Apoll und

Eine etwas andere Liebesgeschichte aus

Apoll und Daphne Eine etwas andere Liebesgeschichte aus Ovids Metamorphosen

Kreative Bearbeitungen durch Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a des Luitpold-Gymnasiums im Schuljahr 2015/16

Mitgewirkt an diesem Projekt haben:

Mavie Bockelmann Robert Lingner Alessia Bögel Carlos López Seydel Christian Bruckmeier Brian Maksimowicz Ege Celik Martina Perkmann Elias Deufel Sharon Rosenau Lenny Dietrich Luca Scelsi Annelie Eckert Julia Sprengard Luca Herrmann Cosmo Taniguchi Lea Jira Marcel Trummer Paulina Kostmann

Johannes Rieger (Leitung)

Das Projekt wurde finanziell großzügig vom Elternbeirat des Luitpold-Gymnasiums unterstützt. Einleitung zu Ovids Metamorphosen und Vorwort

Kein antiker Dichter hat Menschen späterer Zeiten so oft und auf so vielfältige Art und Weise zu eigener kreativer Anverwandlung der von ihm behandelten Stoffe angeregt wie mit seinen Verwandlungssagen, den Metamorphosen. Einer der Gründe hierfür ist sicher der, dass Ovid nicht nur an der Darstellung der äußeren Handlungen seiner Figuren interessiert ist, sondern ganz besonders auch an den inneren Vorgängen ihrer Seelen. Ovid erweist sich in seinen Geschichten immer wieder als einfühlsamer Psychologe. Gerade diese Einblicke in die menschliche Psyche sind auch heute noch hochaktuell und können auch uns als modernen Lesern des 21. Jahrhunderts helfen, uns unserer existentiellen Bedingungen und Probleme noch bewusster zu werden, vielleicht sogar unsere Persönlichkeit mit ihrer Hilfe weiter zu entwickeln. Der Kosmos, wie er uns in den Metamorphosen entgegentritt, scheint keine sinnvolle, keine ethische Ordnung aufzuweisen, sondern immerzu von der Unveränderlichkeit der Laster und Leidenschaften der Menschen und der anthropomorph gedachten Götter geprägt zu sein. Und doch ist es vor allem etwas Anderes, das sich bei der Lektüre der Verwandlungssagen am meisten und nachhaltigsten einprägt: der Humor von Ovids Dichtung. „Gerade der humorvolle Blick dieses Dichters für das Menschlich-Allzumenschliche, der ihm als Betrachter des Welttheaters auch angesichts der größten Fragwürdigkeiten nie verloren geht, ist sicherlich ein ganz wesentlicher Grund dafür, daß noch heute die Metamorphosen zu den wenigen Werken der antiken Literatur gehören, die für zahllose Leser in aller Welt unverändert herrlich sind wie am ersten Tag.“ (Holzberg, in: Rösch, S. 734)

So haben wir bei unserer Beschäftigung mit Ovids Metamorphosen mehrere Mythen von zeitloser Bedeutung kennen gelernt: Narziss und Echo (Ichbezogenheit und Kontaktscheu), Pyramus und Thisbe (eine rührende Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang), Daedalus und Icarus (der Traum vom Fliegen und das Vertrauen in die Technik), Niobe (mütterlicher Stolz), Pygmalion (Schwierigkeiten der Partnersuche aufgrund eines überzogenen Idealbildes), Orpheus und Eurydice (die Macht der Musik), Die lykischen Bauern (Fremdenfeindlichkeit), Jupiter und Io (Ehebruch) und Apoll und Daphne. Einfache Deutungen der Mythen gehen aber an ihrer Vielschichtigkeit vorbei. Sie bedürfen stets einer tieferen Interpretation.

„So lassen sich und Daphne (Gewalt zwischen den Geschlechtern), Narcissus (Narzissmus) und Pygmalion (Ausweichen in virtuelle Phantasien) als Fragezeichen der Kultur schlechthin, insbesondere auch unserer Kultur lesen. Der expressive Charakter ihrer Schilderung durch Ovid - die Gefühlsintensität und existentielle Not - lädt zur Identifikation ein, aber auch zu Konfrontation und Stellungnahme.“ (Henneböhl, S. 3)

Besonders intensiv haben wir uns mit der Geschichte von Apoll und Daphne befasst, auch durch die Übersetzung zentraler Passagen des lateinischen Originals.

