„Innere Und Äußere Einflussgrößen Auf Die Entwicklung Von Bildungsmerkmalen Der Kinder- Und Jugendsportschulen Der DDR Während Und Nach Der Wende Von 1989/1990“
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„Innere und äußere Einflussgrößen auf die Entwicklung von Bildungsmerkmalen der Kinder- und Jugendsportschulen der DDR während und nach der Wende von 1989/1990“ Vom Fachbereich Sozialwissenschaften der Technischen Universität Kaiserslautern zur Verleihung des akademischen Grades Doktor der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte D i s s e r t a t i o n vorgelegt von Rüdiger Barney aus Berlin Tag der mündlichen Prüfung: 10. Juli 2018 Dekanin: Prof. Dr. Shanley Allen Vorsitzende: Jun-Prof. Dr. Mandy Rohs Gutachter: 1. Prof. Dr. Arne Güllich 2. Prof. Dr. Michael Fröhlich D 386 2018 Zusammenfassung Die Kinder- und Jugendsportschulen zählen ohne Zweifel zu den interessantesten Ein- richtungen im Bildungswesen der DDR. Einige der Strukturmerkmale dieser Spezial- schule sind zu Stellgrößen der jetzigen Eliteschulen des Sports geworden. Der historische und sportwissenschaftliche Diskurs zur Thematik „Kinder- und Jugend- sportschulen“ leidet jedoch bis heute an den Folgen der jahrelangen Abschottung dieser Schulen durch die Verantwortungsträger der DDR bis in die Wendezeit hinein. So sind einige bisher nicht kommunizierte Nebenbefunde zu erklären, die die innere Struktur des Sportschulsystems betrafen. Bemerkenswert war hier vor allem, dass die Kinder- und Ju- gendsportschulen eine ungleiche Behandlung vonseiten des Staates akzeptieren mussten. Auch die Omnipräsenz und Machtstellung des Trainers war in dem festgestellten Ausmaß nicht bekannt. Gegenstand der Forschungsarbeit war, die Entwicklung von Bildungsmerkmalen wie Lerninhalten, Lernbedingungen und Kompetenzentwicklung an den Schulen während der Wendephase von 1989/90 auszuleuchten, Stimmungen einzufangen, quellengestützt zu rezipieren und innere und äußere Einflüsse auf die Bildungsmerkmale zu beschreiben. Im Kontext der Analyse stand auch die Frage, was die Protagonisten* in den Monaten der Wende hätten verändern können oder wollen, bzw. ob der gesellschaftliche Wandel an den Kinder- und Jugendsportschulen überhaupt thematisiert worden war. Dazu wurden Aktenbestände des Bundesarchivs und anderer einschlägiger Archive der DDR-Geschichte gesichtet, Dokumente verglichen und verarbeitet. Die daraus gewonne- nen Erkenntnisse konnten durch das Auswerten narrativer Leitfadeninterviews im Sinne einer deduktiven Kategorienbildung ergänzt, verifiziert, falsifiziert und in Teilen relati- viert werden. Es standen 33 Interviewpartner zur Verfügung. Die Zeit des Umbruchs verlief in den Schulen der DDR, so auch in den Kinder- und Ju- gendsportschulen, weitgehend „geräuschlos“. Während sich im ganzen Land Demonstra- tionen aufbauten und die Bevölkerung die politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zog, wurde in der Schule weiter „nach altem Muster“ unterrichtet. Dies galt in besonde- rem Maße für die Kinder- und Jugendsportschulen, die sich wegen ihrer sportlichen Er- folge und ihres nationalen Renommees offenbar lange von der vorgebrachten Kritik am Staat DDR nicht tangiert fühlten. Obwohl die Steuerungsmechanismen des Staates mit seinen gleichgeschalteten Organi- sationen zunehmend verblassten und die auf die KJS einwirkenden äußeren Einflüsse da- mit zurückgedrängt wurden, konnte nur an wenigen dieser Schulen ein Wandel im Sinne einer Besinnung auf die neuen Anforderungen nachgewiesen werden. Durch den Wegfall vieler äußerer Einflussgrößen entstand an den Schulen im Verlauf der Wende ein Aktionsvakuum, das durch eine verstärkte Hinwendung der Verantwortlichen vor Ort zu den inneren Einflussgrößen hätte gefüllt werden können. Dies vor allem auch mit Blick darauf, dass neue, durch die föderalen Strukturen bedingte Einschränkungen *Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Untersuchung bei der Verwendung von Gattungsbegriffen auf eine durchgängige Differenzierung zwischen den beiden Geschlechtern verzichtet. Zusammenfassung erst einige Monate zeitversetzt nach der Vereinigung zum Tragen kamen und insofern nicht hinderlich gewesen wären. Noch das gesamte Schuljahr 1990/91, das im DDR-Schulrecht begann, dann mit dem 3. Oktober 1990 in die Verantwortung der neuen Länder der Bundesrepublik Deutschland überführt wurde, unterrichtete man nach den überkommenen Bildungsmerkmalen, die auf die Ausbildung der sozialistischen Persönlichkeit ausgerichtet waren. Von der historischen Chance, den Aufbruch im Lande auch für einen Wandel in der Or- ganisation Schule zu nutzen, wurde kaum Gebrauch gemacht. Dies kann für die Kinder- und Jugendsportschulen in besonderem Maße konstatiert werden. Es muss besonders er- staunen, dass sich die Vertreter der KJS auch nicht in die Gespräche des „Runden Tischs des Sports“ einbrachten, um dort ihre Interessen zu vertreten. Von