Musterhäuser einer anderen Immobilienwirtschaft

Florian Heilmeyer

›Wildromantisch‹ nennt die Thüringer Tourismusagentur eines der ältesten Naturschutzgebiete in Deutschland, das . Doch seit langem stagniert die Wirt- schaft und die Bevölkerung wandert ab, vor allem die Jungen. Um das Tal zu retten, regen sich nun Kräfte inner- und außerorts. Unter anderem arbeiten junge Gruppen gemeinsam mit der Stiftung trias und der IBA Thüringen an einer kreativen Immobilienentwicklung zur Rettung der sogenannten ›Sommerfrische Häuser‹.

Das Tal der Schwarza ist ein scharf in die Hügel- Schon davor hatte sich durch den Adel ein ers- landschaft geschnittenes Flusstal im Südosten ter Tourismus im Tal entwickelt. Die Fürsten von Thüringens. Die Schwarzburg, mit Ursprüngen Schwarzburg- kamen in den warmen im 11. Jahrhundert und in der frühen Neuzeit zu Monaten, um auf Schloss Schwarzburg zu jagen, einer imposanten Schlossanlage gewachsen, zu wandern und zu picknicken — und sie brach- ist eines der kontinuierlichsten Zeugnisse der ten Gäste mit. Im späten 19. Jahrhundert folgten menschlichen Besiedelung dieses Raumes mit immer mehr Bürgerinnen und Bürger aus Indus- weitgehend friedlicher Geschichte. Es steht auf triestädten wie Berlin und Leipzig, auf der Su- einem von der dunklen, klaren Schwarza umflos- che nach einer naturnahen ›Sommerfrische‹. Für senen Felsen. Obwohl die Schwarza zu den gold- sie entstanden kleinere Herbergen und Hotels, reichsten Flüssen Deutschlands zählt, gab es hier oft Neubauten, die mit viel sichtbarem Fach- nie einen Gold- oder vergleichbare andere Räu- werk die traditionellen Typologien der lokalen sche. Der Abbau im harten Gestein erwies sich Häuser aufgrifen und so den gestressten Stadt- als ausgesprochen mühsam. Wirtschaftlich er- menschen bereits durch ihre Architektursprache folgreicher waren Schieferabbau, Wassermühlen, einen erholsamen Landurlaub versprachen. So- Eisenschmieden und Holzwirtschaft. Das Tal der genannte Sommerfrische-Architekturen sind im Schwarza war — sozusagen naturgegeben — im- Kern einfache Holz- und Fachwerkbauten, die mer schon das Zuhause einer langsamen, nach- aber mit wuchtigen und verspielten Dachformen haltigen Wirtschaft.

Vom Entstehen und Schwinden der Sommerfrische

Dann kam der Tourismus. 1900 wurde eine nur 25 Kilometer lange, aber aufwändig in die Land- schaft gegrabene Eisenbahnstrecke eröfnet, die noch heute von Rottenbach nach Schwarzburg führt, und von dort dem Flusslauf gut 15 Kilome- ter bis nach Katzhütte folgt: die Schwarzatalbahn.

›Sommerfrische Häuser‹ sind idyllische Schmuck- architekturen im Sinne der deutschen Romantik, die sich seufzend nach dem Naturerleben sehnte.