Worum geht es? Apoll hat – wir sind noch ziemlich am Anfang der Weltgeschichte – unter Aufbietung all seiner Kräfte die Riesenschlange Python mit Pfeil und Bogen getötet und macht sich nun über die Schießkünste des kleinen Gottes Amor lustig. Das will dieser nicht einfach so hinnehmen und übt aus persönlicher Gekränktheit Rache an dem hochmütigen Gott. Er verschießt mit seinem Bogen zwei Pfeile: Mit dem einen trifft er Apoll und entflammt damit die Liebe des hierin noch völlig unerfahrenen Gottes zur Nymphe Daphne. Mit dem anderen trifft er Daphne, die ab sofort in eine jede Liebe verweigernde Haltung verfällt und nur noch einsam in den Wäldern leben will. Ein Götterstreit also ist es, der am Anfang unserer Geschichte steht. Und es wird sogleich deutlich, wie hier der Einzelne, in diesem Fall die Nymphe Daphne, völlig abhängig ist vom Walten der Götter oder eines Schicksals, das nicht zu verstehen ist. Als Apoll Daphne zum ersten Mal erblickt, verliebt er sich leidenschaftlich in sie. Als die Nymphe dies merkt, beginnt sie sofort vor ihm wegzulaufen. Es kommt zu einer langen Verfolgungsjagd, während der Apoll alles aufbietet, was ihm zu Gebote steht, um Daphne für sich zu gewinnen. Insbesondere hält er im Laufen eine lange Rede, in welcher er Daphne zunächst beschwichtigt und versucht ihr die Angst vor ihm zu nehmen. Dann probiert er es damit, sich selbst als den bestmöglichen Liebhaber darzustellen: Er zählt seine Herrschaftsgebiete, seine Abstammung, seine Künste und Fähigkeiten und natürlich auch sein tolles Aussehen auf. Schließlich muss er aber erkennen, dass er damit bei Daphne nicht ankommt, und verfällt daher in Selbstmitleid. Warum scheitert er bei seinem Werben? Er redet viel zu viel. Der Ton seiner Worte ist sehr uneinheitlich. Ihm fehlt jegliche Empathie, er verhält sich absolut egozentrisch und er verwendet in seiner Rede ungeschickt eher abschreckende als beruhigende Worte. So entsteht ein Bild Apolls als eines jungen, unerfahrenen Liebhabers und letztlich eines machtlosen Gottes. Trotzdem ist nicht er, sondern Daphne die Hauptleidtragende, denn die Verfolgungsjagd nimmt ein tragisches Ende: Daphne weiß sich nicht anders vor Apoll zu retten als dadurch, dass sie ihren Vater Peneus, einen Flussgott, darum bittet, ihr ihre Schönheit zu nehmen, sie zu verwandeln. Die Nymphe wird daraufhin zum Lorbeerbaum. Diese Verwandlung setzt Apoll sehr in Erstaunen, er kann es nicht fassen, dass er in dem Moment, in dem er die Nymphe eingeholt hat und sie endlich berühren kann, nicht den ersehnten Körper, sondern Baumrinde spürt. Aber die Verwunderung dauert nicht besonders lange. Als Gott kann er schließlich damit leben, Daphne wenigstens auf andere Weise zu besitzen. Wenn er sie schon nicht als Frau gewinnen kann, dann macht er zumindest den Baum, zu dem sie geworden ist, zu seinem Baum. „Da du nicht meine Gemahlin sein kannst, wirst du wenigstens mein Baum sein. Stets werden mein Haupthaar, mein Saitenspiel, mein Köcher dich tragen, Lorbeer!“ Es bleiben Fragen offen: Gibt es am Ende einen Sieger im Wettstreit zwischen Apoll und Amor? Wer hat Schuld am tragischen Ausgang des Geschehens? Und vor allem: Was ist mit Daphne? Kann sie mit ihrer neuen Lebensform einverstanden sein? Ganz am Ende scheint Ovid das anzudeuten: „Paean (d. h. Apoll) war zu Ende; der Lorbeer nickte mit den neuentstandenen Ästen und schien den Wipfel wie ein Haupt zu bewegen.“ Viele Motive und existentielle Fragestellungen, die eine persönliche Auseinandersetzung lohnen, verbergen sich in diesem Mythos: jugendliche Ängste vor der Sexualität, Schönheit und Begehrlichkeit, Begehren und Verweigerung, auch aggressives Werben und Vergewaltigung, Liebe als Leiden und Leidenschaft, Umgang mit Enttäuschung und Zurückweisung (vgl. Henneböhl, Lehrerkommentar, S. 48). Und dennoch kommt auch in dieser Geschichte der bereits angesprochene Humor in Ovids Darstellung nicht zu kurz. Man braucht sich, um ein Beispiel zu nennen, Apoll, der doch immerhin ein Gott ist, nur einmal konkret vorzustellen, wie er Daphne hinterher rennt und dabei – keuchend, ganz außer Atem – seine rhetorisch ausgefeilte Rede hält.

Nach der Lektüre wollten auch wir unsere Kreativität beweisen, uns, jeder für sich allein oder in Kleingruppen, den Mythos von Apoll und Daphne kreativ anverwandeln und uns so in die lange Reihe der Ovid-Rezipienten stellen.

So sind schließlich die Beiträge dieses kleinen Buches entstanden: Zeichnungen, Collagen, Neufassungen der Geschichte in Prosa und in Gedichtform, ein Lied und ein Interview mit dem zurückgekehrten Dichter Ovid! Zunächst die Geschichte selbst

