamtzusammenhang eingebunden und stehen nicht für sich:

„Entsprechend ist das Schließen der Leerstelle nicht als ein statisches Auffüllen im Moment der Wahrnehmung des Fehlens zu denken, sondern vielmehr als ein dynamischer Prozess, der im Fortschreiten der Rezeption stattfindet, so dass die Distribution neuer Informationen das Revidieren oder Anpassen vorheriger Konkretisationen erfordern kann.“ (Dablé 2012: 112)

!21 von ! 55 VI. Partizipation statt Reproduktion

VI.1. Serien als Kunstform des Fernsehens?

Das Fernsehen umfasst eine Vielzahl an unterschiedlichen Erzählformen. Für diese Arbeit relevant sind jedoch die „ästhetische Produkte der Fernsehens, d.h. fiktionale Narrative, allen voran die Serien“ (Dabé 2012: 193). Da man „das Serielle“ als die wohl „genuine Form televisuellen Erzählens“ (ebd.: 193) verstehen kann, wird sie hier als Grundform des Fernsehens festgelegt.

Dass Leerstellen in ihrer Ausdifferenzierung auch für das Fernsehen ästhetisch relevant sein können, wurde im theoretischen Teil dieser Arbeit begründet und soll nun an einem Beispiel festgemacht werden. Nach einer kurzen soziohistorischen Einordnung des Formats Fernsehserie sollen exemplarisch der Einsatz und die Gestaltung von Leerstellen, Unbestimmtheit und Offenheit im televisuellen Erzählen, speziell in einer ausgewählten Fernsehserie, dargestellt werden.

„Serielle Erzählformen sind nicht erst aus dem Fernsehen bekannt, sondern auch aus Zeitungen, aus dem Radio und von Filmen. Dennoch haben sie im Fernsehe eine neue Blüte erlebt.“ (Mikos 2001 b: 227)

Denn serielles Erzählen passt in das Ökosystem Fernsehen - für das die Quote und ein berechenbares Zuschauerkontingent von großer Bedeutung ist - da „das Konzept der Fernsehserie ökonomisch gesehen eine langfristige Bindung an das Programm zu bewirken versucht“ (Schulz 2012: 63). So wurden lange Zeit Serien nach immer gleichen Mustern geschrieben und produziert, um über ihre Ausstrahlung im Massenmedium Fernsehen eine möglichst breite Masse anzusprechen. Doch aufwendige Fernsehserien scheiterten zunächst nicht primär an der Quote, sondern auch an hohen Produktionskosten (vgl. ebd.: 65).

!22 von ! 55 Mit David Lynch’s und Mark Frost’s Mysterie-Serie Twin Peaks gelingt 1990 der Beginn eines neuen seriellen Erzählens im Fernsehen.

„Der äußere Grund dafür war sicher der Übergang vom Free TV zu den Kabelsendern, schließlich auch andere Verfügbarkeiten bis hin zur DVD- Kollektion, was ein anderes, komplexeres Erzählen möglich machte. Ein innerer Grund aber ist wohl, dass die geschlossenen und linearen Erzählweisen von früher einfach nicht mehr genügen, um Faszination und Identifikation auszulösen.“ (Metz/Seeßlen 2017: 11)

Insbesondere eine Ausgestaltung der televisuellen Erzählung voller Mehrdeutigkeiten und mit Verweisen auf andere Geschichten (z.B. direkte und indirekte Zitate und Reminiszenzen auf Fernsehserien und Familienfilme der 1950er Jahre und den Film noir) hebt Twin Peaks von den vorherigen Serien ab.

„Das Serielle selbst wurde als Kunstform des Mediums entdeckt. Man erkannte, dass etwas zum Kult werden kann, das intelligent, anspruchsvoll und geheimnisvoll ist und die üblichen Klischees des Formats Serie, wenn überhaupt, nur ironisch benutzt“ (Metz/ Seeßlen 2017: 12).

Es ist also nicht verwunderlich, dass zeitgleich, der Begriff des Quality TV auftaucht. Dieser bezieht sich auf die „Entwicklungen im Fernsehen, die sich besonders an der neuen Serienkultur illustrieren lassen“ (Schulz 2012: 65).13

„Cardwell (2007) führt als Kriterien für qualitativ hochwertiges und gutes Fernsehen die von Christina Lane ausgearbeiteten Hauptmerkmale an. Die neuen Serien bedienen sich des Stilmittels der Ambiguität, das oftmals auf mehreren Handlungsebenen eingesetzt wird. Inhaltlich werden komplexe, anspruchsvolle Themengebiete wie Leben, Tod oder auch der Zusammenhang

13 „Laut dem Fernsehkritiker David Bianculli (2007) ist das jedoch keineswegs ein neues Phänomen. Bereits in den 1950ern gab es schon einige wenige Formate, die mit den Konventionen der standarisierten Serienproduktion brachen. Nur gab es noch nicht die heute vorherrschende Vielfalt und Masse derartiger Erzeugnisse.“ (Schulz 2012: 65)

!23 von ! 55 zwischen Körper und Geist ausgeschöpft. Dreidimensionale Charaktere fordern mentales Engagement vom Zuschauer, der sich auf den Inhalt konzentrieren muss, um die Handlung zu verstehen. Cardwell (2007) zieht daraus ebenfalls den Schluss, dass die neuen Serien wie Kunst-Filme aufgebaut sind. Der Zuschauer kann sich nicht mehr berieseln lassen, sondern muss Interpretationsarbeit leisten.“ (Schulz 2012: 66)

Die Erneuerung des Formats Serie spiegelt sich also u.a. in ihrer Wahl von „sozial, politisch und kulturell ‚erwachsenen‘ […] Themen“ wieder, sowie in ihrer Erzählweise, die der Handlung Raum lässt, sich „über einen längeren Zeitraum hinweg zu einer ‚epischen‘ Darstellung“ zu entwickeln, die mit „Ambiguität und Widersprüchlichkeit arbeitet“ und „historische Mythen dekonstruiert“ (Metz/ Seeßlen 2017: 12 f.).

Katharina Schulz schreibt in ihrem Aufsatz „Geschichte, Rezeption und Wandel der Fernsehserie“ über die US-amerikanische Fernsehserie Lost (2004-2010):

„Durch zahlreiche Anspielungen und Referenzen auf Literatur, Geschichte und Philosophie entsteht ein Universum, das sich nicht nur auf die unmittelbar in den Episoden gezeigte Handlung erstreckt, sondern darüber hinaus operiert und somit die Fantasie der Zuschauer anregt.“ (Schulz 2012: 68)

„Die Vielschichtigkeit des Erzählten involviert den Zuschauer von Anfang an und erfordert so seine gesamte Aufmerksamkeit“ (ebd.: 68). All diese „neuen“ Serien haben also eine „Appellstruktur“ gemeinsam, die das Publikum als aktive Rezipienten anspricht. Durch Widersprüche, unvollständige Referenzen und einen Überschuss an Verweisen erzeugen sie eine Unbestimmtheit, die den Zuschauern damit neue Möglichkeiten der Partizipation in der Rezeption bereitstellen.

Bezogen sich diese Anmerkungen vorrangig auf Veränderung von inhaltlichen und formalen Kriterien einer spezifischen Form televisueller Narration, so gilt es jetzt auch

!24 von ! 55 auf technische Veränderungen im Kontext des Mediums Fernsehen hinzuweisen, deren Entwicklung bis heute keineswegs abgeschlossen ist. Wie zuvor schon kurz erwähnt, scheiterten aufwendige Fernsehserien zunächst vor allem an zu hohen Produktionskosten. Das Aufkommen von Pay-TV Channels, wie HBO, FX oder Sky, die Verlagerung der Fernsehens ins Digitale durch neue technische Möglichkeiten wie Fernsehgeräte mir Internet Anschluss sowie selbst-produzierender Streamingplattformen wie Netflix und Co., ermöglichen nun kostenintensive Produktionen.

