Schumanns Symphonien in Der Einrichtung Weingartners

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Schumanns Symphonien in Der Einrichtung Weingartners Correspondenz Gegründet 1980 von Dr. Gisela Schäfer Mitteilungen der Robert-Schumann-Gesellschaft E.V. Düsseldorf Nr. 40 / Januar 2018 Herausgegeben von Irmgard Knechtges-Obrecht Shaker Verlag Aachen 2018 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Herausgegeben von Irmgard Knechtges-Obrecht Redaktion Dr. Irmgard Knechtges-Obrecht Horbacher Straße 366 A · D-52072 Aachen Tel.: +49 (0) 24 07 / 90 26 39 Fax: +49 (0) 32 12 / 1 02 12 55 E-Mail: [email protected] Copyright Shaker Verlag 2018 Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Nachdruckes, der auszugsweisen oder vollständigen Wiedergabe, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen und der Übersetzung, vorbehalten. Printed in Germany ISBN 978-3-8440-5728-7 ISSN 1865-3995 Shaker Verlag GmbH · Postfach 101818 · 52018 Aachen Telefon: +49 (0)24 07 / 95 96-0 · Telefax: +49 (0)24 07 / 95 96-9 Internet: www.shaker.de · E-Mail: [email protected] Inhalt Seite Editorial . 5 Gerd Nauhaus: Clara Schumann in Kopenhagen . 7 Ulrich Offerhaus: Briefe von Clara Schumann – im Nachlass der Familie Seligmann aufgetaucht. .27 Irmgard Knechtges-Obrecht: »Liebe, gute Frau Seligmann« – Clara an Sara. .39 Armin Distler: Robert Schumann und Walther von Goethe – eine homosexuelle Beziehung? . 49 Timo Evers: Zum historischen Kontext der Impromtus op. 5 in der postumen Neuen Ausgabe von 1863. .59 Klaus Wolfgang Niemöller: Schumanns Symphonien in der Einrichtung Weingartners . 93 Gerd Nauhaus: Genoveva – Aufführung im Mannheimer Nationaltheater. .119 Gerd Nauhaus: Frühjahrsexkursion der Schumann-Gesellschaft Zwickau. .123 Bernhard R. Appel: Zum Tode unseres Ehrenmitglieds Peter Härtling . 129 Michael Struck: Zum 75. Geburtstag von Dr. Gerd Nauhaus . 137 Klaus Wolfgang Niemöller: Bundesverdienstkreuz für Prof. Dr. Ulrich Konrad . 149 Irmgard Knechtges-Obrecht: Rückblick Veranstaltungen RSG 2017 . 153 Irmgard Knechtges-Obrecht: Veranstaltungshinweise der RSG für 2018. .172 Zusammengestellt von Irmgard Knechtges-Obrecht: Publikationen der RSG . 179 Ausgewählt von Irmgard Knechtges-Obrecht: Neue Schumanniana . 195 Vermischtes . 262 Die Aufführung von Robert Schumanns Symphonien in der klanglichen Einrichtung des Dirigenten Felix Weingartner (1918) Klaus Wolfgang Niemöller Immer wieder faszinieren Aufführungen von Sinfonien Schu- manns in neuen Interpretationen von verschiedenen Orchestern unter ihrem jeweiligen Dirigenten und vermitteln dadurch ein neues Erlebnis des schon oft gehörten Werkes. CD-Einspielungen sind so auch Gegenstand der Besprechungen in der Rubrik „Neue Schumanniana“ der Correspondenz. Konzertsäle wie Gewand- haus, Konzerthaus, Gürzenich, Tonhalle, Concertgebouw, Phil- harmonie, wie sie seit dem frühen 19. Jahrhundert europaweit benannt wurden, sind seit den Uraufführungen der Sinfonien zu Stätten stets neuer Interpretationen geworden. Maßgeblich da- für sind die jeweiligen Dirigenten.1 Mario Venzago, Schumann- Gast-Dirigent der Düsseldorfer Symphoniker, hat 2012 seine Erfahrungen in seinem Gesprächsbeitrag „Über das Dirigieren von Robert Schumanns