26 IBA THÜRINGEN MAGAZIN!#7 geschmückt sind, mit Türmen, Erkern, Veranden Zu DDR-Zeiten erlebte die Sommerfrische den und Balkonen, die später auch als Wintergärten nächsten Wandel: Der Feriendienst des Freien verglast wurden. Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) sorg- Der wachsende Tourismus versprach zusätz- te für einen straf durchorganisierten, staatlich liche Einkünfte. Dafür entstand eine neue Infra- subventionierten Massentourismus für bis zu struktur: Wanderwege mit Borken- oder Moos- 25.000 Besucherinnen und Besucher im Jahr. häuschen als Rastplätze, oder mit Pavillons und Staatliche Erholungsheime wurden gebaut, be- Tempeln an besonders idyllischen Aussichts- stehende Hotels umgewidmet. Viele private Ver- punkten. Bis vor dem Ersten Weltkrieg zähl- mieter zogen die Vermittlung durch den FDGB te man bereits 18.000 Besucherinnen und Be- vor, da sie so ihre Belegung ohne eigene Wer- sucher im Jahr; und es war kein Zufall, sondern bung ganzjährig sichern konnten. Die Auslas- aufgrund der Prominenz des Tals, dass Friedrich tung war zum Teil so groß, dass die Gäste in der Ebert 1919 in Schwarzburg die Weimarer Verfas- zentralen Essensversorgung in drei Schichten zu sung unterzeichnete. So weckte das Schloss auch Abend essen mussten, vom Personal höflich zur die Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten, die Eile beim Essen angehalten. Mit der Grenzöfnung es zum nationalen ›Reichsgästehaus‹ umgestal- 1989 brach dieser zentral organisierte Tourismus ten wollten. Fürstin Luise wurde 1940 mit kleiner fast vollständig zusammen; es hatten sich kaum Abfindung vertrieben und Nazi-Architekt Her- private Strukturen erhalten, die die Organisati- mann Giesler entwarf einen umfangreichen Um- on hätten übernehmen können. Mit dem Touris- bau, der den Abriss weiter Teile der intakten, ba- mus verschwand die wichtigste Säule der lokalen rocken Schlossanlage zur Folge hatte. Vom fast Wirtschaft quasi über Nacht: Viele Einwohnerin- vollständig entkernten Hauptgebäude blieben nen und Einwohner wanderten ab, Gebäude stan- fast nur die historischen Fassaden erhalten. Viel den leer, vor allem die Beherbergungsbetriebe. weiter kam man allerdings nicht, bis die Arbeiten Etliche ›Sommerfrische Häuser‹ wie das hinrei- 1942 kriegsbedingt wieder eingestellt wurden. ßende Hotel ›Chrysopras‹ bei Aus einem der schönsten Barockschlösser Mit- oder das Hotel ›Kieslerstein‹ in Katzhütte, sind teldeutschlands hatten die Nationalsozialisten, noch in den 2010er-Jahren abgerissen worden. denen das deutsche Erbe doch angeblich so am Davon hat sich das Tal bis heute nicht erholt. Ak- Herzen lag, ohne Not ein Trümmerfeld gemacht. tuelle Prognosen rechnen bis ins Jahr 2035 mit Die Spuren dieser Verwüstung sind noch heute einem Rückgang der Bevölkerung im Schwarza- deutlich zu sehen. tal um bis zu 30 Prozent. Und es ist, wie überall, wo es einen vergleichbaren Rückgang gibt, vor allem die ältere Bevölkerung, die bleibt, während die Jungen auf der Suche nach besseren Ausbil- dungs- und Berufschancen weiterziehen. Viele würden vermutlich bleiben oder zurückkommen, böte das Tal ihnen wieder eine Zukunft.

—— Fortsetzung auf Seite 30

Es geht also um die Zukunft, um nichts weniger. Dafür müssen neue Ideen entwickelt und, wenn möglich, in der Realität erprobt werden. Tatsächlich regen sich neue Kräfte, inner- und außerhalb des Tals.

