DIE MONATSZEITUNG FÜR SELBSTORGANISATION

POSTFACH 10 45 20 – 69035 HEIDELBERG E-MAIL: [email protected] 27. JAHRGANG 50 309 Juni 2010 4

AUS DEM INHALT: MITGLIEDERFÖRDERUNG STATT KOMMERZIALISIERUNG GENTRIFICATION Im Laufe des Jahres 2009 hat sich in Hamburg eine vielfältige und breite Bewegung gebildet, die sich ge- gen Prozesse der Gentrifizierung und Stadtumstruk- Kulturgenossenschaften turierung richtet und ein »Recht auf Stadt« einfor- dert. Die zahlreichen Initiativen, die sich u.a. aus KünstlerInnen, Kleingärtnern und Teilen der außer- Leuchttürme zukunftsfähiger Kultur parlamentarischen Linken zusammensetzen, haben es nicht nur geschafft, über Besetzungen, Manifeste und Störaktionen eine große Öffentlichkeit herzustel- Die Kultur in Deutschland befindet sich im Umbruch. Im weiteren Teil des Schwer- len, sondern bereits jetzt erste konkrete Erfolge er- Das ist immer der Fall, bedingt durch den ständigen punkts geht es um die Darstel- zielt. Ein Überblick über die Konfliktfelder der Stadt. kulturellen Wandel aller modernen Gesellschaften. lung praktischer Beispiele. Der (Teil 1) Seite 3 Zusätzlich wird der gegenwärtige Umbruch aber Einstiegerfolgt anhand einer Ge- massiv verschärft durch anstehende erhebliche nossenschaft mit Tradition, der REGIONALENTWICKLUNG Künstlergenossenschaft »Kunst Kürzungen in weiten Teilen der Kultureinrichtungen. Prima leben, ohne einen Euro in der Tasche? Gerade Privatisierungen, Sponsorensuche und + Bau« in Dresden. Immerhin in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise nimmt das hat sie bereits ihr 50jähriges Be- Interesse an Alternativen zum traditionellen Geldsy- unterschiedliche Formen der Kommerzialisierung stehen gefeiert. Gegründet wur- sind die Folge. Lassen sich dafür nicht andere Formen stem wieder zu. Neben den »geldlosen« Tauschringen de sie im Sommer 1958 von ei- sind in Deutschland vor allem Regionalwährungen ver- finden? Könnte in vielen Fällen nicht auch ner handvoll Künstler, die gera- breitet. Der »Chiemgauer« in den Landkreisen Traun- bürgerschaftliches Engagement eine Alternative zum de ihr Studium beendet hatten. stein und Rosenheim ist eine davon. (Aus-)Verkauf kultureller Einrichtungen sein? Sie suchten zielstrebig nach Ar- Das »Dessauer Modell« basierte auf insgesamt 4 Re- Kulturgenossenschaften wären eine solche denkbare, beitsorten und -möglichkeiten, gionalgesellschaften, die seit August 2001 in Dessau in Deutschland bisher stark vernachlässigte um ihr Können anzuwenden gegründet wurden. Unternehmerring, Verrechnungs- Perspektive. Der vorliegende Schwerpunkt ist eine und um sich an den großen Ver- konten, Regionalgeld, Regiocard, Tauschring, Regio- erste Annäherung an dieses Thema. änderungen und dem Aufbau nalladen, ein eigenes Gebäude, Feste, Märkte, Konfe- der Kultur im Lande zu beteili- renzen. Ein Jahrzehnt prall gefüllt mit regionalen Ak- tivitäten und dem Versuch einer Regionalentwick- gen. Ergänzt wird dieses Beispiel Burghard Flieger, Red. Genossenschaften Dem Be- durch die gegenwärtig älteste lung von unten (vgl. CONTRASTE 277, Oktober griff Kulturgenossenschaften kann ein breites 2007). noch bestehende Kulturgenos- Im Sommer 2009 mussten 3 der 4 Gesellschaften In- Spektrum in sehr unterschiedlichen Bereichen senschaft in Deutschland, dem wirtschaftlich tätiger Genossenschaften zugeord- solvenz anmelden. Damit ist der erste Anlauf erst ein- »Theater Ansbach – Kultur am mal gescheitert. Für CONTRASTE sprach Elisabeth net werden, deren Mitglieder oder Beschäftigte Schloss eG«. Sie blickt auf das Voß mit Rolf Walther aus Dessau. Seite 5 und 6 dem kulturellen Sektor zuzurechnen sind. Inso- stolze Gründungsdatum 1919 fern beinhaltet die Bezeichnung Kulturgenossen- zurück. ANTIFASCHISMUS schaften eine Zuordnung zum Kultursektor, in Der singende Mann (1928), Ernst Barlach, Kunsthalle zu Kiel – wurde mit der Software der dem diese Genossenschaften wirtschaftlich agie- Kulturgenossenschaft »digiCULT« erfasst. Die Bilder werden im Internet u.a. auf www.museen-nord.de publiziert. Mitte der 80er Jahre hat der Filmemacher Bernhard ren. Unterscheiden lassen sich u.a.: Sinkel ein düsteres Kapitel deutscher Industrie-Ge- schichte aufgeschlagen und sich in einem TV-Mehr- schaften Leistungen beziehen oder einbringen, die Unterstützungsstrukturen 1. Kulturgenossenschaften bürgerschaftlichen der ergänzenden Unterstützung ihrer wirtschaftli- teiler dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Kon- Engagements, chen Tätigkeit oder ihrer Reproduktion bzw. ihres Nach der Tradition stehen aktuelle Gründungen zern IG FARBEN gewidmet. Nun ist das Werk auf DVD 2. Professionelle Kulturgenossenschaften sowie Kulturkonsums im weitesten Sinne dienen. im Mittelpunkt. Unter den Ansätzen mit bürger- erschienen. Seite 12 3. Genossenschaftliche Unterstützungseinrich- schaftlichem Engagement kommt dem gemein- tungen für Kultur. nützigen Programmkino Aalen eG, einer ehren- SINTI & ROMA Beispiele mit Tradition Nur die professionellen Kulturgenossenschaften amtlichen Kinogenossenschaft, die Vorreiterrolle Geld macht nicht glücklich. Das bewies bereits 1974 können produktivgenossenschaftlichen Charakter Der Schwerpunkt Kulturgenossenschaften startet zu. Sie »reizt« bereits in mehreren Städten zur der US-Ökonom Richard Easterlin, der unlängst den aufweisen, während der stärker verbreitete hilfsge- mit einem Hintergrundsaufsatz. Dieser geht auf Nachahmung. Von den genossenschaftlichen Un- mit 50.000 Euro dotierten Forschungspreis für La- nossenschaftliche Charakter für alle drei Ansätze terstützungseinrichtungen für Kultur werden die bor Economics vom »Institut zur Zukunft der Ar- mögliche Hintergründe für das erwachende Inter- beit« erhielt. Glück, so sein Fazit, werde nicht durch in Frage kommt. esse an dem Thema Kulturgenossenschaften ein. Genossenschaften » Music Commission« und »digiCULT-Verbund« dargestellt. Erstere ver- das Anhäufen von Geld erreicht, sondern durch das Produktivgenossenschaften sind es, wenn zu- Gleichzeitig werden erste sich abzeichnende so genannte Social Business. Sein Glück vermehrt mindest ein nennenswerter Teil der Mitglieder Schwerpunkte bei den bisher vorhandenen Kultur- steht sich als übergreifendes Netzwerk der Musik- demnach, wer sich für das Glück anderer interes- auch Beschäftigte der Genossenschaft sind oder genossenschaften aufgezeigt. Naheliegenderweise und Veranstaltungsbranche . Die »digi- siert. Überprüfen wir einmal Easterlins Theorie und über diese regelmäßig bezahlte Arbeit erhalten, hängt die Zuordnung auch von dem jeweiligen CULT« entwickelt für Museen in Schleswig-Holstein wenden uns dem Glück einer ganz anderen Gruppe die nicht in irgendeiner Form der Selbständigkeit Kulturverständnis ab: Wie weit oder wie eng wird ein digitales Gesamtkonzept zur Dokumentation der von Glücksökonomen zu: den Roma- / Zigeunerkul- oder Subunternehmerschaft ausgeführt wird. Der der Kulturbegriff gezogen? Sind Bildung und Qua- Museumsbestände. Kultur wird so für jedermann zu- turen. Seite 13 gänglich, eine Zukunftsaufgabe von Kulturpolitik. hilfs- oder fördergenossenschaftliche Charakter ist lifizierung oder Printmedien und Verlage dem Kul- www.contraste.org gegeben, wenn die Mitglieder über diese Genossen- tursektor zuzurechnen? Schwerpunktthema Seite 7 bis 10

ZENSUR DURCH WOHNUNGSGESELLSCHAFT SAGA D 8008 Träume brauchen Räume – Kein Tag ohne Infoladen! Dem Hamburger Infoladen- ka vom Infoladen. Daher habe man zwischen ihnen und dem SAGA-Verant- vid Kress, Vereinsvorstand. hilfe an. Der Infoladen ist somit Treff- Wilhelmsburg, der von der auch eine kritische Haltung zur Interna- wortlichen sei deutlich gesagt worden, Der vor drei Jahren gegründete Infola- punkt für Menschen, die sozial, politisch tionalen Bauausstellung 2013 (IBA), »dass sie uns hier nicht wollen«, berich- den-Wilhelmsburg wird von verschiede- und gesellschaftlich agieren wollen. Die »Initiative für ein soziales mit der der Senat Wilhelmsburg »aufwer- tet Narmin. Die SAGA sei »IBA-Koopera- nen jungen Leuten ehrenamtlich betrie- Kündigung beendet diese Form der sozia- Wilhelmsburg e.V.« getragen ten« will. Diese Begründung für eine Ge- tionspartner« und könne nicht zugleich ben. Die wöchentliche »KüfA – Küche len Kommunikation. Als Reaktion auf sinnungskündigung bestreitet die SAGA. den Infoladen in ihrer Immobilie dulden. für Alle» am Donnerstagabend funktio- diesen Eingriff der SAGA sind nun diverse wird, wurde die Räumlichkeit in Es gehe bei der Kündigung des 28 Qua- bunte Aktionen unter dem Motto »Träu- Auch ein Gespräch konnte jedoch kei- niert wie auch der gesamte Laden einzig der Fährstraße 10 durch die dratmeter großen Ladens um die Ver- mebrauchenRäume –kein Tagohne In- ne positive Wendung für den Infoladen über Spenden und Menschen, die sich ak- schandelung von Klinkerfassade und La- foladen« angekündigt, die auf die Situa- SAGA-GWG zum 30.06.2010 erwirken. »Die SAGA war nicht bereit, die tiv in diesem Raum betätigen. Dem Info- dentür mit Plakaten und Aufklebern. tion des Infoladens aufmerksam ma- Kündigung zurück zu ziehen. Vereine, laden-Wilhelmsburg liegt ein selbstorga- gekündigt. Wie auch in einem Nach einer erfolglosen Abmahnung chen sollen. Es wird einen Umsonst-Floh- die sich kritisch mit der IBA auseinander nisiertes Konzept zugrunde. Die Miete weiteren Beitrag auf den Seiten Ende November 2009 sei dann die Kündi- markt geben, eine Verlagerung der sonst setzen, werden keine Flächen mehr an- und sonstige Geldausgaben werden über gung ausgesprochen worden. Bei Gewer- im Infoladen stattfindenden KüfA – Kü- 3/4 über das Hamburger mieten können. Es ist vor dem Hinter- Mitgliedsbeiträge, Solidaritätsveranstal- bemietverträgen ist das ohne Begrün- che für Alle (veganes Essen gegen freiwil- Gängeviertel, geht es gegen grund der aktuellen stadtpolitischen Si- tungen oder Spenden finanziert. dung möglich. lige Spende) vor die SAGA-GWG-Zentrale Gentrifizierung. Und dieses tuation haarsträubend, wenn die städti- Trotz des beengenden Raumes treffen hierjunge Interessierte, Familien, Studie- in der Poppenhusenstraße und andere Narmin Pientka vermutet, dass ein sche SAGA nicht nur nicht ihrem Auftrag Orte, einen Stand am Hafengeburtstag, Engagement scheint zur kritisches Plakat im Schaufenster über des sozialen Wohnungsbaus nach- rende, Auszubildende, Kreative und Be- Kündigung geführt zu haben. rufstätige aufeinander und gestalten ge- Infoveranstaltungen im Infoladen und die Internationale Bauausstellung 2013 kommt, sondern auch noch bereits eta- ein großes Abschiedsfest. Die genauen und die fortschreitende Gentrifizierung blierte soziokulturelle Räume verdrängt. meinsam Outdoor-Kino-Vorstellungen, eine Free-Art-Ausstellung, Brunch, Info- Termine werden gesondert bekannt gege- im Stadtteil Wilhelmsburg Stein des An- Gleichzeitig ist der Senat mit der angebli- ben. Alle sind eingeladen, an den Aktio- Diego Cafés, Vorträge, verkaufen fair angebau- »Grund ist, dass wir unsim Netz- stoßes war. »Das Plakat muss jemand chen Aufwertung des Stadtteils beschäf- nen teilzunehmen. werk »Recht auf Stadt« gegen Gentrifi- von der SAGA zufällig gesehen haben«, tigt. Demokratische Prozesse werden ver- ten und gehandelten Kaffee und bieten zierung engagieren«, sagt Narmin Pient- sagt Narmin. Denn bei einem Gespräch hindert – das ist doch paradox!«, so Da- nicht zuletzt kostenlose Hausaufgaben- http://infoladen-wilhelmsburg.nadir.org 2 SEITE CONTRASTE INTERN/AKTUELLES JUNI 2010

EDITORIAL 33. BUKO-KONGRESS Rettungspakete Commons kontrovers Erst das Rettungspaket für die Banken, dann für den ten, sich auf Kosten der Menschen im »Rest der Welt« Beim 33. BUKO-Kongress in Tübingen, vom 13. bis senschaftswesen wurde der auch schon thematisiert.) Euro. Plötzlich ist Geld in unglaublichen Mengen da, komfortabel einrichten zu können. 16. Mai 2010, war Commons ein Ingo hat verschiedene Ansätze in der Debatte kriti- wo zunehmend Bruchteile dieser unvorstellbaren Mil- Der »globalen Enteignungsökonomie« kann siert. Commons wird wieder einmal als etwas Drittes liardensummen fehlten zur Sicherung von Grundbe- mensch nicht entgehen. Und ob es am Ende den Weni- Schwerpunktthema. Benni Bärmann und Ingo Stützle haben in einem Workshop kontovers diskutiert, ob neben Markt und Staat angesehen, damit wird für ihn dürfnissen wie Bildung, Gesundheit oder sozialer Inte- gen »da oben« gelingt, auf Kosten von Milliarden »da eine falsche Dualität zwischen Markt und Staat aufge- gration. Sind diese Geldmengen schon der Grab- unten« ihre Privilegien zu genießen, kann angesichts die Befassung mit dem Commons-Begriff uns macht. Der Markt braucht immer den Staat. Com- schmuck für ein Wirtschaftssystem, das sich in all sei- von Klimawandel, zunehmenden menschengemach- politisch weiterbringt. mons nutzen den Staat und das bürgerliche Recht. ner menschenverachtenden Brutalität am Ende selbst ten oder Naturkatastrophen und Terrorismus bezwei- Wer ist die Gemeinschaft? Gemeinschaft ist immer aus- auffrisst? Oder ist es nur ein weiterer Schritt zur Konso- felt werden. Denn auch die Schönen und Reichen Von Uli Barth, Kommune Niederkaufungen schließend. Wie wird das »wir« der Gemeinschaft kon- lidierung einer Marktwirtschaft, die sich zugunsten ei- sind nur sterbliche Menschen, die – ebenso wie alle Wozu brau- chen wir einen neuen Begriff? Wird es mit der Com- stituiert, als Herrschaftsform, als Nation oder als ein, niger Weniger die Ressourcen dieser Erde aneignet anderen auch – Schutz und Nahrung für ihren Kör- sich in Kämpfen bildendes, Konstrukt? Ausgangs- und die Masse der Menschen vom Lebensnotwendigen per brauchen, und auch Sinn und soziale Bezüge für mons-Diskussion nicht ähnlich gehen wie mit den Dis- kussionen um »Aneignung«, »Globale Soziale Rech- punkt sind für ihn konkrete Kämpfe, die sich schwer ausschließt? In welche Richtungen weisen diese Zu- Geist und Seele. Sie haben erstmal bessere Vorausset- te« oder »Existenzgeld/Grundeinkommen«? Wenn vereinigen lassen. ckungen der kapitalistischen Ökonomie, in der die zungen als andere, das Lebensnotwendige zu kaufen diese Diskussionen nicht mehr präsent sind, zeigt sich Benni sieht in den Commons die Möglichkeit einer Mehrheit der Menschen ihrer Existenzgrundlagen be- – aber nur, so lange es käuflich ist. darin für mich aber eher ein Medienproblem, die sichgegenseitig befruchtendenEntwicklung von Theo- raubt und entweder in Hunger und Elend vergessen, Die milliardenschweren Rettungspakete deuten be- Themen haben sich deshalb noch nicht erledigt. rie und Praxis, nur mit dieser Gegenseitigkeit kann es oder als Kriegsmaterial und Arbeitssklaven vernutzt reits an, was Geld letztlich ist: ein schöner Schein, ein Der Commons-Begriff ist offen oder negativ ausge- weitergehen. Praxis lässt sich für ihn nur mit einer ge- wird? vermeintliches Anrecht auf das, was die Märkte herge- drückt, verwaschen. Die Offenheit ermöglicht auch meinsamen Strategie reflektieren. Wobei eine gemein- Das sozialstaatliche Wohlstandsmodell war ein ben, so lange es einen gesellschaftlichen Konsens dar- mit anderen, jenseits der Grenze der eigenen Politsze- same Reflexion mit Liberalen und Konservativen aus schöner Schein für diejenigen, die an ihm teilhaben über gibt, wie Kauf und Verkauf an diesen Märkten ge- ne ins Gespräch zu kommen. Mir ist das zunächst sym- einer antikapitalistischen Sicht heraus sicher nicht konnten, weil sie zufällig in einer privilegierten Re- regelt sind. Geld an sich ist nichts, es ist Ausdruck so- pathisch, weil wir doch alle wissen, solange wir unter leicht wird. gion dieser Erde geboren waren. Das gute Leben der Ei- zialer Vereinbarungen und Beziehungen, nicht mehr uns bleiben, wird es schwer gesellschaftlich etwas zu Die Commonsdebatte zeigt, dass wesentliche Aspek- nen in den befriedeten Ländern des globalen Nordens und nicht weniger. Sobald es als schöner Schein ent- bewirken. Neben dem Horror, den manche damit ha- te des Lebens real anders organisiert sind als über wurde schon immer erkauft mit den Leiden der Ande- larvt und der Konsens über die Käuflichkeit der Welt ben mit Konservativen und Liberalen in einem Boot ge- Markt und Staat, sie kann einerseits diese Bereiche wie- ren in den ehemaligen Kolonien, die mit kriegeri- aufgehoben ist, taugen eingeschmolzene Münzen sehen zu werden, ist Aufmerksamkeit an dieser Stelle der mehr in den Fokus der gesellschaftlichen Ausein- schen Mitteln oder mit Entwicklungshilfe und Struk- vielleicht zur Herstellung von Töpfen und Pfannen, geboten. Die Commons-Diskussion macht nur Sinn, andersetzungen stellen und bietet die Chance, diese Be- turanpassungsprogrammen zu Rohstofflieferanten Geldscheine ließen sich zu Toilettenpapier recyceln. wenn wir mit ihr die Kritik am Kapitalismus transpor- reiche auch wieder gegen den Trend auszuweiten. Ähn- degradiert wurden. Nur diese ganzenvirtuellen Guthaben und Verbriefun- tieren können, sie wäre eher gefährlich, wenn sie zu ei- liche Chancen werden auch in den Subsistenz- und Deutschland konnte es sich leisten, nach dem fa- gen, mit denen wäre überhaupt nichts mehr anzufan- ner weiteren Befriedung und Integration der Kapitalis- Grundeinkommensdebatten gesehen. Wobei das nicht schistischen Raubzug mit Millionen Toten anschlie- gen. muskritik führen würde. gegeneinander gesetzt werden muss, es könnte sich ßend mehr als 50 Jahre lang die Rolle eines friedvoll Spätestens wenn der indianische Ausspruch: »Erst Eine spannende Frage in diesem Zusammenhang doch auch ergänzen. geläuterten Staates zu geben. Und dann kam Rot- wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergif- ist immer, ob und wie es den Commons gelingt, aus ih- Die Praxen der Commons müssen auf einer »höhe- Grün. Ausgerechnet diese Mixtur aus Arbeiterbewe- tet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, rer Gemeinschaftlichkeit heraus, gesellschaftlich zu ren« Ebene überprüft werden, gesellschaftlich werden gung und alternativen Lebensentwürfen beschloss dass man Geld nicht essen kann!« vom Gedanken zur werden. (Sicher auch kein ganz neuer Aspekt. Bei den sie erst dann, wenn ihre Wirkungen jenseits der Ge- 1999 den ersten Krieg von deutschem Boden aus nach praktischen Erfahrung wird, wenn es keine Macht Diskussionen um die Alternativszene oder das Genos- meinschaftsgrenzen mit im Blickfeld sind. dem Ende des 2. Weltkriegs. Kurz darauf folgte mit der mehr gibt, die sich auf Geld und dessen vordergrün- Einführung der Riester-Rente der Einstieg in den Aus- dig zivilisatorische Funktion stützen kann, spätestens stieg aus der paritätischen Sozialversicherung. Hartz dann stellt sich die Frage: »Sozialismus oder Barba- AKTION 2010 IVunddiezunehmende PrivatisierungderDaseinsvor- rei« (Rosa Luxemburg) noch mal ganz neu und ganz sorge folgten. konkret: Regiert dann das Faustrecht der Stärkeren Es ist ehrenwert, wenn Linke und Gewerkschaften zur Sicherung der überlebensnotwendigen Ressour- Sommerplenum Adressenänderungen für Arbeitszeitverkürzung und Mindestlohn streiten. cen, oder entstehen neue gesellschaftliche Zusam- Aber es dürfte klar sein, dass ein Zurück zum Sozial- menhänge, in denen basisdemokratische Überein- Bitte schickt uns bei einem Umzug eure neue An- staat des letzten Jahrhunderts weder möglich noch künfte zur Nutzung der Gemeingüter getroffen wer- Unser jährliches Plenum findet vom 9.-11. Juli 2010 schrift! Zeitungen im Postvertrieb werden trotz Nach- wünschenswert ist. Der große Traum vom kleinen den? in der Villa »Könnern« (Nähe Halle) statt. sendeauftrag niemals nachgeschickt, sondern werden Wohlstand »für alle« (jedenfalls so weit der kleinbür- Es bleibt zu hoffen, dass schon heute möglichst vie- Anlass vielleicht auch für Euch, ein wenig hinter die meistens vom Postboten entsorgt. Das neue tolle, lei- gerliche Blick reicht) ist ausgeträumt, nicht nur für le Menschen damit beginnen, sich die materiellen Kulissen unseres Projekts zu schauen und Kontakte der für einen kleinen Verlag zu teure zusätzliche Ser- die enteigneten HäuslebauerInnen in den USA oder und immateriellen Grundlagen ihres Lebens anzueig- zu knüpfen. vice-Angebot dieses »Dienstes«, Adressen zu recher- die RentnerInnen in Griechenland, sondern absehbar nen und ihren Alltag gemeinsam selbst zu organisie- chieren und uns mitzuteilen, können wir nicht wahr- für immer mehr Menschen in den reichen Ländern, ren. Sie schaffen damit sowohl Rettungspakete für nehmen. auch in Deutschland, die bis vor kurzem noch glaub- sich selbst und ihr soziales Umfeld, als auch Keimfor- Redaktion Heidelberg Denn neue Kontakte sind eine Wir hoffen weiterhin auf weitere Spenden, Neuabos men für ein Leben nach dem Kapitalismus, unabhän- wichtige Bereicherung für unser Projekt. Wir erfahren und Umstellungen bestehender Abos auf Fördermit- gig davon, ob dieser schon in 5 oder erst in 500 Jahren dadurch eventuell mehr über Diskussionen, Aktionen gliedschaften. Spendenkonto: Volksbank Darmstadt eG, BLZ 508 900 00, Kto-Nr. 515 124 05 (für Spenden COLORADIO WIEDER AUF SENDUNG zusammenbricht. und Projekte aus Eurer Region und vielleicht entste- Elisabeth Voß hen dadurch interessante und lesenswerte Beiträge für bis 200 EUR ist der Einzahlungsbeleg für das Finanz- CONTRASTE. Einfach anmelden und vorbeischauen amt ausreichend, bei höheren Beträgen versenden wir Nach wochenlanger Stille auf UKW 98,4 / 99,3 in Dres- unter: [email protected] automatisch eine Spendenquittung). Über den neue- den sendet coloRadio wieder seit dem 14.5., 18 Uhr.Da- SCHNUPPERABO sten Stand werden wir wieder in der nächsten Ausgabe mit ist die rechtswidrige und bundesweit einmalige Ab- Spendenkonto berichten. Dankbar wären wir, wenn unsere LeserIn- schaltung aufgehoben. Durch das entschiedene Ein- nen, die an diversen Tagungen und Veranstaltungen greifen der Bundesnetzagentur und des Bundesmini- CONTRASTE zum Kennenlernen? Contraste e.V., Volksbank Darmstadt eG teilnehmen, kostenlose Überdrucke der CONTRASTE BLZ 508 900 00, Kto-Nr. 515 124 05 steriums für Wirtschaft und Technologie sowie durch Gegen 5 EUR in Briefmarken/Schein (BRD) oder 10 dort auslegen würden. Versandkostenfreie Bestellun- den Druck unserer Netzwerke in Kultur, Musik und Po- EUR im europäischen Ausland, bekommt ihr gen unter [email protected] litik existiert nun ein Vertrag mit dem Sendenetzbetrei- CONTRASTE drei Monate frei Haus. In der letzten Ausgabe baten wir mal wieder, nervig ber »Media Broadcast« – die rechtliche Grundlage für Das Schnupperabo ist befristet und läuft automa- wie wir sind, um weitere Spenden. Leider zumindest in die Überweisung der von der Stadt Dresden bereitge- tisch aus. Also, das Geld mit Eurer Anschrift und dem diesem Monat (Stand 21.5.2010) ohne Erfolg. Es feh- SPENDEN- UND ABOZÄHLER 2010 stellten 12.000 EUR für Sende- und Leitungskosten. Vermerk »Schnupperabo« an CONTRASTE e.V., len also immer noch 2.240 EUR für unsere Deckungs- Willkürliche Abschaltungen durch Dritte werden künf- Postfach 10 45 20, D-69035 Heidelberg, einsenden. lücke 2010. Das Zeitungsprojekt tig nicht mehr möglich sein. benötigt für 2010: 2.240 EUR Im Monat Mai gab es drei Neuabos, leider aber auch wieder zwei Kündigungen. Wir benötigen also Das Ziel der immer noch 148+ Abos, um auch ohne den Spenden- Abokampagne: 148+ Neuabos JETZT CONTRASTE FÖRDERN ! tropf überleben zu können.

O Ich werde Fördermitglied bei CONTRASTE – Verein zur Förderung von Selbstverwaltung und KEHRT MARSCH: BUNDESWEHR-WERBEAUFTRITTE IM INTERNET Ökologie, dafür erhalte ich CONTRASTE jeden Monat umsonst. O Mein Mitgliedsbeitrag beträgt ...... Euro pro Jahr. Die Initiative »kehrt marsch« hat Termine von Bun- gleich zum Jahr 2009 ergibt sich aus einer allgemei- (mindestens 62 Euro für Einzelpersonen, mindestens 154 Euro für juristische Personen) deswehr-Werbeauftritten im Internet veröffentlicht nen Steigerung der Betriebskosten sowie aus einem er- O Ich bin bereits CONTRASTE-AbonnentIn und kündige mit dem Eintritt in den CONTRASTE-Verein und ruft antimiltaristische und friedensbewegte Aktive höhten Bedarf an Bewachungsdienstleistungen zum mein Abo. zu Protestaktionen auf. Die Termine stammen zum Schutz des Personals und Materials gegen bundes- O Meine Mitgliedschaft soll sofort beginnen, ich zahle den Differenzbetrag zum Abo. Teil aus einer Bundestagsanfrage der Abgeordneten wehrkritische Aktivisten.« O Meine Mitgliedschaft soll sofort beginnen, ich zahle den vollen Mitgliedsbeitrag. Ulla Jelpke (LINKE), zum Teil von Internetseiten der Das Organisationsteam von »kehrt marsch« sieht O Meine Mitgliedschaft soll mit Ablauf meines Abos beginnen. Bundeswehr und der Agentur für Arbeit. Sie werden das auch als Erfolg ihrer Kampagne, die vor etwa ei- O Schickt mir erst mal Eure Satzung. auf der Seite www.kehrt-marsch.de in einer interakti- nem Jahr startete. »Die Bundeswehr hat offenbar er- ven Karte dargestellt. kannt, dass ihre ausufernden Werbe- und Rekrutie- Name, Vorname Bei den meisten Terminen handelt es sich um Mes- rungsmaßnahmen auf zunehmenden Widerstand sto- sestände oder Auftritte von Musikkorps. Es befinden ßen«, erklärt einer der Initiatoren und ruft dazu auf, Straße sich auch Gelöbnisse, Zapfenstreiche oder die Anlauf- die bisherigen Proteste fortzuführen: »Die Bundes- stellen des Karrieretreffs, der durch ganz Deutschland wehr will sich und ihre Kriege in ein positives Licht rü- Wohnort fährt und für eine Karriere bei der Bundeswehr wirbt, cken. Dem wollen wir etwas entgegenhalten.« darunter. Die Kampagne veröffentlicht auf ihrer Homepage Datum Abo-Nr.: In den letzten Jahren hat es bei vielen Bundeswehr- Aktionsideen und stellt Material zum Herunterladen Veranstaltungen kreative Störaktionen gegeben. Dies zur Verfügung. Sie ruft antimilitaristische AktivistIn- Unterschrift zeigt sich auch in der Antwort der Bundesregierung nen zudem dazu auf, sich in ihren Email-Newsletter Coupon ausschneiden und einsenden an: CONTRASTE e.V.· Postfach 10 45 20 · D-69035 Heidelberg auf die Anfrage der Linksfraktion. Dort heißt es: »Die einzutragen, um über zukünftige Bundeswehr-Wer- aus heutiger Sicht erwartete Kostensteigerung im Ver- bung informiert zu werden. 2010 JUNI GENTRIFICATION CONTRASTE SEITE 3

HAMBURG: »Recht auf Stadt«-Bewegung

Im Laufe des Jahres 2009 hat sich in Hamburg eine vielfältige und breite Bewegung gebildet, die sich gegen Prozesse der Gentrifizierung und Stadtumstrukturierung richtet und ein »Recht auf Stadt« einfordert. Die zahlreichen Initiativen, die sich u.a. aus KünstlerInnen, Kleingärtnern und Teilen der außerparlamentarischen Linken zusammensetzen, haben es nicht nur geschafft, über Besetzungen, Manifeste und Störaktionen eine große Öffentlichkeit herzustellen, sondern bereits jetzt erste konkrete Erfolge erzielt. Ein Überblick über die Konfliktfelder der Stadt. r2d2 indymedia Bereits 2008 hatte es erste Ansätze ge- geben, die Thematik der Gentrifizierung und damit verbundene Vertreibungsprozesse von AnwohnerIn- nen aufzuwerfen. Aus der Vorbereitungsgruppe eines Straßenfestes in St. Pauli war nach dem April 2008 das Aktionsnetzwerk gegen Gentrification »Es regnet Kavi- ar« entstanden. Zur selben Zeit begann eine Handvoll Menschen im Schanzenviertel mit der Gründung ei- nes »autonomen Nachbarschaftstreffs«, der als »Kon- trapunkt zur Gentrifizierung« wirken sollte – dem Centro Sociale.