Auch das Rezipieren von Inhalten on-demand, also auf Abruf, zunächst durch DVD’s, später durch online Mediatheken und Streamingdienste, ermöglichen ein neues „Fern- Sehen“ (Mikos), dass besonders für serielle Bewegtbild-Formate von Bedeutung ist: Einzelne Episoden können z.B. wiederholt angesehen werden, jederzeit, auf verschiedenen Endgeräten und somit fast überall, d.h. auch in unterschiedlichen Situationen und Stimmungen. Der Zuschauer muss sich nun auch nicht mehr am die Reihenfolge der Episoden halten, er kann das „Ende" schon vor dem „Anfang“ erleben und den Fluss der Geschichte an beliebigen Stellen unterbrechen und wieder aufnehmen. Diese Entwicklung lässt es zu, komplexe Geschichten zu erzählen, denn komplexe Handlungen „provozieren“ ein mehrmaliges Ansehen.

„Serien werden nun nicht mehr unbedingt als Teil einer linearen Programmstruktur angeschaut, sondern dann, wenn man Lust darauf hat – manchmal auch mehrere Folgen oder eine ganze Staffel hintereinander weg.“ (Metz/ Seeßlen 2017: 11)

Dieses ständig wachsende Phänomen des "Binge Watching“, also das aufeinanderfolgende Schauen einer bestimmten Anzahl von Episoden, eignet sich sehr für Kurzformate und die sofortige Veröffentlichung ganzer Staffeln von Shows, was sich Netflix u.a. bei House of Cards (2013 - 2018) und Orange Is The New Black (2013 - 2019) zu nutzen macht.

!25 von ! 55 Diese Formatveränderungen (der Menge, Länge und Periodizität der Sendung) werden von erheblichen Variationen der Erzählformen begleitet. Während die typische Form von Serienerzählungen in den letzten zehn Jahren multilinear, komplex und verzweigt war und ihren Höhepunkt in Serien wie der oben schon angesprochenen TV-Serie Lost (2004-2010) erreichte, kann man heute eine deutliche Zunahme der Verbreitung unterschiedlicher Erzählmodelle beobachten (vgl. Innocenti/ Pescatore 2014: 3). So zum Beispiel die Anthologie- oder Episodenserie, zu der auch die hier besprochene Beispielserie Fargo zählt.

Es lässt sich also zusammenfassend festhalten:

„Nach einer kurzen Phase der Ungewissheit, während der nicht klar war, ob das Internet eine Konkurrenzstellung zum Fernsehen einnehmen oder es möglicherweise sogar ersetzen würde, erfolgte ein Zusammenschluss zwischen zwei Mediengiganten, die im Endeffekt voneinander profitieren. Die Fernsehserie zeichnet sich durch ihre Vielseitigkeit aus, die lange Zeit von den Spielregeln der Industrie unterschätzt wurde, und entfaltet sich in einer Symbiose von Fernsehen und Internet.“ (Schulz 2012: 69)

So haben aktuelle serielle Formate dem Fernsehen, so wie man es heute in all seinen Ausprägungen versteht, zu einem neuen Image verholfen und führen eventuell zu einem neuen Maß an kultureller Akzeptanz. Es „bildet eine modernisierte Instanz der täglichen Unterhaltung, die auf die Bedürfnisse der Rezipienten eingeht und auch in Zukunft darauf eingehen muss, um sie an sich zu binden“ (ebd.: 69).

VI.2. Zu Fargo

Fargo (2014 - 2017) ist eine Fernsehserie inspiriert vom gleichnamigen Film der Coen Brüder aus dem Jahr 1996, geschrieben von , in Zusammenarbeit mit weiteren (Drehbuch-)Autoren. Die Brüder Ethan und Joel Coen sind neben Hawley ausführende Produzenten.

!26 von ! 55 Die Serie mit aktuellen drei Staffeln funktioniert nach dem Anthologie-Prinzip. Alle Staffeln werden unter einem Seriennamen am gleichen Sendeplatz ausgestrahlt, erzählen jedoch eine für sich jeweils abgeschlossene Geschichte. So wechseln die Darsteller*innen, Schauplätze, und die erzählte Zeit der einzelnen Beiträge. Das Wissen aus den vorausgegangenen Staffeln ist nicht notwendig, um die nachfolgende zu verstehen. Doch so wie die literarische Anthologie eine Zusammenstellung unterschiedlicher Texte unter einem übergeordneten Thema bezeichnet, kann man auch bei Fargo die einzelnen Staffeln einem Motiv zuordnen. Die TV-Adaption erzählt diverse Geschichten von Täuschung, Intrigen und Mord und fängt dabei dieselbe Atmosphäre wie ihre groteske Filmvorlage ein. Der Film Fargo (1996) dient also als thematische Vorlage der Serie. Jedoch wurde nicht die Story des Filmes neu bzw. weiter erzählt, sondern eine eigenständige Geschichte mit neuen Charakteren entworfen. Die erste Staffel der Anthologie-Serie wurde am 15. April 2014 auf dem US- amerikanischen Pay-TV-Sender FX uraufgeführt. In Deutschland wurde die erste Staffel im September 2014 auf Netflix veröffentlicht. Fargo (2014 - 2017) ist also als Fernsehserie zu verstehen und auch als solche zu analysieren.

Die dritte Staffel der Fernsehserie soll Gegensand der anschließenden Analyse werden. Sie hat zehn Episoden von je durchschnittlich 50 Minuten und wurde am 19. April 2017 auf dem amerikanischen (Kabel)Fernsehsender FX erstausgestrahlt. Im selben Jahr wurde sie auch in Deutschland auf Netflix veröffentlicht.

Aufbau Die Haupthandlung der 3. Staffel spielt primär zwischen Dezember 2010 und März 2011 im US-Bundesstaat Minnesota, vorrangig in den Provinzstädten St. Cloud, Eden Valley und Eden Prairie. Der Prolog, gleich zu Beginn der ersten Folge, spielt 1988 in Ost-Berlin. Die dort gezeigten Ereignisse finden 22 Jahre vor der eigentlichen Storyline der Serie statt und werden im Rest der Episode nicht mehr explizit aufgegriffen. Innerhalb der dritten Folge wird außerdem eine Hintergrundgeschichte in Los Angeles in 1975 erzählt.

!27 von ! 55 Die Storyline der Haupthandlung endet zunächst 2011, wird aber fünf Jahre später nochmals aufgenommen und - man könnte sagen, unvollständig - zu Ende erzählt.

Inhalt Fargo (2017) erzählt die Geschichte zweier Brüder, Emmit und Ray Stussy, beide gespielt von Ewan McGregor. Emmit, der selbsternannte „Parking Lot King of Minnesota“, sieht sich als amerikanische Erfolgsgeschichte, während sein jüngerer Bruder Ray als Bewährungshelfer ein eher einfaches Leben führt. Ray ist es leid, für immer im Schatten seines Bruders zu stehen und gibt diesem die Schuld für sein tristes Leben. Aus der Geschwisterrivalität entwickelt sich im Laufe der Staffel eine Geschichte, die schreckliche Ausmaße annimmt und für alle Beteiligten im Fiasko endet.

Ray Stussy und seine Partnerin Nikki Swango () werden, nach einem erfolglosen Raubversuch an Rays Bruder Emmit, in einen Doppelmord verwickelt. Eines der Opfer ist der Stiefvater Gloria Burgels (). Diese ist Polizei Sheriff der Eden Valley Police und frisch geschiedene Mutter. Während Gloria versucht, die Mordfälle zu lösen, nebenbei noch die Vergangenheit ihres Stiefvaters aufdeckt und sich bemüht in einer Welt zurechtzukommen, in der ihre Mitmenschen nur noch Beziehungen zu ihrem Mobiltelefon führen, versucht Emmit Stussy seine Verbindung zu einer zwielichtigen Organisation zu lösen, von der er sich ein Jahr zuvor Geld geliehen hat. V. M. Varga (), Kopf dieser Organisation und kriminelles Mastermind, hat jedoch andere Pläne und zwingt Emmit, samt Businesspartner Sy Feltz () und Firma, in Bereiche und Sitationen außerhalb der Legalität.

