Die Verarbeitung Der Pygmaliongeschichte in Agnes Und Ruby Sparks
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Die Verarbeitung der Pygmaliongeschichte in Agnes und Ruby Sparks Begleiter: Elke Huwiler Zweitbegleiter: Anna Seidl Datum afgifte: 19.06.2015 Datum mondeling examen: 23.06.2015 Inhaltsangabe Einleitung 2 Zusammenfassung Agnes und Ruby Sparks 6 Pygmalion in der Antike 8 Der Pygmalionstoff im Mittelalter 14 Der Pygmalionstoff vom 16. - 19. Jahrhundert 19 Der Pygmalionstoff im 20. und 21. Jahrhundert 23 Der Pygmalionstoff in Agnes 26 Der Pygmalionstoff in Ruby Sparks 33 Abschließende Analyse von Agnes und Ruby Sparks 40 Fazit und Ausblick 44 Literaturliste 47 Erklärung 49 Einleitung Wer heutzutage Filme oder Dramen sieht, hat die Chance, eine Verarbeitung früherer Auflagen zu sehen. Es existiert Intertextualität zwischen Werken, was in diesem Fall heißt, dass die neueren Texte sich auf die älteren beziehen. Es gibt beispielsweise viele, fast unzählbare Überarbeitungen von Shakespeare-Stücken: Amerikanische Filme wie 10 Things I Hate About You und She´s the Man sind nur einige davon. Auch aus der Antike kommen viele solcher Geschichten, die in späteren Zeiten zu neuen Stücken verarbeitet worden sind. Homers Odyssee ist davon nur ein Beispiel.1 Auch Ovids Metamorphosen wird oft verwendet. Einer William Shakespeares Grundlagen für sein Romeo and Juliet war zum Beispiel die Geschichte von Pyramus und Thisbe. Auch eine weitere Geschichte aus Ovids Metamorphosen, das Stück Pygmalion, findet sich in vielen Werken wieder. In Ovids Pygmalion erschafft der zypriotische Pygmalion eine Statue einer Frau aus Elfenbein. Er hasst die Propoetiden, Frauen, die Venus' Göttlichkeit verweigerten und danach zu Prostituierten wurden, und formt deshalb eine Statue die perfekter ist als eine wirkliche Frau. Die Statue ist sehr schön und sieht realistisch aus. Sie ist so schön, dass Pygmalion sich in sie verliebt, obwohl er wegen seiner Erfahrungen mit den Propoetiden eigentlich keine Frauen mag. Er kleidet die Statue und gibt ihr Geschenke. Bei einem Opfer an Venus wünscht er sich eine Braut, die der Statue ähneln soll. Er traut sich nicht nach dem zu fragen, was er wirklich wünscht: dass die Statue selbst lebendig wird. Als er wieder zuhause ist, bemerkt er, dass seine Statue lebendig geworden ist und Venus seinen wirklichen Wunsch beantwortet hat. Er heiratet danach die Statue und bekommt ein Kind mit ihr, das Paphos heißt. Galatea, Pygmalions Braut2, könnte eine geformte Frau genannt werden. Pygmalion hat sie selbst geschaffen, sie ist so wie er sie erdacht hat. Dieses Motiv, das der geformten Geliebten oder der geformten Frau, wird danach noch oft verwendet. Nach Dörrie sind Gegenstände mythischer Erzählung, wie der trojanische Krieg, aber auch Pygmalion, selbst in 3000 Jahren fast unverändert geblieben, aber ihre Deutung hat sich oft verändert, meist in exemplarischer Weise.3 So auch Pygmalions Geschichte, die im Laufe der Jahrhunderte noch häufig in anderen Werken wieder aufgenommen wurde. Rousseaus Verarbeitung der Pygmaliongeschichte ist eines dieser weit bekannten Werke. In dieser Version macht Pygmalion Galatea selbst lebendig, ohne Hilfe von Aphrodite oder 1 Frank Groothofs De Thuiskomst van Odysseus aus 1996 ist davon ein Beispiel. 