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SWR T al ap n e i s g i

r O 1958 • • 1959 D R E E M AST E R ANNIE FISCHER Mozart Concerto No.22 Schumann Piano Concerto Op.54

Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR Hans Müller-Kray SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg Hans Rosbaud Luzidität und Innigkeit Annie Fischer spielt Mozart und Schumann Annie Fischer

WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756–1791) Annie Fischer steht für eine von klassischer geworden und hatte eine begeisterte Kritik Luzidität und tief empfundener, romantischer verfasst. 1937, 14 Jahre später, sollten die bei- Konzert für Klavier und Orchester Nr. 22 Es-Dur KV 482 34:07 Piano Concerto No.22 E flat Major K482 Innigkeit getragene Kunst als einzigartige Er- den heiraten. 1 scheinung innerhalb der großen ungarischen I Allegro 13:47 Pianistentradition. Geboren am 5. Juli 1914 in 1925 wurde Annie Fischer als Studentin Ar- 2 II Andante 9:35 in eine jüdische Familie, zeigte sie nold Székélys an der Franz-Liszt-Musikakade- 3 III Allegro. Rondo 10:33 früh herausragende musikalische Begabung. mie in Budapest aufgenommen, wo sie ab Bis heute kursieren allerdings falsche Anga- 1929 von Ern�ő���������������������������� ����������������������������Dohnányi, dem großen Kompo- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR ben über ihre ersten Auftritte, die auch noch nisten und Pianisten, unterrichtet wurde und Hans Müller-Kray Eingang in die viel zitierten Nachrufe Allan Georg Solti (damals noch Györg Stern), Louis Kozinns in der New York Times und Niel Im- Kentner und Andor Foldes zu ihren Kommili- (1810–1856) melmans im Independent fanden: Weder trat tonen zählten. Während des Studiums debü- sie achtjährig erstmals öffentlich auf, noch tierte sie 1930 in Paris und 1931 in Rom. Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54 31:17 gab sie zwölfjährig ihr internationales Debüt. Schnell entwickelte sie sich zu einer sowohl Piano Concerto in A Minor Op.54 technisch als auch musikalisch herausragen- DEUTSCH 4 I Allegro affettuoso 14:43 Annie Fischer trat erstmals Ende 1923 in Bu- den Pianistin und schloss das Studium 1932 5 II Intermezzo. Andantino grazioso 5:32 dapest mit den beiden letzten Sätzen von mit höchster Auszeichnung ab. 6 Beethovens Klavierkonzert C-Dur op. 15 her- III Allegro vivace 11:02 vor, und sie war 14 Jahre alt, als sie 1928 in 1933 gewann die 19-jährige Annie Fischer als SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg Zürich mit Werken von Chopin, Debussy und jüngste Teilnehmerin den Internationalen Hans Rosbaud Liszt ihr internationales Debüt-Recital gab -Wettbewerb in Budapest vor Taras und dort außerdem Mozarts A-Dur-Konzert Mykyscha und Louis Kentner. Der Jury unter KV 488 und Schumanns Klavierkonzert spiel- Vorsitz Dohnányis gehörten Legenden wie der Total Time: 65:41 te. Die Schweizer Kritik attestierte ihr eine einstige Liszt-Schüler Emil von Sauer, Alfred Tiefe und Reife des musikalischen Verstehens, Cortot, Leonid Kreutzer und Isidor Philipp an. die angesichts ihres Alters unbegreiflich seien. Da sie zunächst gar nicht vorhatte, an dem Bei ihrem allerersten öffentlichen Konzert Wettbewerb teilzunehmen, musste sie Liszts war der 15 Jahre ältere Musikwissenschaftler Es-Dur-Konzert für die Finalrunde in kürzester Digitales Remastering der SWR-Originalbänder | Digitally remastered from the original SWR tapes und Kritiker Aladár Tóth auf sie aufmerksam Zeit lernen, doch hatte sie zuvor im Halbfinale