!28 von ! 55 VI.3. Offenheit, Leerstellen und Unbestimmtheit in Fargo Staffel 3

„You’re rather looking for universal triggers than an actual interpretation.“ - Damien Hirst über die Bilder Francis Bacons.14

Leerstellen sind Anregungsmomente; filmische und televisuelle Leerstellen kann man also als Rezeptions- und Partizipationsangebote verstehen, die von den Rezipient*innen angenommen werden können oder nicht. In der hier anschließenden Analyse sollen eben diese Momente bzw. Angebote gefunden werden. Dies soll anhand der dritten Staffel der TV-Serie Fargo (2017) geschehen. Es soll analysiert werden, ob und in welcher Ausgestaltung die oben aufgeführten Kategorien von Unbestimmtheit, Auslassung, Dekontextualisierung, Unterbrechung und Darstellungsleere in der Beispiel-Serie auftauchen. Zur Orientierung sollen die beschriebene Szenen, Sequenzen oder Einstellungen mit Zeitangaben versehen werden, so dass sie leichter nachvollzogen werden können. Wenn notwendig, sollen Abbildungen von Einstellungsbildern dabei helfen, das Beschriebene noch einmal visuell zu verdeutlichen.

Die Serie wird also speziell mit Berücksichtigung der Leerstellen-Konzepte angeschaut und analysiert, weshalb in die Beschreibung eines filmischen Moments immer direkt die Zuordnung zu einer der fünf Konzepte einfließt.

Zuletzt soll noch angemerkt werden, dass Medienrezeption immer selektiv und individuell passiert (vgl. Ziemann 2012: 104), weshalb Anregungsmomente bzw. Leerstellen in medialen Texten je nach Betrachter*in unterschiedlich rezipiert, gefüllt werden und wirken. Deshalb soll bei der hier folgenden Analyse keine Deutungshoheit suggeriert werden. Beispielhaft soll dargestellt werden, wie Lücken gefüllt bzw. gedeutet werden könnten.

14 „Damien Hirst on Francis Bacon | TateShots.“ YouTube. Tate. (03.12.08) (19.08.19)

!29 von ! 55 (1) Unbestimmtheit

„Diese Form der Leerstelle kann sich sowohl auf die erzählerische Dimension als auch auf die Dimension der Darstellung beziehen und […] als akustische wie auch als visuelle Unbestimmtheit auftreten“ (Dablé 2012: 113). Auch in Fargo (2017) lassen sich unterschiedlichste Ausführungen von Unbestimmtheitsstellen finden. Der Einsatz von bestimmten Kameraperspektiven und Einstellungsgrößen, bzw. das durchdachte Anordnen und „Nacheinander-Setzen“ dieser, kann beispielsweise Unbestimmtheit entstehen lassen. „Das Gegebene fungiert dabei als Anreiz für die Rezipienten, das Nichtgegebene zu konkretisieren“ (ebd.: 113). In der Einführungsszene Emmit Stussys - nach dem Epilog - zu Beginn der ersten

Episode lassen sich mehrere Unbestimmtheitsstellen auf der Bild- und Tonebene finden. Nach einer langen Kamerafahrt durch verschneite Landschaft bleibt das Bild auf einem pompösen Haus stehen und fährt langsam auf dieses zu. Über dem Hauseingang hängt ein Banner mit der Aufschrift „Happy 25th Anniversary. Stella and Emmit.“ Eine Männerstimme beginnt zu sprechen. Zu sehen ist immer noch die Hausfront (vgl. Abb. 1), dann folgt ein Schnitt zur nächsten Einstellung (vgl. Abb. 2). Ein Mann sitzt im Sessel und zündet sich seine Pfeife an, ein anderer Mann im weißen Smoking ist nur von Knie bis Brust zu sehen, sein Kopf ist abgeschnitten, also außerhalb der Bild- Einstellung. Der Mann in weiß gestikuliert parallel zum Gesprochenen, sodass er als Redequelle verordnet werden kann. Doch wer ist der Mann, der spricht? Hier wird bewusst mit einer Unbestimmtheit gespielt. Obwohl der weiße Anzug eventuell schon vermuten lässt, dass es sich um den auf dem Banner genannten Ehemann Emmit handelt, der (heute) seinen fünfundzwanzigsten Hochzeitstag feiert, können sich die Zuschauer*innen nicht sicher sein. Auch die nächste Einstellung lässt die Rezipient*innen noch eine Weile im Dunkeln, denn gezeigt wird der gegenüber sitzende Gesprächspartner der zwei Männer (vgl. Abb. 3). Doch dann folgt der erlösende Schnitt und alle drei Männer werden in einer Halbtotalen Einstellung vollständig im Bild, bzw. ihrem Handlungsraum, gezeigt (vgl. Abb. 4). Die nachfolgende amerikanischen Einstellung geht noch einmal näher an die zwei Männer auf der linken Bildhälfte heran und das Gesicht des Mannes im weißen

!30 von ! 55 Smoking ist noch deutlicher zu erkennen (vgl. Abb. 5). Durch die erste partielle Darstellung Emmits ist die Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen zunächst auf ihn gelenkt. Emmit wird über seine Stimme, dann seine Gestik und seinen Kleidungsstil und schließlich mit Frontalansicht eingeführt. Diese sich langsam vervollständigende Einführung steigert die Spannung und das Interesse der Rezipient*innen an seiner Figur. Die kurze visuelle Unbestimmtheit wird also aufgelöst, doch sie führt sich im Gespräch der drei Männer weiter. Die hier gezeigten zwei Männer auf der linken Bildhälfte (Abb. 4) stellen sich im Rest der Episode als Emmit Stussy, Unternehmer und Besitzer des Parkplatzimperiums Stussy Lots, und Sy Feltz, Emmits Freund und Business Partner, heraus. Emmit und Sy sprechen schnell und unzusammenhängend und beenden gegenseitig ihre Sätze. Diese werden jedoch nur unzureichend zu Ende geführt, was es schwierig macht das Gesagte einzuordnen und der Konversation zu folgen. Die Partialität und Kontextlosigkeit des Gesagten - die Zuschauer*innen lernen die Figuren und den Handlungsraum gerade erste kennen - lässt weitere Unbestimmtheit entstehen. Die visuelle Unbestimmtheit wird also aufgelöst, wohingegen die Brüche auf Text- Ebene (zunächst) nicht geklärt werden. Nach der hier aufgeführten Sequenz (07:27 – 08:36) geht die Szene noch weiter, jedoch wird das Gespräch schnell abgewickelt. Mit der letzten Aussage Emmits, nach der die Szene endet und ein Schnitt die Szenerie wechselt, werden die Zuschauer mit einer weiteren Unbestimmtheit allein gelassen: „Where was she two years ago?“, fragt Emmit, als ihm von einer potentiellen Geldgeberin berichtet wird. Dass hier darauf angespielt wird, dass sich Stussy Lots von einer zwielichtigen Firma Geld geliehen hat, hinter der V.M. Varga steht, wird erst im Laufe der Serie deutlich. Diese Unbestimmtheit auf der erzählerische Dimension hat also eine narrative Funktion. Später erkennt man auch, dass mit dieser rhetorischen Frage Emmits schon eine vage Vorahnung geäußert wird auf all das Chaos und Übel, das im Laufe der Staffel noch kommt.