Symphonien. Von Taktstrichen, Rubati und symphonischen Pedalen“ in dem Basler Forschungsbericht Schumann interpretieren zusammengefasst.2 Aus seiner Erfah- rung als Dirigent retuschiert er mit Bezug auf Weingartner z.B. die Länge des Nachklangs in den Holzbläsern, trennt aber auch die Hörner von den Blechbläsern, um Schumanns Instrumenta- tion zur Wirkung zu bringen. Das jüngst erschienene Buch des Musikwissenschaftlers und Dirigenten Peter Gülke Dirigenten 1 Handbuch Dirigenten, hrsg. Julian Caskel u. Hartmut Hein, Kassel 2015. 2 Schumann interpretieren, hrsg. Jean-Jacque Dünki, Anette Müller u. Thomas Gartmann, Sinzig 2014, S. 255–270. Vgl. Correspondenz Nr. 37, Januar 2015, S. 103. 93 Abb. 1: Titelblatt des Buches von Felix Weingartner 94 stützt so wesentlich die Analyse ihrer „Interpretationen“ von sin- fonischen Werken auf dokumentarische Konzertmitschnitte und Einspielungen.3 Die Probleme, aus Klangträgern etwas von der Unmittelbarkeit einer Aufführung abzuleiten, demonstriert Gül- ke in dem Kapitel „Wer war Felix Weingartner? Schwierigkeiten mit der Physiognomie eines bedeutenden Musikers“ anhand der Einspielungen von Sinfonien Brahms‘ und Beethovens, die 1927 begannen, als der 59-jährigen Weingartner bereits Jahrzehnte einer Dirigier-Praxis durchlebt hatte. Erste Schallplatten Wein- gartners erschienen in den 1920er Jahren bei der englischen Co- lumbia.4 In einem 2016 abgeschlossenen DFG-Projekt „Karajan Diskurs“ am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität zu Köln von Hartmut Hein war so auch die mediale Vermittlung ein wesentlicher Aspekt für die Entstehung des „Mythos Karajan“. Bis zum frühen 20. Jahrhundert sind vor allem die erhaltenen Dirigierpartituren berühmter Dirigenten wie die Gustav Mahlers mit ihren Eintragungen Dokumente der jeweiligen persönlichen Werkinterpretation.5 Mahler betrachtete nie eine einmal erreich- te Ausgestaltung der Partitur als endgültig, sondern hat immer weiter an ihr gefeilt. Im Zusammenhang der Erforschung des Tonkünstlerfestes des Allgemeinen deutschen Musikvereins 1922 in Düsseldorf geriet auch die Dirigierpartitur des jungen Anton von Webern ins Blickfeld, der seine Passacaglia op. 1 selbst diri- gierte.6 Sie ist in den Musikalien des Düsseldorfer Musikvereins im Heinrich-Heine-Institut erhalten und harrt der Auswertung durch die Webern-Gesamtausgabe in Wien. Eintragungen in Di- rigierpartituren können so namentlich in der Instrumentation 3 Peter Gülke, Dirigenten, Kassel 2017. 4 Herfried Kier, Der fixierte Klang. Zum Dokumentarcharakter von Mu- sikaufnahmen mit Interpreten klassischer Musik, Köln 2006, S. 671. 5 Hermann Danuser, Gustav Mahler und seine Zeit, Laaber 1996, S. 59. 6 Klaus Wolfgang Niemöller, Ein Regerfest. Zum 52. Tonkünstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins 1922 in Düsseldorf, in: Neue Chor- szene. Zeitschrift des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf, im Druck. 