Paul Durand-Ruel Und Victor Chocquet – Zwei Frühe Förderer Der Impressionisten
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AUSSTELLUNG Paul Durand-Ruel und Victor Chocquet – zwei frühe Förderer der Impressionisten Réunion des musées nationaux, unter Landes für die Geschichte der Kunst bis 1960, wiss. Leitung von Sylvie Patry (Hg.) noch nicht besonders tief geschürft. Hier liegen Paul Durand-Ruel – Le pari de l’im - mittlerweile Erkenntnisse zu Sammlern wie Dr. pressionnisme. Paris, Réunion des Paul Gachet und Gustave Caillebotte oder Gale - musées nationaux 2014. 240 S., zahlr. risten wie Ambroise Vollard vor. Und beiderseits Abb. ISBN 978-2-7118-6191-0. des Rheins ist versucht worden, einer Reihe weite - € 35,00. Kat. zur Ausstellung, Musée rer Sammler und Kunsthändler des späten 19. und du Luxembourg, Paris, 9.10.2014– frühen 20. Jahrhunderts ein Gesicht (zurück) zu 8.2.2015; National Gallery, London, geben. Ähnliches gilt von den Kunstkritikern, den 4.3.–31.5.2015; Philadelphia Vermittlern zwischen Künstlern und Publikum, Museum of Art, 24.6.–13.9.2015 die für ihre Tätigkeit den Dialog mit Sammlern und Kunsthändlern suchten. Mariantonia Reinhard-Felice (Hg.) Victor Chocquet – Freund und Sammler der Impressionisten – Die Rekonstruktion der Aktivitäten fast all Renoir, Cézanne, Monet, Manet. dieser Exponenten zeigt oft nur grobe Konturen, München, Hirmer Verlag 2015. und nicht selten sind Archivalien, die das wesent - 248 S., zahlr. Abb. lich ändern könnten, nicht mehr erhalten oder ISBN 978-3-7774-2416-3. € 39,90. nicht zugänglich. Eine systematische Auswertung Kat. zur Ausstellung Sammlung diesbezüglicher Artikel, Meldungen und Inserate Oskar Reinhart „Am Römerholz“, in Zeitungen und Zeitschriften lockt kaum, obwohl Winterthur, 21.2.–7.6.2015 diese zum Sprechen gebracht werden könnten; nicht selten fehlt es insgesamt an Details, oft auch an Bildmaterial, manchmal an der Möglichkeit, sich auszutauschen oder gar ein Team zu bilden; es herrscht zudem Skepsis gegenüber dem Verhält - nis zwischen zeitlichem Aufwand und Erkenntnis - ie Geschichte des Kunstmarkts um gewinn. 1900 ist immer noch weitestge - Die Bilanz der seit den 1980er Jahren verstärkt Dhend Brachland. Obwohl einzelne betriebenen Aufarbeitung lange vernachlässigten Sammler und Kunsthändler der Moderne in den Terrains ist durchwachsen. Einerseits gibt es mitt - letzten Jahren häufiger als zuvor Themen von Aus - lerweile etablierte Einrichtungen wie das Deut - stellungen und Publikationen waren, bestätigen sche Kunstarchiv in Nürnberg und das Zentralar - die trotz allem übersichtlich gebliebenen Ausnah - chiv des internationalen Kunsthandels in Köln, die men die Regel: Wie man sich in Deutschland erst Material bereitstellen und selbst Initiativen ergrei - der Spitze des Eisbergs anzunehmen begonnen hat fen, es zu verwerten, sowie eine stattliche Reihe an – beispielsweise mit verdienstvollen Würdigungen Publikationen sowohl universitären als auch mu - eines Sammlers wie Karl Ernst Osthaus oder von sealen Hintergrunds. Andererseits bestehen nach Galeristen wie Paul Cassirer, Ludwig Gutbier oder wie vor Wissenslücken, die nicht zuletzt für die Heinrich Thannhauser –, hat man auch in Frank - seit nun etwa 20 Jahren bestehende