Insecta Zeitschrift für Entomologie und Naturschutz

Heft 10/2007

Insecta Bundesfachausschuss Entomologie Zeitschrift für Entomologie und Naturschutz

Heft 10/2007 Impressum

© 2007 NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. Herausgeber: NABU-Bundesfachausschuss Entomologie Schriftleiter: Dr. JÜRGEN DECKERT Museum für Naturkunde der Humbolt-Universität zu Berlin Institut für Systematische Zoologie Invalidenstraße 43 10115 Berlin E-Mail: [email protected] Redaktion: Dr. JÜRGEN DECKERT, Berlin UWE LEHMANN, Großenhain JOACHIM SCHULZE, Berlin Dr. PETER SPRICK, Hannover Verlag: NABU Postanschrift: NABU, 10108 Berlin Telefon: 030.28 49 84-0 Telefax: 030.28 49 84-20 00 E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU.de Titelbild: Gallen der Eichenknospen-Gallwespe Andricus foecundatrix (HARTIG, 1840) Foto: J. DECKERT, (siehe Beitrag von Prof. Dr. U. SEDLAG ab S. 49) Gesamtherstellung: Satz- und Druckprojekte TEXTART Verlag, ERIK PIECK, Karl-Haberland-Straße 17, 42699 Solingen, Telefon 0212.43343 E-Mail: [email protected] Insecta erscheint in etwa jährlichen Abständen

ISSN 1431-9721 Insecta, Heft 10, 2007

Inhalt

ACHTZIGER, R., FRIEß, T., Die Eignung von Wanzen (Insecta, Heteroptera) als Indikatoren im RABITSCH, W.: Naturschutz ...... 5

DOBLER, S.: Anpassungen an Pflanzensekundärstoffe in der Evolution von Blattkäfern (Coleoptera, Chrysomelidae) ...... 41

SEDLAG, U.: Gallen und Gallinsekten – Musterbeispiele der Koevolution? ...... 49

GLADIS, T.: Beobachtungen zu Rosskastanienminiermotten sowie zum Besuch und Verhalten alt- und neuweltlicher Bestäuber auf Kürbisblüten ...... 53

WERNER, D. J.: Verbreitung, Wirtspflanzenwechsel und Naturschutzaspekte bei Wanzen (Heteroptera) an Zypressengewächsen (Cupressaceae) in Deutschland ...... 59

SIMON, H.-R.: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden- Synusien ...... 61

SIMON, H.-R.: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie (1999-2005) in Süd-Hessen ...... 85

RINGEL, H., HAMPEL, J., Brachen und extensiv genutzte Äcker als Lebensraum für MÜLLER-MOTZFELD, G.: Käfer (Coleoptera) ...... 113

WINKEL, S., SCHROTH, M., BRESSLER, W., Wiederfund der Kleinen Zangenlibelle im Natura 2000-Gebiet 5818-401 FLÖßER, E., „Main bei Mühlheim und NSG Rumpenheimer & Bürgeler Kiesgruben“ KUPRIAN, M.: und Rückkehr der Art an den Untermain ...... 123

Auslieferung: Oktober 2007 Redaktionelle Hinweise

Manuskripte für Tagungsberichte, wissenschaftliche Beiträge, Tätigkeitsberichte, Kurzmeldungen, Buchbesprechungen usw. sind bitte an die Redaktion zu richten. Für die Abgabe der Manuskripte gelten folgende Hinweise: neue Rechtschreibung, einspaltiger Fließtext ohne Silbentrennung, Zeilenabstand 1 ½-zeilig, Rand von mindestens 3 cm, Nummerierung der Seiten, Art und Gattungsnamen in kursiv, Autorennamen in KAPITÄLCHEN, Hervorzuhebendes kann fett gedruckt werden. Beispiele für die Abfassung der Literaturzitate sind dem vorliegenden Heft zu entnehmen. Der Beitrag sollte getrennt nach Text und Abbildungen entweder als E-Mail oder auf CD übermittelt werden. Bei Abbildungen und Tabellen ist auf eine ausreichende Auflösung und eindeutige Beschriftung zu achten. Ein zusätzlicher Papierausdruck ist wünschenswert, Abbildungen wie Strichzeichnungen, Karten etc. sind auf reinweißem Karton oder Transparentpapier auf gesondertem Bogen beizufügen. Die Autoren verantworten den Inhalt ihrer Beiträge selbst. Honorare werden nicht gezahlt. Von jeder Arbeit werden den Autoren 30 Separatdrucke kostenlos zugestellt. Darüber hinaus gehende Heftbestellungen sind gebührenpflichtig. Ein Nachdruck – auch auszugsweise – bedarf der Zustimmung des Herausgebers. Insecta, Heft 10, 2007, Seite 5-39

ROLAND ACHTZIGER, Freiberg, THOMAS FRIEß, Graz & WOLFGANG RABITSCH, Wien

Die Eignung von Wanzen (Insecta, Heteroptera) als Indikatoren im Naturschutz

Abstract

True bugs (Insecta: Heteroptera) as suitable indicators for nature conservation. True bugs (Insecta, Heteroptera) are rarely used as indicators in conservation biology. They are regarded un- suitable either because of low explanatory power or lack of specialists. The aim of the present paper is - with a focus on Germany, Austria and Switzerland - to reconsider this judgement by taking a closer look upon current taxonomic and faunistic knowledge, availability of standardized collect- ing techniques and sampling designs, indicatory value, availability of red lists of endangered species and cost-benefit analyses of collecting and determination. Suggestions for standardized col- lecting techniques are given for different habitat types. The paper emphasizes the high cost-benefit value of Heteroptera due to their high indicatory value at low costs for collecting and determina- tion. Heteroptera are considered to be very profitable and highly suitable indicators for nature conservation. Key words: Heteroptera, nature conservation, indicators, evaluation, biodiversity.

1 Einleitung et al. 2002). Zu solchen „Stiefkindern“ der Ento- mologie (KLAUSNITZER 1997) gehören ohne In naturschutzfachlichen Gutachten, bei Ar- Zweifel auch die Wanzen (Heteroptera), die mit tenschutzprojekten, in den europäischen Natur- etwa 1100 Spezies in Mitteleuropa die arten- schutzrichtlinien, der Naturschutzforschung so- reichste und ökologisch vielfältigste hemimeta- wie bei Planungen von umweltrelevanten Pro- bole Insektengruppe bilden (z. B. MELBER jekten (z. B. UVS, UVE) sind Insekten im Allge- 1999a): Zusammen mit den Zikaden („Auche- meinen nicht mit jener Präsenz vertreten, wie es norrhyncha“), Blattläusen (Aphidina), Blattflö- ihnen aufgrund ihrer Artenvielfalt, Individuen- hen (Psyllina), Schildläusen (Coccina) und zahlen und funktionellen Bedeutung sowie ihrer Weißen Fliegen (Aleyrodina) gehören die Wan- Indikatoreigenschaften in fast allen Biotoptypen zen zu den oder Rhynchota (Schna- Mitteleuropas zustehen würde (u. a. HAVELKA belkerfe), die allesamt durch einen charakteris- 1978, PLACHTER 1994, RIECKEN 1997, GEPP 1999, tisch gebauten Stechrüssel gekennzeichnet sind. 2001, MÜLLER-MOTZFELD 2000, DUELLI & OBRIST Im Unterschied zu den anderen Insektengrup- 2003a). Die entomologische Komponente wird pen besitzen Wanzen so genannte Stinkdrüsen, im Rahmen raumrelevanter Studien, wenn die Sekrete zur Verteidigung produzieren und überhaupt, meist nur durch eine „planungsrele- auch Signalwirkung haben können. Außerdem vante“ Insektengruppe, wie etwa Heuschrecken, ist der Vorderflügel der meisten Wanzen typi- Libellen, Laufkäfer oder Tagfalter abgedeckt scherweise in zwei verschiedene Teile, das ver- (GÜNTHER et al. 2005). Gegenüber diesen Mo- stärkte Corium und die häutige Membran, auf- dellgruppen werden andere Insektentaxa, die geteilt (daher Heteroptera, Verschiedenflügler). ebenfalls über ein hohes Indikationspotenzial Außerdem gibt es bei den Wanzen neben pflan- für naturschutzfachliche Aussagen verfügen, zensaugenden Arten auch räuberisch oder para- vernachlässigt bzw. aufgrund verschiedener Kri- sitisch lebende Arten sowie Gruppen, die auf der terien als weniger geeignet angesehen (PLACHTER Gewässeroberfläche (z. B. Gerridae, Wasserläu- 6 Insecta, Heft 10, 2007 fer) oder in Gewässern leben (z. B. Corixidae, können, wie etwa Alter und Reifegrad, Lebens- Ruderwanzen). Als hemimetabole Insekten glei- raumdynamik oder innere und äußere Biotop- chen sich die Larven und die Adulten einer Art struktur (RIECKEN 1992). Je nach Funktion und hinsichtlich Morphologie, Aussehen und häufig Ziel der Indikation wird zwischen Zustandsin- auch in der Lebensweise. dikatoren (Indikatorarten, Zeigerarten, Biode- In den Arbeiten von DECKERT & HOFFMANN skriptoren), Klassifikationsindikatoren (Cha- (1993), MELBER (1999a) und im Besonderen rakterarten, Leitarten), Wert-/Bewertungsindi- von ZIMMERMANN & MORKEL (2001) werden z. katoren (wertgebende Arten) und Zielindikato- T. detaillierte Ausführungen über wichtige Rah- ren (Zielarten, Arten als Zielindikatoren) menbedingungen bei der Verwendung von unterschieden (PLACHTER et al. 2002). Damit Heteropteren als Bioindikatoren gegeben und Arten als Indikatoren z. B. im Sinne von Zeiger- das hohe Indikationspotenzial herausgestellt. arten geeignet sind, muss eine hohe Korrelation Als Weiterführung dieser Arbeiten ist das Ziel zwischen ihrem Auftreten und bestimmten unseres Beitrages, anhand verschiedener Krite- Umweltfaktoren gegeben sein. Meist handelt es rien die Eignung der Wanzen als Indikatoren sich dabei um Arten mit einer geringen ökolo- für naturschutzfachliche Aussagen und Planun- gischen Reaktionsbreite bezüglich des zu indi- gen sowie als Indikatoren für die Biodiversität zierenden Faktors. Auf der Ebene der lokalen herauszuarbeiten. Dabei wird ein Überblick Artengemeinschaft werden Arten mit ähnlichen über die ökologisch-naturschutzfachlich rele- ökologischen Ansprüchen (z. T. zusammenge- vante Literatur mit Schwerpunkt im deutsch- fasst zu Indikatorgilden) auf bestimmte Lebens- sprachigen Raum (Deutschland, Österreich, raumveränderungen ähnlich reagieren (Zunah- Schweiz) sowie über Erfassungs- und Auswerte- me oder Abnahme), so dass sich die Einflüsse in methoden gegeben und die Einsatzmöglichkei- einer (veränderten) Artenzusammensetzung ten der Wanzen als Indikatoren im Naturschutz widerspiegeln (s. Kap. 4. 2). anhand ausgewählter Beispiele verdeutlicht. Dadurch soll erreicht werden, dass die Wanzen 2.2 Derzeitige Einschätzung der Eignung der in Zukunft verstärkt für die Bearbeitung natur- Wanzen als Indikatoren schutzfachlicher Fragestellungen herangezogen In der Literatur zur Auswahl geeigneter In- werden und damit auch die derzeit noch beste- dikator- und Deskriptorgruppen finden sich henden Wissensdefizite behoben werden kön- nur wenige Hinweise auf die Möglichkeiten des nen. Einsatzes von Wanzen im Rahmen natur- schutzfachlicher Fragestellungen. Entweder 2 Eignung von Wanzen als Indikatoren im fehlen Nennungen gänzlich oder Heteropteren Naturschutz werden nur peripher erwähnt (z. B. RIECKEN & BLAB 1989, RECK 1990, FINCK et al. 1992, MÜH- 2.1 Indikatoren im Naturschutz LENBERG 1993, PLACHTER et al. 2002). So ordnen In der Naturschutzbiologie werden das Vor- PLACHTER et al. (2002) in ihrer Zusammenstel- kommen und die Häufigkeit einzelner Arten lung der Methodenstandards im Naturschutz bzw. Parameter von Artengemeinschaften wie die Wanzen hinsichtlich ihrer Eignung für Pla- die Artenzahl, Diversität oder die Zusammen- nungen anhand von fünf Beurteilungskriterien setzung bestimmter ökologischer Gilden (s. und mittels vier Beurteilungsstufen (günstig, Kap. 3.1) als Bioindikatoren für naturschutz- eher günstig, eher ungünstig, ungünstig) wie fachliche Aussagen herangezogen, etwa für die folgt ein: Wertigkeit, die Schutzwürdigkeit oder die Ge- (1) Kenntnisstand: eher günstig fährdung bzw. Belastung eines Gebiets oder ei- (2) Verfügbarkeit etablierter Erhebungsmetho- ner konkreten Fläche (z. B. RIECKEN 1992). Bei den: eher günstig der Indikation mittels Tieren stehen dabei be- (3) Indikatorischer Wert: eher günstig sonders solche Ökosystemeigenschaften im Fo- (4) Vorhandensein von Roten Listen: eher un- kus, welche mit anderen Methoden nicht oder günstig nur mit sehr hohem Aufwand ermittelt werden (5) Bearbeitungsaufwand: eher ungünstig ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 7

Insgesamt stufen PLACHTER et al. (2002) die immer wieder neue Wanzenarten finden, etwa Wanzen hinsichtlich ihrer Eignung für planeri- aufgrund von Verschleppungen und Einwande- sche Fragestellungen in die Kategorie „eher un- rungen (u. a. SIMON 2003, FORSTER et al. 2005, günstig“ ein. Damit rangieren die Wanzen zu- RABITSCH & HEISS 2005, WERNER 2006), durch sammen mit Schwebfliegen oder Zikaden hin- faunistische Neuentdeckungen (u. a. GÜNTHER ter Nachtfaltern (eher günstig) oder Ameisen & STRAUß 2006) sowie aufgrund taxonomischer (eher günstig). Diese Beurteilung erfolgte auf- Änderungen (u. a. GÜNTHER 1997, RIEGER & RA- grund des Wissensstands aus dem Jahr 2000. BITSCH 2006). Selten werden auch für die Wis- Mittlerweile sind jedoch neue Erkenntnisse et- senschaft neue Arten in Mitteleuropa entdeckt wa zu Ökologie, Taxonomie, Verbreitung und und beschrieben (z. B. HECKMANN 2000). Gefährdungssituation (Rote Listen) hinzuge- GÜNTHER & SCHUSTER (2000) listen für Mittel- kommen, und wurden Wanzen verstärkt in der europa 1088 Wanzenarten auf, spätere Ergän- Naturschutzforschung und -praxis als Indika- zungen sind bei HOFFMANN & MELBER (2003) torgruppe eingesetzt. Daher soll im folgenden für Deutschland und bei RABITSCH (2005b) für Abschnitt ein Überblick über die derzeitige Si- Österreich zu finden. Die aktuelle Systematik tuation bezüglich der oben genannten fünf Be- und Nomenklatur (inkl. Synonymen) wird im urteilungskriterien gegeben werden. Katalog der paläarktischen Heteropteren zu- sammengefasst (AUKEMA & RIEGER 1995, 1996, 2.3 Die Eignung der Wanzen als Indikatoren 1999, 2001, 2006). Ein weiterer Band mit Neue- im Naturschutz rungen und Korrekturen ist zurzeit in Vorbe- reitung (AUKEMA in litt.). 2.3.1 Kriterium „Kenntnisstand“ Zusammenfassende Länderlisten gibt es für Nach ACHTZIGER (1999) sind für den Einsatz Deutschland (HOFFMANN & MELBER 2003, einer Insektengruppe als Indikator- oder Zei- HOFFMANN 2004a; 867 Arten) und für Öster- gergruppe in der Naturschutzforschung insbe- reich (RABITSCH 2005b; 894 Arten). Für die sondere genaue Kenntnisse Schweiz liegt keine publizierte Gesamtartenliste – über die einzelnen Arten (Faunistik / Ver- vor: DI GIULIO et al. (2000a) erwähnen (nach ei- breitung, Taxonomie, Bionomie, Ökologie) ner unpublizierten Liste von A. OTTO) 758 und ihre Beziehung zu bestimmten ökologi- schweizerische Wanzenarten. In Deutschland schen und naturschutzrelevanten Faktoren liegen für alle Bundesländer, in Österreich nur und Parametern (z. B. Habitatzustand, Nut- für drei von neun Bundesländern Artenver- zung, Vegetation) sowie zeichnisse vor (RABITSCH 2005b). – über die Struktur und Dynamik der (loka- Die Anzahl an heteropterologisch arbeiten- len) Artengemeinschaften und die sie beein- den Entomologen war historisch immer und ist flussenden Parameter und Prozesse erfor- auch derzeit noch relativ gering (RABITSCH derlich. 2006b). Derzeit gehören der „Arbeitsgruppe Im Folgenden wird ein Überblick über den Mitteleuropäischer Heteropterologen“ ca. 60 derzeitigen Kenntnisstand zu den Aspekten bis 70 Wanzenkundige an. Es sind zwar zahlrei- Ökologie und naturschutzrelevante Faktoren, che Faunenverzeichnisse und Checklisten für Taxonomie und Verbreitung für die Wanzen bestimmte Städte, Regionen und Bundesländer gegeben, wobei der Schwerpunkt auf dem verfügbar, der faunistische Erforschungsstand deutschsprachigen Raum liegt. kann sich jedoch regional erheblich unterschei- den. Diese zum Teil lückenhaften Datengrund- (a) Kenntnisse zum faunistischen Bearbei- lagen zur regionalen und überregionalen Ver- tungsstand breitung und zu den Abundanzen von Wanzen Der faunistische Bearbeitungsstand für den müssen entsprechend bei naturschutzfach- Bezugsraum kann als sehr gut bezeichnet wer- lichen Auswertungen berücksichtigt werden den. Das überregionale Arteninventar ist annä- (z. B. Einstufung der regionalen Seltenheit, re- hernd vollständig erfasst, wobei sich in Mittel- gionale Gefährdung). So erbrachte eine einjäh- europa – wie in anderen Tiergruppen auch – rige Untersuchung einer Moorfläche in den als 8 Insecta, Heft 10, 2007 faunistisch gut erforscht geltenden österreichi- ständig in die südlichen Refugialgebiete ge- schen Bundesländern Kärnten und Steiermark drängt, von wo die postglaziale Wiederbesied- 14 Bundesland-Erstnachweise (FRIEß 1998). lung erfolgte. Die erst kürzlich beschriebenen Erwartungsgemäß sind im Alpengebiet die Weichwanzenarten Blepharidopterus riegeri Lücken in der faunistischen Erforschung größer (HECKMANN, 2000) und Dicyphus botrydis RIE- als in den Tal- und Mittelgebirgslagen. Hier GER 2002 sind bislang nur aus der Schweiz und harren mit großer Wahrscheinlichkeit noch ei- Deutschland bekannt, eine weitere Verbreitung nige Besonderheiten ihrer Erforschung. Klein- ist aber zu erwarten. räumig verbreitete Endemismen, z. B. Gipfel- Die Auffüllung dieser bestehenden Wissens- oder Höhlenendemiten, sind innerhalb der lücken kann grundsätzlich nur durch verstärkte Wanzen in Mitteleuropa nicht bekannt (jedoch faunistische und ökologische Untersuchungen in Slowenien, z. B. GOGALA 2006). Die österrei- erfolgen. Für besser untersuchte Gebiete liegt chische Endemiten-Bearbeitung von RABITSCH jedoch, je nach Anzahl und Aktivität der (in Vorb.) weist keine Endemiten (100 % des Heteropterologen, im Vergleich zu anderen Areals in Österreich) und nur wenige Suben- ähnlich umfangreichen Tiergruppen wie Zika- demiten (mindestens 75 % des Areals in Öster- den, Spinnen oder auch Totholzkäfern eine gu- reich) aus. Offenbar wurde die Wanzenfauna te regionale Datengrundlage für ökologisch-an- Mitteleuropas durch die Eiszeiten nahezu voll- gewandte Auswertungen vor.

Tabelle 1. Zusammenstellung von Bestimmungswerken für die Wanzen Mitteleuropas

Gruppen Literatur

Alle Gruppen WAGNER (1952, 1961, 1966, 1967), STICHEL (1957-1962), SOUTHWOOD & LESTON (1959) Larvenstadien: SOUTHWOOD (1956)

Nepomorpha, Gerromorpha NIESER (1978), SAVAGE (1989), ANDERSEN (1994, 1996), RABITSCH (2005c)

Corixidae JANSSON (1986)

Miridae WAGNER & WEBER (1964)

Saldidae, Leptopodidae PÉRICART (1990)

Tingidae PÉRICART (1983)

Nabidae PÉRICART (1987)

Anthocoridae, Cimicidae, PÉRICART (1972) Microphysidae

Lygaeidae PÉRICART (1999a, b, c)

Piesmatidae HEISS & PÉRICART (1983)

Berytidae PÉRICART (1984)

Coreoidea MOULET (1995)

Pentatomoidea part DERJANSCHI & PÉRICART (2005) ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 9

(b) Kenntnisse zur Taxonomie und Vorhan- HETEROPTERON (Hrsg. H.-J. Hoffmann, densein von Bestimmungsliteratur Universität zu Köln) auch eine periodisch er- Für die Bestimmung der Heteropteren scheinende Zeitschrift heraus. Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ste- hen derzeit nur die z. T. revisionsbedürftigen (c) Kenntnisstand zur Ökologie und zu natur- Werke von WAGNER (1952, 1961, 1966, 1967) schutzfachlichen Faktoren und STICHEL (1957 bis 1962) sowie zahlreiche Obwohl es in manchen Gattungen und Ar- Einzelveröffentlichungen zur Verfügung. ten (vor allem kleinere und versteckt lebende Außerdem gibt es für eine Reihe von Wanzen- Formen) nur ungenaue Angaben zur Ökologie gruppen aktuelle und teilweise hervorragende gibt, kann die Biologie und Ökologie der Wan- Bestimmungswerke, vorwiegend in französisch zenarten Mitteleuropas allgemein als gut er- und englisch, mit der eine Bestimmung der Ar- forscht gelten. Viele für naturschutzfachliche ten in Mitteleuropa weitestgehend sicher erfol- Aussagen notwendige Angaben zu Lebensweise gen kann (Tabelle 1). (Lebenszyklus, Überwinterung), Biologie/Öko- logie (z. B. Habitatansprüche, Nahrungspflan- Zur sicheren Bestimmung mitteleuropäi- ze, Ernährungsweise) und Biogeographie fin- scher Wanzen ist allerdings - ähnlich wie bei al- den sich in den oben genannten Bestimmungs- len anderen Insektengruppen auch - eine mehr- werken (Tabelle 1), insbesondere in WAGNER jährige Erfahrung erforderlich und die Verwen- (1952ff.), WAGNER & WEBER (1964), STICHEL dung einer Vergleichssammlung ratsam. (1957ff.), SOUTHWOOD & LESTON (1959) und Heteropteren werden am besten trockenpräpa- PERICART (1972ff.) sowie in den synthetischen riert und auf Plättchen geklebt (ABRAHAM Arbeiten von J. STEHLÍK (z. T. gemeinsam mit 1991). Bei diversen Gattungen ist eine Genital- I. VAVRÍNOVÁ) der Jahre 1982 bis 2002. Eine zu- präparation zur Artdiagnose unumgänglich. sammenfassende Neubearbeitung für alle Grundsätzlich ist somit eine sichere Bestim- Heteropteren Deutschlands und Österreichs le- mung von mitteleuropäischen Wanzen unter gen WACHMANN et al. (2004, 2006, in Vorb.) Umständen aufwändig, aber in beinahe 100 % vor. Weitere Hinweise finden sich etwa in DO- der Fälle möglich. ROW et al. (2003) oder RABITSCH (2007a). In der Das Fehlen eines aktuellen, deutschsprachi- Arbeit von RABITSCH et al. (in Vorb.) wird der gen Bestimmungsbuches erschwert natürlich aktuelle Kenntnisstand zur Ökologie der mittel- insbesondere den Einstieg in die Determination europäischen Heteropteren tabellarisch aufge- der Wanzen. Allerdings wird ein solches Be- listet, wodurch die Verwendung von Wanzen stimmungswerk in WACHMANN et al. (2006) für als Bioindikatoren und für statistische Auswer- die Zukunft angekündigt. Es soll als Ergänzung tungen bei naturschutzfachlichen Projekten zu den Wanzenbänden der Tierwelt Deutsch- wesentlich erleichtert werden wird. Weitere In- lands (WACHMANN et al. 2004, 2006, in Vorb.) formationen sind in zahlreichen Einzelarbeiten dienen, in denen alle mitteleuropäischen Wan- enthalten, die entweder einzelne Arten, meis- zenarten zum Großteil mit Farbfotos und ihre tens jedoch Artengemeinschaften in bestimm- Lebensweise vorgestellt werden. Als weitere ten Lebensräumen oder unter bestimmten Fra- Hilfestellung bei der Bestimmung von Wanzen gestellungen behandeln (vgl. ZIMMERMANN & liegt eine von Gerhard Strauß (Biberach, MORKEL 2001). Deutschland) zusammengestellte DVD über In Tabelle 2 wird eine subjektive und sicher- Wanzen mit aktuell über 1100 Arten vor, wo- lich nicht vollständige Auswahl der uns verfüg- von bei vielen auch Abbildungen der Genital- baren ökologisch-faunistischen und ange- strukturen gezeigt werden. wandt-ökologischen Arbeiten über Wanzen in Grundsätzlich empfiehlt sich für Anfänger mitteleuropäischen Biotoptypen präsentiert, die Kontaktaufnahme zu arrivierten Bearbei- wobei der Schwerpunkt der Zusammenstellung tern, z. B. über die „Arbeitsgruppe Mitteleuro- auf dem deutschsprachigen Raum liegt. Viele päischer Heteropterologen“. Die Arbeitsgruppe der berücksichtigten Arbeiten beschäftigen sich organisiert jährliche Treffen und gibt mit dem auch mit ökologischen bzw. naturschutzfach- 10 Insecta, Heft 10, 2007

Tabelle 2. Auswahl von naturschutzrelevanten Arbeiten über die Wanzen der wichtigsten Biotoptypen Mitteleuropas (Biotoptypen verändert nach RIECKEN et al. 2006)

Biotoptyp Literaturquellen

Küstenbiotope NIEDRINGHAUS & BRÖRING (1986, 1992), BRÖRING & NIEDRINGHAUS (1989, 1992), MARTSCHEI (1997), BRÖRING (2001), PAULUS (2002),

Fließende Gewässer MESSNER et al. (1982), WEIGELHOFER et al. (1992), HOFFMANN (2004b)

Stehende Gewässer SCHUSTER (1992), GRIMM (1994), NIEDRINGHAUS et al. (1997), BRÖRING (2001) neu geschaffene Teiche: LÖDERBUSCH (1984), HEITKAMP et al. (1985), GEILING & DÜX (1993), GEILING (1994), WOLLMANN (2000), BÍRO (2003)

Hoch- und MELBER & HENSCHEL (1981), ZIMMERMANN (1983), REMANE & REIMER (1989), Zwischenmoore RIEGER (1989), ACHTZIGER & SCHOLZE (1996, im Druck), EHRLINGER et al. (1997), WAGNER (1999), FREESE (2003)

Niedermoore, GÜNTHER (1988), GÖLLNER-SCHEIDING (1990), ACHTZIGER & SCHOLZE (1996), Röhrichte SCHUSTER (1995), NIEDERER (1998a, 2003), FRIEß (1998)

Grünland, LEHMANN (1932), MARCHAND (1953), REMANE (1958), VOELLMY & SAUTER allgemein (1983), DI GIULIO (2000), DI GIULIO et al. (2000a)

– Feucht- und THARSEN (1987), HILDEBRANDT (1995), ACHTZIGER et al. (1995, unpubl.), Nassgrünland ACHTZIGER et al. (1999a), SIMON (2007), Überschwemmungsflächen: WITSCHI & ZETTEL (2002)

– Frischwiesen und BONESS (1953), SCHÄFER (1993), SCHÄFER et al. (1995), ROTH (1998), -weiden ACHTZIGER et al. (1999a), ZURBRÜGG & FRANK (2006)

– Trocken-/Mager- BORNHOLDT (1991), BERNHARDT (1996), MARTSCHEI (2004), RABITSCH & rasen, Heiden WAITZBAUER (1996), RABITSCH et al. (1998), OTTO (1996), FRIEß et al. (2004), KEIENBURG et al. (2004), SCHMIDT & MELBER (2004), MORKEL (2006)

Wälder, diverse ŠTEPANOVIÈOVÀ (1973), KØISTEK & DOBŠIK (1985), ACHTZIGER (1991) Baumarten GÖLLNER-SCHEIDING (1992), SIOLI (1996); MAIER (1997), BRÄNDLE & RIEGER (1999), DOROW (1999, 2001, 2006), ŠTEPANOVIÈOVÀ & DEGMA (1999), WEGE- NER & ROTH (1999), FRIEß (2000a), MORKEL (2001b), FLOREN & GOGALA (2002), ENGEL & GOßNER (2004), GOßNER & BRÄU (2004), GOßNER (2004, 2005, 2006), GOßNER & AMMER (2006), WERNER (2004)

Hecken, ZWÖLFER (1984), ZWÖLFER et al. (1984), ACHTZIGER (1991, 1995, 1997, Waldmäntel, 1998), SIMON (1992), BERNHARDT (1993), CARL (1993), ACHTZIGER et al. Feldgehölze, (1999b), REIF & ACHTZIGER (2001) (Streu-)Obst- bestände, Ufergehölzstreifen ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 11

Biotoptyp Literaturquellen

Acker, BERNHARDT (1986), MUNK (1986), RAUS (1990), ACHTZIGER (1991), AL- Ackerbrachen, BRECHT (1997), ROTH (1997), HATTWIG (1997), FAUVEL (1999), FRIEß (1999, Ruderalflächen, 2003), ULLRICH (1999, 2001), PACHINGER (2002), ASTERAKI et al. (2004), Raine und Säume DAMKEN & BIEDERMANN (2007)

Biotope der Alpen FRIEß (2000b, 2006), FRIEß & ADLBAUER (2007)

Biotopkomplexe/ Flussmarschgebiet: BERNHARDT & HANDKE (1998), BRÖRING & NIEDRING- Landschaften HAUS (1997), MARTSCHEI (1997), Trockengebiet: BERNHARDT (1985), MOR- KEL (2001a)

Sonstige Biotope Bergsturzgebiet: FRIEß (2001) Sprengfläche: HULTSCH (2004, unpubl.) Sandgruben: BERNHARDT & HANDKE (1994) Sandberge und Binnendünen: PENTH (1952), BURGHARDT & RIEGER (1978), GÜNTHER et al. (1982), GÜNTHER (1987), RIEGER et al. (1989), ŠTEPANOVIÈOVÀ & BARANCOVÀ (1993), VOIGT (1994); RABITSCH (2002a,b) Binnen-Salzlebensräume: RABITSCH (2006a) Trockenmauern: OBERMANN (2000) Heißländen (Trockenstandorte auf Schotterflächen in der Donau), Trockenauen: RIEGER (2000), RABITSCH (2005a) Weinbaugebiete: BURKHOLDER (1993, unpubl.) Bergbaufolgelandschaften: BRÖRING & WIEGLEB (1999, 2005), BRÖRING et al. (2005) Schwermetallbelastete Flächen: HÄNSEL (2001, unpubl.) Urbane Biotope: BRÖRING & NIEDRINGHAUS (1988), ZELTNER (1989), GÖLLNER-SCHEIDING (1992), HOFFMANN (1992), BRUELHEIDE & ZUCCHI (1993), WYNIGER & BURGHARDT (2003), HELDEN & LEATHER (2004), RABITSCH (2004), ACHTZIGER & TAUTENHAHN (2006) Militärische Übungsplätze: MELBER et al. (1996), GÜNTHER (2003), FRIEß & ADLBAUER (2007) lichen Aspekten wie dem Auftreten seltener 2.3.2 Kriterium „Verfügbarkeit etablierter Er- und gefährdeter Arten, liefern Aussagen zum hebungsmethoden“ Einfluss der Bewirtschaftung, den Gefähr- Da die Wanzen eine außerordentliche Viel- dungsfaktoren und fallweise auch Hinweise auf seitigkeit hinsichtlich ihres Vorkommens in optimierende oder erhaltende Maßnahmen. unterschiedlichsten Straten (Boden, Moos-, Tabelle 3 enthält eine Auswahl an ökologi- Kraut-, Baumschicht) und Lebensraumtypen schen Studien, die sich mit dem Einfluss ökolo- (alle limnischen und terrestrischen sowie diver- gischer bzw. naturschutzrelevanter Parameter se Mikrohabitate) aufweisen (s. Kap. 3), muss auf Wanzenarten und deren Zönosen beschäf- bei qualitativen Erfassungen oder Kartierun- tigt. Weitere Beispiele und Ergebnisse von Stu- gen der in einem Gebiet vorkommenden Wan- dien werden in Kap. 4 erörtert. zenarten immer eine Kombination an Erfas- Zusammenfassend kann gesagt werden, sungsmethoden angewandt werden. Dieser Me- dass ausreichende Kenntnisse und Fallstudien thodenmix besteht zumeist aus Kescherfang für den Einsatz von Wanzen als Indikatoren für (Krautschicht), Klopfmethode (Gebüsch- und naturschutzfachliche Aussagen vorliegen. Zu- untere Baumschicht) sowie gezieltem Handfang dem werden diese Grundlagen bei einem ver- an potenziell geeigneten Stellen (unter Rinde, stärkten Einsatz der Heteropteren weiter ausge- unter Steinen, im Moos) oder bestimmten baut. Pflanzenarten. Hinzu kommen je nach Frage- 12 Insecta, Heft 10, 2007

Tabelle 3. Auswahl von Literatur zur Struktur von Wanzenzönosen im Zusammenhang mit naturschutzrelevanten Faktoren

Untersuchungsparameter Literaturquellen

Habitatparameter

Vegetation (Zusam- Offenbiotope: DI GIULIO (2000), DI GIULIO et al. (2000a, b), INDER- mensetzung, MAUR (2001), ZURBRÜGG & FRANK (2006) Diversität, Struktur) Gehölzbiotope: ACHTZIGER (1995, 1997, 1998)

Alter/Sukzession- Allgemein: BROWN (1982) stadium Trockengrünland: BORNHOLDT (1991), MARTSCHEI (2004) Ackerbrachen: GREILER (1994), PACHINGER (2002), FRANK & KÜNZLE (2006) Almweiden: FRIEß (unpubl.) Städtische Brachflächen: DAMKEN & BIEDERMANN (2007) Künstlich angelegte Teiche: LÖDERBUSCH (1984), HEITKAMP et al. (1985), BERNHARDT (1991), GEILING & DÜX (1993), GEILING (1994), WIPRÄCHTIGER (1999) Sandgruben: BERNHARDT (1989) Hecken/Waldmäntel: ACHTZIGER (1995, 1998) Streuobstbestände: ACHTZIGER et al. (1999b), ACHTZIGER et al. 2001, unpubl.) Sonstige: BERNHARDT (1989), BERNHARDT & HANDKE (1989), ULLRICH (2001)

Flächengröße Hecken/Waldmäntel: ACHTZIGER (1995) Ackerbrachen: KAUWLING et al. (1995)

Isolation/Fragmentierung STÖCKLI & DUELLI (1989), BECKER (1992), OTTO (1996), DUELLI & OBRIST (2003b), HINES et al. (2005)

allgemeine Biodiversität DUELLI & OBRIST (1998), OBRIST & DUELLI (1998)

Nutzungsparameter

Nutzung/Pflege/Nutzungs- REMANE (1958), ZELTNER (1989), BOCKWINKEL (1990), MORRIS (1990 extensivierung a,b), SIMON (1992), MELBER (1993), SCHÄFER (1993), SCHÄFER et al. (1995), OTTO et al. (1995), OTTO (1996), ALBRECHT (1997), NIEDERER (1998b), FRIEß (1999), ACHTZIGER et al. (1999a), BORNHOLDT et al. (2000, 2001), DI GIULIO (2000), INDERMAUR (2001), FRIEß et al. (2001, 2004), PACHINGER (2002), FREESE (2003), ENGEL & GOßNER (2004), MANHART et al. (2004), RABITSCH (2005a), FRIEß (2006)

Düngung/Immissionen REMANE (1958), VOIGT (1985), DOROW (1994), DI GIULIO (2000), DI GIULIO et al. (2001), BORNHOLDT et al. (2001), PERNER et al. (2003)

Mahd BONESS (1953), OST (1979), MORRIS & PLANT (1983), BOCKWINKEL (1988, 1990), BORNHOLDT (1991), KLIEBER et al. (1995), OTTO et al. (1995), SCHÄFER et al. (1995), OTTO (1996), BORNHOLDT et al. (1997, 2001), ACHTZIGER et al. (1999a), GERSTMEIER & LANG (1999), DI GIULIO et al. (2000a, b, 2001) ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 13

Untersuchungsparameter Literaturquellen

Beweidung BORNHOLDT (1991), SIMON (1992), SCHÄFER (1993), KOTT (1995), SCHÄFER et al. (1995), OTTO (1996), MORKEL (2001a, 2002), KRUESS & TSCHARNTKE (2002), KEIENBURG et al. (2004), SCHMIDT & MELBER (2004), ZURBRÜGG & FRANK (2006), RABITSCH (2007b)

Brennen MORRIS (1975), MELBER & PRÜTER (1997), WYNIGER & DUELLI (2000), SCHMIDT & MELBER (2004), FRIEß (unpubl.)

Mulchen BORNHOLDT (1991), BORNHOLDT et al. (1997), BORNHOLDT et al. (2001)

Gehölzrückschnitt/ BORNHOLDT (1991), GREATOREX-DAVIS (1994), RABITSCH et al. Schwenden/Gehölzentfer- (1998), MORKEL (2001a), RABITSCH (2002a) nung, Aufforstung

Verjüngungseingriffe im ENGEL & GOßNER (2004) Wald

Gebietsfremde Wirtspflan- WERNER (1994, 2004), GOßNER, (2004), GOßNER & BRÄU (2004) zen (Neophyten)

Gentechnisch veränderte ZWAHLEN et al. (2000), PONSARD et al. (2002), GRÜNBACHER & Organismen (GMOs), Bio- KROMP (2006) landbau stellung und Lebensraumtyp weitere entomolo- werte, die sich auf kleinflächige Standorte (200 gische Standardfreilandmethoden, die jeweils bis 500 m2) mit klar abgrenzbaren Vegetations- einen spezifischen Teil der Wanzenzönose er- einheiten beziehen (bei linearen Lebensraumty- fassen: Lichtfallen, Malaise-Fallen, Eklektorfal- pen 50 m Länge) und daher je nach Fragestel- len, Bodensieb, Bodenfallen, Saugfallen, Was- lung und Lebensraumausstattung modifiziert serkescher u. ä. (Tabelle 4). werden müssen. Dies ist etwa bei vergleichen- Für (semi-)quantitative Erfassungen der den quantitativen Studien mit einer Vielzahl an Wanzengemeinschaften einschließlich der In- Untersuchungsflächen der Fall; hier müssen die dividuenzahlen der einzelnen Arten für verglei- Anzahl an Begehungen und der Beprobungs- chende Analysen und statistische Auswertun- aufwand an die Kapazitäten angepasst werden gen sollte der Probeumfang standardisiert und (s. u.). Geeignet sind die angegebenen Metho- zumindest innerhalb der Studie einheitlich sein. den insbesondere für Umweltverträglichkeits- Hierzu sollte die Schlaganzahl mit dem Kescher studien, Pflege- und Entwicklungsplanungen, in einem bestimmten Areal limitiert werden, Beweissicherung, Renaturierungsplanung, Mo- der Zeitraum für die Handsuche festgelegt und nitoring und Erfolgskontrolle. Detaillierte Hin- bei der Verwendung von Fallen die Fallenan- weise zum Erhebungsaufwand von Wanzen be- zahl sowie bei Saugfängen die Anzahl an Saug- zogen auf unterschiedliche Planungs- und punkten normiert werden. Maßstabsebenen finden sich bei ZIMMERMANN In Tabelle 5 werden Empfehlungen zu Sam- & MORKEL (2001). melmethoden und Umfang sowie Abschätzun- Bei der Untersuchung von Offenlandstand- gen des zu veranschlagenden Zeitaufwands zur orten hat sich etwa eine semiquantitative Erfas- Beurteilung von Heteropterenzönosen von Ein- sung mit 60 bis 100 Kescherschlägen für Arten zelflächen im Rahmen naturschutzfachlicher der Gras- und Krautschicht und eine ca. 30mi- Fragestellungen in verschiedenen Lebensraum- nütige Handsuche an bestimmten Nahrungs- typen gegeben. Es handelt sich dabei um Richt- pflanzen und Kleinstlebensräumen (z. B. Rinde, 14 Insecta, Heft 10, 2007

Totholz, unter Steinen, Feuchtstellen, Moos- Anzahl mono-undoligophagerArten sind even- polster) nach Lebensraumspezialisten in Kom- tuell eine nach Nahrungspflanzen differenzierte bination mit Bodenfallen zur Erfassung der Beprobung und eine entsprechende Wirtspflan- endo- und epigäisch lebenden Wanzenarten be- zenkenntnis der Bearbeiter notwendig. währt (Tabelle 5). Alternativ kann ein Boden- Bei der Erfassung von Wanzen sind somit sauger (D-Vac, umgebauter Laubsauger) quan- alle reproduzierbaren Fangmethoden, mit den titative Daten liefern (vgl. STEWART 2002), wo- für Wirbellose allgemein geltenden Einschrän- bei der Erfassungsgrad nach Erfahrungen der kungen (u. a. kurze Aktivitäts- und Imaginal- Autoren bei Wanzen im Vergleich zu Zikaden zeit, sehr geringe Ansprüche an die Flächengrö- geringer ausfällt. Für verbuschte oder baumbe- ße, geringe Körpergrößen von nur wenigen stockte Lebensräume empfiehlt sich der nor- Millimetern) anwendbar. Freilanderhebungen mierte Einsatz eines Klopfschirms zur Erhe- von Wanzen konzentrieren sich auf den Zeit- bung der arborikolen Wanzengemeinschaft raum Mai bis Anfang Oktober. Die höchste Ar- (STECHMANN et al. 1981). Aufgrund der hohen tenvielfalt wird in den Monaten Juni bis August

Tabelle 4. Fangmethoden in Bezug auf Straten und besondere Habitate bzw. für spezielle, mit gängigen Fangmethoden schwer nachweisbare Taxa

Stratum / Habitate Methoden Taxa

Wasserkörper Wasserkescher, Schöpfei- Corixidae, Nepidae, Naucori- mer, (Unterwasser)Lichtfallen, dae, Aphelocheiridae, Noto- Handfang, Trichterfallen, nectidae, Pleidae Reusenfallen

Wasseroberfläche Wasserkescher, Handfang, Gerridae, Veliidae, Mesovelii- Schöpfeimer dae, Hydrometridae

Uferzonen Handfang, (Bodenfallen) v. a. Saldidae, Dipsocoridae

Boden- und Streuschicht Handfang, Bodenfallen, Bo- v. a. Tingidae, Cydnidae, Ly- densieb, Ausschütteln über gaeidae, Pentatomidae Schale

Moos Handfang, Bodensieb, Aus- v. a. Hebridae, Tingidae, Ce- schütteln über Schale ratocombidae, Dipsocoridae

Borke, Rindenspalten Abkehren, Handfang, Baum- v. a. Aradidae, Anthocoridae, becherfallen, Stammeklektor- Reduviidae (Empicoris spp.), fallen, Wellpappmanschette , Microphysidae

Baummulm, Altgras, Laub Handfang, Bodensieb, Aus- diverse Familien schütteln über Schale

Kronenraum Lufteklektorfallen, Fenster- diverse Familien, v. a. Miridae fallen, Malaisefallen

Vogelnester, Handfang/-absuche, Cimicidae Fledermausquartiere, Absuche des Quartierumfelds menschliche Behausungen

Biotopkomplexe Lichtfallen v. a. Nepomorpha, Miridae ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 15 erreicht, in höheren Gebirgslagen ist ein Einsatz von Heteropteren als Indikatoren finden sich nicht vor Anfang Juli sinnvoll. Für vergleichen- beispielsweise bei RIECKEN (1992): Nabis-Arten de quantitative Studien mit zahlreichen Unter- (Nabidae, Sichelwanzen) als indikatorisch rele- suchungsflächen haben sich nach Erfahrungen vante Zeiger für den Zustand des Wasserhaus- der Verfasser drei Beprobungen im Jahr in fol- haltes in Hoch- und Zwischenmooren (vgl. genden Zeiträumen (je nach Region und Wet- MELBER & HENSCHEL 1981), Wanzen als geeig- terentwicklung) bewährt: Ende Mai/Anfang bis nete Bioindikatoren für das Klimaxstadium Mitte Juni, Ende Juni/Mitte Juli, Ende Juli/Mit- mittelfeuchter Laub- und Mischwälder oder für te August. Bei fünf Begehungen sollte jeweils die Beurteilung gehölzgeprägter Biotope der of- ein Termin vor und nach diesen Zeiträumen fenen Landschaft (vgl. ZWÖLFER et al. 1984). eingeplant werden. Weiterführende Hinweise KLAUSNITZER (1994) schlägt die Verwendung zu Erfassungsmethoden finden sich zum Bei- bestimmter Wanzengruppen als Modellgruppe spiel bei REMANE (1958), STECHMANN et al. vor, insbesondere bei Untersuchungen von Ge- (1981), DECKERT & HOFFMANN (1993), MELBER büschen und Hecken, von Grünland, von Ma- (1999a), BORNHOLDT et al. (2000) und STEWART ger- und Trockenrasen bzw. bei Vorhaben, die (2002). Still- und Fließgewässer sowie Moore betreffen. Gerade im Zusammenhang mit Pflanzenerhe- 2.3.3 Kriterium „Indikatorischer Wert“ bungen sind nach HELB (2000) gute Ergebnisse Der indikatorische Wert einzelner Wanzen- mit Heteropteren als Indikatorgruppe erzielbar. arten und in Folge der Wanzenzönose in einem Als Zielarten für ein naturschutzorientiertes Gebiet ergeben sich aus den Kenntnissen zur Monitoring finden sich in HANDKE & HELLBERG Ökologie, insbesondere zur Biotop-, Habitat- (2007) Hinweise auf bestimmte aquatische und Nährpflanzenbindung der einzelnen Arten Heteropteren. Auf den besonderen indikatori- und der sie beeinflussenden Faktoren, die in schen Wert der Wanzen für Aussagen über die Kap. 2.3.1 zusammengestellt wurden. Zwar sind Biodiversität wird in Kap. 3 eingegangen. noch lange nicht für alle Arten die ökologisch Da Wanzen rasch und kleinräumig auf Le- relevanten Faktoren für die Populationsent- bensraumveränderungen reagieren, sind sie wicklung bekannt, doch können insbesondere auch für Aussagen im Rahmen von Monito- anhand der zumeist bekannten Biotopbindung ringprogrammen, z. B. für die Erfolgskontrolle der Arten ausreichende Aussagen über Zustand naturschutzfachlicher Maßnahmen oder der und Wertigkeit von Lebensräumen getroffen Bewertung der Besiedelung von Lebensräumen werden (vgl. Tabelle 2, 3; Kap. 4). In Summe ge- geeignet (z. B. ACHTZIGER 1997, ACHTZIGER et al. sehen sind viele Wanzen hinsichtlich ihres Indi- 1999a, BORNHOLDT et al. 2000, ACHTZIGER & katorwerts und ihrer Ansprüche gut unter- SCHOLZE im Druck) (s. Kap. 4). Auch unter den sucht. Sie liefern eine hohe Aussagekraft über Wasserwanzen gibt es Pionierarten, die neu verschiedene Standortfaktoren wie z. B. Mikro- entstandene Wasserflächen innerhalb kürzester klima, Vegetationsstruktur und -zusammenset- Zeit besiedeln können (z. B. HEITKAMP et al. zung, Nutzungsintensität und Schadstoffbelas- 1985). Auf der anderen Seite gibt es aber auch tung. Dies gilt gleichermaßen für Land- und zahlreiche Wanzenarten, die sehr ortstreu sind Wasserwanzen. und im Extremfall mit wenigen Quadratmetern Nach STICKROTH et al. (2003) haben Wan- als Vollhabitat auskommen (KAUWLING et al. zen eine hohe Aussagekraft für den Zustand 1995), insbesondere wenn sie brachypter oder von Feucht- und Intensivgrünland, Trocken- apter und somit flugunfähig sind. Diese klein- grünland, Niedermooren, Feucht-Nassstellen, räumige Raumnutzung macht Wanzen gerade ungenutzte Trockenbereichen, Au- und Bruch- bei der Bewertung von einzelflächenbezogenen wäldern, Stillgewässern mit Uferzonen sowie ei- Maßnahmen (z. B. im Vertragsnaturschutz und ne mittlere Aussagekraft für ungenutzte Tro- bei der Erfolgskontrolle von Bewirtschaftungs- ckenbereiche, Obstwiesen, Gehölze/Hecken, auflagen) zu einer sehr gut geeigneten Indika- Fließgewässer mit Uferzonen und hochalpine torgruppe. Dies wird durch die innerhalb der Lebensräume. Empfehlungen zur Verwendung terrestrischen Wanzen weit verbreitete Homo- 16 Insecta, Heft 10, 2007

Tabelle 5. Vorschläge zum Freiland-Untersuchungsdesign zur Erfassung von Wanzen in verschiedenen Lebensraumtypen bezogen auf die drei Auswertungsebenen.