AUS DEN IBA PROJEKTEN 27 Wiederbelebung der Sommerfrische — neue Zukunft im Tal Bei ›Haus Bräutigam‹ und ›Haus Döschnitz‹ Es geht also um die Zukunft, um nichts weniger. geht es um die Sanierung und Wieder belebung Dafür müssen neue Ideen entwickelt und, wenn möglich, in der Realität erprobt werden. Tatsäch- zweier lange leerstehender ›Sommerfrische lich regen sich neue Kräfte, inner- und außerhalb Häuser‹ als Gäste-, Lern- und Versammlungsorte. des Tals. Es haben sich lokale Initiativen gebildet und einige Gemeinden als kommunale Arbeitsge- meinschaft zusammengeschlossen. 2017 gründe- te sich der Verein ›Zukunftswerkstatt Schwarzatal‹ in Kooperation mit der LEADER-Aktionsgruppe Saalfeld-Rudolstadt, hier sammeln sich Akteu- her, dass ein Übernachten bei einfachstem Stan- rinnen und Akteure aus dem Schwarzatal, um dard möglich war, 2018 kamen die ersten Gäste gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. Auch die für ein geringes Entgelt pro Kopf und Nacht — regelmäßigen ›Schwarzburger Gespräche‹ bün- die reinen Selbstkosten und sicher kein Weg, eine deln Impulse. Die Initiatoren sind vielstimmig und weitere Sanierung und den Betrieb von ›Haus umtriebig, sie haben unter anderem auch früh Döschnitz‹ auf wirtschaftlich gesunde Füße zu Kontakt zur IBA Thüringen aufgenommen. Dar- stellen. Dazu mussten erst weitere Hebel in Bewe- aus entstand die Idee zu einem ›Tag der Sommer- gung gesetzt werden. frische‹, der seit 2015 jedes Jahr mit vielen Veran- staltungen im ganzen Tal stattfindet. Sechs Ideen aus dem Schwarzatal stehen mittlerweile als IBA Zwei Häuser, zwei Vereine Projekte fest, womit das Tal zu einem der räum- lichen Schwerpunkte der IBA geworden ist. Im gleichen Jahr kam eine Gruppe von Architek- Um zwei dieser Projekte soll es hier gehen. Es turstudierenden und Lehrenden der Bauhaus- sind kleine Projekte: Nur zwei kleine alte Häuser, Universität Weimar ins Tal. Sie besuchten die kaum der Rede wert, Zeichen einer nicht mehr Jugendherberge ›Hans Breuer‹ in Schwarzburg existenten Vergangenheit, könnte man denken, als Fallbeispiel und es waren zwei Mitarbeiter wenn sie nicht so exemplarisch für die Geschichte der Professur ›Entwerfen und Wohnungsbau‹, und Gegenwart der Sommerfrische im Tal stün- die sich besonders begeistert zeigten: Till Hof- den. Sowohl bei ›Haus Bräutigam‹ in Schwarzburg mann und Henning Michelsen. Gemeinsam mit als auch bei ›Haus Döschnitz‹ in Döschnitz geht Jessica Christoph und Christine Dörner, die eben- es um die Sanierung und Wiederbelebung zweier falls an der Bauhaus-Universität beschäftigt lange leerstehender ›Sommerfrische Häuser‹ als sind, fragten sie, halb im Spaß, ob es noch weitere Gäste-, Lern- und Versammlungsorte. Beide wur- Altbauten gäbe. Und so stellten ihnen die IBA und den Ende 2020 in das neu gegründete ›Sonder- der Zukunftswerkstatt e.#V. das ›Haus Bräutigam‹ vermögen StadtLand Thüringen‹ übernommen, vor, welches der Verein kurz zuvor geschenkt be- das die IBA bei der Stiftung trias eingerichtet hat. kommen hatte. Döschnitz liegt mit etwa 250 Einwohnerin- Nun besteht der Verein zwar aus engagier- nen und Einwohnern kaum neun Autominuten ten Idealisten, aber verfallene ›Sommerfrische von Schwarzburg entfernt. Hier steht das ehe- Häuser‹ im Alleingang zu retten und zu betreiben, malige Wohnhaus der Brauereifamilie Böttner, gehört nicht zu ihren Möglichkeiten. Da kam die im Kern ein Fachwerkgebäude aus dem 18. Jahr- Anfrage der vier Architektinnen und Architekten hundert. Seit den 1990er-Jahren stand das Haus aus Weimar gerade recht. Allerdings musste noch leer, dann sanierte die Gemeinde das Objekt und ein Weg gefunden werden, wie aus dem vagen erklärte es zum Heimatmuseum. Über den ›Tag Interesse ein reales Projekt erwachsen kann, das der Sommerfrische‹ kam die Gemeinde mit der niemanden finanziell überfordert. Aus vielen Ge- IBA ins Gespräch und so entstand die Idee, Über- sprächen entstand 2019 der Verein ›Haus Bräuti- nachtungen im Heimatmuseum als ›Probeurlaub gam‹, der das Haus dauerhaft als Ort für tempo- Döschnitz‹ anzubieten. Im Herbst 2017 richtete räres Wohnen und Arbeiten etablieren will. Das eine kleine Gruppe um die Architektin Lina Maria Angebot soll nicht nur Vereinsmitgliedern, son- Mentrup und initiiert von der IBA mithilfe von lo- dern auch der lokalen Gemeinde und Gästen von kalen Handwerkern zwei Räume im Haus so weit außerhalb ofen stehen. Gelänge dies, so würde es eine Fortschreibung der hundert Jahre alten Tradition der Sommerfrische bis ins 21.#Jahrhun- dert hin bedeuten, in welchem Freizeit und Arbeit nicht mehr unbedingt voneinander getrennt wer- den wollen. Überall in Deutschland entstehen sol- che Orte, an denen bestimmte Arbeiten — zumin- dest für begrenzte Zeit — in einer erholsamen und inspirierenden Umgebung stattfinden. Und die hat das Schwarzatal im Überfluss.

