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Unterwegs IM

Impressionen von Deutschlands höchstem Punkt:

Nur wenige Bergbegeisterte unter den Tausenden von Seil- bahnfahrern mühen sich weiter zum goldenen Gipfelkreuz der .

Ein verschachtelter Gebäude- komplex, der auch eine Wetter- station beherbergt, zeugt davon, daß die Gipfelzone fest in menschlicher Hand ist.

Wo einst der erste Meteorologe Enzensperger vor hundert Jahren ein einsames und karges Dasein fristete, tummeln sich heute all- jährlich zahllose Touristen. Foto: Stefan Herbke (3), Bernd Ritschel (M.u., r.u.) Stefan Herbke (3), Bernd Ritschel Foto:

Von KONRAD KIRCH WANDELWANDEL IM IM WETTERSTEIN WETTERSTEIN Das Wettersteingebirge weckt viele Assoziationen:

Zugspitze, Alpspitz-Ferrata, Jubigrat, Partnachklamm

und Oberreintal. Es bietet faszinierende Wanderun-

gen, gemütliche Hütten und atemberaubende Fels-

kulissen. Pflege der Tradition und steter Wandel durch

die Arbeit der Sektionen Garmisch-Partenkirchen und

München vollziehen sich eher im Hintergrund. Zeit für

einen Blick hinter die Wetterstein-Kulissen.