Demonstration in Hamburg am 12. Juni 2009 Foto: indymedia Sommer 2009: Empire St. Pauli 2009 mit den Sanierungs- und Abrissarbeiten begon- auch nicht das politische System infrage. Vielleicht ist bot die Stadt der Initiative die Nutzung der Oberge- Im Sommer 2009 erfuhr die Thematik dann v.a. nen werden. Auch Hanzevast war jedoch von der Fi- das der Grund, warum Senat und Parteien die Künst- schosse (weitere 6.000 qm Fläche) an, wenn sie die bei- durch den Film »Empire St. Pauli« eine enorme Ver- nanzkrise betroffen und begann offiziell nach einem ler so einhellig lieb haben, die seit Sonnabend mehre- den von der Sprinkenhof AG verwalteten Häuser »Dru- breitung in Hamburg. Der Dokumentarfilm von Irene Co-Investor zu suchen. re leerstehende Häuser des Gängeviertels besetzen.« ckerei« und »Fabrik« räumen würden – ein Angebot, Bude und Olaf Sobczak beleuchtet die Umbrüche in In diese Situation platzte die Besetzung durch die (Mopo, 27.08.2009) aufdas sich dieInitiative nachlangen internen Diskus- der Stadtteilstruktur St. Paulis und lässt die Anwohne- KünstlerInnen medial wie eine Bombe. Dabei standen Der wahreGrund für dieschnellen undpositiven Re- sionen einließ. Betont wurde aber, dass dieses »Zuge- rInnen des Viertels ebenso zu Wort kommen wie Inve- zwei Aspekte im Vordergrund: Zum einen die Rettung aktionen der Stadt dürfte dagegen in dem Imagescha- ständnis« kein Rückzug sei, sondern nur dazu diene, storen oder Bezirksamtsleiter. Gezeigt werden die kon- des historischen Gängeviertels vor dem Verfall, der Er- den zu suchen sein, den der KünstlerInnenprotest der zu verhindern, »dass durch Schadenersatzforderun- kreten Auswirkungen der Prozesse in Form von Miet- halt der alten Häuser – ein Anliegen, das auch zahlrei- »Marke Hamburg« bereitet hatte – nämlich dem Vor- gen in Millionenhöhe von Hanzevast unnötig Steuer- steigerungen, der Umwandlung von Miet- in Eigen- che ältere, eher konservativ eingestellte HamburgerIn- wurf, eine kulturvergessene Stadt zu sein. Ein Vorwurf, gelder verschwendet werden« (NDR, 26.10.2009). tumswohnungen, oder – wie es ein Anwohner im Film nen bewegte und in Scharen Touristen anzog. Zum an- der angesichts der globalen Städtekonkurrenz in Zei- Gleichzeitig wurden die Rückabwicklung der Verträge ausdrückt: »Die Leute raus – Mieten hoch – Bumm – deren wurde Raum für Künstler in Hamburg eingefor- tender Globalisierung undder Bedeutung des kulturel- undder Rücktritt von Finanzsenator Freytag (CDU) ge- ganz normal Kapitalismus oder wie sagt man«. Seit dert, ein Mitglied der Initiative forderte gegenüber der len Faktors in diesem Wettbewerb schwer wog. Wie be- fordert. Am Tag des Umzugs zahlte Hanzevast auch Ende April wurde der Film allein in Hamburg über 50 Presse: »Wir erwarten, dass die Künstler akzeptiert wer- gehrt der »kreative Faktor« im Städtewettbewerb ist, die dritte Rate. Mal öffentlich gezeigt. Teilweise kam es im Anschluss den, das man sich kümmert. Und nicht, dass die Stadt zeigte sich im September daran, dass die Stadt Leipzig Nach längerer Unklarheit über das weitere Vorge- zu spontanen Demonstrationen, so am 14. Juli nach ei- sich als Kulturstadt verkauft, aber nichts passiert.« den Hamburger KünstlerInnen großzügig »Asyl« an- hen der Stadt, kündigte diese schließlich an, entweder ner Aufführung im Park Fiction. (taz, 23.08.2009) Und: »Es kann nicht sein, dass die bot. mit Hanzevast das Viertel als Künstlerquartier zuentwi- Die ersten Ansätze von Anti-Gentrifizierungsprote- Stadt sich immerzu damit brüstet, eine Kultur-Hoch- ckeln oder die Gebäude zurückkaufen zu wollen. Stadt- sten kamen schließlich am 12. Juni zu einer ersten Pa- burg zu sein, aber nichts dafür tut!« (Art-Magazin, »Peinliches Schauspiel« entwicklungssenatorin Hajduk (GAL) kündigte an, in rade zusammen. Unter dem Motto »Die Stadt gehört 24.08.2009). Gefordert wurden Produktionsflächen Sachen Gängeviertel zukünftig federführend zu agie- allen!« zogen an die 2.000 Menschen gegen Mieterhö- für Hamburgs KünstlerInnen und Kreative, zudem Aber inzwischen wollte Hamburg »seine« Kreativen ren und ein neues städtebauliches Konzept zu erarbei- hungen, Privatisierungen und Vertreibung von der In- wurde darauf hingewiesen, dass »das kreative Potenzi- doch selbst behalten. Einziges Problem: der Investor, ten – aus Sicht der KünstlerInnen ein erster »Teiler- nenstadt nach St. Pauli. Am 20./21. Juni wurde sich al der Stadt« aufgrund fehlender preiswerter Atelier- dem das Bezirksamt sogar die Baugenehmigung be- folg«. In der Bürgerschaft wurde das Gängeviertel – im Rahmen von Workshops und Diskussionen in den räume immer stärker in Städte wie Berlin abwandere. reits erteilt hatte. Spekuliert wurde darauf, dass dieser wie die Stadtentwicklungspolitik allgemein – erneut Räumen des Centro Sociale inhaltlich mit der Thema- Tausende strömten zu den Performances, Konzer- aufgrund seiner Finanznöte nicht in der Lage sein wür- zum Thema, und selbst CDU-Abgeordnete drohten: tik »Recht auf Stadt« beschäftigt. Das Konzept »Recht ten und Ausstellungen, die von der Initiative initiiert de, innerhalb von 14 Tagen die fällige zweite Rate von »WennHanzevast jetzt nichtdie ausgestreckte Hand er- auf Stadt« geht auf den französischen Stadtsoziologen wurden. Daniel Richter, berühmter Hamburger Künst- 2,7 Mio. Euro zu bezahlen – ein Fall, in dem das Ge- greift und zu konstruktiven Gesprächen bereit ist, ist Henri Lefèbvre zurück, der den Begriff in seinem Buch ler, stellte die Aktion unter seine »Schirmherrschaft«. lände zurück an die Stadt fallen würde. Am 8. Septem- unsere Geduld bald am Ende« (Welt, 05.11.2009). An- »Le droit à la ville« 1968 entwickelte. Das dreitägige Mit dem Anliegen des Erhalts alter Häuser konnten ber einigten sich Stadt und Initiative auf eine vorüber- fang November hieß es in der Presse, der Investor wäre Veranstaltungsprogramm vom 19. bis 21.6. blieb je- sich auch bürgerliche Kreise identifizieren, so stimm- gehende Teilnutzungsvereinbarung für die Zeit, bis gegen eine Entschädigung von 4 Mio. Euro zum Rück- doch weitgehend von der breiten Öffentlichkeit unbe- ten auch der Verein für Hamburgische Geschichte der Investor mit den Bauarbeiten beginnen oder die kauf der Häuser bereit. achtet. und die Patriotische Gesellschaft von 1765 in die Kri- Immobilie an die Stadt zurückfallen würde. Nachdem Für den 11. November luden die Initiativen tik an der städtischen Politik mit ein. Die Polizei wei- Hanzevast die 14-Tage-Frist hatte verstreichen lassen, »Komm in die Gänge« und »NoBNQ« zu einer Kund- 22. August: Komm in die Gänge gerte sich, von einer Besetzung zu sprechen, zwei Tage wurde diese von der Stadt noch einmal bis zum 16. Ok- gebung in die Innenstadt – der erste sichtbare Aus- nach der Auftaktaktion verschlossen SAGA und Sprin- tober verlängert, jedoch verbunden mit der Ankündi- druck des »Recht auf Stadt«-Netzwerks, das sich im Den Auftakt für einen Herbst der Initiativen bildete die kenhof AG – die städtischen Gesellschaften, die die gung, im Falle einer Nicht-Zahlung den Vertrag zu September aus etwa 20 städtischen Initiativen gegrün- Besetzung mehrerer Häuser im Gängeviertel durch Häuser verwalteten – jedoch zunächst zwei Gebäude. kündigen. Die Initiative legte wenige Tage vor diesem det hatte. Rund 300 Menschen protestierten mit Later- über 200 KünstlerInnen und AktivistInnen am 22. Au- Mit einem eigenen Nutzungskonzept suchten die Termin ein eigenes Nutzungskonzept vor, das eine nen und Kerzen, als die Nachricht eintraf, dass die gust. In die alten, größtenteils seit Jahren leer stehen- KünstlerInnen den Dialog mit der Stadt, deren Kultur- Neubelebung des Areals als öffentlicher Raum »ohne Stadt kurz vor dem Rückkauf der Häuser stehe. (Am den 12 Häuser mitten in Hamburgs Innenstadt wurde behörde aufgeschlossen reagierte. Kultursenatorin Ka- Konsumzwang« auf Basis der »Selbstverwaltung« vor- selben Tag wurde auch das Audimax der Hamburger für diesen Sonnabend unter dem Motto »Komm in die rin von Welck (parteilos) verkündete, den KünstlerIn- sah. 60% der Fläche solle für Wohnen, 20% für gewerb- Universität besetzt.) 150 Architekten, Ingenieure und Gänge« und mit einem überall plakatierten roten nen noch im August 30 Räume zur Verfügung stellen liche Zwecke genutzt werden, außerdem solle ein so- Stadtplaner hatten sich am Tag zuvor mit einem Offe- Punkt als Logo zu einem Fest eingeladen, das faktisch zu wollen, Ateliers in der Speicherstadt (Hafencity) ziokulturelles Zentrum geschaffen werden. nen Brief an den Senat gewandt, um mehr Räume für eine Besetzung einleiten sollte. wurden angeboten. Auch Markus Schreiber (SPD), Lei- Der Investor Hanzevast ließ sich bis zum letzten Kulturschaffende einzufordern und die Stadtentwick- In dem ehemals dicht besiedelten Viertel lebten von ter des Bezirksamts Mitte, erklärte begeistert: »Das Tag Zeit – doch er zahlte. Und sollte nun fünf Monate lungspolitik zu kritisieren. Mitte des 17. Jahrhunderts bis etwa 1930 vor allem Ha- sind die rechtstreuesten Besetzer, die man sich vorstel- Zeit haben, die dritte Rate zu zahlen und mit den Bau- Am 15. Dezember 2009 kam es schließlich zur Eini- fen- und Gelegenheitsarbeiter mit ihren Familien, in len kann. Die machen alles sauber, sorgen ab 22 Uhr arbeiten zu beginnen. Gerüchte, das Geld stamme gung zwischen Stadt und Investor. Die ausgehandelte der Weimarer Republik wurde das Viertel aufgrund der für Ruhe – und ihr Anliegen, die historischen Häuser vom Besitzer der Roten Flora, Klausmartin Kret- Rückabwicklung der Verträge sollte die Stadt 2,8 Mio. politischen Einstellung seiner BewohnerInnen als zu erhalten, hat meine volle Sympathie.« Eine Nut- schmer, oder einem bayerischen Brauereiunterneh- Euro kosten (neben dem ebenfalls zurück zu erstatten- »Klein Moskau« bezeichnet. In der ersten Hälfte des zung der Gänge-Häuser wurde seitens der Stadt jedoch men, bestätigten sich nicht. Der Investor spekulierte den Kaufpreis). Die taz jubelte: »Kunst siegt über Kom- 20. Jahrhunderts wurden große Teile des Viertels syste- zunächst ausgeschlossen: »Wir haben eine rechtsgülti- vielmehr auf Schadensersatzforderungen. Die Initiati- merz« (taz, 15.12.2009). Was mit den Häusern nach matisch abgerissen. In den letzten Jahren herrschte ge Vertragslage und der Investor hat sich verpflichtet ve erklärte dagegen zu bleiben undforderte die Offenle- dem Platzen der Investorenpläne jedoch passieren soll- dann Leerstand vor. Anstatt die Häuser zu sanieren, aufgrund des Vertrages bestimmte Baumaßnahmen gung der Verträge. te, blieb zunächst offen. Stadtentwicklungssenatorin wurden sie von der Finanzbehörde schließlich im durchzuführen.« (Finanzstaatsrat Heller, in: Mopo, Am 24. Oktober fand eine rote Lichterkette von über Hajduk kündigte ein städtebauliches Konzept und Nut- Höchstgebotsverfahren verkauft. Mehrere Jahre ver- 25.08.2009) tausend Menschen rund um die Häuser statt. Ein vom zungsgespräche zwischen Januar und März mit den suchte ein Investor vergeblich, genehmigungsfähige Eine Vereinbarung zwischen Stadt und KünstlerIn- Bezirksamtsleiter Schreiber (SPD) initiierter Runder Künstlern an. Kultursenatorin v. Welck verkündete: Bauanträge für die Sanierung einzureichen und zog nen wenige Tage nach der Besetzung legalisierte diese Tisch mit allen Beteiligten war einen Tag zuvor an der »Selbstverständlich werden wir bei den weiteren Pla- sich schließlich 2007 mit dem Verlust von ca. 3 Mio. faktisch, den KünstlerInnen wurde zugestanden, die Unwilligkeit des schwarz-grünen Senats geplatzt. Das nungen die Vorstellungen der Künstler einbeziehen. Planungskosten zurück. Der holländische Investor Erdgeschossflächen nutzen zu dürfen – für diese ein Abendblatt kommentierte: »Peinliches Schauspiel« Unser Ziel ist es, das Gängeviertel zu einem lebendi- Hanzevast bekam 2008 von der Stadt den Kaufzu- »fairer Kompromiss« (Hamburger Abendblatt, und forderte Bürgermeister Ole von Beust auf, »die Fä- gen, kreativen innerstädtischen Quartier weiterzuent- schlag für das Gängeviertel. Allen bisherigen MieterIn- 26.08.2009). In einer Bürgerschaftssitzung, die sich den in die Hand« zu nehmen (23.10.2009). In der wickeln« (MOPO, 15.12.2009). nen wurde gekündigt. Im Rahmen des Grundstücks- mit dem Thema beschäftigte, waren sich alle Fraktio- Presse wurde von internen Auseinandersetzungen zwi- Zwischen Weihnachten und Silvester wurden zu- verkaufes wurde im September 2008 ein städtebauli- nen darin einig, dass sowohl die Gebäude erhalten als schen Finanz- und Kulturbehörde berichtet. Zeit- nächst ohne Einigung mit der Stadt die im Oktober ge- cher Vertrag abgeschlossen, der statt einer denkmalge- auch den KünstlerInnen Raum zur Verfügung gestellt gleich äußerte sich der Investor zum ersten Mal öffent- räumten Gebäude »Druckerei« und »Fabrik« wieder rechten Sanierung der Gebäude den Verlust von ge- werden müsse. Die Hamburger Morgenpost versuchte lich, kündigte eine weitere fristgerechte Zahlung an besetzt, am 30. Dezember wurden daraufhin kurzfristi- schätzten 80 Prozent der historischen Substanz bedeu- sich an Erklärungen für das städtische Entgegenkom- und forderte die Räumung der Häuser (Welt, tet hätte. Laut offizieller Planung sollte im Sommer men: »Sie tragen kein Schwarz und stellen offenbar 24.10.2009). Um dem Investor entgegenzukommen, Fortsetzung auf Seite 4 4 SEITE CONTRASTE ÖKONOMIE JUNI 2010

DOKUMENTATION »Kapitalismus, ein Zerstörungsprojekt«

Die Ära der westlichen Ökonomie sei zu Ende, meint der Reichtum allen zugutekommen und auf demokra- tung dieser angeblichen Reichtümer eine Zerstörung dursten. Und der empfindliche Kreislauf des Wassers die Patriarchatskritikerin Claudia von Werlhof in tische Weise verteilt würde. Das war und ist Propagan- ist. Wir müssen den Kapitalismus als Zerstörungsweise auf der Erde wird zerstört, weil man Wasser nicht unbe- einem Interview mit der österreichischen Zeitschrift da. sehen. Die Umwandlung der natürlichen Dinge in Wa- grenzt transportieren kann. Daher haben auch alle Ex- Die Gegensätze zwischen Arm und Reich haben sich aber ren, Geld, Maschinerie, Hierarchie und schlussendlich perimente mit Bewässerung in der Wüste in die Versal- »Der Standard«. vor allem seit 1989 verschärft, dafür wird vielfach der Neolibe- inKapital geht mit Kaputtmachen einher. Diese Zerstö- zung geführt. Es funktioniert nur kurz, denn man ralismus verantwortlich gemacht. Sehen Sie das anders? rungspolitik tritt jetzt in Form von Naturkatastrophen kann die Natur nicht hintergehen. Als Ausweg aus der Krise gilt weiteres Wirtschaftswachstum. Der Neoliberalismus versucht, das liberale Pro- aller Art in Erscheinung. Wo liegt die Alternative? Sie gehen von anderen Notwendigkeiten aus, richtig? gramm, das es seit dem 18. und 19. Jahrhundert gibt, Somit waren der Marxismus und die Arbeiterbewegung, In der Subsistenzproduktion, die auf dezentrale Werlhof: Wachstum ist das Gegenteil dessen, was fortzusetzen – aber nicht mehr für viele, sondern für sind die Linken Teil des Problems und nicht Teil der Lösung? Selbstversorgung abzielt. Sie ist die einzige Alternative hilft. Mein Ausgangspunkt ist Westend, das Ende der eine ganz kleine Gruppe von Konzernen. Die Rohstoff- Marx hat noch nachgedacht. Aber er, die Arbeiterbe- zur kapitalistischen Warenproduktion. Nur, Vorsicht: westlichen Moderne, ihrer Zivilisation und Verspre- reserven gehen zu Ende, also eignet man sich die Reste wegung und die Linken gehören mit zur Moderne, die Dezentralisierung kann auch in der Logik des herr- chen. Das waren immer Lügen. auf kriegerische Art an – und macht gleichzeitig auf auf der Maschine und der Fabrik beruht, die wiederum schenden Systems gedacht werden, etwa in der EU in Wohlstand für alle schien in den 1960er- und 1970er-Jah- spekulative Weise noch schnell viel Geld. Der Sozial- auf der Zerstörung der Naturstoffe und ihrer Umwand- Gestalt von Kleinstaaten wie Lettland und Litauen ren erreichbar, zumindest in den reichen Teilen der Welt. War staat wird ausgeplündert, ganze Länder ebenso, den- lung in Totes, in Waren beruhen. Daher wollen auch oder am Balkan. Im Gegensatz dazu wollen etwa die das eine Illusion? ken Sie etwa an Island oder Griechenland. Begonnen die heutigen Linken immer noch nichts mit der Na- Zapatisten im Mexiko nicht mit dem Zentralstaat zu- Auf die Dauer ja, weil das Projekt der Moderne ein hat das mit der Abkehr vom Goldstandard in der Geld- tur- und der Frauenfrage zu tun haben. sammenarbeiten, sondern die Wirtschaft von unten Weltzerstörungsprojekt ist: die Produktionsweise, die politik unter US-Präsident Richard Nixon in den Also hat das Problem keineswegs erst mit der Industrialisie- aufbauen. Zuerst als Subsistenzwirtschaft, und wenn Technik, die Politik. Man muss sich fragen, was ge- 1970er-Jahren. So konnte sich das Kapital als Finanz- rung angefangen? es Überschüsse gibt, werden diese nicht, wie in den Aus- schah, sodass jetzt sogar das Klima, ein planetarisches kapital verselbstständigen. Das Resultat sind all die Nein, sondern geistig gesehen schon viel früher, beutungssystemen, abgezogen, sondern an die Nach- Phänomen, als Ergebnis der Industrialisierung global bunten Blasen, die seither geplatzt sind. mit der Entstehung des Patriarchats vor 5.000 bis barn verteilt oder getauscht. Das ist eine Ökonomie verändert wurde. Es wird aber auch viel Reichtum auf der Welt angehäuft. 7.000 Jahren. Damals hat sich die Idee einer »Schöp- wie in der vorkolonialen Zeit. In Mexiko und in Boli- Was ist denn geschehen? Geht es nicht um dessen gerechtere Verteilung? fung aus Zerstörung« durchgesetzt. Im Gegensatz vien kommt das derzeit wieder hoch. Begonnen hat es im 17. und 18. Jahrhundert mit Das war und ist ein falsches Versprechen. Denn das zum realen Lauf der Dinge, wo weibliche Gestalten Ur- Kann das auch im zentralisierten Europa funktionieren? dem Entstehen der modernen Naturwissenschaft. Sie Problem, das dabei von Gewerkschaften und Linken sprung des Lebens sind, haben die Männer begonnen, In Europa muss man es historisch angehen – und versprach eine schöne, neue, reiche Welt – und dass nicht bedacht wurde, war, dass schon die Erwirtschaf- sich als Schöpfer des Lebens, des Reichtums, des Wohl- am Naturverständnis arbeiten. Deutschland etwa war stands zu definieren. Ich nenne das das alchemisti- lange föderalistisch organisiert, und hat sich dem Na- sche Prinzip. Nach seinem Scheitern in Antike und Mit- tionalstaat verweigert. Vor allem während der Bauern- FORTSETZUNG VON SEITE 3 telalter – es wurde ja kein Gold oder neues Leben pro- kriege, am Beginn der Neuzeit, wurden Ausstiege ver- duziert – tritt das alchemistische Prinzip in der Neu- sucht. Sie wurden mit Gewalt verhindert, die Leute in zeit als neue Naturwissenschaft in Erscheinung, als Arbeitshäuser, Zwangsanstalten, Fabriken gequetscht, ge Nutzungsverträge ausgestellt. Mit einer riesigen Sil- nes Projektaufrufs einen Wettbewerb um die Räume weltweites Schöpfung-aus-Zerstörung-Programm. sodass sie überhaupt keine Produktionsmittel mehr be- vesterparty in den beiden Gebäuden ging das Jahr in der Sternstr. 2, bei dem die Bewerber makabererwei- Warum Zerstörung? saßen, sondern vom Lohn und vom Geld leben muss- 2009 zuende. Aktuell laufen die Verhandlungen mit se ein Nutzungs- und Betreibekonzept für einen Weil man die Natur nicht künstlich nachmachen ten – so wie es auch heute ist. Was die Natur angeht, der Behörde für Stadt- und Umweltentwicklung »nachbarschaftlichen, nichtkommerziellen Stadtteil- kann. Also nimmt mansie in Form ihrer Gestalten aus- muss uns klarwerden, dass wir von ihren Zyklen und (BSU), die Stadt hat im Frühjahr bekannt geben, dass treff« abliefern sollen. einander, und setzt sie neu zusammen. Das nennt Rhythmen derzeit nur wenig wissen. Also müssen wir sie Eigentümerin bleibt und das Gängeviertel selbst sa- Als Reaktion darauf entstand seit Juli/August 2009 man Mortifikation – von mors, der Tod: im Grunde die vormodernen Anschauungen studieren – hier gibt nieren will. Hoffen wir, dass die KünstlerInnen, Akti- rund um das Centro Sociale eine Solidaritätskampa- ein mechanistisches Vorgehen, das dem aus Zyklen es ja bereits Arbeiten der neuen Biologie und Physik. ven und Kreativen dafür sorgen, dass die Vision der gne. AnwohnerInnen ließen sich mit einem überdi- des Werdens und Vergehens bestehenden Naturprinzip Auf dass eine neue Ethik, ein neues Mitleiden entste- Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) nicht in Er- mensionalen Daumen aus Pappe für die Aktion »Dau- nicht entspricht. hen. [...] füllung geht: »Diejenigen unter den Künstlern, die ih- men hoch für‘s Centro Sociale« fotografieren, Anfang Auseinandernehmen und wieder zusammensetzen ist eine ren Richard Florida gelesen haben, werden schon wis- September wurde im benachbarten Knust ein Unter- Grundlage analytischen Denkens. Wo setzen Sie erkenntnis- Das Interview führte Irene Brickner sen, dass ihre Rolle am Ende die des Düngers ist, um stützungskonzert veranstaltet und Gewerbetreibende theoretisch an? Aus: DER STANDARD/Printausgabe 13.2./14.2.2010 den Boden für andere zu bereiten. Vielleicht wird eine und Initiativen gaben Referenzschreiben für den Ich habe mich immer auch mit vormodernen, indi- Weile lang sogenannte Soziokultur im Gängeviertel selbstverwalteten Nachbarschaftstreff ab. Den Höhe- genen, matriarchalen Anschauungen beschäftigt. Ir- ZUR PERSON: betrieben werden, mit all der Folklore, die so etwas mit punkt bildete sicherlich die Walzerparade am 10. Sep- gendwann kam das mit meinen anderen Erkenntnis- sich bringt. Vielleicht werden irgendwann Rechtsanwäl- tember. Etwa 300 UnterstützerInnen zogen walzertan- wegen zusammen: in der Frage, warum alles kaputt- Claudia von Werlhof (66) ist Professorin für Frauen- te die Ateliers beziehen und ein H&M die Galerieräume. zend durch das Hamburger Schanzenviertel und sorg- geht. Vielleicht wird von ganz alleine passieren, was Hanze- forschung an der Uni Innsbruck. Sie gilt als Mitbe- ten mit dieser neuen Protestform für erhebliche Auf- In der heutigen Zeit kritisieren Sie dieses Kaputtgehen am gründerin der Frauenforschung in der BRD und zu- vast am Reißbrett geplant hatte. Vielleicht. Oder sogar merksamkeit. Beispiel des GATS-Abkommens. Warum? sammen mit Maria Mies und Veronika Bennholdt- ziemlich sicher. Aber so ist es in jeder Hinsicht ökologi- Während die steg behauptete, dass es jede Menge Be- Im Rahmen von GATS soll etwa das Wasser privati- Thomsen als Begründerin des Ökofeminismus. scher. Und es sieht besser aus.« (FAZ, 18.12.2009) werber für die Räumlichkeiten gäbe, warfen schließ- siert werden. Tut man das, werden viele Menschen ver- lich nur drei andere Einrichtungen ihren Hut in den September: Centro Sociale bleibt! Ring. Alsterarbeit, als Teil der Evangelischen Stif- tung Alsterdorf, zog ihre Bewerbung schnell wieder Zwischen dem Schanzen- und Karoviertel gelegen, exi- zurück. Es verbleiben mit dem Beschäftigungsträger NETZWERK NEWS stiert seit Ende 2008 das Centro Sociale in der Stern- Arinet und der Pferdestall Kultur GmbH zwei Bewer- straße 2. Das Centro Sociale versteht sich als autono- ber. Über die Pferdestall Kultur GmbH hieß es in der mer Nachbarschaftstreff – bunt, offen und vielfältig. zweiten Ausgabe des Stadtteil- & Fußballmagazins Su- Fördern – Vernetzen – Unterstützen Das denkmalgeschützte Backsteinhaus mit seinen pra: »Im Januar 2001 trat erstmals eine Gruppe als Pferdestall Kulturkombinat zur Studierendenparla- rund 500 Quadratmeter gehört der Stadt und wird von Berlin« zwei ehemalige jugoslawische PartisanIn- der Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesell- mentswahl an, die als Ziel erklärte, im glasüberdach- Netzwerk Selbsthilfe e.V. als staatlich unabhängiger politischer Förderfonds ist mit seiner Idee seit nen zu einer Vortragsveranstaltung ein. An diesem schaft (steg) verwaltet. Bis Ende 2009 existierte ein ten Innenhof des Pferdestalls am Allende-Platz einen Datum jährte sich die Befreiung vom deutschen Fa- Mietvertrag mit der Lerchenhof Handwerksgenossen- ‘netten Studentenclub’ zu eröffnen. Über Jahre ver- nunmehr 30 Jahren einzigartig. Sie wird auf drei schismus zum 65. Mal. Zwischen 1933 und 1945 schaft, die wiederum einen Untermietvertrag mit dem suchte man dieses Projekt im Kulturreferat des grünen Wegen umgesetzt. Direkte finanzielle Förderung überzog Deutschland die Welt mit Vernichtung und Centro Sociale vereinbart hatte. Da die Stadt das Ge- AStA voranzutreiben. Schließlich wurde 2003 die Pfer- durch einen Zuschuss, persönliche und individuelle bäude jedoch nicht einfach so den Gentrifizierungskri- destall GmbH gegründet. »Dass die Anteilseigner die- Beratung sowie Vernetzung von politischen tikerInnen überlassen wollte, initiierte die steg durch ser GmbH zu diesem Zeitpunkt bezahlte Angestellte das Fachamt Stadtplanung im Bezirk Mitte in Form ei- des AStA waren und so selbst entscheiden konnten, wie- Projekten. Wir brauchen UnterstützerInnen und Anzeige viel Geld ihre Firma erhalten soll, ist ein moralisches SpenderInnen, damit das Entstehen und Überleben Verbrechen. Dass dafür aber studentische Gelder in vieler kleiner politischer, sozialer und alternativer Höhe von mehr als 100.000 Euro zweckentfremdet Projekte möglich bleibt! und damit veruntreut wurden, ist ein tatsächlicher«, meinte 2004 der Vorsitzende der Jungen Union Ulf Krieg. Doch überall gab es Menschen, die sich ge- Teuber und verklagte den AStA.« Erst ein neuer linker Die Zukunft der Vergangenheit ist wehrt haben, dem Widerstand beitraten und zur AStA löste die Verbindung zwischen AStA und GmbH Aufgabe antifaschistischer Erinnerungsarbeit Niederlage der Nationalsozialisten beigetragen ha- auf. Inzwischen bespielt die Pferdestall Kultur PartisanInnen aus Jugoslawien erinnern sich ben. »Für uns ist es ein Tag der Erinnerung und des GmbH, die immer noch durch die Uni Marketing »Es ist geschehen, folglich kann es wieder gesche- Gedenkens, aber auch des Sieges und des Dankes GmbH finanziell mitgetragen wird, viele Clubs in hen«. Mit diesen Worten bilanzierte der italieni- gegenüber jenen, die den Mut aufbrachten, sich ge- Hamburg, so auch das »Vier Etagen hoch Kultur« sche Schriftsteller Primo Levi seine lebenslange Aus- gen die Barbarei aufzulehnen« so die Veranstalte- (Flora-Erklärung vom Mai 2006) im Haus 73 direkt einandersetzung mit der Erfahrung von Auschwitz rInnen. und Buchenwald. War es nach der Befreiung die neben der Roten Flora. Die ehemaligen jugoslawischen PartisanInnen Angst gewesen, niemand würde ihm seine Erlebnis- Die eigentlich auf den 11. September angesetzte Olga Rodic und Radoslav Deric leben heute in Bel- se in Auschwitz glauben, so fürchtete Levi, das Ver- Entscheidung der Jury wurde kurzfristig noch auf den grad und kamen auf Einladung der Berliner Grup- Oktober verschoben. Doch auch das wachsende kom- drängen des Grauens in Form der Instrumentalisie- pe in die Hauptstadt, um von ihrem Kampf bei den merzielle Party-Imperium Pferdestall Kultur GmbH rung und Trivialisierung könnten am Ende obsie- Partisanen zu berichten. Radoslav wurde am 12. gen. In absehbarer Zeit wird es keine lebenden Zeu- musste sich am Ende geschlagen geben. Am 5. Novem- April 1927 geboren und schloss sich als 16 jähriger gInnen von Vernichtung und Widerstand im Natio- ber bekam das Centro Sociale schließlich den Zu- den Partisanen an. Olga wurde am 9. Januar 1925 schlag für die Sternstraße 2. nalsozialismus mehr geben. Umso dringlicher stellt geboren und ging als 17jährige Studentin zu den sich die Frage nach der Zukunft der Vergangenheit Partisanen. Die Veranstaltung fand im gut gefüllten und wer sie zu bestimmen vermag. Angesichts der Links: Festsaal Kreuzberg statt und wurde ins Deutsche Tatsache, dass uns die letzten Überlebenden verlas- www.empire-stpauli.de übersetzt. Mehr solcher Veranstaltungen sind wün- sen, ist es umso bedeutsamer deren Erinnerungen, www.gaengeviertel.info schens- und unterstützenswert. http://centrosociale.breitaufgestellt.de Erlebnisse und Erfahrungen zu bewahren und wei- Ruben Wesenberg www.rechtaufstadt.net ter zu erzählen. Diese Aufgabe mag mühselig sein, sie ist jedoch unverzichtbar. Netzwerk Selbsthilfe e.V., Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin Dieser Artikel ist unter einer Am 8. Mai 2010 lud die »Antifaschistische Linke www.netzwerk-selbsthilfe.de Creative Commons-Lizenz lizenziert. 2010 JUNI REGIONALENTWICKLUNG CONTRASTE SEITE 5

REGIONALWÄHRUNGEN ALS ALTERNATIVE ZUM GELDSYSTEM Gibt es ein Leben ohne Euro?

