Kultur Finger, die sehen können Nahaufnahme: Im Theater der Kreisstadt Itzehoe zeigt der Cellist Danjulo Ishizaka, 27, ein Können, mit dem er die Welt erobern wird.

er Künstler, der in London, Paris nisch perfekten Streicher überragt, die den Hochschule „Hanns Eisler“ in Berlin den und Tokio und der noch immer Klassikmarkt derzeit regelrecht über- letzten Schliff im Handwerklichen und wird Dirgendwie legendären Carnegie schwemmt und die Suche nach dem Aus- in Richtung der Moderne beeinflusst. Ei- Hall in New York aufgetreten ist, hat an nahmetalent so notwendig und spannend nen Namen macht er sich bei Wettbewer- diesem Abend sein Debüt im Theater der macht: Er ist jenes Ausnahmetalent. ben, 2001 gewinnt er den ersten Preis beim norddeutschen Kreisstadt Itzehoe. Und das Über Ishizakas Technik braucht man ARD-Musikwettbewerb in München, 2002 Konzert ist noch nicht einmal ausverkauft. wenig zu reden, sie scheint vollendet. Es den Grand Prix der Es ist ein Knochenjob. Am Studiodach überzeugen: seine Ernsthaftigkeit, eine . Neben dem klassischen brummen leise die Scheinwerfer. Auf den Nervosität und Tiefe der Empfindung, die Repertoire (Haydn, Schumann, Dvoºák, fünf Stuhlreihen hat jene Itzehoer Bil- niemals nur dem Wohlklang und dem be- Tschaikowski) etabliert sich Ishizaka als dungselite – vorwiegend über 60, beige- rauschenden Gefühl verpflichtet sind, son- Spezialist für die gemäßigte Moderne, für farben gekleidet – Platz genommen, die dern einer tieferen Wahrheit, dem Klang Schostakowitsch, Penderecki, Witold Lu- an diesem Abend bereit ist, einmal nicht toslawski. Einen , fernzugucken, sondern sich für einen klas- etwa die C-Dur-Sonate, versteht sischen Konzertabend zu interessieren: der Cellist so vorzutragen, dass Schuberts A-Moll-Sonate, Zoltán Kodálys dieser nicht gerade einfache Kom- B-Moll-Sonate, Stücke von Anton Webern, ponist gleich beim ersten Hören Brahms, Chopin zum Ausklang. eine Offenbarung wird. Vor dem Konzert hatte der Cellist sich 2003 spielt Ishizaka bei Rostro- beeilt zu erklären, dass es für ihn keinerlei powitsch vor, den der Schüler als Unterschied mache, ob er vor einigen Itze- „dem Leben zugewandten Künst- hoern oder einigen hundert in New York ler“ und als Vaterfigur verehrt, spiele: „Wir treten an, um die Musik zum und wird von ihm für seine Ge- Leben zu erwecken.“ Und nun stürmen burtstagstournee im März dieses der Cellist Danjulo Ishizaka, 27, und sein Jahres ausgewählt (eine Tournee, Begleiter José Gallardo, 37, vom Studio- die der Todkranke nicht mehr an- eingang zur Bühne, als wären es die Bret- treten konnte). Demnächst wird ter der Welt, und legen los. Ishizaka beim Movimentos-Festi- Ist ja klar, dass sich die Brillanz des kom- val in Wolfsburg auftreten (20. menden Cellisten, den der jüngst verstor- Mai), im September geht es mit bene -Großmeister Mstislaw Rostro- dem Royal Philharmonic Orches- powitsch als seinen legitimen Nachfolger tra London unter gesehen hat („phänomenal in seinem tech- auf Osteuropa-Tournee. nischen Können, vollendet in seiner musi- Auffällig ist, dass der junge Cel- kalischen Gestaltungskraft“), hier in Itze- list kaum ein Debüt geben kann, hoe besser überprüfen lässt als auf den so- ohne von Orchester und Dirigent genannten Brettern der Welt. gleich zu weiteren Konzerten ein- Sein Cello, dieses breite, braune, wohl- geladen zu werden: Nachdem der geformte Instrument – Ishizaka spielt eine Cellist Pendereckis Suite für Vio- Stradivari von 1696, die ihm die „Nippon loncello gespielt hatte, schrieb der Music Foundation“ zur Verfügung gestellt Meister ihm einen Dankesbrief –

hat – schwebt zwischen seinen Knien, und (O.) (L.); M. RUFFKARO / GRAFIKFOTO.DE / IMAGO seither, so heißt es, sitzt der große auffällig locker, geschmeidig, fast raubtier- Cello-Virtuose Ishizaka: Ernsthaftigkeit und Tiefe polnische Komponist an einem haft zupackend sind die Bewegungen, mit Konzert, das er Danjulo Ishizaka denen der Cellist sein Instrument zum Sin- hinter dem Klang. Das hört man, und das widmen wird. So macht der Sohn sich also gen bringt. Mit dem ersten Aufsetzen des hören nun auch die 30 Itzehoer – Ishizaka allmählich auf den Weg seines Übervaters Bogens auf den Saiten haben sich die Augen scheint sie längst vergessen zu haben. Sein Rostropowitsch, dessen Geist und Können hinter seinen Brillengläsern geschlossen, die Ausdruck geht nach innen. Bei Weberns Komponisten wie Prokofjew, Britten und Unterlippe tritt hervor. Man sieht: Die klas- Sonate reißt die Saite – kurze Unterbre- Schostakowitsch zu über hundert Musik- sische Musik bringt eine ganz eigene Sorte chung, was die Itzehoer natürlich auch auf- stücken inspiriert haben. Freak, der in die eigene Innerlichkeit weg- regend finden. Nach der Bach-Zugabe wird Nach dem Konzert in Itzehoe stellt sich getreten ist, hervor. Wie trifft der Cellist der Cellist sich selber aufwecken müssen. der Cellist vor eine Plastikplane mit seinem den Ton auf den Saiten, wenn seine Augen Ishizaka, 1979 als Sohn eines Japaners Konterfei, signiert seine Debüt-CD und doch geschlossen sind? Ach so, des Cellisten und einer Deutschen in Bonn geboren, schüttelt Hände: „Ich hoffe, es hat Ihnen Fingerkuppen können sehen. wusste schon mit vier, dass er Cellist werden Spaß gemacht, einen schönen Abend Nach circa fünf Minuten hängt eine Sai- wollte. Nach Kammermusik-Auftritten mit noch.“ Staunende Itzehoer. Das, verehrte te in Fetzen, und schon ist klar, warum seinen Geschwistern erfährt er von seinem Kreisstadt, wird man hier in Zukunft nicht dieser junge Cellist die Masse jener tech- Lehrer Boris Pergamenschikow an der mehr erleben. Moritz von Uslar

186 der spiegel 19/2007