in der Prosa-Übersetzung von Michael von Albrecht

Die erste Liebe des Phoebus war Daphne, die Tochter des Penëus; diese Leidenschaft gab ihm nicht der blinde Zufall ein, sondern der wilde Zorn des Liebesgottes. Der Gott von Delos, stolz auf seinen Sieg über die Schlange, hatte jüngst gesehen, wie Amor die Sehne anzog und die Hörner des Bogens spannte. Da hatte er gesagt: „Was willst du, loser Knabe, mit männlichen Waffen? Diese Zier steht meinen Schultern an; kann ich doch dem wilden Tier und auch dem Feind unfehlbar Wunden schlagen. Eben erst habe ich den aufgeblasenen Python, der mit seinem giftigen Bauche so viele Morgen weit das Land bedeckte, mit zahllosen Pfeilen niedergestreckt. Gib du dich damit zufrieden, mit deiner Fackel irgendwelche Liebeshändel anzustiften, und maße dir nicht meinen Ruhm an!“ Ihm antwortete der Sohn der Venus: „Mag dein Bogen alles treffen, o Phoebus – meiner trifft dich! Dein Ruhm ist um so viel geringer als der meine, wie alle Lebewesen einem Gotte nachstehen.“ Sprach’s, schlug mit den Flügeln, flatterte durch die Luft, und flink stellte er sich auf den schattigen Gipfel des Parnaß. Aus dem Köcher, der die Pfeile barg, nahm er zwei Geschosse von entgegengesetzter Wirkung: Das eine vertreibt, das andere erregt Liebe. Der Pfeil, der Liebe erregt, ist vergoldet und hat eine blinkende, scharfe Spitze; der sie vertreibt, ist stumpf und trägt Blei unter dem Schaft. Mit dem einen traf der Gott die Nymphe, die Penëustochter, mit dem anderen schoß er Apollo durch die Knochen bis ins Mark. Sofort ist der eine verliebt, die andere flieht schon vor dem Wort „Geliebte“. Sie hat nur Freude an Schlupfwinkeln im Wald und an Fellen gefangener Tiere; so eifert sie der unverheirateten Phoebe nach. Eine Binde umschloß das ungeordnet herabwallende Haar. Viele warben um sie. Sie aber verschmäht alle Freier, hat keinen Mann und will von keinem wissen, streift durch unwegsames Gehölz und fragt nicht nach Hymen, Amor und Ehe. Oft sagte der Vater: „Tochter, du schuldest mir einen Schwiegersohn.“ Oft sprach er: „Mein Kind, du schuldest mir Enkel!“ Sie aber haßt die Hochzeitsfackeln wie ein Verbrechen; ihr schönes Gesicht war von schamhafter Röte übergossen, und indem sie mit schmeichelnden Armen am Halse ihres Vaters hing, sprach sie: „Laß mich, liebster Vater, ewig Jungfrau bleiben; dies hat auch Vater Iuppiter der Diana gewährt.“ Zwar erfüllt er die Bitte; aber dir verbietet deine Schönheit, das zu sein, was du sein möchtest, und deine Erscheinung widersetzt sich deinem Wunsch. Phoebus liebt! Kaum hat er sie gesehen, begehrt er Daphne zu heiraten; und was er begehrt, erhofft er: Da täuscht ihn sein eigenes Orakel! Wie leichte Stoppeln in Brand gesteckt werden, nachdem die Ähren abgeerntet sind, wie Zäune sich an Fackeln entzünden, die zufällig ein Wanderer zu nahe an sie heranbrachte oder im Morgengrauen zurückließ, so ist der Gott in Liebe entbrannt, so glüht sein ganzes Herz und hegt hoffnungsvoll eine fruchtlose Liebe. Er sieht, wie das schmucklose Haar bis zum Hals herabhängt. „Ei“, sagt er, „wenn es erst noch frisiert würde!“ Er sieht die sternengleichen Augen Funken sprühen; er schaut das Mündchen an und will sich mit bloßem Anschauen nicht begnügen; er lobt die Finger, die Hände, die Arme und die Oberarme, die bis über die Mitte entblößt sind; und was verborgen ist, hält er für noch besser. Sie aber flieht schneller als der leichte Lufthauch, ohne auf seine Worte hin stehen zu bleiben, mit denen er sie zurückruft: „Nymphe, Penëustochter, bitte, bleib stehen! Ich folge dir nicht als Feind. Nymphe, bleib stehen! So flieht das Lamm vor dem Wolf, die Hirschkuh vor dem Löwen, so fliehen vor dem Adler die Tauben mit ängstlich schlagenden Flügeln – ein jedes vor seinem Feind; Liebe ist der Grund, warum ich dich verfolge. Weh mir! Stürz nicht vornüber und lass die Dornen nicht deine Schenkel ritzen, die keine Verwundung verdienen. Ich will dir keinen Schmerz zufügen. Die Gegend, durch die du dahineilst, ist rauh. Lauf, bitte, langsamer und zügle deine Flucht! Auch ich will dich langsamer verfolgen. Frag wenigstens, wessen Wohlgefallen du erregst! Kein Bergbewohner, kein Hirte bin ich, kein struppiger Wächter von Zug- und Herdentieren. Du weißt nicht, Unbesonnene, du weißt nicht, vor wem du fliehst. Und nur darum fliehst du. Mir dient das delphische Land, Claros, Tenedos und die patarëische Königsburg. Iuppiter ist mein Vater. Ich offenbare, was sein wird, was war und was ist; ich lasse Gesang und Saitenspiel harmonisch zusammenstimmen. Mein Pfeil trifft zwar ins Ziel, doch gibt es einen Pfeil, der noch genauer ins Ziel geht; der hat meinem noch freien Herzen eine Wunde geschlagen! Die Heilkunst ist meine Erfindung, die Welt nennt mich den Heilbringer, und die Kraft der Kräuter steht mir zu Gebote. Weh mir, daß gegen die Liebe kein Kraut gewachsen ist und daß die Künste, die allen nützen, ihrem Herrn und Meister keinen Nutzen bringen!“ Er wollte noch mehr sagen, doch die Tochter des Penëus entfloh ihm in angstvollem Lauf, ließ ihn hinter sich und mit ihm seine Rede, mit der er noch nicht zu Ende war. Auch in diesem Augenblick sah sie reizend aus. Windstöße entblößten ihren Körper, der entgegenkommende Luftzug ließ die Kleider, auf die er traf, flattern, ein leichtes Lüftchen ließ das Haar nach hinten wehen, und die Schönheit steigerte sich durch die Flucht. Doch der jugendliche Gott erträgt es nicht länger, Schmeichelworte zu verschwenden. Und wie Amor selbst es ihm eingab, folgt er mit beschleunigtem Schritt ihren Spuren. Wie wenn ein Jagdhund aus Gallien auf dem offenen Feld einen Hasen erspäht hat und der eine nach seiner Beute, der andere um sein Leben rennt – der eine sieht aus, als wollte er schon zubeißen, hofft von einem Augenblick auf den anderen zuzupacken und streift mit vorgestreckter Schnauze die Ferse der Beute; der andere ist sich im Zweifel, ob er schon gefaßt ist, entzieht sich gerade noch den zuschnappenden Zähnen und läßt das Maul, das ihn schon berührt, hinter sich –: So erging es dem Gott und der Jungfrau; den einen beflügelt die Hoffnung, die andere die Furcht. Doch der Verfolger, dem Amor Schwung verleiht, ist schneller und gönnt ihr keine Rast. Die Fliehende spürt ihn schon unmitelbar im Rücken, und sein Hauch streift ihr Haar, das ihr in den Nacken fällt. Schließlich versagten ihr die Kräfte, sie erblaßte, von der Mühe der raschen Flucht erschöpft, und blickte zu den Wassern des Penëus. „Vater, komm mir zur Hilfe“, sprach sie, „sofern ihr Flüsse göttliche Macht besitzt! Zerstöre durch eine Verwandlung diese Gestalt, durch die ich allzu sehr gefiel!“ Kaum hatte sie ihr Gebet beendet, da kommt über ihre Glieder eine lastende Starre. Um die zarte Brust legt sich dünner Bast. Das Haar wächst sich zu Laub aus, die Arme zu Ästen; der eben noch so flinke Fuß haftet an zähen Wurzeln, das Gesicht hat der Wipfel verschlungen: Allein der Glanz bleibt ihr. Auch so liebt Phoebus sie noch. Er legt die rechte Hand an den Stamm und fühlt noch, wie die Brust unter der frischen Rinde bebt, umschlingt mit den Armen die Äste, als wären es Glieder, küßt das Holz – doch das Holz weicht den Küssen aus. Zu ihr sprach der Gott: „Da du nicht meine Gemahlin sein kannst, wirst du wenigstens mein Baum sein. Stets werden mein Haupthaar, mein Saitenspiel, mein Köcher dich tragen, Lorbeer! Du wirst den latinischen Feldherren nahe sein, wenn frohe Stimmen das Triumphlied singen und das Capitol den langen Festzug sieht. Du wirst auch als treue Wächterin der Türpfosten am Hause des Augustus vor dem Eingang stehen und den Eichenkranz, der in der Mitte hängt, beschützen. Und wie mein Haupt im ungeschorenen Haarschmuck stets jugendlich ist, so trag auch du fortwährend als Ehrenschmuck dein Laub.“ Paean war zu Ende; der Lorbeer nickte mit den neuentstandenen Ästen und schien den Wipfel wie ein Haupt zu bewegen.