!31 von ! 55 Einführung Emmits (1. Episode 07:27 - 08:36)

Abb. 1 Abb. 2

Abb. 3 Abb. 4

Abb. 5

Neben Unbestimmtheitsstellen auf Bild- und Ton-Ebene lassen sich narrative Unbestimmtheiten besonders in der abstrakten Figurenkonzeption der Serie erkennen. Die Serienfiguren weisen nicht selten unerklärte und bizarre Charakterzüge auf. Ihr Leben vor der erzählten Zeit bleibt zu großen Teilen unaufgeklärt. Diese Leerstellen können durch die Imagination der Rezipient*innen unterschiedlich gefüllt werden, was eine Vielzahl an Interpretationswegen eröffnet.

!32 von ! 55 So zum Beispiel bei V.M. Varga (David Thewlis), Bösewicht und Haupt-Antagonist der Staffel. Die Figur bleibt bis zuletzt ein Mysterium. Varga ist Einzelgänger, Kapitalist und kriminelles Mastermind, das es immer wieder schafft, seine Mitmenschen in eine Misere zu bringen, aus der sie - so scheint es - ohne seine Hilfe auch nicht mehr herauskommen. Ihm gelingt es, Fakten so überzeugend darzustellen, dass sie von der Mehrheit - eventuell auch den Zuschauer*innen - als wahr angenommen werden. Wie er an sein umfassendes Wissen gekommen ist und wie viel

Halbwissen sich darunter mischt, bleibt unbestimmt. Die Initialen V.M. werden nie erklärt, auch nicht nach mehrfachen Nachfragen seiner Interaktionspartner*innen. Trotzdem stehen sie vor seinem Namen und werden in der Handlung thematisiert. Diese nicht aufgeklärte Unbestimmtheit ist zunächst irritierend und frustrierend für die Rezipient*innen, bietet aber auch Interpretationsmöglichkeiten, auf die weiter unten noch einmal eingegangen wird. V.M. Varga spricht mit britischem Akzent, doch außer der Tatsache, dass er als Sohn einer Haushaltshilfe aus armem Elternhaus kommt - außerdem immer die Teemischung seiner Mutter bei sich trägt - wird den Zuschauer*innen nichts über seine Herkunft verraten. Er selbst bezeichnet sich als „citizen of the world“ (siehe Episode 4) oder auch als „citizen of the air“ (siehe Episode 10). Das wohl irritierendste Erscheinungsmerkmal Vargas sind seine sehr schlecht erhaltenen Zähne, welche höchstwahrscheinlich durch seine Bulimie in Leidenschaft gezogen wurden. Die Esstörung Vargas‘ wird in der Serie immer wieder sehr detailliert dargestellt, doch in der eigentlichen Handlung nie thematisiert oder erklärt. Der Grossteil von Vargas Charaktereigenschaften bleibt unerklärt bzw. unbestimmt. Diese Leerstellen unterstützen Vargas Rolle als kriminelles Mastermind, er bleibt für die Zuschauer undurchschaubar. Dies baut zum einen Spannung auf, da die Zuschauer*innen sein Handeln nicht einschätzen bzw. vorhersagen können, zum anderen steigern die Leerstellen des Seriencharakters die Zuschaueraktivität, weil diese einfach mehr wissen wollen.

!33 von ! 55 Die abstrakte Figurenkonzeption lässt den Rezipient*innen Raum für unterschiedlichste Interpretations-Wege. Auch hier gilt wieder: „Das Gegebene fungiert dabei als Anreiz für die Rezipienten, das Nichtgegebene zu konkretisieren“ (Dablé 2012: 113).

Vargas Affinität zur neuen Technologie ist besonders auffallend. Er wird oft am Computer gezeigt, schmiedet dort seine Pläne und sucht seine Opponenten im Internet. Dabei zeigt er keinerlei Empathie bzw. spielt diese - wenn es darauf ankommt, sehr gekonnt - vor und kommt mit so gut wie allen Intrigen durch. Wie ein Computer mit Suchmaschine und Internetanschluss scheint er auch eine Vielzahl an detaillierten

Informationen immer zur Hand zu haben. Die Initialien V.M. könnten für "Virtual Machine“, virtuelle Maschine, stehen was sich im Computer Kontext auf eine Softwarekomponente bezieht, die sich wie Hardware verhält - d.h. etwas Virtuelles, das vorgibt, real zu sein. So wie Varga eventuell vorgibt, menschlich zu sein. Er scheint nie Pronomen zu verwenden, die ihn mit anderen Person gruppieren, so spricht er von „human beings“, „people“ oder „the humans“. In seine Einführungsszene sitzt er in der Dunkelheit und „wacht auf“ ,während die Lichter an gehen (vgl. Abb. 6 u. 7), während er in seine Ausgangsszene aus dem Licht ins Dunkle verschwindet (vgl. Abb. 8 u. 9). Das Ganze erinnert an ein Einschalten, Einloggen bzw. Ausschalten, Ausloggen. In seiner letzten Szene schließt er die Augen und verabschiedet sich mit einem „goodbye“, ähnlich der berühmten AOL Sign-Off-Stimme.

Doch die Offenheit, die durch die Unbestimmtheit in der Figuren-Darstellung Vargas entsteht, lässt auch Möglichkeiten anderer Interpretationen des Seriencharakters zu. So zum Beispiel, dass V. M. Varga den Teufel darstellt. Varga scheint übernatürliches Wissen über vergangene und gegenwärtige Ereignisse zu besitzen sowie die Fähigkeit, Menschen dazu zu bringen, das zu tun, was er möchte. Trotz all seines kriminellen Könnens benötigt er dennoch eine echte Unterschrift Emmits auf allen Dokumenten - auch wenn er diese leicht hätte fälschen können. Eventuell ist Varga nicht wirklich hinter Emmits Geschäften her, sondern hinter seiner Seele und nur eine echte

Unterschrift von Emmit würde den Zweck erfüllen.

!34 von ! 55 Einführung V.M. Varga (1. Episode 31:02 - 31:10)

Abb. 6 Abb. 7

Ausgangsmoment V.M. Varga (10. Episode 48:15 - 48:56)

Abb. 8 Abb. 9

(2) Dekontextualisierung

Schon am Anfang der Serie, mit dem Prolog (1. Episode Anfang - 06:50) zu Beginn der ersten Folge lässt sich das Leerstellen-Konzept der Dekontextualisierung wiederfinden.

Aus einem schwarzen Bild erschließt sich langsam ein nicht definierbarer Raum, der an einen ein Käfig, oder abstrakt an eine Computersimulation erinnert. Es ist - vermutlich slawischer - Chorgesang zu hören. Dieser scheint sehr nah, doch ist nicht erkenntlich woher er kommt und in welchem Zusammenhang das Gehörte zu dem Gezeigten steht. Die Zuschauer*innen sind also zunächst vollkommen orientierungslos, es bleibt schwierig, das Geschehen einzuordnen, bis sich die Kamera aus dem „Käfig befreit“

!35 von ! 55 und ein von der Decke hängender Lautsprecher sichtbar wird. Die Zuschauer*innen erkennen, dass die ersten Aufnahmen, das Innere dieses Lautsprechers darstellen sollte (Abb. 10 ) und die Musik offensichtlich über diesen gespielt wird. Ausgehend vom Lautsprecher schwenkt die Kamera nach unten und zoomt aus dem Bild heraus. Es erschließt sich langsam der Handlungsraum. Im Zimmer ein Schreibtisch, an dem ein Mann in Uniform sitzt und ein Brot isst. Ein Einspieler verrät, dass sich die Handlung im Ost Berlin des Jahres 1988 abspielt. Die erste visuelle Dekontextualisierung wird also vollständig aufgelöst.

Abb. 10 Abb. 11

Abb. 11 Abb. 12

Die Musik verstummt und ein Klopfen ist zu hören. Nach einem „Herein“ - es wird in Deutsch gesprochen - betritt eine zweite Person den Raum. Ähnlich der Einführungsszene Emmits sieht man den Mann zunächst nur von hinten (vgl. Abb. 14) und dann von Schulter zu Oberschenkel (vgl. Abb. 15). Erst nachdem er sich gesetzt hat, erscheint sein Gesicht in der Einstellung.