Prima leben, ohne einen Euro in der Tasche? Gerade gleichen. So entstehen regionale Wirtschaftskreisläufe scheidet sich die Regionalwährung in einem entschei- Diese Lobbyarbeit trägt am Chiemsee besonders rei- in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise nimmt das mit kurzen Transportwegen, wovon dann auch die denden Detail vom amtlichen Geld: Sie verfällt! Wer che Früchte. Über 600 regionale Firmen machen der- Umwelt wieder profitiert!« seine »Chiemgauer« nicht innerhalb eines Quartals zeit mit, knapp 430.000 kunterbunte »Chiemgauer« Interesse an Alternativen zum traditionellen ausgegeben hat, der muss zwei Prozent draufzahlen, Geldsystem wieder zu. Neben den »geldlosen« sind im Umlauf. Und die derzeitige Krise des globalen Währung mit Verfallsdatum um den Wert zu erhalten. Ein Aufkleber auf der Finanzsystems – davon ist Christian Gelleri überzeugt Tauschringen sind in Deutschland vor allem »Chiemgauer«-Vorderseite gibt Auskunft über die Gül- – wird die Regionalwährungen langfristig weiter stär- Regionalwährungen verbreitet. Den »Chiemgauer« gibt es entweder in Form von bun- tigkeit. »Umlaufsicherungsgebühr« nennt Christian ken. Denn der Grund allen Übels liegt nach seiner An- ten Papierscheinen – oder eben als elektronische Wäh- Gelleri das. Der gelernte Wirtschaftslehrer ist sicht in den zu großen Geldmengen, die eine wachsen- Geschäftsführer der Regios-Genos- Von Elias Bierdel de Kluft zwischen Real- und Finanzwirtschaft erzeu- Immerhin 30 verschiedene Projekte senschaft und des »Chiemgauer gen. »Spätere Generationen werden uns fragen, wieso gibt es hierzulande, die »Urtaler«, »Bethel« oder »Re- e.V.«: »Die Idee dahinter ist, dass wir den Spekulationsblasen Billionen an Steuergel- gios« ausgeben. Der Star unter den regionalen Wäh- Geld nicht mehr als Besitz gehortet dern hinterhergeworfen haben«, meint Gelleri. »Die rungen ist der »Chiemgauer«, der als Zahlungsmittel wird, sondern im Umlauf bleibt.« Wirtschaftswissenschaftler der Zukunft werden diese ausschließlich in den bayrischen Landkreisen Traun- Gelleri ist der geistige Vater von Politik als Staatsversagen analysieren.« stein und Rosenheim angenommen wird. Deutschlands erfolgreichster Re- Wenn Anneliese Brolmann ihr Stammcafé »Alte gionalwährung. Als Lehrer an ei- Schranne« in Wasserburg besucht, zahlt sie mit der ner Waldorfschule entwickelte er Krisenprävention als Teil der Vision »Regiocard«. Das orangefarbene Kärtchen wird ohne vor sieben Jahren mit Schülerin- Zögern akzeptiert. An der Kasse tippt die Bedienung nen und Schülern das Konzept – Können Regionalwährungen hier wirkungsvoll gegen- »Chiemgauer« ein – und ihre Kundin verlässt das Lo- und schuf sich selbst damit einen steuern? Christian Gelleri wiegt den Kopf. »Die Vision kal in bester Stimmung: »Es war lecker und außer- neuen Arbeitsplatz. Als hauptamtli- wäre schon, dass man das Geldsystem ein Stück weit dem habe ich schonmit dem Frühstück hier eine Spen- cher Streiter für ein neues Geld-Ver- gesunden lässt«, sagt er nachdenklich. Bis allerdings de für eine sinnvolle Sache geleistet!«, freut sie sich. ständnis managt er heute nicht der heilende Effekt gegen die auf den Finanzmärkten »Mit einer Regionalwährung macht sogar das Bezah- nur den Verein, sondern hält Vor- waltende Gier messbar ist, wird es wohl noch etwas len noch Spaß!« Drei Prozent von allen Umsätzen ih- träge in aller Welt. Und er lebt dauern. Als »Lebensaufgabe« sieht Gelleri deshalb sei- rer »Regiocard« gehen an den Tierschutzverein. Ande- selbst in der Praxis vor, was er als ne Mission, für die er zunächst einmal seine persönli- re fördern Kindergärten, Trachtengruppen oder ihren In der Region kommt die Währung gut an Fotos: Matthias Leippe »Aufbruch in ein neues Geldver- che Geldmenge verringert hat. »Man kann auch mit Fußballklub. ständnis« propagiert: Christian weniger gut auskommen«, findet der 36-Jährige. Statt »Das ist auch für mich das entscheidende Argu- rung, die »Regiocard«. Um »Geld« handelt es sich da- Gelleri hat sich vom schnöden Allerwelts-Euro weitge- seines früheren Lehrergehalts verdient er jetzt Elfhun- ment«, sagt Jürgen Häuslmann, der mit seiner Frau bei im juristischen Sinne nicht (dafür ist in Deutsch- hend verabschiedet. dert brutto im Monat. »Chiemgauer«, versteht sich. Monika vor drei Jahren die »Alte Schranne« übernom- land ausschließlich die Bundesbank zuständig), son- »Meinen Alltag bestreite ich fast ausschließlich mit men hat. Von Anfang an sind sie beim »Chiemgauer« dern lediglich um »vereinsinterne Gutscheine«, die dem Chiemgauer«, erzählt er fröhlich. »Und wer un- www.regiogeld.de dabei. »Der Kunde entscheidet, welchen Verein er da- aber immerhin bei regionalen Banken ausgegeben ser Regionalgeld nicht akzeptieren will, der wird von mit unterstützen will. Außerdem bleibt das Geld in der werden – zum Euro-Kurs von 1:1. Allerdings unter- mir überzeugt!« Aus: die gesellschafter.de, Nr. 18, Dezember 2009

»NUEVA VIDA FAIR TRADE ZONE« TOURT DURCH DEUTSCHLAND Mit fairem Konsum bessere Arbeitsbedingungen schaffen?

Redaktion Heidelberg Vom 02. bis 12. Juni 2010 wer- Die Kooperative »Nueva Vida Fair Trade Zone« wur- schnitt 25% höher als der landesweite Mindestlohn. den Maria Elena Medina Vallejos und Sulema Mena de nach der Zerstörung der Sweatshops-Arbeitsstätten Initiiert wird diese Veranstaltungsreihe von dem ge- de Gonzalés von der Frauenkooperative » Nueva Vida durch den Hurrikan Mitch mit Hilfe einer Anschubfi- meinnützigen Verein »Netzwerk Kritische Masse« e.V. Fair Trade Zone« in zehn bundesdeutschen Städten nanzierung von der Non-Profit-Organisation »Center aus Hannover in Kooperation mit der Stiftung Leben & nicht nur von den schlechten Arbeitsbedingungen in for Development in Central America« (CDCA) inner- Umwelt, der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersach- Chiemgauer gibt es auf Papier und elektronisch den Sweatshops der Textilindustriebranche berichten, halb weniger Jahre aufgebaut. Aktuell sind 36 Arbeite- sen, dem Café Libertad Kollektiv eG, dem Jugendum- sondern auch Perspektiven jenseits der Konkurrenz- rinnen in Vollzeit beschäftigt. Gebäude und Maschi- welt-Netzwerk JANUN e.V., dem Agenda-Büro der Stadt Region und stärkt so die heimische Wirtschaft. So ha- wirtschaft aufzeigen. Begleitet werden die Veranstal- nen sind Eigentum der Mitglieder, die sich selbst als Hannover und den Fair-Trade-Händlern »Beklei- ben alle etwas davon!« Den Spendenanteil zahlen da- tungen von lokalen Initiativen aus den Themengebie- »owner-workers« bezeichnen. dungssyndikat« aus Hannover und »Zündstoff« aus bei nicht die Verbraucher, sondern die teilnehmenden ten der gewerkschaftlichen, der Fair-Trade-, und der Die Kooperative ist genossenschaftlich organisiert. Freiburg. Unternehmer. Für die Eheleute Häuslmann rechnet Eine-Welt-Arbeit. Somit werden alle Entscheidungen auf dem monatli- Termine: chen Plenum, bei dem jedes Mitglied der Kooperative sich die Sache trotzdem. »Es ist ja auch Werbung für »Der Grundsatz, dass mit dem Kauf von Produkten 2.6.2010, Mittwoch,Hannover, 19Uhr, Pavillon,Raum 8, Lister Meile 4 uns, weil man so neue Kundschaft anzieht.« aus Kooperativen Menschen hierzulande sichere Ar- gleichberechtigt eine Stimme hat, getroffen. Neue Ge- 3.6.2010, Donnerstag, Freiburg, 20 Uhr, DGB-Haus, Hebelstr. 10 Aus Sicht der heimischen Wirtschaft wandelt sich beitsplätze in Ländern des Südens fördern können, nossinnen müssen nach spätestens drei Monaten ver- 5.6.2010, Samstag, Karlsruhe, 20 Uhr, Planwirtschaft, Werderstr. 28 auch der größte Nachteil jeder Regionalwährung zum soll in der Veranstaltungsreihe verdeutlicht werden.«, pflichtend Mitglied werden, um ein vermeintliches Ar- 6.6.2010, Sonntag, Trier, 12 Uhr, Weltladen Trier, Pfützenstraße 1 7.6.2010, Montag, Saarbrücken, 18 Uhr, Frauenbibliothek Saar, Pluspunkt: »Unser Geld ist außerhalb der beiden Land- so die Koordinatorin Beate Gonitzki. »Wir wollen den beitnehmerinnen – Arbeitgeberinnen – Verhältnis Bleichstr. 4 kreise nichts wert! Deshalb können nur Waren damit BesucherInnen der Veranstaltungen den Zusammen- dauerhaft zu verhindern. 8.6.2010, Dienstag, Münster, 20 Uhr, Interkulturelles Zentrum Don bezahlt werden, die auch hier produziert wurden«, hang zwischen dem eigenen Konsum und den ausbeu- Weiterhin garantiert das Kollektiv, im lokalen Kon- Quijote, Scharnhorststr. 57 freut sich Gastwirt Häuslmann. »Das heißt, ich suche terischen Arbeitsverhältnisses aufzeigen.« Die Reihe text betrachtet, faire existenzsicherende Löhne. Zur 9.6.2010, Mittwoch, Bielefeld, 20 Uhr, IBZ Bielefeld, Teutoburger Str. 106 10.6.2010, Donnerstag, Hamburg, 19 Uhr, Centro Sociale, Sternstr. 2 Hersteller in der Region, die mir ihre Produkte gegen will die BesucherInnen für einen bewussten Konsum Zeit zahlen sich die Mitglieder ein Einkommen von 11.6.2010, Freitag, Lüneburg, 19 Uhr, Infocafé Anna & Arthur, Kat- ‘Chiemgauer’ liefern. Und die versuchen ihrerseits, sensibilisieren und ein Nachdenken über die eigenen (umgerechnet) 140 US-Dollar aus. Der gemeinsam zenstr. 2 Rechnungen möglichst in Regionalwährung zu be- Kaufentscheidungen anstoßen. festgelegte betriebsinterne Mindestlohn ist im Durch- 12.6.2010, Samstag, Berlin, 16 Uhr, Kunstfabrik Berlin, Am Flutgraben 3

WILDE OBSTBÄUME, BEEREN UND STRÄUCHER KARTIEREN

Banderole zu kennzeichnen. in Kürze sogar die Landesgrenzen überschritten, denn Einfacher ist der Fall natürlich bei wirklich wilden auch in Ober- und Niederösterreich soll es herrenlose Mundraub Früchten wie z.B. Himbeeren oder Heidelbeeren im Obstbäume geben. Wald, Holunder an Waldrändern oder Bärlauchblät- 3 Freunde, eine Erkenntnis, eine Idee – und fertig ist Auch einige Mostereien sind bereits eingetragen, so tern im Unterholz. Sie sind wirklich und zweifelsfrei dass die Ernte nicht nur fest, sondern auch flüssig mit eine interessante Website, die den herrenlos. nachHause genommenwerden kann.Ideen für die Zu- Community-Gedanken unterstützt und allen In wieweit solche Plätze allerdings veröffentlicht kunft haben die »Mundräuber« genug. Zur Umset- Interessierten nutzt. So lässt sich das werden, ist eine andere Frage, die sicher auch vom Um- zung wird allerdings ein wenig Kleingeld benötigt. charakterisieren, was man unter www.mundraub.org fang des Angebots abhängt. Bei Pilzplätzen scheint die Und dazu wiederum muss die an sich sehr gute Idee Geheimhaltung tatsächlich heilig zu sein, so dass sich noch um einiges populärer werden. findet. Die Erkenntnis bestand bei Kai, Mirco und die »Mundräuber« sofort entschlossen haben, keine Katharina darin, dass es etliche Obstbäume gibt, die Pilzplätze zu kartieren. So wie die Website derzeit realisiert ist, wird der entweder niemandem gehören oder vom Besitzer Im Textteil besteht auch die Möglichkeit zur Diskus- Suchmaschinen-Optimierung wenig Gewicht gege- nicht abgeerntet werden können. Und warum sollen sion unter Mundräubern der unterschiedlichen Regio- ben. Da gibt es sicher noch ein Verbesserungspotenzi- die Früchte unter dem Baum verfaulen, während viel nen. Da die Site aber mit Wordpress aufgebaut ist, han- al. Die Frage ist jedoch, wie viele Leute überhaupt auf delt es sich nicht um ein echtes Forum, sondern »nur« die Idee kommen, in den Suchmaschinen nach wil- Obst chemisch behandelt wird, um weite den Bäumen zu suchen. Wichtiger wird es sein, die Transportwege zu überstehen? um die Kommentarfunktion der Blogsoftware. Richtig interessant wird es dann auf der Mundraub- Site an sich online und auch offline bekannt zu ma- Map, die über einen Link aus dem Textteil erreichbar chen. Von Marion Engel Und nach diesem Motto haben sich ist: In einer GoogleMaps-Karte findet man alle derzeit Die nächste Frage, die zu beantworten wäre, dreht die »Mundräuber« nun aufgemacht, das Angebot wil- kartierten Bäume, Sträucher und Flächen. Die Farbe sich darum, wie weit die Community der Mundräuber der Beeren und Kräuter, herrenloser und vom Besitzer des Pins unterscheidet die Zulässigkeit der Ernte. Bei wachsen muss. Sie muss wohl mehr in die Breite zum Ernten freigegebener Obstbäume sichtbar zu ma- Foto: www.mundraub.org blauen und grünen Pins darf geerntet werden, bei ro- wachsen als in die Tiefe. Das heißt, das Netz muss flä- chen. Die Website besteht aus zwei Teilen, einem Text- ten Pins ist noch nicht sicher, ob der Baum wirklich chendeckend werden, um so viele Bäume und Sträu- teil und der MundraubMap. bedeutet das ja noch lange nicht, dass die Früchte wirk- zum Ernten freigegeben ist. Der Standort wird in der cher wie möglich zu kartieren. Es sollte aber nicht so Im Textteil geht es um die Hintergründe der Initiati- lich herrenlos sind. Deshalb werden Besitzer von Obst- Karte genau gezeigt, zusätzlich beschrieben und teil- werden, dass es Streit um die Früchte eines Baums gibt ve und die Regeln. Denn natürlich wollen die Initiato- bäumen, die diese nicht abernten können oder wollen, weise auch durch Fotos ergänzt. oder dass möglicherweise kommerzielle Interessen ren keineswegs dazu anregen, dass Obst gestohlen auch aufgefordert, die Freigabe ihres Baums schrift- Noch liegt der Schwerpunkt der kartierten Bäume mit der Grundidee der Site in Konflikt geraten. Es wird. Denn auch wenn Bäume nicht eingezäunt sind, lich zu erklären und den Baum mit einer Mundraub- im Nordosten von Deutschland. Aber vielleicht werden bleibt also spannend bei den Mundräubern. 6 SEITE CONTRASTE REGIONALENTWICKLUNG JUNI 2010

ERFOLG UND MISSERFOLG DES »DESSAUER MODELLS«

sitzende der Anhalt Dessau AG, vormaliger Regierungs- Versuch über ein Jahrzehnt präsident von Dessau, hat diese Serie von Fehlschlä- gen, teils mit den eigenen Parteifreunden, letztlich nicht verkraftet und ist zu Beginn 2009 krankheitsbe- Das »Dessauer Modell« basierte auf insgesamt fizierung (Reba GmbH), Rechenzentrum (Anhalt Des- Wer sind die Geschädigten der Insolvenzen? dingt ausgefallen, was den Niedergang beschleunigt 4 Regionalgesellschaften, die seit August 2001 in sau AG), ein Verein für Tauschring und DeMark (In- Finanzamt, Stadtwerke, Arbeitsamt mit Insolvenz- hat. Dessau gegründet wurden. Unternehmerring, itiative Dessau e.V.) sowie eine Genossenschaft für Ver- ausfallgeld, das sind die großen Brocken. Drei Dut- Könnte ein solches Projekt dauerhaft erfolgreich sein, trieb, Service und Werbung (Handelskontor Dessau zend Lieferanten mit Beträgen zwischen 100 und wenn es bessere Unterstützung bekäme? Und woher könnte Verrechnungskonten, Regionalgeld, Regiocard, eG). Die Genossenschaft hat einen öffentlichen Infor- 1.000 EUR. Drei oder vier Lieferanten mit größeren Be- die kommen? Tauschring, Regionalladen, ein eigenes Gebäude, mationsschalter am Hauptbahnhof in Dessau und ei- trägen. Wir sind an fehlenden 50.000 EUR gescheitert. Ich bin bis heute zutiefst überzeugt, aus dem The- Feste, Märkte, Konferenzen. Ein Jahrzehnt prall nen Regionalladen betrieben sowie im Internet einen Nachdem wir in den 10 Jahren 5 Mio EUR an Förder- ma Zweitgeld und Verrechnungskonten lassen sich gefüllt mit regionalen Aktivitäten und dem Versuch regionalen »Dessau-Shop« unterhalten. Das Ziel wa- geld nach Dessau geholt hatten. großartige Ideen und Projekte entwickeln. Aber unter einer Regionalentwicklung von unten (vgl. ren und sind regionale Vertriebssysteme und damit Was lässt sich aus eurem Scheitern lernen? diesen Bedingungen war es ein Kampf gegen Wind- CONTRASTE Nr. 277, Oktober 2007). eine neue Chance für ein bewährtes Modell: Die Kon- Erfahrungen aus dem Beispiel der Erfolgs- und mühlen. sumgenossenschaft. Misserfolgskurve in Dessau sind: Solide Teams mit ei- Die Gewerkschaften sollten ihr Trauma der verlo- Im Sommer 2009 mussten 3 der 4 Gesellschaften Im Sommer 2009 mussten drei Unternehmen, die gener Motivation und Freude am Engagement sind ren gegangenen Gemeinwirtschaft überwinden und Insolvenz anmelden. Damit ist der erste Anlauf erst Anhalt Dessau AG, die Reba GmbH und das Handels- wichtig. Eigenes Geld und eine solide Finanzierung, Teile ihres Vermögens in regionale Stiftungen und einmal gescheitert. Für CONTRASTE sprach Elisabeth kontor Dessau eG Insolvenzantrag stellen. Der gemein- speziell bei den laufenden Kosten, sind auf Dauer Fonds einbringen. Gleiches gilt für Teile des von der Voß mit Rolf Walther aus Dessau. unverzichtbar, wenn man die Grö- SPD und von der PDS verwalteten Restvermögens der ße eines Stammtisches verlässt. »Arbeiterklasse«, für Teile des kirchlichen Vermögens Und über allem steht die Frage und für Teile des Vermögens sonstiger gesellschaftli- Was war der Ausgangspunkt eures Projekts? »warum das Ganze«. Je länger cher Organisationen. Wichtig wären gemeinsame Rolf Walther: Die Grundüberlegung, die hinter dem und komplizierter die Antwort auf Grundregeln für den Einsatz und die Verwaltung die- »Dessauer Modell« steht, ist einfach. Man braucht ge- diese Frage gerät, desto aussichtslo- ses gesellschaftlichen Kapitals. »Genossenschaftlich« schäftlich wie privat eigentlich kein Geld, um Lei- ser ist das Unterfangen einer gesell- als Oberbegriff füreine demokratische und transparen- stung zu erbringen und Leistung in Anspruch zu neh- schaftlichen Relevanz und Durch- te Unternehmensverfassung, unabhängig von der Un- men. Die gesamte Genossenschaftsbewegung basiert schlagskraft auf längere Sicht. ternehmensform, ähnlich dem französischen Genos- seit ihren Anfängen auf dieser Erkenntnis. Jeder Aufgrund von guten Projekt- senschaftsrecht, wäre ein sinnvoller Schritt. Mensch, auch der ohne einen Cent in der Tasche, ideen und erfolgreicher Förderan- Wie geht es nun weiter? kann für andere Menschen etwas Sinnvolles tun und träge haben sich Menschen an un- Seit Oktober 2009 hat ein Prozess der langsamen im Gegenzug auch etwas bekommen. Dieser Vorgang seren Projekten und Unternehmen Regenerierung eingesetzt. Der Unternehmerring trifft des Wirtschaftensohne Geld schafft den gleichen Wohl- beteiligt, ehrenamtlich und haupt- sich wieder monatlich. Die Verrechnungskonten wer- stand und den gleichen Reichtum wie mit Geld, aller- amtlich, die den Dreiklang von Er- den weiter genutzt. Eine neu gebildete Genossenschaft dings weit solidarischer als in der Geldwirtschaft. Die folg und Finanzen haben und eine wird das Gebäude der Anhalt Dessau AG aus der Insol- Tatkraft steht im Vordergrund, nicht Zahlungsfähig- sinnvolle Tat attraktiv fanden. Als venz herauskaufen. Eine Nachfolgegesellschaft in keit oder Vermögen. Eine Bereicherung durch Kapital- es beim Erfolg und bei den Finan- Form einer Genossenschaft für den Geschäftsbereich besitz (Zinsen) findet nicht statt. Der regionale Ansatz in Dessau beruht auf 5 Säulen, um eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der Region durch zusätzliches »virtuelles« Geld zu beschleunigen. zen eng wurde, verlor auch die »Bürgerkraftwerke« bewegt sich erfolgreich in klei- In deinem CONTRASTE-Beitrag 2007 hast du die Säulen »sinnvolle Tat« an Attraktivi- nen Schritten nach vorne. des Dessauer Modells dargestellt: Tauschring, Regionalwäh- nützige Verein »Initiative Dessau – Arbeit für Anhalt tät. Da haben dann Vorstands- und Aufsichtsratsmit- Die alten Ziele sind die neuen Ziele, aber die Wege rung und Regiocard sowie einen revolvierenden Fonds. Durch e.V.« besteht weiter und ist bis heute Träger des priva- glieder ihre Ämter niedergelegt: Einem Gewerkschafts- sind neu zu konzipieren. Letztlich lässt sich vom ge- Teamgründungen wolltet ihr Arbeitsplätze schaffen. Was ist ten Tauschringes und der DeMark. Mit den Insolven- sekretär fehlte die Zeit, ein Bank- davon geblieben? zen der 3 Unternehmen lösten sich alle hauptamtli- vorstand entdeckte seinen Interes- Der Tauschring besteht nach wie vor, ebenso wie chen Strukturen unmittelbar auf. Das Führungsteam senskonflikt und ein Hochschul- der Mitteldeutsche Barter Ring als Tauschring für ge- brach auseinander. Stillstand und Lähmung waren rektor tat es ohne Begründung. werbliche Tätigkeiten. Ihm gehören bis heute rund die Folge. Um nur drei bemerkenswerte Bei- 100 Unternehmen der Region an. Die Unternehmen Was waren die Gründe für euer Scheitern? spiele zu nennen. Aber auch Mit- sind derzeit dabei sich neu zu organisieren. Die Gründe für den Niedergang nach 5 erfolgrei- glieder im Führungsteam entdeck- Was bedeutet das konkret? chenJahren lassen sich heute indrei Erkenntnissen zu- ten ihr Verlangen nach mehr Ge- Die Unternehmen bereiten die Gründung eines sammenfassen: halt, mehr Freizeit, neuen Zähnen »Handelsverein Anhalt e.V.« vor, der Barter Ring, Mi- Erstens: Solidarische Geschäfts- und Handlungs- und nach sonstigen Auszeiten. So krofinanzierung und Dienstleistungen (Solarstrom, modelle funktionieren in größerem Maßstab mögli- beginnt es plötzlich überall zu Blockheizkraftwerke, Gruppenversicherungen, Cars- cherweise nur dann, wenn sie mit einer cleveren und knirschen, ohne wirkliche Ursa- haring, Tankstelle) vereinen soll und bei Erfolg in profitablen Geschäftsidee gekoppelt werden. Lauter chen oder Konflikte. eine Genossenschaft überführt wird. gute Taten, die alle mehr kosten als sie einbringen, las- Lag das Scheitern nur am Projekt Und die anderen Säulen? sen sich auf Dauer in einem größeren regionalen Kon- selbst, oder welche Rolle spielte das Auch die »Dessauer Mark« (DeMark) gibt es weiter- text nicht durchhalten. Auch für die Solidarische Öko- Umfeld? hin. Sie wird derzeit in 50 Geschäften und Gaststätten nomie gilt: Man kann nicht dauerhaft mehr ausgeben Beispiel 1: Die Anhalt Dessau in Dessau und Umgebung angenommen. als man einnimmt. AG war im Herbst 2008 nahe dran, Mit der Regio Card können nach wie vor im Sinne Zweitens: Es bedarf für eine allmählich sich bilden- 50 Prozent der regionalen Wirt- Das Dessauer Modell unternimmt den Versuch, Verrechnungsringe, Regiogeld und regionale Kundenbindung einer Vorteilskarte Rabattpunkte gesammelt werden. de Breitenwirkung einer überzeugenden (und innova- schaftsförderung, einer GmbH der (Vorteilskarte) zu verzahnen. Diese Rabattpunkte werden den Kartenhaltern als Ta- Stadt Dessau und der umliegenden Landkreise, über- nossenschaftlichen Carsharing über Barter-Hypothe- lente auf ihren Tauschringkonten gutgeschrieben. tragen zu bekommen. Wir hatten ein überzeugendes kenkredite für eine Gebäudesanierung bis zu Volksfe- Dieses Dessauer Kartensystem steht am Anfang und ist Arbeits- und Finanzierungskonzept erstellt. Es gab den sten auf DeMark-Basis alles im Rahmen einer regiona- ausbaufähig. Zukünftig soll es auf Nutzergruppen zu- Gesellschafterbeschluss. Und ein Landrat kippte das len Verrechnungswirtschaft organisieren, was mit geschnittene Sonderformen der Regio Card geben. Ge- alles dann, ohne große Gegenwehr der anderen Gesell- Geld und Bezahlung zu tun hat. Völlig unabhängig plant sind eine Senioren Card, eine U-21 Card und schafter. Unser Konzept wurde realisiert, der bankrot- von den Immobilienpreisen in den USA und von der eine Touristik Card. Auch die Funktionalität ist aus- ten Wirtschaftsfördergesellschaft geht es wieder gut. Frage, ob die Zocker an der Börse gerade eine Glücks- baufähig. Vom Tanken mit der Regio Card bis zur Dafür ließ man die Anhalt Dessau AG gegen die Wand strähne haben oder ein Desaster erleben. Funktion einer Geldkarte. Zum Aufladen und zum Be- fahren. Alle geplanten Synergien lösten sich in Luft Die Idee des »Dessauer Modells« wird in unter- zahlen mit zwei parallelen Zahlungsmitteln: Mit der auf. Und das wussten auch alle. schiedlichen Varianten erneut versucht werden, in Dessauer Mark und mit dem Euro. Es gab dazu schon ganz unterschiedlichen Regionen. Und vielleicht einmal erste Kontakte mit der örtlichen Sparkasse und Beispiel 2: Der Stadtverband der Gartenfreunde, Dachverband von 80 Kleingartenvereinen mit 6.000 auch wieder zu neuer Blüte an seinem Ursprungsort der örtlichen Volksbank, die derzeit allerdings auf Eis gelangen. In Dessau und in Anhalt. liegen. Gärten, hat 2008 den Regionalladen als zentrale Ver- Nur der Fonds zur Unterstützung und Kofinanzie- marktungsstelle aller Kleingärtner mit uns gemein- Anzeige sam konzipiert. Alle Kleingärtner dürfen anliefern, er- rung regionaler Projekte und Unternehmen ist auf- Durch seine Entstehung aus einem regionalen »Pakt für Arbeit« erhält das grund der Insolvenzen im Sommer 2009 derzeit untä- Dessauer Modell einer Solidarischen Ökonomie eine breite regionale Unterstützung halten ein Tauschringkonto und eine Regiocard, be- kommen statt Geld Gutschriften und können diese tig, könnte aber in einem zweiten Anlauf neu aufge- tiven?) Idee. Es ist uns in Dessau trotz positiver und legt werden. Gutschriften mittels Regionalgeld ausgeben, also ein- umfangreicher Berichterstattung, trotz vielfältigster kaufen was immer sie wollen. 12 Monate Arbeit, ein Und was ist aus den Arbeitsplätzen geworden? Aktivitäten, trotz einer guten Internetplattform und Durch eine Verbindung von Existenzgründung mit großer Garten- und Pflanzenmarkt, Ladeneröffnung, Schulung in jedweder Form nicht gelungen, wohlwol- und dann immer neue Forderungen von den Garten- genossenschaftlichen Ansätzen und den Möglichkei- lende Aufmerksamkeit in eine selbsttragende und zu- ten einer regionalen Solidarischen Ökonomie hat der freunden und keine Resonanz an der Basis. Mit 2.000 nehmende Unterstützung zu transformieren. Wir ha- Tauschringkonten und Regiocards (so war das ge- Verein »Initiative Dessau – Arbeit für Anhalt e.V.« in ben es erst mit Konzentration auf ein Thema (»Zweit- den Jahren von 2003 bis 2009 rund 130 Arbeitsplätze plant) hätte es die Insolvenzen alle nicht gegeben. Das geld«) und dann mit Diversifikation (Anwendungs- Ergebnis waren letztlich 2 Kleingärtner, die angelie- neu geschaffen, beziehungsweise deren Entstehen ini- vielfalt) versucht. Beide Wege waren in gewisser Weise tiiert und finanziell durch die Einbeziehung in Projek- fert haben. erfolgreich, aber keiner von beiden führte zum Durch- Beispiel 3: Der Sparkassendirektor kam im Dezem- te begünstigt. bruch. Aus diesen Arbeitsplätzen sind Folgeaktivitäten und ber 2007 auf uns zu, mit dem Vorschlag, aus unserer Existenzgründungen entstanden, sodass mehr als die Drittens: Der Faktor Mensch ist in einer Solidari- Regiocard ein gemeinsames Projekt der Sparkasse, Hälfte der damals geschaffenen Arbeitsplätze den be- schen Ökonomie von besonderer Bedeutung. Wenn es der Wohnungsbaugesellschaft und der Stadtwerke zu troffenen Personen bis heute Einkommen und eine nicht gelingt die richtige Mischung aus Überzeugung machen, unter dem Dach der Anhalt Dessau AG. Natür- Existenz bieten. und Professionalität, Engagement und Vertrauen, lich waren wir begeistert. Wir haben Entwürfe ge- Welche Unternehmen und Projekte sind von der Insolvenz Sympathie und Lebensfreude in den unterschiedli- macht und zugeliefert. Nur passiert ist nichts. betroffen? chen Teams zu verankern, kommt es immer wieder zu Das waren alles nicht Menschen bösen Willens. Die edv-technische, buchhalterische, organisatori- erheblichen Verwerfungen und Verlusten, menschli- Aber es ist uns nicht gelungen, in den Parteien und in sche und vertriebstechnische Realisierung dieses brei- chen wie auch geschäftlichen. Gerade in diesem drit- der Verwaltung genügend Leute zu finden, die unsere ten Ansatzes einer Solidarischen Ökonomie in Dessau ten Bereich steckt auch ein Stück »Schicksal«. Man Ideen und Überzeugungen nachhaltig genug mit uns erfolgte über vier genossenschaftlich orientierte Unter- kann nicht alles steuern und planen. Man kann Glück geteilt hätten und in ein eigenes zielstrebiges Verhal- nehmen mit den Unternehmensschwerpunkten Quali- haben. Oder eben auch nicht. ten mit Rückgrat umgesetzt hätten. Der Vorstandsvor- 2010 JUNI SCHWERPUNKT CONTRASTE SEITE 7