Eine am Computer kolorierte Zeichnung

von Carlos López Seydel

„An dieser Geschichte hat mich am meisten der Ausgangspunkt interessiert. Dieser besteht darin, dass Apoll und Daphne durch zwei Pfeilschüsse Opfer von Amors Macht werden. Amor rächt sich an Apoll, indem er ihn durch seinen Pfeilschuss sich unsterblich in Daphne verlieben lässt, während er Daphne durch einen zweiten Pfeilschuss dazu bringt, Männer grundsätzlich zu verabscheuen und sich nach einem einsamen Leben zu sehnen. Dies mündet zwangsläufig in ein tragisch endendes Liebesdrama. Apoll versucht sehnlichst die Geliebte zu berühren, während diese sich noch im selben Moment in einen Baum verwandelt. Ich wollte den Moment festhalten, in dem Amor die Positur des Rächers einnimmt. Aus meiner Sicht ist die Figur Amor die interessanteste, da sie Ovids Geschichte ja in Gang setzt. In meiner Darstellung habe ich bewusst Amor eine etwas männlichere Gestalt gegeben im Gegensatz zu den meist üblichen Versionen eines dicklichen Knaben. Meinem Amor sollte man den teuflischen Plan durchaus ansehen, welchen er im Schilde führte.“

Eine Zeichnung

von Martina Perkmann

„Ich habe die Anfangsszene der Geschichte versucht darzustellen, und zwar aus dem Grund, weil man auf den meisten Illustrationen der Geschichte die Stelle der Verwandlung Daphnes dargestellt findet. Deshalb dachte ich mir, es wäre vielleicht mal ganz interessant, sich Gedanken über die Darstellung anderer Szenen zu machen. Ich habe mir die erste Szene ausgesucht, in der Apoll nach einem Streit mit Amor vom Liebespfeil getroffen wird, also die Szene, die dazu führt, dass Apoll sich in die Nymphe Daphne verliebt und sie dann die ganze Erzählung über verfolgt. Dabei habe ich versucht beide Götter so darzustellen, wie ich sie mir auf Grund der Darstellung Ovids vorstelle: Apoll als einen schönen jungen Mann und Amor als eher kleineren Jungen mit Pfeil und Bogen.“

Eine Collage

von Luca Herrmann

„Die Collage zeigt die Szene, in der Amor einerseits Apoll mit dem goldenen Pfeil abschießt, durch den dieser sich unsterblich in Daphne, die Tochter des Flussgottes Peneus, verliebt, und andererseits Daphne mit einem Pfeil aus Blei trifft, durch den sie den Wunsch entwickelt, ihr ganzes Leben Jungfrau zu bleiben. Daphne beschließt deshalb im Wald zu leben, wo Apoll sie dann eines Tages findet.“

Eine Zeichnung

von Paulina Kostmann

„Ich habe den Ausschnitt gezeichnet, in dem Amor Apoll mit einem Pfeil abschießt. Denn Amor ist wütend auf Apoll, da dieser mit seinem Sieg über das Ungeheuer Python angibt und sich über Amor lustig macht. Der Pfeil bewirkt, dass sich Apoll sehr stark in Daphne verliebt. Doch Amor schießt auch Daphne mit einem Pfeil ab, der bewirkt, dass Daphne alleine, ohne Männer, im Wald, in der Welt der Pflanzen und Tiere, leben möchte.“

Die Geschichte als Gedicht

von Christian Bruckmeier

„Ich habe über Apoll und Daphne ein Gedicht geschrieben, da lateinische Dichtung sich nicht reimt und ich es akustisch schöner finde, wenn Verse sich reimen. Außerdem wollte ich die Geschichte ungefähr nacherzählt wiedergeben, da wörtliche Übersetzungen lateinischer Texte sich manchmal komisch anhören.“

Nach Daphnes Wunsch nach Veränderung ereignet sich der unumgängliche Wendepunkt Als Apoll sein Ziel mit der linken Hand berührte war es nichts als Rinde eines Baumes was er verspürte Daphnes Haarpracht wurde zu Ast und Laub Apoll hatte endlich seine Rast vom Lauf Doch es war nicht wie vorhergesehen denn Daphne verwurzelte sich an den Zehen Es war Daphnes Wunsch der Natur anzugehören Doch dies drohte Apolls Herz zu zerstören Daphne wurde langsam zu einem Baum in der Hoffnung dies halte Apoll im Zaum Doch Apoll küsste auch ihre Baumrind’ denn er war vor Liebe wie erblind’t Er erkannte dass sie seine Frau sein könne deshalb fragte er sie ob sie ihm wohl ihre Blätter vergönne Sie schien ihm sanft zuzunicken so nahm er ihre Blätter um seinen Kopf und Köcher um sie jeden Tag zu erblicken Ist dies nun ein Happy End für beide? Dies bleibt wohl eine Frage der Sichtweise.

Eine Zeichnung

von Marcel Trummer

„Ich habe dieses Bild gewählt, da es meiner Meinung nach am meisten über die Geschichte aussagt. Es stellt die Jagd Apolls auf Daphne dar, die einen Großteil der Geschichte ausmacht.“

Eine Zeichnung von Cosmo Taniguchi

“Mihi Delphica tellus et Claros et Tenedos Patareaque regia servit. Iuppiter est genitor.”

Eine Zeichnung

von Lenny Dietrich

„Das Bild stellt den zweiten Teil von Apolls Rede an Daphne dar, in der er sich selbst beschreibt und mit seinen Herrschaftsgebieten, seiner Kultiviertheit, seinem Aussehen, seiner Herkunft, seiner Sehergabe und seinen musikalischen Fähigkeiten prahlt, weil er denkt, Daphne so für sich gewinnen zu können.“

Eine Zeichnung

von Ege Celik

„Das Bild soll die Beziehung zwischen Apoll und Daphne veranschaulichen. Es stellt den Kontrast zwischen Jäger und Gejagter dar. Daphne ist das unschuldige Kaninchen, Apoll der böse Wolf.“

Eine Collage

von Sharon Rosenau

„Apoll ist vom Pfeil Amors getroffen worden, er erblickt gerade Daphne. Diese sieht ihn noch nicht. Amor ist dabei, lachend einen Pfeil auch auf sie abzuschießen. Diese Szene zeigt meiner Meinung nach sehr gut die Handlung auf. Man sieht in einem Bild die Grundzüge der ganzen Geschichte. Deshalb habe ich die Szene ausgewählt.“

Eine Zeichnung

von Annelie Eckert

„Ich habe die Szene gewählt, in der Daphne ihren Vater um die Verwandlung bittet. Die Szene habe ich als eine Art kurzen Comic dargestellt.“

Eine Collage

von Luca Scelsi

„Das Bild entstand aus der Idee, mehrere Bildideen in einem kombinierten Gesamtwerk zu vereinen. Unabhängig von der Zeit oder der Herkunft der Künstler hat die Geschichte von Apoll und Daphne diese inspiriert und dazu angeregt, die Szene individuell zu interpretieren.