30 IBA THÜRINGEN MAGAZIN!#7 Döschnitz liegt im engen Tal der Sorbitz, einem kleinen Zufluss zur Schwarza. ›Haus Döschnitz‹ war im Laufe der Zeit bereits Zuflucht für Heimatvertrie bene, Bürger meisterbüro und Jagd stube.

Foto: Dörthe Hagenguth

Träger • Haus Döschnitz e.#V. Gemeinnütziger Verein • Stiftung trias

Partner • Gemeinde Döschnitz • Zukunftswerkstatt Schwarzatal e.#V.

Förderer • Thüringer Ministerium für Infrastruktur • Deutsche Stiftung Denkmalschutz und Landwirtschaft

Planungsbeteiligte • Haus Döschnitz e.#V. • studio etcetera, Berlin • Architekturbüro Mentrup • Jens Casper, Architekt, Berlin • kulturräume gestalten

IBA Projektstatus IBA Projekt seit Februar 2018

IBA Projektleiterin Ulrike Rothe

AUS DEN IBA PROJEKTEN 31 Der vorherige Besitzer von ›Haus Bräutigam‹ hatte es in den 1990er-Jahren zusammen mit anderen ›Sommerfrische Häusern‹ im Tal erworben, daraus jedoch nie wieder Urlaubshäuser gemacht. ›Haus Bräutigam‹ stand 2018 unmittelbar vor dem Abriss.

Träger • Haus Bräutigam e.#V. • Stiftung trias

Partner Zukunftswerkstatt Schwarzatal e.#V.

Förderer Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft: • Maßnahmen und Projekte der Regionalentwicklung und zur Gestaltung der Folgen des demografischen Wandels • Revitalisierung von Brachflächen

Planungsbeteiligte Haus Bräutigam e.#V.

IBA Projektstatus IBA Projekt seit September 2019

IBA Projektleiterin Ulrike Rothe

Das Haus muss dazu allerdings gründlich instand- len die Fassade, das Dach, der Innenausbau sowie gesetzt und ein Stück weit modernisiert werden, der Garten folgen. Der Umbau selbst soll als Mo- wenn auch vorsichtig und ohne den historischen dellprojekt für die ressourcenschonende Umnut- Originalbau aus den Augen zu verlieren. Dies ge- zung eines historischen Fachwerkhauses dienen schieht seit 2019 in kleinen Schritten, ohne großes und anderen Mut machen, ähnliches zu versuchen. Eigenkapital und hauptsächlich in Eigenleistung Neuen Mut brauchte auch das ›Haus Dösch- der Vereinsmitglieder. Zusätzlich konnten Förder- nitz‹. Denn dort war der ›Probeurlaub‹ 2019 zu gelder akquiriert werden, um Anbauten zu entfer- Ende und unklar, wie es weitergehen könnte. Die nen und so das historische Fachwerk wieder frei- Gemeinde wollte das Haus abgeben, aber es man- zulegen. Die Fördermittel decken die Kosten zu gelte an Interessenten mit guten Nutzungsideen. knapp zwei Dritteln, ein solches Projekt benötigt Die IBA aktivierte ihr Netzwerk und auf verschlun- vor allem großen Enthusiasmus. Als nächstes sol- genen Wegen kam es zu Gesprächen mit dem