3 Liszts h-Moll-Sonate in überragender Weise ihrem gestrengen Landsmann George Szell, in ihrer Geburtsstadt Budapest. Zu den Kolle- weise Annie Fischers, die es keineswegs eilig dargeboten, was wohl den Ausschlag gege- der sie sehr schätzte und wiederholt einlud. gen, die Annie Fischer höchste Bewunderung hatte in diesem in seiner lyrischen Introversi- ben haben dürfte. Sie erhielt nun Einladun- zollten, gehören u.a. Svjatoslav Richter und on so schwer im Kern zu erfassenden Konzert. gen nach Deutschland, Belgien, Holland, Die meisten kommerziellen Aufnahmen ihr Landsmann András Schiff, für den etwa Auch wenn beispielsweise Annie Fischers Polen usw., und spielte mit Dirigenten wie Annie Fischers entstanden in den fünfziger ihre poetisch reiche Wiedergabe der Fantasie 1982er Aufführung mit dem NDR-Symphonie- Willem Mengelberg, , Fritz und sechziger Jahren, bis zum Tode ihres op. 17 von Robert Schumann zu einem zeitlo- orchester unter Woldemar Nelsson zwei un- Busch, oder Ernest Ansermet. Mannes im Oktober 1968. In ihrer Trauer zog sen Vorbild geworden ist. zweifelhaft seelenverwandtere Künstler an sie sich für einige Zeit komplett vom Konzert- einem Strang ziehen ließ, so ist doch die hier Nachdem 1940 in Ungarn die Judenverfol- podium zurück. Insbesondere ihre Einspielun- Anfang Februar 1958 gastierte Annie Fischer vorliegende Aufnahme von besonderem Reiz, gung begonnen hatte, ersuchten Annie Fi- gen von Mozart-Konzerten für EMI hatten beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des da sie zeigt, wie bei gegenseitigem Respekt scher und ihr Mann 1941 während einer Kon- bald Referenzstatus. Ab Mitte der fünfziger Süddeutschen Rundfunks unter dem langjäh- auch sehr unterschiedlich veranlagte Tempe- zerttournee in Schweden um Asyl, wo sie bis Jahre wirkte sie auch als Jurorin in großen in- rigen Chefdirigenten Hans Müller-Kray und ramente sich zu einem fesselnden Gesamt- 1946 blieben. Während jener Jahre spielte sie ternationalen Wettbewerben, und als einzige spielte Mozarts 1785 komponiertes Klavier- bild integrieren können. nur wenige Konzerte und unterrichtete aus- Künstlerin wurde sie drei Mal (1949, 1955 konzert Es-Dur KV 482. Das Orchester unter Christoph Schlüren

H C S T U E D giebig. Ein fünfminütiges Tondokument vom und 1965) mit der höchsten ungarischen Aus- Müller-Kray agiert mit etwas rustikaler Solidi- 9. März 1943 ist überliefert, wo sie in Liszts zeichnung, dem Kossúth-Preis, bedacht. tät, in der Art, wie man zu jener Zeit in der Es-Dur-Konzert vom Schwedischen Rundfunk­ deutschen Kapellmeistertradition Mozart ✼ ✼ ✼ orchester unter Sibelius’ Schwager Armas Jär- Nach Aladár Tóths Tod spielte Annie Fischer verstand. Annie Fischers Spiel ist von Transpa- nefelt begleitet wird – die früheste bekannte als letztes Aufnahmeprojekt Ende der siebzi- renz und klarem artikulatorischen und kaden- Aufnahme Annie Fischers, und die einzige ger Jahre für Hungaroton die kompletten zierend zusammenhängendem Verständnis DEUTSCH während des Krieges. Beethoven-Sonaten ein. Sie war jedoch nie geprägt, ihr Bezug zu der unvermittelten Ge- zufrieden mit den Ergebnissen und gestattete genüberstellung lyrischer Poesie und kraftvol- Mit der Rückkehr nach Ungarn wurde Aladár schließlich, dass die Aufnahmen nach ihrem ler Extraversion von mitreißender Authenti­ Tóth zum Direktor der Ungarischen Staats- Ableben veröffentlicht würden. Bei ihrer US- zität. oper ernannt und engagierte Otto Klemperer Tournee 1982 gab sie ihr legendäres spätes als musikalischen Leiter. Annie Fischer be- „Recital-Debüt“ in der Carnegie Hall. In ihrem Ein gutes Jahr später, im Februar 1959, war gann nun ihre große internationale Karriere, letzten Lebensjahrzehnt spielte sie oft in sie in Baden-Baden beim Sinfonieorchester die sie an alle bedeutenden Orte Europas füh- Japan, wo man ihrem Spiel, das der New Yor- des Südwestfunks zu Gast, unter Leitung des ren sollte. Ihr amerikanisches Debüt gab sie ker Kritikerpapst Harold Schonberg einst als legendären Hans Rosbaud, um das Konzert erst am 5. Februar 1961 in der New Yorker „altmodischen mitteleuropäischen Stil“ ver- Robert Schumanns zu spielen. Hier treten Carnegie Hall mit Mozarts Es-Dur-Konzert KV schmäht hatte, mit größtem Enthusiasmus durchaus auch Gegensätze zutage zwischen 482, begleitet vom Cleveland Orchestra unter begegnete. Ihr letztes Recital gab Annie Fi- der straffen, sehnig vorwärtsstrebenden Mu- scher am 24. Oktober 1994 in Szolnok südöst- sizierhaltung Rosbauds und der flexibleren lich von Budapest. Sie starb am 10. April 1995 Tempowechseln zugeneigten Herangehens-