Folgende drei Bilder habe ich digital in einer Collage vereinigt: Apoll und Daphne (1736) von Jean-Étienne Liotard, eine Pastellzeichnung Apoll und Daphne (1895) von Henrietta Rae, ein Schwarz-Weiß-Druck Der Bogen Cupidos (Jahr unbekannt) von Léon Perrault (1832-1908), ein Ölgemälde

Zusätzlich wurden die Farben aneinander angepasst und ein mediterraner Hintergrund eingefügt.“

Eine Collage

von Mavie Bockelmann

„Die Collage zeigt den Wendepunkt der Geschichte, als Daphne sich gerade in einen Baum verwandelt. Apoll versucht sie noch fest zu halten, aber ihre Beine werden schon zum Baumstamm und ihre Arme und Hände zu Ästen. Daphne will die Hand Apolls auf ihrer Hüfte wegziehen, ebenso wie sie versucht seiner anderen Hand, die um ihren Knöchel gelegt ist, zu entkommen. Apoll blickt nach oben zu Daphne, diese jedoch sieht ihn nicht an, sondern schaut mit einem apathischen Blick in die Luft. Apoll sieht geschockt davon aus, dass seine Geliebte vor seinen Augen zum Baum wird.“

Eine Zeichnung

von Alessia Bögel

„Nachdem in der Geschichte bei Ovid kein Happy End stattfindet, sollte dieses Bild ein solches gutes Ende darstellen. Auf dem Bild wurde Daphne noch einmal von einem Pfeil Amors getroffen und bekam so das Gefühl zu lieben wieder. Daraufhin verliebte sie sich in Apoll. Doch leider ist sie nun immer noch ein Lorbeerbaum.“

Daphnes Gefühle nach der Verwandlung - eine Kurzerzählung

von Robert Lingner

„Ich wählte mir die Stelle unmittelbar nach der Verwandlung aus, da sie Daphnes missliche Lage, in der sie sich befindet, am besten beschreibt. Sie muss einsehen, dass sie nicht mehr weglaufen kann, jetzt, da sie die Gestalt eines Baumes angenommen hat.“

Daphne weint innerlich. Das war nicht die Art Verwandlung, die sie sich erhofft hatte. „Was soll ich mein restliches Leben lang tun? Ich bin in diesem Körper gefangen. Apoll hat gesiegt. Er kann mit mir anstellen, was er möchte. Wieso bloß, Vater?“ Sie litt unermesslich. Ihr Plan war es gewesen, ohne einen Mann zu leben. Alleine im Wald. Sich um sich selbst zu kümmern. Nichts von all diesem würde sich verwirklichen lassen. „Ich hasse ihn abgrundtief. Er sieht glücklich aus, glücklich, dass er mich endlich sein Eigen nennen kann. Und ich kann nichts dagegen unternehmen.“ Sie versuchte verzweifelt sich von ihren Wurzeln zu lösen. Vergeblich…

Eine Collage

von Brian Maksimowicz

„Die Collage zeigt die Geschichte in modernisierter Version. Die Szenen sollen Apolls Jagd auf Daphne und ihre Verwandlung in einen Baum widerspiegeln. Apoll trägt ein rot-blaues Spiderman-Outfit, das auf seine Heldenhaftigkeit hinweist. Dabei steht die Farbe rot, die sich sowohl in seinem Anzug als auch in dem Herz, das er hoch hält, sowie in der Rose wiederfindet, für Apolls Hingabe an Daphne. Daphne hingegen wird als weiß gekleidete Frau und gleichzeitig auch als prächtiger blau-grüner Baum dargestellt. Dadurch werden die zwei Sichtweisen, die Apoll im Lauf der Geschichte auf Daphne hat, gegenüber gestellt. Auch hier spielt die Farbe eine wichtige Rolle: Die Farbe weiß repräsentiert die Unschuld und die Reinheit Daphnes. Über dem Baum links fliegt Amor, der Apoll und Daphne zu Beginn der Geschichte mit jeweils einem Pfeil beschießt. Die Pfeile bewirken, dass Apoll Daphne liebt und diese jenen verabscheut.“

Eine Erzählung der Geschichte aus der Sicht Daphnes

von Elias Deufel

Daphne erinnert sich:

Ich weiß nicht, was mich gerade getroffen oder berührt hat. Es hat sich so angefühlt wie ein Stein oder ein Tier, das an mir vorbeigestreift ist. Was das wohl war? Ich weiß es nicht, aber auf jeden Fall fühle ich mich so, als hätte ich nur darauf Lust, alleine in den tiefen Wäldern zu sein und meine Ruhe zu haben. Was für ein Weg sollte also noch daran vorbeiführen? So gehe ich in den einsamen Wald und möchte dort ein neues Leben beginnen. Aber ich fühle mich ein wenig beobachtet. Ach was, das ist bestimmt nur Einbildung. Zuerst höre ich nur ein Geräusch, ich drehe mich danach um. Da kommt eine Gestalt auf mich zugelaufen. Und dann ist mir klar, wer gerade auf mich zu läuft. Es ist Apoll, der Gott des Lichtes, der Musik und der Weissagekunst. Wahrscheinlich war er es, der mich vorher beobachtet hat. Dann war es doch keine Einbildung. Dass er erschienen ist, passt mir im Moment überhaupt nicht. Ich möchte einfach nur für mich alleine sein, und jetzt das! Ich will wirklich nichts mit ihm zu tun haben, da renne ich wohl lieber so schnell weg, wie ich nur kann, koste es, was es wolle. Und Apoll? Läuft mir prompt hinterher! Ich kann mir schon denken, was er von mir will! Was macht er denn jetzt? Er beginnt eine Rede zu halten! Er versucht alles, um mich zu bekommen. Nichts ist langweiliger, als ihm zuzuhören. Das muss ich euch sagen. Er versucht es mit drei Strategien: Zuerst will er mich beschwichtigen, wobei er – so was von ungeschickt – lauter unpassende Vergleiche benutzt, zum Beispiel: „So wie du flieht ein Lamm vor dem Wolf.“ Er sagt, dass einzig und allein Liebe der Grund wäre, mich zu verfolgen, aber das dachte ich mir eh schon. Ich möchte nicht als Opfer in Apolls Armen enden, deswegen renne ich weiter. Danach versucht er mit allen Fähigkeiten, die er hat, aufzutrumpfen: Herrschaftsbereiche, Kultiviertheit, cooles Aussehen, Weissagekunst, Musik, Heilkunst und wie gut er mit dem Bogen umgeht. Natürlich darf auch nicht fehlen, was für einen Superdaddy er hat: Jupiter! Als ob ich so etwas toll finden würde! Das macht ihn doch bloß unsympathisch! Dann verfällt er sogar noch in Selbstmitleid, als er erkennt, dass er damit bei mir nicht durchkommt. Trotzdem ist er, obwohl er so viel daher redet, einfach schneller als ich. Wir laufen ja immer noch. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er mich endgültig eingeholt hat und schnappt. Wenn mir jetzt nicht sofort etwas einfällt, bin ich geliefert. Da kommt mir plötzlich DIE Idee: Ich will meine Gestalt, meine Schönheit verlieren. Ich lasse mich verwandeln! Dann könnte es sein, dass Apoll keine Lust mehr auf mich hat. Deshalb bitte ich jetzt meinenVater darum.