neuere Prove - reich, angesichts der immensen Bedeutung dieses nienzforschung vor allem anfangs eine wahre Mi - 22 Abb. 1 Pierre Auguste Renoir, Paul Durand-Ruel, 1910. Öl/Lw., 65 x 54 cm. Paris, Privatbesitz (Ausst.kat. Paris 2015, S. 153, Kat.nr. 90) und zu dem namhaften Sammler Victor Choc- quet sehr zu begrüßen. UNERHÖRTES WAGNIS Der von der Réunion des musées nationaux (RMN) herausgegebe - ne Band erschien aus Anlass einer Ausstel - lung, die 2014/15 in Pa - ris, London und Phila - delphia gezeigt wurde, um mit 136 Katalog - nummern Paul-Marie Joseph Durand-Ruel (1831–1922) zu würdi - gen. Durand-Ruel gilt als der wichtigste Kunsthändler der Im - pressionisten und als ei - ne maßgebliche Figur des Pariser Kunst - markts der Moderne sere darstellten. Sie hat zwar seitdem auf die (Abb. 1) . So waren Monets Serien meistens erst - 1930er und 1940er Jahre konzentrierte Studien mals in seiner Galerie zu sehen, bevor sie andern - hervorgebracht, obwohl sie wenig Anknüpfungs - orts für Entsetzen oder Begeisterung sorgten. punkte hatte, doch den Mangel an Einsichten zu Nachdem Durand-Ruel sich in den 1860er und den Boom-Jahren des Kunstmarkts um 1900 frühen 1870er Jahren zunächst besonders für selbst, auf die immer wieder rekurriert werden Landschaften und Stilleben der Schule von Barbi - muss, konnte sie naturgemäß nicht grundlegend zon und des Realismus interessiert hatte – seine beheben. Das durch verhältnismäßig wenige Ein - Leidenschaft für die von ihm so bezeichnete „belle zelstudien erzeugte Gesamtbild ist noch schemen - école de 1830“ war eine dauerhafte –, wandte er haft. Um es zu schärfen, sind weitere Forschungen sich Manet und den jüngeren Malern wie Monet nötig – hier ist durchaus auch an Masterarbeiten und Renoir zu, kaufte ihnen Werke ab und stellte zu denken. Vor diesem Hintergrund sind die bei - sie aus. Doch was sich aus heutiger Sicht so unbe - den unlängst erschienenen Publikationen zu dem kümmert anhört, war in den 1870er Jahren ein un - bedeutenden Kunsthändler Paul Durand-Ruel erhörtes Wagnis: Im Titel des Katalogs Paul Du - 23 AUSSTELLUNG rand-Ruel – Le pari de l’impressionnisme spielt der Nationalgalerie vermittelt zu haben. Der Manet „pari“, der Einsatz bei Spielen oder Wetten, auf stellt den ersten direkten Verkauf Durand-Ruels das Risiko an, auf den keineswegs sicheren zu - an ein europäisches Museum dar; der Cézanne ist künftigen Erfolg einer Sache zu setzen. Durand- das erste Gemälde des Künstlers, das weltweit in Ruels Investitionen wurden in der Tat als Wahn - ein Museum gelangte. sinn belächelt, zumal er lange kaum Abnehmer Die Galerie Durand-Ruel, die nacheinander dafür fand, weder in Paris noch im europäischen verschiedene Adressen in Paris hatte, so an der Ausland. Seine Strategie ging erst in den 1890er Rue de la Paix und zuletzt an der Avenue de Fried - Jahren auf, als sich das Interesse an der Erwerbung land, vor allem aber mit ihrem langjährigen von impressionistischer Kunst verstärkte. Zu die - Stammhaus an der Rue Laffitte verbunden wird, ser Zeit hatte Durand-Ruel bereits hervorragende schloss 1974. Seither haben die Nachkommen ihr Kontakte nach London und Berlin geknüpft; 1887 Archiv – Korrespondenzen und Inventare mit Re - gründete er eine