DAV Panorama 17 Unterwegs IM WETTERSTEIN

ie Zugspitze ist nicht nur der Unumstritten war der Bau des Münch- schließlich nur noch von der Zugspitze höchste Gipfel des Wetter- ner Hauses schon vor 102 Jahren nicht,denn überragt. Diesen Grat von der Riffelscharte steingebirges,sondern bekannt- er führte bekanntlich zur Abspaltung der zur Zugspitze könnte man in nicht über- DDlich auch der Kulminationspunkt Sektion Bayerland von der Erbauersektion mäßig schwieriger,aber ziemlich brüchiger Deutschlands und dazu ein ganz merkwür- München. Heute kann man das Münchner und alpiner Kletterei durchsteigen,aber das diger,um nicht zu sagen surrealistischer Ort. Haus natürlich auch schlicht als „Sperr- traut sich heute im Sommer niemand mehr, Drei lange Grate laufen hier zusammen,und grundstück“ ansehen, denn sonst gäbe es denn in der Südflanke unterhalb verläuft der mit drei Seilbahnen, von denen eine ihre hier vielleicht schon ein Neuschwanstein Höllentalanstieg auf die Zugspitze über das Passagiere mit einer Zahnradbahn zugeführt aus Plastik. Direkt unterhalb des Münchner „Brett“,und der ist dermaßen stark frequen- bekommt, erreichen Tausende von Touri- Hauses steht eine riesige, glasüberdachte tiert,daß jeder am Grat oberhalb losgetrete- sten diesen eigenartigen Platz. Lauter Halle. Sie beherbergt Telekommunikations- ne Stein eine Trefferwahrscheinlichkeit „Wunder der Technik“, auf die man mal so einrichtungen,die,nach heutigem Stand der zwischen 99 und 100 Prozent hätte. richtig stolz war. Technik miniaturisiert,wahrscheinlich in ei- nem Büroschrank Platz hätten, den man Zwischen Bayern und Tirol Zugspitzgipfel noch zusätzlich in die ans Münchner Haus Der südliche der drei Grate ist der längste Auf diesem Gipfel gibt es nicht nur einen angelehnte Wetterwarte stellen könnte. und verläuft vom Zugspitzgipfel zuerst nach Andenkenkiosk – dem Vernehmen nach be- Diese Wetterwarte ist seit Beginn des Jahr- Süden um das Platt herum,biegt dann an der trieben von einer großen Münchner Alpen- hunderts – und trotz aller Computerisierung Südlichen Wetterspitze nach Osten und en- vereinssektion –, wo man neben Ansichts- und Automatisierung auch heute noch – det nach gut 25 Kilometern und 36 Gipfeln karten, Bierkrügen und anderem entsetzli- rund um die Uhr das ganze Jahr über be- an der Unteren Wettersteinspitze über chen Kitsch sogar einen sogenannten setzt.Hier hatte der erste Wetterbeobachter . Es gibt nur wenige Übergänge Jodelbären kaufen kann. Es gibt innerhalb Enzensperger im Jahre 1900 ganz allein über diesen Grat und nur über zwei – das der Gipfelbauten auch einen eigenen,hoch- überwintert. Gatterl unterhalb des Zugspitzplatts und das modernen und architektonisch anspruchs- Lassen wir den Gipfel mit seinen drei Dreitorspitzgatterl mit der Meilerhütte – voll gestalteten Ausstellungsraum, in dem Seilbahnen und wenden uns anderen Zielen führt ein Weg.Die Südseite der das Platt um- man das ganze Jahr über Kunstausstellungen zu: den drei Graten und später dann den rahmenden Gipfel bricht in gewaltigen, fast von beachtlichem Niveau geboten be- Tälern zwischen ihnen,den Hütten,die dort 2 000 Meter hohen Wandfluchten ab.Es gibt kommt. Außerdem findet sich ein Schnell- liegen, den Wegen und Wanderungen und hier etliche Kletterrouten, die allerdings so restaurant im Jodlerstil, aber auch eine ech- den vielen anderen Gipfeln. brüchig sind, daß man sich darin fast nicht te Berghütte. Dieses mit Lärchenschindeln zu räuspern wagt. Eine recht bekannte und verkleidete „Münchner Haus“ mit dem Die drei großen Grate für meinen Geschmack auch recht schöne Hausnummernschild „Garmisch 1“ ist eine Der nördlichste der drei Grate ist der Tour ist die 1 800 Meter hohe Wetterkante richtig gemütliche Alpenvereinshütte. Die Waxensteingrat,dessen östlichster Ausläufer mit nur einer Stelle des Schwierigkeits- Familie Barth bewirtschaftet