Wandel Im Wetterstein
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Unterwegs IM WETTERSTEIN Impressionen von Deutschlands höchstem Punkt: Nur wenige Bergbegeisterte unter den Tausenden von Seil- bahnfahrern mühen sich weiter zum goldenen Gipfelkreuz der Zugspitze. Ein verschachtelter Gebäude- komplex, der auch eine Wetter- station beherbergt, zeugt davon, daß die Gipfelzone fest in menschlicher Hand ist. Wo einst der erste Meteorologe Enzensperger vor hundert Jahren ein einsames und karges Dasein fristete, tummeln sich heute all- jährlich zahllose Touristen. Foto: Stefan Herbke (3), Bernd Ritschel (M.u., r.u.) Stefan Herbke (3), Bernd Ritschel Foto: Von KONRAD KIRCH WANDELWANDEL IM IM WETTERSTEIN WETTERSTEIN Das Wettersteingebirge weckt viele Assoziationen: Zugspitze, Alpspitz-Ferrata, Jubigrat, Partnachklamm und Oberreintal. Es bietet faszinierende Wanderun- gen, gemütliche Hütten und atemberaubende Fels- kulissen. Pflege der Tradition und steter Wandel durch die Arbeit der Sektionen Garmisch-Partenkirchen und München vollziehen sich eher im Hintergrund. Zeit für einen Blick hinter die Wetterstein-Kulissen. DAV Panorama 17 Unterwegs IM WETTERSTEIN ie Zugspitze ist nicht nur der Unumstritten war der Bau des Münch- schließlich nur noch von der Zugspitze höchste Gipfel des Wetter- ner Hauses schon vor 102 Jahren nicht,denn überragt. Diesen Grat von der Riffelscharte steingebirges,sondern bekannt- er führte bekanntlich zur Abspaltung der zur Zugspitze könnte man in nicht über- DDlich auch der Kulminationspunkt Sektion Bayerland von der Erbauersektion mäßig schwieriger,aber ziemlich brüchiger Deutschlands und dazu ein ganz merkwür- München. Heute kann man das Münchner und alpiner Kletterei durchsteigen,aber das diger,um nicht zu sagen surrealistischer Ort. Haus natürlich auch schlicht als „Sperr- traut sich heute im Sommer niemand mehr, Drei lange Grate laufen hier zusammen,und grundstück“ ansehen, denn sonst gäbe es denn in der Südflanke unterhalb verläuft der mit drei Seilbahnen, von denen eine ihre hier vielleicht schon ein Neuschwanstein Höllentalanstieg auf die Zugspitze über das Passagiere mit einer Zahnradbahn zugeführt aus Plastik. Direkt unterhalb des Münchner „Brett“,und der ist dermaßen stark frequen- bekommt, erreichen Tausende von Touri- Hauses steht eine riesige, glasüberdachte tiert,daß jeder am Grat oberhalb losgetrete- sten diesen eigenartigen Platz. Lauter Halle. Sie beherbergt Telekommunikations- ne Stein eine Trefferwahrscheinlichkeit „Wunder der Technik“, auf die man mal so einrichtungen,die,nach heutigem Stand der zwischen 99 und 100 Prozent hätte. richtig stolz war. Technik miniaturisiert,wahrscheinlich in ei- nem Büroschrank Platz hätten, den man Zwischen Bayern und Tirol Zugspitzgipfel noch zusätzlich in die ans Münchner Haus Der südliche der drei Grate ist der längste Auf diesem Gipfel gibt es nicht nur einen angelehnte Wetterwarte stellen könnte. und verläuft vom Zugspitzgipfel zuerst nach Andenkenkiosk – dem Vernehmen nach be- Diese Wetterwarte ist seit Beginn des Jahr- Süden um das Platt herum,biegt dann an der trieben von einer großen Münchner Alpen- hunderts – und trotz aller Computerisierung Südlichen Wetterspitze nach Osten und