KOMMERZIALISIERUNGSDRUCK KULTURGENOSSENSCHAFTEN Kulturvielfalt erhalten

Genossenschaftliche Selbsthilfe erweitert Nicht nur in Deutschland ist die Privatisierung kul- Engagement dennoch in vielen Möglichkeiten. Nach welchen Maßstäben und in tureller Einrichtungen ein Thema. In nahezu allen kulturellen Bereichen begrenzt. In- welchen Umständen entwickelt sich Kultur? EU-Staaten haben sich seit den 90er Jahren verschiede- sofern bietet sich in vielen Fällen ne Formen der Privatisierung von Kulturanstalten eta- als wichtige Ergänzung, und als Wozu soll diese eigentlich dienen? Sicherlich kann bliert. In Deutschland wurden mehrere staatlich getra- politische Alternative, die genos- Kultur dazu beitragen, dass sich der Mensch mit sich gene Museen in privatrechtliche Stiftungen weiterge- senschaftliche Selbsthilfe an. Soll selbst, seiner Umwelt und der Gesellschaft unter geben. So wird auch am Beispiel des Verkaufs des kulturelle Vielfalt vor Ort erhalten unterschiedlichsten Blickwinkeln und mit »Theater des Westens« in Berlin an den niederländi- oder ausgebaut werden, sind Ge- verschiedensten Formen und Medien der Kultur schen Musical-Konzern »Stage« deutlich, dass sich nossenschaften eine wichtige Va- auseinandersetzt. Eines der Ziele kultureller Arbeit im Kulturbereich zunehmend sogenannte »global riante, über die in der Bundesrepu- player« Markteinfluss sichern: Konzerne und Kapital- blik viel zu wenig nachgedacht sollte insofern auch sein, eigenständige wird. Qualitätskriterien zu entwickeln und Plattformen zu besitzer bestimmen die Inhalte. schaffen, auf denen sich »freie Kultur« betreiben lässt. Hier können Kulturgenossenschaften eine Kommerzialisierung Genossenschaftliche Pioniere wichtige Rolle spielen. Bieten doch Organisationen, Am Programm der Opernhäuser lassen sich verschie- Dennoch existieren in der Bundes- in denen die Nutzer gleichzeitig auch die Eigentümer dene Folgen bereits erkennen. Immer häufiger werden republik einige kulturgenossen- sind, hierfür erheblich größere Möglichkeiten. vor allem die populärsten Werke auf den Bühnen vor- schaftliche Ansätze, denen Pionier- geführt, um mehr Einnahmen zu erzielen. Das Bei- funktionen in der Kulturbranche spiel der Stiftung »Museum Kunst Palast« in Düssel- zukommen. Sie setzen für den Er- Burghard Flieger, Red. Genossenschaften Kultur ist wich- dorf, zu deren Stifter der E.ON AG, Metro und die De- halt oder die Weiterentwicklung tiger Bestandteil jeder Gesellschaft. Doch wer bezahlt gussa gehören, verdeutlicht: Inhaltliche Entscheidun- von Kultur wichtige Impulse. Nur sie? In Deutschland wird ein vergleichsweise hoher An- gen werden von Stiftungskuratorien getroffen. Zu de- welche genossenschaftlichen An- teil vom Staat finanziert, während nur ein kleiner Teil nen gehören die Sponsoren, Vertreter der Kommunen sätze sollen überhaupt dazu ge- von privater Seite Unterstützung erfährt. In Zeiten und andere »wichtige« Persönlichkeiten des gesell- rechnet werden? Eine allgemein- knapper staatlicher Kassen wächst aber in der gesam- schaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Lebens. gültige Definition für Kultur gibt ten Kulturbranche der Zwang zu mehr Einnahmen Gegenüber der Öffentlichkeit müssen diese weder es nicht. Je nach Blickwinkel wird aus dem privaten Sektor. transparent arbeiten noch Rechenschaft abgeben. Ent- die Grenze zu anderen Bereichen Nach Artikel 151 des EG-Vertrages sowie Artikel 22 spricht dies dem Auftrag von Kulturanstalten? Sollte unterschiedlich gezogen. der Charta der Grundrechte der Europäischen Union kulturelle Bildung tatsächlich vor allem durch die In- Sicher ist, dass zur Kultur nicht ist es Ziel der europäischen Kulturpolitik, die kulturel- teressen von Privatunternehmern bestimmt werden? nur der Prozess der Produktion le Vielfalt in Europa zu bewahren und zu fördern. Vorerst bleibt festzuhalten: Die öffentliche Hand Theaterplakat »Genossenschaft jetzt«, ein Stück, bei dem die Zuschauer über die Entwicklung der Genossenschaft von Kunst- und Kulturgütern – Kommerzialisierung oder Hochhalten der Ideale – mitentscheiden dürfen. Ebenso sollte diese einen breiten Zugang für die Öffent- zieht sich immer mehr aus der Verantwortung für die zählt, sondern auch deren Verbrei- lichkeit zu Kulturangeboten gewährleisten und somit künstlerische und kulturelle Bildung und Entwick- tung und Erhaltung. So lassen sich beispielsweise der gemeinnützige »Programmkino Aalen eG« (www.ki- Hörfunk und die Museen ebenfalls dazu rechnen. Je no-am-kocher.de). Nachahmer des Aalener Modells ei- nach Enge oder Weite ihres Kulturbegriffs schließen ei- ner ehrenamtlichen Kinogenossenschaft machen sich nige Kulturtheoretiker Bildungseinrichtungen ein, derzeit in Würzburg und Ingolstadt auf den Weg. Museen aber lassen sie außen vor. Andere wiederum beziehen Rundfunkveranstaltungen mit ein oder gar Ebenfalls scheint die genossenschaftliche Rechts- den Sport. Nach der Abgrenzung eines Ifo-Gutachtens form für den Erhalt von Kulturdenkmälern »ent- von 1991 gehören Theater undMusik genauso zur Kul- deckt« zu werden. Die Wildenburg in Hellenthal in der tur dazu, wie Denkmalschutz, wissenschaftliche Bi- Eifel hat eine 800-jährige Geschichte. Die Genossen- bliotheken, Volkshochschulen und Rundfunkanstal- schaft »Pro Wildenburg eG« (www.pro-wilden- ten. burg.de) will dem Burg-Ambiente und Ritter-Leben verstärkt Aufmerksamkeit schenken. Den ehrenamtli- chen Vorständen gelang es immerhin 2007, eine Tradition mit Fortschritt schwarze Null zu erwirtschaften. Dafür mussten sie die angeschlossene Übernachtungs- und Begegnungs- Werden Schulen und Bildungseinrichtungen dazu ge- stätte gut auslasten. In eine ähnliche Richtung geht rechnet, lässt sich hier schon fast von einer kulturge- die »Festhalle Annaberg-Buchholz eG«. Sie will das nossenschaftlichen Tradition sprechen. Bereit seit traditionelle Kongress- und Veranstaltungszentrum über 60 Jahren gibt es die »Schulgenossenschaft Ei- im Erzgebirge nicht nur erhalten, sondern in der Re- chenschule eG« (www.eichenschule.de) in Scheeßel gion zu einem kulturellen, wirtschaftlichen, aber im nördlichen Niedersachsen. Die »genossenschaftli- auch kulinarischen Zentrum weiterentwickeln – ein che« Schule besuchen ca. 950 Kinder und Jugendli- hochgestecktes Ziel. che. 27 Schülerinnen und Schüler sind im angeglie- derten Internat untergebracht. Mehrere Waldorfschu- len in Ismaning, Kirchheim-Teck, Hitzacker, Ravens- Unterstützungsfunktionen burg, Offenburg, Karlsruhe, Überlingen sind Schulge- nossenschaften, aber auch die Grundschule »Fried- Von größerer Breitenwirkung sind Kulturgenossen- rich-Wilhelm-Raiffeisen-Schule« in Wetzlar schaften als Sekundärgenossenschaften. Sie überneh- (www.fwr-wetzlar.de). Diese Beispiele unterstreichen men Unterstützungsfunktion für einzelne Kulturein- Ohne Engagement der Mitglieder würde in vielen Kulturgenossenschaften nichts laufen: Eine von etwa 20 ehrenamtlichen VorführerInnen beim »Programmkino Aalen eG« den Bedarf nach eigenständigen, wertegebundenen richtungen. Die im Schwerpunkt dargestellte »Berlin Bildungseinrichtungen. Music Commission eG« (www.berlin-music-commis- eine Plattform für künstlerische und kulturelle Entfal- lung zurück. Stattdessen übergibt sie diese an Unter- Dass Kultureinrichtungen wie Theater genossen- sion.de) und die »digiCULT-Verbund eG i.G.« (digi- tung bieten. Davon ist in der Kulturpolitik zurzeit we- nehmen und etabliert Kunst und Kultur in der Gesell- schaftlich betrieben werden, ist in der Schweiz häufi- cult.museen-sh.de) sind Beispiele hierfür. Für solche nig die Rede. Im Gegenteil: Immer wieder werden Dis- schaft als Ware. Beschreiben lässt sich dies auch mit ger anzutreffen. Beispiele befinden sich in Basel, Zü- Formen der Zusammenarbeit verschiedener Kulturein- kussionen geführt, welche Kultureinrichtungen über- dem Begriff Kommerzialisierung. Darunter wird ein rich, Chur und Bern. Dagegen kann das »Theater Ans- richtungen einer »Branche« stellt die Genossenschaft flüssig sind und wie die übrigen »wettbewerbsfähig« Prozess verstanden, indem sich wirtschaftliche Interes- bach – Kultur am Schloss eG« (www.theater-ans- eine besonders rationale und zweckmäßige Organisa- gehalten werden können. Hintergrund ist die brisante sen einen Gesellschaftsbereich erschließen und aus- bach.de) in Deutschland als Exot eingestuft werden. tionsform dar, solange Wirtschaftlichkeit und Selb- Frage, ob zur Finanzierung öffentlicher Kulturanstal- nutzen, der bis dahin nicht vorrangig an ökonomi- Seit 1919 sorgt in der mittelfränkischen Bezirkshaupt- ständigkeit gleichzeitig verfolgt werden. Sie ermögli- ten die Haushaltskassen ausreichen und wenn nicht, schen Zwecken der Gewinnerzielung orientiert war. stadt die Genossenschaft für einen Gastspielbetrieb chen ohne Aufgabe der betrieblichen Entscheidungs- ob diese privatisiert oder gar geschlossen werden müs- Kulturkritisch wird seit Jahren die Kommerzialisie- mit Tourneetheatern. Aktuell ist das Theater auf dem freiheit Aufgaben, die sonst aufgrund finanzieller sen. rung der Künste, des Theaters, der Wissenschaften besten Weg, sich neu zu einem Kleinod zu entwickeln. Überforderung nicht umgesetzt werden können, ge- oder des Sportes zu Recht immer wieder beanstandet. meinsam erfolgversprechend anzugehen – eine der wichtigsten Zwecke genossenschaftlicher Selbsthilfe. Trend zur Privatisierung Erhalten von Nischen Privates Engagement Anzeige Ein Beispiel: Das städtisch betriebene Volkstheater Ro- An Bedeutung zu gewinnen schei- stock wurde mit seiner gesamten Besatzung in eine Je größer das Kulturinteresse der Bevölkerung und da- nen Kulturgenossenschaften für GmbH umstrukturiert. Eine GmbH ist eine Kapitalge- mit auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für stark vernachlässigte Kulturseg- sellschaft mit beschränkter Haftung, bei der das Erwirt- kulturelle Ereignisse sind, desto attraktiver ist es für mente. Dazu gehören auf jeden schaften einer Kapitalrendite häufig im Vordergrund die Unternehmen, sich namentlich in diesem Bereich Fall so genannte Programmkinos. steht. Insofern wurden 300 Beschäftigte des öffentli- zu engagieren. Entsprechend wurde bereits von frühe- Dies sind kleinere Kinos, die künst- chen Dienstes in ein privatwirtschaftliches Unterneh- ren Regierungskoalitionen Erleichterungen einge- lerisch anspruchsvolle Autorenfil- men »outgesourced«. Die Stadtverwaltung gibt damit führt, um bei den diskontinuierlich wachsenden Eng- me zeigen. Sie etablierten sich als ihren Einfluss auf das künstlerische Geschehen im Ro- pässen der öffentlichen Haushalte, derartige Engage- Antwort auf die Versuche der ange- stocker Volkstheater auf. Sie übernimmt auch keine ments zu erleichtern. Die Begründung: Die steuerpoli- stammten Kinoindustrie, kleine- Verantwortung mehr dafür. Von den heute noch beste- tischen Hemmnisse für eine aktive Sponsoring- und ren Kinos das aktuelle Kinopro- henden rund 130 Kulturorchestern in der Bundesrepu- Stiftungskultur gelte es zu beseitigen, um so verstärkt gramm vorzuenthalten. Sie sind blik wurden seit 1990 bereits über 40 Orchester oder privates Engagement für das kulturelle Gemeinwohl verglichen mit anderen Kinos von Opernhäuser privatisiert. Die Zahl der festangestellten zu ermöglichen. der Verleihstrategie und den Vorga- Orchestermusiker unterschritt im Jahre 2008 zum er- Auch wenn dies an der einen oder anderen Stelle po- ben der Filmverleiher unabhän- sten Mal die Untergrenze von 10.000. sitive Wirkungen zeigt, bleibt unternehmerisches gig. Vorreiterfunktion hat hier das 8 SEITE CONTRASTE SCHWERPUNKT JUNI 2010

KUNST+BAU, DRESDEN KULTURGENOSSENSCHAFTEN Kunst im Kollektiv die Geschichte einer Künstlergemeinschaft

Im Jahr 2008 beging die Künstlergenossenschaft Adler und Friedrich Kracht zu Serien entwickelt. Dies »Kunst+Bau« in Dresden ihr 50jähriges Bestehen. ermöglichte eine weit verbreitete Anwendung der Sy- Gegründet wurde sie im Sommer 1958 von einer steme und bedeutete eine neue Dimension der ange- wandten Kunst. Von ihnen wurden Forschungen zu handvoll Künstler, die gerade ihr Studium beendet Flächenbeschichtungen im Außenraum betrieben, hatten und zielstrebig nach Arbeitsorten und die zu Patenten führten und im Ausland ebenso ge- -möglichkeiten suchten. Diese wollten ihr Können fragt waren wie in der DDR. Zwei der wichtigsten Ver- anwenden und sich an den großen Veränderungen treter ostdeutscher konkreter Kunst waren hier mit und dem Aufbau der Kultur im Lande beteiligen. Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht tätig. Nach den Die Stadt bot ihnen ein Grundstück an, dass bereits anfänglich schweren Jahren wurde die Auftragslage 30 Jahre Atelierhaus des Bildhauers Edmund Moeller in den 70er Jahren zusehends besser und die »PGH Kunst am Bau« entwickelte sich republikweit zum war und nach dessen Tod von der Stadt übernommen wichtigsten Partner bei städtebaulichen Großprojek- wurde. ten. Zahlreiche Arbeiten standen und stehen heute noch an zentralen Plätzen des Landes. Jakoba Kracht, Red. Genossenschaften In den Jahren 1927/28 erbaute der Bildhauer Edmund Moeller Einschneidende Veränderungen (1885-1958) in der damaligen Stadtrandlage Dres- den-Strehlen ein Atelierhaus und legte auf 4.000 qm Die Jahre 1989/90 brachten einschneidende Verände- einen Skulpturenpark seiner Werke an. Der einst hoch rungen. Die stark reduzierte Auftragslage, die Um- gelobte Träger des Rompreises, des Sonnenordens des orientierungund das Alter einiger Künstler führten da- Staates Peru (für die Schaffung des Nationaldenk- zu, dass das Grundstück weniger genutzt wurde. Im mals in Trujillo), des Kunstpreises der Stadt Dresden Jahr 1999 wurden vier junge Künstler in die Genossen- und Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Neustadt b. Co- schaft aufgenommen, die das Ziel hatten, diesen ein- maligen Ort künstlerischen Schaffens wieder aufle- Zu DDR-Zeiten waren Werke von »Kunst am Bau« bei vielen städtebaulichen Großprojekten eingebunden. Zahlreiche Arbeiten standen und stehen heute noch an zentralen burg war äußerst produktiv und hat besonders in sei- Plätzen des Landes (siehe auch Foto unten). ner Wahlheimat Dresden viele Spuren hinterlassen. benzu lassen. Seit 2000 existiert die Künstlergenossen- Er lebte und wirkte über vier politische Systeme hin- schaft als »Kunst+Bau eG« im denkmalgerecht sa- eignisse wie Konzerte, Lesungen, Vorträge und Ausstel- schichte der baugebundenen Kunst in der DDR ge- weg an diesem Ort und geriet fast in Vergessenheit. nierten Haus. Mit neun sanierten Ateliers beherbergt lungsort für die Geschichte des Hauses und der hier spielt hat. Eine umfassende Dokumentation zu 30 Jah- das Atelierhaus inzwischen Künstler unterschiedli- wirkenden Künstler. Der weitläufige Skulpturenpark ren künstlerischen Schaffens wird anhand umfangrei- cher Sparten wie Malerei, Plastik, Restaurierung, Ar- Kollektive künstlerische Arbeit des Grundstückes wurde wiederbelebt und mit Wer- chen Archivmaterials aktuell erarbeitet und2011 in ei- chitektur und Musik. ken Edmund Moellers und anderer Künstler erweitert. ner Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Nach Moellers Tod im Jahre 1958 kaufte eine Gruppe Die Bedingungen unter denen in der jetzigen Trotzdem ist der ursprüngliche Gedanke, einen Ort zu junger Künstler das Grundstück und gründete die Künstlergenossenschaft Kunst+Bau künstlerisch schaffen, an dem in einer Gemeinschaft künstlerisch Die Gesellschaftsform der Genossenschaft wurde gearbeitet wird, haben sich geän- gearbeitet werden kann, das Hauptanliegen auch der aufgrund ihrer gleichberechtigten und demokrati- dert. Die Räume werden nicht heute hier ansässigen Künstler geblieben. schen Grundsätze beibehalten und wird weiterhin po- mehr gemeinschaftlich genutzt, Inzwischen wurde sehr umfangreich die Geschich- sitiv gewertet. Jedes Mitglied ist eigenverantwortlich tä- der Erhalt des gesamten Grund- te des Begründers Edmund Moeller aufgearbeitet und tig und trägt durch die Miete seiner Arbeitsräume und stückes unterliegt anderen Prinzi- präsentiert. 2005 erschien in Zusammenarbeit mit seine ehrenamtliche Tätigkeit zum Erhalt des Hauses pien und die Nutzung hat sich teil- Antje Kirsch ein Buch über den Bildhauer »Edmund bei. Gegenwärtig besteht die Genossenschaft aus sechs weise geändert. Jährlich werden Mitgliedern und zahlreichen Mietern in den Ateliers Moeller – eine Spurensuche«. Während der Recher- kulturelle Veranstaltungen durch- chen zu Leben und Werk Edmund Moellers wurden und Arbeitsräumen. geführt, um einer breiten Öffent- Kontakte nach Trujillo in Peru geknüpft, wo das 1924 lichkeit diesen einzigartigen Ort bis 1927 von ihm geschaffene Befreiungsdenkmal mit seiner kulturell so interessan- den zentralen Platz der Stadt ziert. Als Höhepunkt die- ten Geschichte näher zu bringen. ser, nach 80 Jahren wieder aufgenommenen Verbin- Es werden Konzerte, Lesungen, dung nach Peru kam 2006 eine Gruppe junger Künst- Vorträge und Symposien veranstal- ler auf Einladung nach Dresden, um hier ihre Werke tet, die der 2001 gegründete in einer Ausstellung zu zeigen. »Förderverein Freie Akademie Kunst+Bau e.V.« organisiert. Genossenschaftliche Künstlervereinigung

Das Atelierhaus der Künstlergenossenschaft »Kunst+Bau« in Dresden wurde vollständig saniert. Ort kultureller Ereignisse (Kunst+Bau Frühling) 2008 jährte sich die Gründung dieser Künstlervereini- gung zum 50sten Mal. Die »Produktionsgenossen- »Genossenschaft bildender Künstler – Kunst am Neben dem Arbeitsort für Künstler ist das Ateliergrund- schaft Kunst am Bau« (1958-90) war eine einzigarti- Bau«. Leitgedanke dieser Vereinigung war eine konse- stückVeranstaltungsort fürverschiedenekulturelle Er- ge Gemeinschaft, die eine bedeutende Rolle in der Ge- quente kollektive künstlerische Arbeit auf den ver- schiedensten bildkünstlerischen Gebieten. Mitglieder wurden Bildhauer, Maler, Grafiker, Keramiker, Archi- THEATER ANSBACH – KULTUR AM SCHLOSS EG tekten und Formgestalter. Aufgrund der damaligen, nicht einfachen Situation der Künstler, war das Bestre- ben groß, in einer Gemeinschaft zu arbeiten. Die Theaterwunder in der fränkischen Provinz Gründung von Künstlergenossenschaften wurde sehr gefördert. schnell. 2007 war mit Jürgen Eick ein engagierter In- tel nicht reichen. Der Intendant erklärt das zur Tu- Zudem konnten in der Gemeinschaft größere, um- Vor drei Jahren wäre es in Ansbach undenkbar gewesen, dass das dortige Stadttheater seine tendant gefunden. Seit Herbst 2008 läuft der Spielbe- gend: »Mit wenig Mitteln und viel Elan größtmögli- fassendere künstlerische Projekte übernommen wer- trieb, der auf einem Drei-Säulen-Modell basiert: Eigen- chen poetischen Reichtum zu schaffen«. den. Die räumlichen Möglichkeiten für derartige Auf- Besucher so in den Bann zieht. Heute nutzen sie ihre produktionen, Koproduktionen und Gastspiele. träge waren in dem Atelierhaus gegeben. Die Zusam- Kulturstätte ganz selbstverständlich. Kein Wunder, menarbeit von Künstlern verschiedener Sparten ergab es gab zwar ein ansprechend renoviertes Einfallsreicher Intendant ein kreatives, innovatives Potential an Ideen, das auf Theatergebäude, aber keine Theatermacher dazu. Unterstützung durch Sponsoren großes Interesse der Architekten und Städteplaner Was Eicks Motto meint, lässt sich an der neusten Pro- traf.So wurdenschon inden60er JahrengroßeProjek- Seit 1919 sorgt in der mittelfränkischen Die Sponsorengelder sind seitdem ebenso gestiegen duktion ablesen. Eick hat das Libretto für ein Kaspar- te in der Fassadengestaltung, Freiraumgestaltungen Bezirkshauptstadt eine Genossenschaft, die heute wie die Zuschauerzahlen. Jetzt, zu Beginn der dritten Hauser-Musical geschrieben, Walter Kiesbauer die Mu- mit Spielplätzen und Brunnen, Großplastiken und Ke- den Namen »Theater Ansbach – Kultur am Schloss Spielzeit, zeichnet sich ab, dass das Theater in Ans- sik. Der berühmteste Findling der neueren Geschichte ramikgestaltungen ausgeführt. eG« trägt, für einen Gastspielbetrieb mit bach zu einem Mittelpunkt der Stadt wird. Die künstle- kam im Jahre 1831 in die mittelfränkische Stadt Ans- Tourneetheatern. Sie ist auf dem besten Weg, rische Qualität erweist sich als hoch. In der letzten Sai- bach. Zwei Jahre später, am 17. Dezember 1833, wurde Kaspar Hauser ermordet. Der Mord, um den sich viele Republikweite Anerkennung sich zu einem Kleinod zu entwickeln. son war zum Beispiel »Faust« regelmäßig ausver- kauft, ebenso die Klassenzimmerstücke für Jugendli- Geschichten und Mythen ranken, wurde nie aufge- Die Aufträge reichten über das gesamte Land. Die an- che. Es sind Produktionen, die durchweg berühren klärt. In diesem Jahr wird erstmals das Musical »Kas- fängliche Kollektivarbeit, die ganz bewusst zur Schaf- Burghard Flieger, Red. Genossenschaften Gespielt wurde und unter die Haut gehen. Den Vergleich mit etablier- par Hauser – Allein unter Menschen« im Rahmen der fung eines leistungsstarken Zentrums für baugebun- kaum im »Theater Ansbach – Kultur am Schloss«, bis ten Stadttheatern halten sie aus. Möglich war diese gleichnamigen Festspiele am 28. Juli 2010 in dem Ge- dene Kunst genutzt wurde, entwickelte sich weiter. Es 2006 zwei Dutzend Mal pro Saison. Ansonsten zeigte Entwicklung, weil die Stadt Ansbach ihre Zuschüsse nossenschaftstheater uraufgeführt. Der Kartenverkauf deutlich erhöht hat. Inzwischen sind das fast 700.000 für die ersten drei Veranstaltungen hat bereits begon- entstanden Gruppen mit speziell bildhauerischem die Genossenschaft im Saal Kinofilme. Die Theaterge- Schwerpunkt (Vincent Wanitschke, Egmar Ponndorf, meinde war entsprechend klein – und sank. Vor vier Euro, verglichen mit 2006 mehr als das Doppelte. nen. Johannes Peschel) und auch Keramiker arbeiteten ge- Jahren setzte Carl-Dieter Spranger, der Vorstandsvorsit- InRelation zu Theatern inanderen 40.000-Einwoh- Bestelladresse Musical Karten: meinsam (Dieter Graupner, Bärbel Schulz, Eva Pe- zende der Kulturgenossenschaft, alles daran, ein eige- ner-Städten ist der Etat weiterhin klein. Die Ansbacher Theater Ansbach, Promenade 29, 91522 Ansbach schel, Rudi Sitte). nes Stadttheater zu etablieren. Der ehemalige Bundes- Kulturgenossenschaft hofft darum ab 2012 auf Zu- Tel. (09 81) 97 04 00, Fax: 970 40 20 Formsteinwände, flächige Fassadengestaltungen, minister ließ sich von Experten beraten und fand Mit- schüsse vom Freistaat. Wie hoch diese ausfallen, ist of- E-Mail: [email protected] Wandbilder, Spielplatzgeräte wurden von Karl-Heinz streiter in der Kommunalpolitik. Dann ging es fen. Für ein festes Ensemble jedenfalls werden die Mit- www.theater-ansbach.de. 2010 JUNI SCHWERPUNKT CONTRASTE SEITE 9