!36 von ! 55 Lange wird nicht gesprochen, der Uniformierte faltet sorgfältig sein Brotpapier zusammen und verstaut dieses in einer Schublade. Er holt Unterlagen aus einer anderen. Alles geschieht sehr langsam. Wie der zweite Mann im Zimmer warten die Zuschauer*innen auf ein Handeln des Offiziers, bzw. eine Erklärung der Situation. Nach und nach ergibt sich aus der Befragung, dass es sich bei dem Mann in Blau (Abb. 14 u. 15) um Jakob Ungerleider handelt, der angeklagt wird, seine Frau ermordet zu haben und der sie kaltblütig im Schnee zurückgelassen haben soll. Es stellt sich heraus, dass Jakobs Frau zwar - wie die ermordete Frau - auch Helga heißt, doch ihre Nachnamen stimmen nicht überein. Dennoch unterstellt der Offizier ihm die Tat und lässt nicht mit sich reden, obwohl es sich ganz klar um ein Missverständnis handelt. Plötzlich zeigt eine Einstellung die Beine und Füße des Verhörten. An seinen Hausschuhen klebt Schnee (Abb. 16). Zunächst ist unklar, wieso diese Einstellung gezeigt wird. Doch während zu sehen ist wie das Schmelzwasser in einen Abfluss sickert (Abb. 17), wirft der Stasi Offizier Jakob vor ihn zu belügen: „Ich nenne das eine Geschichte. Und wir sind nicht hier, um Geschichten zu erzählen, wir sind hier, um die Wahrheit zu sagen“. Zwei Aussagen stehen gegeneinander, es wird nicht direkt aufgelöst, wer lügt und wer die Wahrheit sagt, doch der Schnee an Jakobs Schuhen lässt vermuten, dass die Wahrheit des Offiziers - egal ob wahr oder nicht - zur Wahrheit dieser Szene wird.

Abb. 14 Abb. 15

!37 von ! 55 Abb. 16 Abb. 17

Der Prolog der dritten Staffel spielt 1988 in einem Stasi Vernehmungsraum in Ost- Berlin. Die gezeigten Ereignisse finden 22 Jahre vor der eigentlichen Storyline der Serie statt. Die Zuschauer*innen erwarten eine Auflösung der Szene und eine Einordnung der Handlung in die restliche Serienhandlung, doch was mit Jakob Ungerleider passiert, wird nicht zu Ende erzählt und die Ereignisse werden im Rest der Episode zu keinem Zeitpunkt mehr erwähnen. Die Zuschauer*innen müssen selbst „fehlende Kontexte und Relationen“ konkretisieren (vgl. Dabé 2012: 129). Sie rezipieren die weitere Serie aufmerksamer und suchen nach Anknüpfungspunkten.

Wie man nach vollständiger Rezeption der Serie erkennt, wird der Prolog nur vereinzelt und sehr versteckt wieder aufgegriffen. Später wird angedeutet, dass der Handlanger Vargas, Yuri, etwas mit der Ermordung Helgas zutun haben könnte, jedoch ist auch das widersprüchlich. Eine vollständigen Sinnerschließung wird den Zuschauer*innen regelrecht verweigert. Da die Auflösung bzw. Einordnung des Prologs maximal hinausgezögert wird wird eine „Finalspannung“ - eine Spannung auf das Ende hin - aufrechterhalten (vgl. ebd.: 206).

Wenn man eventuell auch die vorherigen Staffeln der Serie kennt und weiß, dass in diesen viel mit Referenzen gespielt wird, lässt sich auch der Prolog der 3. Staffel einem Fiktionswerk zuordnen. Die Tragödie Jakobs erinnert an die Situation des Protagonisten in Kafkas klassischen Roman „Der Process“ (1925). Diese Referenz zu einem Paratext lässt sich als weitere Dekontextualisierung verstehen, da mit solchen Referenzen auf gewisse Weise auch mit der narrativen Kontinuität der Serie gebrochen wird.

!38 von ! 55 Diese Leerstellen im Sinne von Referenz(-Texten) lenken die Rezeption, sie bauen Spannung und Erwartungen auf und ermöglichen ein Erschließen der Serie auf einer Metaebene. Die Zuschauer*innen übernehmen Motive aus den filmisch „zitierten“ Texten - hier u.a. die Absurdität der Welt und das Konstruieren von Wirklichkeit - und übertragen sie auf ihre Rezeption und die eigentliche Handlung der Serie.

Noch viel offensichtlicher werden solche Paratexte in der 6. Episode aufgegriffen, in welcher Varga drei Geschichten erzählt, die - nach ihm - der Wahrheit entsprechen, oder eher einer maßgeschneiderten Version der Wahrheit. Nach Dablé entsteht Dekontextualisierung an „Stellen der Narration, an denen mit der räumlichen und zeitlichen Kontinuität gebrochen wird“ (Dablé 2012: 129). Alle drei Geschichten setzten außerhalb des Fargo Universums an, sie spielen zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort und stehen auch untereinander in keinem direkten Zusammenhang. Die Geschichten werden parallel zu Vargas Narration auch visuell (an)erzählt. In der ersten „true story“ geht es um den Zusammenbruch der US-amerikanischen Investment Bank Lehman Brothers, die im Jahr 2008 Insolvenz beantragen musste. Es geht weiter mit: „Another true story“, in der Varga schildert, wie ein Sandwich angeblich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte. Eine bizarre Geschichte, die Varga jedoch routiniert und selbstsicher vorträgt. Mit „One last story, also true“ kommt er zur dritten Geschichte, nach welcher die Mondlandung 1969 so nicht stattgefunden hat und in einem Produktionsstudio in New Mexiko gefakt worden sei. Plötzlich hört man Sy Vargas Erzählung unterbrechen: „Wait what?“. Es folgt ein Schnitt, der Schauspieler in Raumanzug verschwindet und in der folgenden Einstellung sieht man Sys Gesicht in Großaufnahme, er wirkt fassungslos: „that never happend.“ Vargas Geschichts-Exkurse scheinen für sein filmisches Gegenüber und für die Zuschauer*innen kontextlos. Was will er mit diesen Geschichten verdeutlichen?

Die fehlende Eindeutigkeit der Situation irritiert die Zuschauer*innen: „Sie müssen aktiv die widersprüchlichen, irritierenden Elemente in einen plausiblen Erzählzusammenhang bringen und einen sinnhaften Kontext konkretisieren“ (Dablé

!39 von ! 55 2012: 129). Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Erzählten: „Anstatt danach zu fragen, was passieren wird, fragen sich die Rezipienten vielmehr, wie das aktuelle Gezeigte einzuordnen ist“ (Dablé 2012: 129). Was wird in den drei Geschichten erzählt, das eventuell wichtig ist für das Verständnis der Serie ist? Diese Schlüsse können dann jedoch auch hilfreich für die weitere Rezeption sein. Referenzen zu Paratexten sind nicht immer direkt ersichtlich, weshalb Momente, in denen auf diese Bezug genommen wird zunächst schwer einzuordnen sind, jedoch so die Zuschaueraktivität erhöhen. Wird eine Referenz häufig aufgegriffen, bzw. zieht sich durch die gesamte Narration der Serie, ergibt sich aus zunächst kontextlosen oder widersprüchlichen filmischen, bzw. televisuellen Momenten ein Sinnzusammenhang. Auch die Möglichkeit eine Folge oder die gesamte Staffel - wie es auf Netflix möglich ist - mehrfach zu rezipieren hilft bei der Konkretisation von dieser Art der Leerstelle. Referenzen zu Paratexten ziehen sich durch die gesamte Staffel und sind grundlegend für die Narration der Serie. So zum Beispiel in Episode vier, in welcher ein Erzähler das Publikum - die Zuschauer*innen - direkt anspricht und ihnen erklärt, dass jede Figur in dieser Geschichte nun von einem Orchesterinstrument repräsentiert wird. Dabei weist er den Serienfiguren jeweils eine Figur aus dem Musikmärchen „Peter und der Wolf“ zu. Hier wird also mit der vorherigen Narration der Serie gebrochen. Zum ersten und einzigen mal tritt ein Erzähler auf, welcher die Zuschauer*innen direkt anspricht.