en- vereinssektion –, wo man neben Ansichts- und Automatisierung auch heute noch – det nach gut 25 Kilometern und 36 Gipfeln karten, Bierkrügen und anderem entsetzli- rund um die Uhr das ganze Jahr über be- an der Unteren Wettersteinspitze über chen Kitsch sogar einen sogenannten setzt.Hier hatte der erste Wetterbeobachter Mittenwald. Es gibt nur wenige Übergänge Jodelbären kaufen kann. Es gibt innerhalb Enzensperger im Jahre 1900 ganz allein über diesen Grat und nur über zwei – das der Gipfelbauten auch einen eigenen,hoch- überwintert. Gatterl unterhalb des Zugspitzplatts und das modernen und architektonisch anspruchs- Lassen wir den Gipfel mit seinen drei Dreitorspitzgatterl mit der Meilerhütte – voll gestalteten Ausstellungsraum, in dem Seilbahnen und wenden uns anderen Zielen führt ein Weg.Die Südseite der das Platt um- man das ganze Jahr über Kunstausstellungen zu: den drei Graten und später dann den rahmenden Gipfel bricht in gewaltigen, fast von beachtlichem Niveau geboten be- Tälern zwischen ihnen,den Hütten,die dort 2 000 Meter hohen Wandfluchten ab.Es gibt kommt. Außerdem findet sich ein Schnell- liegen, den Wegen und Wanderungen und hier etliche Kletterrouten, die allerdings so restaurant im Jodlerstil, aber auch eine ech- den vielen anderen Gipfeln. brüchig sind, daß man sich darin fast nicht te Berghütte. Dieses mit Lärchenschindeln zu räuspern wagt. Eine recht bekannte und verkleidete „Münchner Haus“ mit dem Die drei großen Grate für meinen Geschmack auch recht schöne Hausnummernschild „Garmisch 1“ ist eine Der nördlichste der drei Grate ist der Tour ist die 1 800 Meter hohe Wetterkante richtig gemütliche Alpenvereinshütte. Die Waxensteingrat,dessen östlichster Ausläufer mit nur einer Stelle des Schwierigkeits- Familie Barth bewirtschaftet sie in der drit- von Garmisch aus ein eindrucksvolles Bild grades V – für Sportkletterer ist sie schlicht ten Generation, und der jetzige Wirt abgibt und dementsprechend auch auf fast „ein Schutthaufen“. Sogar eine extreme Hans–Jörg Barth versteht es,rauh aber herz- jeder Ansichtskarte zu sehen ist. Zu den Skiabfahrt gibt es in dieser Südflanke, ge- lich hier oben ein Stück Bayern im schön- Gipfeln dieses Grates bis zur Riffelscharte nauer gesagt, in dem sie durchziehenden sten Sinne zu zelebrieren. Man fragt sich gehören der Zwölferkopf mit der (meiner Kar „Neue Welt“. Allerdings ist dabei eine manchmal, was diese Hütte, was überhaupt unmaßgeblichen Ansicht nach zu Unrecht kurze Abseilstelle zu überwinden. Das der Alpenverein hier noch zu suchen haben. so berühmten) „Zwölferkante“,Kleiner und Gratstück vom Gatterl bis zu den Wang- Das ist schwer zu erklären,man kann es aber Großer Waxenstein, die Schönangerspitze scharten oberhalb von Leutasch ist wild zer- an Ort und Stelle spüren.Wenn abends die und die Riffelspitzen. Sie sind nicht sehr klüftet und wird kaum begangen. Auf der letzte Seilbahn die Bergstation verlassen hat, hoch – so um die 2 200 Meter – aber doch Nordseite liegen einige Kare,von denen vor dann kehrt hier eine himmlische Ruhe ein hoch genug, um dem Besteiger den allem die Hundsställe von herber Schönheit – das Hotel auf der österreichischen Seite Eindruck zu vermitteln, dort mitten im ho- sind. Man trifft