Festschrift Zum Jubiläum 45 Jahre Gleichstellung Von Frauen Und Männern Im Pfarramt in Der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg- Schlesische Oberlausitz
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Vorgängerinnen Der Weg von Frauen in das geistliche Amt Vorgängerinnen Der Weg von Frauen in das geistliche Amt Festschrift zum Jubiläum 45 Jahre Gleichstellung von Frauen und Männern im Pfarramt in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz Herausgegeben von Rajah Scheepers Vorgängerinnen Der steinige Weg von Frauen ins Pfarramt Es fing an mit einem Traum … der Reformationszeit predigten, Flugschriften und theo- logische Abhandlungen verfassten, geistliche Lieder Vor 500 Jahren träumte das erste Mal ein Mensch nach- dichteten, mithin als Theologinnen tätig waren. Doch weislich von einer Frau auf der Kanzel: die Reformatorin das Amt einer Pfarrerin sollte Frauen noch über 400 und Lieddichterin Elisabeth Cruciger, deren Lied „Herr Jahre lang verwehrt bleiben. Christ, der einig Gotts Sohn“ in unserem Gesangbuch steht. Tatsächlich sollte es noch über 400 Jahre dauern, ehe ihr Traum Wirklichkeit wurde: 1908 Zulassung von Die Theologinnenfrage Frauen zum Studium, 1920 erstes theologisches Examen einer Frau, 1943 erste Ordination einer Frau und schließ- Erst die Zulassung von Frauen zum Studium in Preußen lich 1974 die Änderung der Grundordnung unserer Kirche, im Jahr 1908 brachte die Frage auf die Tagesordnung, wie die Frauen und Männer im Pfarramt gleichstellen sollte. denn mit den Studentinnen der Theologie zu verfahren sei. Kirchliche Examina wie ihre männlichen Kommilito- nen abzulegen, wurde ihnen verwehrt und so wurde ih- Frauen im geistlichen Amt – nen schließlich gestattet, staatliche Prüfungen zu absol- immer noch eine Seltenheit vieren. Doch was dann? Für die evangelischen Kirchen in Deutschland war es selbstverständlich, dass eine Frau Inzwischen stehen Mädchen und Frauen nahezu alle Türen nicht das geistliche Amt innehaben könne. Und auch die offen. Unsere Landeskirche hat ein Mentoringprogramm Theologinnen waren sich untereinander uneins – sollten für Pfarrerinnen beschlossen und blickt man sich in deut- sie ein spezielles „Frauen-Pfarramt“ fordern, das sich schen, evangelischen Pfarrämtern um, könnte man den- um Frauen und Kinder kümmern könne, oder sollten sie ken: Pfarrerinnen, wohin man schaut. Doch tatsächlich ist das gleiche Pfarramt wie ihre Brüder in Christo anstre- es erst seit kurzem berufssoziologisch so, dass das evan- ben? Ende der 1930er-Jahre ging man dann vereinzelt gelische Pfarramt kein männlich dominierter Beruf mehr dazu über, Theologinnen wie Diakonissen einzusegnen, ist und weltweit sind die Kirchen deutlich in der Überzahl, also ihnen für einen sehr begrenzten Aufgabenbereich die Frauen den Zugang zum geistlichen Amt verwehren. innerhalb einer Gemeinde unter einem Pfarrer Aufgaben Und dies betrifft nicht nur katholische oder orthodoxe Kir- zu übertragen. chen, sondern auch lutherische Kirchen. In Lettland zum Beispiel wurde vor kurzem die Möglichkeit der Ordination von Frauen wieder abgeschafft, in Polen werden Frauen Ilse Härter – Die erste ordinierte von der lutherischen Kirche überhaupt nicht ordiniert und Theologin in Deutschland (1943) in Deutschland galt bis vor 45 Jahren