Analoges Spiel im digitalen Zeitalter

Das Brettspiel – Eine Nische zwischen YouTube und Wohnzimmertisch

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Toni Janosch Krause

am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie

Begutachterin Univ.-Prof. Dr. Katharina Eisch-Angus

Graz, 2020

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DANKSAGUNG

Ich möchte mich zuallererst bei meiner Betreuerin Katharina Eisch-Angus bedanken, die die Geduld hatte, mich auf dem langen Weg dieser Arbeit zu begleiten und mir dabei stets mit Rat und motivierenden Worten beistand. Ebenfalls für seine Geduld aber auch für seinen Rückhalt möchte ich Alexander Reh danken, der meine Phasen des Frustes stets mit stoischer Gelassenheit ertrug. Ein ausdrücklicher Dank geht an Mateja Marsel für den stetigen Austausch über die ganze Forschungszeit hinweg, sowie für Korrektur und Anmerkungen zur Arbeit. Für letzteres möchte ich mich auch bei meinen weiteren Korrekturleser*innen Wilfried Griebel, Dirk Neldner und Ruth Eggel bedanken. Ebenfalls danken möchte ich meiner Supervisionsgruppe unter der Leitung von Almut Sülzle, die mir half das ein oder andere Forschungsmaterial von anderen Blickwinkeln aus zu betrachten. Der größte Dank jedoch gilt meinen Gewährspersonen, die mich offen und bereitwillig an ihrer Lebenswelt haben teilhaben lassen, und ohne die diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre.

VORBEMERKUNG

Alle Gewährspersonen in diesem Text, die keinen wissenschaftlichen Hintergrund zum Thema mitbringen, oder die in der Öffentlichkeit stehen, sind pseudonymisiert. Die in dieser Arbeit verwendeten Gesprächs- und Interviewausschnitte sind mit dem Einverständnis der entsprechenden Personen verwendet worden und zum besseren Verständnis vorsichtig sprachlich geglättet. Um zur sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter beizutragen, habe ich versucht eine möglichst geschlechtsneutrale Schreibweise zu verwenden. Wo dies aus sprachlicher Sicht nicht möglich war habe ich mich für eine Nennung mit * entschieden, um auch über eine zweigeschlechtliche Sichtbarkeit hinaus Raum zu schaffen. Da sich die Publikationsangaben von Brettspielen von denen von Büchern unterscheiden und es für die Angabe in wissenschaftlichen Publikationen bisher keine Muster gibt, habe ich mich bei der Erstnennung an der Zitierweise für Videospiele orientiert. Bei historischen Spielen wird auf diese Angaben verzichtet. Zudem ist am Ende dieses Manuskriptes eine Ludografie zur Übersicht beigefügt. Begleitend zur Forschung nahm ich an einer ethnografischen Forschungssupervisionsgruppe teil, in der auch pseudonymisierte Auszüge aus meinem Forschungstagebuch oder meinen Interviewtranskripten besprochen wurden. Die Gruppe unterstütze mich bei der wissenschaftlichen Reflexion des Forschungsgegenstandes und bei der Reflexion meiner eigenen Position im Feld. Innerhalb des Textes verwende ich den Begriff der Peergroup, um von Personen zu sprechen, die meinem Forschungsfeld angehören oder angehören könnten. Der vor allem in der Psychologie gebräuchliche Begriff beschreibt dabei eine primäre Bezugsgruppe, in der das Individuum eine soziale Orientierung sucht. Diese Bezugsgruppen zeichnen sich oft durch eigene Werte, Eistellungen und Verhaltensweisen aus, deswegen kann die Verwendung des Begriffes „Peergroup“ auch als „Gleichgesinnte“ verstanden werden. Weiter verwende ich im Text den Betriff des Spieleabends. Dieser Begriff hat sich im Feld etabliert und ist der gebräuchlichste für Treffen, bei denen es vorrangig ums Spielen geht. Zwar finden Spieletreffen auch zu anderen Tageszeiten statt, üblicherweise beginnen diese aber in der Tat am späten Nachmittag oder am Abend. Die Verwendung des Begriffes im Text sagt aber nichts über die tatsächliche Tageszeit aus, sondern soll als Synonym für jegliche Spieletreffen dienen. Wie bei vielen Feldaufenthalten, wurde auch in meinem Feld schon während des Forschungsprozesses Interesse an der fertigen Arbeit angekündigt. Gern möchte ich diesem Wunsch nach der Fertigstellung nachkommen und die Arbeit den interessierten Gewährspersonen zur Verfügung stellen, gebe aber zu bedenken, dass sich diese Arbeit vor 2 allem an ein Fachpublikum wendet und sich dies in Inhalt und Sprache widerspiegeln wird. Geübte Spieler*innen werden in diesem Text vermutlich Aussagen und Analysen finden, die für sie offensichtlich und nicht nennenswert erscheinen, die aber für ein besseres Verständnis außerhalb der spielerischen Lebenswelt von Bedeutung sind.

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INHALT Danksagung ...... 2 Vorbemerkung ...... 2 Inhalt ...... 4 1. Einleitung ...... 6 2. Das Feld und die Methoden ...... 9 2.1. Interviewpersonen im Überblick ...... 15 3. Welches Spiel? – eine Abgrenzung ...... 17 3.1. Play – Toy – ...... 19 3.2. Gambling und Sport ...... 21 3.3. digital Gaming und analoges Spiel ...... 25 3.4. Das moderne Brettspiel ...... 26 3.5. Deutschland als Brettspielstandort ...... 31 4. Aspekte des Spiels ...... 34 4.1. Spielziel und Spielregeln ...... 34 4.2. Feedback...... 37 4.3. Freiheit und Freiwilligkeit...... 38 4.4 Unproduktiv, zweckfrei und nichtnotwendig ...... 41 4.5 Sinnhaftigkeit und Gegenwartsbezug ...... 43 4.6. Endlichkeit und Wiederholbarkeit ...... 44 4.7. Symbolhandeln ...... 46 4.8. Nichtalltäglichkeit und Sanktionsfreier Raum ...... 47 4.9. Eskapismus ...... 49 4.10. Ambivalenz und Spannung ...... 50 4.11. Immersion und Erleben ...... 52 4.12. Flow ...... 54 4.13. Vergnügen und Lust ...... 57 4.14. Sucht und Obsession ...... 60 4.15. Ernsthaftigkeit ...... 63 4.16. Ritualisierung ...... 65 4.17. Wettkampf bzw. Wettbewerb ...... 67 5. Ein analoges Medium und sein Bezug zur Digitalität ...... 69 5.1. Brettspiel das (vergessene) popkulturelle Medium ...... 70 5.2. Konsum und Eventisierung ...... 72 5.3. Multiplikatoren und Nähenarrativ ...... 76 5.4. YouTube und Kommerz ...... 80 5.5. Brettspiel - das gute Medium / Ästhetisch- kulturelle Praktik ...... 85 4

5.6. Der Mythos Digital Detox ...... 94 6. Die Sozialkultur des Brettspiels ...... 100 6.1. Spielbiografien ...... 100 6.2. Inklusion und Disktinktion ...... 103 6.3. Räumlichkeit und Kollektivierung ...... 108 6.4. Brettspiel als soziale Praxis ...... 112 6.5. Egalisierung und Partizipation ...... 115 6.6. Prädikatisierung und Ettikettierung ...... 121 7. Schlussbemerkung und Ausblick ...... 125 8. Quellen ...... 127 9. Ludografie ...... 139

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1. Einleitung

Ich sitze am Spieletisch und bin unsicher – was, wenn mir das Spiel nicht gefällt? Es besteht vornehmlich aus Pappe und die Grafiken sind einfach mit dem heimischen Drucker erstellt und auf die Komponenten geklebt. Ich muss ab und zu nachfragen, was ich jetzt eigentlich alles machen kann, denn eine Übersicht oder Anleitung gibt es nicht. Einige Mechaniken spielen sich etwas holprig und sind nicht so leicht zu durchschauen - dann macht Sarah einen Witz und fragt in die Runde, wer sich so eine blöde Regel eigentlich hat einfallen lassen. Ich versuche dennoch konzentriert zu bleiben, schließlich will sie am Ende eine Meinung von mir hören. Wer gewonnen hat, werde ich bis zum Ende des Abends auch schon wieder vergessen haben. Es ist Montagabend und ich sitze in einem Brettspielecafé beim regelmäßigen Treffen von Spieleautor*innen, die hier ihre Prototypen testen. Sarah ist eine von ihnen und wir spielen eines ihrer Spiele, das sich noch in der Entwicklung befindet. Es bleibt nicht das einzige Spiel an diesem Abend, auch zwei andere Autor*innen sind gekommen und haben einen oder mehrere Prototypen mitgebracht. Dass ich selbst kein Spieleautor bin, sondern Forscher, der sich für das Thema interessiert stört dabei nicht. Viel wichtiger scheint meinen Gegenübern, dass ich eine gute Auffassungsgabe für die Regeln habe und nach jedem Spiel auch etwas zur Mechanik und zum Spielgefühl sagen kann. Die Spielekonzepte werden von allen Anwesenden bis aufs Mark geprüft – über Namen zur besseren Vermarktung wird geredet, an welche Zielgruppen sich die Spiele richten und ob es vielleicht doch etwas mehr Glück und dafür weniger Strategie sein soll oder doch besser umgekehrt? Das Besprechen der Spiele nimmt jeweils mindestens genauso viel Raum ein, wie das Spielen selbst.1 Im Laufe des Forschungsprozesses werde ich merken, dass dieses Über-Spiele-Reden nicht den Autor*innen vorbehalten ist, sondern wichtiger Bestandteil der ludischen Praxis darstellt. 2019 brachen die Internationalen Spieletage SPIEL, die weltweit größte Messe für Brettspiele, in Essen wiederholt die Rekorde für Besucher*innen, Austeller*innen und vorgestellte Neuheiten.2 Seit Jahren ist die Branche im Wachsen, dabei steigt nicht nur die Zahl an Spielen, die sich an Kinder und Familien richten, sondern vor allem auch die Zahl an Spielen, die sich vornehmlich an einem erwachsenen Nutzer*innenkreis orientiert. Das zeigt, dass es sich beim »erwachsenen« Brettspiel um ein zeitgenössisches Phänomen handelt. Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis meiner Forschung zum Thema Brettspiele, die vor allem diesen Nutzer*innenkreis in den Fokus nimmt und einen Einblick in ihre Lebenswelt geben möchte. Während des Forschungsprozesses wurde ich sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch aus dem Feld heraus fortwährend gefragt, was eigentlich mein Forschungsgegenstand sei bzw. was mich am Thema konkret interessieren würde. Mein Interesse folgt dabei der, wie der Europäische Ethnologe Rolf Lindner es ausdrückt, Logik aller Kulturwissenschaften und fragte nach dem wie und nicht nach dem warum, oder wie Lindner den Philosophen Michael Franz zitiert, nach »[der] Art, wie die Menschen das machen, was auch immer sie machen.« 3 Dabei geht es mir vorrangig um die Darstellung einer sozialen Lebenswirklichkeit und den damit verbundenen Praxen derer, für die Brettspiel ein wichtiger Teil ihres Alltags ist. Nach der Beschreibung meines Forschungsfeldes und meiner Methoden, werde ich den Spielbegriff genauer betrachten um eine Abgrenzung hin zur Spielgattung Brettspiel vorzunehmen. Danach werde ich auf die Aspekte des vorher definierten Spielens eingehen und so spieltheoretische Grundlagen mit empirischer Feldforschung verknüpfen. Dies soll verdeutlichen, dass es sich beim Spiel nicht um ein banales Vergnügen handelt, sondern um