95 bis zu einer Form von „Bearbeitung“ gehen. Ein moderner Di- rigent wie der Gürzenich-Kapellmeister Günter Wand erreichte den Ruhm seiner Aufnahmen aller Sinfonien Anton Bruckners mit dem WDR-Sinfonie-Orchester seit 1978 nicht zuletzt durch seine intensiven Studien der Partitur und aller Quellen dazu, lange vor der ersten Probe. Erst dann begann er mit dem „Ein- richten“ der Partitur und der führenden Stimmen.7 Die „Ratschläge“ Weingartners waren eine neue Form prakti- scher Musikvermittlung aus der Erfahrung eines Dirigenten. Am ehesten nahe kommt ihnen noch Der Ratgeber für Dirigenten, Konzertveranstalter, Musikschriftsteller und Musikfreunde, so der Untertitel von Lexikon der deutschen Konzertliteratur (Leip- zig 1909) des Krefelder Musikdirektors Theodor Müller-Reuter (1858–1919). Der Generationsgenosse von Weingartner reprä- sentierte wie dieser den vielseitigen Typus eines Musikers im 19. Jahrhundert: Pianist (Schüler von Clara Schumann in Berlin und Frankfurt), Komponist, Dirigent und Musikschriftsteller.8 Auch zu den Schumann-Sinfonien vermittelt er alle Angaben, die man seit 2003 dem Thematisch-Bibliographischen Werkverzeich- nis von Margit L. McCorkle entnehmen kann, darüber hinaus aber auch die „Spieldauer“ der einzelnen Sätze, was die damals genommenen Tempi erschließt, und genaue Angaben zu zahlrei- chen Erstaufführungen in Städten zwischen Leipzig, Wien und St. Petersburg, vor allem in den rheinischen Städten. Er hatte Zugang zu der heute im Schumannhaus Zwickau aufbewahrten Programm-Sammlung von Clara Schumann. Am 27. Oktober 1906 hatte er in Krefeld noch die Urform der d-Moll-Sinfonie von 7 Wolfgang Seifert, Günter Wand, Hamburg 1998, S. 467 – Kier (wie Anm. 4), S. 537–558. 8 Theodor Zart, Die Geschichte des Krefelder Orchesters, des Konzert- und Chorwesens sowie der Musikschulen von 1870–1945, in: Das Mu- sikleben der Stadt Krefeld 1780–1945, hrsg. Ernst Klusen, Hermann Stoffels u. Theo Zart (Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte, H. 124), Köln 1980, S. 28-31. 96 Schumann aufgeführt. Zugleich mahnt er, kein Dirigent sollte in Unkenntnis über Schumanns Aufführungspraxis sein wie sie bei Jansen und Erler [in ihren Brief-Ausgaben] zu finden seien, „aber leider auch jetzt noch oft genug vernachlässigt“ werden. Müller- Reuters „Ratgeber“ unterschied sich in seiner dokumentarischen Anlage so deutlich von den Werkeinführungen für die Konzert- besucher des Musikwissenschaftlers Dr. Hermann Kretschmar, selbst Dirigent u.a. als Leipziger Universitätsmusikdirektors, in seinem Führer durch den Konzertsaal, auf den Müller-Reuter anmerkungsweise hinweist.9 Felix Weingartner stammte als Edler von Münzberg aus ei- ner adeligen Familie des damaligen Kaiserreiches Österreich- Ungarn, am 2. Juni 1863 wurde er in Zadar/Dalmatien geboren. In diesem Jahr ist der 75. Gedenktag seines Todes am 7. Mai 1942 in Winterthur.10 Nach dem Tode seiner Vaters übersiedel- te er nach Graz, wo seine Mutter ihm ersten Klavierunterricht gab. Dank eines Staatsstipendiums studierte er von 1881–1883 am berühmten Leipziger Konservatorium bei Direktor Carl Rei- necke Komposition. Reinecke gehörte zu der Generation moder- ner Dirigenten nach Mendelssohn. Weingartner konnte den Ge- wandhauskapellmeister bei der Leitung der Schumann-Sinfonien erleben, die dieser seit 1860 alle zwei Jahre zyklisch aufführte.11 9 Hermann Kretschmar, Führer durch den Konzertsaal Abt. I: Sinfonie und Suite, Leipzig 1886; Robert Schumanns Sinfonien
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