hier Gemsen und im beherbergt sowieso keine Gäste mehr – und hen Gebirg‘ zu sein. Es ist hier ähnlich wie Hochsommer auch Schafe und einmal in der man ist plötzlich wieder „im richtigen beim Trekking im Himalaja: Der Blick von Woche vielleicht den Schäfer.Sonst nieman- Gebirg’“. den Vorbergen auf die großen Gipfel, be- den. Höchster Gipfel in diesem Gratab- sonders,wenn sie zum Greifen nahe sind,ist schnitt ist der Hochwanner. eigentlich schöner als umgekehrt.Während Der Hochwanner hat eine 1 800 Meter der Blick von den Waxensteinen nach hohe, jäh ins Reintal hinabstürzende Nord- Norden ins Tal vor allem auf Kasernen, wand, die 1937 Schauplatz eines Dramas High-Tech und Naturerlebnis am Tennisplätze und Schwimmbäder fällt, hat war: Eine Münchner Seilschaft wurde vom Zugspitzgipfel: man, wenn man nach Süden blickt, das Wettersturz überrascht und überlebte sie- Eine magische Stimmung umfängt den ein- ganze Panorama von Alpspitze,Hochblassen ben Tage lang unter dramatischen Um- samen Betrachter der Bergwelt am Abend, und den drei Höllentalspitzen bis zur ständen. Sie wurde schließlich von einem wenn die Besuchermassen wieder mit der Zugspitze vor Augen. Und dieses Panorama Trupp der Bergwacht unter Leitung von Seilbahn ins Tal entschwunden sind. Während der große Touristenstrom schnell kann, besonders im Frühsommer und nach Ludwig Gramminger geborgen. Diese Akti- in den Restaurationsräumen verschwindet, Neuschneefällen, wirklich atemberaubend on war die erste wirklich spektakuläre sind die wahren Naturmenschen noch auf sein. Jenseits der Riffelscharte werden die Rettungsaktion von Gramminger, dem spä- dem Weg zum Gipfel. (2), Heinz Zak (u.) Bernd Ritschel Fotos: Gipfel dann höher,und ab der Irmerscharte ter Ähnliches in der Eiger-Nordwand gelin- 18 DAV Panorama Nr. 3/1999 Nr. 3/1999 DAV Panorama 19 Unterwegs IM WETTERSTEIN Bei winterlichen Verhältnissen ist der Jubiläumsgrat immer noch eine anspruchsvolle Unternehmung für erfahrene Bergsteiger. Morgenstund hat Gold im Mund, hier für Kletterer, die zu den Südwänden des Wie ein gewaltiger Drachenrücken windet sich der lange Grat bis zu seinem Kulminationspunkt am Zugspitzgipfel. Schüsselkars unterwegs sind. Die Meilerhütte, einer der traditionsreichsten Stützpunkte des Alpenvereins im Der einsame Gipfel des Hochwanner belohnt den Bergfreund mit einer großartigen Aussicht auf die naheliegenden Mieminger Berge. Wetterstein, aus der Froschperspektive. gen sollte. Der Überlebende von 1937, der Schüsselkar-Südwand ist einer der großen West, dessen östlicher Teil Blassengrat Die Alpspitze – Vuzem Erwin, hat übrigens die Tour zu sei- Schauplätze der Alpinhistorie, über die ein genannt wird (er endet am Hochblassen), Wahrzeichen von Garmisch nem 60. Geburtstag vor nun schon elf Jah- Berufenerer in diesem Heft berichtet und der sich dann als „Jubiläumsgrat“ über Dem Hochblassen vorgelagert ist die Alp- ren zusammen mit dem Gramminger (s. Portrait S.39). Weiter nach Osten zieht die Vollkarspitze und die drei Höllental- spitze, ein sehr markanter Gipfel und eines Wiggerl (und mit einem Team des Bayeri- der Grat empor zu dem großen Doppel- spitzen in einer Höhe um die 2 700 Meter der Wahrzeichen von Garmisch-Parten- schen Fernsehens)