Verbier Festival Chamber Orchestra Mittwoch, 08.12.2010 · 20.00 Uhr
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Verbier Festival Chamber Orchestra Mittwoch, 08.12.2010 · 20.00 Uhr So klingt nur Dortmund. VERBIER FESTIVAL CHAMBER ORCHESTRA GÁBOR TAKÁCS-NAGY DIRIGENT KIRILL TROUSSOV VIOLINE DAVID AARON CARPENTER VIOLA DAVID GUERRIER TROMPETE Abo: Solisten II – Höhepunkte der Kammermusik In unserem Haus hören Sie auf allen Plätzen gleich gut – leider auch Husten, Niesen und Handy- klingeln. Ebenfalls aus Rücksicht auf die Künstler bitten wir Sie, von Bild- und Tonaufnahmen während der Vorstellung abzusehen. Wir danken für Ihr Verständnis! 2,50 E 4 I 5 Johannes Brahms Gemälde von Ludwig Michalek, 1891 GIUSEPPE VERDi (1813 – 1901) Streichquartett e-moll (1873) Fassung für Kammerorchester Allegro Andantino Prestissimo Scherzo fuga. Allegro assai mosso ASTOR PIAZZOlla (1921 – 1992) »Cuatro estaciónes porteñas« (»Die vier Jahreszeiten«) (1970) Fassung von Leonid Desyatnikow, bearbeitet für Viola und Kammerorchester von David Aaron Carpenter Verano Porteño Otoño Porteño Invierno Porteño Primavera Porteña – Pause ca. 20.50 Uhr – RODION SCHTSCHEDRIN (GEB. 1932) Concerto parlando für Violine, Trompete und Streicher (2004) Allegro moderato Lento assai Allegro ma non troppo JOHANNES Brahms (1833 – 1897) »Liebesliederwalzer« op. 52 (1869) Fassung für Streicher von Friedrich Hermann – Ende ca. 22.00 Uhr – 6 I 7 PROGRAMM 8 I 9 KOMPOSITIONEN IN NEUEM GEWAND die Komposition ging, sie im privaten Kreis, im Albergo della Crocelle, wo er logierte, uraufführen ORIGINAL UND BEARBEITUNG ließ. Dass er das Werk überhaupt schrieb, damals im Frühjahr 1873 in Neapel, war einzig der In- disposition einer Primadonna geschuldet. Verdi war für die Aufführung der »Aida« angereist, doch Umarbeitung, Transkription, Arrangement – seit jeher ist das Werk eines Komponisten nur be- die tschechische Sopranistin Teresa Stolz sah sich zunächst nicht in der Lage, die Rolle zu singen. dingt sakrosankt. Mancher Tonschöpfer hat selbst Hand angelegt, wie Beethoven etwa, der aus Beim Warten im Hotel griff der Maestro zur Feder. Das Quartett schien ein Gelegenheitswerk, ein seinem Violinkonzert eines für Klavier und Orchester formte. Andere wilderten gerne in fremdem rasch skizzierter Beitrag zur Gattung. Doch Verdi hatte unüberhörbar die Tradition, die Meisterschaft Terrain, um des Effektes willen. Denken wir nur an Liszt, dessen Transkriptionen und Paraphra- eines Haydn, Beethoven oder Mendelssohn durchaus im Kopf. Zugleich aber sparte er nicht mit raf- sen das belcantistische oder dramatische Opernwerk eines Rossini oder Bellini, eines Verdi oder finiertenA nklängen an sein eigenes Schaffen. Der Beginn des ersten Satzes etwa: Klingt das nicht Wagner in wilder Virtuosenmanier Salon-fähig machten. Und nicht zuletzt zeigt ein Klavierwerk wie eine »Aida«-Reminiszenz? Oder die Cellokantilene im Scherzo – schönste Opernlyrik. Schließ- wie Mussorgskys »Bilder einer Ausstellung« prächtiges Bearbeitungspotenzial – in Form der lich das Fugato-Finale: Mancher sieht darin eine Vorstufe zum Falstaff (»Alles ist Spaß auf Erden«). Instrumentierungen von Maurice Ravel oder des Dirigenten Leopold Stokowski, in der rockigen Fest steht