32 IBA THÜRINGEN MAGAZIN!#7 Architekten Hannes Langguth — ein Berliner mit für soziale und ökologische Ziele von Bau- und Wurzeln im Thüringer Wald und bereits eingebun- Wohngemeinschaften, sie hilft bei Projekten den in andere IBA Projekte (siehe ›Her(R)bergs- mit Fachwissen und einem Netzwerk, bei Bera- kirchen Thüringer Wald — Vom Pilotprojekt zur tung und Finanzierung. Vor allem aber kann sie aktiven Regionalentwicklung‹, S. 74). Wie bei mit ihrem Vermögen Grundstücke erwerben und ›Haus Bräutigam‹ wurde auch hier 2020 ein Ver- dauerhaft einer bestimmten Idee zur Verfügung ein gegründet, der ›Haus Döschnitz e.#V.‹, der in- stellen, solange die sich mit den Stiftungszie- zwischen 15 Mitglieder aus Berlin und Weimar len deckt. Mit der Trennung von Hausbesitz und fasst — viele mit Anbindung an verschiedene Grundstückseigentum wird der Boden der Speku- Universitäten, die das Haus als Forschungs- und lation entzogen — für die Nutzergruppen entsteht Seminargebäude nutzen werden. Diese junge eine langfristige Sicherheit: Die Stiftung überlässt Gruppe steht repräsentativ für eine neue Bezie- den Nutzerinnen und Nutzern die Grundstücke hung von Stadt und Land. Sie wollten das Haus im sogenannten Erbbaurecht — die beiden Ver- in Nutzung nehmen, zugleich wollte die Gemein- träge im Schwarzatal laufen über 99 Jahre. Nach de es in langfristig sichere Hände abgeben. Auch Abschluss der Sanierung wird ein der Nutzung in Schwarzburg wollte die Zukunftswerkstatt angepasster jährlicher Erbbauzins vereinbart, nicht dauerhaft Eigentümerin von ›Haus Bräuti- der dem neu gegründeten ›Sondervermögen gam‹ bleiben, aber dennoch die Gemeinnützig- StadtLand Thüringen‹ für seine gemeinnützigen keit sichern. Zwecke insbesondere im Schwarzatal zur Verfü- gung steht. Über die Verwendung der Mittel ent- scheidet ein Gremium, welches sich derzeit aus Ver treterinnen und Vertretern der Stiftung, der Häuser im Sondervermögen sowie der IBA Thü- ringen zusammensetzt. Mit der Trennung von Hausbesitz Es ist ein Deal auf Augenhöhe: Die Haus- und Grundstückseigentum besitzerinnen und -besitzer verzichten darauf, dass ihnen zugleich auch das Grundstück gehört. wird der Boden der Spekulation Sie gewinnen für ihre Zeit, Arbeit und ihr Geld entzogen und für die Vereine eine solidarische Bodeneigentümerin als Partne- entsteht eine langfristige Sicher- rin, die mit darauf achtet, das Konzept langfris- tig zu sichern, und welche die Erträge gemein- heit: Die Stiftung trias überlässt nützig verwendet. »Wir ticken eben anders als ihnen die Grundstücke im eine Bank«, sagt Rolf Novy-Huy, Mitbegründer sogenannten Erbbaurecht. und Geschäftsführer der Stiftung. Anders als eine Bank interessiere sich die Stiftung weniger für Lage und Wert der Gebäude und Grundstü- cke, sondern für die Menschen und deren Ideen. »Unsere Auffassung ist es, dass da, wo es wirk- lich engagierte Menschen gibt, auch immer eine Zweimal Zukunft? Wirtschaftlichkeit herstellbar ist. Das ist der Sprit in der Maschine.« Aktuell unterstützt die trias Die Frage nach dem Eigentum und der finan- 49 Projekte im Erbbaurecht in ganz Deutschland, ziellen Verantwortung birgt für jede noch so mit allen möglichen Formen des Zusammenle- enthusiastische Gruppe eine gewisse Spreng- bens oder -arbeitens sowohl in Großstädten als kraft. Als Eigentümerin oder Eigentümer trägt auch auf dem Land. Dabei reicht die Spanne von man im Falle des Scheiterns das finanzielle Risi- der Seniorenwohngemeinschaft auf einem alten ko. Und wird man nur Nutzerin oder Nutzer, dann Bauernhof in Niedersachsen über Seminarzen- stellt sich die Frage nach Pacht oder Miete sowie tren, Naturkostläden oder Selbsthilfe- und Be- die damit verbundenen Unsicherheiten für die Zu- gegnungsstätten in Mannheim, Potsdam, Seelow kunft: Was, wenn die Idee so erfolgreich ist, dass oder Zierenberg bis hin zum digital vernetzten Haus und Grundstück im Wert steigen? Werden Landgut in Brandenburg. dann genau jene Leute vertrieben, die mit ihren Die Stiftung findet Gleichgesinnte vor allem Ideen und ihrem Einsatz die Wertsteigerung erst in den urbanen Zentren, da stimmt Novy-Huy in Gang gesetzt haben? In den Städten ist dieser zu. Dort liegen etwa zwei Drittel aller Stiftungs- Prozess als ›Gentrifizierung‹ bekannt. Zwar kann projekte. »Der Verzicht auf das persönliche im Schwarzatal davon (noch) keine Rede sein, Eigen tum ist für viele Menschen immer noch eine aber niemand weiß, was die Zukunft bringt. Und überraschende und unkonventionelle Idee«, sagt auch Experimente brauchen, wenn sie ernst ge- er, und auf dem Land sei die Bereitschaft, alter- meint und langfristig angelegt sind, eine gewisse native Wege einzuschlagen, doch etwas weni- Sicherheit, um ihre Kraft voll entfalten zu können. ger groß. Da kann eine Entwicklungsdelle wie im Wieder helfen Gespräche und Kontakte. Die Schwarzatal durchaus förderlich sein, um in mehr IBA ist schon lange mit der gemeinnützigen Stif- Menschen die nötige Aufgeschlossenheit zu we- tung trias in Kontakt. Die Stiftung engagiert sich cken — die Krise als Chance zum Umdenken, zum