für Pfarrerinnen die „Zölibatsklausel“. Das heißt, eine Pfarrerin, die hei- Als man 1939 der Theologin Ilse Härter ihre Einsegnung ratete, erhielt mit ihrer Heiratsurkunde zugleich ihre Ent- vorschlug, sagte sie den mutigen und bis dato wohl noch lassungsurkunde aus dem Dienst, war also plötzlich nicht von keiner Frau geäußerten Satz: „Sagen Sie dem Pres- mehr in der Lage, ihren erlernten Beruf auszuüben und byterium: Zu meiner Einsegnung werde ich nicht anwe- erhielt keine Bezüge mehr. Bis zu einer Scheidung oder send sein.“ Mit Erfolg: Am 12. Januar 1943 ordinierte bis zum Tod des Ehemannes. Präses Kurt Scharf aus Protest gegen die Bestimmungen Dies ist umso überraschender als der Reformator der übrigen Bekennenden Kirche, Theologinnen nur ein- Martin Luther selber vor 500 Jahren schrieb: „Denn was zusegnen, Ilse Härter und Hannelotte Reiffen in Sachsen- aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass hausen in das volle Pfarramt, im Talar – das hatte es bis es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, dato deutschlandweit noch nicht gegeben. Diese volle obwohl es nicht einem jeglichen ziemt, solch Amt aus- Ordination ins Pfarramt geschah zunächst als Akt des zuüben.“ Und so gab es auch zahlreiche Frauen, die in Widerstandes im Widerstand, da die Synode der Beken- 2 nenden Kirche im Oktober 1942 sich noch gegen die Or- dination von Frauen ausgesprochen hatte. Erst im Okto- ber 1943 gab der Bruderrat der Bekennenden Kirche in Preußen die Ordination von Frauen frei, woraufhin am 16. Oktober 1943 in Berlin-Lichterfelde Lore Schlunk, Anne- marie Grosch, Sieghild Jungklaus, Margarete Saar, Ruth Wendland und Gisela von Witzleben ordiniert wurden. Jubiläumsfeierlichkeiten und Wanderausstellung Die Ordinationen im Krieg durch die Bekennende Kirche waren die ersten Ordinationen von Frauen in Deutsch- land. 1974 erst erfolgte die Gleichstellung, die den Weg- fall der „Zölibatsklausel“ beinhaltete. Die Jubiläen im Jahr 2018 – 75 Jahre Ordination – und im Jahr 2019 – 45 Jahre Gleichberechtigung im Pfarramt – sind eine gute Möglichkeit, damit zu beginnen, die Lücke im kulturellen Gedächtnis unserer Landeskirche zu schließen und das Meike Waechter, Barbara Hustedt, Marita Lersner, Mag- Ergebnis der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. dalena Möbius, Dorothea Braeuer, Dr. Kerstin Menzel, Die Landeskirche hatte im Juli 2018 mich als Pfarre- Susanne Kahl-Passoth und Barbara Manterfeld-Wor- rin und habilitierte Kirchenhistorikerin gebeten, die Ge- mit. Nicht möglich gewesen wären Realisierung und schichte der Ordination und Gleichstellung von Frauen Umsetzung der Ausstellung ohne die vielen, vielen Ver- im geistlichen Amt zu erforschen. Den Auftakt bildete fasserinnen und Verfasser! Für inhaltlichen Rat danke ein Festakt in den Räumen der Theologischen Fakultät ich besonders dem Vorsitzenden des Vereins für Ber- zu Berlin: Zu diesem Festakt luden am 7. November 2018 lin-Brandenburgische Kirchengeschichte, Altpropst Dr. die Theologische Fakultät der Humboldt-Universität zu Karl-Heinrich Lütcke, sowie Professor Dr. D. Wolf Krötke. Berlin, die EKD und unsere Landeskirche ein. Den Fest- Der Graphiker Rüdiger Kern hat aus unendlich viel Ar- vortrag hielt der Dekan der Theologischen Fakultät, Pro- chivmaterial und Texten