2 Die Staue wird bei Ovid noch nicht Galatea genannt, diese Name bekommt die Statue erst später bei Rousseau. In dieser Arbeit wird deswegen nur ab Rousseau dieser Name für die Statue benutzt. 3 Heinrich Dörrie: Pygmalion. Ein Impuls Ovids und seine Wirkungen bis in die Gegenwart. Hrsg. von der Rheinisch- Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Westdeutscher Verlag:Opladen 1974, S. 8. 2 Venus wie es bei Ovid geschah. George Bernhard Shaws Pygmalion geht auch zurück auf Ovid: Der Sprachwissenschaftler Henry Higgins möchte das arme, ungebildete Blumenmädchen Eliza Doolittle aufgrund einer Wette so unterrichten, dass sie für eine Herzogin gehalten werden könnte. So formt auch er eine Frau. Das Motiv ist noch immer aktuell und ist also auch in gegenwärtigen Werke wiederzufinden. In dieser Arbeit wird unter die Lupe genommen, inwiefern zwei gegenwärtige Werke, der Film Ruby Sparks (2012) und Peter Stamms Roman Agnes (1998), als Verarbeitung der Pygmaliongeschichte betrachtet werden können. In Agnes wird das Leben einer jungen Frau teils bestimmt vom Ich-Erzähler: Agnes bittet den Ich- Erzähler, eine Geschichte über sie zu schreiben, und verhält sich danach immer mehr wie vorgeschrieben durch die Geschichte. In Ruby Sparks findet der junge Autor Calvin Weir-Fields eines Tages plötzlich ein Mädchen in seiner Küche, das er selbst geschrieben hat. Sie brät Eier und hat keine Ahnung davon, dass sie aus seiner Geschichte stammt. Seine fiktive Freundin ist Wirklichkeit geworden. Diese Arbeit untersucht die zwei gegenwärtigen Werke als Überarbeitungen der Pygmaliongeschichte. Es ist also eine Untersuchung nach Intertextualität. In dieser Arbeit wird aber nicht nur auf die ursprüngliche Ovid-Fabel fokussiert, um die Intertextualität zu untersuchen. Nach Essaka Joshua basieren Adaptationen der Pygmaliongeschichte oft auf jüngeren Versionen des Mythos und nicht ausschließlich auf Ovid.4 Wenn eine Interpretation dieser Werke nur auf Ovid basiert wäre, blieben andere Werke unbeleuchtet, obwohl sie zur Pygmaliongeschichte gehören. Das Motiv, eine schon lebendige Frau durch Bildung weiter zu formen, anstatt eine Statue lebendig zu wünschen, gehört beispielsweise bereits zur Pygmaliongeschichte, auch wenn dieses Motiv bei Ovid nicht anwesend war. Deswegen ist es wichtig, sich nicht nur auf Ovid zu konzentrieren, und werden mehrere Versionen beleuchtet. Um untersuchen zu können, inwiefern die zwei gegenwärtige Werke die Pygmaliongeschichte verarbeiten, wird deswegen auch in Betracht gezogen, wie der Pygmalionstoff bisher literarisch verarbeitet worden ist. Im zweiten Teil des von Jean de Meun geschriebenen Rosenromans, einer mittelalterlichen Geschichte, findet sich die Pygmaliongeschichte beispielsweise auch wieder. Teils laüft die Geschichte parallel an Ovids Erzählung aus den Metamorphosen. Jean de Meuns Pygmaliongeschichte ist länger als das 59 Strophen zählende Werk von Ovid und stellt Pygmalion als talentierten Künstler dar. Ovid stellt ihn nur als zypriotischer Mann vor, der eine Statue 4 Essaka Joshua: Pygmalion and Galatea: the history of a narrative in English Literature. Aldershot: Ashgate 2001, S. xix. 3 macht und dessen Beruf nicht erwähnt