PROGRAMMKINO AALEN EG KULTURGENOSSENSCHAFTEN

Tagen innerhalb von zwei Spielwochen vorgeführt. Durch versetzte Spieltage kann der Besucher wöchent- Wenn Bürger die Kultur lich zwischen mindestens zwei verschiedenen Filmen wählen. Zusätzlich werden einmal im Monat ein Kin- derfilm und die Reihe »Kocher Klassix« gezeigt. selbst in die Hand nehmen Zielgruppenspezifische Kooperationen Neben dem laufenden Filmprogramm hat sich die Ko- »Andere Filme anders zeigen« ist Motto operation mit Vereinen, Institutionen und Bildungs- und Anspruch der inzwischen über einrichtungen für Erwachsene und Jugendliche als be- 530 genossenschaftlichen KinobesitzerInnen in sonders erfolgreiche Veranstaltungsform herausge- Aalen. In dem von 60-80 Cineasten ehrenamtlich stellt. Sehr gerne zeigen die Akteure Filme, die eine be- stimmte Zielgruppe ansprechen und Ideen und betriebenen, gemeinnützigen »Kino am Kocher« Themen mit ihrer Geschichte transportieren, die für werden neue und ältere Filme aus allen Kulturen und die Gesellschaft – das Zusammenleben – wichtig sind. Kontinenten gezeigt. Besonderen Wert legen die Es gehört zum Selbstverständnis, dass die Verantwortli- Betreiber auf Filme, die das Verständnis für andere chen offen sind für alle Anregungen und Möglichkei- Kulturen sowie das interkulturelle, friedliche und ten zur Kooperation, die sich im Rahmen des ehren- nachhaltige Zusammenleben von Menschen fördern. amtlichen Engagements realisieren lassen. Mit dem Kinoprogrammpreis 2009 des Beauftrag- ten der Bundesregierung für Kultur und Medien ist das Friedrich Erbacher, Red. Genossenschaften Aalen liegt »Kino am Kocher« für das erste »richtige« Betriebs- im Osten von Baden-Württemberg, 67 km östlich von jahr 2008 für einen besonders hohen Anteil deutscher Stuttgart und 48 km nördlich von Ulm. Die Industrie- und anderer europäischer Filme mit künstlerischem stadt hat etwa 67.000 Einwohner, die in sieben Stadtbe- Rang ausgezeichnet worden. Vorstandsmitglied Jür- zirken wohnen. Aalen ist Kreisstadt und größte Stadt gen Schwarz betonte: »Mit der Verleihung des Kinopro- des Ostalbkreises sowie der gesamten Region Ostwürt- grammpreises ist das »Kino am Kocher« in Aalen end- temberg. Trotz ihrer Randlage in Baden-Württemberg gültig in der deutschen Programmkino-Szene ange- verfügen die benachbarten Mittelstädte Aalen, Ellwan- kommen. Für die »Programmkino Aalen eG« und das gen, Heidenheim und Schwäbisch Gmünd über ein »Kino am Kocher« ist dieser Preis eine große Ehre und ausgeprägtes kulturelles Angebot mit jeweils unter- zugleich eine großes Lob für die herausragende und schiedlichen Akzenten. qualifizierte Arbeit unserer Programmgruppe und al- len anderen ehrenamtlichen Kino-Aktiven.« »Kino am Kocher« Die Kooperation mit Vereinen – Junge und Junggebliebene – für Erwachsene und Jugendliche erweist sich als besonders erfolgreiche Veranstaltungsform Eingefleischte Nicht-Kinogänger Das »Kino am Kocher« befindet sich in angemieteten und für den Kinobetrieb barrierefrei ausgebauten Räu- bung weitgehend eingestellt. te, seniorengerechten Service und barrierefreien Das »Kino am Kocher« der »Programmkino Aalen men am Rande der Innenstadt, in der Nähe von Bahn- Die Entscheidung für die Genossenschaft als Rechts- Räumlichkeiten angesprochen. Ein besonderes Anlie- eG« ist eine wichtige Bereicherung des kulturellen Le- hof und Stadtgarten. Das mit 71 Plätzen sehr kleine form war in erster Linie den notwendigen Investitio- gen ist es, auch Menschen mit Behinderungen in die bens in Aalen. Die Rechtsform der Genossenschaft und »Kino am Kocher« versteht sich nicht als Konkurrenz nen geschuldet: Die Investitionen von bis heute ca. Filmvorführungen und Veranstaltungen im »Kino die Nutzung der vielfältigen persönlichen Fähigkeiten zum langjährig etablierten Kinopark in Aalen (sieben 150.000 Euro für die Einrichtung des »Kino am Ko- am Kocher« einzubeziehen. Neben dem barrierefreien sowie der beruflichen und gesellschaftlichen Hinter- Säle mit 1.543 Plätzen), sondern eher als notwendige cher« wurden zu 42% aus über 600 Geschäftsanteilen Ausbau der Räume und einer deutlichen Ermäßigung gründe der Kinomitglieder schaffen einen fruchtbaren und sinnvolle Ergänzung. In den Nachbarstädten Ell- der Genossenschaftsmitglieder und zu 32% über einen gibt es regelmäßige Kooperationsveranstaltungen mit Boden für dieses Projekt. Das Angebot, in ansprechen- wangen, Heidenheim und Schwäbisch Gmünd gibt es Kredit der Filmförderanstalt des Bundes (FFA) finan- Behinderten-Einrichtungen und auch immer wieder den Räumen in Kooperation mit dem Kino oder in ei- teilweise bereits seit Jahrzehnten neben dem »Main- ziert. Lediglich 14% flossen aus Mitteln der Aktion Filme zu diesem Themenkreis. gener Verantwortung Bildungsveranstaltungen mit stream-Kino« auch anspruchsvolle Filmangebote in Mensch für den barrierefreien Ausbau und 12% aus Sa- ansprechenden Räumen. Mit dem »Kino am Kocher« nierungskostenzuschüssen der Stadt Aalen. konnte diese Lücke Ende 2006 endlich auch in Aalen Von den heute rund 530 Mitgliedern verstehen sich geschlossen werden. die meisten als Geldgeber und ideelle UnterstützerIn- nen des Programmkinos. Nur etwa Genossenschaftliches Programmkino in Würzburg 10-15% gestalten durch ihre ehren- amtliche Mitwirkung auch aktiv Initiative gibt sich optimistisch ten ein geeignetes Objekt mit An- den Kinobetrieb. Rund 50% gehö- Eine Initiative für ein innerstädti- bindung an die Innenstadt. Anfor- ren als regelmäßige KinogängerIn- sches Programmkino in Würzburg derung: ein oder zwei Kinoräume nen zu den NutznießerInnen des will eine gemeinnützige Genossen- für insgesamt 130 Personen, Ge- Filmangebots. schaft für den Betrieb eines Pro- samtgröße mind. 200 qm, Raum- Weitere Vorteile der Rechtsform grammkinos in Würzburg grün- höhe ab 3,0 m besser 3,5 m, mög- Genossenschaft sind die auf die den. Dazu laufen bereits gut be- lichst mit einer Kommunikations- suchte Veranstaltungsreihen. Eine zone und idealerweise im Erdge- Führung eines Wirtschaftsbetrie- »provisorische« Filmreihe findet schoss. Mehr als 500 interessierte bes ausgelegten Rechtsgrundla- gegenwärtig in wechselnden Spiel- und engagierte Würzburger wollen gen sowie die positive Affinität, die stätten statt. Für den alltäglichen sich bisher aktiv an dem Projekt be- gerade in Zeiten der Wirtschaftskri- Betrieb dieses Kinos sucht die vom teiligen. se mit der Organisationsform »Ge- Kulturreferat der Stadt unterstützte Weitere Infos unter nossenschaft« verbunden ist. Gruppierung von Fachleuten, Kino- www.programmkino-wuerz- Nachteilig wirkt sich lediglich die begeisterten und Kulturinteressier- burg.de. gesetzliche Prüfungspflicht für Ge- nossenschaften aus, zumal die Die Gründung der »Programmkino Aalen eG« er- jüngste Reform des Genossenschaftsrechts hinsicht- folgte nach einem guten Jahr Vorlauf am 1. Februar lich der Prüfung kleiner Genossenschaften von vielen 2006 mit 162 Gründungsmitgliedern und einem Grün- Prüfungsverbänden bisher nur sehr zögerlich umge- dungskapital von etwas über 20.000 Euro. Die Grün- setzt wird. Bei der Zusammenstellung der Gründungs- dungsmitglieder wurden durch persönliche Anspra- unterlagen und insbesondere bei der Ausgestaltung che, Informationsstände und -Veranstaltungen sowie der Gründungssatzung wurde die Genossenschaft vom Ein Kultur-»Event« der besonderen ART: die Errichtung der Genossenschaft Programmkino Aalen eG durch gemeinsame Unterzeichnung der Satzung unterstützende Öffentlichkeitsarbeit (Tagespresse, Fly- Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften er, Internet) gewonnen. Die Mindesteinlage beträgt e.V. (ZDK) in Hamburg fachlich sehr gut beraten und Team zur Programmgestaltung audiovisuellen Medien durchzuführen, wird von Verei- ein Geschäftsanteil im Wert von 100 Euro. Der Betrag unterstützt. nen, Institutionen und Unternehmen sehr gut ange- wurde bewusst niedrig angesetzt, um die Finanzie- Für die Programmgestaltung ist eine aus acht Perso- nommen. Räume und Programm des Programmki- rung auf möglichst viele Schultern zu verteilen und Finanzierung aus Kartenverkauf nos inspirieren immer neue Akteure zu eigenen Veran- den finanziellen Einsatz des Einzelnen überschaubar nen bestehende Programmgruppe verantwortlich. Im Rahmen regelmäßiger Treffen werden Filmvorschlä- staltungen und Filmbildungsangeboten. zu halten. Eine Nachschusspflicht (etwa bei drohen- Kulturbetrieb jenseits nennenswerter öffentlicher oder Und: Das Kino am Kocher holt eingefleischte Nicht- der Insolvenz) ist in der Satzung ausgeschlossen. Ei- ge diskutiert, auf die man durch Presseberichte, Kriti- privater Förderung muss sich selbst tragen – oder an- ken in Fachzeitschriften und den Besuch von Filmfesti- Kinogänger ins Kino zurück! Das ansprechende Am- nen jährlichen Mitgliedsbeitrag gibt es nicht, aber ders gesagt: Das Publikum zahlt den Kulturgenuss biente von Kinoräumen und Gastronomie regt zum auch keine Ermäßigung bei den Eintrittspreisen. vals aufmerksam wurde. Vorwiegend handelt es sich weitgehend selbst und leistet damit den wichtigsten um Filme, deren Bundesstart innerhalb des letzten Austausch und Gespräch an. Der Kinobesuch wird für Beitrag zum Fortbestand des Kinos: Der laufende Be- Halbjahres erfolgte. Bei der Festlegung des Pro- die Menschen wieder zum kulturellen und sozialen Er- Gründungsanstoß Investition trieb des Kinos finanziert sich zu 80% aus dem Karten- gramms wird auf eine Mischung verschiedener Film- eignis. verkauf, zu 10% aus der Verpachtung der Gastronomie themen und Genre (einschließlich Dokumentarfilm) Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Genossenschaft und zu 10% aus Zuschüssen und sonstigen Einnah- Gerne geben die Aktiven in Aalen ihr Wissen und geachtet. Dabei hat sich anhand der Zuschauerzahlen ihre Erfahrungen an andere Kinoinitiativen weiter. Ak- werden keine Gewinnbeteiligungen ausgeschüttet. men. Der kostendeckende Betrieb des Kinos ist nur gezeigt, dass neben »Kulturanspruch« und »Bildungs- Die einzige »Rendite« für die genossenschaftlichen Ki- durch den nahezu völligen Verzicht auf bezahlte Ange- tuelle Nachahmer des Aalener Modells einer ehrenamt- gedanken« auch der »Unterhaltungswert« bei der Fil- lichen Kinogenossenschaft gibt es derzeit in Würzburg nobesitzer ist daher der kulturelle Mehrwert, der durch stellte möglich. Lediglich die Reinigungskräfte wer- mauswahl nicht unterschätzt werden sollte. die Existenz und den Betrieb des Kinos für sie entsteht. den als Minijobber beschäftigt. und Ingolstadt. Bis zum Jahresende des Gründungsjahrs stieg die Mit- Wichtigste Zielgruppe des »Kino am Kocher« sind Abgewogen wird auch bei der Herkunft der Filme, Kontakt: Programmkino Aalen eG, Kino am Kocher, gliederzahl auf 400. In 2007 konnten weitere 72 Mit- Erwachsene über 30 Jahre aus Aalen und der näheren so dass in jeder Spielzeit auch Werke aus afrikani- Schleifbrückenstr. 15-17, 73430 Aalen glieder, in 2008 weitere 47 Mitglieder gewonnen wer- Umgebung. Die Zielgruppe wird mit einem abwechs- schen, südamerikanischen oder asiatischen Ländern Tel. (0 73 61) 555 99 94 den. Nachdem 2009 die Finanzierung der Investitio- lungsreichen, anspruchsvollen Programm, einem an- eingesetzt werden. Ab 2008 wurden alle Filme des »lau- E-Mail: [email protected] nen gesichert war, wurde die aktive Mitgliederwer- sprechenden, auf Begegnung angelegten Kinoambien- fenden Programms« jeweils ab Freitag an fünf festen www.kino-am-kocher.de 10 SEITE CONTRASTE SCHWERPUNKT JUNI 2010

KULTURGENO DIGICULT-VERBUND KULTURGENOSSENSCHAFTEN Von der Karteikarte zu digitalen Kulturlandschaften Bildungs- und Kulturgenossenschaften haben das Um die digitale Dokumentation der Museen sowie Rechtsform für einen Kulturver- zentrale Anliegen wirtschaftliche, soziale und die nationale und internationale Vernetzung zu unter- bund mit den genannten Zielen kulturelle Bedürfnisse zu befriedigen. Sie sehen es stützen, hat digiCULT Lösungen für Software-Module den am besten angepassten rechtli- und IT-Infrastrukturen entwickelt, Objekt-, Vokabu- chen Rahmen. Er ermöglicht eine als ihre Aufgabe an, zur Verbesserung und lar- und Künstlerdatenbanken aufgebaut, betreibt ei- flexible, an den Bedürfnissen der nachhaltigen Gestaltung der Qualität von Bildungs- nen Portalserver und berät die Museen in allen Fra- Mitglieder orientierte, Gestaltung. und Kulturangeboten beizutragen. gen der Inventarisierung und Digitalisierung. »Da- Die Unternehmens- und Rechtsform der eG bietet mit Inhalte und IT-Produkte laufend aktuellen Benut- Gemeinsam Großes schultern ihren Mitgliedern aus den verschiedensten zerbedürfnissen und Erfordernissen angepasst wer- Organisationen und Trägerschaften die Möglichkeit, den können, arbeitet digiCULT mit nationalen und in- »Damit der digiCULT-Verbund als Weiterbildung und Beratung zusammenzuführen und ternationalen Entwicklungsgruppen zusammen«, be- Kulturgenossenschaft selbst öffent- richtet Lütger Landwehr. Die Ergebnisse werden den liche Fördermittel beantragen gemeinsam an Zielen zu arbeiten. Ein spannender Mitgliedern zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Fort- Newcomer im kulturellen Sektor ist die digiCULT- und verwalten kann, musste die bildungen und Anwenderschulungen unterstützen Satzung die »Quasi-Gemeinnüt- Verbund eG i.G., die am 18. Januar dieses Jahres die Digitalisierungsarbeit vor Ort und sorgen für die zigkeit« der Genossenschaft defi- gegründet wurde. Weiterqualifizierung von Museumsmitarbeitern. nieren. Gemäß § 20 GenG ist dies möglich, wenn der Gewinn nicht Vom Projekt zur Genossenschaft Schiffsbild (undatiert), keine Signatur, Sylter Heimatmuseum Söl’ring Foriining Sylter Verein e.V. – wurde mit verteilt, sondern der gesetzlichen Silke Stöterau, Red. Genossenschaften Eine der größ- der Software der Kulturgenossenschaft digiCULT erfasst. ten Aufgaben für Museen und Sammlungen ist es heu- Rücklage und anderen Ergebnis- te, das kulturelle Erbe digital für viele verfügbar zu Die Gründung der Kulturgenossenschaft »digiCULT- die entwickelten Software-Module von digiCULT si- rücklagen zugeschrieben wird. Darüber hinaus sind machen. Ein Großteil der Sammlungen bleibt in Ma- Verbund eG« wurde im Rahmen der Verstetigung ei- cherstellt«, erläutert Landwehr. »Die Verbundzentra- in der Satzung keine Gewinnausschüttungen an die gazinen verborgen oder ist nur kurze Zeit in Wechsel- nes durch EU- und Landesmitteln finanzierten Pro- le Göttingen (VZG) des gemeinsamen Bibliothekver- Mitglieder vorgesehen« erklärt Lütger Landwehr. Au- ausstellungen zu sehen. Hier setzte »digiCULT« im jekts vollzogen. »Es musste mit den jetzigen und zu- bundes wird als erfahrener Dokumentationsdienstlei- ßerdem sei die in der Satzung definierte Förderung Jahr 2003 als Pilotprojekt, unterstützt durch Förder- künftigenMitgliedern undPartnerneine institutionel- ster mit einem großen Rechenzentrum im Hinter- der kulturellen und wissenschaftlichen Belange der mittel der Europäischen Union und des Landes Schles- le Rechtsform gefunden werden, die einen dauerhaf- grund dabei der technische Dienstleister.« Mitglieder Zweck und Gegenstand der Genossen- wig-Holstein, mit seiner Arbeit an. »digiCULT« ent- ten wirtschaftlichen Betrieb gewährleistet und die Wei- Mit der Novellierung des Genossenschaftsgesetzes schaft. Sie verfolge somit gemeinnützige Ziele für Kul- wickelte in Kooperation mit den Museen in Schles- terführung der bisherigen Dienstleistungen und den (GenG) 2006 wurden auch die Belange von Kulturge- tur, Forschung und Bildung. wig-Holstein ein digitales Gesamtkonzept zur Doku- Support für die aufgebaute IT-Infrastruktur sowie für nossenschaften berücksichtigt. Insofern bietet diese mentation der Museumsbestände. Ziel ist nicht nur Die Finanzierung wurde auf möglichst viele Schul- die digitale Erschließung und Sicherung der Objekte tern verteilt. Auch die Länder haben Förderung in Aus- vor Ort, sondern auch die Veröffentlichung der Samm- sicht gestellt. Das Gebührenkonzept berücksichtigt lungsobjekte in großen Kulturportalen im Internet, die Größe und Wirtschaftlichkeit der Mitglieder. »Je die Kultur für jedermann zugänglich zu machen und mehr mitmachen, umso geringer wird die Belastung deren Bekanntheitsgrad innerhalb Bildung, Wissen- für den Einzelnen. Und der Einstieg ist niedrigschwel- schaft und Tourismus zu steigern. lig: Ein Geschäftsanteil beträgt 200 Euro. Für haupt- amtliche Museen und Sammlungen gilt der Mindest- anteil von zwei Geschäftsanteilen, für ehrenamtlich Kulturelle Vielfalt für alle geführte Einrichtungen und persönliche Mitglieder von einem Geschäftsanteil. Die Genossenschaft, der Bedeutende Gemälde- und Grafiksammlungen, Ob- zurzeit 44 Mitglieder aus vier Bundesländern beigetre- jekte zur Stadt- und Heimathistorie sowie Seefahrts- ten sind, ist mit diesem Geschäftskonzept gut aufge- und Marinegeschichte, imposante Möbelsammlun- stellt. Sie kann bei besonderen Vorhaben auch Dritt- gen, verborgene Schätze des Mittelalters, zeitgenössi- mittel über EU- und DFG-Förderanträge erlangen. sche Skulpturen, Minerale und Fossilien, Zeugnisse Für kultur- und technologienahe Sponsoren ist die di- der Archäologie, Volkskunde, Medizin- und Technik- giCULT-Verbund eG als neue große Kulturgenossen- geschichte erblicken durch »digiCULT« das virtuelle schaft ein interessanter Partner«, betont Landwehr Licht der Welt. »digiCULT hat den Paradigmenwech- überzeugend. sel von der klassischen Karteikarte zu digitalen Archi- ven und virtuellen Kulturlandschaften im Internet Weitere Informationen unter: herbeigeführt«, erläutert Lütger Landwehr, haupt- www.digicult-sh.de amtliches Mitglied im Vorstand der digiCULT-Ver- bund eG i.G. Er sieht darin einen deutlichen Nutzen auch für die Tourismuswirtschaft: »Heute können Ur- BERLIN MUSIK COMMISSION EG lauber sich schon vor ihrer Reise kundig machen, in welchen Museen Ihre Lieblingsobjekte gesammelt werden und wann diese zu besichtigen sind.« Die Nachfrage nach den Objekten im Internet sei Berliner Musikwirtschaft kooperiert genossenschaftlich seit Projektbeginn enorm gestiegen. Das mehrsprachi- ge Museumsportal Nord von Schleswig-Holstein und Berlin ist ein bedeutender Musik-Standort in men. Die Position der lokalen Musikwirtschaft soll so dem Zugriff auf branchenübergreifende Kontakt- Hamburg »www.museen-nord.de« verzeichne etwa gegenüber Politik, Banken und Sponsoren gestärkt pools; Deutschland, den es auszubauen gilt. Mit der 26 Millionen Zugriffe pro Jahr. Die Tendenz ist stei- Genossenschaft »Berlin Music Commission eG« werden. Marketingunterstützung bei Musikproduktio- der Teilnahme an Gemeinschaftsprojekten wie Mes- gend. Nach dem Start mit neun Pilotmuseen im Jahr nen, vielfältige Dienstleistungsangebote und die Ver- seständen, Matchmaking Events, Präsentationen etc.; 2003 arbeiten heute über 60 Museen und Sammlun- entsteht nun in der Bundeshauptstadt das erste anstaltungsorganisation speziell für die Netzwerkpart- der Unterstützung firmeneigener Promotionaktivi- gen aus Schleswig-Holstein und Hamburg, darunter übergreifende Netzwerk der Musik- und ner bieten eine professionelle Basis für Kooperationen täten durch die BMC; auch die Stiftung »Historische Museen Hamburg«, Veranstaltungsbranche. Die Mitglieder kommen aus und Kampagnen. Mit der Vernetzung der Berliner Ak- kostensenkenden Angeboten und Benefits wie bei- mit der digiCULT-Software und nehmen das Dienstlei- allen Bereichen der mittelständischen teure, Public Relation, Lobby-Arbeit und vor allem ei- spielsweise Gruppenrabatten bei Tarifen, Akkreditie- stungsangebot in Anspruch. Außerdem ist der Mu- Musikwirtschaft, darunter Live Entertainment, nem zentralen Marketing für den Musikstandort Ber- rungen und Buchungen aber auch Promotionsmaß- seumsverband Saarland mit ausgesuchten Pilotmu- Recorded Music, Music Software und Music Media. lin, zielt Berlin Music auf neue Märkte. nahmen und Showcases. seen dabei. Gegründet wurde die Genossenschaft 2007 wäh- Im Mittelpunkt der verschiedenen Aktivitäten steht Konzertveranstalter wie Arena, Admiralspalast und rend der Berliner Popkomm, Europas größter Fach- Kesselhaus beteiligen sich. zurzeit die Netzwerkentwicklung. Sie wird gefördert Das digiCULT-Gesamtkonzept messe der Musik- und Eventbranche. 41 Mitglieder aus dem Topf »Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesse- hat sie bereits. Im Vordergrund steht für die Berlin Mu- rung der regionalen Wirtschaftsstruktur – GRW«. Un- »Die beteiligten Museen erfassen ihre Objekte digital, Michael Scheuermann, Red. Genossenschaften Ziel der sic Commission bis 2012 der Ausbau der Marke »Mu- terstützung erhalten darüber Berliner Unternehmen, die dann nach Freigabe durch die Museen im Internet »Berlin Music Commission« ist es, sich als nationaler sic made in Berlin«. Mit gezielter Förderung der natio- die ihre Erzeugnisse oder Dienstleistungen überwie- im Museumsportal Nord und durch die standardisier- und internationaler Repräsentant der kleinen und mit- nalen und internationalen Nachfrage nach Musikpro- gend überregional absetzen. 30 Prozent der Gelder für te Weitergabe in nationalen und internationalen Kul- telständischen Musikwirtschaft Berlins sowie als Tür- duktionen und -dienstleistungen der Mitglieder, will das Netzwerk müssen die Mitglieder selbst tragen. tur- und Wissenschaftsportalen wie BAM, Prome- öffner für die lokale Musikszene zu etablieren. Die sie die Branche vor Ort nachhaltig stärken. theus, MICHAEL, Europeana veröffentlicht werden«, Marktzugänge der Berliner Musikunternehmen sollen Diese Vernetzung vorantreiben soll auch die Berlin erklärt Landwehr zur Arbeitsweise von digiCULT. Über erweitert sowie deren Interessen gegenüber Politik, Berlin Music Week Music Week, die vom 6. bis zum 12. September 2010 100.000 Objekte wurden so bereits digital aufgenom- Wirtschaft und Gesellschaft vertreten werden. Auf diese erstmalig in Berlin stattfindet. Dabei wird sich die Viel- men. Auf der »Europeana« (www.europeana.com) Weise kann sie, so die Hoffnung der Genossenschafts- So profitieren die Mitglieder von: falt und Vitalität der Berliner Musikszene in einem viel- werden im Rahmen der stetig wachsenden kulturel- fältigen Veranstaltungsprogramm einem breiten na- gründer, »Berlin Music« als Brand ausbauen und effi- len Vernetzung bis Ende 2010 über 10 Millionen Kul- zienter nach außen tragen. der Integration in die brancheninterne Kommuni- tionalen und internationalen Publikum zeigen. Mit turobjekte aus Europa verfügbar sein. Mit dem im Auf- kation; seinem Tätigkeitsspektrum ist dieser genossenschaftli- bau befindlichen nationalen Wissenschafts- und Kul- che Ansatz deutschlandweit bisher einzigartig. Unterstützung bei Vermarktung dem Austausch mit Kollegen, Konkurrenten und po- turportal, der »Deutschen Digitalen Bibliothek« tentiellen Partnern; Kontakt: (DBB), die 2012 an den Start gehen soll, arbeitet digi- Als Netzwerk bringt das Gemeinschaftsunternehmen der Koordination der Aktivitäten im Markt sowie Berlin Music Commission eG, Stephan Rombach CULT bereits zusammen. lokale und internationale Geschäftspartner zusam- der konzertierten Erschließung neuer Märkte; E-Mail: [email protected] 2010 JUNI SOLIDARISCHE ÖKONOMIE/REPRESSION CONTRASTE SEITE 11

ZEITSCHRIFTENBESPRECHUNG Solidarische Ökonomie zwischen Markt und Staat

Die Sackgasse, auf die das derzeitige tiert das internationale und interdisziplinäre AutorIn- ren, entsprächen den fundamentalen Kriterien einer die sich der Integration von am Arbeitsmarkt benach- Wirtschaftssystem zusteuert, wird immer nenteam. solidarischen Ökonomie, meint Auinger. Diese seien teiligten Menschen widmeten. Mittlerweile wurden vie- Die Beiträge reichen von einer grundlegenden Ein- das »Demokratieprinzip«, das »Identitätsprinzip« le davon in den Wohlfahrtsstaat integriert – mit wech- offensichtlicher. Diese Beobachtung führt (KapitalbesitzerInnen =ArbeiterInnen) und das»Soli- selseitigen Effekten und Einflüssen, die von der belgi- unweigerlich zur Frage, ob sich Wirtschaft nicht auch führung in die Solidarökonomie über die Betrachtung verschiedener Beispiele zur kritischen Analyse von daritätsprinzip«, wodurch sie sich deutlich von her- schen Sozialwissenschafterin empirisch untersucht anders – sozialer, demokratischer und ökologischer Konzepten wie Partizipation und Demokratisierung. kömmlichen Betrieben unterscheiden. Die kritische und im JEP zusammengefasst wurden. – organisieren lässt. Theorie und Praxis solidarischer In der Wissenschaft fristet die solidarische Ökonomie Frage im Titel des Artikels, ob solidarische Ökonomie Im letzten Beitrag stellen Manfred F. Moldaschl wirklich der Weg zu einer Gesellschaftsveränderung Ökonomie werden im Journal für Entwicklungspolitik trotz ihrer stark gestiegenen Bedeutung und Aktualität Anzeige 2009/3 (Österreich) analysiert. leider momentan noch immer eher ein Nischendasein oder eher eine Form der Selbsthilfe darstellt, kann – welchem das JEP entgegentritt. schon aufgrund der Vielfalt an Projekten nicht eindeu- tig beantwortet werden. Ein fundamentales Kriterium Ein Verweis auf die Widersprüche und Spannungsver- für das gesamtgesellschaftliche Transformationspo- hältnisse, in denen sich solidarökonomische Initiati- Gesellschaftsveränderung oder Selbsthilfe? tenzial solidarökonomischer Initiativen identifiziert ven bewegen, findet sich bereits im Titel des aktuellen Auinger in der zukünftigen Dimension der Bewegung. Journals für Entwicklungspolitik (JEP): »Solidarische Markus Auinger bietet eine theoretische Einführung Eine intensivere Kooperation zwischen verschiedenen Ökonomie zwischen Markt und Staat. Gesellschaftsver- in die solidarische Ökonomie, die den aktuellen Dis- Projekten, Solidaritätsnetzwerken und Produktions- änderung oder Selbsthilfe?« (1). Diese Frage und etli- kurs aufgreift und Orientierung schafft. Nicht alle Un- ketten sei dringend erforderlich, um größere Wirkung che damit im Zusammenhang stehende Aspekte disku- ternehmen, die sich als sozial oder solidarisch definie- zu erlangen.

Erfahrungen aus Brasilien und dem Baskenland INFORMATIONSBÜRO NICARAGUA: NEUES BILDUNGSPROJEKT In Europa aber lässt sich ein Defizit an solchen Netz- werken feststellen, mit Ausnahmeder baskischen Indu- und Wolfgang G. Weber die Frage: »Trägt organisatio- striekooperative Mondragón. In Brasilien hingegen ist nale Partizipation zur gesellschaftlichen Demokratie »Fokuscafé Lateinamerika« der Prozess schon weiter fortgeschritten, wobei die zu- bei?« Oft wird ein positiver Zusammenhang angenom- gespitzte Situation der ArbeiterInnen sowie staatliche men. In diesem Beitrag verwerfen die Autoren Kausal- Das »Fokuscafé Lateinamerika« ist ein interaktives Ländern Lateinamerikas? Solche und ähnliche Fra- und eine starke gewerkschaftliche Unterstützung zusammenhänge und zeigen auf, dass sich betriebli- Workshop-Programm für Jugendliche und junge gen stellt das Fokuscafé Lateinamerika und macht auch eine Rolle spielen. In Brasilien, wie im Basken- che Mitbestimmung unter Umständen auch negativ Erwachsene, das dazu einladen möchte, sich auf die Suche nach möglichen Antworten. Die at- land, ist das Genossenschaftswesen eine Reaktion in auf Demokratisierung auswirken kann. Partizipation mosphärische Umrahmung des inhaltlichen Pro- Form der Selbsthilfe und -organisation und gleichzei- werde auch instrumentell eingesetzt, um Leistungser- Lateinamerika kennen zu lernen. Anhand von gramms schafft einen mit Geschichten, Fotos und höhung durch MitarbeiterInnenmotivation zu errei- fünf Modulen – Klischees, Geschichte, Ökonomie, tig eine Aktion des Widerstandes. Schaubildern gestalteter Raum – das Fokuscafé, das Maurício Sardá de Faria und Gabriela Cavalcanti chen, und führe außerdem oft zur Selbstausbeutung. Migration und Interdependenzen – werden ähnlich einer Wanderausstellung an verschiedenen Cunha beschreiben die Herausforderungen in Brasi- Dennoch biete aktive Beteiligung Potenzial für eine verschiedene Dimensionen der Beziehungen Orten einsetzbar sein wird. Bei der Vermittlung der lien, wo vom Konkurs bedrohte Betriebe von den Arbei- Demokratisierung der Gesellschaft. Das Ergebnis hän- zwischen Europa und Lateinamerika thematisiert. Lerninhalte stehen spielerische und partizipative Me- terInnen besetzt und weitergeführt werden. Während ge im Wesentlichem vom Lernprozess ab, der durch thoden – Simulationen, Quizshows, Rollen- und Plan- die Organisationsstruktur demokratischer und solida- Partizipationserfahrungen erreicht wird. spiele – im Vordergrund. rischer gestaltet wird, bleibt die Produktionsstruktur Sämtliche im JEP behandelte Projekte solidarischer Vor zwei Jahrhunderten haben sich die meisten latein- Bis zum Herbst soll das »Fokuscafé Lateinameri- Ökonomie befinden sich in einem Spannungsverhält- amerikanischen Staaten vom europäischen Kolonia- in der Regel aber unverändert, d.h. der finanzielle ka« mitsamt Methoden- und Werkheften zu den ein- Druck, welchem die Firma vorher schon ausgesetzt nis, an dem nicht wenige zerreißen: Markt und Staat lismus befreit und ihre Unabhängigkeit erkämpft. zelnen Modulen fertig gestellt sein. Bereits ab Juni kön- auf der einen Seite, der Wunsch nach Autonomie und Doch kann deshalb heute von einer Beziehung unter war, wird auf die ArbeiterInnen übertragen und die ka- nen die neu entwickelten Methoden getestet werden. pitalistischen Zwänge, wie einen Mehrwert zu erzeu- Veränderung kapitalistischer Strukturen auf der ande- Gleichen die Rede sein? Kann es in einer globalisierten Das Informationsbüro Nicaragua sucht einerseits in- ren. Welt, in der alles mit allem zusammenhängt, über- gen, bleiben bestehen. teressierte Schulklassen oder Jugendgruppen (16-25 Ganz ähnlich ergeht es der weltweit größten Koopera- Mit dem Aufzeigen dieser Widersprüche sowie wei- haupt so etwas wie Unabhängigkeit geben? Ist ein Le- Jahre), die Lust haben, das »Fokuscafé Lateinameri- terführender Fragen gelingt dem JEP eine kritische Re- ben ohne Kaffee, Bananen, Samba und Rum-Cola für tive Mondragón, die Astrid Hafner in ihrem Beitrag be- ka« zu erproben und so die Weiterentwicklung zu un- schreibt. Auch sie ist den Marktzwängen des kapitalisti- flexion der solidarischen Ökonomie, die für viele die uns überhaupt noch vorstellbar? Wieso können wir je- terstützen und ab Herbst Gruppen für die Teilnahme Hoffnung auf ein gerechteres Wirtschaften birgt. Da- derzeit aus dem grauen Alltag in die karibischen Ur- schen Wirtschaftssystems unterworfen, welche die solida- am Programm. Interessierte Gruppen sind eingela- rischen Prinzipien und Sozialleistungen untergraben. mit wird das JEP Paulo Freires Vorstellung gerecht, laubsparadiese flüchten, während umgekehrte Flucht- den, sich für die jeweilige Teilnahme anzumelden. nach der die Praxis der Verwandlung der Welt aus Ak- bewegungen in hiesige Gefilde mit militärischen Das Angebot ist kostenlos. tion und Reflexion besteht. Sperrriegeln verhindert werden? Staatliche und betriebliche Strukturen Kontakt: Katrin Aiterwegmair Die jüngste Finanzkrise hat gezeigt, dass die wirt- Informationsbüro Nicaragua e.V., Deweerthstr. 8, Andreia Lemaître behandelt in ihrem Artikel die Aus- 42107 Wuppertal, Tel. (02 02) 30 00 30 Die Autorin ist Mitglied des online-Redaktionsteams schaftlich starken Länder Europas in höchstem Maße wirkungen der Einbettung sozialökonomischer Unter- des Freire Zentrums (www.paulofreirezentrum.at). abhängig vom Weltmarkt sind. Was bedeutet die öko- [email protected] nehmen in staatliche Strukturen. In den 1970er und nomische Dauerkrise dann für die Menschen in den www.informationsbuero-nicaragua.org 1980er Jahren entstanden in Europa soziale Projekte, 1) www.mattersburgerkreis.at/jep/20093.php