Abkürzungen: Qual./AL = qualitativ/Artenliste, Squant./ÖF = semiquantitativ/ökofaunistisch, Quant./stat. = quantitativ/sta- tistisch., Det. = Determination, h = Stunden, min = Minuten, Kschl. = Kescherschläge, Beg. = Begehung(en); Erläuterun- gen: Zeitaufwand-Freiland: es wurden Mittelwerte herangezogen, der Aufwand kann je nach Flächengröße und Habitat- vielfalt variieren; Zeitaufwand-Determination: ausgegangen wird von einer mehrjährigen Erfahrung mit guter Artenkenntnis, speziell im Freiland (selektive Mitnahme von nicht sicher bestimmbaren Arten bei nicht-automatischen Aufsammlungen); Kescherschläge: entlang eines Transektes, der alle wesentlichen Habitate innerhalb einer Untersuchungsfläche berück- sichtigt; Handfang: Handfang mit und ohne Exhaustor bzw. Sichtnachweis, ist in Kombination mit dem Kescherfang zeit- lich immer danach durchzuführen; Wasserkescher: Abkeschern von definierten Gewässerabschnitten vom Ufer aus. Lebensraumtyp Unter- Methoden & Umfang Zeitaufwand suchung Freiland Det. Offenes Qual./AL Kescherfang (100 Kschl.) 3 Beg. à 1 h = 3 h 4 h Kulturland: Handfang (30 min) Wirtschaftsgrün- Squant./ Kescherfang (100 Kschl.) 5 Beg. à 1,5 h = 7,5 h 10 h land, offene ÖF Handfang (30 min; kann bei Brachen und Einsatz von Bodenfallen Ruderalflächen, entfallen) Niedermoor- evtl. Bodenfallen (5 Stück) wiesen (Äcker) Quant./st Kescherfang (100 Kschl.) 8 Beg. à 1 h = 8 h 15 h Wälder – at. Bodenfallen (5 Stück) ODER Unterwuchs (ohne Saugfang (100 Saugpunkte) Gehölzschicht) Strukturreiches, Qual./AL Kescherfang (100 Kschl.) 3 Beg. à 1,5 h = 4,5 h 6 h halboffenes Handfang (30 min) Kulturland: Klopfmethode (dominante Streuobstbestän- Gehölzarten) den, Hutweiden Squant./ Kescherfang (100 Kschl.) 5 Beg. à 2 h = 10 h 12 h Almen, ÖF Handfang (30 min; kann bei verbuschte Einsatz von Bodenfallen Magerwiesen, entfallen) Heiden, mittlere evtl. Bodenfallen (5 Stück) bis ältere Klopfmethode (10 Grünland- Klopfpositionen pro Sukzessions- Gehölzart) stadien Quant./st Kescherfang (100 Kschl.) 8 Beg. à 1,5 h = 12 h 20 h at. Bodenfallen (5 Stück) ODER Kescherfang (100 Kschl.) Saugfang (100 Saugpunkte) Klopfmethode (2 Proben à 5 Klopfpositionen pro Gehölzart) Hochmoore, Qual./AL Kescherfang (100 Kschl.) 3 Beg. à 1 h = 3 h 2 h Röhrichte Handfang (30 min) Squant./ Kescherfang (100 Kschl.) 5 Beg. à 1,5 h = 7,5 h 8 h ÖF Handfang (30 Minuten; kann bei Einsatz von Bodenfallen entfallen) evtl. Bodenfallen (5 Stück) Aussieben von Moos (5 Proben) Quant./st Kescherfang (100 Kschl.) 6 Beg. à 1 h = 6 h 15 h at. Bodenfallen (5 Stück) ODER Kescherfang (100 Kschl.) Saugfang (100 Saugpunkte) ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 17

Lebensraumtyp Unter- Methoden & Umfang Zeitaufwand suchung Freiland Det. Saumbiotope Qual./AL Klopfmethode (dominante 3 Beg. à 1 h = 3 h 3 h (Waldränder, Gehölzarten) Hecken, Squant./ Klopfmethode (10 5 Beg. à 1 h = 5 h 5 h Feldgehölze, ÖF Klopfpositionen je Gehölzart) Ufergehölze) – Quant./st Klopfmethode (2 Proben à 5 5 Beg. à 1 h = 5 h 5 h ohne Boden-, at. Klopfpositionen pro Streu- und Gras- Gehölzart) Krautschicht Wälder – Qual./AL Klopfmethode (dominante 3 Beg. à 1,5 h = 4,5 h 3 h Gehölzschicht, Gehölzarten) ODER Kronenregion Streifnetz mit Teleskopstiel Squant./ normierter Einsatz von Ast-, 5 Beg. á 1 h = 5 h 5 h ÖF Stamm- und Lufteklektoren Quant./st normierter Einsatz von Ast-, 5 Beg. á 1 h = 5 h 5 h at. Stamm- und Lufteklektoren Gewässer – Qual./AL Wasserkescher, 3 Beg. à 1 h = 3 h 3 h stehend Schöpfeimer, Handfang (1 h) Squant./ Wasserkescher (50 Kschl. zu 5 Beg. á 1 h = 5 h 5 h ÖF 1 m) Quant./st Flaschenreusen, 5 Beg. á 1 h = 5 h 5 h at. Trichterfallen, Unterwasser- Lichtfallen Gewässer – Qual./AL Wasserkescher, 3 Beg. à 1 h = 3 h 1 h fließend Schöpfeimer, Handfang Squant./ Wasserkescher (50 Kschl. zu 5 Beg. á 1 h = 5 h 5 h ÖF 1 m) Quant./st Flaschenreusen, 5 Beg. á 1 h = 5 h 5 h at. Trichterfallen (vegetationsarme) Qual./AL Handfang 3 Beg. à 1 h = 3 h 2 h Uferzonen, Squant./ Bodenfallen (10 Stück) 6 Beg. à 0,5 h 5 h Felsstandorte, ÖF Schutthalden Quant./st Bodenfallen (10 Stück) 8 Beg. à 0,5 h 6 h at. zönität (Larven und Imagines leben im selben 2.3.4 Kriterium „Vorhandensein von Roten Biotoptyp) unterstützt. Listen“ Eine Einschränkung in der Verwendung als Rote Listen gefährdeter Tier- und Pflanzen- Zeigergruppe bezogen auf bestimmte Biotopty- arten sind wichtige Instrumente des Natur- pen ist bei Wanzen an sich nicht notwendig; schutzes, insbesondere für die Beurteilung von eventuell sind bestimmte hochalpine Lagen Lebensräumen und deren Gefährdung bzw. (schattige und alpine Felsstandorte, alpine Schutzwürdigkeit (z. B. GRUTTKE 2005). Rote Schutthalden und schattig-kühle, unterwuchs- Listen für Wanzen haben im deutschsprachigen lose Waldgebiete) zu nennen. Aber selbst in Raum eine schon mehrere Jahrzehnte andau- subalpinen Lebensräumen in Höhen zwischen ernde Geschichte (z. B. RIEGER 1979), mit teils 1600 und 1900 m Seehöhe wie Zwergstrauch- bereits überarbeiteten Listen in einigen deut- heiden, Almweiden und alpinen Matten konn- schen Bundesländern (z. B. Bayern, BRÄU & ten gute Ergebnisse in der Flächenbeschreibung SCHWIBINGER 2004). Wie aus der Zusammen- und -bewertung sowie im Erfassen von Ein- stellung der aktuellen Roten Listen im Bezugs- griffswirkungen anhand von Heteropteren er- raum in Tabelle 6 hervorgeht, liegen Rote Lis- zielt werden (FRIEß unpubl.). ten für die Wanzen derzeit noch nicht flächen- 18 Insecta, Heft 10, 2007 deckend vor. In einigen Ländern sind die Listen 2.3.5 Kriterium „Bearbeitungsaufwand“ zudem bereits seit längerem nicht mehr aktuali- Der zu erwartende Erfassungs- und Bestim- siert worden. In Deutschland wird derzeit an ei- mungsaufwand bei der Bearbeitung von Wan- ner Aktualisierung der bundesweiten Roten Lis- zen ist in Abhängigkeit von Erfassungsmetho- te der Wanzen gearbeitet (SIMON et al., in de, Probeumfang und Lebensraumtyp in Tabel- Vorb.), in Österreich werden erste Länderlisten le 5 zusammengestellt. Die Werte sind dabei als geschaffen und für die Wanzen der Schweiz grobe Richtwerte zu verstehen, von denen der existiert noch keine Rote Liste. tatsächliche Zeitaufwand in Einzelfällen und in Dieser Zustand drückt den im Vergleich zu Abhängigkeit von der Erfahrung des Bearbei- anderen Artengruppen noch heterogenen und ters deutlich nach oben oder unten abweichen z. T. lückenhaften regionalen Bearbeitungs- kann. Aufgrund des größeren Spektrums an stand und die vergleichsweise geringe Dichte von Wanzen besiedelten Lebensräumen (s. der Wanzenbearbeiter aus (vgl. Kap. 2.3.1). Es Kap. 3.2) ist der Aufwand für die Erfassung der ist zu hoffen, dass durch den vermehrten Ein- vorkommenden Arten sicherlich höher als etwa satz von Wanzen in ökologischen Untersu- bei ähnlich artenreichen Gruppen wie Zikaden chungen die Basis für die Erstellung von weite- oder bestimmten Käfergruppen. Beim Einsatz ren Roten Listen geschaffen wird. Wie derzeit von Standardmethoden wie standardisierten bei den Aktualisierungen der österreichischen Kescherfängen, Klopfproben oder Bodenfallen und deutschen Roten Liste erfolgreich prakti- im Rahmen vergleichender Untersuchungen ziert, sollte die Zuordnung zu den Gefähr- kann der Erfassungsaufwand jedoch durch die dungskategorien anhand eines nachvollziehba- gleichzeitige Erfassung anderer Taxa (insbeson- ren Kriteriensystems erfolgen (ZULKA et al. dere Zikaden, Laufkäfer, Spinnen, phytophage 2001, 2005, LUDWIG et al. 2006). Beispiele für Käfer, z. T. Heuschrecken) reduziert werden. die Verwendung der Anzahl an Rote-Liste-Ar- Im Gegensatz zu vielen anderen Insektengrup- ten bei naturschutzfachlichen Fragestellungen pen kommen die Wanzen in den meisten Le- s. Kap. 4.4. bensräumen artenreich vor, aber mit in der Re-

Tabelle 6. Zusammenstellung der aktuellen Roten Listen zu Wanzen in Mitteleuropa

Land Quelle

Deutschland GÜNTHER et al. (1998), SIMON et al. (in Vorb.) - Baden-Württemberg RIEGER (1986) - Bayern Landwanzen ACHTZIGER et al. (2003) Wasserwanzen BURMEISTER (2003) - Berlin DECKERT & WINKELMANN (2005) - Brandenburg Landwanzen DECKERT & GÖLLNER-SCHEIDING (1992) Wasserwanzen BRAASCH & SCHÖNFELD (1992) - Hessen Landwanzen DOROW et al. (2003) Wasserwanzen ZIMMERMANN (1996) - Niedersachsen/Bremen MELBER (1999b) - Sachsen-Anhalt BARTELS et al. (2004) - Thüringen LICHTER & SANDER (2001)

Österreich - Kärnten FRIEß & RABITSCH (in Vorb.) - Burgenland RABITSCH (in Vorb.) - Niederösterreich RABITSCH (2007a)

Liechtenstein BERNHARDT (1995) ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 19 gel geringeren Individuenzahlen (Tabelle 7). pflanzen, den Pflanzenwespen und den Stech- Aus Sicht des Bearbeitungsaufwands weisen sie immen an und werden aus Sicht einer „Ertrags- demnach ein günstiges Verhältnis von Arten- optimierung“ von OBRIST & DUELLI (1998) als zahl (Aussagekraft) zu Individuenzahl (Erhe- Indikatorgruppe insbesondere für Inventuren bungsaufwand) auf. Dies konnten auch DUELLI der lokalen organismischen Biodiversität emp- & OBRIST (1998) bzw. OBRIST & DUELLI (1998) fohlen. Gerade auch was die notwendige Ar- in einer Aufwand-Ertrags-Analyse im Rahmen beitsintensität im Freiland, kombiniert mit dem der Abschätzung der Biodiversität mittels ver- Aufwand für die Determination betrifft, bestä- schiedener Methoden und auf verschiedenen tigen die subjektiven Erfahrungen der Verfasser Flächen der Schweizer Kulturlandschaft fest- im Rahmen vieler Projekte diese Ergebnisse. Bei stellen: Die Wanzen waren nicht nur sehr gut geeigneter Methodenwahl ist die möglichst mit der lokalen Gesamt-Artenvielfalt korreliert vollständige Erfassung lokaler Wanzenzönosen (s. Kap. 3), sondern wiesen auch das beste Ver- im Vergleich zu anderen Wirbellosen-Tier- hältnis von Ertrag zu Erfassungsaufwand auf. gruppen mit geringerem zeitlichen Aufwand Wanzen führen diesbezüglich die „Top-Twen- möglich. Hauptgrund hierfür ist der an vielen ty“-Liste von Indikatorgruppen vor den Blüten- Standorten hohe Artenreichtum bei geringen Individuendichten, was zwangsläufig bei der Auswertung automatischer Fallenfänge (Bo- Tabelle 7. Zahl der festgestellten Indivi- denfallen, Saugfallen) von Vorteil ist. duen und Arten in einem 5 km langen Fallentransekt (eine Fen- 2.3.6 Resümee zur Eignung der Wanzen als In- sterfalle, drei Bodenfallen, eine dikatoren Gelbschale pro Standort) von ei- Entsprechend der vorangegangenen Aus- nem isolierten Feuchtgebiet führungen schlagen wir eine Neueinstufung der durch intensiv bewirtschaftetes Wanzen hinsichtlich ihrer Eignung als Indika- Acker- und Wiesenland zu ei- toren für naturschutzfachliche Aussagen nach nem isolierten Halbtrockenra- den Kriterien von PLACHTER et al. (2002) wie sen im Laufe eines Jahres (aus folgt vor (vgl. Kap. 2.2): DUELLI & OBRIST 2003b) (1) Kenntnisstand: eher günstig (2) Verfügbarkeit etablierter Erhebungsmetho- Gruppe Individuen Arten den: günstig (3) Indikatorischer Wert: günstig Zweiflügler 68392 636 (4) Vorhandensein von Roten Listen: eher un- Käfer 67835 829 günstig (5) Bearbeitungsaufwand: günstig Spinnentiere 49099 168 In Summe gesehen kann man damit die Eig- nung der Heteropteren als Indikatoren für pla- Hautflügler 22619 344 nerische Fragestellungen als günstig bis eher Asseln 5487 12 günstig ansehen. Defizite bestehen hinsichtlich der Verfügbarkeit regionaler und überregiona- Fransenflügler 3660 32 ler Roter Listen und des unterschiedlich weit fortgeschrittenen faunistischen Kenntnisstan- Wanzen 2133 119 des in Teilregionen Mitteleuropas. Doppelfüßer 1636 18 3 Spezielle Eignung der Wanzen zur Ab- Heuschrecken 1242 19 schätzung der organismischen Biodiversität Netzflüglerartige 452 21 3.1 Grundlagen und Kriterien für die Eignung Staubläuse 257 31 Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist 20 Insecta, Heft 10, 2007 ein wichtiges Ziel des Naturschutzes und der – möglichst viele unterschiedliche Habitat- nachhaltigen Entwicklung. Aufgrund ihrer bindungen (Spezialisten wie Generalisten) Komplexität ist es allerdings nicht möglich, die und ökologische Anspruchstypen aufweisen gesamte Biodiversität eines Gebietes zu erfas- (ökologische Diversität), sen. Zumeist werden bestimmte Aspekte der – möglichst viele Ernährungstypen (Nah- Biodiversität wie die Artenzahl ausgewählter rungspflanzenbindungen, Ernährungswei- Artengruppen (z. B. Gefäßpflanzen) abge- sen wie phytophag, räuberisch, parasitisch) schätzt und als Ersatz oder Surrogat für die Ge- aufweisen und damit an verschiedenen Stel- samtdiversität oder bei einer Korrelation mit len in den Nahrungsbeziehungen der Biozö- der Gesamtdiversität als „Korrelat“ für diese nosen vorkommen, verwendet (z. B. DUELLI & OBRIST 2003a). Be- – ein möglichst vielfältiges und breites Spek- sonders gut geeignet als Indikatoren, Surrogate trum bionomischer Merkmale (z. B. Kör- oder Korrelate für die organismische Biodiver- pergrößen, Lebenszyklen) aufweisen. sität sind entsprechend ökologisch und biono- Wie in den folgenden Kapiteln überblicks- misch diverse Artengruppen, deren Arten weise gezeigt wird, erfüllen die Heteropteren – in möglichst vielen unterschiedlichen Le- diese Kriterien sehr gut. Wie DUELLI & OBRIST bensräumen, Habitaten und Straten in je- (1998) in einer umfangreichen Studie unter- weils hoher, aber noch überschaubarer Ar- schiedlich genutzter Flächen in der Schweiz zei- tenzahl vorkommen (hohe Lebensraumprä- gen konnten, korrelierten die Artenzahlen der senz), Wanzen hoch signifikant und sehr eng (r2 =

Tabelle 8. Beispiel für eine Liste von charakteristischen Wanzenarten für zentralalpine Almweiden und Weidesukzessionsstadien. Flächen 1a-c = Almweiden (dunkel- grau), Flächen 2a-c = verbuschte Almweiden (mittelgrau), Flächen 3a-c = ehe- malige Almweiden, jetzt hochmontaner Fichtenwald (hellgrau). Angabe der In- dividuenzahlen nach semiquantitativer Beprobung mittels Streifnetz und Bo- denfallen (FRIEß, unpubl.).

Taxa 1a 1b 1c 2a 2b 2c 3a 3b 3c Berytinus minor (Herrich-Schäffer, 1835) 5 30 Nithecus jacobaeae (Schilling, 1829) 10 15 Halticus apterus (Linnaeus, 1758) 1 5 11 erratica (Linnaeus, 1758) 2 Calocoris affinis (Herrich-Schäffer, 1835) 4 2 Eurydema rotundicollis (Dohrn, 1860) 1 1 Trapezonotus desertus Seidenstücker, 1851 4 1 Plagiognathus arbustorum (Fabricius, 1794) 3 1 Mecomma ambulans (Fallén, 1807) 13 2 2 1 Camptozygum pumilio Reuter, 1902 1 5 Closterotomus biclavatus (Herrich-Schäffer, 1835) 1 2 5 Stenodema algoviensis Schmidt, 1934 1 3 1 Psallus luridus Reuter, 1878 2 Horwathia lineolata (A. Costa, 1862) 3 1 Psallus vittatus (Fieber, 1861) 1 4 5 12 Atractotomus magnicornis (Fallén, 1807) 1 2 Phytocoris cf. pini Kirschbaum, 1856 1 3 Acompocoris montanus Wagner, 1955 2 1 ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 21

0,927) mit den Gesamtartenzahlen über zahl- ebenfalls ökologisch sehr diversen Gruppen mit reiche Artengruppen inkl. Pflanzen, obwohl sie 1100 mitteleuropäischen Arten noch eine über- nur 5,3 % der Arten und nur 1,1 % der Indivi- schaubare und bewältigbare Artenzahl haben duen stellten (siehe auch OBRIST & DUELLI (zum Vergleich: Käfer 8000 Arten, Hautflügler 1998). Dies ist auch der Fall für die Wanzen in 12 000 Arten, Zweiflügler über 10 000 Arten) den Baumkronen von Apfelbäumen in Streu- und dennoch in den meisten Biotoptypen mit obstbeständen in Mittelfranken (ACHTZIGER et für statistische Aussagen ausreichenden Arten- al. 2001 unpubl.): Die Wanzenartenzahl auf 120 zahlen vertreten sind (Beispiele in Tabelle 3 und Apfelbäumen korrelierte hochsignifikant (r2 = in Kap. 4). Auf das aus Sicht des Bearbeitungs- 0,63, p < 0,001, n = 120; zum Vergleich: Zika- aufwands günstige Artenzahl-Individuenzahl- den r2 = 0,58, xylobionte Käfer r2 = 0,54) mit Verhältnis der Wanzen wurde bereits in Kap. der festgestellten Gesamtbaumfauna (Wanzen, 2.3.5. hingewiesen. Zikaden, Blattläuse, Blattflöhe, Ameisen, xylo- bionte Käfer); gleiches gilt auf der Ebene von 12 3.2 Artenvielfalt und Vielfalt der Lebensraum- Streuobstbeständen (r2 = 0,81, p < 0,001, n = präsenz 12; zum Vergleich: Zikaden r2 = 0,64; xylobion- In Mitteleuropa leben knapp 1100 Wanzen- te Käfer r2 = 0,88). Aufgrund der hohen ökolo- arten (GÜNTHER & SCHUSTER 2000), wobei die gischen Diversität der Wanzen bzgl. Lebens- Diversität generell von Norden nach Süden zu- raumpräsenz und Lebensweise (s. u.) liegt es je- nimmt und im Alpengebiet von den Tief- und doch nahe, dass eine hohe Wanzendiversität Randlagen in die Hoch- und Zentrallagen des auch eine hohe Gesamtartendiversität und dar- Gebirges abnimmt. Oberhalb der geschlossenen über hinaus eine hohe Lebensraumvielfalt und Waldstufe, in der Subalpinstufe und darüber, Strukturdiversität anzeigt. Dabei haben die leben nur mehr wenige Dutzend hoch speziali- Wanzen den Vorteil, dass sie im Unterschied zu sierte Wanzenarten (z. B. FRANZ 1943, 1946, JA-

Heteroptera Stratum

aquatisch endogäisch semiaquatisch epigäisch und herbikol ektoparasitisch

epigäisch arborikol

herbikol und arborikol

arborikol und herbikol

herbikol

Abb. 1. Stratenzugehörigkeit der Wanzen in Mitteleuropa (nach Daten von RABITSCH, in Vorb.) 22 Insecta, Heft 10, 2007

NETSCHEK 1949, HEISS 1973, 1977, 1978, HEISS & Ökosysteme mit ausgeprägter Gehölz- und JOSIFOV 1990, FRIEß 2000b, FRIEß & ADLBAUER Krautschicht wie Streuobstwiesen, Hecken- 2007). Die Obergrenze der Vertikalverbreitung oder Waldränder und ihre Säume oder lichte erreichen Heteropteren in den Alpen etwa in ei- Wälder: Hier werden die angebotenen Kleinha- ner Seehöhe von 2600 m (HOFMÄNNER 1924, bitate von der Bodenoberfläche und Streu- FRANZ 1946, CHRISTANDL-PESKOLLER & JANE- schicht, über die Moos-, Kraut- und Gras- TSCHEK 1976). schicht bis zur Gehölzschicht mit dem Blatt- Wanzen weisen wie kaum eine andere ähn- werk und der Rinde inkl. Epiphytenaufwuchs lich artenreiche Gruppe eine derart breites von verschiedenen Wanzenarten besiedelt. So Spektrum an besiedelten Lebensräumen, Stra- konnte SIMON (1992) in einem 8,5 ha großen ten und Kleinhabitaten auf (Abb. 1, vgl. auch Streuobstwiesengebiet in Rheinland-Pfalz 223 MELBER 1999a, WACHMANN et al. 2004, 2006, Wanzenarten feststellen. RABITSCH in Vorb.): So kommen Wanzen in al- len terrestrischen, semiaquatischen und aquati- 3.3 Diversität in der Habitatbindung schen Lebensräumen, inklusive dem offenen Ein hoher Artenanteil der terrestrischen Meer, vor. Viele Biotoptypen wie Moore, Wanzen ist mehr oder minder thermophil und Feuchtwiesen, Saumbiotope, Kleingewässer, lebt in Xerothermbiotopen. Mikroklima, Vege- Uferzonen, Fließ- und Stillgewässer (inkl. tationsstruktur und die Präsenz von bestimm- Schotter- und Sandflächen) sowie Sonderstand- ten Nähr- oder Habitatpflanzen (z. B. Poaceae orte wie Binnendünen und Binnensalzstellen bei räuberischen Nabidae für die Eiablage als so besitzen eine spezifische, hoch spezialisierte genannte „sekundäre Wirtspflanzenbindung“) Wanzengemeinschaft. Auch pflanzenarme ter- sind wesentliche Faktoren für das Vorkommen restrische Biotope werden durch Wanzen besie- und die räumliche Verteilung der Arten. Ein delt (Tabelle 2). weiteres Beispiel ist die Bedeutung der Boden- Eine besonders hohe lokale Wanzendiver- struktur (Korngrößen), etwa für Cydnidae sität findet sich auf Flächen des extensiven (Erdwanzen) (PENTH 1952) oder psammophile Grünlands, in Halbtrockenrasen und Ruderal- Pentatomidae (Menaccarus arenicola) (STEHLÍK flächen sowie im strukturreichen Kulturland 1984). Viele Arten sind im Kulturland vom Be- auf Streuobstwiesen, in Saumbiotopen oder in wirtschaftungsregime abhängig. Von 24 in der Hochstaudenfluren (z. B. REMANE 1958, ACHT- Schweiz untersuchten Wiesen-Wanzenarten ZIGER 1991, SIMON 1992, ZURBRÜCK & FRANK reagieren 2 Arten positiv und 8 negativ auf eine 2006). Nicht oder kaum genutzte Brachen und erhöhte Mahdintensität (DI GIULIO et al. Säume stellen wichtige Lebens- und Rückzugs- 2000b). Der Anteil stenotoper Arten ist in den räume für Wanzen in der genutzten Agrarland- gefährdeten natürlichen und naturnahen Bio- schaft dar (z. B. OTTO 1996, ALBRECHT 1997, topen hoch (z. B. BRÄU & SCHWIBINGER 2004). ROTH 1997, ACHTZIGER et al. 1999a). Gerade auf Dies trifft in erster Linie auf Nass-, Feucht- und Grünlandstandorten nehmen Wanzen nach RE- Moorstandorte mit hygrobionten, hygrophilen, MANE (1958) neben den Dipteren eine dominie- tyrphobionten und tyrphophilen Arten, auf rende Rolle, auch in den Individuenzahlen, ein. Trockenrasen mit xerothermophilen und helio- Aber auch Ackerbrachen (z. B. Stilllegungsflä- philen Arten sowie auf Sand- und Salzstellen chen im Vertragsnaturschutz) sind hoch divers. mit psammo- bzw. halophilen Arten zu (siehe So konnten auf einer ca. 1500 m2 großen Fläche auch Kap. 4.4). in Kärnten bei nur drei Begehungen mit je 120 Kescherschlägen mittels Streifnetzfangs 68 3.4 Diversität in der Ernährungsweise und der Wanzenarten festgestellt werden (FRIEß 2003). Stellung im Nahrungssystem Auf einer ca. 1,8 ha großen Brachfläche in Wien Wie in kaum einer anderen Wirbellosen- wurden bei sechs Begehungen und zeitlich stan- Gruppe ist die Ernährungsweise innerhalb der dardisierten Aufsammlungen (Kescher, Hand- Wanzen äußerst vielfältig (z. B. DOLLING 1991). fang 30 min.) 112 Wanzenarten festgestellt (PA- Die meisten Arten (ca. 60 %) sind phytophage CHINGER 2002). Ebenfalls sehr artenreich sind Pflanzensaftsauger, die besonders stickstoffrei- ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz23 che Pflanzengewebe bevorzugen sowie carpo- her (z. B. ACHTZIGER 1995). So variiert allein die phag (an Samen saugend) und fructiphag (an Körpergröße (gemessen als Körperlänge) Früchten saugend) sind. Etwa 20 % der Arten innerhalb der mitteleuropäischen Wanzenfau- sind carnivor (zoophag) und rund 15 % zoo- na zwischen 1,2 mm bei den kleinsten Arten phytophag, das bedeutet sie ernähren sich so- (Microphysidae, Ceratocombidae) und etwa 16 wohl von tierischer (meist andere Insekten oder mm (Reduviidae, Acanthosomatidae). Die bei- Insekteneier) als auch von pflanzlicher Kost den heimischen Vertreter der Nepidae sind mit (z. B. viele Miridae und Pentatomidae). Einige 20 mm (Nepa cinerea) und 30 bis 35 mm (Ra- Wanzenarten sind mycetophag (Aradidae), hä- natra linearis) (ohne Atemrohr) die größten matophag (Cimicidae) oder detritophag (Cori- Wanzen in Mitteleuropa. Die Körpergröße ist xidae part.). in vielen Fällen wiederum mit anderen biono- In Bezug auf das Nährpflanzenspektrum mischen Merkmalen wie der Ernährungsweise gibt es neben einigen streng monophagen viele oder dem Lebenszyklus, zum Teil auch mit der oligophage und polyphage Wanzenarten. Tro- Populationsdynamik und der Abundanz ver- phisch spezialisierte phytophage Wanzen zei- knüpft (z. B. BROWN 1982, ACHTZIGER 1997). Da gen in Summe eine überwiegend an Kräuter die Vielfalt dieser Lebensformtypen in einem und bestimmte Strauch- und Baumarten ge- Ökosystem auch als Ausdruck für die gesamte bundene Ernährungsweise; Gräser spielen - im Biodiversität angesehen werden kann (HENGE- Gegensatz zu den Zikaden - eine untergeordne- VELD 1994), haben Wanzen auch aufgrund ihrer te Rolle. So sind über 50 % der Wanzenarten hohen Vielfalt an Lebensweisen ein hohes Indi- von Krautsäumen und Feldrainen an Kräuter kationspotenzial. Als eine in dieser Hinsicht er- gebunden, nur 20 % an Gräser (zum Vergleich: folgversprechende Möglichkeit ist daher die Zikaden 65 % Gräser, 20 % Kräuter) (ACHTZI- Körpergrößenverteilung der Wanzengemein- GER 1991). In der Gehölzschicht von Hecken schaft in einem Gebiet oder einer Untersu- und Waldrändern ist der Anteil an zoophagen chungsfläche anzusehen. Allerdings gibt es oder zoophytophagen Wanzenarten mit ca. noch keine Beispiele für deren Verwendung für 60 % deutlich höher als in der Krautschicht mit naturschutzfachliche Aussagen, hier besteht ca. 20 % (ACHTZIGER 1991). Zoophage Arten demnach noch Forschungsbedarf (z. B. BRÄND- zeigen teilweise eine Beutetierpräferenz, wobei LE et al. 2000). einige Blattlaus-, Blattfloh- oder Spinnmilben- jäger (Anthocoridae, Miridae) auch gezielt in 4 Beispiele für den Einsatz von Wanzen bei der biologischen Kontrolle von Schädlingen naturschutzfachlichen Fragestellungen zum Einsatz kommen (z. B. NOVAK & ACHTZI- GER 1995, COLL & RUBERSON 1998, SCHAEFER & Im Folgenden werden ausgewählte Beispiele PANIZZI 2000). Aufgrund dieser unterschied- für die Verwendung von Wanzen(zönosen) für lichen Ernährungsweisen nehmen die einzelnen naturschutzfachliche Fragestellungen vorge- Wanzenarten verschiedene Stellungen und stellt, gegliedert nach möglichen zu analysieren- Funktionen im Nahrungsnetz von Ökosyste- den Parametern. Der Schwerpunkt der Beispie- men ein. Damit ist die Bedeutung der Wanzen le liegt auf Untersuchungen der Verfasser, wei- in den Nahrungsketten aquatischer und terres- tere Beispiele sind in den Arbeiten in Tabelle 2 trischer Ökosysteme aufgrund der arten- und und 3 zu finden. individuenreichen Präsenz in vielen Biotopty- pen sowie in fast allen trophischen Ebenen 4.1 Parameter „Artenzahl“ hoch einzuschätzen. Vergleich unterschiedlicher Flächen (räumlicher Vergleich): Die lokale Wanzenar- 3.5 Diversität in Körpergröße und Lebensweise tenzahl ist ein wichtiger Kennwert in der Flä- Die gezeigte hohe ökologische Diversität der chenbewertung, die von der Struktur- und Ve- Wanzen bezüglich Lebensraumpräferenz und getationsheterogenität sowie (damit meist in Ernährungsweise geht mit einer enormen Viel- Korrelation) von der Nutzungsintensität ab- falt an Lebensweisen und Lebensformtypen ein- hängt und – wie in Kap. 3.1 gezeigt – mit be- 24 Insecta, Heft 10, 2007 stimmten Aspekten der Biodiversität korreliert. meist in Korrelation mit der ebenfalls abneh- So konnten REMANE (1958), ACHTZIGER et al. menden Pflanzen- und insbesondere Kräu- (1999a) und DI GIULIO (2000) und einen nega- terartenvielfalt. Einen hohen Indikationswert tiven Zusammenhang der Wanzenartenzahl zur für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit von Nutzungsintensität im bewirtschafteten Grün- neu angelegten Gewässern besitzen aufgrund land nachweisen. Die Wanzenartenzahl auf ihres Verbreitungs- und Besiedelungspotenzials unterschiedlich intensiv genutzten Flächen des die Wasserwanzen (u. a. GEILING 1994). Feuchtgrünlands in Mittelfranken stieg von In- tensivwiesen über unterschiedlich extensivierte 4.2 Parameter „Artenzusammensetzung und Flächen (Reduzierung von Mahd und Dün- Anteil ökologischer Gruppen“ gung) bis zu Brachen und extensivem Grünland Aussagen über die Art- und Individuen-Do- an (ACHTZIGER et al. 1999a). Eine Korrelation minanzverhältnisse innerhalb einer Wanzenzö- zwischen Baumalter und Epiphytenaufwuchs in nose sind über die üblichen Parameter möglich Streuobstbeständen und der Wanzenartenzahl – vorausgesetzt eine ausreichende Repräsentanz konnte SIMON (1992) feststellen. der lokalen, alle wichtigen Straten berücksichti- Besiedlung und Sukzession: Die zeitliche gende Erhebung liegt vor. Ein wesentlicher Entwicklung der Wanzenartenzahl kann als In- Vorteil in der Bearbeitung von Wanzen er- dikator für den Fortgang der Sukzession oder scheint ihre ökologische Vielseitigkeit mit der als Erfolgskontrolle von Biotopanlagen verwen- Möglichkeit unterschiedliche ökologische Gil- det werden: So stieg die Wanzenartenzahl an den ableiten und für Auswertungen heranzie- angepflanzten Waldmänteln in den Jahren nach hen zu können. Dazu eignen sich etwa nah- der Anpflanzung in Abhängigkeit von der Ent- rungsökologische, wirtspflanzen- oder straten- wicklung der Vegetationsstruktur rasch an bezogene oder auf die Ansprüche hinsichtlich (ACHTZIGER 1998). Mit zunehmendem Alter der Bodenfeuchte oder Temperatur vorgenom- hingegen verarmen Wiesen- (OTTO 1996) und mene Gruppierungen. Damit kann der Zustand Ackerbrachen (FRIEß unpubl.) an Wanzen, eines Lebensraums und dessen Veränderung

100%

Gehölzbesiedler

80% Zwergstraucharten

60% Grasbesiedler

Kräuterbesiedler

40%

Bodenbewohner

20%

0% offene Almweiden verbuschte Almweiden baumbestockte, ehemalige Almweiden

Abb. 2. Beispiel zur Beschreibung von Flächenzönosen in zentralalpinen Almweiden und Weidesukzessionsstadien über die Anteile von Vertretern unterschiedlicher ökologischer Gilden nach der Straten- bzw. Nährpflanzenbindung in gesta- pelter Darstellung (nach Daten von FRIEß, unpubl.) ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 25

über die Arten- und Individuenanteile unter- Vollständigkeit potenziell möglicher Arten und schiedlicher Gilden dargestellt und bewertet ökologischer Gilden beitragen. Die von ACHTZI- werden (vgl. Abb. 2). GER (1999) für Zikaden angegebene besondere Eignung dürfte für Wanzen im selbem Maß gel- 4.3 Vollständigkeit des Artenbestands und po- ten. Hier besteht allerdings ein Forschungsdefi- tenzieller ökologischer Gilden zit, konkrete Untersuchungen dazu liegen mit Zur tierökologischen Beurteilung von Bio- Ausnahme des Ansatzes von REMANE & REIMER topen kann eine Angabe über den Grad der (1989) für mitteleuropäische Wanzen nicht vor.

120 (a)

100

80

60

40 Gesamtartenzahlen

20

0 Waldrand Ackerbrache Trockenrasen verfilzt Trockenrasen nicht Trockenrasen lückig offene Sandstellen verfilzt Habitattypen 6 (b)

5

4

3

2 Rote Liste Artenzahlen

1

0 Waldrand Ackerbrache Trockenrasen verfilzt Trockenrasen nicht Trockenrasen lückig offene Sandstellen verfilzt Habitattypen

Abb. 3. (a) Abnahme der Gesamtartenzahl und (b) Zunahme der Rote-Liste-Arten am Beispiel unterschiedlicher Standor- te in den (ehemaligen) Flugsanddünen von Oberweiden im niederösterreichischen Marchfeld (aus RABITSCH 2002a) 26 Insecta, Heft 10, 2007

Abb. 4. Amblytylus albidus (HAHN, 1834) (Miridae) ist eine Charakterart des Corynephoretums und an Sand-Trockenra- senstandorte gebunden (Foto: W. RABITSCH).

Abb. 5. Macrodema microptera (CURTIS, 1836) (Lygaeidae) ist eine Charakterart des Callunetums und an Heide- und Moorstandorte gebunden (Foto: W. RABITSCH). ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 27

4.4 Anzahl seltener, stenotoper und gefährde- Tessin (OTTO 1996) sowie auf Trockenheiden in ter Arten Brandenburg (MARTSCHEI 2004). Charakteristi- Wichtige Kennwerte bei naturschutzfach- sche Einzelarten für verschiedene gefährdete lichen Bewertungsverfahren sind die Einstu- Lebensräume sind auch in der Roten Liste für fung der Anzahl und des Anteils seltener, ste- Bayern angegeben (ACHTZIGER et al. 2003). notoper und gefährdeter Arten der Roten Liste Trotz der teilweise vorhandenen Unver- (z. B. ACHTZIGER & SCHOLZE, im Druck). Bei kennbarkeit einzelner Arten, ihrer Farben- Wanzen ist eine Angabe bezüglich der Steno- pracht, auffallender Zeichnungsmuster und topie/Eurytopie unter Zuhilfenahme von Lite- Körpergestalten finden Heteropteren keine Ver- raturangaben (s. Kap. 2.3.1) möglich (z. B. Abb. wendung als so genannte „Flagship“- oder 3), wobei allerdings der (regional unterschiedli- „Umbrella-Species“. Aktuell ist keine Wanzen- che) Erforschungsgrad unbedingt berücksich- art in Deutschland, Österreich und der Schweiz tigt werden muss. Auch die Angabe zu seltenen naturschutzrechtlich geschützt. Auch finden und gefährdeten Arten kann nur unter sich in Mitteleuropa keine Arten in den Anhän- Berücksichtigung regionaler Verhältnisse ange- gen II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtli- wandt werden. Der diesbezüglich wichtige fau- nie der Europäischen Union. Umso erfreulicher nistische Erforschungsstand ist wie oben darge- ist die Auswahl der „Ritterwanze“ Lygaeus stellt regional verschieden und kann zu unge- equestris (Lygaeidae) zum Insekt des Jahres 2007 nauen oder falschen Einschätzungen führen. in Deutschland und Österreich (DECKERT 2006). Für Deutschland sowie für einige deutsche und österreichische Bundesländer sind Rote Listen 5 Folgerungen und Ausblick vorhanden bzw. in Vorbereitung (s. Kap. 2.3.4, Tabelle 6). In der für 2008 geplanten neuen Ro- Die nachfolgende Übersicht fasst die oben ten Liste Deutschlands werden zu allen Wan- erläuterten Vor- und Nachteile bei der Verwen- zenarten Angaben zur Häufigkeit sowie zum dung von Wanzen als Indikatorgruppe im Na- langfristigen und kurzfristigen Bestandstrend turschutz zusammen: enthalten sein, so dass eine entsprechende Aus- wertung erleichtert wird. Argumente für den Einsatz von Wanzen als Indikatoren: 4.5 Charakterarten für bestimmte Biotoptypen – Alle terrestrischen, aquatischen und semia- bzw. Biozönosen quatischen Lebensräume werden besiedelt; Der Anteil stenotoper Heteropterenarten ist hohe Lebensraumpräsenz in natürlichen, naturnahen oder strukturrei- – Mannigfaltige ökologische Ansprüche an chen Lebensräumen meist hoch. Darunter fin- biotische und abiotischen Faktoren; hoher den sich viele Charakterarten, die zur Biotop- Anteil stenotoper Arten in natürlichen und charakterisierung gut geeignet sind (z. B. Tabel- naturnahen Lebensräumen le 8, Abb. 4,5). Eine zusammenfassend-analyti- – Sehr günstiges Verhältnis der vorhandenen sche Arbeit zu den Wanzen-Charakterarten ökologischen Bandbreite zur Gesamtarten- mitteleuropäischer Lebensräume liegt nicht zahl vor. In etlichen wanzenökologischen Arbeiten – Präsenz in unterschiedlichen trophischen finden sich aber Hinweise auf Charakterarten Ebenen; enge Bindung von phyto- und zoo- unterschiedlicher Biotoptypen. Beispiele sind phagen Arten an Nahrungspflanzen und - typische Wanzenarten in Lebensraumtypen des habitat Anhangs I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie – Geringes Migrationspotenzial der meisten in Sachsen-Anhalt (LANDESAMT FÜR UMWELT- Arten viele Kleinflächenbesiedler mit hoher SCHUTZ SACHSEN-ANHALT 2002), in einer Hude- räumlicher Sensitivität; durch kleinräumige landschaft in Nordwestdeutschland (BERN- Raumnutzung sind „parzellenscharfe“ Aus- HARDT 1996), in einem Kalkflachmoor in Bay- sagen möglich ern (ACHTZIGER & SCHOLZE 1996 im Druck), – Guter biologisch-ökologischer Kenntnis- von unterschiedlichen Wiesentypen im Kanton stand zu den meisten Arten 28 Insecta, Heft 10, 2007

– Aufgrund der hoch diversen ökologischen traggebern oder Behörden - durchaus möglich, Einnischung ist die Verwendung unter- Heteropteren als Modellgruppe zu etablieren schiedlicher ökologischer Gilden in Be- und deren Vorzüge im Zuge raumrelevanter schreibungs- und Bewertungsverfahren be- Projekte zum Einsatz zu bringen. Die „graue“ sonders geeignet Literatur (Umweltverträglichkeitsstudien, son- – Homozönität: Larven leben meist im selben stige Naturschutzgutachten) wird auch bei Lebensraum wie Adulte (gilt eingeschränkt Wanzen immer unübersichtlicher. In ihrer Eig- für Wasserwanzen) nung stehen Wanzen anderen wirbellosen Mo- – Dominierend in Grünland- und Ruderal- dellgruppen somit nicht nach. Vielleicht kann standorten und an manchen Sonderstand- diese Arbeit und auch die Ernennung der „Rit- orten (z. B. Binnenland-Salzstandorte) terwanze“ Lygaeus equestris (Lygaeidae) zum – Artenreichtum bei überschaubarer Indivi- Insekt des Jahres 2007 (DECKERT 2006) zu einer duenzahl ermöglicht eine gute Aussagen- vermehrten Verwendung dieser hoch diversen, kraft bei vergleichsweise geringem Erhe- attraktiven und interessanten Insektengruppe bungsaufwand beitragen. – Gute Erfassbarkeit sowie Reproduzierbar- keit der Erfassungsmethoden 6 Zusammenfassung – Stabile taxonomische und systematische Verhältnisse Wanzen (Insecta, Heteroptera) wurden bis- her im Naturschutz als eine weniger gut geeig- Derzeit bestehende Defizite nete Tiergruppe für planungsrelevante Frage- – Kein aktuelles deutschsprachiges Bestim- stellungen angesehen. Die vorliegende Arbeit mungswerk bewertet auf Grundlage neuerer Erkenntnisse – z. T. aufwändig präparier- und determinier- in den Bereichen Kenntnisstand, Verfügbarkeit bar etablierter Erhebungsmethoden, indikatori- – viele Arten klein, mit versteckter Lebens- scher Wert, Vorhandensein von Roten Listen weise und somit schwer auffindbar und Bearbeitungsaufwand Wanzen als gut ge- – notwendiger Einsatz kombinierter Fangme- eignete Indikatorgruppe im Naturschutz. Es thoden für eine repräsentative Erfassung werden Empfehlungen für standardisierte Frei- – regional stark divergierender faunistischer landerhebungen in verschiedenen Lebensraum- Erforschungsstand; Checklisten und Rote typen gemacht. Insbesondere wegen des hohen Listen liegen nur teilweise vor, bedingt indikatorischen Wertes bei (vergleichsweise) durch die relativ geringe Anzahl an Bearbei- geringem Bearbeitungsaufwand sind Wanzen tern als „günstige“ Indikatorgruppe für natur- – in wenigen Artengruppen unzureichende schutzbiologisch-relevante Fragestellungen zu biologisch-ökologische Kenntnisse beurteilen. – einige Nahrungsspezialisten treten nur in geringen Abundanzen auf; Gefahr von schwer deutbaren „Zufallsfunden“ 7 Literatur – eingeschränkte Verwendung in hochalpinen ABRAHAM, R. (1991): Fang und Präparation wirbelloser Tie- Lebensräumen aufgrund der Artenarmut ab re. - Gustav Fischer, Stuttgart, 132 S. der Subalpinstufe ACHTZIGER, R. (1991): Zur Wanzen- und Zikadenfauna von Bei Vorhandensein regionaler Bearbeiter Saumbiotopen - Eine ökologisch-faunistische Ana- mit guten ökologisch-faunistischen Kenntnis- lyse als Grundlage für eine naturschutzfachliche Be- wertung. - Ber. ANL 15, 37-68. sen spricht aus fachlicher Sicht vieles für die ACHTZIGER, R. (1995): Die Struktur von Insektengemein- Verwendung von Heteropteren im Zuge natur- schaften an Gehölzen: Die Hemipteren-Fauna als schutzfachlicher oder angewandt-ökologischer Beispiel für die Biodiversität von Hecken- und Fragestellungen und Planungen. Wie sich ge- Waldrandökosystemen. - Bayreuther Forum Öko- logie (bfö) 15, 1-183. zeigt hat, ist es - meist nach persönlicher Lob- ACHTZIGER, R. (1997): Organization Patterns in a Tritrophic byarbeit und Kontakten zu privaten Projektauf- Plant- System: Hemipteran Communities in ROLAND ACHTZIGER & al.: Die Eignung von Wanzen als Indikatoren im Naturschutz 29

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Anschriften der Verfasser: Dr. ROLAND ACHTZIGER, TU Bergakademie Freiberg, Institut für Biowissenschaften und Interdis- ziplinäres Ökologisches Zentrum, AG Biologie/Ökologie, Leipziger Straße 29, D-09599 Freiberg E-Mail: [email protected] THOMAS FRIEß, ÖKOTEAM – Institut für Faunistik und Tierökologie, Bergmanngasse 22, A-8010 Graz, E-Mail: [email protected] Dr. WOLFGANG RABITSCH, Umweltbundesamt, Abt. Naturschutz, Spittelauer Lände 5, A-1090 Wien, E-Mail: [email protected] und Department für Evolutionsbiologie, Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien, Althanstrasse 14, A-1090 Wien E-Mail: [email protected] 40 Insecta, Heft 10, 2007 Insecta, Heft 10, 2007, Seite 41-48

SUSANNE DOBLER, Hamburg

Anpassungen an Pflanzensekundärstoffe in der Evolution von Blattkäfern (Coleoptera, Chrysomelidae)

1. Fragestellung sogar vom Vorhandensein giftiger Stoffe in ih- ren Wirtspflanzen, indem sie sie zur Abschre- Biologische Systeme verblüffen Fachleute ckung ihrer eigenen Fressfeinde weiter verwen- und Laien durch die ausgeklügelten gegenseiti- den. Vor allem von vielen Schmetterlingen und gen Anpassungen, die miteinander interagie- Nachtfaltern mit Warntracht, wie z. B. dem rende Arten in der Regel aufweisen. Eines der nordamerikanischen Monarchfalter (Danaus intensiv untersuchten Beispiele für solche sp.) oder dem Jakobskrautbär (Tyria jacobae- wechselseitigen Anpassungen ist das Zu- ae), ist eine solche Sequestration von Pflanzen- sammenspiel zwischen spezialisierten pflanzen- stoffen zur Feindabwehr bekannt, sie kommt fressenden Insekten und ihren Wirtspflanzen. aber auch bei Heuschrecken, Wanzen, Blattläu- Die meisten dieser Insektenarten sind speziali- sen, Blattwespen und Käfern vor (zusammen- siert auf einige wenige Wirtspflanzen und ver- gefasst in BOWERS 1992, ROWELL-RAHIER & PAS- fügen in der Regel über spezifische Anpassun- TEELS 1992, NISHIDA 1995). Obwohl viele derar- gen, die es ihnen erlauben, diese Pflanzen opti- tige Beispiele dokumentiert wurden, bleibt die mal zu nutzen (STRONG et al. 1984, BERNAYS & genaue Abfolge der Anpassungen im Laufe der CHAPMAN 1994). Solche Anpassungen reichen Evolution dieser Arten in den meisten Fällen von spezifischen Festhalte- und Verankerungs- ein Rätsel (DOBLER 2001). In diesem Beitrag mechanismen über spezielle Fraßtechniken bis möchte ich das Beispiel der Blattkäfergattung hin zur völligen Manipulation der Pflanze Chrysochus CHEVROLAT 18371 (Coleoptera, durch gallenbildende Insekten. Der sicher effi- Chrysomelidae, Eumolpinae) schildern, für die zienteste Schutz, den Pflanzen gegen Insekten- wir die meisten der entscheidenden evolutionä- fraß entwickelt haben, ist die chemische Ab- ren Schritte klären konnten, die es den Käfern wehr durch eine Vielzahl toxischer und ab- erlauben, äußerst giftige Pflanzenstoffe zu tole- schreckender Substanzen (z. B. ROSENTHAL & rieren und für ihre eigene Verteidigung weiter- BEERENBAUM 1992). Dabei fällt auf, dass toxi- zuverwenden. sche oder abschreckende Pflanzeninhaltsstoffe praktisch niemals eine unüberwindliche Hürde 2. Verbreitung und Futterwahl von Chryso- für phytophage Insekten darstellen, sondern chus-Arten dass jeder noch so giftige Pflanzenstoff von irgendwelchen Insekten entgiftet werden kann Die zehn beschriebenen Arten der Gattung (BRATTSTEN 1992, CAPRIO & TABASHNIK 1992). Chrysochus (LOPATIN 1984) kommen allesamt In vielen Fällen profitieren die Insekten letztlich in der Holarktis vor, zwei davon, C. auratus und