Auffallend häufig werden auch biblische Texte direkt oder indirekt zitiert. Unter anderem auch in dieser vierten Episode, in welcher Varga die Beziehung von Emmit und Ray mit der Rivalität zwischen Kain und Abel vergleicht: „Its all very old testament this feud between you and Raymond.“ Beide dieser Beispiele irritieren die Zuschauer*innen zunächst. Erkennen diese jedoch die zitierten Referenzen, spielt eine solche Dekontextualisierung mit den Rezeptionserwartungen. Je nach Wissen der Zuschauer*innen über die Handlung des russischen Kindermärchens oder die Erzählungen im Buch Genesis, beginnen diese zukünftige Ereignisse der Serie zu konstruieren. Die Rezipient*innen stellen Hypothesen auf, welche sich in der fortlaufenden Handlung entweder bestätigen oder

!40 von ! 55 widerlegen. So äußert der Bezug zur Kain und Abel Geschichte u.a. eine Vorahnung zum Mord Emmits an seinem Bruder Ray, der in der sechsten Episode auch geschieht. Es lässt sich festhalten:

„Durch das Stören der einfachen, unreflektierten Rezeption wird der simple Konsum oder Nachvollzug des Gezeigten verweigert und die Rezipienten stattdessen zur gesteigerten Eigenreflexion herausgefordert, um so die fehlenden Kontexte und Relationen zu konkretisieren.“ (Dablé 2012: 129)

Leerstellen, die durch filmische, bzw. televisuelle Zitate von Paratexten entstehen, sind auffallend oft in Fargo zu finden. Sie fordern die Rezeption noch weiter heraus, aber ermöglichen - wenn gefunden und gefüllt - eine umfassendere und vorausschauende Rezeption und ein vielschichtiges Verständnis des seriellen Textes.

Three true stories (6. Episode 03:50 - 05-58)

Abb. 18 Abb. 19

Abb. 20

!41 von ! 55 (3) Auslassung

Nun soll auf die Endszene der 3. Staffel genauer eingegangen werden, da sich in der Schlussszene die wohl „größte“ und eindeutigste Leerstelle der Serie - in Form einer Auslassung - finden lässt.

Die Kammerspiel-Szene spielt 5 Jahre nach der Haupthandlung (42:15 - Ende). Gloria Burgle, jetzt DHS Agentin, sitzt in einem Verhörraum V.M. Varga gegenüber.15 Nachdem sich die beiden über die vergangenen Ereignisse ausgetauscht haben und darüber diskutiere, was Fakt ist und was nicht, leitet Gloria mit einem „Let me tell you what’s going to happen next“ ihre Version des Folgenden ein. Sie erklärt Varga, dass er gleich verhaftet und wegen Geldwäsche und sechs Fällen von Anstiftung zum Mord ins Gefängnis kommen wird. Varga antwortet zunächst knapp mit einem „No. Thats not whats going to happen next.“ und behauptet dann, dass in fünf Minuten jemand in den Raum kommen und ihn frei lassen wird. Gloria belächelt Vargas Optimismus, dann beginnt sie die Minuten auf der Uhr im Verhörraum herunter zu zählen, während Varga selbstbewusst summt und aus dem „Scheinwerferlicht“ (vgl. Abb. 8 u. Abb. 9) ins Schwarz verschwindet. Kurz bevor die 5 Minuten auf der Wanduhr verstreichen wird auch das Bild schwarz und die Folge, sowie die Staffel endet. Ob eines der Enden wie beschrieben eintreten wird, wird ausgelassen, den Zuschauer*innen wird eine Aufklärung verwehrt. Sie müssen selbst entscheiden, ob und welche der zwei Ausgangs-Vorschläge sie annehmen. Es ist ihnen überlassen ob Varga eine verdiente Strafe bekommt oder nicht, ob sich die Wahrheit durchsetzt, oder die

Lüge. Die Auslassung verlangt besondere Partizipation der Rezipient*innen, sie müssen zwischen Möglichkeit A oder B entscheiden - oder sich selbst ein Ende überlegen: Auf diese Abwesenheit von dramaturgisch relevanten Informationen reagieren die Rezipient*innen mit Konkretisationen (vgl. Dablé 2012: 122). Diese Leerstelle ist als

15 Gloria Burgle in dieser Folge als DHS (Department of Homeland Security) Agent dargestellt. Eventuell auch eine Leerstelle mit transitorischem Charakter. Diese wird auf Grund von soziopolitischen Entwicklungen 2019 anders rezipiert als noch 2015. Auch die Entscheidung der Hauptcharakterin - der Auslöser zum Karrierewechsel - wird nicht thematisiert.

!42 von ! 55 Inbegriff eines Partizipationsangebots oder Anregungsmomentes zu verstehen. Hier wird nicht für die Zuschauer*innen entschieden, sie müssen aus ihrem Wissen und Erfahrungen der vorherigen Erzählung selbst zu einem (Ent)Schluss kommen (oder eben nicht). In dieser Schlussszene erinnern die kalte, dunkle Lichtgestaltung und der Verhörraum an die erste Szene, den Prolog, doch hier wird den Zuschauer*innen die Entscheidung gelassen, ob sich die Wahrheit durchsetzt oder nicht, eine Option, die zu Beginn nicht bereit stand.

(4) Unterbrechung

Neben den für serielle Erzählformen klassischen Unterbrechungen, die mit dem Ende einer Folge eintreten und die Narration bis zum Beginn der nächsten Folge anhalten, lassen sich in Fargo (2017) auch andere Unterbrechungen finden. So zu Beginn der achten Folge. Hier wird schon der klassische Einspieler - „This is a true story“ - in eine Parallelmontage eingebaut/montiert (8. Episode 00:00 - 00:30). Diese Unterbrechung von nur wenigen Sekunden, dient primär dazu, das Geschehen zu dynamisieren und Spannung entstehen zu lassen.

Abb. 21 Abb. 22

!43 von ! 55 Abb. 23 Abb. 24

Abb. 25 Abb. 26

Abb. 27 Abb. 28

Abb. 29

!44 von ! 55 In dieser Folge lässt sich eine weitere „treibende“ Montagesequenz finden (8. Episode 02:20 - 04:10). Nikki ist mittlerweile (zu unrecht) inhaftiert für den Mord an ihrem Verlobten Ray und sitzt im Polizeibus zur Haftanstalt. Der Bus fährt über eine von den Handlangern Vargas gebaute Straßenfalle - deren Bau in der zuvor besprochenen Parallelmontage zu Beginn der Folge dargestellt wird (Abb. 21 - Abb. 29) - und überschlägt sich. Während Nikki und der Inhaftierte neben ihr - mit welchem sie zusammen an den Bus gekettet ist - versuchen, sich zu befreien, sind die anderen dabei, das Gitter aufzuschweißen, das den Busfahrer von den Inhaftierten - Nikki und Mr. Wrench - trennt. Durch das Hin- und Herschneiden dieser zwei Handlungsstränge entstehen Leerstellen und die Zuschauer*innen entwickeln zwangsläufig Hypothesen, wie der unterbrochene Handlungsstrang weitergeht. Schaffen es Nikki und Wrench sich rechtzeitig von ihren Fesseln zu befreien, noch bevor die Handlanger Vargas’ die Tür zersägen? Auch hier ist die Leerstelle nur von kurzer Dauer - die zwei Inhaftierten schaffen es noch rechtzeitig aus dem Bus - dennoch erzeugt sie Spannung und setzt die Dynamik für die folgende Verfolgungsjagd, die sich durch die restliche Episode zieht.