Während es Verwandlungsvorgangs hätte ich zu gerne Apolls Gesicht gesehen! Bestimmt war er sehr erstaunt darüber! Ich aber auch! Was ist das denn? Ein Baum! Ich bin ein Baum! Apoll scheint es nichts auszumachen. Was macht er denn da? Er küsst mein Holz und fühlt, dass mein Herz immer noch schlägt, obwohl ich fast schon ganz zum Baum geworden bin. Er will mich trotzdem haben, nach dem Motto: „Wenn du nicht meine Frau werden kannst, dann wirst du wenigstens mein Baum!“ Nun ja! Damit war ich letztendlich dann auch einverstanden, weil ich mir sowieso gewünscht hatte, eins mit der Natur zu sein, seit mich da irgend etwas getroffen oder berührt hat. Wenn ich auch nicht weiß, was es war…

Ein Lied geschrieben und vorgetragen von Lea Jira und Julia Sprengard

„Das Lied setzt ein, als Daphne sich in einen Baum verwandelt hat. Nun trauert Apoll um den Verlust der jungen Frau. Im ersten Teil des Liedes ist Apoll völlig verloren und weiß nicht, wie er mit der Situation umgehen soll. Im zweiten Teil erzählt er die Verfolgung Daphnes aus seiner Sicht. Im Refrain betrachtet er den Lorbeerbaum und erkennt darin die Schönheit Daphnes und beschließt, einen Teil ihrer neuen Gestalt immer mit sich zu nehmen. Aufgrund der traurigen Stimmung in dieser Szene haben wir uns die Melodie des Liedes „All of me“ von John Legend ausgesucht. Mit den humorvollen Elementen, wie zum Beispiel mit den Zeilen „Deine Haare sind nun Blätter / Doch die Rinde macht dich fetter“, wollten wir den Humor Ovids in seiner Darstellung widerspiegeln.“ Warum, Daphne?

Oh nein Daphne was ist nur geschehen Ich folgte dir zu dem Ort Wo soll ich ohne dich bloß hingehen? Den Verstand verloren Doch nun bist du Mein Herz gestohlen Der schönste Baum Und nun bist du ein Baum Deine Haare sind nun Blätter Doch die Rinde macht dich fetter Ich suchte nach dir im dichten Wald Deine Hand ein Ast Folgte dir ganz ohne Rast und Halt Hält nun jede Last Ich bin so verrückt Erst dein Fuß zum Schluss der Kopf Will nur noch dich Deine Schönheit von Zeh bis Schopf Doch du willst mich nicht Trotzdem lieb ich dich Ich hab dich beruhigt Nehm einen Teil von dir mit mir Doch du wolltest nur fort