4 5 standing manner, which no doubt tipped the low countryman George Szell, a demanding Clarity and Intimacy balance. She was now being invited to Ger- conductor who truly appreciated her playing Annie Fischer plays Mozart and Schumann many, Belgium, Holland, Poland and other and would invite her back repeatedly. countries, playing with conductors such as Willem Mengelberg, Otto Klemperer, Fritz Most of Annie Fischer’s commercial record- Annie Fischer is known for her classical clarity and he wrote an enthusiastic review. In 1937, Busch, Adrian Boult and Ernest Ansermet. ings emerged in the fifties and sixties, until and a heartfelt, romantic, passionately con- fourteen years later, the two would marry. the death of her husband in 1968. In her grief veyed art, which is unique within the great Following the beginning of the persecution of she withdrew from the concert platform alto- Hungarian tradition of . Born into a 1925 saw Annie Fischer, as a student of Ar- Jews in in 1940, Annie Fischer and gether for some time. Her recordings of Mo- Jewish family in Budapest on July 5, 1914, she nold Székely, entering the Franz Liszt Acad­ her husband sought asylum in Sweden during zart concertos for EMI soon gained reference showed early signs of outstanding musical emy of Music in Budapest, where from 1929 a 1941 concert tour and remained there until status. From the mid-fifties she also acted as talent. To this day, however, there is false in- onwards she received lessons from the great 1946. During those years she played only a a judge in major international competitions, formation circulating about her first perform- composer and Ernő Dohnányi, whilst few concerts and taught extensively. There is and was awarded the highest Hungarian hon- ances, which even appeared in the oft-cited counting Georg Solti (then still György Stern), a five-minute-long audio recording of Liszt’s our, the Kossúth Prize, three times (1949,