1 In der neueren deutschen Bestimmungsliteratur (z. B. in Die Käfer Mitteleuropas, Bd. 14, G. A. LOHSE & W. LUCHT (ed.), Goecke & Evers, Krefeld, 1994) wird die Gattung statt als Chrysochus CHEVROLAT, 1837, mit Eumolpus ILLIGER, 1798 angesprochen. Diese Umbenennung ergibt jedoch weiter reichende Komplikationen für die südamerikanische Gattung Eu- molpus WEBER, 1801, die in diesem Artikel ebenfalls angesprochen wird. Um hier Verwechslungen zu vermeiden, behalte ich bis zur Klärung der Synonymie die frühere Gattungsbezeichnung bei. 42 Insecta, Heft 10, 2007

C. cobaltinus, in Nordamerika, alle übrigen in cherheit bekannten Wirtspflanzen der übrigen Eurasien. Der einzige europäische Vertreter, C. Chrysochus-Arten keine Cardenolide, obwohl asclepiadeus, wird für Deutschland nach der sie ebenfalls zu den Apocynaceen gehören. Roten Liste als stark gefährdet eingestuft. Sein Um den historischen Verlauf der Wirtsasso- Vorkommen ist bei uns natürlicherweise auf ziationen zu klären, haben wir einen Stamm- wenige heiße und trockene Standorte im Süden baum der Gattung anhand eines DNA-Ab- beschränkt, z. B. Südbaden und Unterfranken, schnittes von ca. 1300 Basenpaaren der mi- wo auch seine Futterpflanze, die Schwalben- tochondrialen Gene für die Cytochrom-Oxida- wurz, Vincetoxicum hirundinaria, zu finden ist. se Untereinheiten I und II und des dazwischen Insgesamt reicht das Verbreitungsgebiet dieser liegenden Gens der tRNA für Leucin erstellt Art von Südeuropa bis nach Westsibirien. Sie- (DOBLER & FARRELL 1999). In die ursprüngliche ben weitere Arten wurden für Mittel- und Ost- Studie konnten vier Arten der Gattung Chryso- asien beschrieben, von denen C. chinensis die chus eingeschlossen werden, der europäische C. weiteste Verbreitung zeigt und von Japan bis in asclepiadeus aus dem Tessin, wo die Art sehr die Mongolei gefunden werden kann. Alle häufig ist, ein Vertreter von C. chinensis aus der Chrysochus-Arten wie auch der Großteil der Ar- Mongolei, und Individuen verschiedener Popu- ten in den nächst verwandten Gattungen Chry- lationen der nordamerikanischen Arten C. au- sochares MORAWITZ 1861 und Platycorynus ratus und C. cobaltinus. Als zusätzlicher Vertre- CHEVROLAT 1837 nutzen Pflanzen aus den Fa- ter der Außengruppe diente eine nicht näher milien Asclepiadaceae und Apocynaceae als identifizierte Art der südamerikanischen Gat- Wirte. Beide Pflanzenfamilien sind eng ver- tung Eumolpus WEBER 1801 aus Mexiko. Inzwi- wandt und werden nach neueren Befunden un- schen konnte der Stammbaum noch durch ein ter der alleinigen Familie Apocynaceae zu- Individuum der nah verwandten Gattung Pla- sammengefasst (SENNBLAD & BREMER 1996, tycorynus, P. sauteri aus Taiwan, erweitert wer- ENDRESS & BRUYNS 2000). Sowohl innerhalb der den. Eine Suche nach größter Sparsamkeit (ma- Apocynaceen im engeren Sinn als auch inner- ximaler Parsimonie) ergab für diesen Datensatz halb der Apocynaceae-Asclepiadoideae gibt es zwei Bäume, die die gleiche minimale Zahl evo- Arten, die Latexkanäle besitzen und in ihrem lutionärer Schritte erfordern (gleich sparsam Milchsaft Cardenolide (herzaktive Steroide) be- sind) und die Verwandtschaftsbeziehungen fördern. Diese Pflanzenstoffe sind gut bekannt zwischen den Arten mit hoher Bootstrap- als hochgiftige Substanzen, z. B. als Wirkstoffe Unterstützung2 auflösen (Abb. 1). Die nearkti- des Fingerhuts, die jedoch in angemessener Do- schen und paläarktischen Chrysochus-Arten sierung eine therapeutische Wirkung bei Herz- werden jeweils als Schwestergruppen aufgelöst, schwäche zeigen und zu einer Steigerung der P. sauteri steht wie zu erwarten an der Basis der Herzmuskelkontraktion führen (MALCOLM Gattung Chrysochus und ist näher zu ihnen ver- 1991). Andererseits waren Cardenolide die er- wandt als der Vertreter der südamerikanischen sten Stoffe, für die nachgewiesen werden konn- Gattung Eumolpus. Offensichtlich fand die Evo- te, dass Pflanzentoxine von einem Insekt, dem lution der größeren Verwandtschaftsgruppe, zu Monarchfalter, Danaus plexippus, zur Verteidi- der Chrysochus und Platycorynus gehören, in gung aller Lebensstadien gegen potenzielle der Paläarktis statt und lediglich der gemeinsa- Fressfeinde wie z. B. Vögel weiterverwendet me Vorfahr der beiden nordamerikanischen werden (zusammengefasst in MALCOLM & BRO- Arten wanderte in die Nearktis ein. Die Ver- WER 1989, MALCOLM 1991). Die selben breitungsareale der letztgenannten Arten sind Asclepias-Arten, die dem Monarch als Wirte aktuell für den größten Teil ihrer Nord-Süd- dienen, werden auch von der nordamerikani- schen Art C. cobaltinus als Futterpflanzen ge- nutzt, wogegen die zweite nordamerikanische 2 Bootstrapping ist eine statistische Methode, bei der Art, C. auratus, auf cardenolidhaltige Apocy- wiederholt Statistiken auf der Grundlage lediglich einer Stichprobe berechnet werden. In diesem Fall dient sie dazu num-Arten spezialisiert ist (DOBLER & FARRELL abzuschätzen, wie gut durch die Verzweigungen im Stamm- 1999). Im Gegensatz dazu enthalten die mit Si- baum vorhandenen Unterschiede unterstützt werden. SUSANNE DOBLER: Anpassungen an Pflanzensekundärstoffe in der Evolution von Blattkäfern 43

Ausdehnung durch die Rocky Mountains ge- sen toxischen und abschreckenden Stoffen in trennt, kommen sich dort zum Teil aber sehr seinen neuen Wirtspflanzen. Im Folgenden nahe (DOBLER & FARRELL 1999). Lediglich im möchte ich darstellen, welche Änderungen in äußersten Norden ihrer Verbreitungsareale der Biologie und Physiologie der nordamerika- wandert jedoch die östliche Art C. auratus in nischen Arten hieraus resultierten. das westliche Gebiet von C. cobaltinus ein, und es kommt zu einer lokal sehr beschränkten Hy- 3. Chemische Verteidigung von Chrysochus bridzone zwischen den beiden (PETERSON et al. 2001). Insgesamt spricht die Situation für eine Sowohl bei adulten Blattkäfern als auch bei allopatrische Aufspaltung der beiden Arten ihren Larven ist chemische Verteidigung gegen während einer Vereisungsphase der Rocky ihre Fressfeinde ein häufiges Phänomen und of- Mountains. fensichtlich in der Evolution vielfach unabhän- Wenn man die Wirtsassoziation anhand des gig entstanden (PASTEELS et al. 1988, 1994). Vor DNA-Stammbaums rekonstruiert (Abb. 1), so allem bei den auffällig gefärbten Arten ist die ergibt sich, dass die Nutzung von Asclepiadoi- Färbung in der Regel eine echte Warntracht, die deae die ursprüngliche Wirtsbindung der Käfer auf die Existenz von abschreckenden Substan- darstellt und erst mit der Kolonisierung Nord- zen hinweist. Für Adulte der Unterfamilien Al- amerikas ein Wirtswechsel zu Apocynum erfolgt ticinae, Chrysomelinae, Criocerinae und Gale- ist. Obwohl Asclepias und Apocynum zu ver- rucinae konnte histologisch gezeigt werden, schiedenen Unterfamilien der Apocynaceae ge- dass sie auf den Elytren und dem Pronotum ku- hören, haben sie gemeinsam, dass sie im Gegen- tikulare Drüsen besitzen, die bei Störung Wehr- satz zu den Wirtspflanzen der übrigen Chryso- sekrete abgeben (DEROE & PASTEELS 1982). Die- chus-Arten cardenolidhaltigen Latex besitzen. se Verteidigungssekrete enthalten überwiegend Die daher wohl dramatischste Änderung in der von den Käfern selbst produzierte Toxine, in ei- Wirtspflanzenqualität, die sich für den gemein- nigen Fällen konnte aber auch eine Weiterver- samen Vorfahren von C. auratus und C. cobalti- wendung von Pflanzentoxinen nachgewiesen nus ergeben hat, war die Konfrontation mit die- werden (PASTEELS et al. 1988, 1994, 2001). In ei-

C. cobaltinus, S Kalifornien, USA Asclepias eriocarpa

100 63 C. cobaltinus, N Kalifornien, USA Apocynum cannabinum

C. cobaltinus, Utah, USA Asclepias speciosa 100

C. auratus, Colorado, USA

77 86 100 C. auratus, Minnesota, USA Apocynum cannabinum

C. auratus, Maryland, USA

80 C. asclepiadeus, Schweiz Vincetoxicum officinale C. chinensis, Mongolei

Platycorynus sauteri, Taiwan Asclepiadoideae Eumolpus spec., Brasilien

Abb. 1. Stammbaum der Gattung Chrysochus und zweier Außengruppenvertreter nach einer maximalen Parsimonieanaly- se basierend auf ca. 1500 Basen der mitochondrialen Gene der Cytochromoxidase-Untereinheiten I und II. Den Arten sind ihre Wirtspflanzen gegenübergestellt. Der Balken markiert den Wechsel zu cardenolidhaltigen Wirtspflanzen. 44 Insecta, Heft 10, 2007 ner ganzen Gruppe, dem Subtribus Chrysolini- tus and C. cobaltinus ergab jedoch, dass zumin- na, enthalten die Verteidigungssekrete der Kä- dest bei adulten Chrysochus ebenfalls Wehrdrü- fer Cardenolide (PASTEELS 1993), die von ihnen sen vorhanden sind und in der gleichen Weise selbst produziert werden (VAN OYCKE et al. Wehrsekrete produziert werden wie bei den zu- 1987). Die Eumolpinae, obwohl sie häufig auf- vor charakterisierten Chrysomeliden (Abb. 2). fällig gefärbt sind, wurden dagegen zunächst Eine chemische Analyse der Sekrete zeigte, dass nicht unter den Chrysomeliden eingereiht, die sie bei C. asclepiadeus drei verschiedene aroma- Wehrsekrete produzieren, da bei der unter- tische Aminosäuren enthalten, Leucin, Phe- suchten Art keine Drüsen nachgewiesen werden nylalanin und Tryptophan, sowie zusätzlich Di- konnten (DEROE & PASTEELS 1982). Eine genau- acetyl-Putrescin (DOBLER et al. 1998). Obwohl ere Untersuchung von C. asclepiadeus, C. aura- keine dieser Substanzen für sich allein toxisch

Abb. 2. Chrysochus asclepiadeus sondert Verteidigungssekrete ab (Foto: J. M. Pasteels). SUSANNE DOBLER: Anpassungen an Pflanzensekundärstoffe in der Evolution von Blattkäfern 45 oder abschreckend wirkt, belegen Fütterungs- Stoffe machen, über effiziente Exkretionsme- versuche mit der ansonsten sehr gefräßigen chanismen verfügen (TORRIE et al. 2004) oder Ameise Myrmicaria opaciventris MAYR, 1876 ei- durch molekulare Veränderungen die Na- nen effektiven Fraßschutz der lebenden Käfer trium-Kalium-Pumpe unempfindlich gegen die (J. M. PASTEELS, persönliche Beobachtung). Ei- Wirkung der Cardenolide machen. Untersu- ne Analyse der Sekrete von C. auratus und chungen an der amerikanischen Ritterwanzen- C. cobaltinus zeigte, dass hier ebenfalls geringe art Oncopeltus fasciatus (MOORE & SCUDDER Mengen der selben Aminosäuren vorhanden 1986) und dem Monarchfalter belegen (VAUG- sind, weitaus häufiger sind allerdings aus der HAM & JUNGREIS 1977), dass beide Arten eine Pflanze aufgenommene Cardenolide (DOBLER et Resistenz der letzteren Art entwickelt haben al. 1998). Dieser Nachweis der Pflanzenstoffe in und ihre Natrium-Kalium-Pumpe durch den Sekreten der Käfer war eine gewisse Über- physiologisch relevante Konzentrationen von raschung, da frühere Untersuchungen an gan- Cardenoliden nicht gehemmt werden kann. Für zen C. cobaltinus nur Spuren der Substanzen den Monarchfalter ließ sich nachweisen, dass nachweisen konnten, die für mögliche Verun- der Austausch einer einzigen Aminosäure, von reinigungen durch den Darminhalt gehalten einem sonst konservierten Asparagin zu einem wurden (ISMAN et al. 1977). Eine spannende Histidin, in der Bindungsstelle für Cardenolide Koinzidenz ist zudem, dass hier Cardenolide ausreicht, um die Resistenz zu erreichen (HOL- von den Käfern sequestriert werden, während ZINGER et al. 1992, HOLZINGER & WINK 1996). unabhängig davon viele Arten der Chrysolinina Andere Insektenarten auf cardenolidhaltigen genau diese Stoffe autogen produzieren. Pflanzen zeigen dagegen nicht den gleichen Höchstwahrscheinlich hat der gemeinsame Aminosäureaustausch, sondern erreichen die Vorfahr von C. auratus und C. cobaltinus seine Toleranz gegenüber Cardenoliden offenbar auf Verteidigungsstrategie mit dem Wechsel zu car- andere Weise (HOLZINGER & WINK 1996, MEBS denolidhaltigen Wirtspflanzen und der damit et al. 2005, DOBLER, MROSCHKOWSKI &AGRAWAL einhergehenden Verfügbarkeit dieser stärkeren in Vorbereitung). Das könnte einerseits über Gifte geändert. Dieser Wechsel in der Verteidi- die oben erwähnten Möglichkeiten geschehen, gungsstrategie erforderte allerdings nachweis- die Konzentrationen in der Hämolymphe zu re- lich eine Reihe zusätzlicher Anpassungen. geln, aber auch durch andere Manipulationen der Natrium-Kalium-Pumpe. So gibt es z. B. für 4. Evolution der Anpassungen an Cardenoli- Hundenierenzellen den Nachweis, dass eine de auf der molekularen Ebene Aminosäuresubstitution in einer transmembra- nen Region des Carriers ebenfalls die Bindungs- Die toxische und in richtigen Dosen thera- kapazität für Cardenolide herabsetzt (CANESSA peutische Wirkung von Cardenoliden beruht et al. 1992). auf ihrer Fähigkeit, an die Natrium-Kalium- Um zu untersuchen, ob die Cardenolidbin- Pumpe zu binden, die quer durch das ganze dungsstelle bei den Arten C. auratus und C. co- Tierreich essentiell für die Aufrechterhaltung baltinus, die auf cardenolidhaltigen Pflanzen le- von Zellmembranpotentialen und die Weiter- ben, gegenüber ihren nahen Verwandten auf leitung von Nervenimpulsen ist. Cardenolide Pflanzen ohne Cardenolide Veränderungen blockieren diese Pumpe, indem sie an einer spe- aufweist, haben wir für diese Arten einen 550 zifischen und hochkonservierten Stelle an die- Basenpaare langen Abschnitt des Gens für die sen Transmembrancarrier (Transportmolekü- α-Untereinheit der Natrium-Kalium-Pumpe le) binden und den weiteren Ionentransport inklusive der Bindungsstelle sequenziert (LA- dadurch verhindern (EMERY et al. 1998, SCHEI- BEYRIE & DOBLER 2004). Eine Übersetzung in die NER-BOBIS 2002). Insekten, die auf cardenolid- entsprechende Proteinsequenz für die zwölf haltigen Pflanzen fressen, stehen daher vor der Aminosäuren, die die Cardenolidbindungsstelle Herausforderung, die toxische Wirkung der ausmachen, zeigt, dass die beiden Arten auf car- Pflanzensekundärstoffe zu umgehen, indem sie denolidhaltigen Pflanzen sich in vier Amino- entweder ihre Därme impermeabel für diese säuren von ihren Verwandten unterscheiden, 46 Insecta, Heft 10, 2007 die nicht mit diesen Stoffen konfrontiert sind perimente mit radioaktiv markiertem Ouabain, (Tabelle 1). C. asclepiadeus, C. chinensis und der einem käuflich erhältlichen Cardenolid, die wir Außengruppenvertreter P. sauteri haben alle die mit C. asclepiadeus als nicht-adaptierter und selbe Aminosäuresequenz in dieser Region, die mit C. cobaltinus als adaptierter Art durchge- somit als ursprünglich für die Gruppe angese- führt haben. Zehn Tage nach der Verfütterung hen werden kann. Auffällig ist, dass diese ur- der radioaktiven Substanz wurden die Sekrete sprüngliche Aminosäuresequenz an Position der Käfer gesammelt, die Tiere getötet und ein 122 des Proteins ein Asparagin enthält, genau Teil ihrer Hämolymphe abgezapft. Während in wie bei der Drosophila und verschiedensten C. cobaltinus große Mengen von Radioaktivität Vertebraten. Bei C. auratus und C. cobaltinus in der Hämolymphe und den Wehrsekreten der dagegen ist das Asparagin an dieser Position Käfer entdeckt werden konnte, ließen sich bei ausgetauscht gegen ein Histidin, wie dies auch C. asclepiadeus nur Spuren von Radioaktivität bei dem Monarchfalter beobachtet wurde. Ob- in der Hämolymphe nachweisen und keine in wohl wir noch nicht wissen, was der Austausch den Sekreten. Statt dessen war bei dieser Art der der übrigen drei Aminosäuren bewirkt, ist ein- überwiegende Anteil der Radioaktivität mit deutig, dass allein der Ersatz des Asparagins dem Kot ausgeschieden worden (DOBLER 2004). durch ein Histidin ausreicht, um von einer Car- Diese Ergebnisse legen nahe, dass entweder nur denolid-sensitiven Form der Natrium-Kalium- geringe Mengen des radioaktiven Cardenolids Pumpe zu einer resistenten zu kommen (HOL- in den Körper aufgenommen wurden oder dass ZINGER & WINK 1996). Chrysochus-Arten haben die Art über sehr effiziente Exkretionsmecha- somit unabhängig den gleichen Mechanismus nismen verfügt, ähnlich wie dies in der entwickelt wie der Monarch, um die Toxizität Zwischenzeit für Drosophila melanogaster nach- der Cardenolide ihrer Futterpflanzen zu ver- gewiesen wurde (TORRIE et al. 2004). Nachdem meiden. aber eine passive Aufnahme dieser großen und Um die Cardenolide zusätzlich auch in die polaren Moleküle reichlich unwahrscheinlich Verteidigungsdrüsen transportieren zu können, ist, ist es plausibler anzunehmen, dass bei C. co- mussten jedoch weitere Anpassungen dazu baltinus ein vorhandenes Trägerprotein (Car- kommen. Evidenzen dafür geben Fütterungsex- rier) modifiziert wurde, um die Cardenolide in

Tabelle 1. Ausschnitt aus der Aminosäuresequenz der α-Untereinheit Natrium-Kalium- Pumpe von Chrysochus und ausgewählten Vergleichsarten. Fett gedruckt sind die an cardenolidhaltige Pflanzen angepassten Arten. Grau hinterlegt ist die Amino- säureposition 122, an der der Austausch eine resistente Form der Natrium-Kalium- Pumpe bewirkt, Daten für Danaus plexippus aus HOLZINGER & WINK (1992), für Droso- phila melanogaster aus SUN et al. (1998).

111 122

Drosophila melanogaster Gln Ala Ser Thr Ser Glu Glu Pro Ala Asp Asp Asn

Danaus plexippus Gln Ala Ser Thr Val Glu Glu Pro Ser Asp Asp His

Chrysochus auratus Val Val Ser Thr Val Glu Glu Ala Ser Asp Asp His

Chrysochus cobaltinus Val Val Ser Thr Val Glu Glu Ala Ser Asp Asp His

Chrysochus asclepiadeus Leu Ala Ser Thr Val Glu Glu Pro Ser Asp Asp Asn

Chrysochus chinensis Leu Ala Ser Thr Val Glu Glu Pro Ser Asp Asp Asn

Platycorynus sauteri Leu Ala Ser Thr Val Glu Glu Pro Ser Asp Asp Asn SUSANNE DOBLER: Anpassungen an Pflanzensekundärstoffe in der Evolution von Blattkäfern 47 den Körper aufzunehmen und weiter in die machte es möglich, dass die Käfer von den Gift- Verteidigungsdrüsen zu transportieren. Ein stoffen ihrer Futterpflanzen profitieren und sie Kandidat für einen solchen Carrier ist von Ver- in ihren Wehrsekreten für ihre eigene Verteidi- tebraten bekannt, bei denen Ouabain von gung gegen potenzielle Fressfeinde einsetzen. Transmembrancarriern aus der Familie der OATP (organic anion transporting proteins) 6. Danksagung transportiert wird (NOE et al. 1997). Homologe dieses Gens gibt es auch bei Insekten, und für Ich danke Prof. Dr. M. PETERSON für seine Drosophila konnte bereits nachgewiesen wer- wiederholten Bemühungen, lebende C. cobalti- den, dass es für die Ausscheidung von Ouabain nus nach Deutschland zu schicken und C. S. LIN über die Malphighi-Gefäße verantwortlich ist für das Exemplar von P. sauteri aus Taiwan. (TORRIE et al. 2004). Unsere derzeitige Arbeit Diese Arbeit wurde finanziert durch den richtet sich daher auf die Charakterisierung des Schweizerischen Nationalfonds, die NATO, den homologen Gens in Chrysochus. Alles spricht Fonds der Chemischen Industrie und die DFG. dafür, dass die Evolution der chemischen Ver- teidigung durch eine Veränderung von Sub- 7. Literaturverzeichnis stratspezifität und Expressionsmustern dieser Carrier durch die pflanzenentlehnten Toxine BERNAYS, E. A., & CHAPMAN, R. F. (1994): Host-plant selec- tion by phytophagous insects. Chapman & Hall, überhaupt erst möglich wurde. New York. BOWERS, M. D. (1992): The evolution of unpalatability and 5. Zusammenfassung the cost of chemical defense in insects. In: ROIT- BERG, B. D., & ISMAN, M. B. (eds.) Insect Chemical Ecology. An Evolutionary Approach. Chapman & Spezialisierte pflanzenfressende Insekten Hall, New York, pp. 216-244. sind in ihren Wirtspflanzen häufig mit toxi- BRATTSTEN, L. B. (1992): Metabolic defenses against plant schen Substanzen konfrontiert, die für nicht allelochemicals. In: ROSENTHAL, G. A., & BEREN- BAUM, M. R. (eds.) Herbivores: Their Interactions angepasste Arten, gleich ob Insekten oder Wir- with Secondary Plant Metabolites. Academic Press, beltiere, in der Regel abschreckend oder giftig San Diego, pp. 175-242. wirken. Am Beispiel der Blattkäfergattung CANESSA, C. M., HORISBERGER, J. D., LOUVARD, D., & ROS- Chrysochus wird hier dargestellt, wie sich im SIER, B. C. (1992): Mutation of a cysteine in the first transmembrane segment of Na,K-ATP α-subunit Laufe der Evolution spezifische Anpassungen confers ouabain resistance. - EMBO 11, 1687-1992. herausgebildet haben, die den Arten, die sie be- CAPRIO, M. A., & TABASHNIK, B. E. (1992): Evolution of resi- sitzen, die Nutzung von Wirtspflanzen mit to- stance to plant defensive chemicals in insects. In: xischen Stoffen ermöglichen. Im Fall der Chry- ROITBERG, B. D., & Isman, M. B. (eds.) Insect Che- mical Ecology. Chapman & Hall, New York, pp. sochus-Arten erzwang ein Wechsel der Wirts- 179-215. pflanze im Zuge der Besiedlung Nordamerikas DEROE, C., & PASTEELS, J. M. (1982): Distribution of adult die Anpassung an toxische Cardenolide (herz- defense glands in Chrysomelids (Coleoptera: Chry- aktive Steroide) in den neuen Wirten. Diese somelidae) and its significance in the evolution of defense mechanisms within the family. - Journal of Stoffe sind für Insekten wie auch für Wirbeltie- Chemical Ecology 8, 67-82. re toxisch, weil sie die Natrium-Kalium-Pumpe DOBLER, S., DALOZE, D., & PASTEELS, J. M. (1998): Sequestra- blockieren, die für die Aufrechterhaltung von tion of plant compounds in a leaf beetle’s defensive Membranpotentialen und die Weiterleitung secretions: cardenolides in Chrysochus. - Chemoe- cology 8, 111-118. von Nervenimpulsen nötig ist. Wie hier geschil- DOBLER, S., & FARRELL, B. D. (1999): Host use evolution in dert wird, können die Chrysochus-Arten einer- Chrysochus milkweed beetles: evidence from beha- seits durch eine molekulare Veränderung der vior, population genetics and phylogeny. - Molecu- Natrium-Kalium-Pumpe die toxische Wirkung lar Ecology 8, 1297-1307. DOBLER, S. (2001): Evolutionary aspects of defense by recy- der Pflanzenstoffe vermeiden und sind anderer- cled plant compounds in herbivorous insects. - Ba- seits dazu übergegangen, sie aus dem Darm in sic and Applied Ecology 2, 15-26. die Hämolymphe und weiter in ihre Verteidi- DOBLER, S. (2004): The evolution of adaptations to plant se- condary compounds in Chrysochus leaf beetles gungsdrüsen zu transportieren. Diese zusätzli- (Chrysomelidae, Eumolpinae). In: JOLIVET, P., SAN- che Modifikation des verantwortlichen Carriers TIAGO-BLAY, J. A., & SCHMITT, M. (eds.) New Deve- 48 Insecta, Heft 10, 2007

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Anschrift der Verfasserin: Prof. Dr. SUSANNE DOBLER, Biozentrum Grindel und Zoologisches Museum, Martin-Luther-King-Platz 3, D-20146 Hamburg, E-Mail: [email protected] Insecta, Heft 10, 2007, Seite 49-52

ULRICH SEDLAG, Eberswalde

Gallen und Gallinsekten – Musterbeispiele der Koevolution?1

Die Problematik der Gallbildung, für die spezialisierte Feinde örtlich und zeitlich be- sich verschiedene Wissenschaftsdisziplinen schränkt.“ WEIDNER äußerst sich auch an ande- interessieren sollten, ist stark vernachlässigt; rer Stelle im gleichen Sinn und spricht von Spe- vielleicht, weil es schwierig ist, Geldgeber für zialisierung und Gegenspezialisierung, worun- die Mehrung von Erkenntnissen zu finden, die ter man wohl nur eine Koevolution verstehen keinen ökonomischen Profit versprechen, und kann. weil die Medien eher irgendwelche Beobach- BUHR, Bd. 1, S. 10 betrachtet Gallen als Ab- tungen aus fernen Ländern vermelden oder wehrreaktionen der Pflanzen. „Die Gallen ent- auch über mehr oder weniger unsinnige Speku- stehen bei einem Aufeinander- und Gegenein- lationen berichten, die gesichertes Wissen in anderwirken der Partner in stetigem Wider- Frage stellen. streit zwischen normalem und abnormem Um auf immer wieder weitergegebene Ge- Wachstum...“ Also auch hier Koevolution. dankenlosigkeiten und Irrtümer hinzuweisen, MANI, M. S., Ecology of plant galls, 1964, S. bieten sich die Cynipidengallen an Eiche als 227: „Die Primärreaktion seitens der Pflanze ist Beispiel an. Weit verbreitet ist die Auffassung, eine defensive, bei der es einen Antagonismus Gallen seien Schutzeinrichtungen der Pflanzen: zwischen der Resistenz des Pflanzengewebes EIDMANN, Lehrbuch der Entomologie. 2. und dem Gallerreger gibt, dessen Endziel die von F. KÜHLHORN neubearbeitete Auflage 1970, Neutralisation der toxischen Effekte des Galler- S. 459: „Sie (die Pflanze) opfert ihm (dem Gall- regers ist. Hohlräume, die als Schutzeinrich- erreger) zwar einen gewissen, geringen Teil ih- tung für Gallbewohner gedeutet wurden, und res Stoffbestandes, lokalisiert aber seinen An- vermeintliche Schutzschichten der Gallen sind griff und macht ihn ... mittels der Galle un- allein durch chemische und mechanische Zu- schädlich. An Stelle einer fremddienlichen stände während der Gallentstehung zu erklären Zweckmäßigkeit erscheint dies vielmehr als und keinesfalls durch einen Vorteil für den Schutzwirkung oder Feindabwehr.“ Gallerreger. Der Gallerreger wird nicht nur auf WEBER, Grundriss der Insektenkunde, 5. eine bestimmte Stelle eingeengt, sondern ihm von H. WEIDNER bearbeitete Auflage 1974, S. wird auch die verfügbare Zeitspanne aufge- 503: „... ist der Nutzen der Gallbildung nicht zwungen“. nur für das Gallinsekt offenkundig, sondern Diese Autoren, und nicht nur sie, betrach- auch für die Pflanze, die durch sie bestimmte, ten die Gallen also bestenfalls als Ergebnis einer

1 Vortrag auf der 7. Fachtagung des NABU-BFA Entomologie 2004 „Insekt und Pflanze“ 50 Insecta, Heft 10, 2007

Koevolution, wenn nicht überhaupt als einseiti- kam. Das heißt, dass abwehrfähige Bäume, ge Leistung der Pflanzen, die nur durch Selek- wenn überhaupt, nur gelegentlich von Fort- tion zu erklären wäre. schritten einer gedachten Abwehr begünstigt Es gab gelegentlich aber auch Stimmen, die gewesen sein können. den Vorteil allein auf Seiten der Gallerreger sa- Ganz abgesehen von den Beziehungen zu hen, und die Gallen teleologisch deuteten. Das Gallerregern, ist es schwer, sich die Evolution gilt zunächst für MARCELLO MALPHIGI, der in der von langlebigen Bäumen vorzustellen. Sie muss 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts die Gallenkunde sehr langsam verlaufen. Eichen können sich im begründete. ERICH BECHER hat ein ganzes, 1917 Alter von 25 bis 40 Jahren erstmals fortpflan- erschienenes Buch über die fremddienliche zen, und damit 200 Jahre und mehr fortfahren. Zweckmäßigkeit der Pflanzengallen geschrie- Da sie im wesentlichen ihren Bestand erhalten, ben, dessen Titel die Hypothese eines „überin- sich also nicht vermehren, muss man davon dividuellen Seelischen“ ankündigt, die nur am ausgehen, dass jeder Baum womöglich einen Rande erwähnt sei. einzigen Nachkommen hat, der das Reifealter Dass die Wirtspflanzen von den Gallerre- erreicht und ihn ersetzt. Daraus ergibt sich eine gern beherrscht werden, hat bereits J. PACLT Generationsfolge von jedenfalls >100 Jahren. (1972) klar erkannt, ohne auf die hier begrün- Und Bäume haben keine Keimbahn, wodurch dete Unmöglichkeit einer Koevolution einzuge- es auf die Zahl der Generationen bezogen wohl hen. Seine Argumentation hat ebenso wenig zwangsläufig zu einer Verlangsamung der Evo- Beachtung gefunden, wie ein Vortrag, den ich lution gegenüber Tieren kommen muss. hierüber 1988 in Greifswald gehalten habe. Dem womöglich einzigen aus Hunderttau- Es gibt bei Pflanzen Zehntausende „sekun- senden Eicheln erwachsenen fertilen Nachkom- däre Inhaltsstoffe“, die als Schutz vor Tieren ge- men einer Eiche stehen zweifellos Zehntausen- deutet werden. Es wäre daher weitaus leichter de Keimpflanzen gegenüber. Bei der Selektion vorstellbar, dass die Eichen eine rein chemische von Schutzanpassungen „erwachsener“ Bäume Abwehr entwickeln als eine komplizierte Gall- geht es vor allem um eine größere oder kleinere bildung. Ihnen ist es aber weder gelungen, Gall- Fertilität, bei den jungen Eichen, die unter an- wespen auf diese Weise abzuwehren, noch eine derem durch Mäuse, Hasen, Kaninchen, Rehe, wirksame Abwehr gegen so bedeutsame Schäd- Hirsche und ungünstige Witterungsbedingun- linge wie Nonne, Schwammspinner, Goldafter, gen dezimiert werden, dagegen um Leben und Eichenwickler oder Frostspanner zu entwi- Tod. Man kann also erwarten, dass die Evolu- ckeln. Bei den Gallen sind dagegen zugleich tion in jungen Jahren vorangetrieben wird, in Morphologie und Physiologie verändert, und denen es kaum Gallen als Selektionsfaktor gege- man geht sicher in der Annahme nicht fehl, ben haben dürfte, selbstverständlich schon gar dass für die Entstehung jeder komplizierten nicht solche, die auf Knospen oder wie die Galle eine erheblich größere Anzahl von Selek- Knoppern auf Eicheln angewiesen sind. Zudem tionsschritten als für eine bloße Umsteuerung wächst oft nicht die Eiche erfolgreich heran, die des Chemismus erforderlich war. Träger einer vorteilhaften Mutation ist, son- Welche Bedeutung als Schädlinge müssten dern die, die ein Eichelhäher oder ein Eich- die Vorfahren unserer heutigen Gallerreger ge- hörnchen an einer günstigen Stelle gepflanzt habt haben, um so erfolgreich Selektion betrei- hat. ben zu können! Sehr viel größer als heute kön- Und unsere Eichen hätten sich (vermeint- nen sie nicht gewesen sein, denn Blätter und lich) nicht vor einer Gallwespe, sondern vor Knospen können nur mäßig große Gallen tra- Dutzenden geschützt! Nachfolgend lege ich un- gen. Eine wesentliche Giftwirkung ist wohl aus- ter Beschränkung auf die für Deutschland ge- zuschließen, denn in diesem Fall hätte der Ein- nannten Gallen die Zahlen aus BUHRS unent- schluss in eine Galle nichts genützt. Denkbare behrlichem Gallenbestimmungswerk zugrunde Selektionsfaktoren wären Fraßschäden nach (BUHR 1964-1965). Für die Argumentation ist Massenvermehrung, zu der es vermutlich, wie es unwichtig, wenn die eine oder die andere An- auch heute, nur im Abstand von einigen Jahren gabe durch Neuentdeckung einer Art im Gebiet ULRICH SEDLAG: Gallen und Gallinsekten – Musterbeispiele der Koevolution? 51 oder die Erkenntnis der Zusammengehörigkeit Folglich handelt es sich hier um eine einsei- von zwei Generationen überholt ist. tige Selektion. Nicht die Eichen haben Dutzen- Stiel- und Traubeneiche, Q. robur und Q. de Abwehrprogramme gegen Gallwespen ent- petraea, tragen danach in Deutschland zusam- wickelt, sondern die Gallwespen mit ihrer men 71 Gallen von 44 Cynipidenarten, von de- schnellen jährlichen bzw. halbjährlichen Gene- nen 27 zwei Generationen an diesen Eichen, 5 rationsdauer je ein oder zwei Programme, mit weitere eine zweite Generation an Zerreiche ha- denen sie erstaunlicherweise Eichen mit unter- ben. Q. robur beherrscht im Gebiet 68, Q. pe- schiedlicher genetischer Ausstattung in gleicher traea 69 „Programme“, im Gesamtgebiet Euro- Weise zu ihren Gunsten beeinflussen. pas dürften es bei beiden etwa 100 sein. 33 der Die Annahme der Gallenentstehung durch angeführten Wespen werden zusätzlich für Q. auf die Pflanzen wirkende Selektion ist ein Bei- pubescens genannt. Bei der Mehrzahl der aufge- spiel dafür, dass man sich leicht und wohl nicht listeten Gallwespen gibt es noch weitere Wirte. gerade selten vorschnell mit der Erklärung von Gelegentlich ist sogar von vielen anderen die Strukturen, Funktionen und Verhaltensweisen Rede. Dabei kann die Bestimmungstabelle ohne durch Selektion zufrieden gibt. In neuerer Zeit Abstriche für die verschiedenen Wirte benutzt gibt es eine Reihe von Buchveröffentlichungen, werden. Monophag und auf Zerreiche be- die den Darwinismus teilweise oder sogar weit- schränkt sind jedoch offenbar die zweige- gehend in Frage stellen. Sie bieten keine besse- schlechtlichen Generationen von Andricus gem- ren Erklärungen, aber mahnen, nicht mit gän- mea, A. kollari, A lignicola, A. corruptrix und A. gigen Schlagworten Lücken in Wissen und Ver- quercuscalicis. ständnis zu verdecken. Und das Zusammen- Für die Zerreiche findet sich bei BUHR eine spiel von Tieren und Pflanzen ist eine Heraus- separate Tabelle. Sie enthält 13 für die anderen forderung, sich von unzulässigen Vereinfa- Eichen genannte Wespen, deren Gallen ebenso chungen zu trennen. Man kann wohl nicht ein- aussehen wie bei diesen. Es gibt in dieser Tabel- fach mit an Drosophila orientierten Vorstellun- le aber auch eine ganze Reihe von Arten, die gen die Evolution von Bäumen erklären. Das (bisher) nur von der Zerreiche bekannt sind. Fragezeichen hinter der Überschrift kann durch Auffallend ist es, dass nach BUHR die Gallen von ein klares Nein mit Ausrufungszeichen ersetzt Andricus inflator, A. ostrea, Neuroterus laevius- werden. Aber es gibt bei diesem Wechselspiel culus und (selten) N. numismalis auch an Quer- noch viele Fragen, die einer Beantwortung har- cus rubra beobachtet wurden. ren. Schlussfolgerung: Koevolution ist defini- tionsgemäß die gegenseitig beeinflusste Evolu- Zusammenfassung tion zweier Arten. Es ist schwerlich vorstellbar, dass sich auf Seite der Eichen mehrere Arten zu- Von den Cynipidengallen an Eichen ausge- sammengetan und eine Gallwespenart nach der hend, wird der gängigen Vorstellung wider- anderen entsprechend beeinflusst haben. sprochen, dass diese als Schutzeinrichtung der Eine Koevolution im üblichen Sinn wäre Pflanzen zu verstehen wären: Dagegen spricht, allerdings denkbar, wenn als Partner die dass die Eichen nicht einmal eine einfache che- Stammform heutiger Eichen angenommen mische Abwehr bedeutender Schaderreger ent- wird. Verlässliche Angaben über eine etwaige wickelt haben, während die Gallerreger die Ei- zeitliche Möglichkeit dafür fehlen. Die Un- chen kaum geschädigt haben können. Es ist wahrscheinlichkeit einer Entstehung der Gallen auch schwer vorstellbar, dass eine auf die Pflan- durch eine die Eichen schützende Selektion ze wirkende Selektion rund 100 verschiedene würde für eine ferne Vergangenheit genauso und bei mehreren Eichenarten übereinstim- wie für die Gegenwart gelten. Und wäre es so, mende Gallen hervorbringen konnte. Zudem wäre zwar die Evolution des Langsamentwick- dürfte die Selektion ganz überwiegend auf frühe lers Eiche, nicht aber die cecidogene Fähigkeit Stadien heranwachsender Eichen wirken, wäh- der Gallerreger mit ihrer mehr als hundertfa- rend ein Teil der Gallen fast nur oder überhaupt chen Generationenfolge weiter gegangen. nur bei älteren Bäumen vorkommt. Es gab kei- 52 Insecta, Heft 10, 2007 ne Koevolution, sondern eine einseitige Förde- sided selection of the cecidogenetic ability of rung der cecidogenen Fähigkeit der Hymenop- the hymenopterans. teren. Literatur Summary BECHER, E. (1917): Die fremddienliche Zweckmäßigkeit der It is often asserted, that galls of cynipids on Pflanzengallen und die Hypothese eines überindivi- oak originated as a means of protection of the duellen Seelischen. Leipzig. 1-148. BUHR, H. (1964 - 1965): Bestimmungstabellen der Gallen hosts. That is improbable, since the oaks have (Zoo- und Phytocecidien) an Pflanzen Mittel- und not even developed a simple chemical defense Nordeuropas. 2 Bände, Jena. 1-1572. against very important pests, whereas it is hard EIDMANN, H. (1970): Lehrbuch der Entomologie. 2. von F. Kühlhorn neubearbeitete Auflage. Hamburg und to believe, that the cynipids ever did a remark- Berlin 1970, 1-631. able damage. Moreover it should be hard to un- MANI, M. S. (1964): The Ecology of Plant Galls. Den Haag, derstand, how selection could endow several 1964, 1-434. species of oaks with (identical!) programs for PACLT, J. (1972): Zur allgemein-biologischen Deutung der Pflanzengalle. - Beitr. Biol. Pflanzen 48, 63-77. about 100 galls. Finally: Because of the very high SEDLAG, U. (1988): Insektengallen - ungelöste Fragen der mortality of young oaks, selection should affect Evolution. - Wiss. Z. Ernst-Moritz-Arndt-Univ. especially the first stages of the trees, whereas Greifswald, Math.-nat. wiss. Reihe 37 (2-3) S. 71- galls are more or less restricted to a small num- 74. WEBER, H. (1974): Grundriß der Insektenkunde, 5. von H. ber of survivors of at least median age. Galls are WEIDNER bearbeitete Auflage. - Stuttgart und New not the product of co-evolution, but of a one- York, 1-640.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. ULRICH SEDLAG, Talweg 2, D-16225 Eberswalde Insecta, Heft 10, 2007, Seite 53-57

THOMAS GLADIS, Berlin

Beobachtungen zu Rosskastanienminiermotten sowie zum Besuch und Verhalten alt- und neuweltlicher Bestäuber auf Kürbisblüten1

Bekämpfen oder abwarten? Verfärbung der Blätter und einen vorzeitigen Laubfall, oft schon mitten im Sommer. In den Die Rosskastanien-Miniermotte (Cameraria ersten Befallsjahren blühten die Bäume zwar ohridella DESCHKA DIMIC) ist eine erst 1985 ent- noch prächtig, bildeten aber kaum Samen. Die deckte und 1986 beschriebene Kleinschmetter- Kinder suchten im Laub vergeblich danach. Der lingsart, die sich in jüngster Zeit explosionsartig einstige Zierwert der stattlichen Bäume war da- über Europa ausgebreitet hat. Das konnte sie je- hin. doch nur, weil der Mensch ihr den Weg bereitet Von der Miniermotte kaum oder nicht be- hat. Bereits seit dem 16. Jahrhundert erfolgen fallen werden übrigens die sehr dekorativen ge- Pflanzungen der auf dem Balkan und in Asien schlitztblättrigen Sippen von Ae. hippocastanum beheimateten Gewöhnlichen Rosskastanie (’Laciniata’ und ’Laciniata Pendula’), die im (Aesculus hippocastanum L.). Als die eigentliche Stadtbild äußerst selten zu sehen sind. Sie müs- Invasion der Motten begann, beklagte die Be- sen vegetativ vermehrt werden, da sie keine Sa- völkerung bald allerorten die unansehnliche men ansetzen. In Abb. 1 sind Kopien teilweise