Ein Interview mit Ovid Sprecher: Alessia Bögel, Martina Perkmann und Ege Celik

10a Latein, Deine Muttersprache, wird heute nicht mehr gesprochen. Wie empfindest Du es, dass diese Weltsprache, die Latein zu Deiner Zeit war, heute als gesprochene Sprache so gut wie tot ist? Ovid Das ist zwar sehr schade, aber mir ist natürlich klar, dass alles in der Welt einem steten Wandel unterliegt. Das gilt auch für die Sprachen. Und ganz tot ist Latein ja nicht. Ich habe viele Überrreste in den aktuellen Sprachen entdeckt, in Spanisch, Französisch, vor allem in Italienisch – eine wunderbare Sprache! –, sogar in Englisch und auch in Deutsch. 10a Das stimmt. Aber noch mehr ist die römische Kultur lebendig, so auch die Literatur. An Universitäten und Schulen werden Deine Werke z.B. immer noch gelesen, sogar in Latein. Und wir müssen sogar Prüfungen darüber schreiben! Hättest Du dieses Fortleben erwartet? Ovid So sicherlich nicht direkt, aber ich habe am Ende der Metamorphosen, im Epilog, geschrieben, dass mein Werk immer fortbestehen wird. Per omnia saecula vivam! Wenn ich mal kurz etwas in meiner Muttersprache dazu sagen darf… Wieso also nicht auf diese Art? Und wenn mich heute junge Menschen noch lesen, dann finde ich das beeindruckend und es freut mich wirklich sehr. Das mit den Prüfungen allerdings, das tut mir ein bisschen leid für euch. 10a Wie bist Du eigentlich dazu gekommen, Dich ausschließlich der Dichtung zu widmen? War Dein Vater damit einverstanden? Ovid Mein Vater wollte mich, wie damals üblich, zum Redner und Politiker ausbilden lassen, aber ich habe bald gemerkt, dass mir das nicht liegt. Und ich habe schon früh mein Talent zum Dichten entdeckt. Irgendwann war es so, dass alles, egal, was ich sagte, in Versform herauskam. So blieb ich schließlich bei der Dichtung, obwohl das nicht im Sinne meines Vaters war. Ich muss aber zugeben, dass mir die rhetorische Ausbildung eine Menge für meine Tätigkeit als Dichter gebracht hat. 10a Kommen wir zu Deinem Hauptwerk, den Metamorphosen. Warum hast Du Dir das Thema Verwandlungen ausgewählt? Und warum spielen in den erzählten Mythen „sex and crime“, Liebe und Macht, auch Gewalt, eine so herausragende Rolle? Ovid Die Welt ist so, wie sie ist. Alles ist in ständigem Wandel. Das erleben wir doch dauernd, wenn wir die Welt in ihren äußeren Erscheinungen betrachten. Diesen Wandel in Form von Sprache immer wieder neu darzustellen, das hat mich gereizt, das habe ich als große Herausforderung gesehen. Was die zweite Frage betrifft, müssen wir eingestehen, dass sich unsere menschlichen Grundeigenschaften und Grundverhaltensweisen im Kern wenig verändern. Und da spielen nun mal Liebe und Macht eine zentrale Rolle. Vieles scheint mir dabei eigentlich unerträglich. Ich glaube, Humor ist ganz wichtig, damit wir es doch ertragen können. Deshalb habe ich versucht, immer wieder humorvolle und komische Elemente in die Darstellung der Mythen zu integrieren. 10a Noch eine Frage zu den Metamorphosen, mit denen Du Dich ja sehr lange beschäftigt hast. Gibt es eine Lieblings- geschichte unter den 250 Mythen? Ovid Nein, ich denke, alle Mythen sind einzigartig. Die Darstellung ist mir bei allen sehr gut gelungen, so dass es unmöglich ist, eine besonders hervorzuheben. Sed de ioco satis est! Scherz beiseite! Wenn ich nachdenke, fällt mir schon ein Mythos ein, der es mir besonders angetan hat: Apoll und Daphne. Das ist eine Geschichte starker Emotionen, in der sich Tragik und Komik die Waage halten, in der auch die Rhetorik voll zu ihrem Recht kommt und in der Amor, der doch wohl einflussreichste Gott in unserer Welt, seine ganze Macht unter Beweis stellt. Also, Apoll und Daphne! Mein Favorit! Aber nicht schlecht sind auch die lykischen Bauern. Und aktuell, wenn ich an die heutige Flüchtlingsproblematik denke. Oder Daedalus und Icarus mit den Schwierigkeiten, die aus technischen Neuerungen hervorgehen können. Oder, um noch ein Beispiel zu nennen: Narcissus und seine Selbstverliebtheit und Egozentrik. Haben die Menschen dieses existentielle Problem schon überwunden? 10a Das passt gut. Wir haben uns nämlich auch sehr ausführlich mit dem Mythos von Apoll und Daphne befasst. Zwei Fragen haben sich für uns aus der Lektüre ergeben, die wir Dir gerne dazu stellen würden: Erstens: Bist Du eigentlich gläubig? Und hast Du einen Lieblingsgott? Und zweitens: Stimmt es, dass in dieser Geschichte eine Kritik an Kaiser Augustus, zu dessen Regierungszeit Du gelebt hast, versteckt ist? Ovid Gläubig bin ich höchstens insofern, als ich an Mächte glaube, die über uns Menschen stehen und die unser Leben entscheidend beeinflussen. Und da ich die Liebe für die wichtigste Macht halte, ist wohl Amor mein Lieblingsgott, obwohl das ein bisschen missverständlich klingt. Denn es gibt ja genügend Negatives, das von ihm ausgeht. Was das Dichten angeht, bin ich mir sicher, dass es da sozusagen eine Inspiration von oben bei mir gibt. Was Augustus angeht, na ja, vielleicht sollte ich nur soviel sagen: Im Zentrum steht das jedenfalls nicht. Wichtiger sind in der Darstellung des Mythos von Apoll und Daphne doch andere Dinge. 10a Wir würden trotzdem gerne noch bei diesem heiklen Thema bleiben: Deinem Verhältnis zu Augustus und Deiner Verbannung. Willst Du uns nicht doch verraten, weshalb Du Rom verlassen und ans Schwarze Meer ins Exil gehen musstest? Ovid Es ist soviel Zeit vergangen seitdem. Was soll ich sagen? Ich verstehe das Interesse an meiner Person. Aber mein Werk ist doch viel wichtiger. Also… Privates und Öffentliches haben da zusammengespielt. Und meine viel gelesenen Dichtungen und seine problematische Politik haben einfach nicht zusammengepasst. Und er war der Stärkere… 10a Wir vermuten, dass Du ein Mensch bist, der die Öffentlichkeit braucht, um seinen Lebenssinn zu verwirklichen. Deshalb muss das Exil für Dich ein harter Schlag gewesen sein. Wie war es denn im Exil? Ovid Furchtbar! Ja, es war hart. Keine Bibliotheken, kein Publikum für meine Dichtung und meine Familie weit weg! Außerdem eine völlig neue Sprache, die ich mir mühsam angeeignet habe, um sozial nicht ganz zu verarmen. Ich bin tatsächlich ein Mensch, der gerne im Mittelpunkt steht. Ich habe alles unternommen, um wieder in mein geliebtes Rom zurückkehren zu dürfen. Und dann dieses Wetter… Mich fröstelt heute noch, wenn ich daran denke. 10a Zum Schluss möchten wir noch einmal auf unsere heutige Zeit zurückkommen. Viele Menschen, v.a. Künstler jeder Art, Bildhauer, Maler, Musiker, haben Deine Metamorphosen so beeindruckend gefunden, dass sie sie hergenommen haben, um sie in ihrem Medium neu zu gestalten. Wir sind zwar keine Künstler, aber jeder von uns – wir sind immerhin 19! – hat zum Mythos von Apoll und Daphne etwas Eigenes hergestellt. Wir haben daraus ein kleines Buch gemacht. Das möchten wir Dir gerne als Geschenk überreichen. Zum Dank dafür, dass Du uns die Gelegenheit zu diesem Gespräch gegeben hast. Ovid Danke. Da bin ich richtig gespannt. Das werde ich gerne durchblättern. Übrigens, wie ist das: Kann man das auch in diesem sagenhaften Interrete anschauen? 10a Im Internet meinst du? Selbstverständlich! Auf der pagina domestica, auf der Homepage unserer Schule und auf der unserer Elternvertreter kannst Du Dir alles einfach und in Ruhe anschauen. Und anhören! Wir sind gespannt, was Du zur heutigen Aussprache des Lateinischen sagst. Ein Lied kannst Du da auch hören und ab sofort auch unser Interview. Das haben wir nämlich gerade aufgenommen. Ovid Na, dann werde ich ja wirklich ewig fortleben!

Auf der CD kann man sich Folgendes anhören: das Lied das Interview die Verse 543-566 im lateinischen Original (gelesen von Johannes Rieger)

Zum Schluss der lateinische Originaltext der Geschichte in Hexametern (Met. I 452-566)