1 Forschungstagebuch vom 19.06.2018. 2 Vgl. Brettspielbox: Essen – SPIEL 2019 – Fazit. 2019. Abrufbar unter https://brettspielbox.de/essen-spiel-2019-fazit/ (Zugriff am 08.07.2020). 3 Vgl. Rolf Lindner: Vom Wesen der Kulturanalyse. In Zeitschrift für Volkskunde 99 (2003), S. 177-188, hier S. 180; sowie Michael Franz in Lindner: Vom Wesen der Kulturanalyse, S. 180. 6 eine komplexe Kulturtechnik. Die beiden darauffolgenden Kapitel stellen den Hauptteil der Forschung dar. Im Kapitel 5 illustriere ich Brettspiel als analoges Medium im digitalen Zeitalter um darauffolgend im Kapitel 6 der Frage nachzugehen, welche Sozialkultur des (Brett)Spielens sich daraus ableiten lässt und um Rückschlüsse auf seine Wirkweisen zu ziehen. Das Brettspielen setzt sich aus einem Mix aus materieller Kultur, Lebensweise und - praxis, sowie den Beziehungen zwischen den Menschen zusammen und bietet somit eine perfekte Möglichkeit Alltagskultur zu erforschen. Wie die meisten kulturwissenschaftlichen Betrachtungen rund ums Spielen beziehe ich mich in meiner Arbeit auf den niederländischen Kulturhistoriker Johan Huizinga, der schon 1938 bemerkte: »Die Ethnologie und die ihr verwandten Wissenschaften legen zu wenig Gewicht auf den Spielbegriff.«4 Dieser Bemerkung möchte ich mich auch über achtzig Jahre danach noch anschließen. Mit seinem Werk Homo Ludens legte Huizinga das Fundament dafür, das Spielerische in den wissenschaftlichen Blick zu nehmen und es nicht nur als kulturellen Ausdruck zu verstehen, sondern gar als einen Ausgangspunkt menschlicher Kultur:

»In der Zwei-Einheit von Kultur und Spiel ist das Spiel die primäre, objektiv-wahrnehmbare, konkret bestimmte Tatsache, während Kultur nur die Bezeichnung ist, die unser historisches Urteil dem gegebenen Fall anheftet.«5

Und obwohl ich dieser Spur in meiner Arbeit nicht nachgehen möchte – sehe ich sehr wohl, dass das Spiel und seine vielfältigen Erscheinungsformen in den Kulturwissenschaften lange kaum Platz zu finden schien. Dies änderte sich langsam mit der Popularität des digitalen Spiels, da das Computerspiel, so formuliert der Kulturanthropologe Thomas Lackner, eine zunehmend verbreitete Freizeitbeschäftigung vieler Menschen darstelle und sich dadurch auch die Zahl derer erhöhe, die sich damit beschäftigen und Spiele deswegen auch mehr ins öffentliche Interesse rücken würden.6 Aber, so Lackner:

»Wie jedem Spiel, haftet dem Computerspiel die in Fragestellung der Daseinsberechtigung und Sinnhaftigkeit ihrer Existenz an. Als Gegensatz zu einer ernsthaften Beschäftigung stellen Spiele in den Augen vieler eine Verschwendung von Ressourcen dar.«7

Beim analogen Spiel zeigt sich dies noch deutlicher als beim digitalen Spiel. Die Fachliteratur beschränkt sich meist nur auf die Aufzählungen historischer Spiele, auf deren Herkunft und darauf, wie diese gespielt wurden. Ich ziehe daher neben den Klassikern der kulturwissenschaftlichen Spieltheorie, vor allem auch Literatur aus dem Bereich der digitalen Spiele heran. Mit Bezug auf den Computerspielwissenschaftler Mark J.P. Wolf führt Lackner aus, »[…] dass der Status des Computerspiels als »Spielobjekt« lange Zeit die ernsthafte Erforschung der Computerspiele im Gegensatz zu den traditionellen Medien wie Buch, Film, Radio und Fernsehen in den Medienwissenschaften erschwert hat.«8 Für das Computerspiel hat sich das in der deutschsprachigen Kulturanthropologie schon deutlich verbessert – im Bereich des analogen Spiels findet sich in unserem Vielnamenfach und den angrenzenden Wissenschaften nahezu keine Forschung. Der Bezug zum Computer-, bzw. Videospiel bietet sich auch von daher an, als sowohl digitale als auch analoge Spielformen als moderne populärkulturelle Medienpraxen verstanden werden können. Mit diesem Blick lassen sich fachliche Betrachtungen zum digitalen Spiel teilweise auch auf das analoge Spiel übertragen. An den Stellen, wo sich beide Phänomene deutlich unterscheiden, weise ich gesondert darauf hin. Der Fokus auf das Digitale bei der Forschung rund ums Spiel, hängt sicher mit einer allgemeinen Digitalisierung der Gesellschaft zusammen, dabei, so meinen die

4 Johan Huizinga: Homo Ludens, Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Hamburg 200921, S. 8. 5 Ebda., S. 57. 6 Thomas Lackner: Computerspiel und Lebenswelt. Kulturanthropologische Perspektiven. Bielefeld 2014, S. 21. 7 Ebda., S. 124f. 8 Ebda., S. 16. 7

Kulturwissenschaftler*innen Christine Spiegel und Bernhard Tschofen, hätten Spiele und Spielzeug in den letzten Jahren, in mehrfacher Hinsicht, an Aktualität und Attraktivität gewonnen, »[…] und das nicht nur, weil in unserer postmodernen Gegenwartskultur erneut ein klarer Trend hin zum Spiel erkennbar ist.«9 Spiele, so die Historikern Giesela Staupe, »[…] sind Medien der Weltaneignung und Szenen der Anthropologie. Sie uns Gelegenheit, soziale Regeln und Effekte nachzuvollziehen, und sind Lernmittel im weitesten Sinne.«10 Ich verstehe meinen Beitrag als klassisch ethnografische Arbeit mit der ich die Lücke im Themenbereich Spiel – und vor allem analoges Spiel – etwas mehr schließen möchte. Dabei streife ich die Bereiche der Freizeitforschung, der Ludologie bzw. Spieltheorie, der Forschung zu Medien und Populären Kulturen, der Sachkultur-, sowie Subkulturforschung streife. Wichtig ist mir dabei aber vor allem die Akteur*innen zu Wort kommen zu lassen und ihnen und ihrer Lebenswelt entsprechenden Raum geben. Das durch meine Forschung entstandene Bild ist gewiss nicht vollständig, sondern bietet einen Einblick und bestimmte Perspektiven auf ein wissenschaftlich noch wenig beachtetes Feld. Genauso wichtig, wie zu beantworten, was die Forschung möchte, sehe ich aber die Antwort darauf, was ich mit dieser Forschung nicht möchte oder kann. Ich will mit dieser Arbeit keine Antwort darauf geben, warum der Mensch im Allgemeinen spielt oder was die Motivationen einzelner Spieler*innen sind, genauso wenig gebe ich hier eine Antwort darauf, wozu Spielen dient. Es soll hierbei auch nicht um eine aktuelle Bestandsaufnahme von Brettspielen und deren Mechaniken oder Themen gehen. Vielmehr möchte ich mich den Praktiken der Menschen und der Wirkung bzw. dem Stellenwert von Brettspielen auf und in ihrem Leben widmen. Ich verstehe diese Forschung und den daraus resultierenden Text als Beitrag zu einem wissenschaftlichen Diskurs über das Spielen allgemein und das Brettspiel im Speziellen. Meine Aufgabe und meine Position sehe ich dabei, in guter kulturanthropologischer Tradition, darin, das Feld für andere zu übersetzen und lesbar zu machen, keinen Anspruch auf die absolute Wahrheit zu erheben, mit dem steten Bewusstsein, dass meine Erkenntnis immer partiell und situiert ist und mit dem Wissen um die Gestaltung plausibler Deutungen und Analysen der beobachteten Phänomene.11

9 Christine Spiegel/Bernhard Tschofen: Spielwelten. In: Vorarlberger Landesmuseum (Hg.): Spielwelten. Spielen und Spielzeug aus zwei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog. Bregenz 1988, S. 9-16, hier S. 9. 10 Gisela Staupe: Vorwort. In: Claus Pias/Christian Holtorf: ESCAPE! Computerspiele als Kulturtechnik. Köln u.a. 2007, S. 7-8, hier S. 7. 11 Vgl. Christine Bischof/Karoline Oehme-Jüngling, Walter Leimgruber: Einführung. In dieselben (Hg.): Methoden der Kulturanthropologie, Bern 2014, S. 9-12, hier S. 11. 8