Abb. 1. Nicht oder kaum (oben rechts) miniert: laciniate Rosskastanienblätter

1 Vortrag auf der 7. Fachtagung des NABU-BFA Entomologie 2004 „Insekt und Pflanze“ 54 Insecta, Heft 10, 2007 minierter Blätter der beiden Sippen aus dem schaut wird feststellen, dass sich der Gesund- Bad Godesberger Stadtpark wiedergegeben. An- heitszustand der Bäume allmählich zu bessern fang Oktober 2004 gepflückt, sind sie im Unter- scheint, wenn er sich nicht gar stabilisiert hat. schied zu benachbart stehenden Bäumen mit Auch zur Fruchtbildung kommt es wieder - wa- ungeschlitzten Blättern noch grün und ein ren die Bekämpfungsversuche also doch erfolg- durchaus erfreulicher Anblick. reich? Wohl kaum, da die Laubbeseitigung Verwandte Arten und Bastarde mit Ae. hip- weiterhin eher nachlässig erfolgt und Gartenab- pocastanum wurden nicht oder kaum befallen, fälle oft wie gewohnt in stadtnahen Wäldern heimische Gehölze nur sporadisch. Ratlosigkeit entsorgt werden. Es sind - wie nicht anders zu machte sich breit. Kein anderer Schmetterling erwarten - Parasiten, Parasitoide und Prädato- und schon gar keine Motte hat je eine derartige ren am Werk, die der Art folgen oder die sich Presselawine hervorgerufen. Vom Verlust his- allmählich auf diese neue, über die ganze Vege- torischer Alleen war die Rede, alle erdenklichen tationszeit in großen Mengen verfügbare Nah- Bekämpfungsmöglichkeiten wurden erörtert, rungsquelle eingestellt haben. Zehn Erz- und Bäume gefällt, Ökologen suchten und suchen vier Schlupfwespenarten sind darunter. In Ös- noch immer nach Antagonisten. Selbstver- terreich wurden an Prädatoren bisher Singvö- ständlich wird auch mit Pheromonfallen gear- gel, allen voran Blau- und Kohlmeise n (Parus beitet [1], die wegen des Massenaufkommens caeruleus L., P. major L.), Wespen, Springspin- schnell mit Motten vollgestopft sind. In reprä- nen und Laubheuschrecken festgestellt [2], die sentativen Grünanlagen Wiens griff man zu sys- unterschiedliche Stadien des Schmetterlings be- temischen Mitteln und konnte so wenigstens fallen bzw. vertilgen. Weitere Antagonisten den Eindruck nicht befallener, vor Gesundheit werden folgen, sich auch weiter nach Norden strotzender tiefgrüner Kastanien erkaufen. Bei ausbreiten. Und nur diesen Antagonisten wird uns wird in einer bundesweiten Kampagne das eine nachhaltige Eindämmung der Massenvor- Sammeln und Beseitigen des Herbstlaubes pro- kommen gelingen, selbst wenn C. ohridella pagiert, da die Puppen des Falters darin über- noch der Umstieg auf eine andere Wirtspflanze wintern. Im innerstädtischen, zumal im öffent- und damit ein erster Schritt zur Speziation ge- lichen Bereich mag das noch funktionieren. Es lingen sollte. War die ganze Aufregung um- lässt sich aber nicht auf ganze Landstriche über- sonst, waren die eigentlich verständlichen Re- tragen. Gartenbesitzer werden aufgerufen, Sä- aktionen auf den Befall überzogen? Interessant cke zu kaufen, das Laub darin zu sammeln und ist, dass man noch immer nichts über den Ur- es ordnungsgemäß entsorgen zu lassen. Doch sprung der Art und über die Gründe ihrer auch in unseren Breiten ist die Rosskastanie plötzlichen Radiation weiß. Gerade weil sie aber nicht ausschließlich auf die Vermehrung und charakteristische Bäume im öffentlichen Grün Verbreitung durch den Menschen angewiesen. befällt, gelang mit Hilfe der engagierten Öffent- Die zahllosen in Wäldern, Gebüschen, im Be- lichkeit ein für so ein kleines Tier ziemlich ein- reich von Bahnanlagen etc. stehenden Bäume zigartiges Monitoring der Verbreitungswege bzw. auflaufenden Jungpflanzen werden nicht und -zeiten. Die Biologie zahlloser viel länger erfasst. So wird nur ein Teil der in der Stadt an- bekannter Arten ist weit weniger gut erforscht. fallenden Puppen vernichtet. Viel Laub wird verweht oder bleibt einfach liegen. Die Minier- Einfuhrgenehmigung erteilen? motte ist ein typischer r-Stratege. Sie bringt drei Generationen im Jahr hervor und ist, wie die In Europa weiß man über die enge Bindung Geschwindigkeit ihrer Ausbreitung belegt, sehr der neuweltlichen Kürbisbienen an die Blüten wanderfreudig. Derartige Bekämpfungsversu- der Kürbisarten (Cucurbita spp.) noch sehr we- che sind also sinnlos und von vornherein zum nig, vom Verhalten der Bienen in den Blüten Scheitern verurteilt. ganz zu schweigen. Die großen, auffälligen, Wer sich Bilder ein und desselben Baumes, leuchtend gelben Trichterblüten sind jedoch aus unterschiedlichen Jahren und etwa zur glei- kaum zu übersehen. Von welchen Insekten chen Zeit aufgenommen, vergleichend an- werden diese Neophyten oder besser Hemero- THOMAS GLADIS: Beobachtungen zu Rosskastanienminiermotten 55 phyten (vgl. GLADIS et al. 2001) in der Alten hoch polymorphen Art, rollen sich die Kron- Welt besucht? Ganz selten - und je Individuum blattzipfel während der Anthese sogar seitlich wohl nur einmal - kann man Schwebfliegen be- locker tütenförmig ein. Gelangen Hummeln obachten, die sich kurz auf der Narbe oder den oder Bienen in einen der eingerollten Kronzip- zu einem Synandrium verwachsenen Staubge- fel, kann dieser Reinigungseffekt bei den rest- fäßen niederlassen. Von den langrüsseligen lichen im Pelz hängenden Pollenkörnern gut Hummelarten wie der im Gebiet sehr häufigen beobachtet werden. Er ist dann aber nicht mehr Ackerhummel (Bombus pascuorum [SCOP.]) so ausgeprägt wie in den Morgenstunden. Die konnten außer beim Feigenblattkürbis (C. fici- Details, die entsprechenden morphologischen folia BOUCHÉ) keine Individuen beim regulären Strukturen und Funktionsweisen sind an ande- Blütenbesuch an Kürbissen beobachtet werden. rer Stelle bereits ausführlich beschrieben und il- Es sind überwiegend Honigbienen und die lustriert (GLADIS 2003). Durch Experimente ge- kurzrüsselige Stein- (B. lapidarius [L.]) bzw. die stützte Versuche zum individuellen Lernver- Erdhummelarten (B.-terrestris-Komplex), die mögen der unterschiedlichen Blütenbesucher sich oft schon sehr zeitig am Morgen in den fehlen bisher. Indizien sprechen dafür, dass Blüten einfinden. Die Tiere landen auf den Dipteren den staatenbildenden Hymenopteren Kronzipfeln und kriechen auf der Suche nach überlegen sind. Zum Verhalten solitär lebender Nektar an den Blütengrund. Der extrem stark Bienen auf Kürbisblüten liegen aus Europa bis- klebende Pollen interessiert sie nicht, doch er her kaum Beobachtungen vor. heftet sich ihnen beim Besuch männlicher Blü- In Amerika haben sich zwei Gattungen ten auf der ganzen Körperoberseite einschließ- langrüsseliger Solitärbienen aus der Familie An- lich der Augen an. Nur die Antennen und die thophoridae auf die Bestäubung von Cucurbita- Flügel bleiben frei. Den Nektar können die Bie- Arten spezialisiert. Nur sie sind in der Lage, Cu- nen und Hummeln entgegen anderslautenden curbita-Pollen zu sammeln und als Nahrung zu Mitteilungen in der Literatur nicht erreichen. verwerten. Wie der Name sagt, leben die squash Der Blütenbau, vor allem aber die Position der bees (13 Peponapis- und acht Xenoglossa-Arten) kurzrüsseligen Tiere beim Versuch der Nektar- sogar im wesentlichen von Nektar und Pollen aufnahme, verhindert das in den dimorphen der Kürbisblüten (KROMBEIN et al. 1979). Die Blüten beiderlei Geschlechts. Außerdem ist die Ansprüche beider Gattungen an ihre Lebens- Quantität des Nahrungsangebotes äußerst ge- räume sind verschieden. Xenoglossa bevorzugt ring, wie zu unterschiedlichen Tageszeiten aus- trockenere Habitate als Peponapis. Die Gründe geführte Schnitte durch den Blütenboden erga- für eine Spezialisierung der Weibchen auf den ben. Allein Farbe und Duft scheinen die Bienen Pollen bestimmter Cucurbita-Arten sind bisher derart gefangen zu halten, dass sie vor allem nicht geklärt. morgens bis zu mehrere Stunden lang suchend Beim Besuch der Kürbisblüten gehen die am Blütengrund verharren, oft mehrere Indivi- neuweltlichen Kürbisbienen offenbar ganz an- duen gemeinsam, auch solche unterschiedlicher ders vor als die altweltlichen Arten (vgl. Arten (GLADIS 2002). Wegen der mit Pollen ver- SCHMITT 2001): Die Tiere fliegen morgens be- klebten Augen ist ihnen dann ein Abflug kaum reits im Dunkeln an. Dabei orientieren sie sich möglich. Entschließt sich eine Biene doch dazu, vermutlich nicht nur optisch sondern auch ol- stürzt sie sich nach einem kurzen, orientie- faktorisch. Die Kürbisblüten werden nur kurz, rungslosen Versuch in eine der nächsten Blü- dafür aber sehr zielgerichtet besucht. Die Tiere ten, wo sie mit einer Narbe oder der Kronblatt- landen auf dem Synandrium bzw. auf der Nar- oberfläche in Berührung kommen kann. In bei- be, nicht auf der Krone und nehmen bei der den Fällen wird das Tier an den betreffenden Nektaraufnahme eine vertikale Stellung ein Körperstellen vom anhaftenden Pollen befreit. (TEPEDINO 1981). Somit kommen nur die Bisher ist diese „Service-Funktion“ der anson- Gliedmaßen und die Bauchseite mit Pollen in sten in Europa als Bienentäuschblumen einzu- Berührung. Rücken und Augen bleiben frei stufenden Blüten vermutlich weitgehend unbe- (vgl. auch Abb. bei HURD et al. 1971 und [3]). kannt. Beim Gartenkürbis (C. pepo L.), einer Wie oben beschrieben, verhalten sich die nicht 56 Insecta, Heft 10, 2007 auf Kürbisblüten spezialisierten Arten und auch ganismengruppen geforscht und deren Freiset- die altweltlichen Bienen genau umgekehrt, sie zung vorbereitet wird bzw. bereits erfolgt. landen auf den Kronblättern statt auf der Narbe Dieser Widerspruch kann nicht aufgelöst und kommen mit der Rücken- statt mit der werden, solange Entscheidungen nach bürokra- Bauchseite mit Synandrium und Narbe in Be- tischen Regeln und unter öffentlichem bzw. rührung. Unabhängig von der Position des In- wirtschaftlichem Druck getroffen werden. Die sekts sind die Adhäsionskräfte zwischen Pollen beiden ausgewählten Beispiele belegen aber und Narbe größer als zwischen Pollen und Bie- auch, dass die oft propagierte „Wertlosigkeit“ nenhaar, wodurch die Übertragung auf die von Neobiota für heimische Arten differenzier- Narbe gewährleistet wird, wenn es zu einer Be- ter zu sehen ist. Im Laufe weniger Jahre können rührung kommt. sich Verhaltensmuster ändern und neue Glie- Squash bees gelten in Amerika als außeror- der in Nahrungsketten aufgenommen werden. dentlich nützliche Bestäuber von Kürbisfeldern. Als Hemerozoen sind einige Arten den kulti- Zusammenfassung vierten Kürbissen gefolgt und konnten so ihre natürlichen Verbreitungsareale in Abhängigkeit Zwei anscheinend nicht miteinander zu- vom Kürbisanbau wesentlich erweitern. Es hat sammenhängende Themen werden in diesem auch nicht an Bestrebungen gefehlt, die mono- Beitrag kombiniert. Doch es ist in beiden Fällen oder oligolektischen Arten in Regionen außer- der Mensch, der durch wiederholte Eingriffe in halb ihrer natürlichen Verbreitungsgebiete an- natürliche Abläufe frühere Introduktionen ge- zusiedeln. Frühere Versuche in Europa sind bietsfremder Arten zu korrigieren bzw. weitere allerdings gescheitert. Heute wären derartige Neueinführungen potentiell invasiver Organis- Vorhaben trotz des wohl äußerst geringen Risi- men (Neobiota) zu unterbinden versucht. Der kos und des absehbaren wirtschaftlichen Nut- Ausgang dieser Experimente ist offen. Sobald zens aus rechtlichen Gründen und wegen der ökonomische Fragen berührt werden und es öffentlichen Debatten um die Einführung wei- sich um an die Kultur gebundene Nutzorganis- terer Neobiota sehr schwer zu realisieren. Ent- men bzw. Kulturfolger handelt (Hemerobiota), sprechende Projektanträge wurden jedenfalls sollten grundsätzlichen Einfuhrverboten bzw. abgelehnt. kostenintensiven Bekämpfungsmaßnahmen sorgfältige wissenschaftliche Untersuchungen Fazit zur Biologie und zum möglichen Nutzen der betreffenden Arten vorausgehen. Am Beispiel der Kastanienminiermotte wurde aufgezeigt, dass alle vom Menschen er- Summary griffenen Bekämpfungsmaßnahmen für in plötzlicher Radiation befindliche, hochgradig Two obviously not interrelated themes are spezialisierte r-Strategen erfolglos sein können. treated within this article. Yet in both cases, it is Dennoch werden „der Ordnung halber“ auf- man who tries to encroach upon natural wendige Kampagnen durchgeführt. Es besteht processes, to revise earlier introductions of al- die Forderung, etwas gegen die „Schädlinge“ zu lochthonous (foreign or alien) species and to unternehmen. In der Konsequenz setzt sich die stop the ongoing introduction of potential in- Meinung durch, dies auch zu vermögen. vasive organisms (so called “aliens” or Neobio- Am Beispiel der Kürbisbienen wird verdeut- ta). The final outcome of these experiments re- licht, dass das Unterlassen der Einfuhr adäqua- mains open. Before requiring general embar- ter, hochgradig spezialisierter Bestäuber für ne- goes or cost intensive eradication measures, one ophytische Kulturpflanzen nach Europa nie- should demand scientific studies on the biology mandem nutzt, doch wirtschaftlich schadet. and potential value of such species – as far as Dennoch unterbleiben der überfällige Transfer economic interests are affected and utilizable und die Etablierung lebensfähiger Populationen or hemerophilous organisms are involved dieser Tiere, während an anderen riskanten Or- (hemerobiota). THOMAS GLADIS: Beobachtungen zu Rosskastanienminiermotten 57

Literatur SCHMITT, K. (2001): Die Blütenbesucherfauna von Cucurbi- ta pepo: Biogeographische und ethologische Argu- mente für die effektivsten Bestäuber. - Schr. Haus- GLADIS, Th., ARROWSMITH, N., & HAMMER, K. (2001): He- merophyta - a special case of invasive organisms. - arb. Univ. Bonn, erste Staatsprüfung für das Lehr- Schriften zu Genetischen Ressourcen 16, 23-29. amt für die Sekundarstufe II, 60 S. TEPEDINO, V. J. (1981): The pollination efficiency of the GLADIS, Th. (2002): Farbe, Duft und Flugverkehr - Bestäu- bungsökologische Beobachtungen an Cucurbita- summer squash bee (Peponapis pruinosa) and the honey bee (Apis mellifera) on summer squash (Cu- ceen. In: K. HAMMER, GLADIS, Th., & HETHKE, M. (Hrsg.): Kürbis, Kiwano & Co. - Vom Nutzen der curbita pepo). - J. Kansas Ent. Soc. 54, 2, 259-377. Vielfalt. Der Katalog zur Ausstellung, Band 1, S. 57- 64. GLADIS, Th. (2003): Locken, täuschen, blenden - und ande- Links re „Serviceleistungen“ von Cucurbitaceenblüten. - VEN-Samensurium Nr. 14, 37-44 + 4 Farbtafeln. [1] http://www.fzi.uni-freiburg.de/camerarpilot.htm HURD, P. D., LINSLEY, E. G., & WHITAKER, Th. W. (1971): (inzwischen abgeschaltet); Squash and gourd bees (Peponapis, Xenoglossa) and vgl. auch http://www.cameraria.de/index.php, the origin of the cultivated Cucurbita. - Evolution http://de.wikipedia.org/wiki/Rosskastanienminier- 25, 218-234. motte KROMBEIN, K. V., HURD, P. D., SMITH, D. R., & BURKS, B. D. [2] http://www.calantis.com/deutsch/contents/ (1979): Catalog of Hymenoptera in America North cont_nuetzlinge.html of Mexico. - Smithsonian Inst. Press, Washington [3] http://www.fragmentsfromfloyd.com/fragments/ D. C. 2005/07/all_the_buzz.html

Anschrift des Verfassers: Dr. THOMAS GLADIS, Silbergrasweg 50, D-12439 Berlin E-Mail: [email protected] 58 Insecta, Heft 10, 2007 Insecta, Heft 10, 2007, Seite 59-60

DIETRICH J. WERNER, Köln

Verbreitung, Wirtspflanzenwechsel und Naturschutzaspekte bei Wanzen (Heteroptera) an Zypressengewächsen (Cupressaceae) in Deutschland1

Am heimischen Wacholder (Juniperus com- zuwarten, ob diese Wanzenart in Zukunft auch munis) und an eingeführten Lebensbäumen noch auf eingeführte Zypressengewächse um- (Thuja-Arten) bzw. Scheinzypressen (Chamae- steigen wird. Der meist häufige Cyphostethus cyparis-Arten) finden sich Wanzen, die an den tristriatus (Acanthosomatidae) findet sich au- Scheinbeeren oder Zapfen dieser Pflanzen sau- ßer auf dem heimischen Wacholder inzwischen gen. Vier relativ große Heteropteren-Arten aus auf besonders vielen angepflanzten fremdländi- vier verschiedenen Familien dienen als Beispie- schen Cupressaceen. In Köln und Umgebung le für unterschiedliche Muster in ihrer Verbrei- zeigt sich dieser Tatbestand sehr deutlich und tung in Deutschland und für ihren teilweise ab- ist ebenso in manchen Gebieten von Baden- weichenden Wirtspflanzenwechsel unter Be- Württemberg nachzuvollziehen. Der nur in trachtung von Naturschutzaspekten. Fünf Ar- Süddeutschland stärker verbreitete Gonocerus ten von Weichwanzen, die ebenfalls relativ stark juniperi (Coreidae) hat hier nun ebenfalls damit an Zypressengewächse gebunden sind, werden begonnen, neben dem Wacholder als seiner hier nicht behandelt. Hauptwirtspflanze die eingeführten Zypressen- Es kann wohl nicht bestritten werden, dass gewächsen zu nutzen. Als vierte Art wird der der Gemeine Wacholder seit dem 19., be- ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und sonders aber im 20. Jahrhundert im Rheinland Südosteuropa stammende Orsillus depressus und in anderen Regionen nach Individuenzah- (Lygaeidae) angesprochen, der erst seit 1965 len, Standorten und Bestandsdichten stark ab- bzw. 1971 in West- und Mitteleuropa als Neo- genommen hat. Der Wacholder, Baum des Jah- zoon auf nicht heimischen Cupressaceen im res 2002, muss daher nicht nur in einzelnen Siedlungsraum des Menschen anzutreffen ist. Bundesländern geschützt, sondern auch in die Der Erstfund von Orsillus depressus war 1965 in Bundesartenschutzverordnung aufgenommen den Niederlanden in einer Sendung von impor- werden. Auf den Rückgang ihrer angestammten tierten Thuja-Samen (T. occidentalis) aus Italien Wirtspflanze reagieren die vorgestellten vier (ROSSEM et al. 1968) (Information durch Heteropteren sehr unterschiedlich. freundliche Vermittlung von B. AUKEMA, Wage- Die relativ seltene Chlorochroa juniperina ningen). Diese Art wandert heute vermehrt in (Pentatomidae) kommt neben Juniperus com- die meist unter Naturschutz stehenden Stand- munis auch sehr vereinzelt auf der Krähenbeere orte von Juniperus communis ein, was nicht ver- (Empetrum nigrum) vor, die auch seltener ge- wundert, da sie auch in ihren Herkunftsländern worden ist und unter Schutz steht. Es bleibt ab- u. a. an verschiedenen Wacholderarten lebt.

1 Kurzfassung einer ausführlichen Veröffentlichung in „Entomologie heute 16: 117-140.“ Düsseldorf (2004), Vortrag auf der 7. Fachtagung des NABU-BFA Entomologie 2004 „Insekt und Pflanze“ 60 Insecta, Heft 10, 2007

Literatur

ROSSEM, G. VAN, BURGER, H. C., & VAN DE BUND, C. F. WERNER, D. J. (2004): Verbreitung, Wirtspflanzenwechsel (1968): Schadelijke insekten in 1965.-Verslagen en und Naturschutzaspekte bei Wanzen (Heteroptera) Mededelingen van de Plantenziektenkundige an Zypressengewächsen (Cupressaceae) in Dienst 143 (Jaarboek PD 1965/66), 62-72. Wage- Deutschland.- Entomologie heute 16, 117-140. ningen. Düsseldorf.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. DIETRICH J. WERNER, Universität zu Köln, Geographisches Institut, Albert-Magnus-Platz, D-50923 Köln E-Mail: [email protected] Insecta, Heft 10, 2007, Seite 61-84

HANS-REINER SIMON, Gernsheim

Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien

Das Motto zu diesem Monitoring-Projekt hend naturbelassenen Landschaften zu finden. ist die Feststellung und „Arbeitshypothese“ von Ihre große Ausdehnung jedoch ist oft einer de- E. O. WILSON: „Man kann ein ganzes Leben auf taillierten Untersuchung nicht als Ganzheit, einer Magellanschen Entdeckungsreise um den sondern nur eingeschränkt zugänglich. Als Bei- Stamm eines einzigen Baumes verbringen.“ spiele seien genannt: der mitteleuropäische (WILSON 1999) (S. 385). Laubwald, die afrikanische Savanne. Mit diesen Vorgaben lässt sich z. B. die Diesem Problem der Ganzheit versucht Chronik eines Baumes schreiben, wie sie sich in man seit Jahren gerecht zu werden durch zu- seiner Arthropoden-Gemeinschaft widerspie- nächst intensive definitorische Bemühungen, gelt. Eine besondere Rolle soll hierbei den überschaubare Ökosysteme zu beschreiben, Raubarthropoden einschließlich ihrer Beutetie- aufzusuchen und letztendlich in diesen mög- re zukommen. lichst umfassende Studien durchzuführen. Bei- spiele für diesen Forschungsansatz lieferten und Einführung liefern die Untersuchungen der Forschergrup- pen um TISCHLER (Kiel, Agrobiozönosen) und Dieser Beitrag untersucht ein ökologisches SCHAEFER (Göttingen, Bodenfauna in Laubwäl- System und seine Komponenten. Die generelle dern). Berechtigung, den Begriff „Ökosystem“ als reale Derartige Überlegungen bzw. Arbeitshypo- Gegebenheit der Natur einzustufen, soll an ei- thesen zu solchen überschaubaren Ökosyste- nem typologisch gut umgrenzbaren Biotop und men führten zu der Annahme, dass beispiels- seiner Biozönose untersucht werden. weise auch eine Baumkrone, hier die Apfel- „Ein Ökosystem ist ein theoretisches Modell baumkrone als Biotop, ein solches Ökosystem eines komplexen Gefüges aus BIOZÖNOSE sein könnte, wenn es in ein naturnahes Umfeld und BIOTOP, in welchem die verschiedenen eingebettet ist. biotischen und abiotischen Faktoren wirken“ Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich (MARTIN 2002). für den beprobten Baum gegeben. Sie sollen Ökosysteme sind Produkte aus Biotopen überprüft und sowohl empirisch dokumentiert und Biozönosen und umfassen in der Regel als auch analytisch diskutiert werden. Grundla- ausgedehnte Naturräume. Derartig definierte ge bilden die Ergebnisse einer Langzeitstudie Modell-Systeme bemüht man sich in weitge- mit einem Vorversuch 1998, dann ununterbro- 62 Insecta, Heft 10, 2007 chen in den Jahren 1999 bis 2004. Es liegen fol- – Parasitoide sind abhängig von Phytopha- gende quantitative Grundlagen für die Be- gen, Detritivoren und teilweise von Prä- schreibung dieser Biozönose vor: datoren (Parasitoide von Spinnen) als Wirt- – 1200 Klopftrichter-Proben; diese erbrach- sorganismen. ten 42 000 gesammelte Arthropoden-In- dividuen mit Bis 2004 nur teilweise berücksichtigt wurden – etwa 350 Arten, davon eine Art neu für die Deutschland (vgl. SIMON 2004a). – Destruenten (Mikroben, Bodenpilze, Ne- matoden, Milben, Collembolen) in der Einleitung Laubstreu (F (1), Förna) und der oberen Bodenschicht unter dem Apfelbaum. Diese Eine übergeordnete Frage- und Problem- Gilde ist maßgeblich beteiligt am Abbau des stellung muss lauten: Welche System-Qualitä- Falllaubes und seiner Umwandlung in Hu- ten der Biozönose lassen sich aus diesen quanti- musstufen. Von Bedeutung sind diese obe- tativen Ergebnissen ableiten? ren Bodenschichten auch als Überwinte- Zunächst ergeben sich eindeutige Verläufe rungsstätte für etliche Arthropoden der von Jahres- und jahreszeitlichem Auftreten der Krone. Arthropoden, die Hinweise zur Phänologie der 350 bis 400 Arten liefern. Dieser Fragenkom- Alle aufgeführten Gilden sind stark gebun- plex wird seit 1998 bearbeitet (vgl. Literatur SI- den an abiotische Faktoren wie Temperatur, MON 1999a bis SIMON & ZIMMERMANN 2002). Sonnenstunden und Niederschlag. Diese häufig Detaillierte Darstellungen sind z. Zt. jedoch nur wechselnden dichteunabhängigen Größen sind für alle Collembolen-Arten und die Mehrzahl einwandfrei als primäre Steuerungsgrößen der der Planipennia möglich. Die Parasitoide sind Populationsdynamik aller genannten Gilden- nach Familien und jahreszeitlichem Auftreten Populationen anzunehmen (SIMON 2004b) (S. untersucht (vgl. ZIMMERMANN 2003). 123). Zur Bestimmung von Systemqualitäten Die weitere Beeinflussung der Populations- werden die erhaltenen 42 000 Individuen soge- dynamik im Jahreslauf ist sodann den Antago- nannte Gilden, also Nutznießern gleicher nisten (Prädatoren und Parasitoiden) zuzuwei- Ressourcen, vorzugsweise der Nahrung, zuge- sen. Eine methodische Konzentration auf die ordnet und ihre Relationen/Korrelationen zu- Gruppe der Prädatoren kann Hinweise zu de- einander bestimmt. Damit sollten prinzipielle ren Rolle im Ökosystem Apfelbaumkrone erge- Dynamiken der Arthropoden-Zönose im Öko- ben. Die ebenfalls beachtenswerten Parasitoide system „Apfelbaumkrone“ auffindbar sein. werden ausführlich von ZIMMERMANN (2003) Folgende Gilden-Gruppierungen haben sich untersucht. für das untersuchte Habitat als ökologisch rele- Die spezielle Fragestellung in bezug auf die vant und daher auch als praktikabel für De- prädatorischen Antagonisten von Phytophagen skriptionen und evtl. auch Interpretationen er- und Detritivoren/Mikrophytophagen lässt sich wiesen, nämlich folgendermaßen formulieren: – Phytophage, die von der Primärproduktion Sind prädatorische Arthropoden Regulato- abhängig sind (Blätter, Zweige, Äste, Blüten, ren einer Zoozönose? Früchte, Pilze) – Detritivore und Mikrophytophage sind ab- Zielvorgaben hängig von Rinde und Totholz und dem dort abgelagerten Detritus (Kotpartikel, In überschaubaren Ökosystemen, wie der Zerreibsel, Bakterien-Rasen), sowie Pilzhy- Apfelbaumkrone, sollte sich die Regulation von phen, Algen, Flechten Arthropoden-Populationen (einer speziellen – Prädatoren (räuberische Arthropoden) sind Zoozönose) relativ eindeutig nachweisen las- abhängig von Phytophagen und Detritivo- sen. Die trophischen Beziehungen unterschied- ren als Beute licher systematischer Gruppen („Ordnungen, HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 63

Familien“) sind ein zentrales Thema der aktuel- Die Temperaturen im Beobachtungsgebiet len ökologischen Forschung. Am Beispiel der weichen in der Regel von diesen Durchschnitts- Prädatoren und ihrer Hauptbeutegruppen in werten ab. Im Versuchsbaum direkt gemessene einem relativ geschlossenen Ökosystem wurde Werte erlauben folgende Aussagen: nach einer sechsjährigen Monitoring-Serie in Im Januar kann die Durchschnittstempera- den Jahren 1999 bis 2004 den Fragen der Popu- tur bis -1,8 °C betragen (im Plusbereich bis +2 lationsdynamik von Beute und Räubern sowie °C). In den Monaten Februar und März +3,5 deren Relationen bzw. Korrelationen nachge- bis +8 °C. Im April ergibt sich eine Spanne von gangen. Insbesondere soll versucht werden, 4 °C bis 22 °C; im Juni, Juli und August von 10 Aussagen über die regulatorische Potenz von °C bis 33 °C. Direkte Zusammenhänge zwi- prädatorischen Arthropoden der Baumkrone schen Durchschnittstemperaturen und gesam- zu treffen. Eine grundsätzliche Frage schließlich melten Arthropoden sind deutlich ausgeprägt. ist die Diskussion um ein kleindimensioniertes In den Monaten Juni bis August bei Durch- „Ökosystem“, wie z. B. einer Apfelbaumkrone. schnittstemperaturen, die immer über +19 °C lagen, wurden bis 2002 jeweils ± 6000 Indivi- Material und Methoden duen pro Monat gesammelt. Nicht nur die mo- natlichen Durchschnittstemperaturen, sondern Der untersuchte Baum wurde an nieder- auch die Sonneneinstrahlung und die Tageslän- schlagsfreien Tagen mit einem Klopftrichter ge waren für Arthropoden in den sechs Sam- (PVC; 25 cm Durchmesser) besammelt. Das meljahren von entscheidender Bedeutung als Sammelgefäß (Kunststoff, Höhe 8,5 cm; abiotisches Umfeld. Durchmesser 7 cm) diente auch als Beobach- In Südhessen beträgt die Anzahl der som- tungsgefäß, um in Einzelfällen das Verhalten merlichen Sonnentage in der Regel etwa 40, die und die Nahrungsaufnahme der Prädatoren zu Temperaturen steigen dann auf über +25 °C an. untersuchen. Alle gesammelten Arthropoden Die jährlichen Sonnenscheinstunden liegen mit wurden tiefgefroren (-15 °C) und am folgenden insgesamt durchschnittlich 1640 im obersten Tag bestimmt (Collembolen bis zur Art), in der Bereich der westdeutschen Werte. Im „Gegen- Regel jedoch den genannten vier Gilden zuge- zug“ sind die Tage mit Niederschlag selten, so ordnet. dass insgesamt nur 650 mm Niederschlag pro m² und Jahr gemessen werden. Standort Diese Klimafaktoren begünstigen eine lange Der Beobachtungsort Gernsheim liegt in Vegetationsperiode. Sie dauert im Mittel 170 der Oberrheinischen Tiefebene (92 m ü. NN) Tage und wird definiert durch eine mittlere Ta- und gehört zu den wärmsten Regionen ges-Temperatur über +10 °C. Deutschlands. Diese Feststellung lässt sich be- schreiben mit Hilfe der Temperaturen, der Sammelzeit Niederschläge und der Sonnenscheindauer. All Die Aufsammlungen wurden nur an nieder- diese abiotischen Faktoren sind wesentlich am schlagsfreien Tagen vorgenommen. Dies ist Aufkommen der angetroffenen Arthropoden zwingend durch die Methode vorgegeben (s. beteiligt. unten). Die Daten entsprechen damit den für Arthropoden günstigen Tagen ohne Nieder- Klima (nach Angaben des Regierungspräsidi- schlag, oft verbunden mit Sonnenschein. Von ums Darmstadt) 1998 (Vorversuch) bis 2004 wurden in sechs Das Hessische Ried (Süd-Hessen; Reg. Be- Jahren mit 1200 Proben 42 000 Arthropoden zirk Darmstadt) gehört zu den wärmsten Kli- erhalten. Diese Individuen wurden von maxi- mazonen Deutschlands. Die durchschnittliche mal etwa 10 % der Baumkrone gesammelt, so Jahrestemperatur beträgt 9,5 °C. Die Monats- dass im Jahresdurchschnitt etwa 30 000 bis ma- mittel steigen von Januar (0 °C) bis zu 9 °C bis ximal (?) 100 000 Arthropoden-Individuen in 10 °C im Frühling (April) und durchschnittlich mindestens 350 Arten diese Apfelbaumkrone auf 19 °C im Sommer (Juni, Juli, August). besiedelten. Für die gesamte Untersuchung 64 Insecta, Heft 10, 2007

(1998 bis 2004) sind die Daten zu den Proben- werden. Ein weiteres herausragendes Jahr war entnahmen in Tabelle 1 zusammengefasst. 2003 (Jahrhundertsommer) mit hohen Tempe- In den Wintermonaten (Dezember bis Fe- raturen und sehr geringen Niederschlägen (Ein- bruar) wurden spezielle Erfassungsstrategien zelheiten vgl. SIMON 2003). In den Sammeler- angewandt (vgl. Methoden). gebnissen zeigt sich die Besonderheit dieses Die meisten der insgesamt 1200 Proben Sommers und wird entsprechend herausgestellt wurden (witterungsbedingt) in den Sommer- (vgl. Kap. Ergebnisse, Empirischer Teil). Ein monaten (Juni bis August) genommen. Auf das Trend zur Annäherung an den langjährigen kli- Ausnahmejahr 2001 sei besonders hingewiesen: matischen Durchschnitt liegt evtl. für 2004 vor. Der September war unterdurchschnittlich tem- Die relevanten Klimadaten im Überblick: periert (+12,5 °C), mit zahlreichen Regentagen – Zehnjahresmittel (1990 bis 2000): +10 °C und 140 mm Niederschlag pro m². Im Gegen- – in der Baumkrone (1999 bis 2002): +12,3 °C satz dazu standen die Monate August – in der Baumkrone (2003): +14,8 °C; Maxi- (+19,5 °C) mit 49 mm und Oktober (+13,3 °C) mum im August +3 8 °C mit 59 mm. Im Oktober hatte sich das Wetter – in der Baumkrone (2004): +13 °C. dann im Sinne eines Altweibersommers sehr Alle Temperaturdaten stellen Mittelwerte günstig für die Probeentnahme entwickelt (126 nach Probeentnahme-Jahren dar und beruhen Sonnenscheinstunden, gegenüber nur 90 Stun- auf 1100 Einzelmessungen. Auffällig ist be- den im September). Sogar im November konn- sonders die jeweilige höhere mikroklimatische ten an warmen und niederschlagsfreien Tagen Temperatur in der Krone. Sie ist standortbe- noch interessante Sammelergebnisse erzielt dingt (vgl. auch Abb. 1).

Tabelle 1. Arthropoden nach Individuen-Abundanzen (Summen der Einzelfänge) der Beobachtungsjahre 1998 bis 2004.

Monate Individuen 1998-2002 Individuen 2003 Individuen 2004 Summen 1998-2004

Januar 428 42 - 470

Februar 872 153 - 1025

März 667 32 4 703

April 1445 164 60 1669

Mai 3864 666 981 5511

Juni 5937 510 936 7383

Juli 6261 668 783 7712

August 6099 360 566 7025

September 4633 416 493 5542

Oktober 4063 454 547 5064

November 933 - 99 1032

Summen 35 202 3465 4469 43 136*

* Für 1998 wurden die Arthropoden nach Monaten eingeschlossen. Da die Gesamtauswertung diesen Vorversuch nicht berücksichtigt, ergibt sich eine Endsumme von 43 136 - 714 (1998) = 42 422 Individuen. HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 65

Allgemein lässt sich formulieren: Das Auf- schen Gruppen zugeordnet. Die Ergebnisse treten der Arthropoden in der Apfelbaumkrone sind in Strichlisten dokumentiert, welche je- ist für viele Gruppen positiv korreliert mit der weils monatlich und anschließend jährlich ku- Sonneneinstrahlung, entsprechend den Monate muliert wurden. Auf dieser Grundlage sind ent- Juni, Juli, August (SIMON 2004b). Der glei- standen: Monatsübersichten und die daraus ab- che Modus des Vorkommens gilt für Parasitoide geleiteten bzw. zugeordneten Mega-Gilden und Prädatoren sowie Phytophage. Detritivo- (Nahrungsgruppen i. w. S. als Prozentanteile re/Mikrophytophage dagegen sind nach Tagen der gesamten Arthropoden-Population der Ap- mit stattgefundenem Niederschlag am zahlreich- felbaumkrone, Abb. 4: Gesamte Individuen- sten im Kronenbereich vertreten. Dies ist sicher- Abundanzen, Abb. 5: Nahrungsgruppen mit ih- lich auf das dann attraktivere Nahrungsangebot ren relativen Werten). (Bakterien, Algen, Pilzhyphen) zurückzuführen. Eine weitere Methodenveränderung ist die Außerdem spielen die besondere Morphologie Anwendung einer sogenannten Intensivauf- und Physiologie dieser Gruppe eine ausschlag- sammlung; d. h. über sechs Jahre hinweg wurde gebende Rolle: Alle Angehörigen der Gruppe ha- nur ein Baum untersucht und beprobt. Nach ben ein hohes Feuchtigkeitsbedürfnis, d. h. die Wetterlage (kein Niederschlag) wurden etwa an relative Luftfeuchte sollte immer über 50 % lie- jedem zweiten Tag des Monats, Ausnahmen gen und ihnen damit ein günstiges abiotisches sind Dezember und Januar, Tiere gesammelt, so Umfeld bieten. Die Hauptgruppen wie Col- dass im Monatsdurchschnitt eine beträchtliche lembolen (Springschwänze) und Psocopteren Anzahl Arthropoden erhalten wurden (vgl. Ta- (Rindenläuse) sind extrem „weichhäutig“ mit belle 1). In Untersuchungen des Pflanzenschut- dünnschichtiger Cuticula, so dass eine rasche zes dagegen (z. B. der Landesanstalt für Pflan- Austrocknung der Tiere eintreten kann, wenn zenschutz, Stuttgart) wurden bis zu 100 Apfel- die Werte für eine angenäherte optimale Feuch- bäume untersucht; die Probeentnahme be- tigkeitsbedingung nicht erfüllt sind. schränkte sich jedoch auf ein bis zwei Auf- sammlungen pro Monat. Methoden In den Wintermonaten (Dezember bis Fe- Im Gegensatz zu den herkömmlichen bruar) wurden als Sammelmethoden eingesetzt: Klopftrichtern (Gazebespannung; Rahmengrö- Absuchen der Kartonummantelung des Stam- ße ab 60 cm x 60 cm), die im Pflanzenschutz mes im Februar, die im November angebracht verwendet werden, wurde eine neue Methode worden war, Abpinseln des Stammes, insbeson- eingeführt. Ausgangspunkt dazu war die be- dere Rindenspalten und Kleinhöhlen, Absau- kannte unzureichende Erfassung von Klein- gen dieser Mikrohabitate mit einem Kleinst- arthropoden (0,3 bis 1 mm Körpergröße), wel- staubsauger (L 15 cm, B 5,5 cm, H 5,5 cm); che in der Gaze des Großtrichters hängen blie- Untersuchung des „Überwinterungskastens“ ben und daher nicht in das Auffanggefäß dar- am Baum, eine mit Aststücken gefüllte, nach unter fielen. Daher kam ein Kunststofftrichter der Ostseite offene Holzkiste mit den Maßen: H (25 cm Durchmesser) zum Einsatz. Er wurde 45 cm, B 28 cm, T 24 cm. Dieser Kasten wurde unter zu besammelnde Zweige und Äste bis zu jeweils im Februar abgesammelt. Aus den bei- einer Höhe von 2,5 m gehalten, auf die mit ei- den genannten Februarterminen ergibt sich nem ummantelten Stock geklopft wurde. Die dann auch eine Häufung der Individuenzahlen glatte, trockene Fläche des Trichters ließ auch bestimmter überwinternder Apfelbaumarthro- kleinste Arthropoden in das unter den Trichter poden in diesem Monat. gehaltene Sammelgefäß fallen. Nachteilig bei Als Kontrolle der eigenen Untersuchung dieser Methode ist, dass Fluginsekten, insbe- stand ein Referenz-Baum im Versuchsgarten sondere Lepidopteren, mühelos durch Wegflie- des Institutes für biologischen Pflanzenschutz gen entkommen können. Anschließend wurden der Biologischen Bundesanstalt in Darmstadt alle Tiere des Sammelgefäßes gefriergetrocknet zur Verfügung, dessen Daten und Aufsamm- (bei -15 °C) und möglichst am folgenden Tag lungen die hier gemachten Ergebnisse voll be- nach mikroskopischer Inspektion systemati- stätigen (nach ausgewerteten Protokollen). 66 Insecta, Heft 10, 2007

Der Apfelbaum (Übersichtsdaten vgl. Abb. 1). veränderte sich von 3,5 im Jahre 1999 zu 0,87 im Jahre 2004. Bei dem „beprobten“ Baum handelt es sich um einen ca. 45 Jahre alten Berlepsch-Hoch- Ergebnisse stamm mit einer Gesamthöhe von 4,5 m. Die Höhe der Krone beträgt 3,45 m, der mittlere Empirischer Teil Durchmesser ca. 5 m. Das Volumen der Krone Auswahl und Darstellung der Beobachtungs- liegt bei 48 m³. In dieser enthalten sind ca. reihen 80 m² Blattfläche (einseitig). Stamm, Rinde, In sechs Sammeljahren wurden folgende Rindenspalten und Kleinhöhlen stellen weitere Datensätze generiert: 5,6 m² an Mikrohabitaten. Totholz machte an – 1200 Übersichten zu den gesammelten Ar- Ästen einige Längenmeter aus (ca. 4 m) und hat thropoden einschließlich der Angaben zu ab 2001 auf 4,5 m zugenommen; dazu kommen Temperatur und rel. Luftfeuchte noch in diesem Jahr neuerlich abgestorbene – 450 Harvard Chart XL Graphiken. Zweige. Der Baum wird seit 40 Jahren mit kei- Die gesammelten Arthropoden werden mit nerlei chemischen Mitteln behandelt.1 - Der ihrem Aufkommen mit absoluten Werten dar- Standort ist in einem Gartengelände (ca. gestellt. Die Annahme dabei ist, dass die Zahl 5000 m²) mit gemischter Nutzung (Pflanzbeete, der Proben derart umfangreich war, dass eine Hecken, naturnahe Wiesenflächen, Gemüse- repräsentative Auswahl aus den Populationen beete, weitere Obstbäume wie Kirsche, Reine- und deren Abundanzen vorliegt. Zu Vergleichs- clauden, Birne; Beerenobst wird gestellt von zwecken wurden in ausgewählten Beispielen die Brombeere und Johannisbeere). Der Standort jeweiligen relativen Werte berechnet. kann als Warminsel bezeichnet werden; die Be- Die hier vorgestellte Untersuchung ist eine sonnung beträgt im Sommer täglich bis Auswahl besonders typischer, interpretationsfä- 14 Stunden. Niederschläge bleiben oft wochen- higer Daten. In diesem Sinne wurde versucht, weise aus, so dass der leicht lehmige Boden auch eine repräsentative Anzahl an Graphiken dann Trockenrisse aufweist. Es lag in fast allen zu präsentieren. Jahren eine sehr regelmäßige Besonnung vor, Ein Gesamtüberblick soll die Synökologie besonders intensiv auf der Westseite, die auch der Apfelbaum-Arthropoden verdeutlichen, den stärksten Anteil an Totholz aufwies und Einzelheiten zeigen zunächst die systemati- noch aufweist (Stand: August 2005). Die schen Gruppen und zwar auch als Grundlage Klopftrichteraufsammlungen wurden stets an zur Konstruktion von Gilden bzw. Mega-Gil- besonnten und schattigen Teilen der Krone den. vorgenommen, sowohl im Innen- als auch im Alle Jahresaufkommen für Beute und Prä- Außenbereich sowie an abgestorbenen Zweigen datoren erweisen die Abhängigkeit von jahres- und Ästen (Totholz). Der Blattflächenindex klimatischen Einflüssen; saisonale Übersichten (Verhältnis der gesamten Blattoberfläche zur zu den gleichen Gilden (Räuber: Beute) sollen Bestandsgrundfläche) (NENTWIG et. al. 2004) einige populationsdynamische Abhängigkeiten demonstrieren.

1 Wie unvorhergesehene Einflüsse des chemischen Pflan- zenschutzes auf Lebensgemeinschaften einwirken, wurde Numerische Übersichten zur Synökologie der bereits 1962 durch die amerikanische Biologin Rachel CAR- Baumkronen-Arthropoden SON (1907 bis 1964) eindringlich dargelegt: Der stumme Alle demonstrierten Ergebnisse basieren auf Frühling. München, Biederstein. 355 S. – Besonders die Tö- dem genannten Kollektiv von 42 000 Indivi- tung von sogenannten Nützlingen, wie Marienkäfer, Flor- fliegen und Schlupfwespen brachte das ökologische Fließ- duen, die etwa 350 bis 400 Arten zuzuordnen gleichgewicht von Beutetieren („Schädlingen“) und deren sind. Gegenspielern aus den genannten Gruppen in ein Un- Eine kumulierte Zusammenfassung der gleichgewicht, so dass sich nach einer Begiftungsaktion die Sammelergebnisse nach Individuen der Jahre Schädlinge oft stärker vermehren konnten als vor dem Ein- satz chemischer Mittel. Der chemische Pflanzenschutz war 1999 bis 2004 zeigt eine stark sigmoide Kurve. in solchen Fällen eindeutig „kontraproduktiv“. Ihre bestimmenden Elemente sind eine expo- HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 67 nentielle Zunahme der Sammelergebnisse von Mit dieser Rangliste erhalten wir einen 1999 bis 2001, dann werden die Zuwächse ge- Überblick zu den überwiegenden Beute- und ringer, so dass der Kapazitätsgrenzwert K ab Wirtsarthropoden, nämlich Homoptera, Col- 2004 erreicht sein dürfte (Abb. 2). Das heißt im lembola, Diptera und Psocoptera. Signifikante Umkehrschluss, dass die Zunahme an Totholz Prädatoren sind alle Araneida, Heteroptera, ei- ab Herbst 2002 und die Reduzierung der Blatt- nige Diptera-Arten, Raubmilben sowie zoopha- masse die Populationen begrenzen. Die Fanger- ge Coleoptera. gebnisse sind zugleich ein Ausdruck günstiger Witterungsverhältnisse im Sinne von Sonnen- Die besonders zu beachtenden Zoophagen einstrahlung, Wärmeentwicklung und (fehlen- (Spinnen, Milben, Insekten) sind mit 23,2 % al- dem) Niederschlag für die Arthropoden-Ge- ler Individuen einzuordnen, und zwar mit 6 % meinschaft der Krone. Die Monate Mai bis Parasitoiden (2520 Tiere) und 17,2 % Prädato- September der Serie 1999 bis 2004 ergeben die ren (7224 Tiere). Dieser letztgenannten Gruppe höchsten Individuenzahlen (durchgezogene soll in dieser Untersuchung unser Hauptaugen- Linie in Abb. 3). Eine Ausnahme ist der soge- merk gelten und zwar nach ihrer synökologi- nannte „Jahrhundertsommer“ 2003: Bereits im schen Bedeutung für die Biozönose, wie sie aus April sind die Individuenzahlen erhöht. Dieses den Dynamiken ihrer Individuen-Abundanzen Aufkommen setzt sich fort bis Juli (Nieder- abgeleitet werden kann. schläge fallen sporadisch), während der August Die beiden umfangreichsten Mega-Gilden 2003 fast ohne Niederschlag blieb, was eine und damit die dominierende potentiellen Nah- starke Verminderung der Populationen nach rungsressource der Prädatoren bilden die Phy- sich zog (gestrichelte Linie in Abb. 3 und Tabel- tophagen (48,5 %; entsprechend 20 370 Indivi- le 1, Spalte Individuen 2003); weitere Einzelhei- duen) und die Detritivoren/Mikrophytophage ten zu diesem „Jahrhundertsommer“ in SIMON (28,1 %; entsprechend 11 800 Individuen). Eine 2004b). Im September dieses Jahres erfolgte generelle Übersicht gibt Abb. 5. dann eine Erhöhung der Populationsdichte, Die Rangfolge der individuenstarken Präda- und zwar primär durch das Einwandern einer toren mit Abundanzwerten von 6,5 % bis Collembolen-Art (Isotoma arborea LINNAEUS). 1,3 %: Sie wird als Winterart bezeichnet, liebt Feuch- Araneida mit 6,5 % entsprechen n = 2770 tigkeit und bevorzugt niedrige Temperaturen Individuen; Heteroptera 3 %, n = 1258; Plani- (vgl. SIMON 2003b). Eine erste Übersicht zu al- pennia 1,9 %, n = 797; Opilionida 1,3 %, n = len Kronenraum-Arthropoden liefert die Zu- 534; weitere Prädatoren 4,6 %, n = 1930 Tiere. sammenfassung nach systematischen Gruppen Alle Prozentwerte beziehen sich wiederum (Abb. 4): Arthropoden-Ordnungen nach Auf- auf das Gesamtkollektiv von 42 000 Individuen kommen 1999 bis 2004. Dargestellt sind als (Abb. 6). Drei weitere synökologisch beach- Kreisdiagramm die Gesamtsummen der Grup- tenswerte Raubarthropoden-Gruppen wurden pen nach ihren Individuen-Anteilen. Es ergibt nach Familien erfasst, nämlich Chrysopidae mit sich nach Prozentanteilen, bezogen auf alle n = 666 und 1,6 % sowie Coccinellidae mit n = 42 000 Individuen, bis zum Grenzwert der an- 258 und 0,6 % der Individuen von 1999 bis genommenen dominanten Gruppen (etwa 5 % 2004. Alle im Einzelnen genannten Prädatoren- der Individuen) folgende Rangfolge: Gruppen werden in ihrer saisonalen Popula- tionsdynamik gesondert dargestellt und analy- 1. Homoptera (Pflanzensauger): 30,8 % tisch betrachtet. 2. Collembola (Springschwänze): 16 % 3. Diptera (Zweiflügler): 8,1 % 4. Psocoptera (Rindenläuse): 7,7 % 5. Acarina (Milben): 7,6 % 2 Über diese ökologisch und populationsdynamisch sig- 6. Araneida (Spinnen): 6,5 % nifikante Gruppe wird gesondert berichtet, zusammenfas- 2 send bei ZIMMERMANN & SIMON 2005). Für die Apfelbaum- 7. Hymenoptera (Hautflügler): 6,1 % krone besonders relevant sind die Mymaridae als Eiparasi- 8. Coleoptera (Käfer): 5,7 %. ten der Kleinzikaden (ZIMMERMANN 2003) (S. 36-37). 68 Insecta, Heft 10, 2007

Jeder polyphage Prädator ist Antagonist Beute. FRAZER (1988) nennt acht Arthropoden- (Gegenspieler) verschiedener Beutearten; Ordnungen als Blattlausräuber3. Monophagie ist bei Raubarthropoden relativ selten. Sie liegt für etliche Coccinelliden-Arten Collembola sind der Mega-Gilde Detritivo- vor (vgl. KLAUSNITZER 1997) (S. 110-112). re/Mikrophytophage zuzuordnen. Ihre Nah- Mehrheitlich wählen Räuber ihre Beute nach rung besteht aus Bakterien- und Algenbelag, to- deren mehr oder weniger massenhaftem Vor- tem Holz und Kotballen; beobachtet wurde kommen im Biotop aus. Nach dieser Hypothese aber auch tierische Nahrung: Insekten-Eier, müssten Phytophage (Blattsauger) wie Kleinzi- Tardigrada und Rotatoria (DUNGER 2003). Col- kaden (hauptsächlich Typhlocybini spp.) und lembolen, primär flügellose Arthropoden, sind Blattläuse (Mehlige Apfelblattlaus (Dysaphis im Gesamtkollektiv mit 16 % (n = 6762 Tiere) plantaginea PASSERINI), Apfelgraslaus (Rhopalo- vertreten und belegen damit Rang zwei im Rah- siphum insertum (WALKER)) die signifikant her- men der Mega-Gruppen (vgl. Abb. 4). In der ausragenden Beutetiere der Raubarthropoden Phase der Vollbelaubung des Baumes (1999 bis sein. 2001) ist eine jeweils hohe Populationsdichte Eine Überprüfung der vorliegenden Daten gegeben (Abb. 8). Sie geht jedoch drastisch zu- ergibt ein Bild, das diese Hypothese grundsätz- rück, nachdem ab Herbst 2002 der Totholzan- lich bestätigt (s. weiter unten Trends). teil permanent zunimmt. In Fütterungsversu- chen zeigten sich Spinnen als Hauptfeinde der Populationsdynamik dominanter Beutegrup- Collembolen, daneben aber auch Acarina, ins- pen besondere Trombidiidae. Als dominante Beutegruppen können be- nannt werden Cicadina mit n = 7995, d. h.19 % Collembola traten mit durchschnittlich des Gesamtkollektivs der Individuen sowie 1127 Individuen p.a. auf; den generellen Ver- Aphidina mit n = 4125 und 9,8 % aller Arthro- lauf der Populationsdynamik zeigt Abb. 8. Un- poden der Zeitreihe 1999 – 2004 (Abb. 7). ter diesem Durchschnitt, mit einem Minus von 513 bis 688 Individuen, liegen die Jahre 1999, Cicadina traten durchschnittlich mit 1333 2003 und 2004. Ein Plus weisen die Jahre 2000, Individuen p. a. auf. Über diesem Durchschnitt, 2001 und 2002 auf. Die Spanne reicht von +4 mit bis zu 1168 Tieren (2000), liegen außerdem Tieren (2002) bis +1174 Exemplaren in 2001. die Jahre 1999 und 2001. Psocoptera (Rindenläuse) bilden evtl. eine Aphidina kamen vor mit durchschnittlich Nischenäquivalenz mit/zu den Collembolen. 688 Individuen p. a. Genau dem genannten Ihr Vorkommen in allen Beobachtungsjahren Durchschnitt entspricht das Jahr 2000; darüber ist mit 7,7 % bemerkenswert hoch und weist auf liegen die Jahre 2001 und besonders herausra- den Habitat-Typus „chemisch unbehandelter gend 2004 mit +1155 Individuen. Baum“ hin. Da sich Rindenläuse von Pilzhy- Beide Gruppen sind positiv korreliert von phen, Flechten und Algen sowie Rost-, Russ- 1999 bis 2001 (Zunahme der Populationen), und Schimmelpilzen ernähren (GÜNTHER sowie von 2002 bis 2003 (Rückgang der Popula- 2003), tragen sie zum Niederhalten dieser für tionen). Diese Minderung ist primär auf die den Baum oft lästigen bis schädlichen Bewoh- Zunahme von Totholz ab 2002 zurückzufüh- ner bei. Sie gehören zur gleichen Mega-Gilde ren. Stark negativ korreliert sind die Populatio- wie die Collembolen (Detritivore/Mikrophyto- nen im Jahre 2004: Ein Rückgang der Cicadina phage). In allen Beobachtungsjahren sind sie ist überlagert von einem starken Zuwachs der vertreten, und zwar: Blattlauspopulationen (Abb. 7). Die Auswir- kungen dieser Dynamiken auf spezielle Blatt- lausprädatoren sollen am Beispiel der Coccinel- 3 Es handelt sich um Coleoptera (vier Familien), Diptera (fünf Familien), Hymenoptera (drei Familien), Neuro- lidae demonstriert werden. Blattläuse sind für ptera/Planipennia (drei Familien), Heteroptera (sieben Fa- zahlreiche Arthropoden und Vögel bevorzugte milien), Araneida, Acari, Opiliones und Aves. HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 69