Unterbrechungen erstrecken sich jedoch auch zwangsläufig über die gesamte Narration der Serie aufgrund der Vielzahl relevanter Charaktere, die sich an unterschiedlichen Orten befinden und verschiedene Ziele verfolgen: „Um alle Schauplätze erzählerisch abdecken zu können, ist es nötig, den Narrationsfluss regelmäßig zu unterbrechen und immer wieder den Fokus zu wechseln.“ (Dablé 2012: 136) „Die Zuschauer wollen wissen, wie es an den jeweiligen anderen Orten mit den anderen Charakteren weitergeht, und werden in ihrer Konkretisationsaktivität stimuliert“ (Dablé 2012: 136). Sie denken unterbrochene Handlungsstränge weiter und schließen die Leerstellen. In der vierten Folge der Serie, in welcher jeder Charakter ein Orchesterinstrument aus „Peter und der Wolf“ zugeschrieben bekommt, werden die Handlungsstränge aller vorgestellten Charaktere parallel erzählt. Die musikalische Montage hilft dabei, den vielen verschiedenen Strängen besser zu folgen.

!45 von ! 55 (5) Darstellungsleere

Die gesamte dritte Folge der Serie kann als Leerstelle in Form einer Darstellungsleere verstanden werden und hält sie auch noch in sich bereit. Die Standalone Episode - eine Episode, die für sich allein stehen kann mit einer in sich geschlossenen Geschichte - ist nicht notwendig bzw. treibend für den Hauptplot der Staffel. Die Episode setzt sich vom aktuellen Handlungsbogen ab und konzentriert sich auf eine Nebenhandlung, bzw. eine bestimmte Figur - hier ist das Gloria Burgle. Diese reist nach Los Angeles, um in der Vergangenheit ihres Stiefvaters Antworten auf seinen Tod zu finden. Den Zuschauer*innen sind die wahren Umstände des Mordes jedoch schon bekannt. So suchen sie nicht - wie Gloria - nach Anhaltspunkten zum Lösen des Mordfalls, sondern konzentrieren sich auf Anhaltspunkte, die eventuell mit der Haupthandlung in Verbindung stehen könnten. Eine Nebenhandlung, die nicht zum Plot der Haupthandlung beiträgt, kann diese also trotzdem unterstützen, bzw. sich mit der Haupthandlung verbinden - entweder in Zeit und Ort oder in thematischer Bedeutung.

Wichtig ist anzumerken, dass es sich bei dem hier besprochenen Beispiel weniger, wie in den Beispielszenen Dablés, um Darstellungsleere in Form von inhaltlicher Leere handelt, vielmehr kann in Fargo (2017) das extensive Darstellen von (zunächst) narrativ Irrelevantem festgestellt werden. Weniger geht es hier also um die „extensive Darstellung von Nicht-Information“ (Dablé 2012: 145) als um eine Art Überschuss an Assoziationsangeboten, eine „Überdetermination“ die, wie Kracauer schon behauptet, zur „Ausweitung, Vervielfältigung und Erweiterung“ eines filmischen Textes beiträgt (Kimmich 2003: 15).

Glorias erste Anhaltspunkte führen sie zu Vivian Lord (Frances Fisher), die ehemalige Schauspielerin macht sie auf den Filmproduzenten Howard Zimmerman aufmerksam. In einem Rückblick aus dem Jahr 1975 - die erste Nebengeschichte in der Nebengeschichte - wird erzählt, wie Glorias Stiefvater, der ermordeten Ennis Stussy, einst als aufstrebender Science-Fiction-Schriftsteller von Zimmerman (Fred Melamed) betrogen und ausgebeutet wird. Spannend ist, dass nichts, was die Zuschauer*innen

!46 von ! 55 über Ennis Stussy - ehemals Thaddeus Mobley - in dieser Episode erfahren, im direkten Bezug zu seinem Mordfall im Jahr 2010 steht. Eine Erkenntnis, die den Zuschauer*innen zuvor schon klar war, da diese wissen, dass der Mord an Ennis Stussy einer Verwechslung geschuldet ist. Neben der Rückblende ins Kalifornien der 70er Jahre wird außerdem noch der Science- Fiktions-Roman Thaddeus Mobleys als kurzer Animationsfilm visualisiert - die zweite Nebengeschichte in der Nebengeschichte. So erzählt die Folge parallel drei Geschichten, die letzten Endes unwichtig sind für das Voranbringen des Hauptplots der Serie.

Darstellungsleere im Sinne von einem Überschuss an narrativ Irrelevantem und Nebensächlichem ist auch als „Angebot, eigene Imagination zu entwickeln“ (Dablé 2012: 139) zu verstehen, „weil sie nicht direkt in die Handlungsmotivation eingebunden sind und gerade auf diese Weise an verschiedene individuelle Kontexte anschließbar sind“ (Kracauer 1964 zit. nach Kimmich 2003: 15). Die Zuschauer*innen greifen Motive aus den Nebenhandlungen auf und projizieren diese auf die Haupthandlung der Serie, sie suchen nach thematischen Bedeutungszusammenhängen. So wird eventuell eine Interpretation der Serie auf einer Metaebene möglich. Die Nebengeschichten der dritten Episode kreisen alle - mehr oder weniger - um die Frage nach Sinn, und fragen damit gleichzeitig auch nach ihrer eigenen Notwendigkeit. Den Zuschauer*innen wird eine Sinnstruktur verweigert, und sie werden herausgefordert diese Konkretisation selbstständig zu leisten. Sie müssen eigenständig entscheiden, ob und inwiefern das hier gegebene Informationsangebot für die Serie überhaupt von Bedeutung ist. Vielleicht provoziert diese Leerstelle sogar ein grundsätzliches Infragestellen irgendeiner Sinnhaftigkeit der kompletten Serie.

!47 von ! 55 VI.4. Ergebnisse

Alle fünf Leerstellen-Kategorien von Unbestimmtheit, Auslassung, Dekontextualisierung, Unterbrechung und Darstellungsleere lassen sich in der Beispiel- Serie finden, jedoch in unterschiedlicher Häufigkeit und zum Teil in anderer Ausprägung wie in den von Dablé beschriebenen Beispielen. Die Dimensionen der Unbestimmtheit, Auslassung und Unterbrechung sind so wie von Dablé beschrieben, auch in Fargo (2017) zu finden, wohingegen die Kategorien der Dekontextualisierung und Darstellungsleere auch in anderer Form auftauchen.

Fargo arbeitet auffallend viel mit Dekontextualisierung. Diese, nach Dablé definierte, Leerstellen-Kategorie lässt sich, mit den in der Analyse erlangten Erkenntnissen, erweitern. Dekontextualisierung taucht nach Dablé dann auf, wenn mit der räumlichen und zeitlicheen Kontinuität gebrochen wird. In Fargo findet man diese Leerstellen besonders dann, wenn mit Referenzen gearbeitet und auf Paratexte Bezug genommen wird. Diese filmischen Zitate sind zunächst irritierend, da sie mit der narrativen Kontinuität der Serie brechen, jedoch können sie den Basistext, bzw. die Haupthandlung der Serie konstruktiv begleiten und ergänzen. Auch hier werden die Zuschauer*innen gefordert, irritierende Elemente selbst in einen Sinnzusammenhang zu bringen, da ihnen eine sinngebende Einordnung der Referenz- Texte verweigert wird. Sind die Zuschauer*innen in der Lage, komplexe Paratexte in einen Zusammenhang mit der Haupthandlung zu stellen, ermöglicht dies ein Verstehen dieses Haupttextes auf mehreren Ebenen. Je nach Wissen der Rezepient*innen werden die Referenzen unterschiedlich wahrgenommen.