2. Das Feld und die Methoden

Während ich mich schon mitten in meiner Forschung befinde, werde ich zufällig Zeuge eines Gesprächs zweier Frauen in der S-Bahn. Es scheint, als würden sie sich von der Uni kennen, allerdings noch nicht allzu lange, denn sie fragen sich gegenseitig nach dem Alter und danach, was sie vorher so gemacht haben. Als eine der beiden ein kurzes Telefonat mit ihrem Bruder beendet, in dem es um noch fehlende Zutaten für das Abendessen geht, erzählt sie, dass sie am Abend mit ihrem Bruder kochen werde, bevor noch weitere Personen zu einem Spieleabend vorbeikommen. Auf die Frage, was sie denn spielen würden, erzählt die Spieleabendveranstalterin vom Kartenspiel Wizard und fragt ihre Gesprächspartnerin, ob sie das Spiel kenne.12 Diese bejahte und meinte, sie kenne es seit dem Sommer, aber es sei schwer es zu erklären und sie finde niemanden, mit dem sie das spielt – dennoch finde sie es toll, denn sie und ihr Freund »seien eben so Spielleute«. Von der Spieleabendveranstalterin erhält sie dafür Zustimmung und diese meint, Wizard sei eben besser als Monopoly.13 Ich muss schmunzeln und weiß, diese beiden gehören nicht zu dem Feld, das ich erforsche, wird Wizard in meinem Feld doch als sehr einfaches Spiel und Monopoly im besten Fall als schlechtes Spiel betrachtet, wenn es nicht gar mit Verachtung gestraft wird. Dabei fiel mir das Abstecken des Feldes von Anfang an gar nicht so leicht. Ich hatte zwar ein recht klares Bild vor Augen, welche Art des Spielens und welche Spieler*innen ich mir anschauen wollte – es auszuformulieren gelang mir hingegen lange nicht. Es war klar, dass es mir um erwachsene Spieler*innen ging, daher schloss ich Kinder oder Familien, die vorrangig der Kinder wegen spielen, aus. Ebenso schloss ich die Klassiker wie Schach, Dame, Mühle usw. aus – zwar handelt es sich dabei genaugenommen natürlich auch um Brettspiele, aber mir war wichtig Brettspiel vor allem in seiner Erscheinung als modernes Medium zu untersuchen. Der Fokus dieser Forschung liegt also vor allem auf erwachsenen Menschen, die Brettspielen als die oder eine ihrer Hauptfreizeitbeschäftigungen sehen, von sich selber sagen, dass sie Vielspieler*innen sind und sie sich ein breites Wissen zum Gegenstand angeeignet haben. Dies ist auch der Grund, weshalb die eingangs erwähnten Frauen nicht als Gewährspersonen in Frage kämen, da die im Gespräch genannten Spiele in meinem Forschungsfeld als Referenzpunkte nicht, oder wenn dann, wie bei Monopoly, nur als Negativbeispiele auftauchen würden. Der Fokus liegt aber weniger darauf, was gespielt, sondern wie gespielt wird. In Anlehnung an den Begriff technomorph, also die vornehmliche Ausrichtung hin zur Technik, könnten meine Gewährspersonen als ludomorph verstanden werden. Wie oft bei der Wahl eines Forschungsthemas liegt ein gewisses Vorwissen zum Thema nahe – mir selbst war das Brettspiel also nicht ganz fremd. Meine eigene Spielbiografie hat dabei eine starke Ähnlichkeit zu der meiner Gesprächspartner*innen. In meiner Kindheit hatten wir Klassiker wie Cluedo, Scotland Yard, Risiko und Monopoly im Schrank.14 Letzteres findet sich wahrscheinlich auch in einem Großteil der deutschen Haushalte. Gespielt wurde in meiner Familie unregelmäßig aber recht häufig. Die oben genannten Spiele wechselten sich mit klassischen Kartenspielen, vor allem Rommé, ab. Die gemeinsamen analogen Spieleabende wurden seltener als die erste, und vor allem als die zweite Spielkonsole in

12 Wizard: Ken Fischer. Erstveröffentlichung auf Englisch 1984 bei Ken Firscher Enterprise Ltd. 13 Die Entstehungsgeschichte des Monopoly ist kompliziert und ich werde etwas später noch darauf eingehen. Erstmals in Englisch erschienen ist es bereits 1933 unter dem Titel The Landlord‘s Game im Eigenverlag der Autorin Elisabeth Magie. Zwei Jahre später erschien es dann unter dem Namen Monopoly bei Parker Brothers. Die deutsche Erstausgabe erschien 1936 bei Schmidt Spiele. 14 Cluedo: Anthony Ernest Prat/Elva Pratt. Erstveröffentlichung auf Englisch 1948/49; Deutsche Erstausgabe 1959 als Wer ist Meisterdedektiv?; Scotland Yard: Manfred Burggraf u.a. Erstveröffentlichung auf Deutsch 1983 bei Ravensburger; Risiko: Albert Lamorisse/Michael I. Levin. Erstveröffentlichung auf Französisch unter dem Titel La Conquête du Monde 1959 bei Miro Company. 9 unseren Haushalt Einzug hielt. Das Interesse für analoges Spielen blieb zwar über die digitale Spielezeit dennoch erhalten, war aber deutlich geringer ausgeprägt. Irgendwann fing ich wieder an mehr analog zu spielen; zu den Vielspielern, wie meine Gewährspersonen, hätte ich mich allerdings nicht gezählt. Als ich 2018 mit der Forschung begann, verfolgte ich einige Blogs und YouTube-Kanäle zum Thema. Ich wusste auch, dass es seit einigen Jahren in Berlin eine Messe bzw. Convention zum Thema gibt – organisiert von Johannes Jaeger und Jan Cronauer, die unter dem Namen Hunter & Cron den erfolgreichsten deutschsprachigen YouTube-Kanal rund um das Thema Brettspiele betreiben. Als der Vorverkauf für die Karten zur Messe startete und über Facebook bekannt gemacht wurde, war ich zufällig gerade online – ich bestellte sofort für beide Tage eine Karte. Etwa eine halbe Stunde später erhielt ich eine Mail von Artur, einem der Mitorganisatoren. Er gratulierte mir dazu, dass ich wohl der erste sei, der eine Karte gekauft hatte und wollte wissen, ob die Karte per Mail angekommen sei, da sie ein neues System hatten, von dem sie noch nicht wüssten, ob es gut funktioniere. Ich nutzte die Gelegenheit, antwortete auf die Mail und tat gleich mein Forschungsvorhaben kund. Ich dachte, es ließe sich vielleicht ein Interview arrangieren, entweder mit ihm oder gar mit Hunter & Cron direkt. Die Antwort auf die Frage ließ eine ganze Weile auf sich warten und auch nachfolgende Antworten dauerten immer Tage, oder auch mal eine Woche. Arturs Reaktion war zwar positiv – mein Forschungsinteresse schien mit Wohlwollen aufgenommen zu werden – konkrete Termine für Interviews ließen sich allerdings nicht ausmachen. Nach den Vorbereitungen zur Messe und danach folgendem Urlaub sollte es aber sowohl bei ihm als auch bei Hunter & Cron ruhiger werden.15 Bis zum Ende meiner Forschung kam allerdings kein Interview zu Stande. Meine mehrfachen Versuche mit Hunter & Cron einen Termin auszumachen wurden immer auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet. Mit Artur ergaben sich mehrere informelle Gespräche im Laufe meiner Forschung und obwohl auch er generelle Bereitschaft signalisierte, schafften wir es nie zu einem richtigen Interview. Irgendwann gestand er mir, dass er sich anfangs sehr unsicher war und daher zurückhaltend reagierte, dass er aber jetzt, wo er mich besser kennengelernt hatte, die Scheu vor einem Interview verloren habe – dass dies erst nach Abschluss meiner Erhebungsphase passierte, schien fast kein Zufall. Artur empfahl mir in einer Mail ein Brettspielcafé, in das ich gehen sollte, da die Leute dort sehr nett wären und dies für meine Forschung sicher spannend sei. Es brauchte aber eine Weile, bis ich mich tatsächlich entschied, dorthin zu gehen.16 Mein erster tatsächlicher Schritt ins Feld war dann eben jenes Brettspielcafé. Beim ersten Besuch war ich verunsichert – es kam mir komisch vor, mich bei fremden Menschen an den Tisch zu setzen und zu fragen, ob ich ihnen beim Spielen zusehen oder gar mit ihnen mitspielen könne. Ich fühlte mich fehl am Platz, denn bisher hatte ich nur im privaten Umfeld gespielt, mit Menschen, die ich kannte. Meine ersten Schritte waren von einer gewissen Vorsicht und Zurückhaltung geprägt, so dass aus der Supervisionsgruppe die Rückmeldung kam, dass ich wohl wie eine Kamera oder ein Aufnahmegerät in der Ecke gestanden hätte – beobachtend ohne teilzunehmen. In der Tat schien der erste Tag im Feld nicht sehr ergiebig, aber ich lernte eine wichtige Lektion, die sich im Verlauf der Forschung als maßgeblich herausstellte: Das Feld zu erforschen, ohne mitzuspielen, funktioniert nicht. Von meinem zweiten Besuch im Brettspielcafé stammt die Vignette aus der Einleitung und noch bevor ich in die Runde der Spieleautor*innen eingeladen wurde, hatte ich die Möglichkeit ein ausführliches Gespräch mit dem Besitzer des Ladens zu führen, der an diesem Tag ebenfalls anwesend war. Als Student empfand er die Studierenden und deren Lokale seines Studienortes als elitär und unattraktiv. Seine Freunde und er verkehrten daher in einem Laden, in dem sich auch die örtliche Musikerszene traf. Der Wirt hatte dort ein Regal mit Spielen stehen und so trafen sie sich nicht nur zum Trinken und Musik hören, sondern spielten auch immer nebenbei – das habe ihn überzeugt und es erwuchs die Idee, selbst ein