sie in der drit- von Garmisch aus ein eindrucksvolles Bild grades V – für Sportkletterer ist sie schlicht ten Generation, und der jetzige Wirt abgibt und dementsprechend auch auf fast „ein Schutthaufen“. Sogar eine extreme Hans–Jörg Barth versteht es,rauh aber herz- jeder Ansichtskarte zu sehen ist. Zu den Skiabfahrt gibt es in dieser Südflanke, ge- lich hier oben ein Stück Bayern im schön- Gipfeln dieses Grates bis zur Riffelscharte nauer gesagt, in dem sie durchziehenden sten Sinne zu zelebrieren. Man fragt sich gehören der Zwölferkopf mit der (meiner Kar „Neue Welt“. Allerdings ist dabei eine manchmal, was diese Hütte, was überhaupt unmaßgeblichen Ansicht nach zu Unrecht kurze Abseilstelle zu überwinden. Das der Alpenverein hier noch zu suchen haben. so berühmten) „Zwölferkante“,Kleiner und Gratstück vom Gatterl bis zu den Wang- Das ist schwer zu erklären,man kann es aber Großer Waxenstein, die Schönangerspitze scharten oberhalb von ist wild zer- an Ort und Stelle spüren.Wenn abends die und die Riffelspitzen. Sie sind nicht sehr klüftet und wird kaum begangen. Auf der letzte Seilbahn die Bergstation verlassen hat, hoch – so um die 2 200 Meter – aber doch Nordseite liegen einige Kare,von denen vor dann kehrt hier eine himmlische Ruhe ein hoch genug, um dem Besteiger den allem die Hundsställe von herber Schönheit – das Hotel auf der österreichischen Seite Eindruck zu vermitteln, dort mitten im ho- sind. Man trifft hier Gemsen und im beherbergt sowieso keine Gäste mehr – und hen Gebirg‘ zu sein. Es ist hier ähnlich wie Hochsommer auch Schafe und einmal in der man ist plötzlich wieder „im richtigen beim Trekking im Himalaja: Der Blick von Woche vielleicht den Schäfer.Sonst nieman- Gebirg’“. den Vorbergen auf die großen Gipfel, be- den. Höchster Gipfel in diesem Gratab- sonders,wenn sie zum Greifen nahe sind,ist schnitt ist der . eigentlich schöner als umgekehrt.Während Der Hochwanner hat eine 1 800 Meter der Blick von den Waxensteinen nach hohe, jäh ins Reintal hinabstürzende Nord- Norden ins Tal vor allem auf Kasernen, wand, die 1937 Schauplatz eines Dramas High-Tech und Naturerlebnis am Tennisplätze und Schwimmbäder fällt, hat war: Eine Münchner Seilschaft wurde vom Zugspitzgipfel: man, wenn man nach Süden blickt, das Wettersturz überrascht und überlebte sie- Eine magische Stimmung umfängt den ein- ganze Panorama von ,Hochblassen ben Tage lang unter dramatischen Um- samen Betrachter der Bergwelt am Abend, und den drei Höllentalspitzen bis zur ständen. Sie wurde schließlich von einem wenn die Besuchermassen wieder mit der Zugspitze vor Augen. Und dieses Panorama Trupp der Bergwacht unter Leitung von Seilbahn ins Tal entschwunden sind. Während der große Touristenstrom schnell kann, besonders im Frühsommer und nach Ludwig Gramminger geborgen. Diese Akti- in den Restaurationsräumen verschwindet, Neuschneefällen, wirklich atemberaubend on war die erste wirklich spektakuläre sind die wahren Naturmenschen noch auf sein. Jenseits der Riffelscharte werden die Rettungsaktion von Gramminger, dem spä-

dem Weg zum Gipfel. (2), Heinz Zak (u.) Bernd Ritschel Fotos: Gipfel dann höher,und ab der Irmerscharte ter Ähnliches in der Eiger-Nordwand gelin-

18 DAV Panorama Nr. 3/1999 Nr. 3/1999 DAV Panorama 19 Unterwegs IM WETTERSTEIN

Bei winterlichen Verhältnissen ist der Jubiläumsgrat immer noch eine anspruchsvolle Unternehmung für erfahrene Bergsteiger. Morgenstund hat Gold im Mund, hier für Kletterer, die zu den Südwänden des Wie ein gewaltiger Drachenrücken windet sich der lange Grat bis zu seinem Kulminationspunkt am Zugspitzgipfel. Schüsselkars unterwegs sind. Die Meilerhütte, einer der traditionsreichsten Stützpunkte des Alpenvereins im Der einsame Gipfel des Hochwanner belohnt den Bergfreund mit einer großartigen Aussicht auf die naheliegenden Mieminger Berge. Wetterstein, aus der Froschperspektive.