Die von Dablé definierte Kategorie der Darstellungsleere bezieht sich auf die inhaltliche Leere von filmischem bzw. televisuellem Text, auf das Fehlen von Informationen. In Fargo lässt sich diese Darstellungsleere, wie sie Dablé beschreibt, so nicht finden. In der Serie gibt es Momente, in denen durch ein Überangebot von

!48 von ! 55 Infomationen, die in keinem direktem Bezug zum Plot der Handlung stehen, eine Nicht- Aussage gemacht wird. In diesen filmischen Momenten wird eine sinnvolle Darstellung verweigert und Leere hinterlassen. Dies erinnert an den Ansatz Kracauers, der sagt, dass Leerstellen auch durch einen „Überdeterminisms, einer Art Überschuß an Assoziationsangeboten“ (Kimmich 2003: 15-16) entstehen können.16

Bei dem Beispiel von Darstellungsleere in Fargo führt ein Überschuss an narrativ Irrelevantem zur Zuschaueraktivität. Diese können aus den nebensächlichen Informationen eigene Konkretisationen und Hypothesen für die Haupthandlung übernehmen. So kann nicht nur das Auslassen von Informationen, sondern auch ein Überfluss an Information - wie zuvor auch bei Dekontextualisierung durch Paratexten erkannt wurde - zur vielseitigen Konkretisation und Interpretation von televisuellen Texten führen.

VII. Fazit

Im Theorieteil dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die modernen Massenmedien einen Einfluss auf die „klassischen“ Künste hatten und haben und dass sich in diesem Zusammenhang auch neue Theorien und Konzepte von Kunst entwickeln konnten. Es gibt also eine Interferenz von Kunst und Medien, welche nicht nur auf der praktischen, sondern auch auf einer reflexiven und theoretischen Ebene existiert.

Wie Kimmich mit der Verortung der Leerstelle in der Filmtheorie dem Medium Film ein wichtiges Qualitätsmerkmal der Kunst zuschreibt, zeigt die Anwendung des ausivisuellen Leerstellenkonzepts Dablés und die daraus gewonnenen Ergebnisse, dass das Leerstellenkonzept auch in der - hier besprochenen - Fernsehserie Anwendung findet. Das Medium Fernsehen lässt sich also dann als künstlerisches Ausdrucksmittel

16 Nach Kracauer soll mit„überschüssigem“ Material keine Verdichtung der Handlung erreicht werden, sondern „eine Ausweitung, Vervielfältigung und Erweiterung dessen, was gezeigt wird“ (Kimmich 2003: 15). Komplexe Darstellungen bringen nicht unbedingt den Plot voran, sondern Erweitern die Interpreation der Handlung auf eine Metaebene. Diese Möglichkeit der Rezeption und Interpretation auf verschiedenen Ebenen kann zu einem viel umfassenderen Verständnis des filmischen bzw. televisuellen Textes führen.

!49 von ! 55 nutzen, wenn es in seinen Formaten Raum lässt für die Partizipation der Zuschauer*innen im Sinne aktiver Rezipient*innen. In dieser Arbeit konnte festgestellt werden, dass speziell mit der TV-Serie ein Fernsehformat vorliegt, das wie der Film im Kontext rezeptionsästhetischer Untersuchungen relevant wird. Inwieweit Leerstellen, Offenheit und Unbestimmtheit auch in weiteren Fernseh-Formaten zu finden sind, bleibt erst mal vorbehalten.

Ist eine Serie offen gestaltet, hält also viele Leerstellen und Unbestimmtheitsstellen bereit, gibt sie den Zuschauer*innen die Möglichkeit, eigene Konkretisationen zu entwickeln und dabei ihre individuellen und subjektiven Wissensbestände, Wertvorstellungen, Erfahrungen, Gefühle und Bedürfnisse mit einzubringen, um sich dann im Umkehrschluss auch Motive, Themen und Inhalte der Serie in ihrer Lebenswelt anzueignen. So kann beispielsweise eine Serie wie Fargo (2017) zum Nachdenken anregen und eine Auseinandersetzungen mit existenziellen Themen wie zum Beispiel Wahrheit, Gerechtigkeit, Schuld und Sinn auslösen. „Gutem Fernsehen“ kann man also Eigenschaften „Guter Filme“ zuschreiben, die sich nach Kimmich dadurch auszeichnen, dass „sie einen neuen Blick auf die Welt, die Dinge und den Menschen provozieren“ (Kimmich 2003: 1). Mit der Analyse konnte gezeigt werden, dass es Sinn ergibt, differenzierte Kategorien von Leerstellen zu konstruieren, um audiovisuelle Narrationen auf ihre „Appellstruktur“ hin untersuchen zu können. Im Einzelfall ist die Frage aufgetaucht, ob die Kategorien, wie sie Dablé definiert, eventuell noch weiter spezifiziert oder ergänzt werden müssen. Klar ist jedoch, dass eine rezeptionsästhetische Analyse einer Fernsehserie noch weit mehr leisten müsste. Dabei ist an erster Stelle an eine Untersuchung des Rezeptionskontextes zu denken oder - wie Lothar Mikos - nach der „Aneignung“ zu fragen.

Während der Beschäftigung mit der TV-Serie Fargo, ist aufgefallen, dass online auf unterschiedlichen Plattformen - so zum Beispiel auf der Nachrichten-Community reddit Inc. - ein reger Austausch über die Serie stattfindet. Spannend wäre es zu untersuchen, wie diese Kommunikationsprozesse ablaufen, welche filmischen Momente der Serie

!50 von ! 55 Diskussionen anregen, welche dieser Momente tatsächlich als Leerstellen funktionieren, ob diese mit den in dieser Arbeit gefundenen Leerstellen übereinstimmen und wie sie von den User*innen gefüllt werden. Eine solche Untersuchung würde den Rahmen dieser Arbeit jedoch sprengen.

Festhalten lässt sich:

„Lange Zeit herrschte das Vorurteil, das Fernsehen könne niemals cineastisches Niveau erreichen, wie Nelson (2007) hervorhebt. Entgegen allen Erwartungen übernimmt das Fernsehen heute jedoch Produktionstechniken des Films. Dies rührt unter anderem von der Verfügbarkeit digitaler Technologien her, die nun auch für Fernsehproduktionen erschwinglich sind. […] Pearson (2007) geht sogar einen Schritt weiter, indem sie schreibt, dass das Fernsehen den kulturellen Status des Kinos mittlerweile vielleicht sogar überholt. Der Pilot einer Fernsehserie wird heute oftmals genauso aufwändig produziert, wie ein Spielfilm und bedient sich der gleichen Schneide- und Tontechniken wie das Kino.“ (Schulz 2012: 66)

Die Weiterentwicklung der Medientechnik hat nicht nur zu Folge, dass sich Produktionprozesse verändern und sich für Filme- und Serien-Macher*innen neue künstlerisch-gestalterische Möglichkeiten ergeben, mit technischen Neuerungen verändert sich auch die Medienrezeption und erweitern sich die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Zuschauer*innen.

Nach dem Lesen dieser Arbeit versteht man nun auch, was Joseph Beuys meinen könnte, wenn er sagt: „Jeder Mensch ist ein Künstler“.

!51 von ! 55 VIII. Literatur- und Medienverzeichnis

Benjamin, Walter (1963) "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.“ Frankfurt/Main: Suhrkamp.

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!52 von ! 55 Hensel, Thomas (2015). „Zwischen ludus und paidia: THE LAST OF US als Reflexion des Computerspiels.“ New Game Plus: Perspektiven der Game Studies. Genres - Künste - Diskurse. Hrsg. Beil, Benjamin; Freyermuth, Gundolf S.; Gotto, Lisa. Bielefeld: transkript. S. 145-184.

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!54 von ! 55 Medienprodukte

„Damien Hirst on Francis Bacon | TateShots.“ YouTube. Tate. (03.12.08) (19.08.19)

Fargo. 3. Staffel. Fernsehserie, USA 2017, durchschn. 50 min. FX. Deutsche Erstausstrahlung: 2017, Netflix.

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