15 Auszug aus dem Forschungstagebuch vom 16.06.2018. 16 Ebda. 10

Lokal aufzumachen, in dem gespielt werden könne. Letztlich brauchte es aber noch Jahre, bis er die Idee dann auch umsetzte.17 Neben dem Brettspielcafé gründete er einen kleinen Spieleverlag und teilte sich im Zuge dessen ein Büro mit Hunter & Cron, deren Messe er mir als Ort für meine Forschung auch empfahl, für die ich ja bereits Karten hatte. Etwa einen Monat vor der Berlin Brettspiel Con starteten Hunter & Cron einen Aufruf um Helfer*innen für Auf- und Abbau sowie einige andere Tätigkeiten während der Messe zu finden – eine gute Möglichkeit aus meiner Beobachtung eine Teilnehmende Beobachtung zu machen. Ich meldete mich auf den Aufruf und erhielt erstmal keine Rückmeldung – was ich als Ablehnung deutete und das auf meine Rolle als Forscher zurückführte. Etwa eine Woche vor der Messe kam dann eine Mail mit dem Dienstplan und allgemeinen Infos für das Helfer*innenteam – ich war dabei. Am 21.07 und 22.07.2018 fand die Berlin Brettspiel Con im Kühlhaus Berlin zum vierten Mal statt. Offiziell wird die Messe von der Analoge Freunde Brettspiele GmbH, dessen Geschäftsführer Johannes Jaeger ist, organisiert. Das Kühlhaus war dabei das zweite Mal Veranstaltungsort, wurde aber im Folgejahr auf Grund des Wachstums der Messe wieder gewechselt und in die direkt neben dem Kühlhaus liegende Station verlegt. Ich versuchte mich so viel einzubringen wie möglich und meldete mich freiwillig für Auf- und Abbau, sowie Schichten in der Spieleausleihe – eine Möglichkeit für Besucher*innen der Messe kostenfrei Spiele zu leihen und diese vor Ort zu spielen. Hier hielt ich mich an den Ethnologen Bruno Illius, der über die ethnografische Arbeit meinte: »Wer bereit ist, ein paar Stunden auf einer Pflanzung zu schwitzen oder einen halben Zentner Bananen zu schleppen, wird auch dafür belohnt werden.«18 Und ich wurde belohnt, kam ich doch schon im Vorfeld mit vielen Anwesenden ins Gespräch, während wir unzählige Stühle und Tische aufbauten. Bis auf einige wenige Festangestellte bestand das Team aus freiwilligen Helfer*innen, die alle eines gemeinsam hatten – die Leidenschaft fürs Brettspiel. Einige waren schon bei der Messe davor als Helfende dabei gewesen, andere meldeten sich wie ich auf den Aufruf. Ich brachte mich überall dort ein, wo ich konnte. Vor allem die Spieleausleihe interessierte mich sehr, da ich dort zum einen viel Zeit hatte mich während der Arbeit mit den anderen Helfer*innen zu unterhalten, zum anderen immer wieder mit Menschen ins Gespräch kam, die vor allem zum Spielen gekommen waren. Ich führte unzählige informelle Gespräche und aus den Kontakten ergaben sich mehrere Interviews. Nach dem Ende der Messe wurde ich zu Teamtreffen und Spieleabenden ins Büro eingeladen und wurde ins Team rund um Hunter & Cron aufgenommen. Da meine Forschung nach einem Jahr noch nicht beendet war, wiederholte ich dies 2019 und nahm auch dort als freiwilliger Helfer teil. Auch privat ergaben sich aus den Kontakten mehrere Spielemöglichkeiten, an denen ich bereitwillig teilnahm. Neben der Messe und den daraus entstandenen Kontakten nahm ich noch an weiteren Veranstaltungen teil. Durch Zufall wurde ich von einem Freund auf einen Ludologie-Kurs an der design akademie berlin19 aufmerksam gemacht. Trotz dessen, dass es sich dabei um eine private Hochschule handelt und die Veranstaltungen somit auch nicht einfach frei zugänglich sind, bekam ich auf meine Anfrage, ob ich an dem Kurs teilnehmen könne, eine positive Rückmeldung. Zu Anfang sah ich dabei vor allem die Möglichkeit einen anderen Blick auf das Thema Spielen mitnehmen zu können. Den Kurs leitete der Professor für Wirtschaftswissenschaften und Marketing Dr. Jens Junge, der auch der Leiter des an der design akademie berlin ansässigen Instituts für Ludologie ist. Es stellte sich heraus, dass Junge als junger Mann eine Ausbildung zum Verlagskaufmann bei der SpielBox machte, einem Fachmagazin für Gesellschafts-, Brett- und Kartenspiele. Seitdem ist Junge tief in der Spieleszene verankert, was sich auch in seiner Forschungstätigkeit widerspiegelt. Er beschäftigt sich u.a. mit digitaler Transformation, spielwissenschaftlicher

17 Vgl. Forschungstagebuch vom 19.06.2018. 18 Bruno Illius: Feldforschung. In Hans Fischer/Bettina Beer (Hg.): Ethnologie. Einführung und Überblick. Berlin 2003, S. 73-98, hier S. 80. 19 Der vollständige Name der Hochschule lautet design akademie berlin | SRH Hochschule für Kommunikation und Design. 11

Organisationsanalyse und ludologischem Management für Unternehmen und Institutionen. Jens Junge ist Mitbetreiber der Plattform spielen.de und gründete das Institut für Ludologie. Der Kurs richtete sich vor allem an die Studierenden aus den Richtungen Game Development und behandelte (natürlich) neben Huizinga vor allem Gamification-Aspekte, also die Frage danach wie Aspekte des Spiels bei der Vermarktung von Produkten oder Dienstleistungen hilfreich sein können. Als ich Junge erzählte, dass ich gern an der Verleihung des teilnehmen würde, von den Veranstaltern aber eher zurückhaltende Reaktionen erhielt, bot Junge an mich über seine Kontakte zur SpielBox rein zu bringen. Nach dem Ende des Kurses und im Verlauf meiner Forschung kreuzten sich unsere Wege einige Male, so sahen wir uns beispielsweise auf der Spiel des Jahres-Veranstaltung und auch auf beiden Brettspielmesseterminen. Auch wenn Junge nicht direkt zu meinen Gewährspersonen zählt, fließen die Gespräche mit ihm, die Eindrücke aus dem Kurs und seine wissenschaftlichen Betrachtungen zum Thema Spiel in diese Arbeit mit ein. Das Angebot über die SpielBox zur Preisverleihung zu gehen musste ich letztendlich nicht annehmen, da die Veranstalter mir, trotz anfänglicher Zurückhaltung, doch einen Platz zur Verfügung stellten. Auf meine Anfrage beim Spiel des Jahres-Verein wurde mir zunächst mitgeteilt, dass die Veranstaltung eigentlich nur akkreditierten Medienvertreter*innen vorbehalten sei, meine Anfrage aber an den Vorstand weitergeleitet werden würde. Der Vorsitzende meldete sich bei mir mit der Aussage, er würde bei wissenschaftlichen Themen mit sich reden lassen, wolle aber zuerst meinen Forschungsschwerpunkt wissen. Ich erklärte meinen Forschungsansatz und bekam letztlich eine Zusage. Ein Beigeschmack blieb allerdings. Ich hatte das Gefühl, dass hier meine Forschung nicht auf ähnliche Gegenliebe stieß wie bei den Spieler*innen. Die Preisverleihung zum Kinderspiel des Jahres 2018 verfolgte ich per Livestream über Facebook, da diese traditionell in Hamburg stattfindet. In meinem Forschungstagebuch habe ich dazu folgendes notiert:

»Obwohl ich Kinderspiele bei meiner Forschung ausgenommen habe, entscheide ich mich es mir dennoch anzuschauen – auch als Vorbereitung auf die Verleihung des Spiel des Jahres und Kennerspiel des Jahres im Juli hier in Berlin.«20

Während der Verleihung beobachte ich die Kommentarspalte und wurde besonders auf einen Kommentator aufmerksam, der als einziger mehrfach Kommentare postete und der damit mein Interesse weckte. Der Wortlaut war folgender:

»Ich will nur wissen, welches Spiel gewinnt, damit ich es aus dem Sortiment nehmen kann. […] Dieses Siegel ist der Tod für den Fachhändler. […] Jeder Drogeriemarkt verkauft die dann zu unseren Einkaufspreisen.« 21

Mir wird klar, dass es sich um einen Einzelhändler handelt, der an dieser Stelle offensichtlich seinen Frust ablässt. Da ich das erste Mal Kritik am Spiel des Jahres-Preis höre, schreibe ich ihn an, erkläre, wer ich bin und sage ihm, dass mich seine Kritik interessiert. Auf seinen Vorschlag hin verabreden wir uns zu einem Telefoninterview einige Tage später. Neben diesem telefonischen Interview führte ich insgesamt sechs persönliche Interviews, eines davon war ein Gruppeninterview mit insgesamt vier Personen, die ich alle durch den Messebesuch kannte. Drei weitere Einzelinterviews waren ebenfalls Kontakte, die durch die Messe entstanden. Die anderen beiden Interviews waren mit einem Spielpädagogen, der selbst viele Brettspiele spielt, und mit einem Mitglied meiner Supervisonsgruppe, mit dem ich mich

20 Auszug aus dem Forschungstagebuch vom 11.06.2018. 21 Auszug aus dem Forschungstagebuch vom 11.06.2018. 12

über das Solospielen von Brettspielen unterhalten wollte und bei dem ich mich im Gespräch spontan entschied es aufzuzeichnen.22 Ich führte themenzentrierte, leitfadengestützte Interviews und wählte dabei eine möglichst dialogische Form. In den Gespräche behandelte ich immer die denselben Grundfragen, denen aber nicht starr gefolgt wurde, sondern die flexibel an den Gesprächsverlauf angepasst wurden. Diese Grundfragen waren:

Erzähl mir, wie Du zum Spielen gekommen bist? Warum spielst Du? Was bedeutet Spielen für dich? Beschreib das Setting, in dem Du/Ihr spielst/spielt. Wie ist das Spielen in Deinen Alltag integriert? Worin siehst Du den Unterschied zu digitalen Spielen?