– 1999: 305 Individuen zielle Blattlausprädatoren lassen sich am Bei- – 2000: 580 spiel der Coccinellidae demonstrieren (vgl. Po- – 2001: 1209 pulationsdynamik subdominanter Prädato- – 2002: 569 ren). – 2003: 64 – 2004: 522. Collembola: Die saisonale Populationsdynamik in den Der Jahresdurchschnitt liegt bei 540 Pso- Beobachtungsjahren ist geprägt durch die coptera-Individuen. Diesem Wert entsprechen Überwinterungsphase, die Frühjahrs- und etwa die Jahre 2000, 2002 und 2004. Weit dar- Sommergenerationen sowie eine verstärkte Zu- unter liegen die Jahre 1999, und ganz besonders wanderung von Überwinterungsgästen. In ho- das „Hitze- und Trockenjahr“ 2003 mit nur 64 hen Individuenzahlen tritt hierbei Isotoma ar- Tieren. Außergewöhnlich hoch sind die Werte borea (LINNAEUS) in Erscheinung (Abb. 11). für 2001 mit 1200 Tieren. Dieses Jahr war Dieses Auftreten war besonders auffällig im so- niederschlagsreich und wies niedere Tempera- genannten „Jahrhundertsommer“ 2003 (SIMON turen auf (vgl. oben die Ausführungen im Ab- 2003b). schnitt Sammelzeit). Psocoptera: Saisonale Populationsdynamik Die Monate mit starkem Auftreten von Pso- Eine Untersuchung nach saisonaler Popula- coptera liegen im Bereich Juni bis Oktober, tionsdynamik in den sechs Untersuchungsjah- wiederum mit dem Ausnahmejahr 2001, in wel- ren fasst die biocönotisch relevanten Indivi- chem noch im November 136 Staubläuse ge- duen-Abundanzen für die jeweilige Gruppe zu- sammelt wurden. sammen. Damit stehen durch diese dominanten Beu- Cicadina: tegruppen vier saisonal geprägte Nahrungs- In den Monaten Juni bis September steht Modelle für Prädatoren bereit: diese blattsaugende Beutegruppe 1999 bis 2003 in hoher Abundanz den Prädatoren zur Verfü- 1. Ganzjährig hohe Populationsdichte, Spitzen gung. Im Jahre 2004 sinkt die Abundanz dage- in den Herbst- und Wintermonaten (Ok- gen auf 10 bis ca. 50 % der Werte von 2003 tober bis März): Collembola (Abb. 9). Zikaden sind Beutetiere von Spinnen, 2. Hohe Populationsdichten im Frühjahr und Raubwanzen, Ameisen und Vögeln (BIEDER- Frühsommer; mit einer kleinen Spitze im MANN & NIEDRINGHAUS 2004 S. 6). Opilionida Herbst: Aphidina sind ebenfalls Zikadenräuber, wie durch eigene 3. Populationsdichte hoch von Mai bis Sep- Fütterungsversuche ermittelt wurde. Der Ein- tember: Cicadina fluss von Feinden oder Parasiten auf die Popu- 4. Starke Populationen Juni bis Oktober/No- lationsdynamik von Zikaden ist weitgehend un- vember: Psocoptera. geklärt, dürfte aber stellenweise erheblich sein (BIEDERMANN & NIEDRINGHAUS 2004) (S. 4). Diese Nahrungsressourcen stehen zahlrei- chen Prädatoren zur Verfügung, die nach ihrer Aphidina: Abundanz in der Untersuchungsreihe 1999 bis Diese ebenfalls blattsaugende Gruppe wird 2004 als dominant bzw. subdominant vorge- geprägt durch das massenhafte Auftreten der stellt werden. Apfelgraslaus Rhopalosiphum in den Monaten April bis Juli sowie in geringer Populations- Populationsdynamik dominanter Prädatoren dichte im Oktober. Von Juli bis September er- nach Beobachtungsjahren und -monaten folgt die Abwanderung aus der Krone in die Unter dominant verstanden seien alle Prä- Grasschicht unterhalb des Baumes (Abb. 10). datoren mit über 3 % der Individuen aus dem Die Auswirkungen dieser Dynamiken auf spe- Gesamtkollektiv. 70 Insecta, Heft 10, 2007

Araneida: Prädatoren im Kronenbereich von Apfelbäu- Regelmäßig sind die Spinnenfamilien Philo- men ist hinreichend bekannt (FAUVEL 1999). Sie dromidae, Argiopidae, Dictynidae und Theridi- sind insbesondere als Aphidenräuber anzuse- idae vertreten. Artenmäßig erfasst wurden le- hen. Andere Kleinarthropoden sind ebenfalls diglich die Tetragnathidae (Streckerspinnen), Beutetiere, speziell Milben, Collembolen und da sie relativ einfach systematisch einzuordnen Psyllidae. sind. Alle anderen Gruppen sollen in den näch- In den Beobachtungsjahren 1999 bis 2004 sten Jahren noch bearbeitet werden. bilden die Heteroptera einen Anteil von durch- In allen Beobachtungsjahren bilden die schnittlich 3 % der Arthropodenfauna (siehe 2770 Individuen der zoophagen Araneida einen oben). Unter diesem Mittelwert liegen die Jah- relativ gleichmäßigen Anteil der Gesamtfauna re 1999 bis 2001 mit 2 bis 2,8 %; deutlich aus- der Krone (Abb.12). Die Individuen-Abundanz geprägt über 3 % liegen die Abundanzwerte beläuft sich auf jährlich 3,9 bis 9,4 % der Ar- von 2002 bis 2004 mit 3,7 bis 3,9 % der jeweili- thropoden. Der Durchschnitt beträgt 7 % aller gen jährlichen Gesamtzahl der Arthropoden Individuen. Mehr als zwei Prozentpunkte darü- (Abb.14). Die Abundanzen zeigen Spitzenwer- ber betragen die Anteile im Jahr 1999 und 2003; te in den Monaten Mai bis August, mit einem 2 Prozentpunkte unter Durchschnitt zeigt das Maximum im Juli 2001 mit 99 Individuen Jahr 2001, noch stärker unter Durchschnitt ist (Abb. 15). Die Individuenzahlen im Jahresver- mit minus 3 % das Beobachtungsjahr 2004 ein- lauf: zuordnen. Die monatlichen Werte der Individuen-Ab- – Januar bis März: 1 bis 40 Tiere, undanz liegt mit Spitzenwerten von bis zu 186 – Mai bis August: 12 bis 99 Tiere, Tieren in den Monaten Juni bis September – September bis November: 1 bis 19 Tiere. (Abb. 13). Im Jahresverlauf zeigen sich folgende Individuen-Abundanzen: Damit sind auch die Heteroptera als eine signifikante Prädatoren-Gruppe mit saisonalen – Januar bis März: 30 bis 45 Tiere, Aktivitätsspitzen im Frühsommer/Sommer ein- – April bis Juni: 140 bis 250 Tiere, zustufen. – Juli bis September: 430 bis 740 Tiere, – Oktober bis November: 6 bis 215 Tiere. Populationsdynamik subdominanter Prädato- ren Die Werte für Dezember werden den Unter subdominant sollen alle Prädatoren „Überwinterungsmonaten“ Januar und Februar verstanden werden, die weniger als 2,9 % der zugerechnet. Die phytosugen Aphidina und Ci- Individuen zum Gesamtkollektiv beitragen. cadina bilden ein reichliches Nahrungsreservoir In der Baumkrone sind weitere zahlenmä- in den Frühjahrs- und Frühsommer-Monaten ßig zwar geringer auftretende, jedoch synökolo- bis in den beginnenden Herbst hinein. gisch beachtenswerte Prädatoren-Gruppen ver- In allen Monaten stehen Collembolen als treten. Sie werden in der (absteigenden) Rei- Beutetiere zur Verfügung, was besonders die henfolge ihrer Individuen-Abundanz bespro- Überwinterungschancen der auch in der kalten chen. Es handelt sich um Planipennia (n = 1130 Jahreszeit aktiven Araneida unterstützt. Tiere, 2,7 % des Gesamtkollektivs von 42 000 Individuen); Acarina: Trombidiidae (n = 548, Heteroptera 1,3 %), Opilionida (n = 534, 1,3 %); Coleo- Von dieser Ordnung werden in der hier zu- ptera: Coccinellidae (n = 258, 0,6 %). nächst verfolgten Untersuchungsrichtung nur die prädatorischen Gruppen berücksichtigt. Die Planipennia gesammelten 1258 Individuen (entsprechend In dieser Ordnung sind regelmäßig in der 3 % des Gesamtkollektivs) repräsentieren sie- Krone nachweisbar: Chrysopidae mit 666 Indi- ben Familien mit etwa 27 Arten. Die Bedeutung viduen (59 % des Gesamtkollektivs von 1130 der Miridae, Nabidae und Anthocoridae als Planipennia); Coniopterygidae (359 Indivi- HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 71 duen, 32 %) und Hemerobiidae (105 Indivi- 160 Tiere). Überwinternde juvenile Tiere wur- duen, 9,3 %). den nur in einem Exemplar gefunden (Februar Eine Auswertung auf Art-Niveau bis zum 2000). Jahre 2002 liegt vor (GÜSTEN 2003). Auch diese Gruppe war mit erstaunlich großer Artenzahl Opilionida (Weberknechte) vertreten: „Achtzehn Arten von Netzflüglern Diese „Spinnentiere“ (Phalangium opilio wurden festgestellt. Zahlenmäßig dominieren LINNAEUS) sind allgemein häufig und als Kul- deutlich die Arten des Chrysoperla carnea-Kom- turfolger auch in Obstanlagen vertreten. Die plexes (Chrysopidae). Alle drei aus Deutsch- 534 erhaltenen Exemplare entsprechen 1,3 % land bekannten Arten aus dieser Gruppe, die des Gesamtkollektivs. Ihre Individuen-Abun- erst seit kurzer Zeit differenziert werden kön- danzen nach Prozentwerten des jeweiligen Jah- nen, wurden nachgewiesen“. resaufkommens sind mit denen der Araneida Die Populationen der genannten Familien positiv korreliert (Tabelle 2). entwickelten sich in Abhängigkeit zur Vollbe- Damit wird deutlich, dass beide Gruppen laubung bis 2002 auf relativ hohem, stabilem im heißen und niederschlagsarmen Sommer Niveau (Chrysopidae). Die Abundanzen der 2003 mit relativ hohen Individuen-Abundan- Coniopterygidae und Hemerobiidae liegen zen vertreten waren. Im Folgejahr 2004 fallen meist unter diesem Niveau. Besonders drastisch beide Ordnungen mit ihren Individuen-Abun- ist der Rückgang der Individuen-Anteile aller danzen (nach absoluten Werten) zurück auf 42 drei Familien in Folge des heißen und nieder- % der Araneida und 33 % der Opilionida. Die schlagsarmen Sommers 2003 (vgl. Abb. 16). monatlichen, saisonalen Aufkommen der Opi- Die jahreszeitliche Verteilung der Chrysopi- lionida folgen dem allgemeinen saisonalen dae weist Maxima im Juli und August auf, Muster der Arthropoden insgesamt. Monatli- ebenso die der Coniopterygidae. Eine Aussage che Maxima in den Beobachtungsjahren liegen zum saisonalen Auftreten der Hemerobiidae bei 16 bis 44 Tieren im Juli und August, dann lässt sich nicht treffen, da zu wenig Tiere vorlie- folgen niedrigere Werte für September mit vier gen (insgesamt in sechs Jahren lediglich 105 bis 16 Tieren und Oktober mit nur einem bis 11 Tiere). Individuen. Im November wurden einzelne (ein bis vier) Exemplare beobachtet. Acarina: Trombidiidae Die Tiere ernähren sich von Kleinarthropo- Die Acarina-Familie der Samtmilben den der Baumkrone, wie Collembolen und (Trombidiidae) ist regelmäßig in allen Beob- achtungsjahren aufgetreten. Ihr Anteil am Ge- samtkollektiv (letzte Spalte in Tabelle 3) liegt Tabelle 2. Individuenabundanzen nach bei 1,3 %, entsprechend 548 Individuen. Die Prozentwerten des jeweiligen Individuen-Abundanzen liegen bei 0,88 % Jahresaufkommens von Araneida (2001) bis 3 % (2002). In den Folgejahren 2003 und Opilionida. und 2004 ist eine niedere Abundanz festzustel- len, nämlich mit nur noch 1,36 bzw. 1,28 %. Die durchschnittliche Populationsdichte be- Jahr Araneida Opilionida trägt 91 Individuen p. a. Deutlich im Plus sind 1999 9,4 % 1,9 % die Jahre 2000, 2001 und herausragend 2002 mit 169 Individuen. Im Trockensommer 2003 2000 6,25 % 1,2 % wurden nur 47 Tiere erhalten. Das Jahr 2004 zeigt eine leichte Zunahme auf 57 Individuen. 2001 4,6 % 0,9 % Bei diesen roten Samtmilben handelt es sich 2002 8,4 % 1,2 % um die Art Trombidium holosericeum LINNEAUS. Sie ist als Collembolenräuber und als Aphiden- 2003 9,2 % 2,1 % Antagonist bekannt. Das Monatsaufkommen ist im Juni und Juli jeweils am höchsten (150 bis 2004 3,9 % 0,7 % 72 Insecta, Heft 10, 2007

Kleinzikaden (Typhlocybini spp.). Letztere Gilden), Tendenzen bzw. kalkulierbare popula- wurden im Beobachtungsgefäß innerhalb von tionsdynamische Trends demonstrieren. drei Tagen eliminiert (fünf Kleinzikaden, drei Bereits vorliegende Ergebnisse (SIMON Opilionida). 2004b) zeigen, wie auch im einzelnen begrün- det werden konnte, eine primär witterungsge- Coleoptera: Coccinellidae steuerte Populationsdynamik der Beutearthro- Marienkäfer sind als ausgesprochene „Nütz- poden, die systembedingt eine steuernde Funk- linge“ einzustufen, die auch gezüchtet werden, tion für weitere Arthropoden-Gruppen über- um durch Freisetzen z. B. Schildläuse zu be- nimmt, d. h. auch und besonders für die ausge- kämpfen. Bekannt geworden ist besonders die wählten Prädatoren-Gruppen (SIMON 2003b, australische Art Rodolia cardinalis, die aus Aus- 2004b). Daher ist deren Einfluss auf z. B. Aphi- tralien nach Kalifornien eingeführt wurde und dina und Cicadina schwer abzuschätzen. Bei- dort sehr erfolgreich die Zitrusschildlaus Icerya spiele aus der Populationsdynamik der Cocci- niederhielt (vgl. HAGEN & FRANZ 1973). nellidae lassen deren Einfluss auf Aphidina je- In sechs Beobachtungsjahren sind Coleo- doch als sehr wahrscheinlich annehmen. Es pteren(vorwiegendChrysomelidae,Curculioni- bleibt aber noch unklar, wie die Abwanderung dae, Ipidae; einzelne Individuen prädatorischer der Aphidina (Apfelgraslaus, Rhopalosiphum Staphylinidae) mit insgesamt 2400 Individuen insertum) in Bodenschichten in den Sommer- vertreten (5,7 % des Gesamtkollektivs). Inner- monaten eine Dezimierung durch Raubarthro- halb der Coleopteren-Synusie traten Coccinelli- poden „vortäuscht“. Hier sind noch weitere dae mit 258 Individuen (10,7 %) auf. Die Maxi- Untersuchungen notwendig. Diese müssen ma der Individuen-Abundanz lagen in allen Be- dann auch konsequenterweise die Parasitoide obachtungsjahren in den Monaten Juni und Ju- einbeziehen. Vorarbeiten sind bereits angelau- li (Abb. 17). Einen Überblick zu allen sechs Be- fen (ZIMMERMANN & SIMON 2005, weiterer Arti- obachtungsjahren gibt Abb. 18. Auffällig ist be- kel im Druck). sonders der Rückgang der Individuenzahlen im Die generelle Problematik von Relationen Trockenjahr 2003 sowie die relative Erholung der ermittelten Räuber zu ihrer Beute lassen der Populationen 2004. Was sind die Ursachen sich in einigen Regelsätzen zusammenfassen: für diese ausgeprägte Zunahme der Coccinelli- Ein vermuteter oder nachgewiesener Räu- den-Population der Krone? ber-Beutezyklus als Grundlage und Ausdruck Die Nahrungsgrundlage der determinierten eines Räuber-Beute-Modells sollte folgende Ab- Arten bestehen aus Blattläusen (10 Arten); le- hängigkeiten erkennen lassen: diglich Halyzia sedecimguttata (LINNAEUS) er- nährt sich von Pilzhyphen und -mycelien 1. Die Beutezahl steigt, die Räuberzahl steigt; (KLAUSNITZER 1997). Die Zunahme der Indivi- 2. Hohe Räuberzahl, Rückgang der Beute; duenzahlen in 2004 ist gekoppelt an die eben- 3. Beutezahl fällt, Rückgang der Räuber; falls starke Zunahme der Aphidina in der 4. Geringe Räuberzahl, Beute nimmt zu Baumkrone (vgl. Abb. 7, Aphidina). Der Präda- (SCHAEFER 2003). tor folgt seiner Beute und erholt sich damit in seinem Bestand. Hier liegt eine exemplarische Welche dieser Thesen treffen für unsere Be- Räuber-Beutebeziehung vor. obachtungsreihen zu?

Analytischer Teil Aus den Originalprotokollen und SIMON Räuber-Beute-Relationen (2004) lassen sich gewisse Populationsdynami- Die Chronik eines Baumes, hier Malus (Sor- ken ableiten: te Berlepsch), bietet einen Einblick in das kom- plexe Gefüge eines überschaubaren Ökosys- 1. Steigende Werte für Räuber und Beute: tems. Akzeptiert man diese Grundthese, dann Nach Individuenwerten zu beobachten in lassen sich besonders im Rahmen einer verglei- den Monaten Januar bis August 1999, Januar chenden Betrachtung der Gross-Gilden (Mega- bis Juli 2001 sowie für das gesamte Jahr 2002. HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 73

2. Hohe Räuberzahl; Minderung der Beute. nisse ist ... genauso schwierig zu bewerten wie Selten direkt nachweisbar, da evtl. durch die unterschiedlichen Beziehungen, die in Bio- Temperaturverlauf und saisonal bedingte zönosen zwischen dem Verknüpfungsgrad und Dynamiken der Beute vorgetäuscht. der Artenzahl gefunden wurden. Insgesamt ist 3. Beutezahl fällt; Rückgang der Räuber: Gilt zu bezweifeln, dass die Analyse von Nahrungs- für die Monate August bis Oktober 1999 netzen mit dem Ziel, grundlegende Muster in und August bis Oktober 2002 sowie No- Biozönosen aufzudecken, einen zukunftswei- vember 2004. senden Ansatz darstellt“. Dem möchte ich 4. Räuberzahl gering; Beute nimmt zu: Gilt für nichts hinzufügen, sondern dieser Feststellung die Monate Januar bis Oktober 2000, Ok- nach eigenen Erfahrungswerten eher zustim- tober 2001, August bis Oktober 2003, Sep- men. tember und Oktober 2004. Nahezu „prophetisch“ lauten die Merksätze bei BEGON et al. (1998) zur Populationsdyna- Diese Fakten vermitteln ein uneinheitliches mik der Prädation (249 ff.). Zusammenfassend Bild für die genannten Beobachtungsjahre. Die lassen sich folgende Merksätze herausstellen: Temperatureinflüsse überwiegen offensichtlich bei der Steuerung und damit Regulation der – Prädation kann sich auf die Populationsdy- Populationsdynamik der Baumkronen-Arthro- namik der Beute auswirken oder nicht aus- poden. Ein generelles Beispiel bringt Abb. 3 und wirken der Abschnitt „Klima“. Diese abiotischen Ab- – Räuberpopulationen reagieren nicht unbe- hängigkeiten sind m. E. ein Hauptargument, dingt auf Abundanzschwankungen der Beu- weshalb ein gut begründetes und mathematisch te gestütztes Räuber-Beute-Modell aus diesen Da- – Trotz grundlegender Tendenzen zu Räuber- ten vorläufig noch nicht abgeleitet werden Beutezyklen müssen solche in der Natur kann. nicht erkennbar sein und dürfen auch nicht Auf diese Problematiken der statistischen erwartet werden Berechnung der Räuber-Beute-Relationen wird – Verzögerte Dichteabhängigkeit ist der ver- in der Literatur schon seit Jahrzehnten hinge- zögerte Effekt eines Räubers auf eine Beute- wiesen. Beachtenswerte Grundprinzipien steu- population ert z. B. JERMY (1956) bei. Nach seinen Erfah- – Diese verzögerten Effekte lassen sich nur rungen in der angewandten Entomologie mit schwer nachweisen Schadinsekten und deren Gegenspielern for- – Verzögerte Dichteabhängigkeit kann regu- muliert er: „Es ist ohne weiteres einleuchtend, lierend wirken, braucht aber nicht stabilisie- dass die statistische Bearbeitung quantitativer rend zu wirken. Sammelergebnisse nur Aufschlüsse über die Verteilung der Populationen in Raum und Zeit, Mit diesen Aussagen ist ein Großteil des Di- also zur Feststellung der Gesetzmäßigkeiten der lemmas benannt, das auch für die Populationen Koexistenz geben kann“. In diesem Sinne äu- der Krone gilt: ßert sich auch noch TISCHLER (1980). Hier wird Der Effekt der Prädatoren auf die Beutepo- jedoch die dichteabhängige Wirkung von Prä- pulationen ist nur indirekt erfahrbar; statisti- datoren m. E. etwas überbetont: „wirtsspezifi- sche Prüfungen sind daher nicht möglich. Ge- sche Feinde (sind) vorwiegend dichteabhängig wisse Beobachtungswerte deuten jedoch auf ei- und daher regulativ“. In der aktuellen Diskus- nen solchen Effekt hin, insbesondere das ver- sion werden diesem Komplex unzählige Einzel- stärkte Auftreten der Coccinellidae nach einem untersuchungen gewidmet, die oft ein zwiespäl- vermehrten Blattlausbefall spricht für die Hy- tiges Gefühl hinterlassen. pothese der verzögerten Dichteabhängigkeit. Sehr pointiert fasst MARTIN (2002) dieses Die Frage nach dem messbaren Einfluss der Dilemma der Empirie und Theorie von Beute- Raubarthropoden auf die Gilden der Phytopha- Prädator-Beziehungen zusammen: „Die ökolo- gen und Detritivoren/Mikrophytophagen muss gische Bedeutung der Prädator/Beute-Verhält- vorläufig noch unbeantwortet bleiben. 74 Insecta, Heft 10, 2007

Trends der Populationsdynamik der Prädato- – Abnehmend für Phytophage (Ursache: ren und ihrer Beute Rückgang der Belaubung) – Zunehmend für Detritivore/Mikrophyto- Es sei jedoch der Versuch gewagt, die erfass- phage (Ursache: Zunahme von Totholz) ten Gilden in ihren Tendenzen (als Trends) in – Leicht abnehmend für Prädatoren (Abnah- der Zeitreihe 1999 bis 2004 zu dokumentieren. me von Phytophagen als Beute ?) Als einer biozönotischen Interpretation zu- – Sehr leicht abnehmend für Parasitoide gänglichen Gruppierung seien wiederum die (Interpretation noch nicht möglich). Megagilden der Krone ausgewählt. Nach Jahren geordnet und vier Gilden zugewiesen, ergibt Mit diesem Modell liegt für die Apfelbaum- sich ein populationsdynamisches Muster, das krone als Kombination von Biotop und Biozö- eine Tendenz zu einer gewissen Stabilität zeigt nose eine zunächst deskriptive, aber doch hin- (Abb. 19). Alle Gilden erweisen sich in dieser reichende Charakterisierung als überschaubares Zeitreihe nämlich dann als annähernd stabil, Ökosystem vor. Derartige Konstruktionen wer- wenn man ihre relativen Individuen-Anteile be- den in der ökologischen Literatur kritisch dis- trachtet. Dies gilt allerdings in geringerem Ma- kutiert. Ein Beispiel für viele sei nach NENTWIG ße für die Gilde der Phytophagen. Sie ist mit et al. (2004: 108) gegeben: „Es ist daher derzeit 55 % bzw. nahezu 54 % in den Jahren 1999 und noch nicht völlig klar, ob in realen Populatio- 2004 vertreten. Diese Populationsstärke wird nen überhaupt mit einer chaotischen Dynamik unterstützt durch die vollständige Belaubung zu rechnen ist. Viele Methoden für die Analyse (1999) bzw. geht zurück auf das Massenauftre- der Zeitreihen benötigen nämlich Zeitreihen ten der Aphidina in 2004 (vgl. Abb. 19, erste über lange Zeiträume und von hoher Präzision. und letzte Säule sowie Tabelle 3). Legt man die- Diese sind in der Ökologie selten“. Was die se Daten zugrunde, lassen sich analog einer li- Analyse der hier vorgestellten Zeitreihen von nearen Regression typische Trends kalkulieren 1999 bis 2004 betrifft, steht auch deren Inter- (mit Harvard XL). Diese beschreiben die Popu- pretation noch am Anfang weiterführender lationsdynamiken, wie sie in eine Chronik die- Überlegungen. Doch muss festgehalten werden, ses Baumes einzupassen sind. (Abb. 20). Die er- dass die Raubarthropoden der Krone nicht als rechneten Trends lassen sich populationsdyna- absolute Regulatoren dieser Zoozönose aufge- misch interpretieren als fasst werden können.

Tabelle 3. Relationen der Mega-Gilden nach Prozentwerten im Verhältnis zum Gesamt- aufkommen der Arthropoden (N). Auf diese Spalte beziehen sich alle Prozent- angaben in Jahreszusammenfassungen (vgl. besonders Abb. 19).

Jahr Phytophage Detritivore Parasitoide Prädatoren Summen (%) N Arthropoden

1999 55,2 19,0 3,95 21,0 99 6166

2000 46,4 30,1 6,1 17,4 100 11253

2001 46,2 34,9 5,2 13,7 100 11391

2002 34,9 45,3 4,1 15,8 100 5652

2003 45,9 25,7 6,7 21,8 100 3459

2004 53,6 28,4 2,8 14,7 99,5 4367

Summe 42288 HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 75

Ökologische Zahlenpyramide im Laufe der Vegetationsperiode auf, sie sind r-Strategen, d. h. reproduktionsorientiert. Die gewonnenen Daten zu Anzahl und der Dieser ökologisch bedeutsame Morphoty- separat ermittelten Körpergröße der gesammel- pus ist damit in der Lage, kontinuierlich zahl- ten Arthropoden sollten den Gesetzen einer nu- reiche Mikrohabitate zu besiedeln. Dieses Prin- merischen ökologischen Zahlenpyramide nach zip gilt nicht nur für Land-Ökosysteme, son- Charles ELTON (1900 bis 1991) entsprechen. dern auch im Süßwasser. Dieser Pionier der Ökologie weist bereits 1927 Einen gewissen Gegensatz zu diesem r-Stra- (S. 69-70) auf die Regel der „numerischen Pyra- tegen bildet der K-Stratege, der für die Kapazi- mide“ hin. Diese besagt, dass eine Beziehung tätsausschöpfung steht. Im Falle der Apfel- zwischen der Körpergröße und der Arten- bzw. baumkrone bedeutet dies, dass nur eine bis drei Individuenzahl in einem Ökosystem besteht. Kohlmeisen genügend ergänzende (?) Nahrung Für die Apfelbaumkrone wurden diese Verhält- finden. Die Kapazität des Habitats ist damit für nisse durch Auswertung der Körpergröße und diese Art ernährungsökologisch ausgeschöpft.“ der Anzahl der Tiere pro Klasse von 24 500 In- dividuen untersucht (Abb. 21, Daten aus SIMON Diskussion 2003a, S. 16). Das Ergebnis ist eindeutig: Es überwiegen mit 56 % Mikro- und Makroarth- Die Chronik eines Baumes zeigt sich am ropoden wie Milben, Collembolen und Psocop- untersuchten Objekt durch eine spezielle Suk- teren (Abb. 21, unteres Segment = 13 729 Indi- zession besonders geprägt, nämlich durch zu- viduen). Diese Populationen weisen auf einen nehmendes Auftreten von Detritivoren/Mikro- nicht mit Bioziden behandelten Baum hin, der phytophagen, das einem zunehmenden Tot- reichlich Totholz aufzeigt. Der Top-Prädator in holzanteil (2004 bis etwa 55 % der Krone) zu- der Pyramide, die Kohlmeise Parus major L., ist zuschreiben ist. Der verstärkte Totholzanteil mit nur drei Individuen (Maximum) und ledig- führt zu verminderten Ergebnissen bei den Auf- lich 0,012 % des untersuchten Individuen-Kol- sammlungen. In 2004 treten infolge dieser Ent- lektivs vertreten. Ob durch diese Kohlmeisen wicklung Scolytidae und Cerambycidae auf, auch eine Top-Down-Kontrolle der weiter auf- darunter auch der kleine Heldbock Cerambyx geführten Größenklassen (0,2 bis 25 mm) er- scopolii FUESSLIN. Diese Entwicklung lässt sich folgt, muss speziellen Untersuchungen vorbe- generell auch quantitativ durch eine sich ver- halten bleiben. Durch eine erneute Untersu- ringernde durchschnittliche Ausbeute je Probe chung und Verteilung der Größenklassen der demonstrieren. In den Sammeljahren 1999 bis ökologischen Pyramide (Abb. 21) wurden diese 2002 wurden 35 Tiere je Probe erhalten; im eingepasst in ein sogenanntes r-K-Kontinuum „Jahrhundert-Sommer-Jahr“ 2003 waren es le- (NENTWIG et al. 2004) (S. 98). Dabei wurde für diglich 24 Individuen. Dieses Ergebnis wurde die Krone durch die Zuordnung von 33 872 2004 mit einem Mittelwert von 48 Tieren je Tieren nachgewiesen (SIMON 2004b) (S. 116), Probe weit übertroffen. Die erhöhte Anzahl ist dass „Bis zur Größe von 2 mm finden sich 44 % vor allem auf die starke Zunahme der Blattläuse der Baumkronenbewohner; bis 3 mm sind es in diesem Jahr zurückzuführen (vgl. auch Abb. 28,5 %; bis 8 mm 26,2 %; bis 20 mm 1,14 %; bis 7). Damit liegt ein Ergebnis vor, das nur einge- 25 mm 0,05 % und schließlich Kohlmeisen mit schränkte biozönotische Aussagen ermöglicht. 0,009 %. Ein deutliches Überwiegen der Klein- Folgende weitere Problemfelder zum Status formen bis 3 mm mit insgesamt 72,5 % der In- der Baumkrone als Ökosystem sind auf Grund dividuen ist damit dokumentiert. Diese Ver- der Beobachtungsreihen und Übersichten zu hältnisse bilden eine relativ statische Situation diskutieren, wobei als These formuliert werden in der Apfelbaumkrone ab. Sie führen hin zu ei- soll: nem weiteren ökologischen Prinzip, nämlich Ist eine Baumkrone als funktionelles Öko- dem der Kapazitätsnutzung eines Habitats. system einzustufen? Die Kleinformen mit der Körpergröße bis Diese Frage ist zunächst mit folgenden Ar- 2 mm treten meist in mehreren Generationen gumenten zu falsifizieren: 76 Insecta, Heft 10, 2007

– Die Krone ist für ein Ökosystem zu gering 1999 bis 2004. Prädatorische Arthropoden sind dimensioniert mit durchschnittlich 17,3 % vertreten; positive – Die Krone ist stark abhängig von den Nach- Abweichungen reichen von 17,4 bis 21,8 %. Ne- barbepflanzungen gative Werte erstrecken sich von 13,7 bis 14,7 % – Weitere Apfelbäume im gleichen Gartenbe- (vgl. Abb. 19: Prädatoren). Ein nahezu gleichar- reich verfälschen die Arthropoden-Popula- tiges Oszillationsmuster mit geringen Schwan- tionen des untersuchten Baumes (Sorte Ber- kungen um den Mittelwert 4,8 liegt für die pa- lepsch) rasitoiden Hymenopteren vor. Die positiven – Die Überwinterung ist abhängig von be- Abweichungen reichen von 5,2 bis 6,7 %; die nachbarten Nadelbäumen. negativen Werten von 2,8 bis 4,1 % (vgl. Abb. Damit liegt zunächst ein (ausreichend be- 19: Parasitoide). gründetes?) Beispiel für ein abhängiges, unselb- Damit liegen m. E. ausreichend Argumente ständiges System vor. vor, diese Krone als eigenständiges Ökosystem zu klassifizieren und zwar auch deshalb, weil Mit synökologischen Basis-Argumenten die prinzipiellen Kriterien eines Habitats (und kann die These „eine Baumkrone als eigenstän- diverser Mikrohabitate) eine komplexe Biozö- diges Ökosystem“ versuchsweise verifiziert wer- nose bilden und die Besiedlung durch zahlrei- den: che Arten und Individuen möglich ist. Die um- Alle Komponenten, die ein Ökosystem aus- fassende Definition von MARTIN (2002) lässt zeichnen, sind auch für die untersuchte Baum- sich deckungsgleich auf die Apfelbaumkrone als krone zu belegen: Ökosystem anwenden. Mit dieser Arbeitshypo- – Input von ausreichend Sonnen-Energie an these eröffnen sich weitere Perspektiven für ca. 200 Tagen p. a. grundlegende Diskussionen. Besonders ge- – Ein relativ geschlossenes Habitat mit zahl- nannt sei die Arten-Areal-Beziehung (NENTWIG reichen Mikrohabitaten ist vorhanden et al. 2004) (S. 118) und evtl. auch die sog. In- – Eine funktionsfähige Biozönose mit teil- seltheorie (op. cit., S. 115). weise regulativer Struktur ist ausgebildet Wiederum bestätigt sich, dass unbehandel- – Vier trophische Ebenen sind nachweisbar, te, ältere Hochstämme ein Refugium auch für wobei die Abschätzung der Mega-Gilden faunistisch bedeutsame Arthropoden sind. Eine („Prädatoren“) noch nicht ausdiskutiert ist4 Fällung dieses Baumes soll daher nicht vorge- – Populationsdynamische Oszillationen um nommen werden. Eine Funktion als Rückzugs- einen Mittelwert treten auf gebiet (Habitat und Mikrohabitate) für sog. – Überwinterungsmöglichkeiten auf benach- Nützlinge ist für jede Streuobstlage nachweis- barten Nadelbäumen sind gegeben. bar (RÖSLER 2003) (S. 226-227). Dies gilt in be- Durch eine Trendanalyse sind populations- sonderem Maße für die hier erwähnten Präda- dynamische Oszillationen nachgewiesen für toren (speziell Planipennia, Coccinellidae und Coccinellidae (Abb. 18) und für prädatorische Araneida), aber auch für parasitoide Hymeno- Heteroptera (ohne Abb.). pteren in den Mikrohabitaten, die eine reiche Eine generelle Überprüfung dieser Hypo- Artenentfaltung ermöglichen. Erste Schätzun- these kann positiv entschieden werden für die gen ergaben etwa 125 Arten dieser Nützlings- Mittelwerte und auftretende Oszillationen für gruppe. Von allgemeinem faunistischen Wert die relativen Anteile der Prädatoren und Parasi- schliesslich ist der Baum für den Nachweis einer toide insgesamt in den Beobachtungsjahren für Deutschland neuen Collembolenart (Ento- mobrya atrocincta SCHÖTT), dem regelmäßigen Auftreten der südlichen Eichenschrecke (Meco- nema meridionale COSTA) sowie dem häufigem 4 Dies gilt z.B. für Dermaptera, die prädatorisch als Auftreten des „seltenen“ Tausendfüßers Polyxe- Blattlausantagonisten und auch phytophag auftreten nus lagurus LINNAEUS). Morphologische und können. In großen Apfelanlagen ist dies ständig zu beob- achten. Mündliche Mitteilung von Betriebsleiter Bur- ökologische Angaben zur letztgenannten Art kard Wolff, Schaafheim, Süd-Hessen. bei SIMON (2004c). HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 77

Abb. 1. Der von 1998 (Vorversuch) bis 2004 regelmäßig beprobte Apfelbaum „Berlepsch“ mit Standortdaten einschließ- lich Temperatur, Niederschlag und Sonneneinstrahlung. 78 Insecta, Heft 10, 2007

Abb.2. Kumulierte Fangergebnisse 1999 bis 2004. Die Wer- Abb. 3. Relative Individuenwerte (monatliche Abundanz) te deuten auf eine Kapazitätsausschöpfung hin (K-Linie). der Jahre 1999 bis 2004; grau unterlegt: Die relativen Werte Die eingefügte Kleinzikade (Typhlocybini spp.) ist ca. 3 für das Trockenjahr 2003. Die Abweichungen vom langjäh- mm groß. Farbvarianten sind blass gelb-grün oder grün. rigen Durchschnitt (1998 bis 2004) in 2003 sind durch ho- he Temperaturen und nahezu fehlende Niederschläge im Juli und August geprägt (weitere Einzelheiten vgl. Text).

Abb. 4. Kumulierte Individuenwerte für die Jahre 1999 bis Abb. 5. Die Nahrungsgruppen von 42 000 Arthropoden 2004. Phytophage Pflanzensauger (Homoptera) liegen mit der Apfelbaumkrone. Zoophage werden gestellt von 2520 13.025 Tieren auf Rang 1 (entsprechend 30,8 %). Rang 2 parasitoiden Hymenoptera (6 % des Gesamtkollektivs) nehmen die Collembolen mit 6762 Individuen ein (ent- und Prädatoren mit 7224 Arthropoden (17,2 %). Poten- sprechend 16 %). Alle übrigen Gruppen sind mit relativen tielle Beutetiere der Zoophagen sind detritivore sowie phy- Abundanzwerten unter 10 % vertreten. Gesamtkollektiv tophage Arthropoden. der Arthropoden umfasst für diese Auswertung 42 288 Exemplare. HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 79

Abb. 7. Signifikant bedeutsame Beutearthropoden mit ih- ren Jahreswerten. Positiv korrelierte Zyklen liegen vor für Abb. 6. Signifikant bedeutsame Prädatoren der Krone die Jahre 1999 bis 2003. In 2004 entwickelt sich durch das (Araneida bis Opilionida). Prozentwerte beziehen sich auf Ansteigen des Abundanzwertes der Aphidina eine ausge- das Gesamtkollektiv von n = 42 000 Tieren (Einzelheiten prägte negative Korrelation. Dieser Überblick basiert auf vgl. Text). der Auswertung von 7995 Daten für Cicadina (entsprechen 19 % des Gesamtkollektivs) und 4125 Angaben zu Aphidi- na (entsprechen ca. 10 % des Gesamtkollektivs).

Abb. 8. Individuen-Abundanz der Collembola nach den Beobachtungsjahren 1999 bis 2004. Das Zurückgehen der Populationen ist vor allem auf den zunehmenden Totholz- anteil zurückzuführen. Die eingefügte Art ist Entomobrya Abb. 9. Monatliche Abundanzwerte der Cicadina als Beu- nivalis LINNAEUS, die max. 2 mm große und mit Abstand tegruppe der untersuchten Raubarthropoden (Einzelheiten häufigste Vertreterin der Collembola (Springschwänze). vgl. Text). 80 Insecta, Heft 10, 2007

Abb. 10. Monatliche Abundanzwerte der Aphidina als Beu- Abb. 11. Monatliche Abundanzwerte der Collembolen als tegruppen der untersuchten Raubarthropoden. Besonders Beutegruppe der untersuchten Raubarthropoden. Die Po- hinzuweisen ist auf die Wanderbewegung der Apfelgraslaus pulationsdichten schwanken stark. Hervorzuheben sind von der Krone in den Monaten Juli bis September und ihre zwei Maxima: Frühjahr-Sommergenerationen und Herbst- Rückwanderung in die Krone ab Oktober (weitere Einzel- Wintergenerationen. Die eingesetzten Arten sind (in der heiten vgl. Text). Mitte) Entomobrya nivalis (LINNAEUS) und (rechts oben) Isotoma arborea (LINNAEUS).

Abb. 12. Araneida, dominante Raubarthropoden. Abun- danz im Verlauf der Beobachtungsjahre 1999 bis 2004 im Vergleich mit der Gesamtzahl der Arthropoden (oberer Kurvenzug). Absolute Werte der Araneida (mittlerer Kur- venzug), Araneida als Prozentanteile des gesamten Arthro- Abb. 13. Monatliche Abundanzwerte der Araneida als sai- podenaufkommens (unterster Kurvenzug). Die relative sonales Auftreten eines dominanten Raubarthropoden. In Abundanz ist mit 9,4 % (1999) und 9,1 % (2003) am höch- den Monaten Juni bis September werden Maximalwerte sten. erreicht. HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 81

Abb. 14. Heteroptera, dominante Raubarthropoden. Ab- undanz im Verlauf der Beobachtungsjahre 1999 bis 2004 im Vergleich mit der Gesamtzahl der Arthropoden (oberer Kurvenzug). Absolute Werte der Heteroptera (mittlerer Abb. 15. Monatliche Abundanzwerte der Heteroptera als Kurvenzug), Heteroptera als %-Anteile des gesamten Ar- saisonales Auftreten einer dominanten Raubarthropoden- thropodenaufkommens (unterster Kurvenzug). Die relati- gruppe. In den Monaten Mai bis August werden Maximal- ve Abundanz ist ab 2002 leicht zunehmend. werte erreicht.

Abb. 16. Planipennia, subdominante Raubarthroden. Ab- undanz im Verlauf der Beobachtungsjahre 1999 – 2004. Auffälliger Rückgang der Individuenwerte ab 2002 von Co- niopterygidae und Hemerobiidae und der Chrysopidae in Abb. 17. Monatliche Abundanzwerte der Coccinellidae als 2003. Die Zunahme von Totholz und damit der Rückgang saisonales Auftreten einer subdominanten Prädatoren- der Belaubung ist wahrscheinlich die naheliegendste Erklä- gruppe. Absolute Spitzenwerte im Juni und etwas abge- rung für diesen Trend. schwächt im Juli. 82 Insecta, Heft 10, 2007

Abb. 18. Coccinellidae mit ihren jährlichen Abundanzwer- ten im Vergleich mit der gesamten Coleopteren-Synusie. Eine absolute Minderung des Individuenaufkommens liegt Abb. 19. Relative Abundanzwerte von vier Megagilden von für das niederschlagsarme und überdurchschnittlich warm 1999 bis 2004. In 1999 war die Krone noch vollbelaubt temperierte Jahr 2003 vor. Der Maximalwert in 2004 ist auf (Phytophage 55 %). Das Jahr 2004 war ein „Blattlausjahr“. das verstärkte Auftreten von Blattläusen als Beute zurück- Daher resultiert ein hoher Phytophagenanteil von 53,6 % zuführen. (weitere Einzelheiten vgl. Text).