H S I L G N E obituaries by Allan Kozinn in the New York Louis Kentner and Andor Földes as her peers. Piano Concerto in E flat from March 9, 1943, 1955 and 1965), the first female artist to be Times and Niel Immelman in the Independent. During her studies she debuted in Paris in in which she is accompanied by the Swedish so honoured. Annie Fischer neither made her first public 1930 and in Rome in 1931. She quickly devel- Radio Orchestra conducted by Sibelius’s appearance at the age of eight, nor did she oped both as a technically and musically ex- brother-in-law Armas Järnefelt. This is the After Aladár Tóth’s death, as her last recording make her international debut when she was ceptional pianist, and graduated in 1932 with earliest known recording of Annie Fischer, and project at the end of the seventies, Annie twelve. distinction. the only known recording of her during the Fischer played all of the Beethoven sonatas ENGLISH war. for release on the Hungaroton label. However, Annie Fischer first came to public attention in In 1933, the nineteen-year-old Annie Fischer she was never satisfied with the results, even- Budapest at the end of 1923, playing the last won the International Franz Liszt Competi- Upon returning to Hungary, Aladár Tóth was tually conceding that the recordings might be two movements of Beethoven’s Piano Concer- tion in Budapest as the youngest participant, appointed director of the Hungarian State released after her death. On her 1982 US tour, to in C Major, Op.15. In 1928, at the age of ahead of Taras Mykyscha and Louis Kentner. Opera, assigning Otto Klemperer to the posi- she made her legendary late “recital debut” at fourteen, she made her international debut in The board of judges under the leadership of tion of musical director. Annie Fischer could Carnegie Hall. In the last decade of her life Zurich playing works by Chopin, Debussy and Dohnányi included such legends as Liszt’s now begin her great international career, she often played in Japan, where her playing, Liszt, as well as Mozart’s Piano Concerto in A former pupil Emil von Sauer as well as Alfred which would take her to play at all of the which the doyen of New York critics Harold Major, K488 and Schumann’s Piano Concerto. Cortot, Leonid Kreutzer and Isidor Philipp. finest venues in Europe. Schonberg had once scorned as being an “old- Swiss critics credited her with a depth and Fischer initially had no intention of participat- fashioned central European style”, was met maturity of musical understanding remark­ ing in the competition and so had to learn Fischer’s American debut took place as late as with great enthusiasm. Annie Fischer gave able for her age. Her very first concert drew Liszt’s E flat Concerto within a very short time. February 5, 1961 in New York’s Carnegie Hall her last recital in Szolnok, southeast of Buda- her to the attention of musicologist and critic However, she had already presented Liszt’s with Mozart’s Concerto in E flat, K482, accom- pest, on October 24, 1994. She died on April Aladár Tóth, who was fifteen years her senior, B Minor Sonata in the semifinals in an out- panied by the Cleveland Orchestra under fel- 10, 1995 in Budapest, her birthplace. Amongst

6 7 the colleagues who paid the highest tribute A year later, in February 1959, she was invited to Annie Fischer were and to Baden-Baden by the Southwest Radio Sym- her fellow countryman András Schiff, who phony Orchestra conducted by the legendary came to regard such performances as her Hans Rosbaud to play Robert Schumann’s poetically rich rendition of Schumann’s Fanta- concerto. Here, indeed, clear contradictions sie op.17 as exemplary. are evident between Rosbaud’s tight, sinewy, forward-pressing musicianship and the more At the beginning of February 1958, Annie flexible approach to tempo changes adopted Fischer was invited to play with the Stuttgart by Annie Fischer, who took her time with a Radio Symphony Orchestra of South German concerto which in the very essence of its lyr­ Radio under its long-time principal conductor ical introversion is so hard to comprehend. Hans Müller-Kray. She played Mozart’s Piano Although Annie Fischer’s 1982 performance Concerto in E flat Major K482, composed in with the NDR Symphony Orchestra under 1785. Under the baton of Müller-Kray, the or- Woldemar Nelsson had brought together two

H S I L G N E chestra played with a certain rustic solidity, undoubtedly similar artists, this present re- which in those days was understood to be in cording is particularly charming, as it also keeping with the Kapellmeister tradition of shows how two very different temperaments Mozart performance. Annie Fischer’s playing can, with mutual respect, be united to form a is characterised by transparency, clear articu- captivating overall picture. lation and coherent cadential progression, Christoph Schlüren and her identification with the work’s abrupt confrontation of lyrical poetry with vigorous extroversion is of thrilling authenticity. ✼ ✼ ✼

Aufnahme | Recording 1–3 07.02.58 Stuttgart, Villa Berg; 4–6 25.02.59 Baden-Baden, Hans-Rosbaud-Studio • Künstlerische Aufnahmeleitung | Artistic Director 1–3 Erich Prümmer; 4–6 Hr. Strobel • Toningenieur | Sound Engineer 1–3 Walther Staub; 4–6 Heiss, Franke, Forst • Digital Remastering Klaus-Dieter Hesse • Ausführender Produzent | Executive Producer Dr. Sören Meyer-Eller • Beihefttext | Booklet notes Christoph Schlüren • Coverphoto cultur-images/Lebrecht Music & Arts • Redaktion Beiheft | Booklet Editing SME • Design Wolfgang During • Übersetzung | Translation J&M Berridge Translations • Verlage | Publisher 1–3 Breitkopf & Härtel; 4–6 Eulenburg Digitales Remastering der SWR-Originalbänder | Digitally remastered from the original SWR tapes

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