AUS DEN IBA PROJEKTEN 33 Beschreiten neuer Wege. »Ich sage immer, unse- können sie sich gegenseitig unterstützen. Dann re Projekte sind wie Kunst«, schmunzelt Novy- können die Projekte, die vielleicht gerade in einer Huy: »Die Leute stehen davor und wundern sich: finanziell stabileren Phase sind, jene unterstüt- Warum machen die das?« So kämen die grauen zen, bei denen es vorübergehend einmal etwas Zellen in Bewegung. Die IBA hingegen versteht schlechter läuft. Die auf ewig angelegte gemein- sich dabei als Impulsgeberin und Multiplikatorin. nützige Stiftungsstruktur könne dazu beitragen, Marta Doehler-Behzadi, Geschäftsführerin der dass aus einem Scheitern kein Absturz wird, so IBA Thüringen: »Auf demografisches Wachstum Novy-Huy. Dabei ist das ›Sondervermögen Stadt- und herkömmliche Investoren kann der ländliche Land Thüringen‹ nicht auf das Schwarzatal be- Raum Thüringens selten zählen. Daher müssen grenzt, ausdrücklich sind Projekte aus ganz Thü- wir neue Wege für Eigentums-, Betreiber- und ringen willkommen. Diese dienen im Zuge der Entwicklungsstrukturen finden, um es Initiativen IBA als ›Musterhäuser‹, aber ganz anders als die zu ermöglichen, ihre Vorhaben umzusetzen und allseits bekannten Musterhäuser der Fertighaus- das StadtLand nachhaltig zu entwickeln.« hersteller. ›Haus Bräutigam‹ und ›Haus Döschnitz‹ zeigen, dass es auch alternative Möglichkeiten im Umgang mit dem Bestand gibt als Kauf, speku- Eine kreative Immobilienwirtschaft lative Verwertung oder Abriss. So kommen die grauen Zellen tatsächlich in Bewegung. Auf ein- Was viele Menschen eben nicht oft zu sehen be- mal ist der Horizont im engen Tal der Schwarza kommen, ist eine kreative Immobilienentwick- deutlich weiter geworden. lung, die sich und den Beteiligten neue Wege zutraut und insofern den Horizont erweitert. »Pioniertypen« seien da gefragt, so Novy-Huy, und im Schwarzatal sei für die Stiftung insbeson- dere die Verbindung von Akteurinnen und Akteu- ren aus den Städten mit der Aufgeschlossenheit der lokalen Gemeinden sehr überzeugend gewe- sen. Mit der IBA als Stifterin wurde das ›Sonder- vermögen StadtLand Thüringen‹ innerhalb der Stiftung trias aufgesetzt und die beiden Grund- stücke in Schwarzburg und Döschnitz aufgenom- men — ›Haus Döschnitz‹ erwarb die Stiftung für 20.000 Euro von der Gemeinde, ›Haus Bräuti- gam‹ wurde für symbolische 100 Euro von der Zukunftswerkstatt übertragen. Die Stiftung hat dabei zugleich Erbbaurechtsverträge mit den bei- den Vereinen abgeschlossen. So haben nun beide Experimente eine langfristige Sicherheit gewon- nen, um sich ausprobieren und entfalten zu kön- nen. Und bei aller Autonomie bleiben die beiden Häuser über das Sondervermögen als Netzwerk verbunden und werden sich und weiteren Projek- ten auch in Zukunft helfen können. Natürlich existiert bei allem Enthusias- mus auch immer die Möglichkeit des Scheiterns, räumt Novy- Huy ein. »Wir sagen den Gruppen im- mer, dass es bei solchen Projekten nicht um ei- nen schnellen Sprint geht, sondern um einen Ma- rathon.« Man müsse sich die Kräfte einteilen. »Wir sind bei der Stiftung grundsätzlich Optimisten, aber keine Träumer. Das Scheitern gehört zum Experiment dazu.« Allerdings: Je mehr Projek- te im Sondervermögen ankommen, desto besser