Nach allen Interviews wurde gespielt, nicht weil ich dies so vorgesehen hatte, sondern weil meine Gewährspersonen darauf bestanden. Gleichsam mit meinen Interviewanfragen an sie, stellten meine Gewährspersonen Spielanfragen an mich. Durch die Teilnahme am Spiel ergab sich aber gleich die Möglichkeit direkt am Spielerleben der Spieler*innen teilzuhaben. Während der Forschung führte ich ein Forschungstagebuch in dem ich auch, so gut es ging, die unzähligen informellen Gespräche auf der Messe und an Spieleabenden notierte. Eine weitere Quelle stellten Blogs, YouTube und Soziale Netzwerke dar in denen über das Hobby Brettspiele gesprochen und geschrieben wird. Generell zeigte sich das Feld offen und gar herzlich bezüglich meiner Anwesenheit. Bis auf die schon angesprochenen zurückhaltenden Reaktionen und nicht zustande gekommenen Interviews, erlebte ich keine Ablehnung und hatte nicht das Gefühl ein störender Faktor in der Lebenswelt meiner Gewährspersonen zu sein. Oft hatte ich sogar das Gefühl, das Feld machte einen Schritt auf mich zu. So war das Gruppeninterview nicht als solches geplant, sondern war die Idee von Richard, der für den vereinbarten Termin seine Freundin und dann noch ein befreundetes Paar zur Teilnahme vorschlug. Immer wurde ich auch als Spieler wahrgenommen und meine Rolle als Forscher trat in den Hintergrund. Meine unterschiedlichen Positionen im Feld stellten mich dabei vor eine Herausforderung. Versuchte ich anfänglich nicht zu sehr in einen wissenschaftlichen Habitus zu verfallen, um mir das Vertrauen des Feldes zu erarbeiten, war relativ schnell klar, dass dies nicht mein Problem darstellen würde. Durch meine Vorerfahrung beim Spielen wurde ich schnell als Teil der Peergroup wahrgenommen und es wurde eher zur Schwierigkeit meine Position als Wissenschaftler im Feld zu bewahren. War meine Rolle in Interviewsituationen, mit dem Aufnahmegerät auf dem Tisch, noch recht deutlich, verschwammen diese in der Teilnehmenden Beobachtung und das Feld um mich herum schienen hier und da zu vergessen, dass ich ein wissenschaftliches Interesse am Thema hatte. Obwohl ich keine Machtverhältnisse zwischen Forscher und Beforschten im Feld wahrnahm wurden – Status schien oft über das Wissen zu Brettspielen definiert und nicht darüber, ob und wie dieses Wissen aufbereitet wird – muss meine Position als Forscher dennoch kritisch betrachtet werden. Obwohl ich mit meiner Forscherrolle offen umging, schien diese, gerade in der Teilnehmenden Beobachtung, irgendwann keine Rolle mehr zu spielen. In ihrem ethnografischen Lehrbuch schreiben Georg Breidenstein u.a., es gehe bei der Ethnografie…

»[…] zunächst darum, akzeptable Inkompetenz zu etablieren und auf dieser Basis allmählich ›Mitspielkompetenzen‹ zu erwerben. […] Der Begriff Mitspielkompetenz verweist dabei auf die eigentümliche Ambiguität der sozialen Position des teilnehmenden Beobachters.«23

22 Ausschnitte dieses Gesprächs hielten selbstverständlich keinen Einzug in die Supervisonsarbeit, da dies den Regeln innerhalb der Gruppe widersprochen hätte. 23 Georg Breidenstein u.a.: Ethnografie. Die Praxis der Feldforschung. Stuttgart 2013, S. 66. 13

Die von Breidenstein u.a. beschriebene Position, kommt der einer Brettspiel spielenden Person erstaunlich nahe, welcher die Situation und die Züge der anderen Spielenden beobachtet, einschätzt und beurteilt und dann in seinem Zuge zum*r handelnden Akteur*in wird. Die »Mitspielkompetenz« war in meinem Feld doppeldeutig zu verstehen, wurde doch gerade darauf Wert gelegt, dass ich nicht nur meine Fragen stellte, sondern vor allem auch mitspielte. An dieser Stelle möchte ich Thomas Lackner zustimmen, der betont:

»Nur wer aktiv spielt, weiß um den Unterschied zwischen selbst spielen, oder eine Spielhandlung passiv zu verfolgen. Das interaktive, simulative Moment des eigenen, eingebundenen Seins ins Spielgeschehen darf nicht außer Acht gelassen werden.«24

Mit der Zeit wurde für mich immer wichtiger mir stets meine Rolle als Wissenschaftler vor Augen zu halten und die Beziehungen zu meinen Gewährspersonen zu reflektieren. Meine Kontakte wurden immer enger und ich nahm auch an Spieleabenden teil, ohne diese im Nachhinein ausführlich in mein Forschungstagebuch zu notieren. Es ist wohl ohnehin eine wesentliche Begleiterscheinung ethnografischen Verstehens, dass die Sympathie für die Menschen mit der im Feld verbrachten Zeit wächst. Ein berühmtes Problem sei, so der Soziologe und Kulturanthropologe Roland Girtler:

»[…] ob man als Forscher Mitglied einer Gruppe, bei der man forscht, werden soll. Schließlich besteht die Gefahr, dass man sich mit den Vorstellungen der Menschen identifiziert. Über ›Going native‹ wird viel diskutiert. Ich meine jedoch, dass hier ein Scheinproblem vorliegt. Es entspricht der Achtung vor den zu erforschenden Menschen, dass man eben keine künstliche Distanz zu ihnen aufbaut, wie oft verlangt wird.«25

Es ging bei meiner Forschung also auch immer um das Changieren zwischen emischer und etischer Perspektive und die ein oder andere Situation barg die Gefahr, dass meine Gegenüber vergessen, dass ich die Informationen, die ich von ihnen erhalte, nicht nur einfach aufnehme, sondern diese auch ggf. wissenschaftlich weiterverarbeite. Ich habe dabei stets versucht mir vor Augen zu halten was Bruno Illius über den »Ethnologen« im Allgemeinen postuliert:

»Er will sich engagieren und eine Rolle in der neuen sozialen Umgebung spielen, sich aber nicht so sehr mit ihr identifizieren, dass seine Unvoreingenommenheit und seine wissenschaftliche Arbeit darunter leiden. Die Kunst der Feldforschung besteht nun in der eleganten Bewegung zwischen diesen beiden Polen: der Teilnahme und der Beobachtung.«26

Was Illius hier formuliert, gilt noch viel deutlicher für Felder, in denen sich Forscher*innen von vornherein natürlicher bewegen:

»Man sieht – zuerst einmal – tatsächlich nur, was man weiß. Das heißt nicht, dass man im Verlauf der Forschung nicht noch etwas sehen könnte, von dessen Existenz man nicht wusste.«27

Und er ergänzt:

»Verzerrungen durch Vor-Wissen und Vor-Urteile sind jedenfalls weniger wahrscheinlich – und leichter zu erkennen – als solche durch unklare oder dem Gegenstand nicht adäquate Forschungstechniken.«28

24 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 142. 25 Roland Girtler: Gebote der Feldforschung. Wien/Münster 20092, S. 32. 26 Illius: Feldforschung, S.76. Selbstredend gilt dies auch für Ethnologinnen. Die männliche Form ist hier dem Alter des Textes geschuldet. 27 Ebda. 28 Ebda. 14

Meine eigene Spielbiografie und mein vorhandenes Vorwissen halfen mir, mich der Lebenswelt meiner Gewährspersonen besser zu nähern. Das Erlernen der Verkehrssprache, die Bruno Illius, als die lohnendste Vorbereitung vor der Feldforschung bezeichnet29, fiel dadurch zu einem großen Teil weg. Ich kannte viele der Begrifflichkeiten des Feldes und war mit ausreichend vielen Spielen vertraut, um ernst genommen zu werden. Im Balanceakt zwischen wissenschaftlicher Distanz und der Annäherung ans Feld legte ich stets Wert darauf die Forschungssituation als kommunikativen Interaktionsprozess zu verstehen. Mir war wichtig, meine Gegenüber dabei nicht nur als reine Informationsgebende zu verstehen, sondern ihnen meine Erkenntnisse auch zurück zu spielen und meine Annahmen dadurch auch immer wieder zu überprüfen. Ich forschte explorativ, ohne eine konkrete Problemstellung ins Feld zu tragen. Wenn ich eine Frage hätte formulieren sollen dann wäre es die Frage nach der Feldspezifik, den grundgeteilten Werten und nach dem unausgesprochenen Elefanten im Feld gewesen. Im Laufe des Feldaufenthaltes und mit nachfolgender Analyse und Auswertung konkretisierte sich meine Fragestellung.

2.1. INTERVIEWPERSONEN IM ÜBERBLICK

Wie schon angesprochen, gab es während der Forschung eine Vielzahl an Begegnungen und informeller Gespräche, die ich, sofern in die Arbeit eingeflossen, an entsprechender Stelle in Kontext setze. Die nachfolgend genannten Personen stellen allerdings die wichtigsten Gewährspersonen meiner Forschung dar und kommen dementsprechend oft zu Wort.

Oliver: Oliver lernte ich auf der Berlin Brettspiel Con 2018 kennen und arbeitete mit ihm an der Spielausleihe. Wir verbrachten viel Zeit während der Messe, was auch daran lag, dass er einer dejenigen war, die von Anfang bis Ende dabei waren und sich innerhalb der drei Tage kaum Auszeit nahm. Am Ende der drei Tage fragte er mich nach meiner Telefonnummer und wollte für Spieleabende in Kontakt bleiben. Er erklärte sich schnell zu einem Interview bereit und wir trafen uns mehrfach mit anderen zu Spielegelegenheiten. Auch bei den Teamtreffen im Büro traf ich ihn und auf der Messe 2019 war er wieder als Helfer dabei und wir arbeiteten auch dort gemeinsam in der Spielausleihe. Oliver ist Pädagoge und nutzt Brettspiele auch in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Er ist sehr interessiert an der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema und einer von zwei Personen, die zwischendrin immer wieder mal nachfragten, wie die Forschung so läuft.

Julius: Auch Julius erklärt sich recht schnell zu einem Interview bereit. Er arbeitet ein paar Stunden an der Spielausleihe. Im Gegensatz Oliver macht er nur die vereinbarten Schichten und nimmt sich sonst viel Zeit, um selbst auf der Messe rumzuschauen. Er ist nicht so involviert in den Kreis rund um Hunter & Cron wie die Anderen und ich traf ihn auch nicht bei Teamtreffen oder Spieleabenden. Auf der Messe 2019 war er nicht dabei und kündigte dies auch schon im Interview an.

Erik: Auch Erik lernte ich auf der Messe kennen, hatte aber anfangs weniger mit ihm zu tun. Intensiver wurde der Kontakt durch die Teamtreffen und Spieleabende im Büro von Hunter & Cron. Er war neben Oliver derjenige, mit dem ich mich am häufigsten zum Spielen traf. Erik ist sehr kommunikativ und durch das häufige Sehen zu verschiedenen Gelegenheiten intensivierte sich der Kontakt mit der Zeit. Mit Erik arbeitete ich auf der Messe 2019 dann sehr viel zusammen und ähnlich wie Oliver nahm er sich wenig Auszeiten, sondern übernahm sogar Schichten anderer Helfer*innen.