indes eines: Verdis Bekenntnis, sich eine Aufführung mit 20 Spielern pro instrumentaler Variante der Band Emerson, Lake & Palmer oder im Elektromix des japanischen Synthesizer- Stimme vorstellen zu können (geplant für London), zeugt von Pragmatismus. Doch der Maestro Gurus Tomita. argumentiert auch musikalisch: Eine Bearbeitung sei sinnvoll, »weil es Phrasen gibt, die eher einen vollen und fetten Klang verlangen als den dünnen einer einzigen Violine«. Immer waren diese »Verfremdungen« Spiegel ihrer Zeit. Die Instrumental-Akrobaten des 19. Jahrhunderts etwa verlangten nach Futter, um in der Gesellschaft reüssieren zu können. Anderer- seits kam es den Komponisten selbst oft gelegen, wenn neue Besetzungen und damit veränderte VIER JAHRESZEITEN Aufführungsmöglichkeiten dazu beitrugen, ihre Musik zu verbreiten. Das sah Giuseppe Verdi ganz ASTOR PIAZZOLLA »CUATRO ESTACIÓNES PORTEÑAS« pragmatisch mit Blick auf sein einziges bedeutendes Instrumentalwerk, das Streichquartett. Jo- hannes Brahms wiederum hat bei den Liebesliederwalzern um die Besetzung geradezu gerun- So sehr sich Verdi in Sachen Streichquartett zierte, so wenig konnte sich Astor Piazzolla zunächst gen. Und bei Astor Piazzolla, dem Erneuerer des Tango rioplatense, beherrschte das Arrangement mit dem Tango anfreunden. Dieser Tanz war Ende des 19. Jahrhunderts in den ärmlichen Einwan- die Szene, nicht zuletzt bedingt durch die Vielfalt der Instrumental-Ensembles. Einzig bei Rodion derervierteln von Buenos Aires entstanden, ein Schmelztiegel lateinamerikanischer, kreolischer Schtschedrin heißt es: »Was man schreibt, ist unantastbar.« und europäischer Musik. Seinen Ruf als laszive Vergnügung eines anrüchigen Unterschichten-Pu- blikums konnte er erst in den 1930er-Jahren ablegen: Sänger und Instrumental-Ensembles mach- ten den Tango in den Salons hoffähig. Astor Piazzolla allerdings, der mit seinen Eltern zunächst ELEGANTE SPIELEREI nach New York auswanderte, interessierte sich eher für den Jazz, und sowieso war für ihn Johann GIUSEPPE VERDI STREICHQUARTETT E-MOLL Sebastian Bach der alles Überragende. Es hat lange gedauert, bis Piazzolla aus Überzeugung den Weg zum Tango fand, um ihn dann zu revolutionieren. Giuseppe Verdi also, der Schöpfer eines Streichquartetts. Der Meister des dramatisch Opernhaften auf unerforschtem Terrain. Im Reiche der hehrsten aller Kammermusikgattungen, der sich im Ita- 1936 kehrte die Familie nach Buenos Aires zurück, in den USA hatte sie nur schwer Fuß lien des 19. Jahrhunderts lediglich so unbedeutende Kleinmeister wie Ferdinando Giorgetti oder fassen können. Astor Piazzolla wurde Bandoneon-Spieler, zunächst im Orchester von Anibal Antonio Bazzini widmeten. Selbst die Gründung der Societá del Quartetto in Florenz, 1861 durch Troilo. Parallel dazu aber stand das Studium bei Alberto Ginastera, einem der bedeutendsten den Musikkritiker Abrama Basevi vorangetrieben, vermochte die brachliegende Instrumentalmu- lateinamerikanischen Komponisten. Und bald begann Piazzollas Laufbahn als Unterhaltungsmu- sikpflege nicht zu beleben. siker, der zudem »ernste« Musik schrieb. Die Wende wurde 1954 eingeleitet: In Paris führte ihn die gestrenge, berühmte Lehrerin Nadja Boulanger zu seinen Wurzeln. Ein Jahr später, mit