Abb. 20. Errechnete Trendlinien nach Daten von Abb. 19. Der rückläufige Phytophagen-Anteil ist wahrscheinlich ein Hauptargument zur Erklärung des Rückganges der Präda- toren. Das bedeutet dann aber auch, dass die Zunahme der Detritivoren/Mikrophytophagen keinen ausreichenden Er- Abb. 21. Numerische Pyramide der Größenklassen 0,2 bis satz als Beute der Prädatoren darstellen. Die eingefügten 25 mm von 24 500 Arthropoden. Einige Kohlmeisen sind Trendformeln beziehen sich auf Anfang (1999) und Ende evtl. TOP-Prädatoren und würden dann die Arthropoden- der Beobachtungsserie (2004) (weitere Erläuterungen im Gemeinschaft regulatorisch beeinflussen (weitere Erläute- Text). rungen vgl. Text). HANS-REINER SIMON: Das Ökosystem Apfelbaumkrone im Spiegel seiner Raubarthropoden-Synusien 83

Eine pragmatische Frage als Schlusspunkt: Dank Wie steht es mit dem Ertrag? Hier ist zu sagen, dass für einen privaten Verbrauch immer noch Zum Schluss möchte ich für vielfältige genügend Äpfel geerntet werden können, die Unterstützung besonders Herrn Dr. OLAF ZIM- zudem frei von Bioziden jeder Art sind und MERMANN danken, ferner Prof. BERNHARD auch daher geschmacklich sehr ansprechen. KLAUSNITZER (Dresden) für die Bestimmung der Coccinelliden und Herrn Dr. HANNES GÜNTHER Zusammenfassung (Ingelheim) für Determination von Hetero- ptera. Während einer sechsjährigen Monitoring- phase wurde eine Apfelbaumkrone und ihre Literatur Arthropoden-Zönose untersucht. Das Ziel der Arbeit besteht im Bereitstellen von Diskus- BEGON, M. E., HARPER, J. L., & TOWNSEND, C. R. (1998): sionsmaterial anhand von 42 000 gesammelten Ökologie. Heidelberg. Spektrum, 750 S. BIEDERMANN, R., & NIEDRINGHAUS, R. (2004): Die Zikaden Arthropoden, die ca. 350 bis 400 Arten zuzu- Deutschlands - Bestimmungstafeln für alle Arten. ordnen sind. Relationen bzw. Korrelationen Scheeßel. WABV, 409 S. werden beschrieben für Räuber-Beute-Bezie- DUNGER, W. (2003): 2. Ordnung Collembola, Spring- hungen dominanter und subdominanter Ar- schwänze. In: Lehrbuch der Speziellen Zoologie, 2. Aufl. 5. T. Insecta, Hrsg. DATHE, H. H., Heidelberg. thropoden dieser Biozönose. Es wurden nur ca. Spektrum, 71-86. 10 % der Krone besammelt, so dass man anneh- FAUVEL, G. (1999): Diversity of Heteroptera in agroecosys- men kann, dass pro Vegetationsperiode 30 000 tems: role of sustainability and bioindication. - bis 100 000 Arthropoden dieses Habitat besie- Agriculture, Ecosystems and Environment 74, 275- 303. delten. Besonders bearbeitet wurden die Präda- FRAZER, B. D. (1988): Predators. In: Aphids, their biology, toren, unterteilt nach dominanten Gruppen (1. natural enemies and control. Vol. B. Amsterdam. über 3 % des Gesamtkollektivs, n = 42 000 Ar- Elsevier, 217-230. GÜNTHER, K. K. (2003): 19. Ordnung Psocoptera, Staubläu- thropoden) und subdominanten Gruppen (2. se, Flechtlinge. In: Lehrbuch der Speziellen Zoolo- unter 2,9 %). Es handelt sich um gie, 2. Aufl. 5. T. Insecta, Hrsg. DATHE H. H., Hei- 1. Araneida und Heteroptera; delberg. Spektrum, 296-308. 2. Planipennia, Acarina (Trombidiidae), Opi- GÜSTEN, R. (2003): Netzflügler (Neuropterida) aus dem Kronenbereich eines Apfelbaumes. In: SIMON, H. R. lionida und Coleoptera (Coccinellidae). (Hrsg.) (2003a), 45-49. Beutetiergruppen sind Homoptera (Cicadi- HAGEN, K. S., & FRANZ, J. M. (1973): A history of biological na, Aphidina), Collembola und Diptera. Die control. - Ann. Rev. Ent., 433-476. Relationen und Korrelationen der Prädatoren JERMY, T. (1956): Zönologie und angewandte Entomologie. Pfl.schutz kongr., Berlin, 1955, Kongr.bericht, 39- zu ihren Beutetieren werden dargestellt und 46. Deutsche Akad. Landwirtsch.wiss., Berlin. diskutiert. Nicht endgültig zu klären ist die Fra- KLAUSNITZER, B., & H. (1997): Marienkäfer. Magdeburg. ge nach der regulatorischen Bedeutung der Prä- Westarp (Neue Brehm-Bücherei 451), 175 S. datoren. Mögliche Erklärungsmodelle, auch MARTIN, K. (2002): Ökologie der Biozönosen. Berlin, Hei- delberg. Springer, 325 S. unter Einbeziehung der klimatischen Verhält- NENTWIG, W. et al. (2004): Ökologie. Heidelberg. Spek- nisse, werden aufgezeigt. Trendanalysen doku- trum, 466 S. mentieren die relative Abundanz-Dynamik der RÖSLER, S. (2003): Natur- und Sozialverträglichkeit des in- vier Mega-Gilden (Phytophage, Detritivore/ tegrierten Obstbaues. Univ. Kassel. 429 S. Arb.ber. Fb. Arch. Stadtpl. Landschaftspl. 151. Mikrophytophage, Prädatoren, Parasitoide). SCHAEFER, M. (2003): Wörterbuch der Ökologie. Heidel- Weitere Untersuchungen sind vorgesehen, berg. Spektrum, 452 S. u. a. auch die Übertragung des vorgestellten SIMON, H. R. (1999a): Arthropoden-Gilden im Kronen- raum von Apfelbäumen.- Ent. Zeitschr.109, 340- Modells auf die Arthropoden-Synusien einer 352. Apfelplantage, einem Agro-Ökosystem in Süd- SIMON, H. R. (1999b): Gilden als ökologische Einheiten - Hessen mit 1800 Bäumen. Empirische Befunde und theoretische Überlegun- gen. IANUS-Arbeitsbericht 6, 40 S. SIMON, H. R. (2000): Collembolen im Kronenraum des Ap- felbaumes; Freilandbeobachtungen in Süd-Hessen (1999). – Ent. Zeitschr. 110, 177-183. 84 Insecta, Heft 10, 2007

SIMON, H. R. (2001a): Gilden in kleinräumigen Habitaten: SIMON, H. R. (2004b): Monitoring von Biodiversität: Die Phytophage, detritivore und zoophage Arthropo- Arthropoden einer Apfelbaumkrone nach Beob- den im Kronenraum von Apfelbäumen. - Collurio, achtungen in Süd-Hessen 1999-2002. - Naturwiss. Darmstadt, 19, 189-205. Ver. Darmstadt, Ber. N. F. 27, 107-132. SIMON, H. R. (2001b): Monitoring von Collembolen in Ap- SIMON, H. R. (2004c): Ein Hundertfüsser der Baumrinde: felanlagen (1998-2000). - Insecta, Heft 7, 56-69. Der Pinselfüsser Polyxenus lagurus (LINNÉ, 1758). - SIMON, H. R., & ZIMMERMANN, O. (2002a): Untersuchungen Collurio, Darmstadt, 22, 153-161. zur Biodiversität von Arthropoden im Apfelbaum: TISCHLER, W. (1980): Biologie der Kulturlandschaft. - Stutt- Parasitoide Hymenopteren. - Nachr. Dt. Ges. f. allg. gart, Fischer, 253 S. u. angew. Ent. 16 (1), S. 9. WILSON, E.O. (1999): Des Lebens ganze Fülle. München, SIMON, H. R., & ZIMMERMANN, O. (2002b): Die ökologische Claassen, 400 S. Vielfalt parasitoider Hymenopteren in einer Apfel- ZIMMERMANN, O. (2003): Die Biodiversität und saisonale baumkrone. - 53. Dt. Pfl.schutztagung, Bonn, Sept. Aktivität parasitoider Hymenopteren. 23-41. In: SI- 2002. Mitt. Biol. Bundesanst. f. Land- u. Forstwirt- MON, H. R. (Hrsg.) (2003a): Monitoring von Biodi- schaft, Berlin, H. 390, S. 535, u. Poster. versität: Arthropoden einer Apfelbaumkrone. - Ar- SIMON, H. R. (Hrsg.) (2003a): Monitoring von Biodiver- beitsber. 1/2003, IANUS, TU Darmstadt, 57 S. sität: Arthropoden einer Apfelbaumkrone. - Ar- ZIMMERMANN, O., & SIMON, H. R. (im Druck): Die saisonale beitsber. 1/2003, IANUS, TU Darmstadt, 57 S. Aktivität parasitoider Hymenoptera in einer Apfel- SIMON, H. R. (2003b): Der Jahrhundertsommer 2003: Bei- baumkrone. - Ent. Zeitschr., im Druck. spiele für seine Auswirkungen auf die Arthropoden ZIMMERMANN, O., & SIMON, H. R. (2005): Untersuchungen einer Apfelbaumkrone. - Collurio, Darmstadt, 21, zum saisonalen Auftreten von chalcidoiden Parasi- 184-191. toiden in einer Apfelbaumkrone 1999-2004. Ento- SIMON, H. R. (2004a): Eine für Deutschland neue Collem- mologen-Tagung, Dresden, März 2005. 4 S. bolenart: Entomobrya atrocincta SCHÖTT, 1896. - Nachr. Dt. Ges. f. allg. u. angew. Ent. 18 (3), 94-95.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. HANS-REINER SIMON, Römerstraße 44, D-64579 Gernsheim E-Mail: [email protected] Insecta, Heft 10, 2007, Seite 85-112

HANS-REINER SIMON, Gernheim

Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie (1999-2005) in Süd-Hessen

Einleitung, Fragestellung ihres geringen zahlenmässigen Auftretens keine weiteren vergleichenden Analysen zulassen. – Dieser Beitrag handelt von einem über- Collembola: Entomobryidae; Entomobrya sp.“. schaubaren, dynamischen Ökosystem, der Ap- Diese Aussage lässt sich nicht bestätigen, wie ei- felbaumkrone, und speziell einer Synusie darin, gene regelmäßig durchgeführte Aufsammlun- der ökologisch signifikanten Arthropodengrup- gen im Kronenbereich zeigen. Welchen ökolo- pe der Collembolen. gischen Stellenwert die in der Regel nicht als Die folgenden Untersuchungen sind ein Schadarten einzustufenden Collembolen reprä- Teilergebnis des Projektes „Monitoring von Ar- sentieren, soll nachfolgend dargestellt werden. thropoden in Apfelanlagen“, das seit 1998/1999 Im Erwerbsobstbau wurde bereits 1962 von läuft. Eine vorläufige Mitteilung über Collem- STEINER auf die noch zu untersuchenden soge- bolen der Apfelbaumkrone wurde bereits in der nannte „Indifferenten“ hingewiesen. Er schreibt Zeitschrift „Insecta“ veröffentlicht (SIMON (S. 264): „Familien und Ordnungen, über die 2001b). Dieser neue spezielle Beitrag ist eine noch wenig bekannt ist, bzw. die keine direkten Fortsetzung dieser Mitteilung und den Beob- Schäden verursachen, Formicidae, Psocoptera, achtungsreihen bis 2004 gewidmet. Ein Nach- Thysanoptera, Forficulidae, Collembola, Di- trag fasst erste Ergebnisse für das Jahr 2005 zu- ptera (außer Syrphidae, Larvaevoridae, Cecido- sammen. Vorgestellt wird eine ökologisch be- myidae), Araneina“. Für alle genannten Grup- deutsame Gilde der Detritivoren/Mikrophyto- pen hat sich die Informationslage inzwischen phagen, eine auch entomologisch nicht sehr be- gründlich geändert, ausser wiederum für die kannte Gruppe der Arthropoden, nämlich die Collembolen. Ihre Einbeziehung in die Arthro- Springschwänze oder Collembola. zönose der Apfelbaumkrone soll ein Ziel unse- Collembolen (Springschwänze, engl. spring- rer Untersuchung sein. Insbesondere ist nach tails) treten regelmäßig nicht nur in den Boden- der ökologischen Wertigkeit der Collembolen schichten, im Falllaub und unter Steinen auf, zu fragen, d. h. welchen Rang im Nahrungsnetz sondern ebenso konstant im Blattbereich von nehmen sie ein und welchen Raubarthropoden Büschen und Bäumen. Sie zählen zu den indivi- (ihren Gegenspielern) dienen sie als Zusatz- duenreichsten rezenten Arthropoden. Auch auf oder Zwischennahrung, bis diese ihre weiteren wirtschaftlich genutzten Baumarten, wie dem Beutetiere (sogenannte Schädlinge, wie Blatt- Apfel, sind sie regelmäßig vertreten (z. B. SIMON läuse, Kleinzikaden usw.) angreifen können 1968). Allerdings meint JASSER (1982) (S. 305) und damit auch für einen möglicherweise mehr „Im folgenden werden in einer Artenliste alle oder weniger giftfreien Obstanbau von Bedeu- diejenigen Insekten aufgeführt, die auf Grund tung werden. 86 Insecta, Heft 10, 2007

Ziel der Untersuchung Klima (nach Angaben des Regierungspräsidiums Einige Collembolen-Arten sind regelmäßige Darmstadt) Bewohner von Baumkronen. Diese Tatsache führt zu Fragestellungen im Kontext eines über- Das Hessische Ried (Süd-Hessen; Reg. Be- schaubaren Ökosystems, seiner Biozönose und zirk Darmstadt) gehört zu den wärmsten Kli- seinem Biotop mit differenzierten Mikrohabi- mazonen Deutschlands. Die durchschnittliche taten. Im Einzelnen sollte ermittelt werden: Jahrestemperatur beträgt 9,5 °C. Die Monats- mittel steigen von Januar (0 °C) bis zu 9 °C bis – Relationen der nachgewiesenen Arten nach 10 °C im Frühling (April) und durchschnittlich Individuenanteil (relative Abundanz) auf 19 °C im Sommer (Juni, Juli, August). – Saisonales Auftreten (subadulte und adulte Die Temperaturen im Beobachtungsgebiet Tiere) weichen in der Regel von diesen Durchschnitts- – Einbindung in die Gilden der Krone werten ab. Im Versuchsbaum direkt gemessene – Saisonales Auftreten von Prädatoren und Werte erlauben folgende Aussagen: ihre Koinzidenz mit Collembolen. Die meisten der insgesamt 1200 Proben Die Ergebnisse sollen hauptsächlich in visu- wurden (witterungsbedingt) in den Sommer- alisierter Form vorgestellt werden; auf logische monaten (Juni bis August) genommen. Auf das Anschaulichkeit wird besonders Wert gelegt. Ausnahmejahr 2001 sei besonders hingewiesen: Der September war unterdurchschnittlich tem- Standort der Untersuchung periert (+12,5 °C), mit zahlreichen Regentagen und 140 mm Niederschlag pro m². Im Gegen- Der Beobachtungsort Gernsheim liegt in satz dazu standen die Monate August (+19,5 der Oberrheinischen Tiefebene (92 m ü. NN) °C) mit 49 mm und Oktober (+13,3 °C) mit 59 und gehört zu den wärmsten Regionen mm. Im Oktober hatte sich das Wetter dann im Deutschlands. Diese Feststellung lässt sich be- Sinne eines Altweibersommers sehr günstig für schreiben mit Hilfe der Temperaturen (Abb. 1 die Probeentnahme entwickelt (126 Sonnen- und 2), der Niederschläge und der Sonnen- scheinstunden, gegenüber nur 90 Stunden im scheindauer. Diese abiotischen Faktoren sind September). Sogar im November konnten an wesentlich am Aufkommen der angetroffenen warmen und niederschlagsfreien Tagen noch Collembolen beteiligt. faunistisch interessante Sammelergebnisse er- Die Aufsammlungen wurden nur an zielt werden. Ein weiteres herausragendes Jahr niederschlagsfreien Tagen vorgenommen. Dies war 2003 (Jahrhundertsommer) mit hohen ist zwingend durch die Methode vorgegeben Temperaturen und sehr geringen Niederschlä- (siehe unten). Die Daten entsprechen damit gen (Einzelheiten vgl. SIMON 2003b). In den den für Arthropoden günstigen Tagen ohne Sammel-Ergebnissen zeigt sich die Besonder- Niederschlag, oft verbunden mit Sonnen- heit dieses Sommers und sie werden deshalb schein. Von 1998 (Vorversuch) bis 2004 wur- entsprechend herausgestellt (vgl. Kap. Ergeb- den in sechs Jahren etwa an jedem zweiten Tag nisse, Empirischer Teil). Ein Trend zur Annä- geprobt. Insgesamt 1200 Proben erbrachten herung an den langjährigen klimatischen 42 000 Arthropoden. Diese Individuen sind Durchschnitt liegt evtl. für 2004 vor. Die rele- von maximal etwa 10 % der Baumkrone abge- vanten Klimadaten im Überblick: sammelt worden, so dass im Jahresdurch- – Zehnjahresmittel (1990 bis 2000): +10 °C schnitt etwa 30 000 bis maximal (?) 100 000 Ar- – in der Baumkrone (1999 bis 2002): +12,3 °C thropoden-Individuen in mindestens 350 Ar- – in der Baumkrone (2003): +14,8 °C; Maxi- ten die beprobte Apfelbaumkrone besiedelten. mum im August +38 °C Für die gesamte Hauptuntersuchung (1999 bis – in der Baumkrone (2004): +13 °C. 2004) sind die aufgesammelten Arthropoden Alle Temperaturdaten stellen Mittelwerte nach ihrer Individuen-Abundanz in Abb. 3 zu- nach Probeentnahme-Jahren dar und beruhen sammengefasst. auf 1100 Einzelmessungen (Abb. 2). Auffällig HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 87 ist besonders die jeweilige höhere mikroklima- wurden. Diese Zusammenfassungen bilden die tische Temperatur in der Krone. Sie ist stand- Grundlage für alle Übersichten (Tabellen und ortbedingt (vgl. oben). Graphiken) des monatlichen Auftretens der Die relative Luftfeuchte in der Krone Collembolen. Die kumulierten Jahreszusam- schwankt von 42 % (nachmittags) bis 100 % menfassungen sind die Basis für die Jahresüber- (früher Vormittag, 7:00 bis 8:00) je nach Jahres- sichten, ebenfalls in Form von Tabellen oder oder Tageszeit. Graphiken. Eine ausführliche Darstellung der Methoden erfolgt in SIMON (2007) in Insecta 10. Material und Methode Im Institut für Biologischen Pflanzenschutz der Biologischen Bundesanstalt (BBA)2 in Die Synusie der Collembolen gehört nach Darmstadt wurde ein Kontrollbaum (ca. 28 m³ dem generellen Untersuchungsziel (Arthropo- Kronenraum) selektiv abgesammelt. In den den-Gilden im Kronenbereich des Apfelbau- Jahren 1999 bis 2001 wurden 45 Proben ge- mes, Abb.1) der Baumschicht an, d. h. Stamm nommen. Sie erbrachten 1896 Arthropoden, und hauptsächlich der Kronenbereich wurde in darunter 646 Collembolen (= 34 %). Da der gleicher Weise wie im Vorversuch 1998 abge- Baum in die Grasflur (Typ „Feuchtwiese“) mit sammelt (vgl. SIMON 1999a). Als neue Variante herabhängenden Zweigen reichte, wurden auch ist festzuhalten, dass 1999 regelmäßig frühmor- zwei Arten gefunden, die diesem Biotoptyp zu- gens (7:00) und so oft es witterungsbedingt zurechnen sind, nämlich Lepidocyrtus parado- möglich war (niederschlagsfrei) zusätzlich am xus UZEL, 1891 und Tomocerus vulgaris (TULL- späten Nachmittag (ab 17:00) mit einem Klopf- BERG, 1871). stab und Auffangtrichter gesammelt wurde, so dass für 1999 auch einige Daten zum Tagesgang Ergebnisse des Auftretens der Arthropoden im Kronen- raum vorliegen. In den Jahren 2000 bis 2005 Die Arten der Collembolen-Synusie wurde nur je einmal an niederschlagsfreien Ta- gen gesammelt. Für die Monate Januar/Februar Die Determination der Arten erfolgte nach kamen drei Methoden des Aufsammelns zur STACH (1947, 1956, 1960, 1963, 1967), CHRISTI- Anwendung: Absuchen der Kartonummante- ANSEN & BELLINGER (1998) und PALISSA lung des Stammes, die im November ange- (1964).Weitere Publikationen wurden ergän- bracht worden war; Abpinseln des Stammes; zend ausgewertet, sie sind im Text aufgeführt Untersuchung des „Überwinterungskastens“ und entsprechend im Literaturverzeichnis ge- am Baum, eine mit Aststücken gefüllte, nach nannt. der Ostseite offene Holzkiste mit den Massen: Insgesamt wurden in den beiden Baumkro- Höhe 45 cm; Breite 28 cm; Tiefe 24 cm. Durch nen 18 Collembolen-Arten, die alle weit ver- diese konzentrierte Wintererfassung sind die breitet sind, gefunden. Ihre Nennung erfolgt Individuenzahlen für die Monate Januar und unter systematischen und nomenklatorischen Februar oft erhöht, was sich danach auch durch Gesichtspunkten nach den Verzeichnissen von die fallenden Individuenzahlen im März be- SCHULZ, BRETFELD, ZIMDARS (2003) bzw. nach merkbar macht, wenn wieder „geklopft“ wird. JANSSENS Checklist of the Collembola Die Aufsammlungen erfolgten nicht per Zu- (http://www.collembola.org). fallsstichproben, da die hohe Zahl der gesam- melten Arthropoden durchaus als pars pro Artenliste toto1 gelten kann. Alle Daten wurden in Strich- Arthropleona (Ringelspringer) listen erfasst, die jeweils monatlich kumuliert Hypogastruridae – Xenylla maritima TULLBERG, 1869. Verbrei- tung: Kosmopolit 1 Statistische Tests zur Biodiversität werden für das Pro- jekt vorgenommen, wenn weitere Baumkronen untersucht sind, u. a. in einer Apfelplantage mit 1800 Bäumen. Die 2 Das Kürzel „BBA“ bezieht sich immer im Folgenden Vorarbeiten sind im März 2006 angelaufen. auf diese Fundstelle. 88 Insecta, Heft 10, 2007

Isotomidae diesem Profil wird quantitativ erläutert, in wel- – Isotoma arborea (LINNAEUS, 1758). Verbrei- cher Jahreszeit die Art mit ihrem höchsten Indi- tung: Holarktis viduenanteil auftrat. Folgende Festlegungen Entomobryidae unter den besonderen Klimabedingungen Süd- – Entomobrya arborea (TULLBERG, 1871). Ver- Hessens wurden getroffen: Frühjahr = März, breitung: Europa April; Sommer = Mai, Juni, Juli, August; Herbst – Entomobrya atrocincta SCHOETT, 1896. Ver- = September, Oktober; Winter = November, breitung: Kosmopolit Dezember, Januar, Februar. Neu für Deutschland – Entomobrya corticalis (NICOLET, 1842). Ver- Hypogastruridae breitung: Europa Xenylla maritima TULLBERG, 1869. Verbrei- – Entomobrya multifasciata (TULLBERG, 1871). tung: Kosmopolit. Größe 1,5 mm. Verbreitung: Kosmopolit STRENZKE (1955) (S. 21) schreibt: „Häufig in – Entomobrya nivalis (LINNAEUS, 1758). Ver- verschiedenen Biotopen des Binnenlandes, ex- breitung: Kosmopolit treme Trockenform”. STACH (1967) (S. 399) be- – Entomobryoides myrmecophilus (REUTER, merkt zu dieser Art, dass der Name maritima, 1886). Verbreitung: Europa missverständlich sei, da diese xerophile Art in – Lepidocyrtus paradoxus UZEL, 1891. Verbrei- Örtlichkeiten, die weit vom Wasser entfernt tung: Holarktis sind, angetroffen wird. Dazu zählen insbeson- – Orchesella bifasciata (NICOLET, 1842). Ver- dere die Rinden verschiedener Bäume, verrot- breitung: Europa tende Blätter, Moos und Flechten. Nach Anzahl – Orchesella cincta (LINNAEUS, 1758)., Verbrei- der Individuen (389) auf Rang 4. Schwach aus- tung: Holarktis geprägter Schwerpunkt des Auftretens im – Orchesella villosa (GEOFFROY, 1762). Ver- Herbst (Abb. 4). breitung: Europa – Tomocerus vulgaris (TULLBERG, 1871). Ver- Isotomidae breitung: Holarktis, BBA Isotoma arborea (LINNAEUS, 1758). Verbrei- – Willowsia nigromaculata (LUBBOCK, 1873). tung: Holarktis. Größe maximal 2 mm. In Verbreitung: Holarktis STACH (1947) als Vertagopus arborea (L.). – Willowsia platani (NICOLET, 1842). Verbrei- Zwischen europäischen und nearktischen tung: Europa Formen bestehen evtl. mikromorphologische Symphypleona (Kugelspringer) Unterschiede, die jedoch nicht zur Aufstellung – Bourletiella hortensis (FITCH, 1863). Verbrei- von spezifischen Arten führen (CHRISTIANSEN & tung: Holarktis BELLINGER 1998) (S. 868). Nach PALISSA (1964) – Deuterosminthurus repandus (AGREN, 1903). (S. 182) eine Winterart, im Sommer „ausgestor- Verbreitung: Europa (nur 2005 nachgewie- ben“. Nach Anzahl der Individuen (1697) auf sen) Rang 2. In dieser Beobachtungsreihe als ausge- – Deuterosminthurus sulphureus (flavus?) sprochene Winterart mit 64,2 % ihrer Indivi- (KOCH, 1840). Verbreitung: Europa. duen nachgewiesen (Abb. 5). Bis zu einer Tem- Die tiergeographische Zuordnung ergibt peratur von +0,5 °C noch normal aktive Lauf- vier kosmopolitische Arten; sechs Arten sind bewegungen. Isotomiden besitzen einige spe- holarktisch verbreitet und acht Arten kommen zielle Mechanismen, die auch bei sehr niedrigen europaweit vor. Minustemperaturen wirksam werden. So wird der Magen-Darmtrakt entleert, so dass sich an Anmerkungen zu den Arten Feststoffen kein Eiskristallwachstum einstellen kann. Spezielle Proteine wirken weiterhin für Die einzelnen Arten werden kurz charakte- eine Kälteanpassung, indem sie entstehende risiert, besonders häufige (dominante) Arten Eiskristallkeime einschließen, wodurch das mit über 100 Individuen der gesamten Synusie Kristallwachstum gestoppt wird (vgl. KÜNZLE werden mit einem Saison-Profil vorgestellt. In 2002). HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 89

Entomobryidae Art evtl. als etabliert bezeichnen kann. Sie kann Entomobrya arborea (TULLBERG, 1871). Ver- als Sommer- bzw. Herbstart klassifiziert werden breitung: Europa. Größe 1,5 mm. (Abb. 6). „An Baumstämmen und unter Steinen, in Nach SCHULZ et al. (2003) sind in Deutsch- besonnten Lagen, selten.“ (GISIN 1960) (S. 223). land bisher 12 Arten der Gattung Entomobrya Diese Feststellung ist nicht für alle Biozönosen nachgewiesen, E. atrocincta fehlt in dieser Auf- in Mittel-Europa aufrecht zu erhalten (SIMON stellung. 1968) (S. 390): „Zu den Angaben ‚zahlreich’ in Ich gehe davon aus, dass es sich somit um den angeführten Proben ist zu bemerken, dass einen Erstnachweis für Deutschland handelt. damit jeweils 30 – 50 Tiere bezeichnet sind“. Einzelheiten zur Verbreitung und Morphologie Die untersuchten Proben stammten aus Lang- auch bei STACH (1963) (S. 71-73). zeituntersuchungen des Pflanzenschutzdienstes von Baden-Württemberg (Stuttgart). Sie wur- Entomobrya corticalis (NICOLET, 1842). Ver- den einer Apfelanlage in der Nähe von Heil- breitung: Europa. Größe 1,8 mm. bronn (Unterheinriet) entnommen. In der hier Eher als selten zu bezeichnen, da lediglich vorgestellten Untersuchung ist die Art jedoch sieben Individuen erhalten wurden (2002 im als „selten“ einzustufen, da in sechs Jahren nur Februar ein Individuum und im März sechs In- ein Individuum im November 2004 gefunden dividuen). Nach BOCKEMÜHL (1966) (S. 722): wurde. Ausführliche Angaben zur Art bei „Beim Abschütteln von Bäumen nur verein- STACH (1963) (S. 45-48). zelt...“. Diese Feststellung trifft also auch auf unsere Ausbeute zu. Sie ist evtl. etwas zu relati- Entomobrya atrocincta SCHOETT, 1896. Ver- vieren, da an der Sammelstelle „BBA“ im Au- breitung: Kosmopolit, neu für Deutschland. gust 1999 acht Individuen gefunden wurden. Grösse maximal 1, 5 mm. Weitere Einzelheiten zur Morphologie und Diese Art ist besonders auffällig durch ihre zum Vorkommen bei STACH (1963) (S. 62-65). geringe Größe, 1,25 bis maximal 1,5 mm, sowie die markante Färbung: Zitronengelbe Grund- Entomobrya multifasciata (TULLBERG, 1871). farbe und ein dunkelbräunlicher Thorax-II-Ab- Verbreitung: Kosmopolit. Größe bis 3 mm. schnitt. Weitere Dunkelfärbungen zeigen An- Auf Rang drei der Synusie mit 628 Indivi- tennen, Kopf und Thorax-I. duen. E. multifasciata kann man als ausgeprägte Die Auswertung der Literatur ergibt, dass Sommerart bezeichnen (62 % aller adulten In- diese Art, die von SCHOETT (1896) nach Exem- dividuen; Abb. 7). Weitere Einzelheiten bei plaren aus Kalifornien neu aufgestellt wurde, an STACH (1963) (S. 32-38). Die Art ist besonders sonnigen Standorten in Europa (Spanien, trockenresistent und liebt Warmzonen, in Frankreich, Tschechische Republik) auftritt. Skandinavien kommt sie nur in Gebäuden vor Die Art ist Kosmopolit, jedoch auf warme Re- (PALISSA 1964) (S. 205). gionen beschränkt. Der neue Fundort für Deutschland liegt im Entomobrya nivalis (TULLBERG, 1871). Ver- Oberrheingraben (Gernsheim, Süd-Hessen) in breitung: Kosmopolit. Maximale Größe 2 mm. einem Streuobstgelände, wie oben beschrieben. Entomobrya nivalis ist verbreitet in Europa Die Art trat erstmals nach dem Jahrhundert- und Nordamerika, auf Gebüsch und Bäumen, sommer 2003 auf. sehr häufig (GISIN 1960) (S. 226). Kosmopolit Erstmals nachgewiesen wurde die Art in den (STACH 1963) (S. 16); in Canada und USA weit- Aufsammlungen vom 21. 6. 2004 bis 31. 7. verbreitet (CHRISTIANSEN &BELLINGER 1998) (S. 2004. In 11 Proben (entsprechen 11 Sammelta- 956). Weitere Angaben bei STACH (1963) (S. 23- gen) fanden sich insgesamt 19 Tiere von E. atro- 30). cincta. Auch als überwinternde Art war sie auf- In dieser Untersuchung stellt sie die absolut getreten und konnte in 2005 ebenfalls gefunden dominierende Sommerart mit insgesamt 3440 werden. Insgesamt liegen über 100 Individuen Individuen (Rang 1). Sie trat in den Sommer- vor, so dass man diese für Deutschland neue monaten mit 57,4 % Individuenanteil der adul- 90 Insecta, Heft 10, 2007 ten Tiere auf (s. Abb. 8; weitere Einzelheiten bei Wiesen, Weinberg, Laubstreu, Moor, Wiesen der speziellen Besprechung der Art). Auch die und Graswege, Vogelnest). Aufgesammelt wur- juvenilen und subadulten Exemplare (0,4 bis den von verschiedenen Autoren jeweils ein 0,9 mm) sind am häufigsten in den Sommer- Exemplar bis 12 Exemplare. Eine Ausnahme ist monaten anzutreffen (Abb. 8). Die Art ist auch der Fundort „Weinberg“ mit 210 Tieren von in Süd-England als baumsteigend festgestellt insgesamt 130 000 Individuen. Die Art kann worden (BOWDEN et al. 1976). Eine ausführliche auch hier durchaus als „selten“ bezeichnet wer- Darstellung des saisonalen Auftretens erfolgt im den, da sie nur mit 0,16 % zur gesamten Auf- Kapitel Entomobrya nivalis als dominierende sammlung beiträgt. Art der Baumkrone. SNIDER & FISCHER (1964) (S. 89) vermuten, dass die Art durch Schiffsfrachten in die USA Entomobryoides myrmecophilus (REUTER eingeschleppt wurde. 1886). Verbreitung: Europa. Größe maximal 3 Eine Ausbreitung, bzw. ein Auffinden der mm, einzelnes eigenes Exemplar 1,2 mm. Art wird auch aus den Niederlanden gemeldet In dieser Untersuchung als selten zu be- (BERG & HEIJERMAN 2002). Dieser Fundort liegt zeichnen, da nur ein Exemplar gefunden wurde in der Nähe von Maastricht auf einer Wiese. (Oktober 2004). Die Art fällt durch ihre starke Allerdings kann der Begriff „selten“ in diesem Beborstung und Beschuppung bei sonst Ento- Fall wohl nicht eingesetzt werden, da 400 (!) In- mobrya-ähnlichem Habitus auf. Nach STACH dividuen gesammelt wurden. Weitere Nachfor- 1963 (S. 119-122) lebt die Art „selten“ unter der schungen im Biotop „Wiese“ sind demnach ge- losen Rinde alter Bäume. boten.

Lepidocyrtus paradoxus UZEL, 1891. BBA, Orchesella bifasciata (NICOLET, 1842). Ver- Verbreitung: Holarktis. Größe 3 mm. breitung: Europa. Max. Größe 3 mm. Dieser auffälligen Art wird in der Literatur Nach PALISSA (1964) (S. 213) eine xerother- wegen einer besonderen morphologischen Aus- me Art der offenen Felder. STACH (1960) (S. prägung außerordentliche Beachtung geschenkt 104-111) gibt eine detaillierte Zusammenfas- (SIMON 1970, SNIDER & FISCHER 1964, STACH sung zu Vorkommen, Formen und ökologi- 1967, Zusammenfassung bei CHRISTIANSEN & schen Ansprüchen (Rinde mit Moos und Flech- BELLINGER 1998, S 1059-1061). Obwohl die Art ten, wie auch bei der untersuchten Apfelbaum- nur in einem Exemplar im Juli 2000 gefunden krone). Nachweise für Deutschland liegen vor. wurde (Abb. 18), sei ihr eine ausführliche Dar- In dieser Untersuchung als selten einzustufen, stellung gewidmet. In den Proben „BBA“ wurde da die Art nur mit einem Exemplar vertreten ist ein Exemplar nachgewiesen, und zwar deshalb, (April 2002). weil der untersuchte Apfelbaum in einer Feuchtwiese, ca. 200 m vom Rande eines klei- Orchesella cincta (LINNAEUS, 1758). Verbrei- nen Wäldchens stand und seine untersten tung: Holarktis. Max. Größe 4,5 mm, eigene Zweige das Gras berührten. Daher war es dieser Exemplare bis 3,5 mm. Art der „Feuchtwiesen“ (PALISSA 1964) (S. 220) Orchesella cincta ist in Europa relativ häufig möglich, den Baum zu erklimmen. vertreten, mit Ausnahme der subarktischen Die unverwechselbare morphologische Ei- und mediterranen Gebiete, an Stämmen allein- gentümlichkeit ist die Ausbildung von Thorax- stehender Bäume, auf Wiesen (GISIN 1960) (S. Segment II, das stark nach vorne verlängert ist 229); in der gesamten Paläarktis und den USA und den senkrecht abgewinkelten Kopf kapu- (STACH 1960) (S. 30). „This is probably an in- zenartig überdeckt (Abb.18; 18a vgl. auch PA- troduced species which is well established only LISSA 1964, S. 220). Die Häufigkeit bzw. Selten- in the north-eastern United States and Canada“ heit des Vorkommens ist genau dokumentiert (CHRISTIANSEN & BELLINGER 1998) (S. 905). In (SIMON 1970) (S. 340), Tabelle 3, Geographi- Süd-England ist sie als baumsteigende Art sehr sche Verbreitung in Mittel- und Südeuropa; häufig, z. B. mit 508 von 1210 Individuen, d. h. USA und Tab. 4, ökologische Verbreitung: mit 42 % der Collembolen-Individuen (BOW- HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 91

DEN et al. 1976) (S. 302). In der vorliegenden (1964) (S. 218): „An Rinden und Flechten al- Untersuchung im Beobachtungsjahr 1999 zu- leinstehender Bäume“. In dieser Untersuchung nächst nur als Überwinterungsgast gefunden, mit ca. 380 Tieren vertreten, damit steht die Art aber in den folgenden Jahren auch im Herbst auf Rang 5 der Collembolen-Synusie. Eine zahlreich und ist mit fast 50 % der Individuen- Sommer- und Herbstart mit ca. 73 % des Auf- Abundanz in dieser Jahreszeit als Herbstart der kommens in diesen Jahreszeiten (Abb. 10). Baumkrone zu bezeichnen (Abb. 9). Die Som- mermonate verbringt die Art in der Streu- Symphypleona (Kugelspringer) schicht der Wiese. Nach diesem saisonalen Bourletiella hortensis (FITCH, 1863). Verbrei- Muster der Abundanz ist die Art als austrock- tung: Holarktis. Max. Größe des Weibchens 1,8 nungsempfindlich zu klassifizieren (vgl. BAUER mm, des Männchens 1,2 mm. Eigene Exempla- 1979). re 0,38 bis 0,75 mm. Bourletiella hortensis ist wohl in ganz Europa Orchesella villosa (GEOFFROY, 1762). Ver- verbreitet, wahrscheinlich Kosmopolit. Kann breitung: Europa. Größe 4 mm. durch Benagen von Gartenpflanzen schädlich Mit nur zwei Individuen (Januar 2002 und werden (GISIN 1960) (S. 286). „B. hortensis is Januar 2003) als eher seltene Art bzw. als Über- very probably a cosmopolite species, which is so winterungsgast der Krone zu bezeichnen. O. widely distributed owing to the transport of villosa lebt in der Bodenauflage (in dieser many cultivated plants by man“ (nach STACH Untersuchung am Standort nachgewiesen) und 1956) (S. 155). Weitverbreitet in USA und Ca- auf Makrophyten. Lichte Standorte scheint sie nada (CHRISTIANSEN & BELLINGER 1998) (S. im allgemeinen zu bevorzugen (BOCKEMÜHL 1312). Mit 35 Individuen in der Aufsammlung 1966) (S. 724). Ausführliche Angaben zur Mor- vertreten, besonders in den Jahren 1999 von Ju- phologie und über Farbvarianten bei STACH ni bis Oktober mit einem Exemplar im Juni, (1960) (S. 79-84). September und Oktober; mit sieben Individuen im Juli und 13 im August und in 2000 von Mai Tomocerus vulgaris (TULLBERG, 1871). Ver- bis September mit monatlich je einem Tier bis breitung Holarktis. Größe 3,5 mm. vier Tieren. Der Schwerpunkt des Auftretens In der Probe „BBA“ mit einem Exemplar liegt nach diesem Material im Sommer, wegen vertreten (März 2000). Eine mehr hydrophile der geringen Anzahl der Individuen ist die Ein- Art der Wiesen und Strauchschicht, ebenfalls in stufung der Art als „Sommerart“ der Baumkro- der Bodenauflage vorkommend. ne jedoch noch unsicher. Deuterosminthurus repandus (AGREN, 1903) Willowsia nigromaculata (LUBBOCK, 1873). Verbreitung: Europa. Größe 0,3 mm. Verbreitung: Holarktis. Größe 2 mm. Ist im Beobachtungsjahr 2005 in je einem Eine xerotherme Art, die auch in Vogelnes- Exemplar im April und Mai aufgetreten. Die tern gefunden wurde. Mit insgesamt 48 Indivi- Art ist sehr klein (0,3 mm), jedoch durch ihre duen in dieser Untersuchung. Im Jahre 2003 zitronengelbe Färbung und die beiden dunkel- von Februar bis Oktober mit je einem Exemplar braunen Augenflecken sehr gut anzusprechen bis maximal vier Exemplaren gefunden; in 2004 (bei 40facher Vergrößerung). Morphologische von Juli bis November mit monatlich drei bis Details bringen STACH (1956) (S. 166-171) und sieben Tieren vertreten. PALISSA (1964) (S. 262). Besonders an Rinden und Flechten allein- stehender Bäume (PALISSA 1964) (S. 218), wie Deuterosminthurus sulphureus (KOCH, auch im Untersuchungsgebiet. 1840); (flavus, GISIN, 1946). Verbreitung: Euro- pa Größe Männchen 0,75 mm; Weibchen 0,9 Willowsia platani (NICOLET, 1842). Verbrei- mm. tung: Europa. Größe 2,5 mm. Diese sehr kleine Art ist durch ihre zarte zi- Eine relativ häufige xerophile Art der Zwei- tronengelbe Färbung ausgezeichnet. Bei STACH ge und Äste von Obstbäumen. Nach PALISSA (1956) (S. 159) Angaben zur Morphologie. In 92 Insecta, Heft 10, 2007 der Baumkrone ein Exemplar im August 2000; nent zunimmt. Außer abiotischen Faktoren in 2001 fanden sich in den Proben vier Tiere im (z. B. geringer Niederschlag, Trockenheit) sind Juni und ein Exemplar im September. In 2002 teilweise auch Prädatoren ein regulierender Fak- im Juli vier Tiere, im August und September je tor der Populationsdichten. In Fütterungsversu- ein Exemplar. Das Jahr 2004 brachte mit 20 chen zeigten sich Spinnen als Hauptfeinde der Tieren das Maximum des Auftretens, und zwar Collembolen, daneben aber auch Acarina, im Juli ein Individuum, im August neun, im insbesondere Trombidiidae. Diese Zusammen- September zehn Tiere. Eine Einstufung als hänge sollen in einem speziellen Kapitel (Prä- „Sommerart“ kann man nach diesen Werten datoren der Collembolen) diskutiert werden. postulieren. Eine allgemeine Beschreibung des Auftre- tens der Collembola während der Untersu- Die vorläufige Auswertung der Aufsamm- chungszeit (1999 – 2004) ergibt durchschnitt- lungen des Jahres 2005 ergab eine weitere Col- lich 1127 Individuen p. a.; den generellen Ver- lembolenart, nämlich Deuterosminthurus re- lauf der Populationsdynamik zeigt Abb. 12. Un- pandus (AGREN, 1903). Unsicher bleibt die Zu- ter diesem Durchschnitt, mit einem Minus von ordnung von Entomobrya cf. handschini STACH, 513 bis 688 Individuen, liegen die Jahre 1999, 1922. 2003 und 2004. Ein Plus weisen die Jahre 2000, Die gesamte Artenübersicht nach Standor- 2001 und 2002 auf. Die Spanne reicht von +4 ten einschließlich des Sammeljahres 2005 ist in Tieren (2002) bis +1174 Exemplaren in 2001. Tabelle 3 zusammengefasst. Die relativen Werte sind ebenfalls zusammen- gefasst in Abb. 12, unterster Kurvenzug. Im Arten-Dominanz und Individuen-Abundanz Rahmen des Arthropodenaufkommens stellen die Collembolen 7,2 % bis 20,2 % der Indivi- Collembola sind der Mega-Gilde Detritivo- duen, die relative Abundanz, bezogen auf die re/Mikrophytophage zuzuordnen. Ihre Nah- gesamte Arthropoden-Synusie ist als niedrig, d. rung besteht aus Bakterien- und Algenbelag, to- h. im unteren Mittelfeld liegend zu charakteri- tem Holz und Kotballen; beobachtet wurde sieren. aber auch tierische Nahrung: Insekten-Eier, Herausragend innerhalb der Collembolen- Tardigrada und Rotatoria (DUNGER 2003). Sind Synusie ist die häufigste Art, Entomobrya niva- diese biotischen Ressourcen, zu denen noch als lis. Sie wird daher auch ausführlicher darzustel- abiotisch bestimmende Größe die relative Luft- len sein, da sie mit ihrer Abundanz zahlenmä- feuchte tritt, in ausreichendem Masse vorhan- ßig die gesamte Struktur der Synusie bestimmt. den, können Collembolen umfangreiche Popu- Diese ubiquistische Art begründet auch das lationen mit einigen Millionen Individuen nur Überwiegen der Familie der Entomobryiden einer Art bilden. und wird von ihr auch in diesem Rahmen do- Collembolen, primär flügellose Arthropo- miniert. Die Entomobryiden stellen die indivi- den, sind in dieser Untersuchung im Gesamt- duenstärkste Gruppe, gefolgt von Isotomiden kollektiv von 42 000 Arthropoden mit 16 % ver- und Hypogastruriden. Eine geringe Abundanz treten (n = 6900 Tiere, 1999 – 2004, Abb. 11) weisen die Kugelspringer (Sminthuridae) auf und belegen damit Rang 2 im Rahmen der Me- (Abb. 13). ga-Gruppen (Rang 1 mit 13 025 Individuen stel- Die Abundanz aller Arten soll zunächst als len die phytosugen Insekten). In der Phase der Saison-Muster betrachtet werden (vgl. auch Vollbelaubung des Baumes (1999 – 2001) ist ei- Abb. 4-10 und Abb. 14). Einwandfrei zu doku- ne jeweils hohe Populationsdichte von bis zu mentieren sind Maxima/Minima nach Jahres- drei Arten gegeben: Entomobrya nivalis, Isotoma zeiten, und zwar als Oszillationen um den ex- arborea, Entomobrya multifasciata (Rangfolge 1 ponentiellen Trend (Berechnung mit Harvard bis 3 der Individuen-Abundanz). Die Popula- Chart XL): Ein individuenstarkes Wintermaxi- tionsdichte geht jedoch drastisch zurück, nach- mum wird hauptsächlich gebildet von Isotoma dem ab Herbst 2002 der Totholzanteil bis ca. arborea; desgl. ein Herbstmaximum, das etwa 40 % der Zweige und Äste in der Krone perma- 50 % des Wintermaximums umfasst (Abb. 5). HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 93

Die übrigen saisonalen Abundanzen im Früh- bei juvenilen und subadulten Tieren sind 20 bis jahr und Sommer werden von den unterschied- 27 % von F-4 bezogen auf die Körpergröße lichsten Arten gestellt, wie bereits diskutiert nicht ungewöhnlich (Abb. 19). Diese positive (vgl. Anmerkungen zu den Arten). Eine Zu- Allometrie weist auf die große Bedeutung dieses sammenschau spiegelt diese Verteilung (Abb. Organes hin. Besonders mit dem Fühlerglied F- 15). Besonders herauszustellen ist der sog. Jahr- 4 werden charakteristische Bewegungen ausge- hundertsommer 2003 (Abb. 16) mit einer ver- führt: F-4 wird im rechten Winkel zum Substrat stärkten Zuwanderung von Überwinterungs- hin abgebogen, es erfolgen zitternde Bewegun- gästen. In hohen Individuenzahlen tritt hierbei gen und ein Abtasten des Substrates. F-4 wird Isotoma arborea (L.) in Erscheinung (Abb. 16). danach oft am Boden der Beobachtungsschale Dieses Auftreten war ein ökologisch auffälliges, entlanggeführt, wischende Bewegungen in der abiotisch begründetes Charakteristikum (Zu- Horizontalebene dienen dem Erkunden des nahme der Luftfeuchte) in der gesamten Col- „Geländes“. Dieses Verhalten ist olfaktorisch zu lembolen-Synusie nach diesem Jahrhundert- begründen, da Bläschen an F-4 als Sinnesorgane sommer 2003 (SIMON, 2003b). aufzufassen sind. ALLMEN & ZETTEL (1982) Entomobrya nivalis L. als dominierende Art schlagen vor, die Länge von F-4 als Größenmaß der Baumkrone. für die Art und ihre Entwicklungsstadien zu be- Das Vorherrschen der Baumcollembole E. nutzen. F-4 Länge und Körperlänge sind mit ei- nivalis ist ein auffälliges Charakteristikum der nem relativ breiten Schwankungsbereich posi- untersuchten Kronen (Abb. 17). Mit 50 % Indi- tiv korreliert (op. cit., S. 921-922). viduen-Anteil ist E. nivalis in der Synusie der Im Untersuchungszeitraum 1998 (Vorver- Baumkrone am Standort „Hausgarten“ vertre- such) bis 2004 stellt E. nivalis 50 % aller Col- ten. Dieser Anteil steigert sich auf 95 % am lembolen und erreicht damit die höchste Abun- Standort „Versuchsgarten“ der BBA in Darm- danz in der gesamten Collembolen-Synusie stadt (Abb. 18). Im Jahrhundertsommer 2003 (Abb. 11). Dieses Auftreten ist jedoch an die steigt der Anteil der E. nivalis Individuen auf unterschiedlichen Temperaturen und Nieder- 54,2 %, bei allerdings insgesamt nur 619 aufge- schläge der sechs Untersuchungsjahre gebun- sammelten Collembolen. In 2004 ist eine starke den (Abb. 20). Nach einer generellen Zu- Minderung der Populationsdichte zu konstatie- sammenfassung ergeben sich folgende relative ren bei nur 24 % Individuenanteil in den Pro- Abundanzwerte: ben. Aufgesammelt wurden insgesamt 680 In- dividuen. Offenbar war die Eiablage und dem- – 1999: 91,5 % der Collembolen-Synusie stellt nach auch das Heranwachsen von Jungtieren E. nivalis, n = 402 durch die Trockenheit in 2003 stark beeinträch- – 2000: 44,1 %, n = 776 tigt, da 2004 nur wenige juvenilen/subadulten – 2001: 38,6 %, n = 889 Individuen gefunden wurden (vgl. Tabelle 1). – 2002: 73,3 %, n = 829 Es hat den Anschein, dass eine Artenverschie- – 2003: 54,7 %, n = 336 bung (Sukzession) von Entomobryiden stattge- – 2004: 31,1 %, n = 161 funden hat, da z. B. die Abundanz von Entomo- – 2005: 45,8 %, n = 264; Arthropoden insges.: brya multifasciata signifikant zunimmt. Diese 1606 ( Vorläufiges Ergebnis). Feststellung betrifft die Jahre 2004 und, soweit ausgewertetes Material vorliegt, auch 2005 (s. Diese Zusammenstellung ist bedingt durch unten). die Sammeltechnik, die Sammelzeiten (früh- Entomobrya nivalis ist im Verhalten gekenn- morgens, später Nachmittag) und durch die zeichnet durch eine auffällige Beweglichkeit. Sie abiotischen Bedingungen der Sammeljahre. drückt sich aus in schnellem Lauf und in den Entomobrya nivalis ist in Süd-Hessen eine meist sehr lebhaften Fühlerbewegungen. Das ausgesprochene „Sommerart“ (vgl. auch Abb. 8 letzte Fühlerglied (F-4) ist das wichtigste Tast- und Abb. 20). Sie hat eine ökologisch signifi- organ (Abb. 19). Bei adulten Exemplaren be- kante Bedeutung im Nahrungsnetz der Krone trägt seine Länge 18 bis 30 % der Körperlänge; Eine generelle Übersicht verdeutlicht diesen 94 Insecta, Heft 10, 2007

Sachverhalt für die gesamte Untersuchungszeit auftraten (Abb. 22). In 2003 dagegen sind die 1999 – 2004 (Abb. 20 und Tab.1 und SIMON, Jugendstadien der Art wieder im Mai und Juni 2001b: Abb.14). Dieser Sommeraspekt gilt je- zu finden. Im niederschlagsarmen Sommer (Ju- doch nicht für die Entwicklungsstadien (juvenil li, August) ist eine stark erniedrigte Population und subadult, 0,4 bis 0,9 mm Körpergröße). der Stadien anzutreffen (Abb. 23). Ausschlagge- Für die Region Süd-Hessen und den speziellen bend für diese niedere Abundanz ist die Tro- Standort ist einwandfrei im Mai die größte Ab- ckenheit in diesen Monaten und dadurch ver- undanz der beiden Entwicklungsstadien auszu- ursacht die niedrige relative Luftfeuchte (Mini- machen (Abb. 21). Eine solche allgemeine Regel mum 42 %). Diese Bedingungen sind für die ist nicht auf alle Jahre übertragbar. Zum Ver- zarthäutigen Entwicklungsstadien als pessimal gleich eignen sich besonders die Jahre mit der einzustufen. höchsten Abundanz der Collembolen (insge- Die saisonale Populationsentwicklung zeigt samt 889 Individuen), nämlich 2001 und das eine weitere Besonderheit, die als „Herbstabun- Jahr 2003 mit dem sog. „Jahrhundertsommer“ danz“ bezeichnet sei: Im Jahre 2001 fanden sich und lediglich 336 Individuen. Die Sammeltech- im September und Oktober 148 Individuen nik war dabei gleichbleibend, so dass dadurch (111 adult, 37 juvenil/subadult). In 2002 war keine Beeinträchtigung der Fangergebnisse an- die Abundanz etwas höher (vgl. Tabelle 1 ). Das zunehmen ist. Das Jahr 2001 war im Durch- Jahr 2003 erbrachte in diesen Monaten nur zwei schnitt niederschlagsreich mit erniedrigten Tiere, ein adultes und ein juveniles Individuum. Temperaturen gegenüber dem langjährigen Im Jahre 2004 erfolgte die Umschichtung der Durchschnitt, so dass die Entwicklungsstadien Abundanzen von E. nivalis mit nur 161 Indivi- von E. nivalis erst im Juli mit erhöhtem Anteil duen zu E. multifasciata mit 216 Individuen.

Tabelle 1. Entomobrya nivalis: Zuordnung adulter und juveniler/subadulter Individuen nach Jahren und Monaten. In 2004 wurden nur 32 Juvenes gefunden, in 2005 deutet sich eine leichte Erholung der Population an mit 82 adulten, jedoch nur 39 juvenilen/subadulten Individuen.

Jahre 1999 1999 2000 2000 2001 2001 2002 2002 2003 2003 2004 2004 Summen

Monate Adult Juv. Adult Juv. Adult Juv. Adult Juv. Adult Juv. Adult Juv.