gen sollte. Der Überlebende von 1937, der Schüsselkar-Südwand ist einer der großen West, dessen östlicher Teil Blassengrat Die Alpspitze – Vuzem Erwin, hat übrigens die Tour zu sei- Schauplätze der Alpinhistorie, über die ein genannt wird (er endet am Hochblassen), Wahrzeichen von Garmisch nem 60. Geburtstag vor nun schon elf Jah- Berufenerer in diesem Heft berichtet und der sich dann als „Jubiläumsgrat“ über Dem Hochblassen vorgelagert ist die Alp- ren zusammen mit dem Gramminger (s. Portrait S.39). Weiter nach Osten zieht die Vollkarspitze und die drei Höllental- spitze, ein sehr markanter Gipfel und eines Wiggerl (und mit einem Team des Bayeri- der Grat empor zu dem großen Doppel- spitzen in einer Höhe um die 2 700 Meter der Wahrzeichen von Garmisch-Parten- schen Fernsehens) wiederholt! Auf den gipfel der Dreitorspitzen,auf die (und ihren in stetigem Auf und Ab bis zur Zugspitze kirchen, die zusammen mit dem Waxen- Hochwanner führt auch ein sehr schöner Satelliten Bayerländerturm) es von allen zieht. stein Ansichtskarten und Bildbände ziert. langer und alpiner Grat, der sogenannte Seiten Kletterouten gibt.Der Grat zieht nun Dieser Grat hat etwas sehr Hochalpines Sie hat eine sehr steile Ostflanke, über die Teufelsgrat. Er beginnt an der Oberreintal- von der über den Bayerländer- und gehört zu den großen Landschaftser- gute Tourenfahrer im Frühjahr bei sicherem scharte und führt über den Hundsstallkopf turm hinab in eine Scharte, in der die lebnissen des Wettersteingebirges. Während Firn mit großem Genuß ins Oberkar und und den Hinterreintalschrofen in nicht son- Meilerhütte steht, auf 2 366 Meter Höhe der Blassengrat eine echte Klettertour ist weiter hinab bis ins Liftgebiet abfahren.Man derlich schwieriger (III), aber sehr alpiner die höchstgelegene Hütte in Deutschland (eine Stelle IV), ist der Jubiläumsgrat an muß für diese Abfahrt aber wirklich ein ex- und teilweise ziemlich ausgesetzter Klet- (siehe auch Kasten Seite 27). Nun folgt nach allen entscheidenden Stellen durch Tritt- zellenter Skifahrer sein.Die Alpspitze ist ein terei in einer großartigen Landschaft zum Osten das letzte, lange und einsame Grat- stufen und Drahtseile entschärft,so daß von sehr stark besuchter Gipfel, was sicherlich Gipfel. Östlich des Teufelsgrates finden wir stück, das schließlich über Mittenwald aus- einem Klettererlebnis nur noch bedingt ge- mit auf das Konto der von der Bayerischen auf beiden Seiten des Kammes je eines der läuft. Noch ein bekannter Kletterberg findet sprochen werden kann. Andererseits soll- Zugspitzbahn angelegten Alpspitz-Ferrata berühmten Kletterdorados der Wetterstein- sich östlich der Meilerhütte: der Muster- te man aber ja nicht glauben, man hätte geht. Diese Ferrata hat so viel unnötiges gruppe: im Norden das malerische, von stein, in dessen Südwänden sozusagen auf es hier mit einem harmlosen Klettersteig Eisen in die Wand gebracht, daß man den Wänden eingefaßte Hochtal des Oberrein- jeden Meter eine Kletterroute kommt. zu tun (siehe auch Kasten Seite 12). Denn Berg fast ohne Felsberührung besteigen tals und im Süden die Wandflucht von er ist über lange Strecken im zugegebener- kann – ein typisches Beispiel falsch verstan- Oberreintalschrofen, Scharnitzspitze und Der Jubiläumsgrat maßen unschwierigen Gelände frei zu ge- dener Übererschließung der Berge. Aber vor allem Schüsselkarspitze. Hier wurden Im Herzen der Gebirgsgruppe, zwischen hen, ist manchmal ausgesetzt und kann bei vielleicht war das der Preis dafür, daß die schon ab der Jahrhundertwende großartige dem Waxensteingrat im Norden und dem Nebel – von einem richtigen Gewitter ganz Alpspitze von einer Seilbahn verschont Kletterrouten eröffnet, in prächtiger Land- langen, eben beschriebenen Wetterstein- zu schweigen – erhebliche Orientierungs- blieb.Von der Alpspitze führt nach Süden ein

schaft und, vor allem, exzellentem Fels. Die grat zieht sich ein dritter Grat von Ost nach Heinz Zak Fotos: schwierigkeiten bereiten. ebenfalls mit Drahtseilen gesicherter Grat in