der Verdi selbst wollte damit nichts zu tun haben. Er hatte Skrupel, wie ein Brief an den Verleger Gründung des Octeto Buenos Aires, läutete Piazzolla die Geburt des Tango Nuevo ein. Von den Ricordi belegt: »Du weißt, dass ich […] überhaupt nichts von jener Musik verstehe, die die Ge- Traditionalisten wurde er angefeindet, doch spät, mit 50 Jahren, gelang ihm der künstlerische lehrten als klassische taufen«, schrieb der Maestro. Kein Wunder, dass Verdi mit spitzen Fingern an Durchbruch. 10 I 11 WERKE Die »Cuatro estaciónes porteñas« schuf er unabhängig voneinander in den Jahren 1964 bis klingen, als fielen betrunkene Soldaten die Treppe herunter. Der zweite Satz steht in starkem, 1970. Stimmungsbilder sind es, aber keine Tonmalereien. Gut zu hören sind die neuen Spiel- melancholischem Kontrast dazu. Doch dies bleibt Episode, unmittelbar bricht das atemlose techniken, die Piazzolla einführte, etwa stechende Streicher-Akzente in hoher Lage, Glissandi des Finale herein, eine wilde, verwegene Jagd zwischen Violine und Trompete. Jazz-Idiome blit- Ensembles oder die große Bedeutung des Perkussiven. Aber natürlich klingt der Tango durch – mit zen auf, ein wenig klingt es nach Zigeunerweise. Der humoristische Grundton des Satzes seiner pulsierenden Rhythmik, mit Zäsuren und Brüchen und nicht zuletzt mit Soli von üppiger verweist auf Hurrels Einschätzung, die Essenz des Stückes gleiche einer geradezu spitzbü- Wehmut. 1970 wurde das Werk erstmals zyklisch aufgeführt, zum zehnten Geburtstag seines bischen Freude. Quinteto, bestehend aus Bandoneon, Violine, Gitarre, Klavier und Kontrabass. Piazzolla verstand den Zyklus im Übrigen auch als Hommage an Antonio Vivaldi. Im »Winter« lässt der Argentinier die Welt des barocken Meisters anklingen. IM DREIVIERTELTAKT JOHANNES BRAHMS »LIEBESLIEDERWALZER« OP. 52 DIALOGISCHES TREIBEN Spitzbübische Freude – solcherart Gemütszustand lag Johannes Brahms wohl zeitlebens fern. RODION SCHTSCHEDRIN CONCERTO PARLANDO FÜR VIOLINE, TROMPETE UND STREICHER Viele Biografen feiern es bereits als eine Sensation, was der Komponist über seine »Liebes- liederwalzer« op. 52 im Jahr 1869 schrieb: »Ich will gestehen, dass ich bei der Gelegenheit Waren die Anklänge Piazzollas an Vivaldi eine ehrfürchtige Verneigung aus historischer Distanz, zum ersten Mal gelächelt habe beim Anblick eines gedruckten Werkes von mir«, heißt es in darf das Concerto parlando, 2004 vom damals 72-jährigen Rodion Schtschedrin komponiert, in einem Brief an seinen Verleger Simrock. Diese Schmunzelei aber sollte bald der schwierigen gewisser Hinsicht als Gedenken an den großen Landsmann Dmitri Schostakowitsch gesehen wer- Frage weichen, was denn wohl die schönste und wirkungsvollste Besetzung sei für diese den. Martin Hurrell jedenfalls, Trompeter der Uraufführung, sprach von der Vorbildfunktion von »Liebeslieder, Walzer für das Pianoforte zu vier Händen (mit Gesang ad libitum) op. 52«, wie Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streicher. der Originaltitel lautet. Rodion Schtschedrin wurde am 16. Dezember 1932 in Moskau geboren und studierte in Brahms sah in seinem Werk, in dieser Vertonung eines Liederbuchs von Georg Friedrich Dau- den 50er-Jahren am dortigen Konservatorium Komposition und