von Ovid selbst

Primus amor Phoebi Daphne Peneia, quem non inpatiens expersque viri nemora avia lustrat, fors ignara dedit, sed saeva Cupidinis ira. 480 nec quid Hymen, quid Amor, quid sint conubia curat. Delius hunc, nuper victa serpente superbus, Saepe pater dixit “generum mihi, filia, debes,” 455 viderat adducto flectentem cornua nervo saepe pater dixit “debes mihi nata, nepotes:” “quid” que “tibi, lascive puer, cum fortibus armis?” illa, velut crimen taedas exosa iugales, dixerat, “ista decent umeros gestamina nostros, pulchra verecundo suffunditur ora rubore, qui dare certa ferae, dare vulnera possumus hosti, 485 inque patris blandis haerens cervice lacertis qui modo pestifero tot iugera ventre prementem “da mihi perpetua, genitor carissime,” dixit 460 stravimus innumeris tumidum Pythona sagittis. “virginitate frui: dedit hoc pater ante Dianae.” Tu face nescio quos esto contentus amores Ille quidem obsequitur, sed te decor iste quod optas inritare tua, nec laudes adsere nostras.” esse vetat. Votoque tuo tua forma repugnat: Filius huic Veneris “figat tuus omnia, Phoebe, 490 Phoebus amat visaeque cupit conubia Daphnes, te meus arcus:” ait “quantoque animalia cedunt quodque cupit, sperat, suaque illum oracula fallunt. 465 cuncta deo tanto minor est tua gloria nostra.” Utque leves stipulae demptis adolentur aristis, Dixit et eliso percussis aere pennis ut facibus saepes ardent, quas forte viator inpiger umbrosa Parnasi constitit arce vel nimis admovit vel iam sub luce reliquit, eque sagittifera prompsit duo tela pharetra 495 sic deus in flammas abiit, sic pectore toto diversorum operum: fugat hoc, facit illud amorem. uritur et sterilem sperando nutrit amorem. 470 Quod facit, auratum est et cuspide fulget acuta; Spectat inornatos collo pendere capillos quod fugat, obtusum est et habet sub harundine plumbum. et “quid, si comantur?” ait. Videt igne micantes Hoc deus in nympha Peneide fixit, at illo sideribus similes oculos, videt oscula, quae non laesit Apollineas traiecta per ossa medullas. 500 est vidisse satis; laudat digitosque manusque Protinus alter amat, fugit altera nomen amantis bracchiaque et nudos media plus parte lacertos. 475 silvarum tenebris captivarumque ferarum Siqua latent, meliora putat. Fugit ocior aura exuviis gaudens innuptaeque aemula Phoebes. illa levi neque ad haec revocantis verba resistit: Vitta coercebat positos sine lege capillos. “Nympha, precor, Penei, mane! Non insequor hostis: Multi illam petiere, illa aversata petentes 505 nympha, mane! sic agna lupum, sic cerva leonem, sic aquilam penna fugiunt trepidante columbae, alter in ambiguo est, an sit conprensus, et ipsis hostes quaeque suos: amor est mihi causa sequendi. morsibus eripitur tangentiaque ora relinquit: Me miserum! ne prona cadas indignave laedi sic deus et virgo est hic spe celer, illa timore. crura notent sentes et sim tibi causa doloris. 540 Qui tamen insequitur pennis adiutus Amoris, 510 Aspera, qua properas, loca sunt. Moderatius, oro, ocior est requiemque negat tergoque fugacis curre fugamque inhibe; moderatius insequar ipse. inminet et crinem sparsum cervicibus adflat. Cui placeas, inquire tamen. Non incola montis, Viribus absumptis expalluit illa citaeque non ego sum pastor, non hic armenta gregesque victa labore fugae spectans Peneidas undas horridus observo. Nescis, temeraria, nescis 545 “fer pater” inquit “opem si flumina numen habetis. 515 quem fugias, ideoque fugis. Mihi Delphica tellus Qua nimium placui, mutando perde figuram!” et Claros et Tenedos Patareaque regia servit, Vix prece finita torpor gravis occupat artus: Iuppiter est genitor; per me quod eritque fuitque mollia cinguntur tenui praecordia libro, estque patet; per me concordant carmina nervis. in frondem crines, in ramos bracchia crescunt, Certa quidem nostra est, nostra tamen una sagitta 550 pes modo tam velox pigris radicibus haeret, 520 certior, in vacuo quae vulnera pectore fecit. ora cacumen habet; remanet nitor unus in illa. Inventum medicina meum est, opiferque per orbem Hanc quoque Phoebus amat, positaque in stipite dextra dicor, et herbarum subiecta potentia nobis: sentit adhuc trepidare novo sub cortice pectus ei mihi, quod nullis amor est sanabilis herbis conplexusque suis ramos, ut membra, lacertis nec prosunt domino, quae prosunt omnibus, artes.” 555 oscula dat ligno: refugit tamen oscula lignum. 525 Plura locuturum timido Peneia cursu Cui deus “at quoniam coniunx mea non potes esse, fugit cumque ipso verba inperfecta reliquit, arbor eris certe” dixit “mea. Semper habebunt tum quoque visa decens. Nudabant corpora venti, te coma, te citharae, te nostrae, laure, pharetrae: obviaque adversas vibrabant flamina vestes, tu ducibus Latiis aderis, cum laeta triumphum et levis inpulsos retro dabat aura capillos, 560 vox canet et visent longas Capitolia pompas: 530 auctaque forma fuga est. Sed enim non sustinet ultra postibus Augustis eadem fidissima custos perdere blanditias iuvenis deus, utque monebat ante fores stabis mediamque tuebere quercum, ipse Amor, admisso sequitur vestigia passu. utque meum intonsis caput est iuvenale capillis, Ut canis in vacuo leporem cum Gallicus arvo tu quoque perpetuos semper gere frondis honores.” vidit, et hic praedam pedibus petit, ille salutem: 565 Finierat Paean: factis modo laurea ramis 535 alter inhaesuro similis iam iamque tenere adnuit utque caput visa est agitasse cacumen. sperat et extento stringit vestigia rostro, Und ganz zum Schluss noch ein paar Literaturhinweise für die, die gerne etwas zum genaueren Nachlesen hätten:

Textausgaben:

P. Ovidii Nasonis , edidit W. S. Anderson, Leipzig 41988 Ovid, Metamorphosen und andere Dichtungen mit Begleittexten, bearbeitet von Benedicter, K./Maier, F./Rieger, E., Bamberg 22004 Welt und Mensch im antiken Mythos. Ovid, Metamorphosen, bearbeitet von M. Dronia, Bamberg 2010 (mit Lehrerkommentar) Daphne, Narcissus, Pygmalion. Liebe im Spiegel von Leidenschaft und Illusion in Ovids Metamorphosen, bearbeitet von R. Henneböhl, Bamberg 2004 (mit Lehrerkommentar) Götter – Menschen – Mythen. Ovid, Metamorphosen, bearbeitet von C. Zitzl, Bamberg 2012 (mit Lehrerkommentar)

Übersetzungen:

Ovid, Metamorphosen, in deutsche Prosa übertragen sowie mit einem Nachwort, einer Zeittafel zu Ovid, Anmerkungen, einem Verzeichnis der Eigennamen und bibliographischen Hinweisen versehen von M. von Albrecht, München 61991 P. Ovidius Naso, Verwandlungen. Auswahl, Bearbeitung und Nachwort von W. Plankl unter Mitwirkung von K. Vretska, Stuttgart 1981 Publius Ovidius Naso, Metamorphosen, in deutsche Hexameter übertragen und herausgegeben von E. Rösch. Mit einer Einführung von N. Holzberg, München und Zürich 111988

Sekundärliteratur: von Albrecht, M., Ovid. Eine Einführung, Stuttgart 2003 Ovid, mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von M. Giebel, Reinbek bei Hamburg 1991 Holzberg, N., Ovid. Dichter und Werk, München 1997 Köhlmeier, M., Das große Sagenbuch des klassischen Altertums, München 22003