sowohl eine ansprechende und fessor Christoph Markschies. Die Präsidentin der Hum- leserliche Festschrift als auch eine wunderschöne Aus- boldt-Universität, Professorin Sabine Kunst, sprach ein stellung erstellt. Matthias Kindler schließlich danke ich Grußwort, Bischof Dr. Markus Dröge hielt einen Einfüh- für die Erstellung der Video-Clips, die über die QR-Codes rungsvortrag. erreichbar sind und unsere Bilder und Texte in die sozia- Den Abschluss bildet ein Festgottesdienst mit Emp- len Medien tragen. fang am 30.4.2019, bei dem die Wanderausstellung „Vorgängerinnen. Der Weg von Frauen in das geistliche Der größte Dank aber kommt denjenigen zu, die uns vor- Amt der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg- gegangen sind, damit auch wir als freie und gleichbe- schlesische Oberlausitz“ unter der Schirmherrschaft von rechtigte Menschen in dieser Kirche leben und arbeiten Bischof Dr. Markus Dröge und Präses Sigrun Neuwerth können – unseren Vorgängerinnern. eröffnet wird. Diese Tafeln, geschrieben von siebzehn Frauen aus Kirche, Diakonie und Theologie, sollen einige So wünsche ich mitten in der Osterzeit Aspekte unserer Geschichte sichtbar machen. eine anregende Lektüre und Spurensuche Rajah Scheepers Abschließender Dank Der Dank gilt schließlich neben dem Bischof unserem Propst, Dr. Christian Stäblein, der sich von Anfang an für dieses Projekt eingesetzt und mich ermutigt hat. Dan- ken möchte ich auch den Mitgliedern der „AG-Frauen- ordination“ im Konsistorium unter der Leitung von Dr. Hier geht’s Christina-Maria Bammel: Heilgard Asmus, Barbara Deml, zum Video 3 „Zu meiner Einsegnung werde ich nicht anwesend sein!“ Beharrlichkeit und Mut von Frauen auf dem Weg in das geistliche Amt1 Verehrte Gleichstellungsbeauftragte der EKD, Zahn-Harnack. Diese grundsätzliche Öffnung der Univer- liebe Präses unserer Synode, sitäten für Frauen garantierte dabei aber noch nicht den verehrte Frau Universitätspräsidentin, Anspruch auf Zulassung zu den universitären und staat- verehrter Herr Dekan, lichen Prüfungen oder gar den Eintritt in das Pfarramt. verehrte Theologinnen und Theologen, Bis 1919 gab es für Theologinnen außer der Promotion meine sehr verehrten Damen und Herren! keine Möglichkeit, einen regulären Abschluss ihres Stu- diums zu erreichen. 1920 legte hier die erste Theologin ein Fakultätsexamen ab, Ilse Kersten, unter dem Deka- Die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm schrieb 1874 in ihrer nat Adolf von Harnacks. Schrift „Die wissenschaftliche Emanzipation der Frau“: Es dauerte weitere Jahrzehnte, bis Frauen ins volle Pfarramt ordiniert wurden – ausnahmsweise geschah „Aber es wird ein Tag kommen, wo die Frau, der Nadel dies zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges, und diese Aus- und des Kochlöffels überdrüssig, die Geschlechtssym- nahmen versuchte die Kirche nach dem Krieg umgehend bole von sich wirft, wo sie, müde der abgedroschenen wieder rückgängig zu machen. Denjenigen Frauen, die Phrasen, mit denen sie bisher betrogen worden, dem mit einem Pfarrer verheiratet waren, wurde mitgeteilt, Despoten ‚Mann‘ den Gehorsam kündigen und Ge- sie seien ab nun keine Vikarinnen mehr, sondern unent- horsam fordern wird von denen, die ihr unterthan im geltlich tätige Pfarrfrauen. Die volle Gleichstellung von Geiste.