Richard und Sophie, sowie Patrick und Mia: Auf der Messe 2018 half Richard vorrangig als Spieleerklärer. Einige der Tische waren extra reserviert um das neuaufgelegte Spiel Fiese

29 Vgl. ebda, S. 78. 15

Freunde Fette Feten zu bewerben.30 Auf die Initiative von Hunter & Cron kam das Spiel 2018 erneut auf dem Markt inklusive Hunter & Cron als im Spiel vorkommende Charaktere. Da diese Tische direkt neben der Spielausleihe standen, kamen wir miteinander in Kontakt. Zudem entschied ich mich zusammen mit anderen Helfer*innen am Abend eine Partie Fiese Freunde Fette Feten zu spielen, die Richard erklärte. Auch Richard arbeitet beruflich mit Kindern und nutzt auch dazu hin und wieder Brettspiele. Seine Partnerin Sophie war ebenfalls Teil des Teams und mit beiden kam ich über die Tage immer wieder ins Gespräch. Am Ende der Messe tauschten Richard und ich Telefonnummern aus und er sagt für ein Interview zu. Als ich das Interview mit Richard ausmachen wollte schlug er vor, dass er und Sophie das zusammen machen könnten und ich sagte zu. Wenige Tage vor dem Interview kontaktierte er mich erneut und meinte, wir könnten das Interview mit einem Spieleabend verbinden, dann würde er noch ein befreundetes Paar dazu holen und ich hätte vier Personen, die ich befragen könne. Für diese Initiative dankbar, sagte ich zu und stellte mein Interviewkonzept auf ein Gruppengespräch um. Das Interview fand bei Patrick und Mia statt, da diese auf Grund von Kinderbetreuung zu Hause bleiben mussten. Als ich beide begrüßte, stellte ich fest, dass ich sie bereits flüchtig von der Messe her kannte. Auch diese vier waren 2019 wieder Teil des Teams rund um die Berlin Brettspiel Con.

Moritz: Moritz kannte ich bereits länger und wusste, dass er gern und viele Brettspiele spielt. Im Laufe der Forschung führten wir mehrere Gespräche zum Thema und mich interessierte seine Meinung vor allem aus seiner Sicht als Theater- und Spielpädagoge. Das Interview war das erste, das ich führte und sollte vor allem als Probeinterview dienen, anhand dessen ich meine Fragen konkretisiere. Das Gespräch bot allerdings so viele wichtige Ansätze, dass ich es in diese Arbeit mit einfließen lasse.

Elias: Auch das Interview mit Elias sticht etwas hervor. Elias ist Teil der Supervisionsgruppe, die ich neben der Forschung besuchte. Als ich neu in die Gruppe kam und mein Thema vorstellte, stieß es besonders bei Elias auf Begeisterung, da dieser ein leidenschaftlicher Brettspieler ist. Neben dem Austausch in der Gruppe unterhielten Elias und ich uns auch abseits über das Thema. Es stellte sich heraus, dass Elias Brettspiele auch für sich alleine spielt. Da dies eher die Ausnahme ist und keine*r meiner Gewährspersonen dies tat, bat ich ihm um ein Gespräch um mehr davon zu erfahren. Das Gespräch fand bei ihm zu Hause statt und war so ergiebig, dass ich mich entschied, ab einem gewissen Punkt das Aufnahmegerät zu starten und es mit in die Arbeit aufzunehmen.

30 Fiese Freunde Fette Feten: Friedemann Friese/Marcel-André Kalusky. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2005. Neuauflage als Hunter & Cron-Edition 2018. 16

3. Welches Spiel? – eine Abgrenzung

Spielen ist nicht gleich Spielen! – Was alles unter den Begriff gefasst wird, ist vielfältig. Ob Karten-, Brett-, oder Videospiele, ob freies Spiel von Kindern, Sport, Musik oder Theater – der Begriff des Spiels begegnet uns an einer Vielzahl von Stellen. Dabei »spielen«, semantisch gesehen, nicht nur Menschen oder Tiere, sondern es spielt auch der Wind mit den Blättern oder wir schauen uns das Spiel der Wellen am Strand an. Ich möchte in diesem Abschnitt an den Begriff des Spiels heranführen, um sich dem Gegenstand im Allgemeinen anzunähern und im Speziellen, um den Gegenstand für diesen Text genauer zu definieren. Der Begriff Spiel in seiner ganzen Fülle an Bedeutungen macht es schwer ihn für einen Forschungsgegenstand zu fassen. Was in einer alltäglichen Verwendung als Spiel der Wellen oder des Windes bezeichnen wird, ist selbst redend, keine intentionale Handlung eines denkenden Wesens, sondern vielmehr unsere auferlegte Interpretation einer Bewegung oder um im Bild zu bleiben, eines Naturschauspiels. Dennoch hält der Begriff des Spiels auch Einzug in die ein oder andere naturwissenschaftliche Betrachtungsweise. So beschreiben der Biochemiker und Nobelpreisträger Manfred Eigen und die Chemikerin Ruthild Winkler- Oswatitsch in ihrem Buch Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall, wie die Grundelemente des Spiels, jegliches Geschehen im Universum bestimmen.31 Laut Eigen und Winkler- Oswatitsch ist das Spiel:

»[…] ein Naturphänomen, das schon von Anbeginn den Lauf der Welt gelenkt hat: von der Gestaltung der Materie über ihre Organisation zu lebenden Strukturen bis hin zum sozialen Verhalten des Menschen.«32

Sie bedienen sich dabei der spielnahen Begriffe wie Zufall und Regeln und beschreiben so mikro- und makrokosmische Phänomene. Im Vorwort ihres Buches machen sie auch klar, dass sie damit weit über das hinausgehen, »was Huizinga ihm [dem Spiel] in seiner auf den Menschen zugeschnittenen Rolle zuerkennt.«33 Der von Eigen und Winkler-Oswatitsch verwendete Spielbegriff ist natürlich kein Spiel in einer alltäglichen oder ludischen Definition, sondern erinnert vielmehr an eine mathematisch spieltheoretische Definition des Begriffes Spiel34. An manchen Stellen klingt es so, als ob die Autor*innen dem Spiel eine Art metaphysische Präsenz zugestehen, dabei handelt es sich, auch wenn sie es nicht explizit erwähnen, wohl eher um eine Art Metapher Dass dabei kein »echtes« Spiel gemeint ist, sondern es sich um einen Blickwinkel handelt, durch den bestimmte Prozesse verständlicher werden, darauf kann man sich vermutlich schnell einigen – denn nahe liegt, dass das Universum, die Welt, die Natur und die Gesellschaft nicht wie ein Spiel funktionieren, sondern Spiele funktionieren wie die Gesellschaft, die Natur, die Welt und das Universum. Aus Eigens und Winkler-Oswatitchs Spieltheorie lässt sich aber ableiten, dass wir dem Spiel vielleicht deswegen zugeneigt sind, weil das Universum nach den gleichen Prinzipien von Zufall und Regeln aufgebaut zu sein scheint, wie die Spiele die wir so gern spielen. Eine gängige Betrachtungsweise fasst Thomas Lackner, der sich vornehmlich mit Computerspielen beschäftigt hat, in einem Satz zusammen: »Spielen ist eine Grundkonstante der menschlichen Verhaltensweisen.«35 Dieses Postulat, welches teilweise auch auf Tiere ausgeweitet wird, begegnete mir während meiner Forschung mehrfach, nicht nur bei Lackner, sondern beispielweise ebenso im Ludologieseminar von Jens Junge. Dabei beziehen sich alle auf Huizinga, der mit dem Homo Ludens eines der meist zitierten Werke im Bereich der

31 Vgl. Manfred Eigen/Ruthild Winkler: Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall, München 19964. 32 Ebda., S.2. 33 Ebda., S. 11. 34 Vgl. hierzu u.a. Siegfried K. Berninghaus/Karl-Martin Ehrhart/Werner Güth: Strategisches Spiel. Eine Einführung in die Spieltheorie. Berlin, Heidelberg 20103. 35 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 37. 17

Spieleforschung geschrieben hat.36 Dieser brachte in einer der ersten Sitzungen des Seminars das Beispiel eines Eisbären. Dazu zeigte er einen Beitrag des BBC37, welcher einen, vom Kommentator als hungrig beschriebenen Eisbären zeigt, der sich einem angeketteten Schlittenhund nähert. Wie Fotos dokumentieren, fingen Hund und Bär wider Erwarten an zu »spielen« und pflegten ein, mit menschlichen Kriterien beurteilt, freundschaftliches Verhältnis. Diese und ähnliche Verhaltensweisen nimmt Junge als Anlass dem Spiel(trieb) eine ähnliche Bedeutung zuzumessen wie beispielsweise dem Hunger. Auf Grundlage dessen beschreibt er das Spiel als sogenanntes Grundphänomen des Menschen.38 Bezug nimmt er dabei u.a. auf den Psychologen und Philosophen Karl Groos, der sich in seinen Werken Die Spiele der Tiere39 und Die Spiele der Menschen40 mit der Funktion des Spielens auf die Entwicklung von Mensch und Tier beschäftigte und auf den niederländischen Physiologen und Psychologen F. J. J. Buijtendijk, der mit seinem Buch Wesen und Sinn des Spiels. Das Spielen des Menschen und der Tiere als Erscheinungsform der Lebenstriebe41 eine Theorie des Spiels als Einübung notwendiger Fertig- und Fähigkeiten aufstellte. Und auch Huizinga sieht das Spiel nicht allein nur beim Menschen angesiedelt:

»Die Realität erstreckt sich, für jedermann wahrnehmbar, über Tierwelt und Menschenwelt zugleich. Sie kann mithin auf keinem rationalen Zusammenhang beruhen, da ein Gegründetsein in der Vernunft sie doch auf die Menschenwelt beschränken würde.«42