Januar - - 5 - 35 4 6 1 10 - - 0 61

Februar 49 - 75 5 23 3 77 8 20 7 - 0 267

März 16 - 62 - 49 - 76 3 8 - - 0 214

April 65 - 45 8 59 - 35 5 9 1 - 0 227

Mai 67 9 42 91 17 30 83 82 94 46 - 0 561

Juni 67 4 95 33 210 38 114 40 43 45 4 1 694

Juli 52 5 35 14 147 62 95 48 26 23 12 4 523

August 31 1 72 41 51 13 56 37 1 1 21 6 331

Sept. 20 1 61 31 29 5 21 17 1 1 54 5 246

Okt. 14 1 42 19 82 32 12 13 - - 33 15 363

Nov. ------5 1 6

Summen 381 21 534 242 702 187 575 254 212 124 129 32 3425 HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 95

Deutlich ausgeprägte Maxima liegen vor für E. sie auf vitalen oder toten Blättern. Alle Psocopt- nivalis im September mit 54 adulten Tieren; für era sind wärmeliebend, die meisten mitteleuro- E. multifasciata zeigte sich ein solches für Au- päischen Arten sind erst ab Juli imaginal anzu- gust mit 41 Individuen in 2005. Die spezielle treffen. Die Rindenläuse sind hygrophil, sie su- Populationsdynamik und Phänologie der Ent- chen mit Vorliebe die dunkleren Schattenseiten wicklungsstadien beider Arten ist an zahlreiche- der Bäume auf. Diese Fakten treffen auch auf rem Material noch detailliert abzuklären. die in der Baumkrone lebenden ca. acht Arten der Psocoptera zu. Die Collembolen Synusie als Komponente der In der gesamten Untersuchungsphase sind Gilde „Detritivore/Mikrophytophage“ beide Gilden-Gruppen mit ihrem jeweiligen Die Gilde der Detritivoren/Mikrophytopha- Maximum im Jahre 2001 vertreten (Abb. 24). gen ist in dieser Untersuchung mit vier signifi- Dies ist ursächlich auf die besonderen klimati- kanten Gruppen vertreten: schen Verhältnisse in diesem Jahr zurückzufüh- ren, nämlich erniedrigte Temperaturen und re- 1. Collembola; 6900 Individuen lativ reichlich Niederschlag (vgl. Kapitel Kli- 2. Psocoptera; 3250 Individuen ma). Prägend für die niedrige Abundanz in 3. Diplopoda; 612 Individuen 2003 war der trocken-heiße Sommer. Im Jahre 4. Isopoda; 55 Individuen 2004 erfolgte eine gewisse Erholung der Grup- 5. Weitere Detritivore/Mikrophytophage sind pen, jedoch auf relativ niedrigem Abundanz- zu finden bei den Coleoptera und den Mil- Niveau. ben (Oribatidae). Ihre Abundanzen sind ge- Eine Zusammenfassung der saisonalen Ab- ring; sie werden in diesem Kontext nicht de- undanzen zeigt ein beachtenswertes Muster. tailliert behandelt. Das Auftreten der Collembolen folgt den bereits dargestellten Phasen Winter, Früh- Mit insgesamt etwa 10 600 Exemplaren stellt jahr, Frühsommermaximum, Sommermini- die Nahrungsgilde der Detritivoren/Mikrophy- mum und Herbst/Wintermaximum (Abb. 15). tophagen nach den Homoptera (phytosuge In- Die Psocoptera dagegen treten versetzt auf sekten mit insgesamt 13 000 Tieren) eine derje- mit einem absoluten Maximum im Juli und fül- nigen Gruppen, die von den Ressourcen der len damit komplementär das Sommermini- Apfelbaumkrone direkt profitieren. Beide mum der Collembolen auf. Mit diesem alter- Gruppen, Detritivore/Mikrophytophage und nierenden Auftreten liegt ein Hinweis auf eine Pflanzensauger, bilden die Basis der Nahrungs- saisonale Nischennutzung vor. Eine saisonal ge- pyramide und sind mit ihren Individuen-Ab- trennte Besetzung der Nischen erlaubt den bei- undanzen die dominierenden Primärkonsu- den individuenreichen Gruppen eine konkur- menten der Krone. renzarme Situation im Bereich der Nahrungs- ressourcen und dem Aufsuchen von Mikroha- Die Nahrung der Collembolen ist für die bitaten (Rinde, Flechten). Die Hypothese einer Zuordnung zur Gilde der Detritivoren/Mikro- Nischenseparierung wurde bereits für das phytophagen mit dem Anteil an organischem Untersuchungsjahr 1999 vertreten (SIMON Zerreibsel (Detritus) maßgebend, aber auch 2000) (S. 177) und kann nun für die Folgejahre durch die Aufnahme von Flechten, Pilzhyphen bis 2004 trendmäßig bestätigt werden. und Algen, den sog. Mikrophyten. Eine Art dieser Gilde, der Hundertfüßer Die nächste Gruppe in der Abundanz-Skala Polyxenus lagurus (L.), ist in niedriger Abun- dieser Gilde sind die Psocopteren mit 3250 In- danz aufgetreten und zwar mit 612 Individuen dividuen. Ihre Nahrung besteht ebenfalls von 1999 – 2004. Die Individuenzahlen gehen hauptsächlich aus Mikrophyten. GÜNTHER während dieser Beobachtungsperiode stark zu- (2003) (S. 303) gibt Hinweise zu Vorkommen, rück und sind als negative exponentielle Kurve Verbreitung und Lebensweise: Die Arten sind darzustellen (Abb. 25). Da die Abundanzen ge- vorwiegend Blatt- oder Rindenbewohner von ring sind, wird auf eine ausführliche saisonale Bäumen, Sträuchern und Stauden. Meist leben Analyse verzichtet. Generell lässt sich festhal- 96 Insecta, Heft 10, 2007 ten: Die maximalen Abundanzwerte werden in nisten der genannten Gilden, nämlich Prädato- den Monaten Juni bis August erreicht; im ren und Parasitoide nehmen trendmäßig mit niederschlagsarmen Jahr 2003 liegt das Maxi- leicht negativen Werten ab (Abb. 26: Untere mum des Auftretens im Juli. In diesem Monat Trendlinien). Die (theoretischen) Trends ste- gab es noch einige Niederschläge (74,2 mm pro hen in einem gewissen Widerspruch zu den be- m2). Elektronenoptische Einzelheiten zur Mor- obachteten Werten und sind lediglich als län- phologie und Daten zur Phänologie dieser ein- gerfristige populationsdynamische Hinweise zu zigen deutschen Art der Familie Polyxenidae interpretieren. sind in einer separaten Darstellung vorgestellt worden (SIMON 2004c). Prädatoren der Collembolen: Koinzidenzen Auch Krebstiere sind in der Krone vertre- von Räuber und Beute ten, und zwar mit der kiemenatmenden Mau- erassel Oniscus asellus L. Insgesamt wurden 55 In Theorien zur Populationsdynamik spie- Tiere aufgesammelt (Abb. 25). Diese geringe len die Räuber-Beute-Koinzidenzen eine stark Abundanz erlaubt keine weitergehenden ökolo- diskutierte Rolle. Die Abhängigkeiten der Beu- gischen Analysen. tepopulationen in Folge eines regulierenden Ef- Die Populationen der Detritivoren folgen fekts durch räuberische Antagonisten sind je- der Historie des Baumes: Vollbelaubung war doch nur selten direkt nachweisbar, so dass wir von 1999 bis Sommer 2002, ab Spätsommer auf mittelbar festzustellende Relationen zu- 2002 erfolgt eine starke Zunahme von Totholz. rückgreifen müssen, nämlich die Koinzidenzen Dies bleibt nicht ohne Einfluss auf die Abun- der beiden Gruppen. In diesem Sinne sind die danzen der Gildenmitglieder (Tab. 2). Detriti- nachstehend angeführten Fakten aufzufassen. vore/Mikrophytophage sind im Jahre 2002 mit Als dominante Prädatoren sind vor allen ihrer maximalen relativen Abundanz vertreten anderen Gruppen die Araneida und ihre ökolo- (45,3 %). Es lässt sich unter Benutzung aller re- gische Relevanz zu diskutieren. In sechs Beob- lativen Abundanzwerte aus dieser Tabelle eine achtungsjahren wurden 2770 Araneida gesam- theoretische Trendlinie, analog einer linearen melt, d. h. im Durchschnitt 7 % der Arthropo- Regression, berechnen (System Harvard Chart den gehören zu dieser Prädatoren-Gruppe. In XL). Die Ergebnisse zeigt Abb. 26. Die Trends diesen sechs Jahren waren sie jeweils mit Hun- für die Beobachtungsperiode fallen eindeutig derten von Individuen vertreten, das Maximum aus: Phytophage nehmen ab (obere Trendlinie); mit 702 Tieren lag in 2000, das Minimum mit Detritivore/Mikrophytophage dagegen nehmen nur 172 Individuen im Jahre 2004. Insgesamt zu (Trendlinie mit den Gruppen Collembola, folgt das Auftreten der Spinnen einem negati- Psocoptera, Oniscus und Polyxenus). Antago- ven exponentiellen Trend (Abb. 27) und spie-

Tabelle 2. Arthropoden insgesamt und klassifizierte Gilden im Zeitraum 1999 bis 2004. Berechnet nach kumulierten Jahreslisten (vgl. Material und Methode).

Gruppen/Sammeljahre 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Arthropoden N 6166 11253 11391 5652 3459 4367

Prädatoren % 21 17,4 13,7 15,8 21,8 14,7

Parasitoide % 3,95 6,1 5,2 4,1 6,7 2,8

Detritivore % 19 30,1 34,9 45,3 25,7 28,4

Phytophage % 55,2 46,4 46,2 34,9 45,9 53,6 HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 97 gelt damit die Populationsbewegung der Ar- In den Beobachtungsjahren treten zwei Popula- thropoden insgesamt wider. Die relativen Ab- tionsmuster auf: Die Trombidiidae zeigen von undanzen waren: 1999 bis 2001 eine mittlere Populationsdichte, die auf ein Maximum in 2002 zuläuft. Im Jahr- – Für 1999: 9,4 % der Arthropoden-Synusie hundertsommer 2003 erfolgt ein starker Abfall – Für 2000: 6,2 % der Individuendichte, gefolgt von einer leichten – Für 2001: 4,6 % Erholung in 2004 (Abb. 29: Verlauf Trombidii- – Für 2002: 8,4 % dae). Die Opilionida dagegen zeigen eine per- – Für 2003: 9,1 % manente exponentielle Abnahme der Indivi- – Für 2004: 3,9 %. duendichte (Abb. 29: Verlauf Opilionida). Die Ursachen für diese Populationsbewegungen Beachtenswert ist in dieser Reihe insbeson- sind primär witterungsbedingt (vgl. Kap. Klima dere der hohe Anteil der Araneida im Jahrhun- und die Besonderheiten der Untersuchungsjah- dertsommer 2003. Den Collembolen standen in re). Die monatlichen Maxima liegen für Trom- diesem Jahr eine starke Spinnen-Population als bidiidae im Mai, für die Opilionida dagegen im Antagonisten gegenüber, was sicherlich, neben August (Einzelheiten vgl. Abb. 30). Eine zeit- der sommerlichen Trockenheit, zu deren gerin- versetzte Nischenseparierung dieser Prädatoren gem Aufkommen beigetragen hat. Im Winter ist damit angedeutet. sind spezielle Verhältnisse zu beachten, was Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Spinnen als Antagonisten der Collembolen be- die Koinzidenzen der Prädatoren zu Collembo- trifft: Bereits AITCHISON (1984) wies darauf hin, len mit dem Maximum des Collembolenauftre- dass Araneida bei Temperaturen bis -2 °C noch tens eindeutig positiv korreliert sind. Ob durch aktiv sind und dann vorzugsweise Collembolen diese Muster des Prädatorenaufkommens eine erbeuten. Auch größenmäßig passen Collem- wesentliche Minderung der Collembolen-Synu- bolen mit einer Körpergröße von ein mm bis sie erfolgt, muss allerdings noch spekulativ blei- drei mm in das Beuteschema der kleineren Ara- ben. In denjenigen Monaten, in denen Collem- neida, wie z. B. der Linyphiidae (op. cit., S. bolen häufig auftreten, sind auch in der Regel 303). ihre Prädatoren mit hoher Abundanz vertreten. Die Populationen beider Gruppen sind sicher- Die monatlichen Zyklen (Abb. 28: Zykli- lich mehr von klimatischen Bedingungen als scher Trend) sind im Maximum konzentriert von (nachweisbaren) Räuber-Beute-Aktionen auf Juni bis September mit 230, 637, 746 und gesteuert. Dies gilt auch für weitere Collembo- 432 Individuen. Diese Werte sind geprägt durch lenräuber, wie z. B. Heteroptera (vgl. SIMON, die hohen Individuenzahlen der Jahre 2000 bis 2007: Das Ökosytem Apfelbaumkrone im Spie- 2002. gel seiner Raubarthropoden-Synusien. Insecta, Alle Populationsbewegungen der Arthropo- 10, 2007, S. 25-48). den werden primär von der Temperatur gesteu- ert. Die Luftfeuchte (relativ und absolut) ist je- Diskussion doch für einige Collembolen-Arten (z. B. Isoto- ma arborea) von primärer Bedeutung. Das saisonale Auftreten der Collembolen Bemerkenswert jedenfalls ist, dass neben wird in der Regel von den Faktoren Nahrungs- den Araneida auch zwei weitere Prädatoren der angebot und relative Luftfeuchte bestimmt. Die Collembolen dieses hauptsächlich von der Temperatur im Habitat ist weniger ausschlag- Temperatur geprägte populationsdynamische gebend, da einige Arten hitzeresistent, andere Muster zeigen. Es handelt sich um das Auftre- wiederum kältetolerant sind und auch bei Tem- ten der Trombidiidae mit der Art Trombidium peraturen um den Gefrierpunkt noch aktiv sein holosericeum, L. und des Opilioniden Phalan- können (vgl. Winterarten, besonders Isotoma gium opilio, L. (Abb. 29). Sie stellen mit 548 arborea aber auch die Herbst- und Wintergene- bzw. 534 Individuen jeweils ca. 1,3 % aus dem ration von E. nivalis). Die Maxima des Auftre- Kollektiv der beobachteten 42 000 Individuen. tens von Detritivoren (Collembola, Psocoptera, 98 Insecta, Heft 10, 2007

Polyxenus, Oniscus) im Kronenraum des Apfel- nachgewiesen werden, dass E. nivalis mit kältea- baumes stellen sich verschiedenartig dar, wie daptierten Stämmen auch als Winterart einge- bereits demonstriert wurde (vgl. Abb. 25). Als stuft werden kann. E. nivalis kann ihre Hämo- vorläufiges Erklärungsmodell mit determinie- lymphe osmotisch kontrollieren und zwar un- render Steuerungsfunktion für die beobachte- abhängig vom Wassergehalt des Körpers ten Individuenverteilungen bietet sich neben (MEIER & ZETTEL 1997). Die dazu notwendigen der Temperatur der Verlauf der relativen Luft- Substanzen (z. B. Polyole) werden besonders im feuchte an. Untersucht man die Maxima des Bereich der Minustemperaturen produziert Auftretens von Collembolen und Psocopteren (MEIER & ZETTEL 1997) (S. 303). Umfassende, zeigen sich folgende Zusammenhänge: detailreiche Freiland- und Laboruntersuchun- Das Maximum des Collembolenauftretens gen von ALLMEN & ZETTEL (1982) (S. 925) an E. liegt in den Monaten April bis Juli mit einer nivalis Populationen in der Schweiz ergaben: durchschnittlichen relative Luftfeuchte (Nach- Man kann zwei unterschiedliche Wanderungs- mittag) von 63,5 %. Im November mit einer typen postulieren: 1. Adulte Weibchen, die sich stabilen hohen relativen Luftfeuchte ist durch vom Sommer bis in den Herbst in Flechten der die Winterart Isotoma arborea ein Maximum Baumkrone aufhalten, suchen zur Eiablage die des Auftretens der Collembolen ersichtlich. Streuschicht auf. Die juvenilen Tiere der neuen Dann wird der längerfristige Durchschnitt von Generation wandern nach einer bis zwei voll- 63,5 % in den Monaten April bis September endeten Häutungen in die Baumschicht. Es leicht überboten. Die maximale Individuen- wird vermutet, dass die Bodenfeuchtigkeit die- dichte der Rinden- und Flechtenbewohnenden ses spezielle Verhalten steuert. 2. Der größte Psocopteren liegt in den Monaten Juli bis Sep- Teil der Population verlässt bei Wintereinbruch tember mit einer durchschnittlichen relativen ihr Sommerhabitat und überwintert in Rinden- Feuchte (Nachmittag) von 59,9 %, also mit ritzen der im Untersuchungsgebiet vorhande- Werten, die den allgemeinen Durchschnitt von nen Fichten (Schweiz, Gurnigel-Gebiet, 1580 m 63,5 % unterschreiten. über Meereshöhe). Dieser Überwinterungsmo- Zu beachten sind bei einer Untersuchung dus scheint etwas zeitversetzt in der Oberrhein- zur Populationsdynamik besonders auch Wan- ebene ebenfalls vorzuliegen (SIMON, 1999b: derbewegungen der Collembolen vom Boden Abb. 12, und diese Untersuchung Abb. 21, und aus Rindenspalten auf die exponierten adulte Tiere). Die Kälteresistenz wird wahr- Mikrohabitate „Zweige und Blätter“ im Kro- scheinlich in Abhängigkeit von erniedrigten nenbereich, und zwar in den Monaten Oktober Temperaturen und der Photoperiode im Spät- und November mit dem Beginn des Winterma- herbst aufgebaut (VON ALLMEN & ZETTEL 1982). ximums der Arten Isotoma arborea und teil- Die Unterkühlungstemperaturen können im weise auch Orchesella cincta mit andauernder Winter bis auf -18 °C fallen; Eier haben einen aber geringerer Abundanz (vgl. Abb. 5 und 9). konstanten Unterkühlungspunkt von -27 °C Die Steuerungsfunktion der relativen Luft- (VON ALLMEN & ZETTEL 1984). feuchte ist im Rahmen des Mikroklimas in der Für die Entomobryiden spielen die Nah- Krone nicht zu unterschätzen. Sie wurde bereits rungsangebote auf Rinde eine das Auftreten von BAUER (1979) experimentell untersucht. Ei- ebenfalls steuernde Rolle. Genauen Aufschluss nige Arten bevorzugen eine relative Luftfeuchte darüber verdanken wir u. a. den Freiland- und von mehr als 95 %; diese Verhältnisse waren Laboruntersuchungen von ALLMEN & ZETTEL frühmorgens in der Krone immer gegeben, (1982) (S. 925) an Entomobrya nivalis-Popula- auch in den Sommermonaten Juni bis August. tionen in der Schweiz. Unterschiedliche Temperaturen haben für Col- Entomobryiden sind größtenteils Blatt- und lembolen keine herausragende generelle Bedeu- Rindenbewohner. Die Nahrungsangebote dort tung für das Besiedeln des Apfelbaumes und be- sind eine wichtige Nahrungs-Komponente für stimmte Aktivitätsphasen (z. B. Nahrungsauf- diese Collembolen. Informationen darüber ver- nahme, Eiablage, Schlüpfen von Jungtieren) danken wir den Reihenuntersuchungen im Ge- zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Es konnte lände von PRINZING (1997) sowie PRINZING & HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 99

WIRTZ (1997). Bei diesen Untersuchungen ten auf Ästen und Zweigen mit E. nivalis. Eine stand stets die Rinde des Stammes als Substrat Grobschätzung ergab für einen Baum einen Be- (Mikrohabitat) für Entomobrya nivalis im satz von mindestens 14 000 Individuen dieser Mittelpunkt. Algenauflagen wurden von weni- Art (SIMON 1981, unpubl.). Damit sei nochmals ger Individuen besiedelt als die Flechte Everna- auf das Nahrungsangebot und gleichzeitige ria prunastri (PRINZING 1997) (S. 462). Adulte Mikrohabitat „Flechten“ hingewiesen, das im Individuen haben eine ausgeprägte Vorliebe für Jahreslauf von den genannten Entwicklungssta- die genannte Flechte (60 % der Tiere); subadul- dien mit unterschiedlichen Populationsdichten te besiedeln sie nur mit ca. 30 % und die juveni- besiedelt wird. Einzelheiten teilt PRINZING len E. nivalis schließlich mit lediglich etwa 9 %. (1997) (S. 461-462) mit. Eigene Beobachtungen an Fichte (Bolsterlang, Alle diese Fakten, die den Aufbau der Popu- Hornergrat, Bayrische Alpen, ca. 1500 m ü. lationen bestimmen, sind eindeutig nachzuwei- NN) zeigten eine dichte Besiedlung der Flech- sen (Tabelle 3). Die mikroklimatische Kompo-

Tabelle 3. Collembolen-Arten 1999 bis 2005. Fundorte: H = Hausgarten (Trockenstandort; B = Feuchtwiese; Aufsammlungen nur von 1999 bis 2001).

Arten Jahre 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Xenylla maritima H H, B H H H H H

Isotoma arborea H, B H H H H H

Entomobrya arborea H

E. atrocincta H H

E. corticalis B H H

E. multifasciata H, B H, B H H H H

E. nivalis H, B H, B H, B H H H H

Entomobryoides myrmecophilus H

Lepidocyrtus paradoxus B

Orchesella bifasciata H

O. cincta H H H H H H

O. villosa H H

Tomocerus vulgaris B

Willowsia nigromaculata B H H H

W. platani H H, B H H H H

Bourletiella hortensis H H

Deuterosminthurus sulphureus H H, B H H

Deuterosminthurus repandus H 100 Insecta, Heft 10, 2007 nente ist signifikant ausschlaggebend für die starken (exponentiellen) Rückgang der Abun- Zusammensetzung von Collembolen-Synusien. danz finden wir bei Polyxenus (Hundertfüßer) Dies kann an den beiden Standorten der Apfel- mit seinem Abundanzmaximum in 1999, mit bäume nachgewiesen werden. Verglichen sei der Aufsammlung frühmorgens und einer ho- der Standort „Hausgarten“ (Abb. 31) in Gerns- hen relativen Luftfeuchte, während die Assel heim/Rhein als Streuobstwiese mit sonnigem, Oniscus ein Maximum in 2000 aufweist, einem trockenen Standortcharakter mit dem Standort Jahr mit stark erhöhtem Niederschlag und da- „Versuchsgarten der BBA“ in Darmstadt (Abb. her einem guten Nahrungsangebot an Algen 32 ), der als „Feuchtwiese“ bezeichnet werden und Flechten (Abb. 25). Ein unterschiedlicher kann (Tabelle 3). Das Vorherrschen von E. ni- populationsdynamischer Trend für die unter- valis gilt für beide Untersuchungsorte, wobei suchten Arthropoden im Rahmen der gesamten die Feuchtwiese (BBA) von E. nivalis mit einer Arthropoden-Synusie kann konstatiert werden Abundanz von 615 Individuen (relative Abun- (Abb. 26). Lassen sich für die Gilde der Detri- danz 95 %) dominiert wird. Das Artenspek- tivore/Mikrophytophage gewisse Zusammen- trum ist mit zehn Arten geringer als am Stand- hänge klimatischer Art und dem Nahrungsan- ort Streuobstwiese mit 16 Arten. Die beiden hy- gebot bzw. dem vermehrten Angebot an Mikro- grophilen Arten Tomocerus flavescens und Lepi- habitaten im Totholz (Rindenoberfläche, gelös- docyrtus paradoxus sind nur am Standort te Rinde, und damit verstärkt besiedelbare Rin- „BBA“ nachgewiesen. Die monatlichen, saiso- denunterseite) nachvollziehen, bleiben die Zu- nalen Abundanzwerte verlaufen als eine mit sammenhänge der Populationsdynamik und den Temperaturen positiv korrelierte Wellen- ihre postulierte Steuerung durch Räuberpopu- bewegung um einen variablen Mittelwert (Abb. lationen schwieriger zu deuten: 14). Ihr Verlauf wird fixiert durch Maxima im Nicht eindeutig zu klären sind Einwirkun- ausgehenden Winter (Februar), Frühsommer gen von potentiellen Raubarthropoden speziell (Juni) und Herbst (Oktober). Diese generelle auf die Collembolenpopulationen der Krone. Deskription gilt naturgemäss nicht für alle Be- Dass spezifische Wirkungen auf Collembolen- obachtungsjahre, wie die Detailanalyse zeigt populationen vorliegen müssen, zeigen die aus- (vgl. Abb. 15). Hierbei ist besonders auf das geprägten Koinzidenz-Muster der Collembo- Sommerminimum der Abundanz hinzuweisen, lenabundanzen und derjenigen der Araneida, welches für die Monate Juli, August und Sep- (Abb. 28), Opilionida und Trombidiidae (Abb. tember gilt (Abb. 15). Seine extreme Ausprä- 29 und Abb. 30). Besonders zu diskutieren gung zeigt dieses Minimum im Jahrhundert- bleibt ihre spezifische Rolle im Nahrungsnetz sommer 2003 im August und September mit der Krone. Die ökologische Grundsatzfrage zu nur drei beobachteten Individuen. Eine schein- diesem Komplex lautet: Top-Down oder Bot- bare Erholung der Collembolen-Populationen tom-up Regulation? erfolgt im Oktober 2003, jedoch nur durch eine Eine Beobachtungskette zur Top-Down-Re- Art, nämlich Isotoma arborea (Abb. 16). Die Po- gulation für die untersuchte Krone liegt vor. pulationsdynamik dieses Trockenjahres wird Danach ist die Kohlmeise Parus major als Top- besonders auffällig im Vergleich mit dem Nor- Prädator einzustufen Sie kommt als Antagonist maljahr 2002 (Abb.16). Eine vergleichende Un- für Collembolen aber auch als Fressfeind von tersuchung der Populationsdynamik innerhalb Spinnen in Frage (vgl. auch SIMON 2001b) (S. der Gilde Detritivore/Mikrophytophage ergibt 66-69). Eine jahreszeitlich bedingte Aufnahme Hinweise zu bemerkenswerten, primär klima- von Spinnen ist nachgewiesen und zwar für die tisch bedingten Abundanzen für die verschiede- Frühphase der Fütterung von Nestlingen. Dann nen Jahre. Collembolen und Psocopteren treten sind 75 % der gefütterten Biomasse Spinnen. mit absoluten Maxima im Jahre 2001 auf, da- Wenn Raupen das Gewicht der Spinnen er- nach erfolgen stetige Rückgänge der Popula- reicht haben (10-12 mg) dann stellen sie 80-90 tionsdichte beider Gruppen. Der zunehmende % der Nestlingsnahrung (NAEF-DAENZER et al. Totholzanteil hat also nicht fördernd positiv auf 2000). Weitere „Nutzarthropoden“, wie räube- die Populationsstärke gewirkt (Abb. 24). Einen rische Heteroptera und Coleoptera fallen den HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 101

Meisen ebenfalls zum Opfer. Damit ist ein we- zu. Das gilt insbesondere für die Prädatoren- sentlicher Regulationsfaktor von Schädlingspo- gruppe der Araneida, und zwar speziell für de- pulationen ausgeschaltet3. Freilandexperimente ren sehr kleinen, nur wenige Millimeter großen zeigen, dass auch detritivore Organismen räu- Entwicklungsstadien. ber limitiert sein können. In diesem Spezialfall Collembolen sind damit in diesem Spezial- heißt das: Durch die Kohlmeisen werden direk- fall eine Schlüsselressource im Nahrungsnetz te Prädatoren der Collembolen, insbesondere der Baumkrone. Diese spezielle Funktion wur- Spinnen, eliminiert, so dass der Feinddruck die- de von MCNABB et al. (2001) durch eine Analy- ser Prädatorengruppe auf Collembolen geringer se mit delta-13 C-Werten in den Araneida werden kann. Exakte direkte Nachweise für die- nachgewiesen. Diese Werte lagen in den Spin- se Abhängigkeiten sind jedoch schwer zu er- nen signifikant höher als in den Collembolen, bringen (Quelle: Internetseite der Universität so dass damit ein Nahrungstransfer bewiesen Bayreuth von 2001; FILSER, J; LANG, A.; ANGER- ist. MAYR, L.). Die Apfelbaumkrone erweist sich bei Be- Eine Bottom-up-Regulation würde bedeu- trachtung ihrer Collembolen-Synusie als dyna- ten, dass die Anzahl der Collembolen in der misches, überschaubares Ökosystem mit je nach Krone hauptsächlich durch das Nahrungsange- Jahren und Monaten sich ändernden Kompo- bot, also den direkt aufnehmbaren Nahrungs- nenten, d. h. den Arten und Individuen der partikeln (Algen, Flechten, Pollen, Detritus) be- Collembolen. In dieser Dynamik besonders be- stimmt wird. Für diese Annahme lässt sich für achtenswert sind Zuwanderungen von Arten. die untersuchte Synusie noch kein schlüssiger Ein einwandfrei dokumentiertes Beispiel ist das Beweis anführen. Das gleichmäßige Angebot an Auftreten einer für Deutschland neuen Art, Pollen(nahrung) in den Monaten Mai, evtl. nämlich von Entomobrya atrocincta nach noch Juni, kommt den Juvenes der Collembo- dem trocken-heißen Jahrhundertsommer 2003. len zugute und kann deren vermehrtes Auftre- Beim Überprüfen der Überwinterung von Arten ten in diesen Monaten stützen (vgl. saisonales zum Jahreswechsel 2004/2005 war diese Art mit Auftreten von Entomobrya nivalis, Gesamtüber- zahlreichen Exemplaren in der Probe vertreten, sicht adulte und subadulte Exemplare, Abb. 21 sie scheint somit etabliert zu sein. Erste Teilaus- und Tabelle 1). wertungen für das Beobachtungsjahr 2005 zei- In der Nahrungskette nehmen die Collem- gen einen neuen Nachweis für die Sminthuride bolen der Krone nach ihrer Individuenzahl eine Deuterosminthurus repandus (AGREN 1903), und ökologisch signifikante(?) Rolle ein. Für ihre zwar mit einem Individuum im April und Mai. Biomasse lässt sich dies nicht zwingend doku- Die Art ist europaweit verbreitet und bei 40fa- mentieren. Nach Familien gruppiert ergeben cher Vergrößerung gut ansprechbar wegen ihrer sich folgende Schätzwerte: Körperfärbung, einem zarten Gelbton und mit zwei auffälligen dunkelbraunen Augenflecken. – Entomobryidae: 57 mg Biomasse Die gesamte Artenliste bis 2005 ist in Tabelle 3 – Isotomidae: 11,9 mg integriert. – Sminthuridae: 2,2 mg Die untersuchte Krone „Hausgarten“ ist – Hypogastruridae: 2 mg Element einer Streuobstwiese (ca. 5000 m²) – Gesamt: 73,1 mg. und damit auch ein naturschutzrelevanter Be- standteil dieser Anlage. Die Artenvielfalt von Diesen Schätzwerten liegen die Daten von Streuobstwiesen ist hoch; man rechnet mit 2000 6900 Collembolen zu Grunde. Eine bestim- bis 5000 Tierarten (Wikipedia, http://de.wiki- mende Rolle kommt den Collembolen der Kro- pedia.org/wiki/Streuobstwiese; 2006). Im Be- ne besonders als Ausweichnahrung, Winter- reich der Insekten werden besonders erwähnt nahrung oder Zwischennahrung im Frühjahr Lepidopteren (vier Arten), Kurzflüglerschre- cken, Hummeln, Wespen und Wildbienen. 3 Freundliche mündliche Mitteilung von Betriebsleiter Spinnen sind eine auffällige Arthropoden- Burkard Wolff, Schaafheim, Süd-Hessen. Gruppe in diesem artenreichen Ökosystem. Er- 102 Insecta, Heft 10, 2007 wähnt werden: Kürbisspinne (Araniella cucur- sential for species living together with mini- bitina); Streckerspinne (Tetragnatha sp.), ver- mized competition. Detailed discussions are änderliche Krabbenspinne (Misumena sp.). presented for most significant predators of Diese Arten wurden regelmäßig auch in der collembolans: spiders, opilionids and trombidi- untersuchten Krone nachgewiesen. Collembo- ids. Population dynamics of collembolans are len sind für Spinnen eine beachtenswerte Nah- influenced mostly by climatic conditions than rungskomponente und bilden damit im Res- by predators. sourcenpool des Ökosystems „Apfelbaumkro- ne“ eine wesentliche Komponente. Besonders Literatur für überwinternde Spinnen und für Entwick- lungsstadien der Araneida stellen sie ein wichti- AITCHISON, C. W. (1984): Low temperature feeding by win- ges Nahrungsangebot dar. Genaue Untersu- ter-active spiders.- J. Arachnol. 12, 297-305. chungen mit Hilfe von Markern auf molekula- ALLMEN, H. V., & ZETTEL, J. (1982): Populationsbiologische rer Ebene, wie sie für Bodenarthropoden mehr- Untersuchungen zur Art Entomobrya nivalis (Col- lembola). – Rev. Suisse Zool. 89 (4), 991-926. fach durchgeführt wurden, sollten Klarheit ALLMEN, H. V., & ZETTEL, J. (1984): Beitrag zur Kälteresis- auch in das Nahrungssystem der Baumkrone tenz von Entomobrya nivalis (Collembola) in den bringen. Schweizer Voralpen. - Zool. Jb., Syst. 111, 231-244. BAUER, T. (1979): Die Feuchtigkeit als steuernder Faktor für das Kletterverhalten von Collembolen. -Pedobiolo- Summary gia 19, 165-175. BERG, M. P., & HEIJERMAN, Th. (2002): De springstaart Lepi- Collembola in the canopy of apple trees – docyrtus paradoxus nieuw voor de Nederlandse fau- na (Hexapoda: Collembola). - Nederlands. Faun. observations in Southern Hesse (Germany). Meded. 16, 69-75. Tree canopy research is detecting a high bio- BOCKEMÜHL, J. (1966): Die Apterygoten des Spitzbergs. S. diversity of arthropods even in urban areas. 702-758. In: Der Spitzberg bei Tübingen. Die Na- Continuous observation and monitoring pro- tur- und Landschaftsschutzgeb. Baden-Württem- bergs. Bd. 3. vides basic information that is needed for envi- BOWDEN, J., HAINES, I. H., & MERCER, D. (1976): Climbing ronment saving concepts and detailed research Collembola. Pedobiologia 16, 298-312. programmes. Samples were taken from two ap- CHRISTIANSEN, K., & BELLINGER, P. (1998): The Collembola ple tree canopies every second day from 1999 of North America north of the Rio Grande. Grinnell College, Grinnell, Iowa. 1431 Seiten. Glos- until 2004. From 42 000 collected arthropods sary, Bibliography, Index. nearly 7000 Collembola could be identified. DUNGER, W. (2003): Überklasse Antennata. S. 1031-1160. This gives relative occurrence (abundance) of In: Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Bd. 1: Wir- 16 %. bellose Tiere. GRUNER, H. - E. (Hrsgb.) 4. Teil: Ar- thropoda (ohne Insecta). Bearb. von GRUNER, H. - Collembola are widespread in many habi- E., MORITZ, M., & W. Dunger. Fischer. Jena, Stutt- tats from arctic regions to tropical rain forests. gart, New York. Normally they are living in soil and litter but al- GISIN, H. (1960): Collembolenfauna Europas. 312 Seiten. so in canopies of trees. In apple orchards there Geneve (Mus. Hist. Nat.). GÜNTHER, K. K. (2003): Ordnung Psocoptera. S. 296-308. are many specimens of the collembolan species In: In: Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Bd. 1: Entomobrya nivalis (L.) to be found. All other Wirbellose Tiere. GRUNER, H. - E. (Hrsgb.) 4. Teil: species of collembola are less in numbers. For a Arthropoda (ohne Insecta). Bearb. von GRUNER, H. - E., MORITZ, M., & W. Dunger. Fischer. Jena, Stutt- six-year time series (1999 – 2004) detailed re- gart, New York. sults are presented. Relationships are shown for JASSER, H. G. (1982): Vergleichende Untersuchungen der predators of collembola and peaks of occur- Baumkronenfaunen unterschiedlich bewirtschafte- rence of trophic guilds during the years of ob- ter Apfelanlagen bei Balingen /Württemberg. 363 Seiten. - Schriftenr. „Lebendige Erde“. Darmstadt. servations were executed. Predators and other KÜNZLE, N. (2002): Gletscherfloh. http://sacpizplatta. arthropods, mainly detritophagous Psocoptera bqm.ch/Wissen/Gletscherfloh.htm, 3 S. and Diplopoda (Polyxenus) are inhabiting the MCNABB, D. M., HALAJ, J., & WIESE, D. H. (2001): Inferring same microhabitat (bark) but not the leafs in trophic positions of generalist predators and their linkage to the detrital food web in agroecosystems; the canopy as Entomobrya nivalis can do. Thus a a stable isotope analysis. - Pedobiologia 45, 289- niche separation can be postulated which is es- 297. HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 103

Abb. 1. Der Apfelbaum, Sorte Berlepsch, mit Strukturdaten, Standort- und Klimaangaben. 104 Insecta, Heft 10, 2007

Abb.2. Klima am Standort; Durchschnittstemperaturen Abb. 3. Übersicht zu den aufgesammelten Arthropoden nach Jahren und Monaten. 1999 bis 2004.

Abb. 4. Saisonales Profil von Xenylla maritima; nur adulte Abb. 5. Saisonales Profil der Winterart Isotoma arborea; Exemplare sind berücksichtigt. adulte und Juvenes sind berücksichtigt. HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 105

Abb. 6. Saisonales Profil von Entomobrya atrocincta, einer Abb. 7 Saisonales Profil von Entomobrya multifasciata, ei- für Deutschland neuen Art; nur adulte Individuen sind be- ner Sommerart. Adulte und Juvenes sind berücksichtigt. rücksichtigt.

Abb. 8. Saisonales Profil von Entomobrya nivalis, der Abb. 9. Saisonales Profil von Orchesella cincta; Schwer- Hauptart im Untersuchungszeitraum. Im Untersuchungs- punkt der Abundanz im Herbst und Winter. Adulte und gebiet eine Sommerart. Adulte und Juvenes sind berück- Juvenes sind berücksichtigt. Eingesetzte Abb. aus MASSOUD sichtigt. (1971) (S. 338). 106 Insecta, Heft 10, 2007

Abb. 10. Saisonales Profil von Willowsia platani, einer Abb. 11. Die fünfzehn Collembolen-Arten der Apfelbaum- Sommer- und Herbstart; Nur Adulte sind berücksichtigt. krone „Hausgarten“; Abundanz 1999 bis 2004 ( Rangfolge nach absoluten Zahlen).

Abb. 12. Trends der Arthropoden insgesamt in absoluten Abb. 13. Collembolen-Familien der Krone. Die bewegli- Zahlen (oben), relative Werte für Collembolen insgesamt chen Entomobryiden sind die Charakterformen der Synu- (unterster Kurvenzug) sowie die relative Abundanz von sie. Familien und deren Arten vgl. Artenliste und Tabelle 3. Entomobrya nivalis (mittlerer Kurvenzug). HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 107

Abb. 14. Saisonale Abundanzen für alle Beobachtungsjahre (1999 bis 2004). Minima und Maxima des Auftretens oszil- lieren um einen theoretischen exponentiellen Trend n t (1) = 439 bis n t (11) = 789. Absolute Werte s. Summenspalte der Tabelle in Abb. 15. Abb. 15. Saisonale Abundanzen für alle Sammeljahre mit charakteristischen Minima/Maxima nach Jahreszeiten bzw. Monaten, absoluten Werten nach Daten der Tabelle unten.

Abb. 16. Der „Jahrhundertsommer“ 2003 im Vergleich mit dem Normaljahr 2002. In den Trockenperioden August und September zeigt sich ein absolutes Minimum der Ab- undanzwerte (je drei Individuen). Die Erholung der Col- Abb. 17. Entomobrya nivalis als absolut dominierende Art lembolen-Population geht zurück auf die Zuwanderung der Synusie in allen Beobachtungsjahren. Weitere Einzel- von Isotoma arborea im Oktober in die Krone. heiten vgl. Text. 108 Insecta, Heft 10, 2007

Abb. 18. Entomobrya nivalis als Mitglied des Feuchtwiesen- her nachzuweisen Tomocerus flavescens und Lepidocyrtus Biotopes. Die Zweige der Krone waren tiefhängend, so dass paradoxus. 18a: Morphologie von Lepidocyrtus paradoxus. sie die Wiesengräser berührten. Als Baumsteiger waren da-

Abb. 19. Daten zur Morphologie von Entomobrya nivalis; Abb. 20. Entomobrya nivalis: Abundanz im Jahresverlauf. Lateralansicht, verändert nach STACH (1963). Die Grösse Das Maximum des Auftretens im Juni weist auf eine soge- des Fühlergliedes F-4 ist ein Charakteristikum der Art. Mit nannte Sommerart hin. ihm werden die wichtigsten Orientierungsbewegungen ausgeführt. Einzelheiten im Text. HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 109

Abb. 21. Adulte und juvenile Individuen von Entomobrya Abb. 22. Adulte und juvenile Individuen von E. nivalis im nivalis im Jahresverlauf. Zu beachten ist das absolute Maxi- Jahresverlauf 2001. Verschiebung des Maximums der Ent- mum der Entwicklungsstadien im Mai. Zusammenfassung wicklungsstadien in den Monat Juli. 2001 war unterdurch- aller Beobachtungsjahre (1999 bis 2004). schnittlich temperiert und wies überdurchschnittliche Niederschlagsmengen auf. Einzelheiten dazu im Kap. Kli- ma.

Abb. 23. Entomobrya nivalis und ihre Abundanz im Jahr- Abb. 24. Collembolen und Psocopteren als Mitglieder der hundertsommer 2003. In Folge der überdurchschnittlich Gilde Detritivore/Mikrophytophage für die gesamten Be- hohen Temperaturen ab Mai liegt in diesem Monat das obachtungsjahre (1999 bis 2004). Die maximale Indivi- Maximum des Auftretens für adulte Individuen und der duen-Abundanz beider Ordnungen konzentriert sich auf Entwicklungsstadien (vgl. dazu auch Abb. 21). Ab August das niederschlagsreiche Jahr 2001. tritt ein Zusammenbruch der Population ein. 110 Insecta, Heft 10, 2007

Abb. 25. Polyxenidae (Polyxenus lagurus) und die Assel Abb. 26. Trendlinien (theoretische, relative Individuen- Oniscus asellus als Mitglieder der Gilde der Abundanz nach Tab.2) aller Gilden der Apfelbaumkrone. Detritivore/Mikrophytophage für die gesamten Beobach- Negative Trends für Phytophage, Prädatoren und Parasito- tungsjahre (1999 bis 2004). Zurückgehende Individuen- ide. Positiver Trend für Detritivore, Mikrophytophage. Abundanz kennzeichnet beide Gruppen.

Abb. 27. Collembolen-Prädatoren; Spinnen (Araneida): In- Abb. 28. Collembolen-Prädatoren; Spinnen (Araneida): dividuen-Abundanz als Trend (Kurvenzug und Trendlinie Saisonale Individuen-Abundanz 1999 bis 2004. Das Maxi- unten) im Vergleich mit allen aufgesammelten Arthropo- mum des Auftretens (zyklischer Trend) fällt in die Som- den 1999 - 2004 ( Kurvenzug und Trendlinie oben). mermonate Juli und August, absolute Werte nach Daten der Tabelle unten. HANS-REINER SIMON: Collembolen-Synusien in Apfelbaumkronen – Ergebnisse einer Monitoring-Serie 111

Abb. 29. Individuen-Abundanz der Collembolen-Prädato- Abb. 30. Zeitversetzte Maxima der saisonalen Abundanz ren Opilionida und Trombidiidae. Die Abundanz der Opi- der Opilionida (Maximum im Juli) und Trombidiidae lionida zeigt einen exponentiell fallenden Trend; Trombi- (Maximum im Juni). Zusammenfassung für alle Beobach- diidae weisen ein Maximum in 2002 auf, danach erfolgt tungsjahre (1999 bis 2004). mit dem Trockenjahr 2003 ein starker Rückgang der Ab- undanz.