Dependance in New York. In gistern und Konkordanzen – gepflegt und zu For - Deutschland ist er dafür bekannt geworden, Hugo schungszwecken genutzt. Der jetzt vorliegende von Tschudi 1896 einen kapitalen Manet, Dans la Band, eine erste umfassende Auswertung des Ar - serre (Abb. 2) , und 1897 einen bedeutenden Cé - chivs, fußt auf Vorarbeiten, enthält aber auch zahl - zanne, Le Moulin sur la Couleuvre à Pontoise , an die reiche Informationen, die eigens aus Anlass der Abb. 2 Édouard Manet, Dans la serre, 1879. Öl/Lw., 115 x 150 cm. Berlin, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Ber - lin (Ausst.kat. Paris 2015, S. 123, Abb. 85) 24 Abb. 3 Paul Cézanne, Por - trait de Victor Chocquet as - sis, 1877. Öl/Lw., 45,7 x 38,1 cm. Columbus Museum of Art (Ausst.kat. Winterthur 2015, S. 157, Kat.nr. 17) Ausstellung recher - chiert wurden. Damit ist eine Grundlage ge - legt, das Archiv auf lan - ge Sicht einer öffentli - chen Pariser Institution zu übereignen; ob dies gelingt, bleibt abzu - warten. MERKWÜRDIGE BEHAUSUNG Als erfolgreicher Ge - schäftsmann pflegte Durand-Ruel Umgang mit der Bohème und unterstützte deren pro - gressive Vorstellungen von einer modernen Gesellschaft. Privat war der sehr früh, mit 40 Jahren, Witwer gewordene chern 1898–1901 täglich, dann an einem wöchent - Vater von fünf Kindern ein Nostalgiker, der die lichen jour fixe , nämlich dienstags, offen. Sie galt (Dritte) Republik als dekadent empfand. Die poli - zu einer Zeit, als der Impressionismus noch nicht tischen Kontakte, die er als überzeugter Royalist anerkannt war, als „wunderbarstes Museum zeit - pflegte, waren ebenso Ausdruck dieser Haltung genössischer Malerei, das man sich in Frankreich wie das Mobiliar, mit dem er lebte. Unter rocaille - vorstellen kann“ (so Georges Lecomte 1892, vgl. verziertem Stuckplafond hingen Kristalllüster, Kat., 14). Tatsächlich gab es in Paris lange keinen welche Fauteuils, wie sie im Ancien Régime Mode Ort, schon gar nicht ein Museum, an dem die heu - waren, ins rechte Licht rückten. Die Wände aber te längst zu Klassikern avancierten Werke perma - waren Bildern vorbehalten, denen er die Treue ge - nent zu sehen waren. Das änderte sich erst 1897, schworen hatte: „Eine merkwürdige Behausung mit der Eröffnung jener Säle im Musée du Luxem - eines Kunsthändlers des 19. Jahrhunderts ist die bourg, in denen fortan Gemälde aus der Kollektion von Durand-Ruel“, notierte Edmond de Goncourt Caillebotte präsentiert wurden, bevor sie später 1892: „Eine riesige Wohnung an der Rue de Rome, ins Jeu de Paume der Tuilerien, dann ins Musée vollgestopft mit Bildern von Renoir, Monet, Degas d’Orsay gelangten. usw., mit einem Schlafzimmer, über dessen Bett Der Katalog enthält einen hilfreichen Apparat ein Kruzifix hängt.“ (u. a. mit einer Zeittafel, einem Verzeichnis selbst Durand-Ruels Wohnung an der Gare Saint- der „Flachware“ und einem Personenregister), der Lazare stand an der Moderne interessierten Besu - außerordentlich präzise, ja vorbildlich angelegt ist, 25 AUSSTELLUNG sowie zehn Aufsätze, die dem Leben und Wirken ihm dabei, an der Themse Fuß zu fassen, ebenso des namhaften Kunsthändlers gewidmet sind. Die wie die Präsenz Pariser Künstler, die auch zumeist RMN zeigt einmal mehr, wie ein perfekter,