Schließungen bedroht entwickelten die Kinder- und Jugendsportschulen nach der Vereinigung Aktivitäten in vielerlei Richtungen mit unterschiedlichen Erfolgen. Letztlich konnten sie erhalten werden, weil sich die einflussreichen Sportverbände der alten Bun- desrepublik massiv für deren Erhalt eingesetzt hatten. Das schuf aber auch neue Loyali- täten und Abhängigkeiten. Vielleicht hat sich die auslaufende Kinder- und Jugendsportschule durch eine allzu pas- sive Haltung im Wendeprozess und durch angepasste und stark sportloyal ausgerichtete Startaktivitäten im neuen Gesellschaftssystem nach 1990 ihrer potentiellen Möglichkei- ten beraubt. Statt sich zeitig auf mögliche Perspektiven zur gewandelten Entwicklung unter veränder- ten gesellschaftlichen Bedingungen zu konzentrieren, vertraute sie weiterhin dem Ge- wicht der Sportorganisationen und begab sich somit erneut und bis heute in deren unmit- telbare Einflusssphäre. Abstract Das Ziel der Studie war es, die Reaktionen der Protagonisten an den Kinder-und Jugend- sportschulen der DDR auf die gesellschaftlichen Veränderungen der Wendejahre zu eru- ieren. Es sollte herausgefunden werden, inwieweit diese Ereignisse die Bildungsmerk- male beeinflussten. Dazu wurden historische Archivdokumente analysiert und in 28 qua- litativen Interviews 33 Zeitzeugen befragt. Eine wesentliche Erkenntnis war, dass die Ar- beit an den KJS bis in das Jahr 1991 hinein nahezu unverändert fortgeführt wurde. Durch eine partielle Ausdehnung der Thematik auf die heutigen Eliteschulen des Sports leistet der Text einen Beitrag zur Diskussion über den Leistungssport in Deutschland und dessen Spezialschulen. Die Arbeit richtet sich neben Wissenschaftlern an leistungssportlich und bildungspoli- tisch interessierte Eltern, Pädagogen, Trainer und Verantwortungsträger. Schlüsselwörter Kinder- und Jugendsportschule der DDR * DDR-Leistungssportsystem * DDR-Bildungs- system * Trainer im Hochleistungssport * Pädagogen an Sportschulen Summary “Child and Youth Sports Schools” are one of the most interesting types of establishment in the education system in the German Democratic Republic (GDR). Some of the struc- tural characteristics of these specialist schools have since become established features of modern elite sports schools. Even today, however, discussions of “Child and Youth Sports Schools” in history and sports science are hindered by the veil of secrecy drawn over them by the GDR authorities for many years, up to and including the transition period of the German reunification (‘ Die Wende’) . For this reason, some of our findings concerning the internal structure of the sports school system had previously gone unreported. It should be noted that Child and Youth Sports Schools were not accorded equal treatment by the state. Indeed, our research demonstrates that the omnipresence and power of their trainers reached levels that have not previously been described. The goal of this thesis was to shed light on the development of the educational character- istics such as learning content, learning environment and competency development of these schools during the Die Wende period of 1989/90, capture the mood of the time, interpret insights offered by our sources, and describe internal and external influences on the aforementioned educational characteristics. The study also examines the changes that their leaders could have made or might have wanted to make in the months of Die Wende and whether those changes transforming society as a whole were addressed in any shape or form by the Child and Youth Sports Schools. Our research involved examining records in the Federal Archives and other relevant GDR historical archives, and comparing and analysing numerous documents. Its results have been supplemented, verified/refuted and in part qualified through the analysis of a series of narrative, guided interviews, which allowed us deductively to establish categories. In total, a number of 33 people were interviewed. During Die Wende , schools in the GDR – including the Child and Youth Sports Schools – largely adopted a business-as-usual attitude. While demonstrations were gathering mo- mentum all over the country and people were calling their political leaders to account, the schools carried on teaching the same old curriculum. Nowhere was this more the case than in the Child and Youth Sports Schools, whose sporting achievements and nationwide prestige clearly rendered them immune from the widespread criticism of the GDR regime for a long time. The politically controlled organisations through which the state imposed its authority were increasingly losing their power, and with this decline, external influences on the Child and Youth Sports Schools were waning. Notwithstanding, very few of these schools showed any concrete signs of adapting to this new situation. The disappearance of many previous external influences created a vacuum in the schools