Für meine Forschung spielt dieser Aspekt keine direkte Rolle – mag die Antwort darauf ohnehin eher in der Verhaltenswissenschaft oder gar der Philosophie zu finden sein. Dass das Verhalten des Schlittenhundes tatsächlich mit menschlichen Spielepraktiken gleichgesetzt werden kann, ist fraglich. Viel eher ist es als Konfliktverhalten im Sinne eines »fiddle about« zu werten.43 Ob das Spiel als Grundkonstante menschlichen Seins verstanden werden kann oder nicht, das Spielen, egal in welcher Form, scheint tief in unserem Verhalten verankert zu sein. Doch selbst Huizinga, der den Begriff des Homo Ludens prägte und der die Spieleforschung nicht nur maßgeblich beeinflusste, sondern auf den sich bis heute die meisten spielwissenschaftlichen Ansätze beziehen, stellt das Spiel nicht als den Grundstein allen Seins oder Verhaltens dar:

»Wenn man den Gehalt unserer Handlungen bis auf den Grund des Erkennbaren prüft, mag wohl der Gedanke aufkommen, alles menschliche Tun sei nur ein Spielen. Wer sich mit dieser metaphysischen Schlußfolgerung zufriedengibt, soll dieses Buch nicht lesen.«44

36 Vgl. Huizinga: Homo Ludens. 37 BBC: Two: Not just a man's best friend! - Nature's Weirdest Events - Episode 1, o.J. [YouTube], veröffentlicht am 21.12.2012. Abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=5bcl0yrHPwk.; (Zugriff am 11.07.2020). 38 Institut für Ludologie: Die Ludologie – Eine kurze Geschichte von fast allem. Berlin o.J.; online abrufbar unter https://www.ludologie.de/spielforschung/spielwissenschaften/, (Zugriff am 11.07.2020). 39 Vgl. Karl Groos: Die Spiele der Tiere. Jena 1896. 40 Vgl. Karl Groos: Die Spiele der Menschen. Jena 1899. 41 Vgl. F.J.J. Buijtendijk: Wesen und Sinn des Spiels. Das Spielen des Menschen und der Tiere als Erscheinungsform der Lebenstriebe. Berlin 1933. 42 Huizinga: Homo Ludens, S. 11. 43 Als »fiddle about« wird in der Verhaltensforschung das Abwenden bedrohlicher oder stressreicher Situationen durch das Zeigen sozialer Gesten beschrieben. Vgl. hierzu beispielsweise Angelika Bernadette Bublak: Ausdrucksverhalten von Hunden (Canis familiaris) gegenüber dem Menschen in einem Verhaltenstest und Beschwichtigungssignale in der Hund-Mensch- Kommunikation. München 2013, S. 16; hier definiert nach John Archer und Heidi Bernauer-Münz; online abrufbar unter https://edoc.ub.uni-muenchen.de/16177/1/Bublak_Angelika.pdf, (Zugriff am 11.07.2020). 44 Huizinga: Homo Ludens, S. 7. 18

Dennoch erkennt Huizinga im Spiel etwas Wesentliches:

»Spiel ist älter als Kultur; denn so ungenügend der Begriff Kultur begrenzt sein mag, er setzt doch auf jeden Fall eine menschliche Gesellschaft voraus, und die Tiere haben nicht auf die Menschen gewartet, daß diese sie erst das Spielen lehrten.«45

Auch wenn er das Spiel nicht als etwas für den Menschen Exklusives betrachtet, so sieht er im Spiel doch immerhin einen wichtigen Ausdruck menschlicher Kulturentwicklung: »Seit langer Zeit hat sich bei mir die Überzeugung in wachsendem Maße befestigt, daß menschliche Kultur im Spiel – als Spiel – aufkommt und sich entfaltet.«46 Dabei schaut er allerdings nicht danach »[…] welchen Platz das Spielen mitten unter den übrigen Kulturerscheinungen einnimmt, sondern inwieweit die Kultur selbst Spielcharakter hat.«47 Auch der Europäische Ethnologe Hermann Bausinger erkennt etwas Spielerisches in der zwischenmenschlichen Interaktion:

»Aber daß der Spielbegriff überhaupt in so verschiedenen Zusammenhänge gestellt werden kann, verweist letztlich darauf, daß alles soziale Handeln mit verschiedenen Mitspielern, verschiedenen Regeln, verschiedenen Determinanten und Umständen dem Spiel vergleichbar ist, und daß es in dem Augenblick als Spiel definierbar ist, in dem bestimmte Bereiche des Handelns ausgegrenzt werden aus der fließenden Wirklichkeit.«48

Diese Betrachtungsweisen sind zwar nicht direkt Gegenstand dieser Forschung, da sie weit über die in der Arbeit verwendete Definition hinausgehen – sie helfen aber dabei ein Gefühl dafür zu bekommen, wie tief Spiel in unser Sein eingeschrieben ist. Der Europäische Ethnologe Dieter Kramer fügt Spiele dabei in die Reihe ästhetischer Ausdrucksformen ein und meint:

»Auch außerhalb der intellektuellen und kulturellen Eliten finden sich mehr oder weniger in allen Milieus der mitteleuropäischen Lebenswelten ästhetische Ausdrucksformen wie Erzählungen, Lieder, Spiele, bildnerische Formen und Symbolwelten, oft über Generationen hinweg weitergegeben und neuen Verhältnissen kreativ angepasst. Sie sind untrennbar verbunden mit dem sozialen und wirtschaftlichen Leben.«49

3.1. PLAY – TOY – GAME

Selbst, wenn das Spielen nun aber als soziale Handlung und in einem vergnüglichen, freizeit-bezogenen, dem Ernst entgegenstehendem Sinne betrachtet wird, muss die Frage gestellt werden, mit welcher Form des Spiels sich diese Arbeit befasst, denn der Spielbegriff in der deutschen Sprache ist sehr weit gefasst. Das Herumtollen von Kindern, ein Tennismatch, ein Schachbrett, eine Theateraufführung – all das wird unter dem Begriff Spiel gefasst. Den Versuch einer begrifflichen Distinktion verschiedener Spielphänomene findet sich u.a. bei Jens Junge, der sich bei seiner analytischen Einteilung vor allem an den englischen Begriffen von Play, Game und Toy orientiert.50 Auch wenn im Englischen mehrere Begriffe für das deutsche Wort Spiel existieren, sei angemerkt, dass sich die Bedeutungen in der Verwendung der Begriffe Play, Game und Toy zum Teil überschneiden und daher auch nicht per se als Alternativbegriffe hilfreich sind. Bei Junge dienen sie aber als

45 Ebda., S. 9. 46 Ebda., S. 7. 47 Ebda. 48 Herrmann Bausinger: Zur Kulturgeschichte des Spiels und des Spielerischen. In Vorarlberger Landesmusem (Hg.): Spielwelten. Spielen und Spielzeug aus zwei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog. Bregenz 1988, S. 17-30, hier S. 25. 49 Dieter Kramer: Europäische Ethnologie und Kulturwissenschaften (=Grazer Beiträge zur Europäischen Ethnologie Bd. 15) . Graz 2013, S. 151. 50 Vgl. Jens Junge: Spielen? Was ist das?, o.O. 2018; online abrufbar unter https://www.spielen.de/blog/spielen/, (Zugriff am 11.07.2020). 19

Hilfe um die verschiedenen Formen des Spiels zu unterscheiden. Dabei sind die folgenden Definitionsversuche nicht exklusiv Junges Ausführungen. Schon in Ludwig Wittgenstein Philosophical Investigations finden sich Definitionsversuche der Begriffe Game und Play.51

Play

Ausgehend von der These, dass Spielen »[…] ein elementares Grundphänomen von Lebewesen mit einem ausreichend großen Gehirn […]«52 sei, und in Anlehnung an Groos und Buijtendijk meint Junge, dass der Mensch eine Spielkompetenz benötigt…

»[…] um spezifische Verhaltensweisen einzutrainieren und emotional gefestigte, soziale Bindungen auch gegebenenfalls artübergreifend aufbauen und pflegen zu können. […] Dieses Spielen ist ein ursprüngliches, natürliches, freies Spiel. Es fördert und unterstützt den Lernprozess, die eigenen Fähigkeiten zu schulen und gleichzeitig soziales Verhalten zu ermöglichen.«53

Diese Kategorie des freien Spiels nennt Junge »Play«. Das Klettern auf einen Baum, das Toben und das Herumtollen von Kindern sind dabei Beispiele für »Play«.

Toy

Sobald bei diesem freien Spiel Gegenstände, wie Verkleidung, Symbole oder Spielmittel zum Einsatz kommen, verändert sich das Spiel, das nun, nach Junge, zielgerichteter wird54:

»Im Spiel mit einem Spielzeug können physische, motorische, kognitive und soziale Fähigkeiten und Kompetenzen konfliktfrei entwickelt, eingeübt und ausgelebt werden. Darüber hinaus können Konflikte und Probleme geistig bearbeitet werden. […] Es beinhaltet einen Aufforderungscharakter sowie eine Simulationsfunktion. Es fördert und unterstützt den Lern- und Abstraktionsprozess, die eigenen Fähigkeiten über ein Spielmittel, ein Spielzeug.«55

Dieses Konstruktionsspiel nennt Junge, in Anlehnung an die verwendeten Gegenstände »Toy«. Das Schlüpfen in Rollen, das Imitieren von Tätigkeiten, wie beispielsweise das Spiel mit einem Kaufmannsladen, ist der Kategorie »Toy« zuzuordnen.

Game

Gesellt sich zum Konstruktionsspiel noch eine gedanklich konstruierte, erfundene Ordnung56, so verändert sich das Spiel erneut. Laut Junge führt die…

»[…] Nutzung von Spielmitteln, wie z.B. Spielsteinen, Karten, Würfeln oder Avataren unter der Anwendung und freiwilligen Akzeptanz von Spielzielen zu einem Regelspiel als Gesellschaftsspiel und somit zu einem Brettspiel, Kartenspiel oder Computerspiel […].«57

Diese »erfundenen Ordnungen«, wie Junge sie nennt, fasst er unter der Kategorie »Game«. Videospiele, Karten-, Würfel-, und Brettspiele – letztlich alle Spiele, die einem klaren Regelsystem folgen, lassen sich in diese Kategorie einordnen.