Abb. 31. Relative, kumulierte Individuen-Abundanz des Abb. 32. Relative, kumulierte Individuen-Abundanz des Standortes „Hausgarten“, einer Streuobstwiese. Sieben Ar- Standortes „Feuchtwiese“ im Versuchsgarten der BBA, ten stellen 98,2 % der Collembolen. Darmstadt. Zehn Arten stellen 99,9 % der Collembolen. 112 Insecta, Heft 10, 2007

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Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. HANS-REINER SIMON, Römerstraße 44, D-64579 Gernsheim. E-Mail: [email protected] Insecta, Heft 10, 2007, Seite 113-122

HOLGER RINGEL, JURECK HAMPEL & GERD MÜLLER-MOTZFELD, Greifswald

Brachen und extensiv genutzte Äcker als Lebensraum für Käfer (Coleoptera)

Einleitung Seit Mitte des 19. Jahrhunderts werden aller- dings selbst jene Arten von einem Artenrück- Der drastische Rückgang von typischen gang erfasst, welche als Zuwanderer in die vom Ackerwildpflanzen ist mittlerweile im Bewusst- Menschen geöffnete Kulturlandschaft aus den sein der Öffentlichkeit fest verankert. Auffällig Räumen der südöstlichen Steppengebiete einge- wird dieses besonders dann, wenn - im Gegen- wandert waren. satz zur ausgeräumten Industrie-Agrarland- Obwohl Insekten weltweit mehr als 2/3 der schaft - gelegentlich ein Randstreifen oder gar beschriebenen Tierarten stellen (vgl. SIMON ein ganzes Feld in voller Blüte von Mohn oder 2001), werden sie in Untersuchungen zur faunis- Kornblumen steht. Vielfach unbemerkt sind je- tischen Ausstattung oder Erhebungen für die Be- doch auch viele andere Agrozönose-Elemente wertung von Eingriffen eher als Option denn als aus unserer Landschaft verschwunden. Die Per- Grundlage verstanden. Hier sind artenarme aber fektion des Einsatzes von Technik und Agro- dafür auffällige Gruppen der Wirbeltiere der Chemikalien führte zu einem ständig zurückge- Standard im Erfassungsprogramm. henden Angebot von Wirtspflanzen für pflan- Demgegenüber stehen die Insekten mit allein zenfressende Insekten und damit sinkendem ca. 15 000 Arten in Mecklenburg-Vorpommern Nahrungsangebot auch für räuberische Arthro- (KLAUSNITZER 2003). Deren Zahl wird ständig poden. größer, da noch immer nicht alle vorkommen- Die Entwicklung der mitteleuropäischen den Arten bekannt sind und ständig neue für das Kulturlandschaft und insbesondere der agrarisch Bundesland nachgewiesen werden (KULBE & genutzten Flächen wirft nun aber die Frage der RINGEL 2002, RINGEL 2002, KLEEBERG 2004). Schutzwürdigkeit eben dieser Acker-Elemente Dieser Umstand erschwert oft die Bewertung auf: Der betrachtete Raum gehört biogeogra- einer Bestandsentwicklung, da aus der Vergan- phisch zum Arboreal, so dass über 90 % des genheit Vorkommen und Häufigkeit von vielen Festlandes eigentlich mit Wald bedeckt wären. Arten unbekannt sind. Offenlandbewohnende Arten sind dem natür- An der Universität Greifswald werden im lichen Arteninventar dieser Landschaft eher Zoologischen Institut in langer Tradition ver- fremd. Deshalb müssten sich Schutzbemühun- schiedene Insektengruppen bearbeitet. Dies er- gen in erster Linie auf den verbliebenen Wald möglichte den Aufbau von Datenbanken (Ca- von z. B. 21 % in Mecklenburg-Vorpommern rabidae, übrige Coleoptera) und die Etablierung konzentrieren. Als Lebensraum der „potentiell eines Repertoires von Untersuchungsmethoden, natürlichen Zönosen“ stellt er das Habitat für die u. a. zu Untersuchungen in Projekten auf die meisten heimischen und vor allem für die in- Salzgrünländern der Küste, zum Waldumbau digenen Arten. und auf Ackerstandorten eingesetzt wurden. 114 Insecta, Heft 10, 2007

Projektgrundlage Pflugtiefen. Dieses Ackerland mit einer Acker- zahl von 23 gilt als Grenzertragsstandort und Hier sollen Ergebnisse eines Projektes zur ist im Zuge der Umstrukturierung der Agrar- extensiven Ackerbewirtschaftung vorgestellt subventionen Vorzugsfläche für Stilllegungen. werden (HAMPICKE et al. 2005). Für die Untersuchung der phytophagen Käfer Im Untersuchungsansatz wurde eine exten- wurden weitere ertragsschwache Extensiv- sive Bewirtschaftung ertragsschwacher Standor- Äcker im Bereich der Müritz bei Federow und te neben ökonomischen Aspekten auch auf die Kargow einbezogen. Ausstattung sowie die Sukzession hinsichtlich Da ein ökosystemarer Untersuchungsansatz Flora und Fauna geprüft. Hierzu diente ein Par- mit der Erfassung aller Tierarten sowohl aus zellenversuch im Nordosten des Bundeslandes, Mangel an finanziellen als auch personellen auf dem von 2000-2004 verschiedene Boden- Ressourcen nicht leistbar ist, wurde auf ein Ver- nutzungssysteme (BNS) eingerichtet wurden. fahren zurückgegriffen, das als Strata-Modul- Modell bereits in einem Projekt zur Bewertung BNS 1 Kartoffeln - Winterroggen mit Untersaat von Folgen eines Waldumbaues erfolgreich zur - Klee/Gras - Wintergerste; extensiv Anwendung kam (MÜLLER-MOTZFELD et al. BNS 2 Serradella - Triticale - Gelbe Lupine - 2004). Dabei wurden für drei ausgewählte Winterroggen; extensiv Schichten der Ackervegetation folgende Erfas- BNS 3 Dauernachbau Winterroggen; extensiv sungsmethoden und repräsentative Tiergrup- BNS 4 Dauernachbau Winterroggen; extensiv, pen herangezogen: reduzierte Düngung (nicht beprobt) 1. Blütenschicht - Gelbschale (Coleoptera, Hy- BNS 5 Dauernachbau Winterroggen; integriert menoptera, Heteroptera) 2. Krautschicht - Streifsack (Coleoptera, Kerninhalte waren der Verzicht auf minera- Heteroptera) lische Düngung und Pestizidanwendung, ver- 3. Bodenoberfläche - Bodenfalle (Coleoptera, ringerte Aussaatstärken und z. T. geringere Araneae, Heteroptera, Hymenoptera)

16

Individuenfangdichte 14 Arten 12

10

8

6

4

2

0 BNS1 BNS2 BNS3 BNS5

Abb. 1. Ackerarten der Blatt- und Rüsselkäfer aus Gelbschalen: Vergleich der Bewirtschaftungsformen (3-Jahresdurch- schnitt) hinsichtlich Aktivitäts-Individuenfangdichte pro Falle und Fangzeitraum sowie Aktivitäts-Artenfangzahl HOLGER RINGEL & al.: Brachen und extensiv genutzte Äcker als Lebensraum für Käfer (Coleoptera) 115

Es stellte sich die Frage nach der Entwick- mieren, die diese als Wirtspflanze haben oder lung der Flächen unter den Bedingungen ver- durch die zugehörige Segetalflora begünstigt schiedener extensiver Bewirtschaftungen und werden. Besonders interessant ist jedoch, dass dem Vergleich mit einer konventionell bewirt- sich die lediglich durch die Bewirtschaftung schafteten Parzelle. unterscheidenden Roggenparzellen (BNS 3 und Für diesen Beitrag soll nur auf die Ergeb- 5) deutlich in Artenzahl und Individuendichte nisse der Untersuchungen der Käfer (Carabidae voneinander unterscheiden. So ist die Fläche und diverse Coleoptera) eingegangen werden. unter extensiver Bearbeitung mit dreifacher In- dividuenzahl als auch mit doppelt so hohen Diverse Coleoptera ackertypischen Artenzahlen besiedelt. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Vergleich Eine Zuordnung phytophager Blattkäfer der Fänge mithilfe des Keschers. Auch hier wer- und Rüsselkäfer zur Kategorie Acker-Art konn- den die höchsten Arten- und Individuenzahlen te anhand der Einteilung von FRITZ-KÖH- erwartungsgemäß auf den Parzellen mit LER (1996) vorgenommen werden. Weitere An- Fruchtfolgegliedern (BNS 1 und 2) erreicht. Die haltspunkte für die Bindung phytophager Arten Parzellen mit Dauerroggenanbau liegen darun- können z. B. BÖHME (2001) entnommen wer- ter, wobei auch mit dieser Methode die Bevor- den. Die Fänge von phytophagen Käfern in zugung der Extensiv-Parzelle sowohl durch In- Gelbschalen zeigten folgendes Ergebnis: Die dividuen als auch Artenzahlen Ausdruck findet. Bodennutzungssysteme 1 und 2 (4gliedrige Die hier vorgestellten Arten- und Individuen- Fruchtfolgen) erreichen gleich hohe Artenzah- zahlen wurden aus den Mittelwerten der drei len und liegen dabei über den Werten der BNS Beprobungsjahre gebildet. Für die Ermittlung 3 und 5. Hier kommt neben dem Extensivie- der Zahlen für die Fruchtfolgen wurden außer- rungseffekt zum Tragen, dass sich durch den dem die Werte der vier Wiederholungen ge- Anbau von vier verschiedenen aufeinanderfol- mittelt. genden Feldfrüchten auch Arten mit aufsum- Für die Entwicklung der extensivierten Flä-

120 18 Individuenzahl 16 100 Arten 14 80 12 10 60 8 Artenzahl 40 6 Individuenzahl 4 20 2 0 0 BNS1 BNS2 BNS3 BNS5

Abb. 2. Ackerarten der Blatt- und Rüsselkäfer aus Kescherfängen, Vergleich der Bewirtschaftungsformen (4-Jahresdurch- schnitt) 116 Insecta, Heft 10, 2007 chen konnte anhand von Gelbschalenfängen weiter an. In diesem Falle ist das der Lage in be- außerdem gezeigt werden, dass sich im Verlauf sonders armen Sandgebieten zu verdanken, die von drei Beprobungsjahren die Individuen- als Grenzertragsstandorte nicht nur hinsichtlich fangzahl mehr als verdoppelte. Diese Zunahme der Ökonomie sondern auch des Pflanzen- ging mit einem Anstieg der Gesamtartenzahl wuchses gelten können. Zum Teil laufen die und der ackertypischen Arten einher (MÜLLER- Feldfrüchte hier so spärlich auf, dass sie in der MOTZFELD et al. 2005). Segetalvegetation nur geringste Deckungen er- Durch die Untersuchung weiterer Flächen reichen. Die artenreiche Vegetation beherbergt in unmittelbarer Umgebung des Parzellenver- eine Reihe von thermophilen Arten, welche nur suches sowie von mehreren Extensiv-Äckern hier angetroffen wurden. und Brachen in der Region der Mecklenburgi- Hier befindet sich auch der Lebensraum von schen Seenplatte östlich der Müritz (Federow, Ceratapion basicorne, einem kleinen Rüsselkä- Kargow) besteht die Möglichkeit, die jeweiligen fer, welcher an der Kornblume lebt. Diese Art Ergebnisse zu vergleichen. galt früher als nicht selten, ist aber von starkem Rückgang betroffen, so dass sie nur in fünf Dabei zeigt sich, dass z. B. Blühstreifen und Bundesländern mit aktuellen Funden belegt ist Brache am Parzellenversuch in etwa die Arten- (KÖHLER & KLAUSNITZER 1998). Sie wird in der zahlen erreichen, wie sie auch in den artenrei- Roten Liste der Bundesrepublik als stark ge- chen extensiv bewirtschafteten Fruchtfolgen fährdet geführt. Die Funde auf Äckern des süd- (BNS 1 und 2) auftreten. Bei der Brache kom- lichen Mecklenburgs stellen den Erstnachweis men weitere Arten hinzu, die störanfälliger sind der Art für das Bundesland dar (RINGEL 2002), und auf Äckern nicht vorkommen. Dies führt obwohl als sicher gelten kann, dass die Art seit zu einer Zunahme der Gesamtartenzahl. Ein langem dort vorkommt. Aufgrund der geringen ähnlicher Trend ist auch auf den Probeflächen Durchforschung war sie unerkannt geblieben. im Süden des Bundeslandes zu verzeichnen. Der Rüsselkäfer kommt an den Fundorten nur Hier steigen die Artenzahlen sowohl im Ganzen an Pflanzen von sehr kümmerlichem Wuchs als auch diejenigen der ackertypischen Tiere auf dürren, nährstoffarmen Böden vor. Da-

80 40 70 alle Arten 35 60 Acker-Arten 30 50 25 40 20 30 15 alle Arten

20 10 Acker-Arten 10 5 0 0 BNS 1 BNS 2 BNS 3 BNS 5 Brache 3-2002 4-2001 1-2002 16-2001 17-2001 10-2002 11-2002 Blühstreifen Kühlenhagen Äcker Kargow Brachen Kargow

Abb. 3. Käfer aus Kescherfängen: Vergleich von Ackerstandorten mit Brachen HOLGER RINGEL & al.: Brachen und extensiv genutzte Äcker als Lebensraum für Käfer (Coleoptera) 117 durch ist die Art wiederum einer besonderen FELD 2000a) wieder zu uns zurück, die bereits Gefährdung durch Unterlassung ausgesetzt: ge- seit Jahrzehnten der industrialisierten Land- ringe Erträge bei hohem Ausfallrisiko führen wirtschaft gewichen waren. Bis 2005 konnten zur Aufgabe der Ackerbewirtschaftung mit an- Ergänzungen aus über 100 Quellen und mehre- schließender Sukzession. Die daraus hervorge- ren Forschungsprojekten in die Liste von AH- henden Wiesen, Hochstaudenfluren oder Vor- RENS (1998) eingearbeitet werden. wälder kommen als Habitat sowohl der Segetal- Art Kornblume als auch aller an ihr lebenden Laufkäfer phytophagen Tiere nicht mehr in Frage. Die Populationsteile, die auf besser nähr- Aus naturschutzfachlicher Sicht ist es in der stoffversorgten Äckern vorkommen, sind durch heutigen Zeit um die echten Agroelemente bei die intensive Landwirtschaft gefährdet, die das den Laufkäfern nicht sonderlich gut bestellt. trophische Niveau weiter anhebt und neben Von den insgesamt 336 in Mecklenburg-Vor- den Anbaukulturen keine weiteren Pflanzenar- pommern nachgewiesenen Laufkäferarten sind ten duldet. Daraus resultiert eine hohe Gefähr- 37 % als mehr oder minder stark gefährdet ein- dung von ehemals weit verbreiteten Acker-Ar- gestuft, davon sind 11 % Acker- und ten. So sind nach einer Analyse von SPRICK (in Offenlandarten. Zum Vergleich stehen dem litt. 2001) von den 92 ackertypischen Rüsselkä- „nur“ 3,7 % echte Waldarten gegenüber. Seit fern in Mecklenburg-Vorpommern 66 Arten als dem 19. Jahrhundert sind in Mecklenburg-Vor- in irgendeiner Weise gefährdet einzustufen. pommern insgesamt 20 Arten verschollen, der Diese Gefährdung gilt in gleicher Weise auch Anteil der ausgestorbenen Acker- und Offen- für die benachbarten Regionen. Als Nebenef- landarten darunter ist mit 40% (8 Arten) be- fekt des Rückganges kommt die zunehmende trächtlich. Entgegen diesem Negativtrend ist Isolation der verbliebenen Populationen zum seit Mitte der 90er Jahre eine Zunahme typi- Tragen. Selbst für Arten mit Flugvermögen scher Agrozönose-Elemente aus Mecklenburg- wird es fast unmöglich, noch oder wieder geeig- Vorpommern zu beobachten, darunter sind nete Standorte in größerer Entfernung gegebe- auch ehemals völlig im Landesbestand erlo- nenfalls neu zu besiedeln. schene Arten (Poecilus punctulatus, Ophonus Durch den Einsatz verschiedener Fangme- signaticornis, Diachromus germanus), die nun thoden an mehreren, z. T. exklusiven Probeor- wieder zur heimischen Fauna gerechnet werden ten gelang der Fang recht zahlreicher Indivi- können. Eine von diesen sich erholenden Arten duen, unter denen auch einige faunistisch be- ist Ophonus signaticornis. Sie wurde auch auf merkenswerte Arten waren bis hin zu Erstnach- den Untersuchungsflächen in Kühlenhagen in weisen für Mecklenburg-Vorpommern (RINGEL größerer Anzahl gefunden. Im benachbarten & KULBE 2006). Neben dem bereits erwähnten Brandenburg gehört sie zu den häufigeren Ar- Ceratapion basicorne gehören z. B. auch Mogu- ten in geeigneten Habitaten (SCHEFFLER et al. lones euphorbiae, Phyllotreta cruciferae, P. as- 1999). Andere, wieder in der Zunahme begriffe- trachanica (Neufunde) oder Meligethes difficilis, ne Agrozönose-Elemente sind Harpalus calcea- Phalacrus coruscus, Longitarsus nasturtii, Gym- tus, Calosoma auropunctatum, Carabus cancel- netron rostellum (Bestätigungen alter Funde) latus und Carabus auratus (MÜLLER-MOTZFELD dazu. 2000a). Die Rückwanderung von Carabus aura- Die am Zoologischen Institut der Uni- tus nach Schleswig-Holstein wurde von BASE- Greifswald geführten Käfer-Checklisten (Car- DOW (1998) dokumentiert. abidae und übrige Coleoptera) stellen die Bei den Feldversuchen nahe Kühlenhagen Grundlage dar, Änderungen in der Besiedlung hat sich gezeigt, dass sich die Arten- und Do- zu erkennen und frühzeitig darauf reagieren zu minantenidentität in den extensiv bewirtschaf- können. So kehrten seit den 90er Jahren Arten teten Winterroggenfeldern einander sehr ähn- wie Poecilus punctulatus oder Ophonus signati- lich sind, während sich unter diesem Gesichts- cornis aufgrund des höheren Angebotes an Re- punkt der konventionelle Schlag von diesen kreationsfläche für die Fauna (MÜLLER-MOTZ- beiden deutlicher unterscheidet. 118 Insecta, Heft 10, 2007

100 Artenidentität 90 Dominantenidentität 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 BNS 3 - BNS 5 BNS 2 - BNS 5 BNS 3 - BNS 2

Abb. 4. Vergleich von Arten- und Dominantenidentität der Laufkäfer über drei Jahre auf Winterroggenparzellen

3000

2500 l 2000 Rest 1500 RF AF 1000 Aktivitätsfangzah

500

0 BNS2 BNS3 BNS5

Abb. 5. Vergleich der Aktivitätsfangzahl der Laufkäfer ausgewählter Standorte (RF=Ruderalflur-Arten, AF=Ackerunkraut- flur-Arten HOLGER RINGEL & al.: Brachen und extensiv genutzte Äcker als Lebensraum für Käfer (Coleoptera) 119

So lagen die Artenidentitäten zwischen der dritten Untersuchungsjahr einen Wert von 1097 konventionellen Anbauform (BNS 5) und den zu erreichen. Auf dem extensiv bewirtschafteten extensiven Anbaumethoden (WR BNS 2, Winterroggenfeld hatte sich die Ausgangszahl in BNS 3) jeweils bei 65 % bzw. 66 %, die den drei Jahren sogar verzwölffacht. Dominantenidentität bei etwas über 70 % Ähn- Tendenziell ist eine Zunahme von ver- lichkeit. Die beiden extensiv bewirtschafteten gleichsweise xerothermen Arten zu verzeich- Winterroggenschläge (WR BNS 2 und BNS 3) nen, während die Arten mit mesophilem An- wiesen hingegen eine Artenidentität von 75 % spruch keine Veränderungen oder abnehmende und eine Dominantenidentität von 88 % auf. Tendenzen aufweisen. So konnte sich der Indi- Diese gesteigerten Faunenähnlichkeiten sind viduenanteil der xerothermen und termophilen besonders auf die Zahl und Dichte der acker- Arten von den insgesamt 94 nachgewiesenen typischen Arten zurückzuführen, die auf den Arten von 19,3 % 2001 über 24,5 % 2002 auf extensiv genutzten Flächen tendenziell höhere 32,3 % 2003 erhöhen. Nach MÜLLER-MOTZFELD Aktivitätsfangzahlen erreichen (Abbildung 5). (2005) gehören 34 Arten zu den xerothermen So weist der konventionelle Winterroggen und termophilen Laufkäfern. Neben dem schon gegenüber dem extensiv bewirtschafteten Win- erwähnten Poecilus lepidus waren es in erster Li- terroggen des BNS 2 lediglich halb so viele Indi- nie Amara bifrons, Carabus auratus, Harpalus viduen von Arten der Ackerunkrautfluren auf affinis, Harpalus rubripes, Harpalus tardus und (3-Jahresdurchschnitt). Harpalus signaticornis, die sich in dem Untersu- Auch der extensive Dauerroggenanbau er- chungszeitraum deutlich positiv entwickelt ha- zielte eine deutlich höhere Individuenzahl als ben. Ein Blick auf die Verteilung dreier Cha- der konventionelle Winterroggen. Dominieren- rakterarten für Ackerbrachen auf den schon be- de Arten waren dabei auf den Untersuchungs- schriebenen Untersuchungsparzellen (WR flächen Carabus cancellatus, Poecilus versicolor, BNS 2, BNS 3 u. BNS 5) zeigt die deutliche Prä- Poecilus lepidus, Poecilus cupreus, Pterostichus ferenz dieser Arten für die extensiv bewirtschaf- melanarius und Calathus fuscipes, die in ver- teten Parzellen. schiedenen Verteilungsmustern über den Besonders die Art Ophonus signaticornis hat Untersuchungszeitraum auftraten. hier ihre Bestandsschwerpunkte, aber auch Ca- Die typische Ackerbrachenart Poecilus lepi- rabus cancellatus und Poecilus lepidus profitie- dus ist ein Beispiel, wie rasant eine Art auf besse- ren von der Extensivierung. Schon RASKIN re Lebensbedingungen reagieren kann. Im ers- (1994) berichtet von den positiven Effekten, die ten Untersuchungsjahr 2001 hatte sie auf allen von den pflanzenschutz- und düngemittelfreien Parzellen eine Gesamtfangzahl von 160. Im Ackerrandstreifen auf die thermo- und xero- zweiten Untersuchungsjahr bereits 557, um im philen Feldcarabiden von konventionell bewirt-

Carabus cancellatus Poecilus lepidus Ophonus signaticornis 800 300 20 250 600 200 15 400 150 10 100 200 50 5 0 0 0 BNS 2 BNS 3 BNS 5 BNS 2 BNS 3 BNS 5 BNS 2 BNS 3 BNS 5

Abb. 6. Aktivitätsfangzahl dreier ausgewählter Arten auf verschiedenen Winterroggenanbauflächen 120 Insecta, Heft 10, 2007 schafteten Wintergetreidefeldern ausgehen, in von der Möglichkeit der Wiederbesiedlung ab- denen diese Arten höhere Reproduktionsraten hängig. Ohne intakte Lebensräume, welche mit erreichen. Die Ergebnisse machen deutlich, ihrem Populationsüberschuss als Quellstruktu- dass eine Extensivierung der Feldkulturen den ren fungieren, ist die Besiedlung benachbarter gleichen Effekt auf die Carabiden ausübt. Grün- Habitate nicht vorstellbar. Die Dauer wird ganz de hierfür sind reduzierte landwirtschaftliche entscheidend vom Vermögen zur Überwindung Bearbeitungsintensität, minimierter Agroche- von größeren Entfernungen beeinflusst (Flug- mikalieneinsatz (MÜLLER 1972, MÜLLER-MOTZ- und Laufaktivität). Die Basis der ehemals hohen FELD 2000a) und veränderte Vegetationsstruk- Artendiversität von Ackerstandorten lag im tur. Die Struktur der Vegetation beeinflusst im kleinräumigen Abwechslungsreichtum von ganz erheblichen Maße die mikroklimatischen Strukturen der Felder und der zugehörigen Verhältnisse (trockener und wärmer) auf den Säume. Das künftige Zulassen dieser Struktur- Flächen. So sind gerade die lückig wachsenden vielfalt wird den verschollenen und seltenen Ar- Feldfruchtbestände auf dem extensiv angebau- ten zur Wiedererlangung ihres Status in der ten Winterroggen (ohne Düngemitteleinsatz) „Kultursteppe“ verhelfen, wie z. B. KRETSCHMER für die charakteristischen Ackerarten Voraus- et al. (1995) zeigen konnte. Für eine nachhaltige setzung für eine längerfristig stabile Popula- Ansiedlung ist außerdem die Latenz der Struk- tionsgröße. Viele der xerophilen Laufkäferarten turen erforderlich. Zur Entwicklung und Mani- sind ursprünglich Steppenelemente, die an die festation der Populationen ist das zeitliche und trockenen und wärmeren offenen Strukturen räumliche Nebeneinander einer kleinteilig eines extensiv genutzten Feldes angewiesen strukturierten Agrarlandschaft mit artenrei- sind. In unseren Breiten finden sie in der mo- chen Rainen und Brachen zum Überstehen von dernen intensiven Landwirtschaft nur schwer Engpass-Situationen wenigstens in „Agrar- diese günstigen Lebensbedingungen vor, was schutzgebieten“ zu sichern. Primär muss natür- sich in den Roten Listen wiederspiegelt, wie ein- lich die Forderung nach der Anwendung sol- gangs erwähnt wurde. cher Prinzipien auf ganzer Fläche stehen. Die Von den insgesamt 94 im Projekt gefunde- Zunahme der Acker-Elemente auf lokaler/re- nen Arten sind 17 Arten gefährdet. 14 Arten be- gionaler Ebene wird dann die Folge sein. finden sich in der Roten Liste Deutschland Die Verantwortung für den Schutz der Ar- (TRAUTNER et al. 1997) und sieben Arten in der ten kann nicht mit dem Argument der natür- Roten Liste Mecklenburg-Vorpommern (MÜL- lichen Verbreitung in anderen Faunenregionen LER-MOTZFELD 1992). Davon sind neun Carabi- delegierte werden. Da einige dieser exklusiven denarten xerotherm und vier weitere, haben ih- Acker-Arten inzwischen in ihrem gesamten ren Schwerpunkt auf Sandtrockenrasen und Verbreitungsgebiet als extrem gefährdet oder Ackerunkrautfluren. gar als vom Aussterben bedroht gelten, wie z. B. Mehrere dieser Arten sind dabei als Zufalls- Calisthenes reticulatus (MÜLLER-MOTZFELD produkt der hohen Erfassungsdichte mit Bo- 2000b), besteht die Verpflichtung, ihre letzten denfallen zu betrachten. Ihre geringen Bestände Populationen dort zu schützen, wo sie vorkom- liegen in Bundesland in der Regel unter der üb- men! lichen Nachweisgrenze dieser Erfassungsme- Für die Grenzertragsstandorte bedeutet thode. Deshalb sind die Funde von großem fau- dies, dass es zumindest auf einem Teil der Flä- nistischem Wert. che keine Sukzession oder Aufforstung (z. B. auf den ärmsten Standorten) geben darf. Eine Ausblick derartige Entwicklung beendet die Faunentra- dition auf den wenigen verbliebenen, „naturna- Welche Voraussetzungen ermöglichen nun hen“ Feldfluren, die Refugialraum für die vor- die Wiederkehr artenreicher Agrozönosen? Ne- industrielle Agrarfauna sind. ben den nächstliegenden Bedingungen wie dem Um Auswirkungen umfassender und nach- Vorhandensein der Wirtspflanze/des Kleinkli- haltiger Veränderungen in der Kulturlandschaft mas oder des geeigneten Substrates ist dies auch zu ermitteln, ist es dringend erforderlich, ein HOLGER RINGEL & al.: Brachen und extensiv genutzte Äcker als Lebensraum für Käfer (Coleoptera) 121

Monitoring anhand ausgewählter Zielarten KLAUSNITZER, B. (2003): Gesamtübersicht zur Insektenfauna durchzuführen. Für eine fundierte Aussage zu Deutschlands. – Entomologische Nachrichten und Berichte 47, 57-66. dieser Thematik genügt es jedoch nicht, allein KLEEBERG, A. (2003): Faunistisch bemerkenswerte und für Daten von Freizeitforschern zu bearbeiten. Mecklenburg-Vorpommern neue Arten der Kurz- Standardisierte Aufnahmemethoden zur Über- flügelkäfer (Col., Staphylinidae). – Archiv der wachung typischer Arten müssen dauerhaft in Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg XLII, 61-85. charakteristischen Lebensräumen zur Anwen- KÖHLER, F., & KLAUSNITZER, B. (Hrsg.) (1998): Verzeichnis dung kommen. Bei subventionierten Flächen- der Käfer Deutschlands. – Entomologische Nach- stillegungen sollte dies durch Effizienzkontrol- richten und Berichte (Dresden), Beiheft 4, 185 S. len ergänzt werden, um die Auswirkungen auf KRETSCHMER, H.; PFEFFER, H.; HOFFMANN, J.; SCHRÖDL, G.; & FUX, I. (1995): Strukturelemente in Agrarlandschaf- gefährdete Elemente der Fauna abschätzen zu ten Ostdeutschlands. – ZALF-Bericht 19. ZALF können. Müncheberg, 164 S. u. Anhang. KULBE, J., & RINGEL, H. (2002): Beitrag zur Bockkäferfauna Mecklenburg-Vorpommerns (Col., Cerambyci- Zusammenfassung dae). – Entomologische Nachrichten und Berichte 46, 247-250. Der hohe Gefährdungsgrad von Elementen MÜLLER, G. (1972): Die Wirkung von Herbiziden auf die der Ackerlandschaft sowie das nach wie vor un- Mesofauna der Bodenoberfläche von Kulturfeldern unter besonderer Berücksichtigung der Arthropo- zureichende Wissen in Bezug auf Insekten, ma- den. – Pedobiologia 12, 169-211. chen es erforderlich, diesen sowohl bei der Er- MÜLLER-MOTZFELD, G. (1992): Rote Liste der gefährdeten fassung als auch beim Schutz mehr Aufmerk- Laufkäfer Mecklenburg-Vorpommerns. Die Um- samkeit zukommen zu lassen. Vorgestellt wer- weltministerin Mecklenburg-Vorpommerns (Hrsg.), Schwerin. den Ergebnisse faunistischer Untersuchungen MÜLLER-MOTZFELD, G. (2000a): Analyse von Gefährdungs- zu Käfern (Coleoptera) auf ertragsschwachen ursachen am Beispiel der Laufkäfer. – Schriftenreihe Standorten und Brachen in Mecklenburg-Vor- für Landschaftspflege und Naturschutz 65: 33-50. pommern. Es konnte ermittelt werden, dass MÜLLER-MOTZFELD, G. (2000b): Schützt die FFH-Richtlinie die „richtigen” Arten? – Schriftenreihe für Land- verschiedene extensive Bewirtschaftungsfor- schaftspflege und Naturschutz 68, 43-55. men eine Zunahme von Arten- und Indivi- MÜLLER-MOTZFELD, G. (2004): Xerotherme Laufkäfer in duenzahlen allgemein und von ackertypischen Deutschland - Verbreitung und Gefährdung. – An- Tieren im Besonderen bedingen. Die getätigten gewandte Carabidologie Supplement III, 27-44. MÜLLER-MOTZFELD, G.; ALBERTI, G.; RINGEL, H.; HAMPEL, J.; Erstnachweise und Wiederfunde vervollständi- KREIBICH, E; LOCH, R.; MATHIAK, G.; RUSSEL, D.; gen die faunistische Datenbasis als Grundlage WEGENER, A., & WACHLIN, V. (2004): Bodenbiologi- von Gefährdungsanalysen. Aus der Lebensweise sche und ökofaunistische Untersuchungen zur Be- urteilung des Waldumbaus im nordostdeutschen der Tiere werden Ansprüche an die Ausprägung Tiefland. – Beiträge für Forstwirtschaft und Land- einer artenreichen Agrarlandschaft abgeleitet schaftsökologie 38(2), 95-101. und die Forderung nach einem wirkungsvollen MÜLLER-MOTZFELD, G.; RINGEL, H., HAMPEL, J.; LOCH, R.; Kontrollinstrument aufgestellt. HENNICKE, S.; MARTSCHEI, T., & KORNMILCH, C. (2005): Bewirtschaftung ertragsarmer Ackerböden aus faunistischer Sicht. – in: HAMPICKE, U., WICHT- Literatur MANN, W., & LITTERSKI, B. (Hrsg.): Ackerlandschaf- ten – Nachhaltigkeit und Naturschutz auf ertrags- BASEDOW, T. (1998): Langfristige Bestandsveränderungen schwachen Standorten. Springer Verlag 311 S. von Arthropoden in der Feldflur, ihre Ursachen RASKIN, R. (1994): Die Wirkung pflanzenschutzmittelfreier und deren Bedeutung für den Naturschutz, gezeigt Ackerrandstreifen auf die Entomofauna von Win- an Laufkäfern (Carabidae) in Schleswig-Holstein tergetreidefeldern und angrenzenden Saumbioto- 1971-1996. – Schriftenreihe für Landschaftspflege pen. – Berichte aus der Agrarwissenschaft; Shaker- und Naturschutz 58, 215-227. Verlag: 142 S. BÖHME, J. (2001): Phytophage Käfer und ihre Wirtspflanzen RINGEL, H., & KULBE, J. (2006): Blattkäferfunde zur Aktuali- in Mitteleuropa. – bioform Verlag, Großgeschaidt, sierung der Check-Liste Mecklenburg-Vorpom- 132 S. merns (Coleoptera: Chrysomelidae) – Entomologi- FRITZ-KÖHLER, W. (1996): Blatt- und Rüsselkäfer an Acke- sche Nachrichten und Berichte 50, 119-123. runkräutern. – Agrarökologie 19,1-138. RINGEL, H. (2002): Ceratapion basicorne (ILLIGER, 1807) HAMPICKE, U.; LITTERSKI, B., & WICHTMANN, W. (Hrsg.) (Coleoptera: Apionidae) neu für Mecklenburg- (2005): Ackerlandschaften. Springer Verlag, Ber- Vorpommern. – Entomologische Nachrichten und lin/Heidelberg, 311 S. Berichte 46, 128-129. 122 Insecta, Heft 10, 2007

SCHEFFLER, I.; KIELHORN, K.-H.; WRASE, D. W.; KORGE, H.; & TRAUTNER, J.; MÜLLER-MOTZFELD, G., & BRÄUNICKE, M. BRAASCH, D. (1999): Rote Liste des Landes Bran- (1997): Rote Liste der Sandlaufkäfer und Laufkäfer denburgs (Coleoptera, .Carabidae). – Natur und Deutschlands (Coleoptera: Cicindelidae et Carabi- Landschaftspflege in Brandenburg 8(4),1-27. dae). – Naturschutz und Landschaftsplanung 29, SIMON, H.-R. (2001): Wie viele Insektenarten kennen wir? – 261-273. Entomologische Zeitschrift Stuttgart 111(8), 243- 252.

Anschrift der Verfasser: HOLGER RINGEL, JURECK HAMPEL & GERD MÜLLER-MOTZFELD, Zoologisches Institut der Universität Greifswald, Bachstraße 11/12, D-17489 Greifswald E-Mail: [email protected] Insecta, Heft 10, 2007, Seite 123-128

SIBYLLE WINKEL, Offenbach am Main, MARTIN SCHROTH, Hanau, WILHELM BRESSLER, Vöhl, EDMUND FLÖßER, Offenbach am Main & MATTHIAS KUPRIAN, Steinau an der Straße

Wiederfund der Kleinen Zangenlibelle im Natura 2000-Gebiet 5818-401 „Main bei Mühlheim und NSG Rumpenheimer & Bürgeler Kiesgruben” und Rückkehr der Art an den Untermain

In der Roten Liste der Libellen Hessens Wiederbesiedlung Südhessens (HMILFN 1996) wird Onychogomphus forcipatus in der Kategorie „stark gefährdet” geführt und Besonders erfreulich war daher der Nach- gilt damit als seltene Art in Hessen. Nach weis der Art im NATURA 2000-Gebiet 5818- SCHORR (1990) scheint die ehemalige Verbrei- 401 „Main bei Mühlheim und NSG Rumpen- tung der Kleinen Zangenlibelle in der Bundes- heimer und Bürgeler Kiesgruben” am 16. Juli republik schwerpunktmäßig auf die Mittelge- 2006. Zwischen 10:00 Uhr und 14:00 Uhr wur- birge südlich des Mains und der Mosel be- den bei sonnigem Wetter entlang des südlichen schränkt gewesen zu sein, wobei das norddeut- Ufers des Mains zwischen der Rumpenheimer sche Flachland weitgehend unbesiedelt war. Fähre und der Rodaumündung innerhalb des Als zumindest in Süddeutschland ehemals EU-Vogelschutzgebietes folgende Beobachtun- häufige Art (und stellenweise häufigste Gom- gen gemacht: phide) litt die Fließgewässerart wie kaum eine Die seltenen Gomphiden konnten gleich an andere unter der Belastung ihres Lebensraumes mehreren Stellen im Europaschutzgebiet mit mit organischen Schadstoffen. Auch der techni- insgesamt rund 10 männlichen Tieren nachge- sche Ausbau und die Begradigung von Flüssen wiesen und auch fotografiert werden. Dabei raubten der Kleinen Zangenlibelle, die auf Kies- verteilten sich die Fundpunkte einzelner Tiere und Schotterflächen angewiesen ist, den Le- auf der gesamten Länge des begangenen Ufer- bensraum (KUHN & BURBACH 1998). bereiches. Entsprechend verschwand die Art in den Bei einer punktuellen Nachsuche am 19. 1970er und 1980er Jahren aus fast allen Regio- August 2006 konnte im westlichen Bereich des nen Hessens. In der ersten Hälfte der 1990er südlichen Mainufers zwischen 15:00 Uhr und Jahre beschränkten sich die hessischen Vor- 17:00 Uhr bei überwiegend sonnigem Wetter kommen nach langen Jahren fehlender Nach- der Nachweis eines vermutlich am Vortag ge- weise auf kleine Populationen an der Kinzig so- schlüpften Weibchens erbracht werden. wie der Eder (HMILFN 1996), während SCHORR Als Begleitarten wurden an den beiden Ta- (1990) lediglich Einzelbeobachtungen aus Hes- gen im Europaschutzgebiet die in Tabelle 1 auf- sen vermeldete. geführten Spezies nachgewiesen. 124 Insecta, Heft 10, 2007

Weitere Nachweise in Südhessen und Unter- 2006 häufen sich die Beobachtungen von franken Onychogomphus. So wurden am 3. Juli zwei Exemplare an der Kinzig in der Bulau bei Ha- Erfreulich ist ebenfalls, dass es sich bei der nau und am 18. Juli ein weiteres Exemplar am Beobachtung von Onychogomphus forcipatus Hanauer Mainufer auf der Höhe der Kessel- um keinen Einzelfall in Südhessen und am städter Schleuse beobachtet. Untermain handelt, wie eine Recherche der Au- ECKSTEIN (persönliche Mitteilung) sichtete toren zeigt. So wurde die Art bereits in den im Bereich des EU-Vogelschutzgebietes in der 1990er Jahren an mehreren Stellen am Unter- ersten Juliwoche 2006 ihm zunächst unbekann- lauf der Kinzig sowie am Main östlich des EU- te Libellen, die er später als Zangenlibellen ein- Vogelschutzgebietes 5818-401 nachgewiesen. ordnete. Im unterfränkischen Freudenberg (Kreis Mil- DIEHL (persönliche Mitteilung) fand Einzel- tenberg) wurde Onychogomphus forcipatus be- exemplare der Art im Sommer 2006 in Main- reits 1992 gesichtet. 1993 konnte die Art auch hausen nahe der HIM-Grube. STÜBING (persön- im Aubachtal und Habichstal im Kreis Aschaf- liche Mitteilung) fand einige Tiere der Art im fenburg nachgewiesen werden (MALKMUS, per- Bereich des Gehaborner Hofes am Darmbach sönliche Mitteilung). In den Folgejahren wan- westlich von Darmstadt. Bereits 2002 wurde die derte die Art weiter mainabwärts und tauchte Kleine Zangenlibelle nahe Kelsterbach nachge- bei Hanau auf. Hier konnte ein schlüpfendes wiesen (SENCKENBERG 2002). Exemplar auf der Exuvie auf den Ufersteinen Auch in Nordhessen an Eder und Orke des Altmains bei Hanau-Steinheim im Juli 1997 konnte sich die Art dauerhaft etablieren, wie beobachtet werden. 2002 folgte die Sichtung zahlreiche Nachweise in den Monaten Juni und der Kleinen Zangenlibelle bei Kelsterbach und Juli des Jahres 2006 an insgesamt sechs ausge- im Juli 2004 wurde die Art am nördlichen wählten Standorten zeigen (Eder unterhalb Mainufer bei Dörnigheim beobachtet. Schmittlothheim 15-20 Männchen, Eder am

Tabelle 1. Sonstige nachgewiesene Libellenarten im Natura 2000-Gebiet 5818-401 „Main bei Mühlheim und NSG Rumpenheimer & Bürgeler Kiesgruben”. Die Art-Nachweise erfolgten am Südufer des Mains am 16. Juli 2006 sowie am 19. August 2006.

Wissenschaftlicher Artname Deutscher Artname Bemerkungen

Aeshna mixta Herbst-Mosaikjungfer 1 Männchen

Ischnura elegans Große Pechlibelle mit 20 bis 30 Exemplaren mäßig häufig vertreten

Libellula depressa Plattbauch 1 Männchen

Orthetrum cancellatum Großer Blaupfeil mit mehr als 20 Exemplaren mäßig häufig vertreten

Platycnemis pennipes Federlibelle ca. 10 Tiere, eines davon frisch geschlüpft

Calopteryx splendens Gebänderte Prachtlibelle ca. 15 Männchen

Crocothemis erythraea Feuerlibelle 3 Exemplare, davon 1 Männchen und 2 Weibchen

Sympetrum sanguineum Blutrote Heidelibelle 5 Männchen SIBYLLE WINKEL & al..: Wiederfund der Kleinen Zangenlibelle im Natura 2000-Gebiet 5818-401 125

Abb. 1. EU-Vogelschutzgebiet „Main bei Mühlheim” Das Europaschutzgebiet „Main bei Mühlheim und NSG Rumpenheimer & Bürgeler Kiesgruben” im Nordosten der Stadt Offenbach ist nicht nur Brut- und Rastplatz zahlreicher Vogelarten, sondern auch Lebensraum vieler Libellenarten (Foto: S. WINKEL).

Abb. 2. Kleine Zangenlibelle (Foto: S. WINKEL). Etwa 10 Exemplare der Kleinen Zangenlibelle konnten am südlichen Ufer des Europaschutzgebietes nachgewiesen werden. 126 Insecta, Heft 10, 2007

Tabelle 2. Chronologische Darstellung der Fundorte sowie Angabe der Beobachter der Kleinen Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus) im unterfränkischen und hessischen Untermain-Einzugsbereich seit 1992 sowie aktuelle Fundangaben an Eder und Orke im Kreis Waldeck-Frankenberg.

Jahr Nachweisort Beobachter Bemerkungen

Untermain in Hessen und Unterfranken

1992 Main bei Freudenberg, Martin Schroth/ Kreis Miltenberg, Rudolf Malkmus Unterfranken

1993 Aubachtal & Habichs- Martin Schroth/ tal, Kreis Aschaffen- Rudolf Malkmus burg, Unterfranken

Juli 1997 Altmain bei Hanau- Martin Schroth 1 schlüpfendes Exemplar auf Steinheim Exuvie im Bereich der Ufersteine des Altmains

2002 nahe Kelsterbach Senckenberg

Juli 2004 nördliches Mainufer bei Martin Schroth Natura 2000-Gebiet 5818-401 Dörnigheim

2006 Mainhausen, nahe der Dirk Diehl Einzelexemplare HIM-Grube

03. Juli Kinzig, (FFH-Gebiet Martin Schroth 2 Exemplare im Natura 2000-Ge- 2006 Bulau bei Hanau) biet 5819-308 Erlensee bei Erlen- see und Bulau bei Hanau

1. Juliwo- südliches Mainufer bei Reinhard Eck- Einzelexemplare am westlichen che 2006 OF-Rumpenheim stein Rand des Natura 2000-Gebietes 5818-401

16. Juli südliches Mainufer zwi- Sibylle Winkel & rund 10 Männchen am gesamten 2006 schen OF-Rumpenheim Matthias Kuprian Südufer des Natura 2000-Gebie- und Mühlheim tes 5818-401

18. Juli Mainufer bei Hanau, Martin Schroth ein Exemplar 2006 Höhe Kesselstädter Schleuse

19. Aug. südliches Mainufer zwi- Sibylle Winkel & 1 vermutlich am Vortag ge- 2006 schen OF-Rumpenheim Matthias Kuprian schlüpftes Weibchen im Natura und Mühlheim 2000-Gebiet 5818-401

Edersystem im Kreis Waldeck-Frankenberg

Sommer Eder zwischen Hatzfeld Wilhelm Bressler Nachweis von insgesamt ca. 120 2006 und Schmittlothheim Exemplaren an 6 ausgewählten sowie Unterlauf der Or- Standorten an Eder und Orke im ke (FFH-Gebiet Obere Natura 2000-Gebiet 4917-350 Eder) Obere Eder SIBYLLE WINKEL & al..: Wiederfund der Kleinen Zangenlibelle im Natura 2000-Gebiet 5818-401 127

Wehr bei Röddenau 15-20 Männchen, Eder bei die entweder noch naturnähere Strukturen auf- Ederbringhausen-Nieder-Orke ca. 20 Männ- weisen oder die in den letzten Jahren zumindest chen, Eder bei Rennertehausen ca. 20-25 abschnittsweise renaturiert und revitalisiert Männchen, Eder am Wehreinlauf bei Auham- wurden. mer nahe Dodenau ca. 40 Männchen sowie ein- zelne Weibchen, Orke bei Reckenberg ca. fünf Als Ursache für die Wiederbesiedlung des Exemplare). Der Nachweis von Larven im Sub- Untermain-Systems durch die Kleine Zangenli- strat unterhalb von Flusswehren zeigt, dass die belle kommen im Wesentlichen drei Faktoren Art im Gewässersystem der Eder erfolgreich re- zur Geltung: produziert. Die chronologisch geordneten Fundhin- 1. Allgemeine Verbesserung der Gewässergüte weise (Tabelle 2) legen den Schluss nahe, dass in den beiden letzten Jahrzehnten die Wiederbesiedlung des hessischen Unter- 2. Verbesserung der Gewässerstruktur durch mains bereits in der zweiten Hälfte der 1990er Renaturierungen und Revitalisierung von Jahre erfolgte. In der Folgezeit reproduzierte die Gewässern Art offensichtlich erfolgreich und etablierte sich 3. Klimaerwärmung flächenhaft. Ob dabei die Wiederausbreitung alleine aus Unterfranken kommend mainab- Die Verbesserung der Gewässergüte im wärts erfolgte oder auch hessische Restpopula- Main und seinen Nebenflüssen in den letzten tion im unteren Kinzigbereich an der Wieder- Jahrzehnten ist allgemein belegt und dürfte eine ausbreitung mitwirkte, lässt sich anhand der der Voraussetzungen für die Wiederausbrei- Daten kaum rekonstruieren. tung von Fließgewässerlibellen wie der Kleinen Zangenlibelle sein. Unsichere Reproduktion Noch bedeutsamer dürften aber die An- strengungen zur Renaturierung und Revitalisie- Fraglich ist allerdings, ob und in welchem rung von Gewässerabschnitten mit dem Ziel Umfang die Art auch im EU-Schutzgebiet bei sein, gewässermorphologisch wieder eine An- Offenbach erfolgreich reproduziert. Dies müs- näherung an natürliche Verhältnisse zu errei- sen weitere Beobachtungen und Untersuchun- chen. Am Obermain konnte von SCHLUM- gen zeigen. Der Nachweis eines vermutlich am PRECHT et al. (2004) eindrucksvoll gezeigt wer- Vortag geschlüpften weiblichen Tieres am öst- den, wie stark Onychogomphus forcipatus von lichen Rand des Schutzgebietes ist ein Hinweis Renaturierungsmaßnahmen profitiert. Die Au- auf Bodenständigkeit im Gebiet, aber kein ein- toren zeigten, dass die Kleine Zangenlibelle mit deutiger Beweis. am stärksten von Maßnahmen wie der Erweite- Der relativ ausgeprägte Stillgewässercharak- rung der Flussbreite, dem Zulassen von Dyna- ter des stark anthropogen überformten Main- mik mit Neuschaffung von flachen Kiesufern abschnittes im Europaschutzgebiet in Verbin- und -inseln sowie Prallhängen und der Anbin- dung mit dem teils hohen Wellenschlag durch dung von Baggerseen etc. profitierte und ein den Schiffsverkehr lässt nur wenige Uferberei- starkes Wiederbesiedlungsvermögen aufwies. che als geeignet erscheinen. Wahrscheinlich ge- Als wärmeliebende, eher mediterrane Art lingt nur wenigen Tieren eine erfolgreiche profitiert die Kleine Zangenlibelle zudem von Metamorphose zum flugfähigen Tier. Gestützt der Klimaerwärmung (SCHLUMPRECHT et al. wird diese Annahme durch eine Beobachtung 2004). Dies ist keine Besonderheit der Unter- von SCHROTH im Jahr 2004, der am Mainufer mainregion. Die Ausbreitung mediterraner Li- bei Dörnigheim ein gerade schlüpfendes Exem- bellen ist vielfach belegt und konnte auch für plar der Art - flugunfähig noch auf der Exuvie Hessen bereits gezeigt werden (KUPRIAN et al. sitzend - von Schiffs-Wellenschlag wegspülen 2005, WINKEL & KUPRIAN 2006). sah. Es ist daher davon auszugehen, dass alle drei Denkbar ist auch eine Reproduktion an den der o. a. Faktoren ganz wesentlich zur Wieder- Main-Zuflüssen wie Rodau, Bieber und Kinzig, ausbreitung der Art beigetragen haben. Sollte es 128 Insecta, Heft 10, 2007 sich hier nicht nur um ein vorübergehendes ECKSTEIN, R., & VOIGT, F. (2005): Monitoringpro- jekt Vogelsbergteiche - Erste faunistische Ergeb- Phänomen handeln, wird die Einstufung der nisse. - Jahrbuch Naturschutz in Hessen 9, 186-203. Art in die Kategorie 2 (stark gefährdet) der hes- SENCKENBERG (2002): Erfassung von Flora, Fauna und Bio- sischen Roten Liste erfreulicherweise bald hin- toptypen im Umfeld des Flughafens Frankfurt am fällig sein. Main. Teil V Arten und Biotope. Im Internet veröf- fentlichtes Gutachten des Forschungsinstitutes Sen- ckenberg, Arbeitsgruppe Biotopkartierung, No- Literatur vember 2002. SCHLUMPRECHT, H., STRÄTZ, C., POTRYKUS, W., & FROBEL, K. BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (BFN) (1998): Rote Liste ge- (2004): Libellenverbreitung und wasserwirtschaftli- fährdeter Tiere Deutschlands. Schr.-R. Land- che Renaturierungsmaßnahmen im oberen Main- schaftspfl. Naturschutz 55, Bonn-Bad Godesberg, tal. - Naturschutz & Landschaftsplanung 36 (9), 434 S. 277-287. HESSISCHES MINISTERIUM DES INNEREN UND FÜR LANDWIRT- SCHORR, M. (1990): Grundlagen zu einem Artenhilfspro- SCHAFT, FORSTEN UND NATURSCHUTZ (1996): Rote gramm Libellen der Bundesrepublik Deutschland. - Liste der Libellen Hessens, Wiesbaden. Ursus Scientific publishers Bilthoven, Bilthoven. KUHN, K., & BURBACH, K. (1998): Libellen in Bayern. Verlag WINKEL, S., & KUPRIAN, M. (2006): Die Libellenfauna neu Eugen Ulmer, Stuttgart. angelegter Flachgewässer im Süden der Stadt Offen- KUPRIAN, M., WINKEL, S., ANGERSBACH, R., FLÜGEL, H. J., bach. - Jahrbuch Naturschutz in Hessen 10, 34-39.

Anschriften der Verfasser: SIBYLLE WINKEL, NABU LAG Naturentwicklung & Biodiversität, Pommernstraße 7, D-63069 Offenbach am Main, E-Mail: [email protected] MARTIN SCHROTH, Herderweg 2, D-63454 Hanau WILHELM BRESSLER, NABU Waldeck-Frankenberg, Auf dem Sattler 14, D-34516 Vöhl EDMUND FLÖßER, NABU LAG Naturentwicklung & Biodiversität, Pommernstraße 7, D-63069 Offenbach am Main DR. MATTHIAS KUPRIAN, NABU LAG Naturentwicklung & Biodiversität, Ringstraße 42. D-36396 Steinau an der Straße 129

BOLETUS Pilzkundliche Zeitschrift • NABU-Bundesfachausschuss Mykologie

Der Name „Boletus“ ist der wissenschaftliche Name einer Pilzgattung, inder so bekannte Arten wie Steinpilz, Satanspilz oder Königsröhrling vereinigt sind. Die Zeitschrift „Boletus“ wurde 1977 in der DDR gegründet und 1994 mit dem eben- falls dort erschienenen „Mykologischen Mitteilungsblatt“ vereint. Seit 1990 wird die Zeitschrift vom NABU herausgege- ben. Sie greift vor allem Themen aus der Floristik, Ökologie, Chorologie und Taxonomie mitteleuropäischer Pilze auf, wobei im begrenzten Umfang auch lichensierte Pilze (= Flechten) Berücksichtigung finden. Bestandsentwicklungen und naturschutzrelevante Themen werden besonders beachtet.

Schriftleiter: Dr. PETER OTTO, Universität Leipzig, Institut für Biologie I, Johannisallee 21-23, 04103 Leipzig, Telefon: 03 41.9 73 85-92/-90, E-Mail: [email protected] Bezug und Abonnentenverwaltung: BERIT und PETER OTTO, Schleiermacherstraße 40, 06114 Halle/Saale, Telefon: 0345.8 05 09 72, E-Mail: [email protected]

„Boletus“ erscheint in zwei Ausgaben pro Jahr mit einem Umfang von zusammen ca. 100 Seiten . Internet: www.NABU.de > Artenschutz > Pilze, Flechten & Moose > Boletus http://www.nabu.de/m05/m05_12/03930.html

Bitte freimachen Absender

Vor- und Zuname

Straße NABU PLZ/Ort 10108 Berlin PULSATILLA Zeitschrift für Botanik und Naturschutz • NABU Bundesfachausschuss Botanik

„Pulsatilla“ veröffentlicht Originalarbeiten und Übersichtsbeiträge zum botanischen Naturschutz. Sie umfasst floristi- sche, geobotanische und vegetationskundliche Themen im Zusammenhang mit dem floristischen Wandel und dem Florenschutz in Deutschland. Ausdrücklich aufgenommen werden auch Arbeiten aus der Naturschutzpraxis sowie zu weniger bekannten Pflanzengruppen einschließlich Moose, Algen oder Flechten.

Schriftleiter: Dr. Thomas Hövelmann, Lambertistraße 40, 48155 Münster, Telefon 0251.133 75 62 E-Mail: [email protected]

„ Pulsatilla“ erscheint in etwa jährlichen Abständen mit einem Umfang von 60-90 Seiten.

Hiermit abonniere ich ab sofort aus der Reihe „Naturschutz Spezial“ des NABU die Fachzeitschrift ■ INSECTA ■ BOLETUS ■ PULSATILLA ■ Bitte schicken Sie mir die Liste und das Info-Material zu den NABU-Bundesfachaus- schüssen und -Arbeitsgruppen. ■ Ich bin an einer Projekt-Patenschaft interessiert. ■ Bitte senden Sie mir eine Übersicht der aktuellen NABU-Materialien. ■ Ich möchte NABU-Mitglied werden. Bitte senden Sie mir Informationsmaterial zu. ■ Bitte schicken Sie mir die schon erschienenen Hefte der Zeitschrift:

Name der Zeitschrift:

Nummern oder Erscheinungsjahre der Hefte:

Name, Vorname:

Straße, Nr.:

PLZ; Ort:

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