TICKER REPRESSION & RECHTSFÄLLE

Annäherung an § 34 StGB wendbaren Gefahr für ein in § 34 StGB aufgeführtes Doch die Stellung des Angeklagten bietet ihm Chan- richtsverfahren findet in Saarbrücken statt, wo einer Seit Jahren kämpfen GentechnikgegnerInnen um die Rechtsgut vorgelegen hat, welches der widerstreiten- cen, sein Wissen vorzutragen und den jeweiligen Fall Verurteilung Bergstedts größte Chancen eingeräumt Anerkennung des rechtfertigenden Notstandes bei ih- den Interessen bei der erforderlichen Abwägung we- als neue Recherche in die Reportagen aufzunehmen: werden. Kein geringerer als der ehemalige saarländi- ren direkten Aktionen. Nun gelang in Würzburg ein sentlich überwiegt und ob die Angeklagte subjektiv »Ich stelle die Fragen, die Täter in Uniform sind Zeu- sche Wirtschaftsminister, Rechtsanwalt und Befürwor- kleiner Fortschritt. Das Gericht erteilte einen Rechts- von den tatsächlichen Voraussetzungen einer Not- gen im von ihnen selbst angezettelten Verfahren«, ter der ‘grünen Gentechnik’, Dr. Horst Rehberger hinweis. Der lautete wie folgt: »Der Vorsitzende wies standslage ausgegangen ist. Nach der Rechtspre- kündigte er eine intensive Beweisaufnahme über die (FDP), zog das Verfahren nach Saarbrücken, damit unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom chung ist maßgeblich auf die Angemessenheit des ein- Abläufe an. Berichte über die Prozesse unter www.pro- seine Kanzlei die Kläger ‘auf kürzestem Wege’ vor Ge- 19.2.1993 (NBW 1993, 2432) und den Beschluss des gesetzten Mittels abzustellen.« Der Richter gab an- jektwerkstatt.de/prozess und auf Indymedia. richt vertreten kann. Die Durchführung des Verfah- BayObLG vom 17.9.1999 (4 St RR 168/99) darauf hin, schließend noch den mündlichen Zusatzhinweis, dass rens in Saarbrücken ist durch einen juristischen dass es vorbehaltlich neuer Erkenntnisse nicht ent- es darauf ankommt, ob es andere Mittel gegeben hät- Zivilklagen als Meinungsunterdrückung I: Schachzug möglich, indem man die Publikation im scheidungserheblich sein dürfte, ob die objektiven Vor- te, das Ziel zu erreichen, z.B. Menschenketten, auf Bäu- Kleingeistige FAZ überall verfügbaren Internet angreift. Obwohl Berg- aussetzungen einer gegenwärtigen, nicht anders ab- me klettern (»naja, auf einem Acker gibt es ja keine Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) geht gegen stedt nicht für den Inhalt der betroffenen Webseite ver- Bäume«). Und er sagte: »Das werden wir unterstellen, das linke Internetportal Linksnavigator aus dem antwortlich ist, wurde ihm per Einstweiliger Verfü- Anzeige dass Gefahren ausgehen«. Prozessbericht unter Rhein-Main-Gebiet vor. Auf der Webseite ist ein Plakat gung bereits eine Strafe in Höhe von 250.000 Euro an- http://de.indymedia.org/2010/04/279141.shtml. aus dem Jahr 2008 dokumentiert: Unter dem Schrift- gedroht.« Die Verfahren werden folglich wohl in die zug »Dahinter swingt immer ein kluger Kopf« ist eine weiteren Instanzen gehen – wenn sich der saarländi- vermummte Person abgebildet, die die linke Zeit- Widerstand gegen Polizeibeamte höher bestrafen? sche Justizfilz als Bollwerk von Industrieinteressen er- schrift »Swing« liest. Das Plakat ist zum 20-jährigen weist, auch bis zum Verfassungsgericht (Meinungs- Die Politik redet über die zunehmende Gewalt gegen Bestehen des autonomen Rhein-Main-Infos »Swing« Polizei. Doch könnte hinter den Statistiken die gegen- und Pressefreiheit). Der Prozessverlauf wird ständig gedruckt und in der gesamten Region plakatiert wor- dokumentiert unter www.biotech-seilschaften.de.vu. teilige Wahrheit stecken? Das jedenfalls behauptet der den. Die FAZ, die selbst mit dem Slogan »Dahinter Polizei- und Justizkritiker Jörg Bergstedt. Er stand im steckt immer ein kluger Kopf« wirbt, hat keinen Sinn Buchvorstellung: Mai gleich mehrere Male vor Gericht. Die Polizei warf für Ironie. Ihr Justiziariat sieht einen Verstoß gegen Christoph Henke: Über die Evolution des Rechts ihm Widerstand vor. Um sich vor Konsequenzen zu das Markenrecht und fordert von dem Internetmedi- (2010, Mohr Siebeck in Tübingen, 242 S., 39 EUR) schützen, weil sie selbst gewalttätig wurde, behauptete um eine Unterlassungserklärung. Wie entsteht Recht? Wer formt es und welche gesell- der Angeklagte. »Das ist die Logik der meisten Strafan- Infoseite: www.linksnavigator.de/node/1932 zeigen in Konflikten von Menschen, die nicht nur un- schaftlichen Abläufe prägen die konkreten Paragra- terwürfig agieren, und der Polizei des Gewaltmono- Zivilklagen als Meinungsunterdrückung II: phen? Es wird Zeit, dass das Recht aus der Sphäre pol-Staates«, kritisiert der Angeklagte seine Verfolger Gentechnik-Seilschaften scheinbar höherer Macht geholt wird. Recht ist das Machwerk der Menschen und spiegelt ihre unter- aus Staatsanwaltschaft, Polizei und Gerichten. »Und Unabsehbar in die Länge ziehen wird sich das Verfah- schiedlichen Interessen und Gestaltungspotentiale wi- mit diesen Anzeigen wird dann Politik gemacht, wenn ren um das Verbot der Veröffentlichung von kritischen der. Das wird im Buch nur ansatzweise dargestellt – zunehmende Brutalität von Polizisten zu mehr Angrif- Hintergrundberichten über Geldflüsse und Verflech- aber der Beitrag ist dennoch wichtig, um den wirren fen auf die Polizei umgedeutet und härtere Gesetze ge- tungen zwischen Konzernen, Behörden und For- Glauben an höhere Quellen des Rechts, der an religiö- fordert werden«. Bergstedt ist seit Jahren Kritiker von schung in der Agro-Gentechnik. Die so Kritisierten ha- se Orientierung erinnert, zu demaskieren. In vielen Polizei und Justiz, hat mit mehreren Veröffentlichun- ben ein ihnen genehmes Gericht ausgesucht, dass nun Beispielen wird geschildert, wie sich Gesetze bilden, gen Fälschungen und Falschaussagen öffentlich ge- ohne jegliche Beweiserhebung und in offensichtlicher verändern und wieder verschwinden. macht. Immer wieder ist er deshalb von Verfolgungsbe- Voreingenommenheit Maulkörbe verteilt. Der Saar- hörden angegriffen und vor Gericht gestellt worden. spiegel schrieb dazu in seiner Maiausgabe: »Das Ge- Jörg Bergstedt 12 SEITE CONTRASTE ANTIFASCHISMUS JUNI 2010

DIE IG-FARBEN-SAGA AUF DVD »Es kann keinen Schlussstrich geben«

Mitte der 80er Jahre hat der Filmemacher Schwiegersohn Heinrich betriebene vaterländische Ko- These entgegen. Im aktuellen Interview, das als DVD- schaft ebenso glaubwürdig wie dumpfe, alkoholisierte Bernhard Sinkel ein düsteres Kapitel deutscher operation mit der Konkurrenz und die angestrebte Fu- Bonus mitgeliefert wird, bedankt er sich nachdrück- Verzweiflung – die Rolle, der 1986 in etlichen Kritiken Industrie-Geschichte aufgeschlagen und sich in sion zur IG FARBEN (in der Wirklichkeit ganz wesent- lich beim WDR der achtziger Jahre, der ihm damals Charakter-Elemente von Carl Bosch und Fritz Haber lich initiiert durch den damaligen BAYER-Chef Carl alle Freiheiten gelassen habe – und kritisiert, dass heu- nachgesagt wurden, wäre in ihrer Intensität ohne ih- einem TV-Mehrteiler dem von BAYER Duisberg). Vergeblich: Nach dem Tode des alten Deutz tige Programmgestaltung sosendezeit-aufwändige Fil- ren nicht minder genialen Darsteller Bruno Ganz mitgegründeten Mörder-Konzern IG FARBEN steuern die beiden Erben als IG-Führer den Mammut- mewie »Väter undSöhne«jenseits aller Qualitätserwä- schwer denkbar. gewidmet. Nun ist das Werk auf DVD erschienen. Konzern mal gierig-begeistert, mal zaudernd direkt in gungen zu blockieren scheine. die Zusammenarbeit mit den Nazis, in weitere Kriegs- Aus heutiger Sicht gehört es übrigens zu den heraus- ragenden Skurrilitäten dieses Films, Beck in jener hi- Von Burkhard Ilschner geschäfte und vor allem in die Vernichtungsmaschine Der 65. Jahrestag der Befreiung »IG Auschwitz«. storisch verbrieften Auseinandersetzung mit Adolf Hit- des KZ Auschwitz Ende Januar war vielen Medien ein Der Film endet mit dem Nürnberger Kriegsverbre- ler zu erleben, in der der IG-FARBEN-Manager um die Anlass für Rückschauen auf die brutale Vernichtungs- cher-Prozess gegen die IG-Führung 1947 – und lässt Sicherheit der jüdischen Wissenschaftler bettelte, wor- maschinerie des Hitlerfaschismus. Aber nur selten keinen Zweifel daran, dass die verbrecherischen Mana- auf der Führer ihn aus der Reichskanzlei werfen ließ. fand dabei Erwähnung, dass dieses KZ nicht nur ein ger dabei mit (zu) glimpflichen Strafen davon ka- In der Wirklichkeit hat dieser Streit zwischen Hitler »Produkt« des Naziregimes, sondern ganz wesentlich men. Sinkel präsentiert diesen brisanten Stoff als eine und Carl Bosch stattgefunden – im Film trifft Hans auch der IG FARBEN gewesen ist. Eigens für diesen gi- typische Fernseh-Miniserie – mit Herzschmerz und Ei- Brenner als Hitler auf jenen Bruno Ganz (als Beck), gantischen Chemie-Konzern war ab 1940 das Lager fersucht, Seitensprung und Intrigen, Trauer und über- der 18 Jahre später in Bernd Eichingers Film »Der Un- Auschwitz III (Monowitz) errichtet worden, hier wur- bordender Freude. Es ist diese Dramaturgie, die den tergang« selbst den Führer spielen sollte. den synthetischer Kautschuk (Buna) und syntheti- Film so beeindruckend macht: Der Zuschauer sieht Zusammengefasst kann man Sinkels jetzt endlich sches Benzin produziert, was Hitler den Krieg verlän- Männer, die für Profit und Macht buchstäblich über gern half. wieder verfügbares Werk als eine Abrechnung der un- Leichen gehen, als Menschen mit Stärken und Schwä- gewöhnlichen Art bezeichnen: Die Familien-Saga als Wenige Tage vor dem Gedenktag zur Auschwitz-Be- chen; er sieht, wie andere in ihrem Umfeld sie kritisie- freiung ist eine DVD-Kollektion erschienen, die in pa- Verpackung ist eine geschickte Täuschung, lässt sie ren oder sich abkehren – ohne dass dies an ihrer Gier doch gelegentlich den Eindruck einer Verharmlosung ckender und bewegender Form an dieses dunkle Kapi- und ihrer Skrupellosigkeit letztlich etwas ändert. tel deutscher Industriegeschichte erinnert: Fast 25 Jah- entstehen – nur um diesen sogleich durch die brutale »Väter und Söhne« war und ist ein in Besetzung Offenheit in der Darstellung der Verbrechen der IG re ist es her, dass sich der soeben 70 Jahre alt geworde- wie Kulisse opulentes Werk. Es ist ein aufrüttelndes, ne Autor und Regisseur Bernhard Sinkel filmisch mit FARBEN zu zerstören. Am Ende bleibt die Abrechnung aber auch widersprüchliches Manifest. Es ist ein fulmi- – historisch und politisch bedingt – unsaldiert. der Geschichte der IG FARBEN auseinandergesetzt nantes Kultur- und Sittengemälde, aber auch eine hat. »Väter und Söhne« hieß der 1986 erstmals ausge- knapp neun Stunden währende Schmonzette, die sich Sinkel weist nicht nur auf die Nürnberger Urteile strahlte vierteilige Fernsehfilm, der anlässlich von Sin- wechselseitig immer wieder selbst erfindet und ad ab- hin, sondern auch auf die Tatsache, dass viele IG-FAR- kels Geburtstag jetzt – endlich – auf DVD erschienen surdum führt. Und es ist eine Anklage, die so entschlos- BEN-Führer wichtigen Anteil haben durften am wirt- ist. »Es kann keinen Schlussstrich geben«, so gibt Sin- sen und so Zweifel weckend zugleich daherkommt, schaftlichen Aufbau der BRD. Er betont die aktuelle kel in einem aktuellen Interview seinen Antrieb wie- dass sie den interessierten ZuschauerInnen eine weiter- Macht von Konzernen wie BAYER, BASF oder der, Mitteder achtziger Jahre diesesProjekt anzugehen. gehende Auseinandersetzung mit der Geschichte der HOECHST (heute SANOFI-AVENTIS) als ehemalige Thema der ungewöhnlichen »Familien-Saga« ist IG FARBEN geradezu aufzwingt: Unterhaltungsfernse- Apropos Qualität: »Väter und Söhne« glänzt dank IG-FARBEN-Teile. Und die Bonus-Dokumentation ein Stück deutscher Industrie- und Zeitgeschichte, dar- hen als Initiator politischen Interesses und Engage- hervorragender Besetzung durch viele szenische High- über die IG FARBEN stellt heraus, dass dieser Konzern gestellt anhand eines fiktiven Chemiefabrikanten- ments. lights, die wiederholtes Anschauen unverzichtbar ma- als »AG in Abwicklung« (AG i. A.) bis heute nicht end- Clans zwischen Beginn und Mitte des 20. Jahrhun- All dies macht »Väter und Söhne« zu einem wichti- chen. Da gibt es leidenschaftliche Höhen und Tiefen gültig liquidiert, sondern nach wie vor börsennotiert derts. Unternehmer Carl Julius Deutz (Burt Lancaster) gen und eigentlich heute viel zu wenig beachteten im Familienleben des Deutz-Clans wie etwa die Ausein- ist. Unerwähnt bleibt, dass diese andauernde Existenz dirigiert seine Firma und seine Familie patriarcha- Werk. Zwar liefen die vier Folgen 1986 im ersten ARD- andersetzung des Patriarchen mit seinem abtrünni- der IG FARBEN jahrzehntelang zur Blockade durch- lisch durch Kaiserreich und Ersten Weltkrieg und ver- Programm, zwar haben ARD, 3sat und WDR die Serie gen Enkel Georg (Herbert Grönemeyer) oder die Lie- greifender Entschädigungen für die ZwangsarbeiterIn- dient gut dabei. Zum einen mindert die so genannte zwischen 1990 und 2000 je einmal wiederholt – aber besaffäre von Georgs Mutter Charlotte (Julie Christie) nen beigetragen hat. Unerwähnt bleiben auch die ak- Ammoniak-Synthese die Abhängigkeit des Reichs von das war auch schon alles. Knapp zehn Jahre lang hat mit dem Freund des Sohnes, Max Bernheim (Hannes tuellen (auf den alten IG-FARBEN-Profiten aufgebau- Salpeter-Importen, die für Sprengstoff- und Muni- es im sonst so wiederholungsträchtigen öffentlich- Jaenicke). Nicht weniger beeindruckend sind etliche ten) Geschäfte von BAYER und anderen Nachfolgern tionsproduktion unerlässlich sind; das offiziell nach rechtlichen Fernsehen keine weitere Ausstrahlung ge- Szenen des politischen Geschehens, beispielsweise die – beispielsweise in Agrochemie, Gentechnik oder im seinen Erfindern Fritz Haber und Carl Bosch benannte geben. Das hat prompt zu Spekulationen geführt. patriotischen Bekenntnisse des jüdischen Konzern- Pharmasektor – und deren soziale wie ökologische Verfahren wird im Film von Deutz-Schwiegersohn Schon 2006 erschien in einem Internet-Forum die Bankiers Bernheim (Martin Benrath als Vater von Folgen. Es darf noch keinen Schlussstrich geben. Heinrich Beck (Bruno Ganz) entwickelt. Max), der die Verfolgung durch die Nazis erst zu ver- Vermutung, die »immer noch existierende Firma IG Sinkel, Bernhard: »Väter und Söhne – eine deutsche Zum anderen zeigt Sinkel eindringlich, aber auch FARBEN ... (könne) ihren Einfluss geltend gemacht drängen sucht (»der Pöbel regt sich auf, der Pöbel be- mit einer Portion gesunden Zynismus’, wie im Deutz- ruhigt sich wieder«), ihr dann mit Stolz entgegentritt Tragödie«; mit Bruno Ganz, Dieter Laser, Martin Ben- und ... eine Wiederholung verhindert« haben. Nährbo- rath, Burt Lancaster, Julie Christie u. v. a.; Copyright Konzern die Giftgas-Entwicklung vorangetrieben und den fanden solche Gerüchte in Veröffentlichungen wie (»ich wünsche, über die Vordertreppe hinausgeworfen getestet wird. Sohn Friedrich Deutz(Dieter Laser) über- zu werden«) – und schließlich doch ihr Opfer wird. 1986 Bavaria Atelier GmbH für den WDR; herausgege- der des ehemaligen Grimme-Direktors Lutz Hachmei- ben von der Studio Hamburg GmbH, 2010, in der lebt zwar einen heldenhaften Selbstversuch nur Aufrüttelnd wirkt auch die akribische Darstellung ster. Der hatte 1993 in einer Bilanz angedeutet, die Auf- ARD-Video-Serie »Große Geschichten« (Teil 27); vier knapp, das hindert ihn aber später nicht an den ent- der Verflechtung zwischen deutscher IG FARBEN und führung des Sinkel-Vierteilers im Grimme-Institut DVDs mit 20-seitigem Booklet und Bonus-Material sprechenden Geschäften. Lange wehrt sich der eigen- US-amerikanischer STANDARD OIL, die nach 1945 1987 habe Sponsoren wie die damaligen CHEMI- (Dokumentarfilm über das IG-FARBEN-Haus, Inter- sinnige Patriarch gegen die von Sohn Friedrich und maßgeblich Nürnberger Prozess und Struktur der Che- SCHEN WERKE HÜLS AG in Marl, eines der Unterneh- view mit Bernhard Sinkel). men aus der von den Alliierten vorgenommenen Zer- mieindustrie beeinflusste. Packend zeichnet Sinkel Anzeige schlagung des IG-FARBEN-Konzerns, verärgert. Wäh- den genialen, aber auch zerrissenen Chemiker Hein- Der vorstehende Artikel erschien in »Stichwort rend Hachmeister auf diesbezügliche Nachfragen des rich Beck: Der ergeht sich in kindlicher Freude über BAYER« 1/2010 undstammt ursprünglich aus der Zeit- Autors nicht reagierte, hat Sinkel selbst, auf derartige wissenschaftliche Erfolge oder den Nobelpreis, ist be- schrift Waterkant – Umwelt + Mensch + Arbeit in der Vermutungen angesprochen, dergleichen als »schwer züglich der Kooperation mit den Nazis hin- und herge- Nordseeregion (ISSN 1611-1583, www.waterkant.in- zu beweisen« abgewehrt und setzt dem eine profanere rissen, demonstriert zynisch entschlossene Mittäter- fo), Jahrgang 25, Heft 1 (März 2010)

ROMA UND SINTI – DEPORTATIONEN AUS HAMBURG

lung der Zigeuner« befohlen wurde. Diese Aufforde- deutsche Sinti in Güterwaggons verfrachtet – am Han- Der 16. Mai rung ging an die Polizeileitstellen der Städte, nach noverschen Bahnhof, von dem heute nur noch weni- Hamburg, Bremen, Hannover, Düsseldorf, Köln, ge Reste am Rande der Hafencity stehen, am Lohse- Frankfurt am Main und Stuttgart. platz, dem ehemaligen Großen Grasbrook. Im Rah- Am 16. Mai 1940 wurden an die tausend Roma und men der Hafencity ist auch dort eine Wohnbebauung Sinti aus Hamburg und Umgebung nach Polen in das In Hamburg begann die Polizei am 16. Mai 1940 den Befehl umzusetzen. Mehrere hundert zuvor erfass- geplant, die Schaffung einer Gedenkstätte ist endlich Vernichtungslager Belzec deportiert – Polizei und te Hamburger Roma und Sinti wurden an dem Sam- geplant. Vom Hannoverschen Bahnhof gingen von Behörden organisierten in enger Abstimmung diesen melpunkt, der Harburger Polizeistation in der Nölde- 1940 bis 45 zwanzig Deportationstransporte ab, 7.692 ersten Transport aus Hamburg in die Vernichtung. kestraße, festgesetzt. In Bussen wurden sie zum Menschen wurden von hier, laut der peniblen Listen, In den Jahren nach der Machtübergabe an die Nazis Fruchtschuppen an der Baakenbrücke im Hamburger in die Lager transportiert, weil sie als Juden, Roma wurden alle, die nach rassistischen Kriterien als Hafen, heute Ecke Kirchenpauerstrasse / Ecke Baaken- oder Sinti eingestuft worden waren. Um die Roma werder, transportiert, die Zwischenstation der Deporta- und Sinti während des Transports im Mai 1940 ruhig Roma und Sinti eingestuft wurden, ebenso wie alle zuhalten,wurde immerwieder von »Umsiedlung«ge- als Juden eingestufte Menschen, systematisch tion. Der Fruchtschuppen wurde später abgerissen. Die Roma und Sinti mussten hier fünf Tage warten. sprochen und jeder Familie ein Haus und Land in Po- gesellschaftlich diskriminiert und kriminalisiert. Der Fruchtschuppen war das provisorische Sammella- len versprochen. Die Roma und Sinti hatten nichts au- ger für alle norddeutschen Roma und Sinti, bevor sie ßer der wenigen Kleidung am Leib, ihr gesamtes Ei- Von Gaston Kirsche Roma und Sinti wurden zur nach Polen in die Vernichtungslager deportiert wur- gentum wurde von der Polizei konfisziert. In den er- Zwangsarbeit verpflichtet. Sie mussten sich regelmä- den:»Der ganze Platz wurdevon denSS-Männern, Ge- sten zwei Wochen in Belcec starben 75 Kinder an Er- ßig bei der Polizei melden, durften bestimmte Orte stapoleuten und Polizisten umzingelt, und wir wur- schöpfung oder Epidemien. nicht mehr besuchen, öffentliche Verkehrsmittel den morgens um vier Uhr aus den Betten geholt. Uns Bei einer weiteren Hamburger Deportation 1943 nicht mehr benutzen. Am 8. Dezember 1938 erging wurde erzählt, dass wir umgesiedelt werden, wir soll- wurden aufgrund des sogenannten Auschwitz-Erlas- der grundlegende Erlass des »Reichsführers SS und ten nichts mitnehmen, und wir durften nichts mitneh- ses die ergriffenen Roma und Sinti direkt in das soge- Chefs der deutschen Polizei«, Himmler, » ... die Rege- men. Die sagten uns, dass wir dort alles vorfänden nannte »Zigeunerlager« im KZ Auschwitz gebracht. lung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse und nichts mitzunehmen brauchten. Die Erwachse- In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944, der soge- heraus in Angriff zu nehmen.« Mit dem Ziel der »end- nen ahnten nichts Gutes und sagten: Lasst uns mal nannten »Zigeunernacht«, wurden dort alle verblie- gültigen Lösung der Zigeunerfrage« ordnete er an, das Notwendigste für die Kinder mitnehmen«, erin- benen, fast 3.000 Menschen, vergast. Sie wussten, was alle als Sinti und Roma einzustufenden im Deut- nerte sich der Überlebende Gottfried Weiß. sie in den Gaskammern erwartet. Sie wehrten sich ver- schen Reich zu erfassen. Am 27. April 1940 erließ Am 20 Mai 1940 wurden laut der gründlichen Li- zweifelt, bis zuletzt. Ihre Schreie waren in anderen Ba- Himmler einen Schnellbrief, in dem die »Umsied- sten der Polizei 551 Hamburger und weitere 359 nord- racken zu hören. Gegen Morgen wurde es still. 2010 JUNI SINTI & ROMA CONTRASTE SEITE 13

GLÜCKSÖKONOMIE BEI ROMA-/ZIGEUNERGRUPPEN »Ich verdiene überall meine Brötchen, sogar in der Wüste«