20 DAV Panorama Nr. 3/1999 Nr. 3/1999 DAV Panorama 21 Unterwegs IM WETTERSTEIN

die Grieskarscharte. Das Grieskar, das nach dern auch der Höllentalferner oder das,was Klettern Osten von dieser Scharte herabzieht,ist tief die Erwärmung der Erdatmosphäre von ihm zwischen den Wänden von Alpspitze und übriggelassen hat. Bevor die Sektion Die Top 10 Hochblassen eingeschnitten und im Früh- München des DAV dort hinauf den gesi- am Schüsselkar jahr eine schöne hochalpine Skitour vor ei- cherten Steig über das „Brett“ angelegt hat, ner atemberaubenden Kulisse. Wenn man hat sie bescheidener angefangen: mit dem 1. Doc Holiday, 9+, diese Tour oder auch die Alpspitze nicht mit Übergang über die Riffelscharte und hinun- (1. Beg. H. Zak, T. Nagler, G. Walch, 1988, der ersten Seilbahn beginnen will, dann ter zum Eibsee.Auch hier waren Drahtseile 1. RP: H. Zak 1998) fantastische Wandkletterei kann man am Vorabend zur gemütlichen, anzubringen, allerdings nur an wenigen in bestem Fels, sehr ausgesetzt, aber gut gesi- nur im Winter bewirtschaftete Stuiben- Stellen, vor allem an einem relativ kurzen chert Hütte der Sektion Garmisch-Partenkirchen Steilstück auf der Nordseite. Dieser Über- 2. Leben im Sonnenschein, 9/9+, aufsteigen und dort übernachten. Von der gang ist landschaftlich schön, wenn auch (1. Beg. H. Zak, T. Nagler, 1989, 1. RP: H. Zak Grieskarscharte nach Westen führt ein gesi- – was aber vielleicht der persönliche Tick ei- 1989) anspruchsvolle Wand– und Platten- cherter Steig steil hinab ins Matheisenkar nes Ästheten ist – die Masten und Kabel der kletterei – mit prächtigem Blick auf Höllentalferner Seilbahn vom Eibsee zur Zugspitze etwas 3. Supernova, 9/9+, und Zugspitze – und von dort zur Höllen- stören. Man macht ihn heute meistens von (1. Beg. H. Zak, B. Hangl 1996) abwechs- talangerhütte. Nord nach Süd, weil man dann mit der lungsreiche Wand–, Riß– und Verschneidungs- Zahnradbahn bis zur Station Riffelriß fahren kletterei in bestem Fels Das Höllental – kann,von wo man bis zur Scharte nur noch 4. Wolfsfährte, 9/9–, der alpine Weg zur Zugspitze eineinhalb Stunden zu gehen hat. Der Rest (1. Beg. B. Hangl, Hj. Schennach, 1997) Jetzt sind wir in unserer Beschreibung ist dann Abstieg, erst steil hinab in den schwierige Wandkletterei an kleinen Griffen schon unten in einem der beiden großen Höllentalanger,dann durch die wilde,durch 5. Arktischer Sommer (FoliesBergères), 9–/9, Täler des Wetterstein und wollen hier etwas Brücken und Tunnel gangbar gemachte (J. Heinl, 1. RP: H. Zak 1987) anspruchsvolle Die Knapp-Köchler-Route am Schüssel- Rißkletterei verweilen. Denn das Höllental ist land- Höllentalklamm mit ihren tosenden karturm ist ein alter Klassiker des Gebiets schaftlich ausgesprochen spektakulär. Der Wassern. 6. Time Out, 9–, in mittlerweile saniertem Zustand Höllentalanger,an dessen westlichem Ende, Es gibt noch einen anderen,weniger be- (1. Beg. J. Heinl, 1. RP: H. Zak 1991) idyllisch zwischen hohen Bäumen,seit über kannten Weg ins Höllental (oder aus ihm abwechslungsreiche Wandkletterei, oft naß 100 Jahren die gleichnamige Hütte steht – heraus), den Stangensteig. Er diente ur- 7. Stunden der Gemütlichkeit, 8, sind jetzt wieder mehr Kletterer an den Süd- deren längst fällige Sanierung dem DAV und sprünglich als Zugang zu einem Erzberg- (1. Beg. H. Zak, S. Kiechl 1988) anspruchsvol- wänden unterwegs. Um nachfolgende Seil- insbesondere den verschiedenen damit be- werk, in dem noch während des Ersten le und ernste Rißkletterei, im unteren Teil noch schaften nicht zu behindern, bitten wir alle faßten Schatzmeistern erhebliches Kopfzer- Weltkrieges Blei- und Molybdänerz geför- alte Haken von einem früheren Versuch, anson- Kletterer, nicht über die Routen abzuseilen! Den brechen macht – ist ein von Almweiden um- dert wurde.Sein Reiz liegt von allem in gran- sten nur Klemmkeile als Zwischensicherungen, Abstieg über den Westgrat machten wir durch rahmtes Schotterbett, an dessen drei Seiten diosen Tiefblicken in die Klamm. Der Weg seit 1988 ohne Wiederholung! Ein Sturz aus einige Klebehaken sicherer. Eine Abseilpiste hohe Wände emporziehen. Hoch oben durch die Klamm wird von der Sektion dem ungesicherten Dachüberhang könnte ge- beginnt ca. 30 m westlich der Südverschnei- thront der Zugspitzgipfel,doch dazwischen Garmisch-Partenkirchen, der Stangensteig fährlich sein! dung (wegen der brüchigen Felsen in den liegen nicht nur die senkrechten und die anderen gesicherten Steige im 8. Friedenspfeife, 8+, Ausstiegskaminen der Südverschneidung) und Felsabbrüche am sogenannten Brett, son- Höllental von der Sektion München des DAV (1. Beg. B.Hangl, H. Zak 1995) wunderschöne führt in Fallinie in den unteren Teil der Südver- Wandkletterei in bestem Fels, sehr gut gesi- schneidung. Gerade im Fall eines Wetter- Die Höllentalangerhütte ist Ausgangspunkt für den alpinistischen Weg zur Zugspitze. Die berühmte Passage am „Brett“ ist heute noch chert, ideale Einsteigerroute in die neuen, mit sturzes, bzw. eines Gewitters ist diese Abseil- ein Schmankerl der langen Aufstiegsroute und wurde schon 1920 von dem Bergsteigermaler Ernst Platz künstlerisch festgehalten. Klemmkeilen und Bohrhaken gesicherten piste von großer Bedeutung. Bei guten Wetter- Sportkletterrouten verhältnissen ist der Abstieg über den Westgrat 9. Menhir, 8, besser, da die Abseilpiste relativ steinschlagge- (1. Beg. H. Zak, S. Kiechl, 1988) interessante, fährdet ist. anspruchsvolle Kantenkletterei 10. Locker vom Hocker, 8-, Sanierte Routen (1. Beg. K. Albert, W. Güllich 1981) anspruchs- volle, fast nur mit Klemmkeilen gesicherte Schüsselkar: Wandkletterei Siemens-Wolf, IV Erdenkäufer-Sigl, VI+ bzw. VI–/A0 Sanierungsaktion Jörg-Simon, VI+, bzw. V+/A0 1996/97 sanierte ich abwechselnd mit Peter Knapp-Köchler, VII, bzw. VI–/A1 Janschek und Bernhard Hangl mit Unter- Aschenbrenner-Rainer, VI, bzw. VI–/A0 stützung des Österreichischen Alpenvereins ei- Bayerischer Traum, VIII–, bzw. VI+/A0 nige klassische Routen am Schüsselkar und an SO-Wand, VI+, bzw. VI–/A0 der Scharnitzspitze. In den sanierten Routen stecken jetzt nur mehr die Hälfte bis maximal Scharnitzspitze: 2/3 der ursprünglichen alten Rostgurken, dafür Spitzenstätterführe, VII–, bzw. V+/A0 sitzen die Klebehaken an der richtigen Stelle. Schmidhuberkamin, VI, bzw. V+/A0 Ein kleines Klemmkeilsortiment sollte jetzt jeder Leberle-Weg, IV mitführen, ebenso ein 50 Meter Doppelseil. Es Hannemann, V+, bzw. V-/A0 Heinz Zak Fotos: Stefan Herbke (2), Heinz Zak (l.o.), Dr. Wilfried Bahnmüller (l.u.) Wilfried Stefan Herbke (2), Heinz Zak (l.o.), Dr. Fotos:

22 DAV Panorama Nr. 3/1999 Nr. 3/1999 DAV Panorama 23 Unterwegs IM WETTERSTEIN unterhalten.Der Steig vom mit der Seilbahn Garmisch-Partenkirchen unterhaltene enge Klettern Ausgenagelter „Oberrein- und tosende Partnachklamm bildet den erreichbaren über das Hupf- talschrott“, die Haken hätten leitenjoch und die Knappenhäuser – nicht „Einstieg“ in das Reintal. Der Weg nach der im Ernstfall wohl nicht viel weit davon lag das schon erwähnte Klamm ist lang und, weil man zu Beginn ei- gehalten Bergwerk – „gehört“ beiden Sektionen zur nige Kilometer die Forststraße benutzen Hälfte. Dieser Steig ist landschaftlich groß- muß, auch etwas mühsam. Aber die Mühe artig und, weil es dazu noch bergab geht, wird belohnt: Nach der Hinterklamm ganz besonders beliebt. Entsprechend voll (Tiefblick!) wird das Tal von einer wildro- ist dann auch an Wochenenden die Höllen- mantischen Schönheit, die ihresgleichen talangerhütte, doch das Pächter-Ehepaar sucht. Prommer sorgt mit seiner Mannschaft trotz- dem immer für eine sympathische Hütten- Sicher freier atmosphäre. Die Höllentalangerhütte ist auch Aus- Hinweise zu den sanierten Routen im Oberreintal gangspunkt für den „alpinistischen Normal- Die Routen sind durch das Sanieren etwas „freier“ geworden. Dort, anstieg“ auf die Zugspitze.Das schon mehr- wo auf wenige Meter zwei, drei Normalhaken steckten, weil man ei- fach erwähnte „Brett“, die erste etwas aus- nem nicht trauen konnte), stecken jetzt wesentlich weniger. So ist die gesetzte Stelle in dieser Tour, ist ein völlig „Schober“ am Unteren Schüsselkarturm erheblich „freier“ gewor- glattes Wandstück von etwa 20 Meter Breite, den. Sie ist jetzt in einem Zustand, wie sie in den fünfziger Jahren viel- wo – wie mir ein Norddeutscher lange vor leicht einmal war. In der Route „Herbst-Teufel“ (ebenfalls am Unteren meiner Bergsteigerzeit einmal erzählte – „es Schüsselkarturm) steckten schon immer wenige Haken; durch das janz schön runterjeht“. Die Stelle wird mit Sanieren sind keine weiteren hinzugekommen. Nachdem sich herum- Hilfe von in die Wand getriebenen Tritt- gesprochen hatte, daß auch die „Herbst-Teufel“ saniert sei, gingen stiften überwunden und verlangt von man- einige Kletterer davon aus, daß alle drei Meter ein Bohrhaken steckt. chen auch Überwindung.Weiter oben wird Sie wurden bitter enttäuscht (Klemmkeile und Friends sind bei den es dann zunächst zahmer, es geht über letz- langen run-outs nach wie vor zu empfehlen). te Grashänge,dann über Schutt und schließ- Eine alte Route, die NW–Kante (Grünwald-Reischböck, 1925) lich über einen richtigen, wenn auch in sei- am Unteren Schüsselkarturm wurde ebenfalls saniert und damit aus nen Ausmaßen bescheidenen Gletscher.An ihrem Dornröschenschlaf geweckt. Sie ist Jahrzehnte nicht mehr wie- dessen rechtem oberen Rand ist an Sommer- (o.) Heinz Zak, Sektion Garmisch-Partenkirchen Fotos: derholt worden, weil in den fünfziger Jahren eine Seilschaft herausge- wochenenden Stau wie auf der Autobahn, Das traute Heim der Kletterer im Das Oberreintal – stürzt ist. Es handelt sich um eine schöne Route im IV./V. Grad. denn beim Übergang zum Fels ist eine klei- Oberreintal, die gleichnamige Hütte zwi- Herz des Wettersteingebirges Auch die Scheffler (PS–Verschneidung) am Oberreintaldom ne Randkluft zu überschreiten, und außer- schen herrlichen Ahornbäumen. Bald führt in steilen Kehren links der Steig wurde wegen der schlechten Haken kaum je mehr wiederholt (häufig Vom Frauenalpl genießt der Wanderer ei- dem ist der Gletscher in niederschlags- ins Oberreintal hinauf. Hat man das Steil- naß, insbesondere im Frühsommer und nach Regentagen). Es handelt nen eindrucksvollen Blick auf die zerfurch- sich um eine der schönsten und großzügigsten Routen im Oberreintal armen Jahren manchmal im Herbst so nied- ten Kalkrippen über dem Oberreintal. stück überwunden,so steht man plötzlich in rig, daß man Mühe hat, die unterste einem kleinen Talboden zwischen Ahornen, mit (nach der Sanierung) langen run-outs. Eisenstufe in der Wand zu erwischen. Im Charly Wehrle war ein würdiger Nachfolger umrahmt von dolomitenartigen Wänden. letzten Sommer habe ich hier vom des legendären Fischer Franzl als Wirt der Die kleine Hütte fügt sich harmonisch in die Jubiläumsgrat aus einen Stau von minde- Oberreintalhütte Landschaft. Zu Beginn des Sommers findet stens 200 Metern gesehen.Insgesamt ist der man am Eingang des Talbodens einen Höllentalaufstieg aber eine lohnende berg- großen Stoß mit aufgeschichteten Holz- steigerische Unternehmung. Sie ist land- scheiten, und ein Schild fordert die Vorbei- schaftlich schön,und die Gipfelbauten sieht gehenden – es sind eigentlich nur Kletterer – man, von der Antenne auf der österreichi- auf,ein Scheit aufzuladen und zur Hütte mit- schen Seite abgesehen, erst fünf Meter vor zunehmen. Der Holzstoß steht nie lange, dem Gipfelkreuz. Angesichts der großen denn pro Scheit gibt’s vom Hüttenwirt zum Zahl der Begehungen darf es nicht verwun- begehrten Hüttenstempel noch einen dern, daß fast in jedem Jahr Unfälle – auch Obstler gratis! Blickt man im Abstieg in Der originellste „Abstellplatz“ für ein Fahrrad in den Alpen – tödliche – passieren. Dennoch habe ich im Richtung Westen, so leuchtet smaragdgrün am Oberreintalturm letzten Jahr nicht gezögert, zwei Freunde die Blaue Gumpe zwischen dunkelgrünen mit zusammen 150 Jahren – allerdings aus- Tannen, rotgelben Felswänden und knorri- In der Schlüsselseillänge der Radlkante am Oberreintalturm gezeichnete Bergsteiger – bei dieser Tour gen Ahornen. Unten im Reintal steht man stecken jetzt vier Haken (vor der Sanierung waren es neun!). Jetzt mitzunehmen. bald vor der Bockhütte, einem urgemütli- kann man diese Seillänge frei klettern (mit den schlechten Haken war chen kleinen Hütterl, wo im Sommer der es nicht ratsam). Die Bohrhaken stecken so, daß die schwierigsten Das Reintal – Schäfer lebt.Er kümmert sich um die 600 bis Stellen auch A0 geklettert werden können (wenn also technisch ge- Wände, Grate und Hütten 700 Schafe der Partenkirchener Weidege- klettert, ist die Seillänge nicht schwieriger als vor der Sanierung; die Das andere große Tal im Herzen des Wetter- nossenschaft, die überall im Tal, vom vielen Normalhaken waren seinerzeit notwendig, da man einem stein ist das Reintal.Der Fluß,der hier durch Oberreintal und den Hundsställen bis hinauf Hakenriß folgen mußte, jetzt verläuft die Route direkt an der Kante). mehrere wilde Klammen fließt, heißt aller- zum Jubiläumsgrat und zum unteren Rand Es wurden bislang im Oberreintal nur Klassiker saniert – und längst dings nicht Rein und auch nicht Rhein,son- des Platts weiden. Man kann in der nicht alle. Pit Schubert