Die historisch und architektonisch besonderen beiden ›Sommerfrische Häuser‹ sind keine allseits bekannten Musterhäuser wie bei Fertighausherstellern, sondern Vorbilder einer neuen Immobilienwirtschaft.

34 IBA THÜRINGEN MAGAZIN!#7 Je mehr Projekte im Sonder- vermögen ankommen, desto besser können sie sich gegenseitig unterstützen.

Gemeinsam haben die Vereinsmitglieder Möbel und Fußböden entfernt, Wände freigelegt und faulende Balken repariert oder ersetzt. Seit September 2019 ist ›Haus Bräutigam‹ auch ein Projekt der IBA.

An unconventional property development model StadtLand Thüringen Special Fund Wild and romantic is how ’s tourism long vacant ‘Sommerfrische’ houses that will be agency describes the Schwarzatal, one of the renovated and revitalised as meeting places for oldest nature conservation areas in . But guests from near and far. Both projects are initia- the population and economy of the valley have tives by groups of young people and in late 2020 been in decline for years and to revive its for- they qualified for support from the newly estab- tunes, initiatives from within as well as outside lished special fund ‘Sondervermögen StadtLand the valley have been coming up with new ideas. Thüringen’ set up by the IBA Thüringen and Stif- One of these is a creative approach to saving the tung trias. characteristic ‘Sommerfrische’ architecture of The Stiftung trias is a foundation committed half-timbered houses with their characteristic to supporting the social and ecological goals of roof forms, oriels and corner towers and fre- communal building initiatives. It uses its assets quently ornamental verandas, balconies and to acquire land and secure it permanently for a glazed conservatories. These idyllic buildings, specific purpose. By strategically separating land emblematic of the German Romantic period, use and land ownership, it removes it from the characterised entire streetscapes when the cool cycle of property speculation creating long-term climes of the Schwarza valley flourished as a sum- security for its users. Through a form of leasehold mertime holiday destination. arrangement called heritable building rights, the After the peaceful revolution of 1989, how- users can secure its use for up to 99 years. After ever, tourism in the region collapsed almost en- completion of the redevelopment, an annual lease tirely. Many residents left and the buildings and is agreed that is appropriate to its proposed use. guest houses that once brimmed with life stood The newly founded special fund is available for empty. To stem the exodus and attract new resi- projects with a non-profit, community-oriented dents, the valley needs a new perspective. focus, and is especially designed to bring vacant Numerous ideas are in development or are property back into use to strengthen regions like being implemented in the region by local commit- the Schwarzatal. ted citizens, often with outside help. The annual It is a deal of equals. Unlike a bank, the foun- ‘Sommerfrische Open Day’, for example, is a col- dation is less interested in the location and value lection of events organised since 2015 through- of the buildings and land than in the people and out the valley in which its heritage can be visited. their ideas. This is ideal for rural areas of Thur- Six projects in the Schwarzatal have become IBA ingia where the demographic situation provides projects. Of these two are small, old houses that little incentives for conventional investors. As a in other circumstances might seem unremarkable consequence, new forms of ownership, new op- but here are examples of the past heritage and fu- erating models and new development concepts ture potential of such summer resort architecture are required. in the valley. The ‘Haus Bräutigam’ in Schwarz- burg and ‘Haus Döschnitz’ in Döschnitz are both

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