Geld macht nicht glücklich. Das bewies bereits 1974 können. Glücksökonomen hingegen müssen sich auf- Familie zu ernähren haben und kein lukrativeres Ange- dig auf der Suche nach Kundschaft sind, aber auch der US-Ökonom Richard Easterlin, der unlängst den grund ihrer nicht regulierten Arbeit ständig neu gegen- bot bekommen. nach neuen Möglichkeiten ihre beruflichen Tätigkei- mit 50.000 Euro dotierten Forschungspreis für Labor über Ort und Zeit ausrichten. Ein Umstand, der das Ri- ten auszubauen. siko ihrer Arbeit erhöht. Sicherheiten, die Arbeitneh- Grenzgänger Glücksökonomen sind Netzwerker. Unter traditio- Economics vom »Institut zur Zukunft der Arbeit« mer in der Regel haben, kommen hier nicht zum Tra- nellen Roma-/Zigeunerfamilien ist die zentrale ökono- erhielt. Glück, so sein Fazit, werde nicht durch das gen. Oder haben Sie schon einmal etwas von einer Glücksökonomen handeln oft translokal. Das heißt sie mische Einheit immer noch die Kumpania, ein loser Anhäufen von Geld erreicht, sondern durch das so Schrottmetall-Berufsorganisation oder einer Schau- überwinden nicht nur unsichtbare Grenzen wie die und unabhängiger Zusammenschluss mehrerer Fami- genannte Social Business. Sein Glück vermehrt steller-Gewerkschaft gehört? von Kulturen und Klassen, sondern auch physische. lien zu einer Wirtschaftsgemeinschaft, der je nach Si- demnach, wer sich für das Glück anderer interessiert. Sicherlich, bei uns gibt es die Künstlersozialkasse. Grenzen, sagte einmal der französische Anthropologe tuation erweitert oder verkleinert werden kann. Dort Überprüfen wir einmal Easterlins Theorie und Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist aber, dass die Marc Augé, sind Transiträume, die er »Nicht-Orte« werden Berufskenntnisse untereinander vermittelt und künstlerische Tätigkeit nicht nur vorübergehend und nannte. Orte, die bei der Mehrheitsgesellschaft das Be- neue Nischen erschlossen. wenden uns dem Glück einer ganz anderen Gruppe vorwiegend im Inland ausgeübt wird. Dieselbe Sicher- dürfnis auslösen, sich möglichst kurz an oder bei ih- Im Grunde genommen ist Arbeit für Glücksökono- von Glücksökonomen zu: den Roma-/ heit, die der Mehrheitsgesellschaft Freiheit verspricht, nen aufzuhalten. Das können Busstationen sein, offi- men wie Roma-/Zigeunergruppen ein Kompromiss Zigeunerkulturen. zwischen der Notwendigkeit, ein Einkommen zu erzie- len und dem Wunsch, in einem wechselnden sozioöko- nomischen und kulturellen Umfeld, einen bestimm- Von Harika Dauth, Leipzig Betteln, Hausieren, Dieb- ten Lebensstil aufrecht zu erhalten. Damit deckt sich stahl oder Arbeiten auf dem Schwarzmarkt gehört zu der Arbeitsstil von Roma-/Zigeunergruppen mit einer der Form von Glücksökonomie, die von der Mehrheits- Tendenz, die in den westlichen Ländern zunimmt: gesellschaft am stärksten wahrgenommen – und oft hohe Wertschätzung von Lebensqualität und der mit Illegalität assoziiert wird. Im Folgenden ist aber Wunsch nach Teilzeitarbeit, einer selbstständigen oder nicht von Interesse, ob und in welcher Form illegal ge- künstlerischen Tätigkeit. Doch, während diese Vorstel- arbeitet wird, sondern was die Glücksökonomie aus- lungen in unserem Bewusstsein stark an die Bildung macht und welche Rolle das Glück dabei spielt. Die gekoppelt sind, gilt das für Roma/Zigeuner nicht im- Glücksökonomie soll dabei zwar am Beispiel von Ro- mer. Entgegen unserer Vermutungen, beschreibt Okely ma-/Zigeunergruppen dargestellt werden, es sind aber beispielsweise, dass der Reichtum der Traveller nicht nicht alle Roma/Zigeuner Glücksökonomen. Grund- abhängig von ihrer Alphabetisierung sei. Im Gegen- sätzlich können alle Menschen Glücksökonomie betrei- teil: Unter reichen Travellern fiel die Alphabetisierungs- ben. rate geringer aus, als unter Ärmeren. Der Grund ist das, Allgemein beschreibt Glücksökonomie hier nicht ei- was Okely »schooling« (dt.: schulische Ausbildung) nen Zustand von Glück, der durch eine bestimmte Wirt- und »education« (Ausbildung durch die Familie) schaftsweise ausgelöst wird, sondern eine Wirtschafts- nennt. Für die Kairos-Adepten hat die gängige Ausbil- weise, die auf Glück basiert. Anders ausgedrückt: Bei Foto: Harika Dauth dungsart der Mehrheitsbevölkerung wenig Wert. Die Aus- der Glücksökonomie geht es nicht darum möglichst Der informelle Sektor: Arbeit findet sich vor allem auf der Straße. Hier in Shutka, einer der größten Roma-Siedlungen Europas in Skopje/Mazedonien bildung hingegen, die sie von der Glücksökonomie er- glücklich zu sein, um wirtschaftlich erfolgreich zu probten Familie oder Kumpania bekommen, verspricht sein, sondern darum, beim Wirtschaften Glück zu ha- würde Glücks- und Kairosökonomen wie Roma-/Zigeu- zielle und inoffizielle Grenzübergänge, Bus-Termi- in der Ökonomie Kairos der mehr von Erfolg gekrönte ben. nergruppen das Rückgrat brechen, indem sie ihnen die nals, Brücken, Schnellstraßen und Straßenränder, Weg zu sein. Die Wirtschaft der Zigeuner hängt stark von der Öko- Freiheit nähme. Eines kann als sicher gelten: Ein Bahnwaggons, Autobahn-Raststätten, Passagen, Unter- nomie der Mehrheitsbevölkerung ab. Denn im Ver- Glücksökonom hat einen routinierten Umgang mit führungen, Shopping-Zentren, Parkplätze und so wei- Arbeit erfinden gleich zu klassischen, Nahrungsmittel produzierenden Unsicherheit, wandelnden Umgebungen und sich per- ter und so fort. Augé’s Theorie der »Nicht-Orte« besagt, Gruppen, stellen Zigeuner ihre Nahrung nicht selbst manent ändernden Umständen. Ein englischer Trave- dass es sich bei jenen Räumen um keine Räume im an- Glücksökonomen werden oft dort aktiv, wo die Mehr- her. Stattdessen sind sie oft auf Dienstleistungen spezia- ler, in dessen Community ein Job nicht nach Stunden thropologischen Sinne handeln könne, da es ihnen an heitsbevölkerung passiv bleibt. Als würde Kairos, der lisiert, die sie der Mehrheitsbevölkerung anbieten. Zu sondern nach Tagen bemessen wird, sagte einmal ge- menschlicher Interaktion, Geschichte, Identität und Gott des günstigen Zeitpunkts, ihnen zuflüstern: Hört ihren Branchen zählt der Kleinhandel, der Unterhal- genüber der Anthropologin Judith Okely: »Wenn wir Relation fehle. »Nicht-Orte«, so der Anthropologe, sei- zu! Die besten Gelegenheiten sind die Jobs, die die ande- tungssektor, und das Handwerk. Aber auch die Zigeu- Traveler regelmäßige Jobs annähmen, würde es uns en Orte der kommunikativen Verwahrlosung. ren nicht wollen! Arbeit in diesem Sinne ist eine Chan- ner, die hier arbeiten, sind nicht alle Glücksökono- verderben«. Auch Gypsies in Kalifornien sind der Mei- Glücksökonomen sind für Auge’s Hypothese der le- ce, die man ergreifen kann wie Kairos Zopf. Gleichzei- men. Was Glücksökonomen von allen anderen unter- nung, dass regelmäßige Beschäftigungen, wie sie bei bende Gegenbeweis. Denn Bahnwaggons beispielswei- tig erscheint sie als Notwendigkeit und nicht alsLebens- scheidet, ist der routinierte Umgang mit unsicheren, uns klassische Bürojobs darstellen, für sie »schädlich« se werden von ihnen nicht nur als Transportmittel zweck. Kurz gesagt: Arbeiten um zu leben, nicht leben schwankenden Situationen, aus denen sie Profit erzie- wären. Lohnarbeit kommt für Zigeuner höchstens als wahrgenommen, die zwei Punkte miteinander verbin- um zu arbeiten. Womit sich auch erklären ließe, wes- len. Wie beispielsweise Zirkusartisten, mobile Autowä- Übergangslösung in Frage. Und wenn sie ausnahms- den, sondern als Orte per se, die durch den richtigen halb die Gypsies gegenüber dem englischen Tsiganolo- scher, Los-Verkäufer und Straßenmusiker. weise doch einen regulären Lohn verdienen, so Tho- mas Acton, Wissenschaftler, der gerne betont selbst Rom zu sein, transformieren sie diesen in eine Form Roma, Sinti oder Zigeuner? des Handels, bei dem der Verdienst eher einem »aufge- In Deutschland und Europa ist die plädieren jedoch andere Roma/ Begriffspaars »Roma/Zigeuner« sammelten Glückshonorar« entspräche. adäquate Bezeichnung der Roma/ Zigeuner für die Beibehaltung der im Text, verweist die Autorin dar- Für gewöhnlich aber arbeiten Roma/Zigeuner frei- Zigeuner umstritten – dies hat Fremdbezeichnung, da sie den Be- auf sich wissenschaftlich differen- beruflich. Ihre Stärke ist es, im Gegensatz zur Priorität nicht zuletzt die Debatte um das griff »Roma« als diskriminierend ziert mit der Frage der adäquaten der Mehrheitsgesellschaft, nicht auf einen Bereich spe- Berliner Mahnmal gezeigt. Viele empfinden. Sie argumentieren, Bezeichnung der heterogenen und zialisiert zu sein. Deshalb sitzen sie niemals an einem Roma/Zigeuner empfinden den Be- dass das Ethnonym einer großen transethnischen Minderheit aus- Ort fest und widmen sich auch nicht ausschließlich ei- griff »Zigeuner« – über dessen Untergruppe, nämlich der Roma, einanderzusetzen, im politischen etymologische Herkunft nur speku- die vor allem im 19. Jahrhundert Streit aber keine Stellung zu bezie- ner Profession. Ihr Konzept ist altbewährt: Learning by liert werden kann – als beleidi- aus Südosteuropa nach Westeuro- hen. Im konkreten Fall erscheint doing. Je mehr Berufe ausgeübt und Märkte erschlos- gend und propagieren stattdessen pa und Amerika migriert sind, als es der Autorin am sinnvollsten, das sen werden können, desto größer sind dieVorteile, Aner- »Roma« als nichtdiskriminieren- Allgemeinbezeichnung generali- genaue Ethnonym der jeweiligen Foto: Harika Dauth kennungen und die Chancen zu Überleben. de Bezeichnung. Rom bedeutet auf siert wird und damit andere Unter- Untergruppe wie beispielsweise Eine Glücksökonomin in Madžari/Mazedonien auf der Suche nach In Belgien beispielsweise handelt ein Manouche Romani, der Sprache der Roma, gruppen wie die Sinti, Kalé, Lalleri, Kalderasch, Xoraxané, Manusch, einer guten Gelegenheit in Form von Plastik (Angehöriger der Sinti in Frankreich) im Winter mit die sich aus dem Sanskrit ableitet, Ashkali etc. zurücksetzt. Jat, Rom, aber auch schlicht Zigeu- »Mensch«. Auf der anderen Seite Mit der offiziellen Nutzung des ner, zu gebrauchen. Was die Glücksökonomen aber mit den meisten Zi- Antiquitäten. Im Frühjahr, zur Zeit des Karnevals und geunernQF gemeinsam haben, sind die Nischen in de- der Volksfeste, ist er Musiker, am 1. Mai verkauft er Mai- glöckchen und andere Blumen. Im Sommer repariert nen sie arbeiten, die Lücken im (trans-)nationalen Umgang und Kommunikation mit Zugpersonal, Poli- gen Michael Stewart während der 15 Monate, die er bei Wirtschaftssystem. Die lassen sich vor allem in wenig er Stühle mit Flechtsitzen an der Küste und macht pa- rallel dazu Musik. Grundsätzlich können jederzeit zei und Passagieren erfolgreich genutzt werden kön- ihnen forschte, kein Wort über das Thema Arbeit verlo- oder überregulierten Systemen finden: nichtoffizielle nen. Während wir diese Durchgangsstationen vor- ren. Denn, wenn sie zu Hause waren, redeten sie Taxis in Großstädten zum Beispiel, oder das Verkaufen neue Aktivitäten hinzukommen, andere in den Hinter- grund treten oder reaktiviert werden. Diese Autonomie nehmlich nutzen, um sie zu überqueren, transformie- schlicht nicht über Arbeit. von gebrauchten Tickets in U-Bahnhöfen. Der Bereich, ren Glücksökonomen sie zu Märkten und nutzen sie, Verlassen Glücksökonomen aber das Haus, wird Ar- der viele Nischen und Glücksökonomen beheimatet, bringt ihnen ein Maximum an Freiheit ein, gleichzei- tig aber auch ein Höchstmaß an Unsicherheit. um ihre Netzwerke zu etablieren. An der griechisch-al- beit im wahrsten Sinne des Wortes gefunden. Das be- ist der informelle Sektor. Von der Mehrheitsbevölke- banischen Grenze beispielsweise verkaufen Roma und deutet auch, wenn es keine gibt, wird eine er-funden. rung wirder alsOrt der extremprekären, unsicheren Ar- Im Gegensatz zur Mehrheitsbevölkerung, die dem andere Glücksökonomen den Durchreisenden ge- Frei nach dem Motto: jeder ist seines Glückes Schmied. beitsbedingungen bezeichnet. Für die Glücksökono- Glück nicht traut, arbeiten Kairos-Ökonomen nicht brannte Musik-CDs für jeweils einen Euro: von griechi- Judith Okely zitierte einen Englischen Traveller, der men aber sind genau diese Bedingungen mit hohen mit Verträgen, langfristigen Strategien und Kalkulatio- scher Folklore über Gypsy Compilations bis hin zu alba- sagte: »Du könntest mich irgendwo in der Welt abset- Chancen verbunden. nen, die das Risiko eindämmen sollen, sondern setzen nischer Popmusik wird hier jedes Ohr bedient. zen, ich würde überall meine Brötchen verdienen, so- auf den Moment. Was sie gerade investieren, kann mor- In der Berliner S-Bahn verdienen Roma/Zigeuner gar in der Wüste.« Tatsächlich kooperieren Zigeuner Kairos-Ökonomie gen schon wieder verloren sein. Anders gesagt: Kalku- und ihre Kinder Geld, indem sie Akkordeon spielen in der Wüste Afghanistans und Irans mit dort verkeh- liert wird in der Glücksökonomie nicht der Kosten-Nut- und, wie viele andere Musiker in der deutschen Haupt- renden Nomaden, denen sie Waren und Dienste lie- Olaf Günther, seines Zeichens Tsiganologe in Leipzig, zen Faktor, sondern das Risiko. stadt, bei jeder Haltestelle den Waggon oder Zug wech- fern. Dabei sind es nicht nur die unmöglichsten Orte, in nennt Glücksökonomen deshalb auch Kairos-Ökono- Benzinschmuggler beispielsweise, die das kostbare seln. Augé und die Glücksökonomen scheinen letztlich denen sie Märkte erschließen, sondern vor allem ihr stän- men. Kairos ist in der griechischen Mythologie der Gott Öl von der irakischen über die türkische Grenze also an den Transiträumen das gleiche Interesse zu ha- diger Kontakt zu Menschen und potentiellen Kunden. der günstigen Gelegenheit, der oft als nackter, immer- schmuggeln, um es Zwischenhändlern zu verkaufen, ben: nicht den Ort an sich, sondern sein Geschehen im Ausgerechnet die Menschen, die fast überall auf der zu laufender Jüngling mit geflügelten Schuhen und ei- werden, selbst wenn sie den Treibstoff seit Jahren regel- anthropologischen Sinn: die Menschen. Welt von der Mehrheitsgesellschaft als rückständig nem Zopf dargestellt wird. Diesen Zopf ist der Mensch mäßig transportieren, zunächst nicht die Kosten-Nut- und traditionell betrachtet werden, haben die Glücks- angehalten zu greifen – sofern es ihm nach einer gün- zen-Rechnung machen, sondern zeitliche, räumliche Vitamin B Werte der postmodernen Gesellschaft schon seit Jahr- stigen Gelegenheit verlangt. und strukturelle Risiken erwägen. Schließlich ist ein er- hunderten in ihre durchaus profitorientierte Wirt- Mitglieder der Kairos-Ökonomie entdeckt Günther folgreicher Schmuggel abhängig von der Jahreszeit, Eine unentbehrliche Zutat für das Erfolgsrezept Glücks- schaftsweise integriert: Mobilität, Flexibilität und daran, dass sie a) am richtigen Ort und b) zur richti- der Frequenz der Grenzkontrollen, den Transportmög- ökonomie ist das Vitamin B(eziehung). Denn ein Groß- Selbstständigkeit. Es sieht so aus als könnten wir noch gen Zeit sind. Das unausweichliche Dilemma: a) und lichkeiten (Pferd oder kein Pferd) und den möglichen teil der Arbeit von Roma-/Zigeunergruppen besteht da- eine Menge von Glücksrittern und Roma-/Zigeunerkul- b) sind geprägt durch unvorhersehbare Dynamiken. Routen. Wenn die Glücksökonomen von Grenzbeam- rin, Menschen auf gut Glück anzusprechen, zu disku- turen lernen. Zum Beispiel, dass Geld manchmal, entge- Angestellte und andere konventionell arbeitende Men- ten erwischt werden und ihre teure Ware konfisziert tieren, eine Ware oder Dienstleistung anzubieten, je- gen Easterlins Theorie, doch glücklich machen kann. schen, müssen sich, um erfolgreich zu sein, lediglich wird, ist das für sie noch lange kein Grund, das Ge- manden zum Kaufen und/oder Verkaufen zu animie- Und wie wir Kairos besser am Schopfe packen können, auf Ort und Zeit ihres stabilen Arbeitsplatzes verlassen schäft aufzugeben. Zumindest nicht solange sie eine ren und zu Feilschen. Das bringt mit sich, dass sie stän- oder zumindest eine Glückssträhne erwischen. 14 SEITE CONTRASTE BÜCHER / BROSCHÜREN / ZEITSCHRIFTEN JUNI 2010

Lob der Pause zu leben und versucht sich an einem alternativen Vor- ist eine Illusion. Der ägyptische Ökonom Samir Amin leuchtet wie alternative Gartenkulturen, die den Ge- schlag der Organisierung, der anhand von Freund- hat es ausgerechnet: Selbst bei einem anhaltenden meinschaftsgarten als innerstädtischen Raum nut- Wer sich ernsthaft mit dem Thema Zeit beschäftigen schaftslinien zu entwickeln sei. Wie ein roter Faden Turbowirtschaftswachstum von jährlich sieben Pro- zen, etwa die in New York entstandenen Community will, begegnet einer Fülle von diesbezüglichen Bü- zieht sich die Frage nach der Organisierung und Soli- zent gäbe es nur für ein Drittel der heutigen armen Gardens oder Integrationsprojekte wie die interkultu- chern und Abhandlungen. Viele davon gehören zur darität durch alle Artikel in Respektive. Ein analysie- KleinbäuerInnen Jobs in anderen Sektoren. Das Re- rellen Gärten. Wie ein roter Faden zieht sich die politi- Kategorie Chronoergüsse – wenige liefern wirklich render Rückblick auf die große Streikbewegung in den über Armutsbekämpfung sei ein Wohltätigkeits- sche Dimension von Gärten durch das Buch. Erhellendes. Letztere sind meist von gereiften Natur- Frankreich des Frühjahres 2009 behandelt diese Fra- diskurs im Stil des 19. Jahrhunderts, der nicht einmal Ein Beitrag zu Gefängnisgärten zeigt, wie das Gärt- wissenschaftlern geschrieben, die es auf wenigen Sei- ge am Beispiel konkreter Kämpfe (an der Universität versuche, die ökonomischen und sozialen Mechanis- nern Nelson Mandela und Rosa Luxemburg während ten schaffen, demkomplexen Begriff Zeit das Wesentli- Avignon) und zeigt vor allem die Grenzen gewerk- men zu verstehen, die Armut schafften, schrieb Amin ihrer Haftzeit wieder hoffen lehrte. Das Buch greift die che abzuringen. Das »Lob der Pause« wurde von ei- schaftlicher Organisierung auf. Ein Interview mit ei- 2003. aktuelle Diskussion um die zeitgenössische Nutzung nem Wirtschaftspädagogen verfasst, der mehr als 30 nem Basisaktivisten der Oberwalliser Jugendorganisa- Leider stimmt das immer noch. Und ein Teil der und Gestaltung von Gärten auf, die weit mehr betrach- Jahre an der Bundeswehr-Universität in München tion der Schweizer Gewerkschaft Unia erstaunt – mit »Wohltäter« versucht auf immer dreistere Art, Ge- tet als Parks, öffentliche Plätze oder die von GärtnerIn- lehrte. Das weckt unverzüglich Vor-Urteile. Denn von dieser Seite selten gehörten – erfreulich antikapi- schäftsinteressen als Armutsbekämpfung zu verkau- nen bewirtschaftete und von KünstlerInnen gestaltete »Krieg ist schnell, Frieden ist langsam«, wie der Pro- talistischen Tönen. fen: etwa das britische Unternehmen Cru Investment Landschaft. Für eine zukunftsfähige Stadtplanung fessor seinem ehemaligen Arbeitgeber ins Stamm- Lina Brion und Kenneth Hujer berichten von nicht Management, das in Malawi Gemüse anbauen lässt, stellt sich heute dringlich die Frage, wie mit den buch schreibt. Trotz seiner militär-akademischen Pro- stattfindenden Arbeitskämpfen in der Musikbranche sich als Entwicklungshelfer aufspielt und gleichzeitig Brachflächen umzugehen ist, die in schrumpfenden venienz ist dem Zeitforscher auf wenigen Seiten, und und stellen das Pariser Künstlerkollektiv »Claire InvestorInnen dreißig bis vierzig Prozent Rendite ver- ostdeutschen Städten durch den Abriss von Häusern im Jacketttaschenformat, ein großer Wurf gelungen. Fontaine« vor, das eben die eigenen Produktionspro- spricht. Oder der philanthropische US-amerikanische oder die Aufgabe von Industriegelände entstehen. Investmentbanker George Soros, der im großen Stil in Seine bissigen Bemerkungen »Würden Affen Zeit spa- zesse und -bedingungen klar offenlegt. Die Behand- Oliver Winkel ren, wären sie Menschen« und galligen Tiraden ge- lung des Themas Arbeit im sauber layouteten Zeit- den südamerikanischen Agrotreibstoffmulti Adeco- gen den »Hochgeschwindigkeitsblindflug der globali- buch wird ergänzt durch Rezensionen der 52. Bienna- agro investiert. Brita Reimers (Hrsg.): Gärten und Politik. Vom Kul- sierten Finanzmärkte« bestärken den zeitkritischen le in Venedig und einer Ausstellung des Dresdner Hy- Investitionen in Boden und Landwirtschaft boo- tivieren der Erde; 320 Seiten, mit zahlreichen Abbil- Leser in dem Gefühl, dass »unser gegenwärtiger Um- giene-Museums zur Arbeit sowie einer Bildserie mit men. Der deutsche Journalist Thomas Fritz dokumen- dungen, München 2010, oekom verlag, 29,90 EUR gang mit Zeit nicht im Entferntesten normal ist«. Zu Werken der Hamburger Fotografin Antje Müller, die tiert, wie sich in den letzten Jahren die »globale Jagd nach Spuren der Arbeit in zerfallenden Gebäuden ehe- nach Land« intensiviert hat. Dass Konzerne aus dem Recht fragt er, »ob wir eigentlich noch richtig ticken«? Zahltag, Zwang und Widerstand Geißler liest dem »Kolonialisierungshunger der mals staatseigener Betriebe im Osten Deutschlands ge- Norden in Ländern des Südens Geschäfte machen, ist nichts Neues. Doch während sie früher meist mit loka- ungebremsten Beschleunigungsdynamik« die Levi- sucht hat. Das A5-Büchlein von Peter Nowak gibt einen Über- ten und beklagt pointiert, dass Chronos zum Ange- Sympathischerweise vertraut das Respektive-Kol- len Landbesitzern zusammenarbeiteten, wird der Zu- griff heute direkter: Das wohl bekannteste Beispiel ist blick über den politischen Widerstand von Erwerbslo- stellten des Mammons degradiert wurde. Mutig und lektiv nach wie vor auf die Marx’sche Kritik der politi- sen und ihren Initiativen gegen die Schikanen der Job- zeitweise plädiert er für nutzlose Pausen und lobt die schen Ökonomie, weigert sich aber nicht auch weni- die südkoreanische Daewoo Logistics, die in Madagas- kar 1,3 Millionen Hektar Land pachten wollte. Nur center und ARGEn, gegen Arbeitszwang und Billiglöhne. langsamen Rumtrödler, die erkannt haben, dass die ger explizit marxistische Artikel abzudrucken. Ein we- Peter Nowak zeichnet die Hauptaktionen und »Grundgeschwindigkeit der Menschen nur für ver- nig wundert man sich aber schon, warum John Hollo- eine Revolte der Bevölkerung und der Sturz des mada- gassischen Präsidenten Marc Ravalomanana konn- -kampagnen der Erwerbslosenbewegung gegen Hartz kehrsberuhigte Zonen« taugt. Sitzenbleiber und Lang- way und operaistische Themen in einer Zeitschrift IV nach. Seit dem Sommer 2004 begannen in 223 weiler werden zu Agenten »der mächtigsten Rückver- zum Thema »Absenz. Arbeit in Bild, Begriff und Kri- ten die Pläne (vorerst?) stoppen. Die meisten Landnahmen erregen nicht so viel Auf- Städten der Bundesrepublik Deutschland Montagsde- sicherungsgesellschaft der Welt« – der Wiederho- tik« nicht auftauchen. Die Lektüre lohnt aber schon monstrationen mit politisch heterogenen Implikatio- lung, die uns »von dem Terror befreit, ständig über alleine deswegen, weil hier KulturproduzentInnen sehen. Neben Firmen kaufen oder pachten immer mehr Staaten ausländisches Ackerland – einerseits nen. Die »Aktion Agenturschluss« folgte am 3. Januar Zeit und deren Organisation entscheiden zu müssen«. Orte aufsuchen, an denen sich nicht nur ein Begriff 2005 in 30 Städten mit ca. 6.000 Teilnehmenden. Sie So überzeugend wie notwendig mahnt der Autor von verschiedenen Funktionsweisen der Gesellschaft Schwellenländer, die ihre wachsende Bevölkerung nicht mehr ernähren können, anderseits die reichen bildete den exemplarischen Auftakt des aktiven Wider- eine »Kunst des Wartens« an. Ein wohl allen LeserIn- abzeichnet, der zu solidarischem Handeln unterein- standes der Erwerbslosen gegen ein mies gestricktes nen unbequemes Thema, da nur sehr wenige Men- ander aber auch gegenüber anderen Proletarisierten Golfstaaten. Diese haben bisher mit staatlichen Gel- dern und Unmengen von Wasser versucht, die Wüste Gesetz und die Verwaltungspraxis der Jobcenter. Sie er- schen der Pein der durch Unpünktlichkeit hervorgeru- anregt. öffnete Aktivitäten wie »Ein-Euro-Job-Spaziergänge« fenen Warterei, dem »Zeitdiebstahl«, entkommen fruchtbar zu machen. Da das immer schwieriger wird Pascal Jurt und ausserdem den Freihandelsregeln der WTO wider- und Besetzungen von SGB II-Trägern. können. Geißlers Resümee klingt bitter, entbehrt aber Im bundesweiten »Schwarzbuch Hartz IV« berich- nicht einer gewissen Wahrheit: »Nicht das Warten ist 144 Seiten, 13 EUR, www.respektive.net spricht, machen sie sich nun auf die Suche nach Mög- lichkeiten in anderen, oft ebenfalls islamischen Län- ten ErwerbslosenaktivistInnen am 2. Januar 2006 die Hölle, sondern ein Leben, das kein Warten mehr Nachdruck aus MALMOE; www.malmoe.org über sämtliche Widerstandsaktionen und die inhaltli- kennt«. dern wie Pakistan oder dem Sudan – wo das Land be- reits heute knapp und ungerecht verteilt ist. che Kritik des Gesetzes, seiner Durchführungshinwei- Abgerundet wird die Philippika (Kampfrede) mit se und der Umsetzungspraxis von Hartz IV. Schon zu zeitpolitischen Perspektiven. »Lust am Leben und Einführung Kritische Theorie Thomas Fritz stützt sich bei seinen Recherchen auf diesem Zeitpunkt ist eine massive Widerspruchs- und Lust an der Zeit« sei keine reine Privatangelegenheit, internationale Medienberichte und das Internet. Eige- In den letzten Jahren gab es nicht nur in neomarxisti- Klagekampagne gegen die Ämter zu beobachten, die sondern gehöre zu den Aufgaben einer Zeitpolitik. ne Interviews mit Betroffenen fehlen leider; sie hätten von einem gewachsenen Gegenwehrbewusstsein der Zum Schutz gegen die »Zwangsbeglückung von schen Gruppen und mitverursacht durch die intensi- wohl das Budget des Berliner Forschungs- und Doku- ven Debatten um Antisemitismus eine Wiederentde- Erwerbslosen zeugt. oben« fordert Geißler die Entwicklung eines »zeitpoli- mentationszentrums Chile-Lateinamerika (FDCL) ge- Ebenfalls im Jahr 2006 entstehen die bundesweite tischen Bewusstseins, das die Ökonomisierung von ckung der »Kritischen Theorie«. Der in der Publika- sprengt. Eine gute Einführung ins Thema ist das tionsreihe »theorie.org« erschienene Band will eine Kampagne gegen Zwangsumzüge nach Hartz IV und Zeit in ihre Grenzen verweist und die nicht-ökonomi- Buch aber auch so. die bunten Aktivitäten in und vor den Arbeitsagentu- schen Formen von Zeit und Zeitleben wieder wertzu- »knappe Einführung« liefern, ist aber dafür zu detail- Der Autor ist überzeugt, dass Armutsbekämpfung liert, setzt zuviel Vorwissen voraus und ist deswegen ren gegen die Werbung der Bundeswehr nach Solda- schätzen lernt«. ohne radikale Landreformen illusorisch ist. Doch ten bei den jugendlichen Erwerbslosen. Wer den Zustand seiner inneren Uhr im Spiegel ei- zu anspruchsvoll. Er erklärt zwar zentrale Begriffe wie auch den meisten Entwicklungshilfeorganisationen etwa instrumentelle Vernunft, autoritärer Charakter, Im Zentrum des Büchleins stehen die aktuellen Ak- nes Textes betrachten will, dem sei die Lektüre dieses gilt heute eine »funktionierende Marktwirtschaft« tionen »Zahltag«, »Keiner muss allein zum Amt« so- Büchleins empfohlen – Mann und Frau kann hören, Dialektik der Aufklärung oder das materialistische mit garantierten Eigentumsrechten als oberstes Ziel. Verständnis von Psychoanalyse – reduziert die Kriti- wie das Verlangen von Erwerbslosen, Organisationen, wie es in einem tickt. Sie versuchten, so Fritz, »das die Bodenkonzentration Parteien und Verbänden zu einem gesetzlichen Sank- Ulrich Berger sche Theorie aber auf Horkheimer und Adorno und schützende Privateigentum von einer Quelle des Kon- Adornos Differenzen mit Marcuse. Das Denken dieser flikts zu einem Instrument der Befriedung umzudeu- tionsmoratorium zum SGB II. Zum Schluss klärt Hol- Karlheinz A. Geißler: Lob der Pause. Warum unpro- drei wird ausführlich vorgestellt, andere wichtige Ak- ten«. Sein Fazit: »Wollte man Äcker und Weiden ernst- ger Marcks auf über die Machenschaften der SGB II- duktive Zeiten ein Gewinn sind, Oekom Verlag, Mün- teure, wie etwa Erich Fromm oder auch Franz Neu- haft schützen und zugleich gerecht nutzen, müsste Trägermafia, die die Erwerbslosen für Billigjobs zu- chen 2010, 8,95 EUR, 108 Seiten, ISBN-13: mann,immerhinder Verfasserdes»Behemoth«, kom- man sie in Gemeingüter verwandeln. Das wiederum richtet, sie knechtet und entrechtet. Das Büchlein ist 978-3-86581-200-1 würdigenswert, weil es für Einkommensarme Partei men kaum vor. würde eine gesellschaftliche Aneignung des Bodens Schwandt zeichnet die Entstehung der Frankfurter und eine demokratisch kontrollierte Bodenordnung ergreift, ihren politischen Widerstand thematisiert. Neue Zeitschrift »Respektive«: Schule infolge der Versteinerung des Marxismus nach erfordern.« Anne Allex und bietet dadurch in gewissem Sinne auch eine »Or- Bettina Dyttrich Aus: quer, 1/2010 An die Arbeit ganisationsgeschichte« mit den Etappen Gründung, Die neue Zeitschrift Respektive aus Zürich widmet Emigration, Rückkehr, Höhepunkt und – Habermas! Aus: WOZ vom 15.04.2010 Peter Nowak (HG): Erwerbslose in Hartz IV. Reihe unrast transparent, soziale krise, Unrast Verlag Mün- sich den Schnittstellen von Kunst, Kultur und Politik. – Verflachung und Ende. Diese ist aber orientiert an Thomas Fritz: Peak Soil. Die globale Jagd nach Land. Kunst und Politik sowie Ästhetik und Theorie werden denjenigen, die dann in der Nachkriegszeit am Frank- FDCL-Verlag, Berlin 2009,164 Seiten. 12 EUR ster, 1. Auflage 2009, 80 S., 7,80 EUR inRespektive nicht alszwei getrennte Bereiche angese- furter Institut für Sozialforschung wirkten. Das um- Das Buch ist erhältlich auf www.fdcl.org hen. Das »Zeitbuch« strukturiert sich deshalb nicht fangreichste Kapitel untersucht das Verhältnis »der« Neuer Selbstorganisations-Reader nach Ressorts, sondern entlang von Leitfragen thema- kritischen Theoretiker zur globalen Protestbewegung tisch. der 1960er Jahre und verdeutlicht an diesem Beispiel Gärten – Die Geschichte des Kultivierens der Erde »Selbstorganisierung ist der Ausgang des Menschen Die soeben erschienene erste Ausgabe wirft einen die verschiedenen Vorstellungen von »Praxis«. aus seiner selbstverschuldeten Fremdsteuerung«. So Wer sich über die Kritische Theorie informieren Orte der Verteidigung gegen die wilde Natur – als sol- beginnt der neue Reader des SeitenHieb-Verlages. genaueren Blick auf die Erscheinungsbilder und che haben Menschen von alters her Gärten und Städte Wahrnehmung von Arbeit heute. Ausgehend von ei- will, sollte zumindest noch »Die Frankfurter Schule« Und wie immer bei den Veröffentlichungen dieses von Rolf Wiggershaus und »Dialektische Phantasie« angelegt. Sie verbanden dabei ökonomischen Nutzen nicht-kommerziellen Bewegungsverlages ist der Nutz- nem marxistischen Arbeitsbegriff, den Anton M. Fi- auch mit ästhetischen Absichten. Heute ist die Erde scher in einem Aufsatz erörtert, wird Arbeit in einen von Martin Jay, die beiden Immer-Noch-Standardwer- wert für Menschen hoch, die sich engagieren oder un- ke lesen, die dann in der unter www.theorie.org erhält- weitgehend kultiviert und die Gebiete, die es nicht abhängiger leben wollen. Der Reader will praktische untrennbaren Zusammenhang mit den bestehenden sind, sind bekannt und vermessen. Der Mensch hat gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen und da- lichen kommentierten Literaturliste zum Buch an Tipps geben für ein Leben ohne oder mit wenig Geld – erster Stelle genannt werden. sich die äußere Natur angeeignet und damit haben vom Trampen über Containern bis zur gemeinsamen mit mit der Ausbeutung unter dem herrschenden Ka- sich auch die menschliche Natur und das gesellschaft- pitalverhältnis gebracht. Fragen an den gehypten Bernd Hüttner Nutzung von Geräten reichen die Kapitel des A4-Hef- liche Leben verwandelt. In dem Buch Gärten und Po- tes. Doch den AutorInnen kommt es nicht nur auf die französischen Philosophen Alain Badiou, der mit sei- Michael Schwandt: Kritische Theorie. Eine Einfüh- litik. Vom Kultivieren der Erde, schreiben ExpertIn- nem Traktat »L’hypothèse communiste« für Aufse- rung; Schmetterling Verlag 2009, 240 Seiten, 10 EUR praktische Seite an: Selbstorganisierung sei eine Ein- nen verschiedener Fachrichtungen darüber, wie der stellungssache und das wichtigste immer die aufmerk- hen gesorgt hat, bleiben unbeantwortet. Konkreter Mensch im Verlauf seiner Geschichte die Natur fassbar wird Arbeit in einem Interview mit einer mi- same Wahrnehmung des eigenen Lebens und des Ge- Peak Soil: Hol den Boden bei den Armen (um)gestaltet hat. Das komplett vierfarbige Buch be- schehens rundherum. Denn nur wer mitbekommt, grantischen Verkäuferin in einem kleinen Lädchen in schäftigt sich mit bisher kaum beachteten Dimensio- Zürich. Wie schwer es ist, sich gegen selbsttechnologi- was passiert, wo eingegriffen werden kann oder wo Auch wenn es gerne vergessen geht: KleinbäuerInnen nen von Gärten; es zeigt, wie der Mensch durch die Quellen zur materiellen Reproduktion liegen, kann scheKontrollformen zuwehren, zeigt eine »témoigna- machendie halbe Menschheit aus.Die meisten vonih- Kultivierung von Gärten sein Wunschbild der Welt ent- ge« über Arbeitsverhältnisse im kulturellen Sektor. auch aktiv handeln. Der Reader soll helfen beim Aus- nen arbeiten heute noch ohne Maschinen. Mit der zu- worfen hat. bruch aus dem Zwang, als toter Fisch im Strom mitzu- Das Feld der Kreativitätsindustrie ist extrem egofi- nehmenden Liberalisierung des Agrarhandels müs- Vom Bodenkundler bis zum Philosophen, vom xiert, und es ist – trotz branchenüblicher narzissti- schwimmen. Ziel ist eigenständiges Leben, aber auch sen sie direkt mit der industrialisierten Riesentrakto- Pflanzenzüchter bis zur Landschaftsarchitektin und mehr Unabhängigkeit, um politischen Widerstand scher Selbstbespiegelung – schwer, etwas aus den Kul- ren-Landwirtschaft konkurrieren – und haben keine zur Kunsthistorikerin – Praktiker und Wissenschaftle- turproduzentInnen rauszubekommen, was über de- schärfen zu können. Chance. Optimistische ZeitgenossInnen denken, das rinnen zeichnen ein vielfältiges Bild vom Garten: Ihre dipo ren Minimalhorizont hinausgeht. sei kein Problem: Die ehemaligen BäuerInnen könn- Blicke richten sich auf traditionelle Parks und städte- Caroline Kikitsch dagegen zeigt in ihrem Artikel tenja inder Industrieund imDienstleistungssektor Ar- bauliche Anlagen, vom Fürstengarten über den Revo- Seitenhieb Verlag. Reihe von Unten. Selbstorgani- »Freundschaftswerbung. Im Pitch um Anerken- beit finden. In Europa hat das schließlich auch funk- lutionsberg bis zum Volkspark, von der Gartenstadt sierung in Alltag und Politik. Geheftet, farbiger nung« die Schwierigkeit, Formen von Individualität tioniert. bis zur Stadtlandschaft. Klassische Kleingärten wie Umschlag, 56 Seiten, A4-Reader, Preis: 6 EUR jenseits kapitalistisch-prekarisierter Subjektivitäten Doch dass diese Entwicklung global möglich wäre, Haus-, Pacht- und Mietergärten werden ebenso be- www.seitenhieb.info 2010 JUNI KLEINANZEIGEN/MARKTPLATZ CONTRASTE SEITE 15