dern Partnach. Die von der Sektion Bockhütte aber auch etwas trinken und be- (o.) Pit Schubert Wehrle, Archiv Foto:

24 DAV Panorama Nr. 3/1999 Nr. 3/1999 Unterwegs IM WETTERSTEIN kommt am Nachmittag frischen Kuchen keiten:Über die Knorrhütte und weiter über Der Schützensteig Hütten und auch sonst eine Kleinigkeit zum Essen. das Platt auf die Zugspitze. Den kurzen Die andere Variante von der Knorrhütte aus Der weite Blick hinauf zum Platt und den Umweg zum Partnachursprung,wo der jun- ist der Weg über das Gatterl und von dort Meilerhütte auf Ökoschiene Gipfeln an dessen Rand ist fast allein die ge Fluß aus dem Felsen tritt,sollte man sich nach , oder hinüber in die Mühe des Weges wert. Wenn man über- leisten, und man sollte auch am Oberanger Mieminger oder östlich hinunter ins Gaistal 1898 ließ Leo Meiler, Mitglied der Sektion Bayerland, auf dem nachten will, dann muß man noch einein- verweilen, denn er ist ein ganz besonders und nach Leutasch. Wenn man von der Dreitorspitzgatterl eine Hütte errichten und schenkte sie seiner halb Stunden weitergehen zur Reintalanger- idyllischer Platz mit einer ganz eigenen Reintalangerhütte nicht weiter hinauf will, Sektion. hütte.Man kommt ganz nahe an der Blauen Ausstrahlung. dann gibt es noch etwas Besonderes: den 1909 entstand nur wenige Meter davon der Neubau der Meilerhütte, Gumpe vorbei, blickt links hinauf in die Schützensteig, der in östlicher Richtung so wie wir sie in ihren Grundzügen heute kennen – auch wenn die in Nordwand des Hochwanners und hinunter Knorrhütte, Zugspitzplatt durch die Südflanke des Blassengrates zur ihr steckende Technik eher an Science fiction als an Tradition erinnert. auf „Klein–Alaska“, den Talboden, wo es und Wege im Reintal Mauerscharte emporführt, von wo man Die Meilerhütte kann man ohne Übertreibung als das Maß aller Hütten früher einmal die obere Blaue Gumpe gab, Die Knorrhütte der Sektion München – be- über die Stuibenhütte auf dem Bernadein- in Sachen ökologischer Umbau für den gesamten Alpenraum heran- und wenn man den hohen Wasserfall pas- nannt nach dem Hauptspender für die weg entweder nach links zum Kreuzeck ziehen. In keiner anderen Hütte steckt derart umfassend die neueste siert hat, dann sind es nur noch wenige Erbauung, dem Verleger Angelo Knorr – am oder nach rechts zur Bockhütte absteigen Umwelt-Technologie wie hier. Bis auf ein paar Kleinigkeiten sind alle Minuten zur Hütte. Sie liegt idyllisch kurz unteren Rand des Platts war zur Zeit der kann. Der Steig ist recht mühsam – es geht Umbauarbeiten seit 1998 abgeschlossen, so daß der 1. Vorsitzende unterhalb des Reintalangers und hat eine frühen Zugspitzbegehungen im vorigen auf und ab und über Latschenwurzeln – und der Sektion Garmisch-Partenkirchen, Helmut Pfanzelt, der 1970 für ganz besonders gute Atmosphäre. Wenn Jahrhundert der vorgeschobene Stützpunkt im oberen Teil ist er auch etwas ausgesetzt, die Übernahme der Meilerhütte von der Sektion Bayerland stimmte, man Glück hat, dann sind der Hüttenwirt für die Gipfeletappe.Heute wird sie eher im aber die Aussicht und vor allem die stolz das Resultat der gewaltigen (finanziellen) Anstrengungen bilan- Charly, der auf der Oberreintalhütte lange Abstieg besucht. Sie ist, seit Jürgen und Tiefblicke auf die Blaue Gumpe entschädi- ziert: „Fotovoltaik, Warmwasserkollektoren, drei Windmaschinen, Jahre Nachfolger des legendären Fischer Marion sie mit viel Engagement bewirt- gen für alles.Ich habe diese Tour vor kurzem Pflanzenölmotor, Abwärmenutzung für Trockenraum, UV-Anlage zur Franz war, und seine Mannschaft am Abend schaften, inzwischen auch wieder sehr gut mit einem Freund gemacht, der nicht mehr Wasserentkeimung, Elektroantrieb der Materialseilbahn. Außerdem zum Musizieren aufgelegt. Charly am Hack- geführt.Das war in der Vergangenheit nicht ganz jung ist,und außerdem ein steifes Bein haben wir in den vergangenen zwei Jahren die Hütte generalsaniert brett und dazu ein paar Anekdoten vom der Fall, besonders mit einem Wirt, der ei- hat. Unglücklicherweise hatten wir die und die Qualität der Schlafräume stark verbessert, ohne die Zahl der Fischer Franzl sind schon ein besonderes gentlich aus dem Show-Business stammte, Richtung so gewählt, daß dieses auf der Lager zu erhöhen.“ Hüttenerlebnis, von dem man lange zehrt. und mit der Gitarre besser umzugehen ver- Bergseite war. So war die Sache noch müh- Die Meilerhütte, ein Musterbeispiel moderner Am nächsten Tag gibt es mehrere Möglich- stand als mit einer hochalpinen Hütte. samer, und einige Male hat er sich talwärts Umwelttechnologie in die Latschen katapultiert.Aber geblieben ist die Erinnerung an ein echtes Abenteuer. Schließlich – und das ist nicht das Schlechteste – gibt es den Weg zurück, wie- Die Knorrhütte der der durchs Reintal hinunter,vielleicht noch Sektion München mit einem Abstecher zum Schachen,wo ein ist ein willkommener Jagdschloß von Ludwig II.zu besichtigen ist, Rastplatz für Berg- das mit seinem maurischen Salon einen ab- wanderer, die vom Zugspitzgipfel soluten Kontrapunkt zu der Bergwelt rings- talwärts wandern. um darstellt. Aber der Blick hinunter ins Reintal, vor allem ins Oberreintal, das ei- Das Zugspitzplatt gentliche Herz des Wettersteingebirges, ist gleicht im Sommer von atemberaubender Schönheit, und dem einer öden Mond- Gedanken an diese Schau läßt sich nichts landschaft. hinzufügen. Die Blaue Gumpe, ein besonders idyllischer Fleck im Konrad Kirch, Buchautor und Bergsteiger, ist Wetterstein. Wegewart der Sektion München Fotos: Stefan Herbke Fotos: Helmut Pfanzelt Foto:

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Destouches‘ vergessene Verse

Von Adolf Triller

Im Reintal des Wettersteingebirges, etwa zwanzig Minuten hinter der Bockhütte, findet man „eine Quelle, welche in mehreren Adern aus dem moosbedeckten Boden bricht, die Sieben Sprünge genannt.Hier hält man gewöhnlich Rast, zu welcher eine Ruhebank bei einem Felsblock einladet, welch‘ letzterer auf einem Blechschild ein Gedicht von Ernst von Destouches ‚An die Wanderer‘ trägt“.

Diese Zeilen aus Heinrich Schwaigers Führer durch das Wetter- steingebirge von 1893 standen am Beginn einer intensiven Suche nach dem vollen Wortlaut dieses Gedichtes. Mehr als 100 Jahre Wind und Wetter hatten dem lackierten Eisenblech übel mitgespielt, die Hälfte der Buchstaben war längst mit dem Rost zerfallen und ohne Heinrich Schwaigers Hinweis wäre auch der Name des Dichters verweht „wie Schall und Rauch“. Geboren am 4. Januar 1843 lebte Ernst von Destouches als Stadtarchivar,Dichter und Schriftsteller bis zu seinem Tod am 24.April 1916 in München. Er gründete 1874 das „Münchner Städtische Historische Museum“, das spätere „Münchner Stadtmuseum“ und verfaßte eine Flut von verschiedenartigen Dichtungen, die zum großen Teil in seinem einzigen veröffent- lichten Gedichtsband „Aus der Jugendzeit“ (München 1866) zusammengefaßt sind. Destouches war offensichtlich kein Alpinist und so verlief die erste Suche in der AV-Bibliothek absolut ergebnislos. In der „Geschichte der Alpenvereins Section München“ aus dem Jahre 1900 wird auf Seite 288 das „Anbringen einer Ruhebank an der Quelle zu den sieben Sprüngen im Rheintal“ im Jahre 1883 er- wähnt. In der Bayerischen Staatsbibliothek fanden sich immer- hin die Lebensdaten Destouches und vor allem das Büchlein „Aus der Jugendzeit“. Große Enttäuschung – unter den über hundert Gedichten fehlte ausgerechnet der gesuchte Text. Weder in der Münchner Monacensia-Bibliothek noch in der Stadtbibliothek am Gasteig konnte das Gedicht des reichlich An den Wanderer unbekannten Dichters ausfindig gemacht werden. Dem Münchner Stadtarchiv fiel letztendlich der rettende Hinweis Halte Rast du fröhlicher Geselle, ein, in dem Nachlaß Destouches befanden sich auch bisher Der du dem höchsten Ziele strebest zu. nicht veröffentlichte Werke.Was wenig später folgte, glich ei- Es lädt der Felsen, es lädt die Quelle, ner Zeitreise in das 19. Jahrhundert. Unzählige handschriftliche Dich ein zu süßer träumerischer Ruh. Manuskripte und Gedichte, Gedichte, Gedichte! Ein Paket trug Hier kann dein Aug‘ u.Herz zugleich genießen den Vermerk „Für die lieben Vögelein“, an anderer Stelle eine Die wunderbare Schönheit der Natur, „Liste derjenigen, die mich nicht mehr grüßen“ – kleine braune Hier kann sich‘s ins Unendliche ergießen, Flocken rieselten aus den vergilbten Papierstapeln. In einem Das sonst gebannt an engen Umkreis nur. festen Karton fielen eingefaßte Bücher auf – hunderte von handschriftlichen Gedichten, vielleicht zur Veröffentlichung ge- Und hast du dir gestärkt hier Geist und Glieder, dacht, ordentlich durchnumeriert und mit Inhaltsverzeichnis – Hat dich ein Trunk aus diesem Born erquickt, welch‘ riesige geistige Leistung, vielleicht ein ganzes Lebens- Dann greife frisch zum Wanderstabe wieder, werk verkümmert hier in den Tiefen eines Archivs, so auch das Und zieh‘ dahin, beseligt und beglückt. Gedicht „An den Wanderer – für die Marmortafel an der Quelle Steig kühn hinan zur höchsten Wart und Zinne zu den sieben Sprüngen im Rainthal“.Welche Geschichte sich Die weithin schaut hinab in‘s deutsche Land, hinter dieser Gedichtstafel verbirgt, warum sie schließlich Und wenn dich dort umwehet Gottesminne, nicht in Marmor,sondern nur als Blechschild aufgestellt wor- Dann bete für dein schönes Heimatland! den war – man wird es vermutlich nie erfahren.

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