wird. Doch der Meun'sche Pygmalion könnte auch eine wichtige Vorlage für Agnes und Ruby Sparks sein. Eventuelle Abweichungen dieser späteren Werken vom Ovidstoffes gehören also schon auch zur Pygmaliongeschichte. Ein weiteres Beispiel hiervon könnte sein, dass Shaws Eliza Doolittle, im Gegensatz zu Pygmalions Statue, einen eigenen Willen hat und nicht nur dem von Higgins folgt. Dies spiegelt sich in Ruby Sparks wider, die zwar von Calvin geschöpft ist, jedoch selbst bestimmen will, was sie macht. Die zwei gegenwärtige Werken sollten also auch danach beurteilt werden, ob sie mit weiteren literarischen Werken im Pygmalionkontext übereinstimmen oder ob sie davon abweichen. Danach kann untersucht werden, was sie damit bewirken. In dieser Arbeit wird pro Zeitalter erwähnt, wie die Pygmaliongeschichte sich entwickelt hat, und werden die gegenwärtigen Werke der Pygmaliongeschichte, mit Bezug auf diese Entwicklungen, in Verbindung gebracht. Anschließend werden die zwei Werke selbst untersucht und ihre Wirkung im Pygmalion-Kontext betrachtet. Die Forschungsfrage ist also zweifach: Inwiefern können Ruby Sparks und Agnes als gegenwärtige Verarbeitungen der Pygmaliongeschichte, einschließlich der Entwicklungen im Werk, gesehen werden? Was bewirken die Verarbeitungen in Ruby Sparks und Agnes als neuere Werke im Pygmalion-Kontext? Pro Werk werden einige wichtige Passagen ausgearbeitet. Anhand dieser Passagen werden Ruby Sparks und Agnes im Kontext des Pygmalionstoffes betrachtet. Der Pygmalion-Kontext kann expliziter oder eher implizit im Text anwesend sein. Die Untersuchung hat deswegen einen intertextuellen Charakter. Intertextualität ist kein festes System mit nur einer Definition. Es gibt mehrere Ansätze für Intertextualität. Einer davon ist der des Bakhtin, der das Konzept von Dialogizität gegenüber Monologizität in Texten hervorhob, aber dabei vor allem auf intratextuelle, nicht auf intertextuelle Bezüge fokussierte. Julia Kristeva hat den wirklichen Begriff der Intertextualität geprägt. Sie definiert Intertextualität wie folgt: Wir nennen jene textuelle Inter-Aktion INTERTEXTUALITÄT, die sich im Innern eines einzelnen Textes produziert. (…) Intertextualität [ist] eine Annahme die angibt, in welchem 5 Maße ein Text die Geschichte liest und sich in ihr einschreibt. 5 Julia Kristeva: Probleme der Textstrukturation. In: Ihwe, Jens (Hrsg.): Literaturwissenschaft und Linguistik II, Frankfurt am Main 1971, S. 500. 4 Dieser Theorie zufolge ist aber kein Text nicht intertextuell. Der Begriff ¨Intertextualität¨ wurde danach mehr als ¨systematische[r] Oberbegriff für die verschiedenen Formen konkreter Bezüge zwischen Einzeltexten¨ benutzt.6 Es wird davon ausgegangen, dass jeder Text eine Reaktion auf vorhergegangene Texte ist. Für Barthes können damit nicht nur literarische, sondern auch nicht-literarische, sogar nicht- sprachliche Texte gemeint sein, während Personen wie Harold Bloom oder Laurent Jenny sich auf literarische Texte fokussieren.7 Gérard Genette gliedert Intertextualität in fünf Unterkategorien. Zuerst nennt er Intertextualität selbst, dies sei die ¨Kopräsenz zweier oder mehrere Texte¨. Dann folgen Paratextualität (Bezüge zwischen Text und Dingen wie Titel und Vorwort) und Metatextualität