PROJEKTE KLEINANZEIGEN Selbstverwaltetes Wohnprojekt bei Bre- men, sucht Menschen mit Interesse an Ausfüllen: Den Text gut lesbar marken oder mit Bankeinzug. Im kollektivem, ökologischem Leben auf eintragen (38 Anschläge/Zeichen voraus muß allerdings immer das dem Lande. ergeben eine Satzzeile) Geld hier sein. Quittungen nur bei Kontakt: (0 42 04) 689 80 03 Kosten: Privat bis zu 5 Zeilen 5 EUR ausreichend frankiertem Rückumschlag. oder E-Mail: [email protected] (jede weitere Zeile 1 EUR) Aufträge ohne Geld & Absender Gewerblich bis zu 5 Zeilen 21 EUR landen ausnahmslos im Papierkorb! Linke Landkommune zwischen Bre- (jede weitere Zeile 2,6 EUR) Ausnahme: Bestellwert ab 26 EUR. men und Bremerhaven: wir wagen einen Wichtig: alle Preise Da gibt‘s nämlich ne Rechnung. Neustart und suchen dafür viele neue zzgl. 19% Mehrwertsteuer Termin: jeweils zum 15. des Monats MitkommunardInnen bzw. Interessier- Private Stellengesuche sind kostenlos! te, die das zumindest mal ausprobieren Chiffregebühren: 5 EUR Einsenden an: wollen. Wir sind politisch stark stadt- Bezahlt werden kann mit CONTRASTE e.V. orientiert (Bremen) und lieben das all- Scheck, Geldscheinen, mit Brief- Postfach 10 45 20, D-69035 Heidelberg tägliche Landleben – ein alter Resthof ist vorhanden. Viele unserer Arbeitsbereiche liegen gerade auf Eis, sind noch nicht fer- tig usw. Wenn ihr interessiert seid, mehr zu erfahren: Infos gibt’s unter (0 42 96) 74 82 25 [email protected] www.kommune-uthlede.org (ab demnächst)

BUNTE SEITEN

Nun auf CD-ROM Alternatives Adressbuch mit den Rubri- ken Anarchismus, Antifa/MigrantInnen/ SCHNIPSEL ✂ Flüchtlinge, Antimilitarismus, Archive, Infoläden, Kommunen, Kneipen und Kultur. Zusätzlich der »Reader der Alternativ- Medien« mit ca. 500 Anschriften alterna- tiver Medien aus der BRD und ca. 100 An- schriften aus der Schweiz (mit zahlrei- chen Zusatzinformationen). Auf der CD-ROM gibt es außerdem noch die CONTRASTE-Jahrgänge 2005 bis 2008 und die historischen ersten drei »Wandelsblatt«-Ausgaben aus dem Jahr 1984. Für CONTRASTE-AbonnentInnen undFördermitglieder25EUR, füralle An- deren 35 EUR zzgl. 3 EUR Versandkosten. Bestellungen: Zeitsprung Verlag, Postfach 10 45 20, 69035 Heidelberg E-Mail: [email protected] Info: www.contraste.org/archiv-cd.htm

IMPRESSUM

ne Dettloff, Trajanstr. 18, (02 21) 31 57 83, E-Mail: [email protected] / 60389 Frankfurt, Redaktion Rhein/Main, E-Mail: Monatszeitung für Selbstorganisation [email protected] / 69035 Heidelberg, erscheint 11mal im Jahr. Redaktion Heidelberg, Postfach 10 45 20, E-Mail: [email protected] / 69434 Hirschhorn, Redak- ISSN 0178-5737 tion Neckar/Odenwald, Stefan Riedel, Neckarstein- Herausgeber ist CONTRASTE, acher Str. 38x, (0 62 72) 36 48, Fax 35 59, E-Mail: Verein zur Förderung von Selbstverwaltung [email protected] / 71729 Erdmannhausen, und Ökologie e.V. Redaktion Stuttgart, Peter Streiff, Schulstr. 15/1, Postfach 10 45 20 (0 71 44) 33 22 56, E-Mail: peter.streiff@netz- 69035 Heidelberg bund.de / Österreich: A-9020 Klagenfurt, Hans Wieser, Ehrenhausenerstr. 4, (0043-46) 341 85 E-Mail: [email protected] 90, mobil: (0043-664) 643 84 37, E-Mail: vereinle- Internet: www.contraste.org [email protected] / Portugal: Dieter Poschen, Spendenkonto: Volksbank Darmstadt eG, (00351-289) 793 560, E-Mail: [email protected] BLZ 508 900 00, Kto-Nr. 51512405 Fachredaktionen : CONTRASTE wird von ca. 40 RedakteurInnen Genossenschaften: 79102 Freiburg, Burghard erstellt, die aus Überzeugung schreiben, ohne Flieger, Erwinstr. 29, (07 61) 70 90 23 · Fax 70 90 Bezahlung. Die Informationen und Artikel 84, E-Mail: [email protected] / Selbstor- fließen über die Regional- und Fachredaktio- ganisierte Lebensgemeinschaften: 13359 Berlin, nen zusammen. Endredaktion, Herstellung, Th.-D. Lehmann,Grüntaler Str.38,E-Mail: leh@zor- Vertrieb, und Anzeigenverwaltung erfolgt row.de und 27321 Thedinhausen, Uwe Ciesla, Fin- kenburg, E-Mail: [email protected] / Ver- über CONTRASTE in Heidelberg. Wir freuen kehr: Lothar Galow-Bergemann, (07 11) 560294, uns über weitere Mitwirkende. E-Mail: [email protected] / Subversi- Unser CONTRASTE-Selbstverständnis istnach- ve Klangwelten: Maurice Schuhmann, E-Mail: zulesen unter [email protected]. www.contraste.org/selbstverstaendnis.htm V.I.S.D.P.: Dieter Poschen, Über CONTRASTE e.V., Das Redaktions-Selbstverständnis ist nachzu- Postfach 10 45 20, 69035 Heidelberg. Für Beiträge, lesen unter die mit vollem Namen gekennzeichnet sind, über- www.contraste.org/redaktionsselbstverstaend- nimmt der/die Autor/in die Verantwortung. Eigenverlag; alle Nachdruckrechte bei CONTRASTE nis.htm e.V., Heidelberg CONTRASTE ist offen für Beiträge, Artikel, Be- Anzeigenverwaltung: Dieter Poschen, c/o richte usw. Redaktionsschluss ist jeweils der 1. CONTRASTE e.V., E-Mail: [email protected]; Zur des Monats vor dem Erscheinungsmonat. Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 7/09 www.contraste.org/Anzeigenpreisliste.pdf Redaktionen : Herstellung: 06420 Könnern, Redaktion Sachsen-Anhalt, Zündsatz GbR, Postfach 10 45 20, Richard Schmid, Bahnhofstr. 6, (03 46 91) 5 24 69035 Heidelberg; 35, E-Mail: [email protected], Internet: Bildredaktion: Ute Berthold, c/o Zündsatz GbR www.attac.de/ koennern/villa / 10961 Berlin, Druck: Caro-Druck, Kasseler Str. 1A, 60486 Ffm Redaktion Berlin, Ricarda Buch, Mehringdamm E-Mail: 69, (0 30) 612 38 27, E-Mail: info@ricarda- [email protected] buch.de, Internet: www. ricardabuch.de und Elisa- beth Voß, (0 30) 216 91 05, E-Mail: post@elisa- Internet: beth-voss.de / 18569 Gingst/ Westrügen, Redak- www.contraste.org tion Rügen/MV, Andreas Küstermann, Teschvitz 4, (03 83 05) 6 00 13, Fax 6 00 14, E-Mail: kuema- Zusätzlich gibt es eine Mailingliste. An-/ [email protected], Internet: Abmeldung und weitere Informationen www.presse-verlag-ostseh.de / 22769 Hamburg, unter: Redaktion Hamburg, Hilmar Kunath, Karl-Theo- dor-Str. 16 (0 40) 39 90 41 96, E-Mail: hilmarku- http://de.groups.yahoo.com/ group/ [email protected] / 28201 Bremen, Redaktion contraste-list Bremen, Bernd Hüttner, Yorckstr. 37, E-Mail: bhuett- [email protected] / 37085 Göttingen, Redaktion Göttingen, Kai Böhne, Wilamowitzweg 3, (05 51) Vertrieb: 488 62 27 / 51063 Köln, Redaktion Köln/ Bonn, (06221) 16 24 67 Heinz Weinhausen, Düsseldorfer Str. 74, (01 70) 583 89 00, (02 21) 640 52 45, Fax 640 31 98, E-Mail: Endredaktion: [email protected] und 50678 Köln, Aria- [email protected] 16 SEITE CONTRASTE TAGUNGEN / SEMINARE / TREFFEN JUNI 2010

Unfällen weiter erhöht. Daneben bedeu- Termin: 25.7.-1.8.2010 lung des Programms verantwortlich. Montag gegen Hartz IV. Den meisten Pro- Grunde verschiedene Crashkurse aufein- KOMMUNIKATION tet der Einsatz der Herrschaftstechnolo- Ort: Burg Lutter Termin: 1.-21.8.2010 in Wiesenburg/ testlerInnen in Deutschland ist dabei ei- ander auf: zu Michel Foucaults Ansatz gie Atomkraft auch Etablierung und Aus- Info: www.wer-lebt-mit-wem.de Mark (Fläming) nes gemein: Sie haben nicht etwa Eman- der Gouvernementalität, zur Hegemonie- Gewaltfreie Kommunikation bau einer Logik, die militärische Siche- www.burg-lutter.de Info: www.ecotopia2010.org zipation, sondern das nationale Gemein- theorie Antonio Gramscis, zum Post- In angespannten Konfliktsituationen rung, polizeistaatliche Bekämpfung von wohl im Sinn. Deutsche Gewerkschaften strukturalismus von Jacques Derrida konstruktiv im Gespräch zu bleiben und Protesten und eine extreme Einschrän- Was ist Ecotopia? Antinationales Sommercamp hoch 3 kämpfen für deutsche Standorte, und dem Postmarxismus von Ernesto La- aufrichtig und gelassen zu reagieren, ist kung der Selbstbestimmungsmöglichkei- Ecotopia war ein internationales Tref- Statt schon wieder dieses fürchterliche HartzIV-ProtestlerInnen wünschen sich clau & Chantal Mouffe sowie zum Postfe- für viele Menschen ein wichtiges Ziel. ten der betroffenen Menschen notwendig fen Jugendlicher aus ganz Europa, die »Sommermärchen«: unter »Wir sind das Volk«-Rufenganz ro- minismus von Judith Butler und dem Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) – mit sich bringt. an Fragen zur Umwelt und sozialer Ge- Ferien von Deutschland machen. mantisch den guten alten Sozialstaat zu- Postkolonialismus von Gayatri C. Spi- entwickelt von Marshall Rosenberg – ist Dagegen wir die Baltic Sea Tour Stellung rechtigkeit interessiert waren. Ecotopia Und das wird es geben: rück. Gleichzeitig stimmen alle gemein- vak. Mein Ansatz der subjektfundierten ein sehr wirksamer Ansatz, genau dies zu beziehen. Einige Stationen der Reise wer- gab es seit dem Sommer 1989 und jedes Eine Woche lang Sonne und Theorie, sam mit der Regierung darin überein, Hegemonietheorie ergibt sich daraus so lernen. Sie fördert und entwickelt Fähigkei- den sein: Helsinki 30. Juni, St. Petersburg Jahr findet es in einem anderen Land Sommer und Diskussion, Freibad und Ar- dass »alle den Gürtel enger schnallen gut wie von selbst. Grundgedanke ist, ten und Haltungen, die es ermöglichen: 6. Juli, Riga 11. Juli, Greifswald 26. Juli, statt. Bis jetzt wurde es von der EYFA orga- gumente. Täglich werden zweimal zu müssen«? – für Deutschland. dass Identitäten im Streben nach Hege- potenzielle Konflikte in friedliche Ge- Kopenhagen 30. Juli und Stockholm 9. nisiert (European Youth for Action) und vernünftigen Zeiten drei bis vier paralle- Wie sieht eine deutschlandspezifische monie und Emanzipation (re-)konstru- spräche umzuwandeln; August. von einer lokalen Basisorganisation , die le Workshops angeboten, die wie im ech- Kritik an Nation aus, die insbesondere ei- iert werden. sich über Interessen und Bedürfnisse Den vollständigenTourfahrplanund wei- für eine Umweltorganisation als Gastor- ten Leben in Konkurrenz stehen zu Sau- ner kapitalismuskritischen Perspektive Es soll aber auch Raum sein für das ge- auszutauschen, ohne Abwehr und tere Informationen gibt es online unter: ganisator tätig war. Nach 20 Jahren Orga- na, Schwimmen, Schlafen, Spaziergän- Rechnung trägt? meinsame Andenken, was aus all dem Feindseligkeiten; http://baltic-tour.nuclear-heritage.net nisationsarbeit für Ecotopia hat die EYFA gen, Kickern, Karaoke und Lagerfeuerro- Vortrag in Berlin sich für das eigene Denken, Forschen Kritik so zu äußern, dass sie nicht Anmeldung bis Anfang Juni: nun entschieden,dass esmal Zeitwird, et- mantik (letzteres sehr umstritten). Termin: 22.6.2010, 19.30 Uhr und Handeln ergibt. Und dafür, wie diese verletzt; [email protected] was anderes auszuprobieren. Termin: 28.7.-4.8.2010 Welt besser werden kann.« Beziehungen zu gestalten, die auf Eine Gruppe ehemaliger (lokale und/ Info: »Zionismus gleich Rassismus« Termin: 1.-6.8.2010 Verständnis und Wertschätzung be- oder internationale) Ecotopia-Organisa- www.junge-linke.org/de/ Antizionismus ist also gleich Wernsdorf bei Berlin ruhen; FRAUEN toren und Teilnehmer aus den letzten 20 antinationales-sommercamp-hoch-3 Antirassismus? Kontakt & Anmeldung: Lösungen zu finden, bei denen mög- Jahren, sowie Menschen, die durch die Gegen Juden richte sich ihre Kritik an Is- [email protected] lichst die Bedürfnisse aller berück- Sind Frauen das Geschichten (und Gerüchte) von ehema- rael nicht, betonen Antizionisten. Es sei sichtigt werden. friedlichere Geschlecht? ligen Ecotopia-Teilnehmern in der Re- JUNGE LINKE einfach ein Staat, dermilitant und mäch- MEDIEN In der Kommune Niederkaufungen gibt »Der Mann soll zum Kriege erzogen wer- gion Fläming (ca. 80 km südwestlich tig gegen seine Gegner vorgehe, rassi- es ein eigenes Kollektiv, das ganz ver- den und das Weib zur Erholung des Krie- von Berlin) kamen, beschlossen im Janu- Sozialstaat stisch mit allen Nicht-Juden verfahre schiedene Veranstaltungen zur Gewalt- gers: alles andere ist Torheit« (Friedrich ar 2008 diese Tradition, obwohl ein biss- Tagesseminar und obendrein noch beste Beziehungen Wirksame Presse- und Medienarbeit freien Kommunikation anbietet: Einfüh- Nietzsche). Dahinter steht eine Vorstel- chen verändert, weiterzuführen und fin- Man muss kein Linker sein, um dem Ka- zum Imperialisten USA unterhalte. Und für Kulturveranstalter rungs- und Vertiefungsseminare, Bil- lung von Weiblichkeit und Männlich- gen an mit der Planung von Ecotopia? pitalismus oder modern – der sozialen so richtig passe das kolonialistische und Presse- und Medienarbeit gezielt für die dungsurlaube, Jahrestrainings, Tagun- keit, die Teil der Kriegslogik ist. Wir wol- für das Jahr 2010 in ihrer Region. Ecoto- Marktwirtschaft – ein Armutszeugnis künstliche Gebilde auch nicht in die ara- eigenen Veranstaltungen einsetzen, dar- gen, Beratung und Mediation. len den Männlichkeits- und Weiblich- pia? ist fast das gleiche wie Ecotopia, nur auszustellen: Die Rente ist nicht sicher, bische Umgebung im Vorderorient. um geht es in diesem Zweitages-Seminar. Die meisten davon finden in unserem Ta- keitskonstruktionen in Friedens- und dases nichtmehr nur aufJugendliche ab- Arbeitslosigkeit und Niedriglohnsektor Mit dieser Ansicht fühlen sich Antizioni- Termin: 24.-25.6.2010, Reutlingen gungshaus statt, wir kommen aber auch Kriegszeiten, von der Zeit des Nationalso- zielt, sondern auf alle Generationen. gehören zum Kapitalismus nunmal sten ganz schön im Recht. Diese Kritiken Info: mit unseren Angeboten zu Euch. zialismus bis heute, nachgehen. Ecotopia? wird ein Platz für das Lernen; dazu und in Fragen der Gesundheit wird an Israel offenbaren eine beachtliche www.reifsteck-Literaturbuero.de Die nächsten Termine hier bei uns sind: Wir arbeiten vormittags und wandern den Austausch von Erfahrungen und der alternativ zum Arztbesuch geraten, sich Ignoranz gegenüber den Fakten: Israel 9.-13.6.: GFK als kreativer Prozess nachmittags, Filme bereichern das Pro- Verbreitung vonInformationenüber öko- mit den medizinischen Mitteln der Ur- kommt in der Tat nicht ohne Rassismus 18.-20.6.: Einführungsseminar gramm. logische, soziale, politische und andere großmutter zu begnügen. aus, aber das unterscheidet diesen Staat BERLIN Weitere Infos auf unserer Homepage: Mit Gisela Notz und Monika Jarosch Fragen werden. Ein großer Freiraum Vom politischen Mainstream sind solche nicht von seinen westlichen Partnern. www.gewaltfrei-niederkaufungen.de Termin: 14. bis 21.8.2010 (open space) für workshops, Schulun- Aussagen natürlich nicht als Gesell- Die Kriege, die es führt, waren auch nur Die Hog Farm Kommune Ort: Stiftung Salecina (Majola Schweiz) gen, Vorträge, Video, Theater, Musik, Me- schaftskritik gemeint, sondern als Auffor- »durchschnittlich martialisch« und es Eine hierzulande fast vergessene Keim- Information: [email protected] ditationen und alles, was mit dem The- derung, sich an die bleibende Armut zu bemüht sich ebenso wie seine arabi- zelle der Hippie-Subkultur in den USA ANTI-AKW ma »Ökologie« im weitesten Sinne ver- gewöhnen. Irgendwie soll es Armut in schen Nachbarn um eine ordentliche der 60er Jahre bunden ist... (z.B. Klimawandel, Verkehr Stellung in der Staatenkonkurrenz. SOMMERCAMPS der BRD dann aber wiederum gar nicht Nachdem 2009 mit dem vierzigsten Jubi- Baltic Sea Anti-AKW-Tour und Mobilität, GMO’s, Bio-Lebensmitt- geben, weil es ja den Sozialstaat gibt. Wenn es eine Besonderheit gibt, dann läum von Woodstock dem Ende der Hip- Vom 22. Juni bis 21. August 2010 wer- tel, Öko-Bau und -Wirtschaftssystem; Auf dem Seminar wollen wir rund um die, dass seine jüdischen Bewohner wie pie-Ära auch offiziell mit allergrößter den Anti-Atom-AktivistInnen aus zehn Anarchafeministisches Sommercamp Strategien für Maßnahmen; Austausch das Thema Armut folgende Fragen stel- überall auf der Welt einer besonderen ras- Aufmerksamkeit gedacht wurde, wollen Ländern rund um die Ostsee fahren und Seit nunmehr15 Jahren treffen sich Frau- von Erfahrungen mit Kampagnen, alter- len: Warum braucht es einen Sozial- sistischen Verfolgung ausgesetzt sind: wir uns im Jahr 2010 mit einem ihrer Ur- an 13 Stationen halt machen, um über en zweimal im Jahr zu einer anarchafe- nativen Medien; Migration, Rassismus staat? Wobei hilft der Sozialstaat und der des Antisemitismus. Wie dieser Antise- sprünge beschäftigen. die Gefahren der Atomkraft zu informie- ministischen Diskussionsrunde. Um un- und Fremdenfeindlichkeit, kulturelle wozu reicht diese Hilfe? Warum geraten mitismus wiederum bei Antizionisten Die Hog Farm (mit ihrem Spiritus Rec- ren. Dazu wird es neben Info-Veranstal- seren Kreis wieder zu vergrößern und Aspekte und vieles mehr...) seine Leistungen immer wieder in das auftaucht und warum für Linke über- tor, dem Clown Wavy Gravy), die damals tungen auch Aktionen an allen Orten ge- uns mit anderen zu vernetzen, bieten wir Ecotopia? wird natürlich auch ein funk- Zentrum politischer Debatten (Hänge- haupt ein ganz bestimmtes Land am Mit- eine der bekanntesten Großkommunen ben. Ein weiterer Schwerpunkt der Tour in diesem Jahr ein Frauencamp an. tionsfähiges Modell einer sich selbst tra- matte, Faulenzer)? Wie wird der Sozial- telmeer so hoch auf der Agenda steht, in den USA war, gilt auch als eine der wird die Zusammenarbeit mit lokalen Termin: 22. bis 25. Juli 2010 (Do-So) bei genden Gemeinschaft, die in der Praxis staat zum Mittel für die Standortpolitik? dazu mehr auf diesem Seminar. Keimzellen der Hippie-Bewegung. In ih- Gruppen vor Ort sein. Alsfeld/Hessen Grundsätze eines umweltfreundlichen Woran merkt die Politik, dass sie bei der Tagesseminar in Hannover rem Konvoi bunt bemalter, ausrangier- Die Ostsee ist offiziellen Informationen Anmeldung bis 1. Juli 2010 und Info Lebensstils umsetzt: Abfallrecycling, ve- Leistungskürzung übertrieben hat? Ist Termin: 26.6.2010 ter alter Linienbusse fuhren ihre Mitglie- zufolge der am stärksten radioaktiv bela- über [email protected] getarische Küche, Konsens-Entschei- der Sozialstaat schon was Gutes, weil er Information & Anmeldung: der kreuz und quer durchs Land. Dabei stete Wasserkörper der Welt. Wichtigste sowie unter www.anarchismus.de dungsfindung, die Nutzung alternativer einst erkämpft wurde? Ist das politische [email protected] verstanden sie diese Touren nicht nur als Verschmutzer sind der Tschernobyl-Fall- Energie... (wie das Wort ECO(logische) Sozialprogramm der Linkspartei wirk- www.junge-linke.org »Werbekampagne« für ihren alternati- out, die Emissionen der WAA Sellafield Wer lebt mit wem, warum und wie? (u)TOPIA bereits enthält). Das (?) sym- lich so anders als das der Regierung? ven Lebensstil, sondern sahen gleichzei- und die AKWs in Schweden, Finnland Herrschaftskritisches Sommercamp zu bolisiert die Tatsache, dass niemand die Termine: 19.6.2010, Bremen, tig darin auch einen spirituell-psychede- SOMMERUNIS und Russland. In Schweden, Finnland, den Themen Solidarität und Verantwor- Antwort hat. Auch unsere Versuche sind 10.7.2010, Berlin lischen Trip, bei dem man nicht nur Belarus und Russland sollen neue AKWs tung, Familie und (Anti)Kapitalismus, sicher nicht die letzte »Lösung«. Land und Leute kennenlernte, sondern gebaut werden, Finnland und Schweden Elternschaft und Szene, Dekonstruktion Ecotopia? ist horizontal und Selbstorga- Standort, Standort, Standort »kritik – macht – handlungsfähigkeit« sich auch selbst fand. Der Vortrag ver- wollen in ihren Ländern Uran abbauen der bürgerlichen heteronormativen nisiert; jeder/jede ist eingeladen sich ab Antinationalismus 7. Ferienuni Kritische Psychologie sucht, diese ausgeflippte Zeit der späten und unter der Ostsee Atommüll-Endla- Kleinfamilie, Aufstand, Abschaffung von sofort zu allen Problemlösungen und & Kapitalismuskritik Ferienuniversität Kritische Psychologie 60er Jahre, in denen der Traum eines gererrichten. Dadurch wirddie radioakti- Erziehung, sozialrevolutionäre / anar- Entscheidungsfindungen zu beteiligen. Der heutige Kapitalismus ist global. Dass bedeutet 5 Tage Ferien, um sich Zeit für von allen Zwängen befreiten Lebens gera- ve Kontamination und das Risiko von chistische Umwälzung. Gleichzeitig ist jeder/jede für die Erstel- Unternehmen immer mehr über natio- die wichtigen Dinge im Leben zu neh- dezu greifbar nahe erschien, nochmals nale Grenzen hinweg agieren, lässt eini- men: Nachdenken, Diskutieren, Lesen, Revue passieren zu lassen. ge zu der These verleiten, dass die Natio- Streiten für ein besseres Leben und Aus- Termin: 25.6.2010, 19 Uhr nalstaaten immer weniger eine Rolle im spannen. Bibliothek der Freien globalen Weltmarkt spielen und somit Wir wollen Entwicklungsmöglichkeiten Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin auch Nationalismus eine überholte Ideo- und -behinderungen von Menschen im logie sei. Dabei wird übersehen, dass Na- Zusammenhang mit gesellschaftlichen Berlin fährt frei! tionalstaaten aber die Instanz sind, die Verhältnissen analysieren und die Über- Kampagne für einen ÖPNV in Berlin Ich/Wir abonniere/n CONTRASTE zum fortlaufenden Bezug die Ausgangsbedingungen für die kapita- windbarkeit von Beschränkungen denk- zum Nulltarif JETZT ABONNIEREN: zum jährlichen Bezugspreis von 45EUR/europ. Ausl. 51 EUR listische Ordnung herstellen: Sie garan- bar machen. Perspektive ist »alle Verhält- Berlin soll die erste Großstadt werden, in (incl. Versand). Das Abonnement verlängert sich automatisch um weitere 12 Monate, wenn es nicht mindestens 3 Wochen vor Ablauf tieren Privateigentum, legen Minimalbe- nisse umzuwerfen, in denen der Mensch der alle Bürgerinnen und Bürger schriftlich gekündigt wird. dingungen zum Überleben der Arbeite- ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein S-Bahn, U-Bahn, Busse und Tram ohne Fahrschein nutzen können. Damit ver- Name: rInnen fest und kümmern sich um nicht verlassenes, ein verächtliches Wesen ist« profitable Infrastruktur. Auf die eine (Marx). knüpfen wir das Engagement für soziale oder andere Weise ringen sie also unter- Termin: 24.-28.8.2010, FU Berlin Gerechtigkeit, Klimaschutz und Lebens- PLZ, Ort, Straße: einander um die günstigsten Standortbe- Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung qualität in der Stadt: Mobilität ist ein so- dingungen für das Kapital, um mög- ab April 2010 unter www.ferienuni.de. ziales Recht, das allen einkommensun- lichst viel vom weltweiten Reichtum ab- abhängig zustehen muss. Berlin kann Gruppe/Betrieb/Beruf: zusahnen. seinen versprochenen Beitrag zum Kli- Offene Sommeruni maschutz nur leisten, wenn viele Auto- In Deutschland regt sich dagegen mit Friederike Habermann: fahrer auf den ÖPNV umsteigen. Und Datum: Unterschrift: manchmal Widerstand: Mal rufen die Ge- »Die Zeiten sind vorbei, in denen Sexis- »ÖPNV zum Nulltarif« heißt weniger werkschaften zu einem kleinen Streik mus und Rassismus in linken Büchern Lärm, bessere Luft und Rückgewinnung auf, mal demonstrieren Menschen jeden Zahlungsweise (zutreffendes bitte ankreuzen) aus Deutschland keine Erwähnung fan- der Straßen als Lebensraum. Das alles ist Einzugsermächtigung: Ich erkläre mich damit einverstanden, daß die Abonnementgebühren den. Auch bei weißen männlichen Theo- nicht utopisch, sondern der einzige Weg von meinem Konto abgebucht werden. SCHNUPPERABO retikern finden sich heute in der Regel zu einer wirklich zukunftsweisenden so- ein bis mehrere Absätze, sogar nicht sel- zialen und ökologischen Verkehrspolitik. Kontoinhaber: ten ein ganzes Kapitel zu »gender« und Deshalb rufen wir auf zu einem breiten CONTRASTE zum Kennenlernen? ganz manchmal auch ein entsprechen- Gegen 5 EUR in Briefmarken/ Bündnis von Bürgerinitiativen, Umwelt- Geldinstitut: des zu »race«. Trotz aller Abgrenzungen verbänden, Erwerbsloseninitiativen, Ge- Schein (BRD) oder 10 EUR im eu- zum Hauptwiderspruch erstaunt dann je- ropäischen Ausland bekommt ihr werkschaften, Flüchtlingsinitiativen, Be- doch, dass alles, was in diesen Abschnit- hindertengruppen, Obdachloseninitiati- Konto-Nr.: BLZ: CONTRASTE drei Monate frei ten erwähnt und darin in seiner Wichtig- Haus. Das Schnupperabo ist befris- ven ... für einen ÖPNVin Berlinzum Null- keit noch einmal herausgestellt wird, in tarif. tet und läuft automatisch aus. Also, der Analyse der die Gesellschaft vorantrei- Diese Einzugsermächtigung wird ungültig, wenn ich sie schriftlich widerrufe. das Geld mit eurer Anschrift und Infoveranstaltung am 16.6.2010, benden Kräfte plötzlich fehlt – so als sei 19.30 Uhr, Kinzigstr. 9 (Hinterhaus) Datum: Unterschrift: dem Vermerk »Schnupperabo« an alle wirkliche Geschichte nach wie vor nebenstehende Vertriebsanschrift nur jene von Klassenkämpfen. Was aber Hanfparade 2010 Gegen Rechnung. Ich zahle sofort nach Erhalt der Rechnung. Bitte keine Vorauszahlung auf unser Konto ! kann es heißen, Queerfeminismus, post- Am Samstag, den 7. August 2010, wird koloniale Ansätze und Marxismus zu- in Berlin die Hanfparade 2010 unter dem Zum Verbleib bei der/dem sammenzudenken? BestellerIn Motto » ist (Welt) Kultur« statt- Diese Bestellung kann innerhalb von 7 Tagen schriftlich widerrufen werden. Ich habe am ...... die Zeitung Letztlich sind alle Herrschaftsverhältnis- finden. Die traditionsreiche Demonstra- Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs an CONTRASTE-Vertrieb, CONTRASTE zum jährlichen Bezugs- se miteinander verwoben – und es geht tion will das Wissen um die Kulturpflan- Postfach 10 45 20, 69035 Heidelberg. Davon habe ich Kenntnis genommen. preis von 45/51 Euro abonniert. Ich darum, sie alle umzuwerfen. Dies ist der ze Hanf und ihre Nutzung als Rohstoff, Datum: Unterschrift: weiß, dass ich das Abonnement innerh. Ausgangspunkt meiner subjektfundier- Genussmittel und Medizin wieder in den von 7 Tagen schriftl. widerrufen kann. ten Hegemonietheorie, welche ich in der Mittelpunkt der politischen Diskussion Dazu genügt eine Postkarte an: Offenen Sommeruni vorstellen und dis- stellen. Coupon ausgefüllt an CONTRASTE-Vertrieb, Postfach 10 45 20, 69035 Heidelberg, einsenden. CONTRASTE-Vertrieb, Postfach kutieren möchte. Um diesen zu verste- Treffpunkt: 13 Uhr zwischen Fernseh- 10 45 20, 69035 Heidelberg hen, sind eine Reihe von Theorien zen- turm und Bhf. tral. Darum bauen in dieser Woche im www.hanfparade.de