51 Vgl. Ludwig Wittgenstein: Philosophical Investigations. Oxford 1953. 52 Ebda., Abschnitt 2.4. 53 Ebda. 54 Vgl. ebda., Abschnitt 7. 55 Ebda., Abschnitt 3.3. 56 Vgl. ebda., Abschnitt 7. 57 Ebda. Abschnitt 4.6. 20

Die Gamedesigner*innen Katie Salen und Eric Zimmerman fassen das in ihrem Buch Rules of Play wie folgt zusammen:

»With a toy, it may be difficult to say when play begins and ends. But with a game, the activity is richly formalized. The game has a beginning, a middle and a quantifiable outcome at the end. The game takes place in a precisely defined physical and temporal space of play. Either the children are playing Tic-Tac-Toe or they are not. There is no ambiguity concerning their action: they are clearly playing a game.«58

Bei Kategorisierungen wie diesen gibt es auch immer Beispiele, die die gesetzten Rahmen überschreiten und nicht eindeutig einer Kategorie zuzuordnen sind. So klassifiziert der dänische Gamedesigner und Spieltheoretiker Jesper Juul einige Spielarten als »Borderline Cases«59, dazu gehören u.a. Pen&Paper-Rollenspiele, da hier oft das Regelsystem sehr anpassungsfähig ist, aber auch open-ended simulations, wie beispielsweise das beliebte Computerspiel Minecraft.60 Für diese Arbeit ist aber vor allem wichtig, dass sich Brettspiele recht deutlich in die Kategorie »« einordnen lassen, denn es handelt sich bei ihnen um regelbasierte Spiele, die einer erfundenen Ordnung folgen und die durch einen klaren Anfang und ein klares Ende gekennzeichnet sind.

3.2. GAMBLING UND SPORT

Neben Play, Toy und Game, die eine begriffliche Abgrenzung von einem freien explorativen Spiel, hin zum Spiel mit Spielzeug und dann zu einem regelbasierten Spiel ermöglichen, definiert Junge noch zwei Sonderformen des regelbasierten Spiels: nämlich Gambling und Sport. Beide Arten zählen zwar im Grunde zu den regelbasierten Spielen, bringen aber spezifische Eigenschaften mit sich, die es lohnt bzw. notwendig macht abzugrenzen. Als Gambling sind dabei alle Formen des Glücksspiels gemeint, die den Einsatz bzw. Gewinn von Sach- oder Geldpreisen beinhalten.61 Der Faktor Glück spielt zwar bei vielen Spielen eine Rolle, so tragen beispielsweise alle Spiele, bei denen Karten gemischt und verdeckt gezogen werden, grundsätzlich ein Glücksfaktor in sich, doch bei den unter Gambling gefassten Spielen geht es weniger um den Spielmechanismus des Zufalls, sondern mehr um eine gesellschaftliche Dimension entsprechender Spiele. Zudem sei gesagt, dass nicht alle Spiele, bei denen gewettet wird, reine Glücksspiele sind. So ist beispielsweise beim Poker umstritten, ob mehr Glück oder mehr Strategie zu einem guten Pokerspiel gehören.62 Der Spieleautor und langjährige Mitarbeiter beim Ravensburger Verlag Erwin Glonnegger schreibt zum Thema Glücksspiel in folgendes:

»Der Spannungsreiz beruht vor allem auf der Verlockung, plötzlich und ohne Anstrengung gewinnen zu können. Neben der Unterhaltung, dem ›Zeitvertreib‹, sind es deshalb bei vielen dieser Spiele auch die Einsätze, welche

58 Katie Salen/Eric Zimmerman: Rules of Play. Fundamentals. Cambridge 2004. Hier zitiert aus Felix Raczkowski: Digitalisierung des Spiels. Games, Gamification und Serious Games. Bochum 2016, S. 15. 59 Jesper Juul: The Game, the Player, the World: Looking for a Hear of Gameness. (Keynote-Präsentation). Utrecht 2003; online abrufbar unter https://www.jesperjuul.net/text/gameplayerworld/; (Zugriff am 11.07.2020). 60 Mincraft: Entrickler: Mojang Studios. Publisher: Mojang Studios. Erstveröffentlichung 2009 für den PC. 61 Vgl. Junge: Spielen? Was ist das?, Abschnitt 5.6. 62 Eine Einschätzung dazu findet sich u.a. hier: Universität Hamburg, Institut für Recht und Wirtschaft: Poker – Glücksspiel oder Geschicklichkeitsspiel. Hamburg 2014; online abrufbar unter https://www.bwl.uni-hamburg.de/irdw/forschung/poker--- gluecksspiel-oder-geschicklichkeitsspiel.html, (Zugriff am 11.07.202). 21 die Spieler oft in fieberhafte Erregung versetzen mögen. […] Nicht verschwiegen sei bei dieser Gelegenheit auch die Gefahr, die bei jeder Übertreibung drohen kann: die Sucht.«63

Glücksspiel unterliegt in Deutschland strengen gesetzlichen Regelungen. So drohen jemandem, der unerlaubt ein öffentliches Glücksspiel veranstaltet, bis zu fünf Jahre Haft.64 Derartige Regelungen sollen verhindern, dass Menschen durch fragwürdige und manipulierte Glücksspiel-Angebote Nachteile entstehen. Jens Junge definiert Spiele, die für ihn unter die Kategorie »Gambling« fallen, wie folgt:

»Glücksspiele bilden innerhalb der Regelspiele eine Sonderform, weil sie neben einer persönlichen Spielerfahrung besonders durch den Spieleinsatz eine unverzügliche Auswirkung auf materielle Ereignisse in Form von Gewinn und Verlust mit einer Bedeutung für die reale Welt haben.«65

Diese Bedeutung für die »reale Welt«, welche der Gewinn oder Verlust von Geld oder Sachgewinnen bedeutet und sich im Extremfall auf die sozialen, beruflichen und materiellen Ebenen auswirkt, steht im Kontrast zu einigen Grundaspekten des Spiels, die ich im Verlauf des folgenden Kapitels noch weiter beleuchten werde und sind der Grund, warum »Gambling« sich als Sonderform des regelbasierten Spiels abhebt. 66 Eine weitere und weit verbreitete Form des Spiels stellt der Sport dar, der laut Huizinga zumindest alle formalen Kennzeichen eines Spiels aufweist67 und sich auch manchmal begrifflich im Spiel verortet, was Veranstaltungen wie die Olympische Spiele zeigen. Auch Jens Junge nutzt den Begriff Sport zur Analyse, als Sonderform der Regelspiele, die sich vor allem durch körperliche Betätigung und den Wettkampf definiert.68 Dabei ist die Einordnung des Sports in den Bereich der Spiele gar nicht so eindeutig, denn im Alltagsgebrauch des Begriffes fallen unter Sport nicht nur Sportspiele wie Fußball, Tennis oder Handball, sondern oft meist alle körperlichen Ertüchtigungen, die keine Arbeit darstellen und zum Auf- und Ausbau der eigenen Fitness dienen. Ähnlich wie der Begriff Spiel ist Sport als Begriff in sich nicht immer eindeutig abgrenzbar und es finden sich eine Vielzahl an Definitionen. Fast alle dieser Definitionen betonen eine körperliche Leistung, eine Unproduktivität (auf die ich später noch genauer eingehen werde) und vor allem den Wettkampf.69 Aber selbst wenn sich die körperliche Bewegung in Grenzen hält, und es mehr um einen geistigen Wettkampf geht, wird teilweise von Sport gesprochen, das bemerkte auch schon Huizinga:

»Es verdient beachtet zu werden, daß diese Verschiebung nach dem Ernst zu auch die nichtathletischen Spiele betroffen hat, besonders die Spiele, bei denen verstandesmäßige Berechnung alles ist, wie beim Schach und beim Kartenspiel.«70

Schach ist in Deutschland als Sport offiziell anerkannt und das, obwohl der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als eine der drei sportlichen Voraussetzungen für die

63 Erwin Glonnegger: Das Spiele-Buch. Brett- und Legespiele aus aller Welt. Herkunft, Regeln und Geschichte. Erweiterte Neuauflage. Uehlfeld 1999, S. 56. 64 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Strafgesetzbuch, § 248 Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels; online abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__284.html; (Zugriff am 11.07.2020). 65 Junge: Spielen? Was ist das?, Abschnitt 4.3.1. 66 Den Begriff der »realen Welt«, wie von Junge verwendet, könnte an dieser Stelle missverständlich wirken, wird durch die ludischen Praktiken der handelnden Personen doch Welt konstruiert. Gemeint ist hier aber eine Abgrenzung zwischen ludischer Spähre und außerludischer Welt. Auf diese Trennung werde ich später noch eingehen. Eine der extremen Auswirkung auf die außerludische Welt wäre beispielsweise das »Pathologische Spiel«, welches als Störung nach ICD-10 der WHO anerkannt ist. 67 Vgl. Huizinga: Homo Ludens, S. 59. 68 Vgl. Junge: Spielen? Was ist das?, Absatz 6.1. 69 Siehe hierzu u.a. Lexikon sportwissenschaftlicher Begriffe: Sport. Abrufbar unter http://spolex.de/lexikon/sport/, (Zugriff am 11.07.2020). 70 Huizinga: Homo Ludens, S. 214. 22

Aufnahme einer Sportart in den Verband eine »sportbestimmende motorische Aktivität«71 vorsieht und dieser Definition eine ganz klare Exklusion nachlegt:

»Diese eigenmotorische Aktivität liegt insbesondere nicht vor bei Denkspielen, Bastel- und Modellbautätigkeit, Zucht von Tieren, Dressur von Tieren ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen und Bewältigung technischen Gerätes ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen.«72

Die anderen beiden Voraussetzungen sind der Selbstzweck und die Einhaltung ethischer Werte.73 Weshalb Schach trotz des Ausschlusses von Denkspielen dennoch im DOSB vertreten ist, begründet sich in §5 der Aufnahmeordnung, der den Bestandsschutz aller Mitgliedsorganisationen vor dem 01. Dezember 2018 regelt, zu denen auch der Deutsche Schachbund gehört.74 Während Schach also unter den Bestandsschutz fällt, tobt währenddessen an einer anderer Front ein gesellschaftlicher Kampf um die Anerkennung als offizieller Sport: Im August 2019 ging die Meldung durch die Medien, dass ein vom Deutschen Olympischen Sportbund in Auftrag gegebenes Gutachten zur Auffassung kam, dass eSport, also organisierte Wettkämpfe in Computer und Videospielen, kein Sport im engeren Sinne sei.75 Der DOSB betonte jedoch, dass diese Frage überhaupt nicht gestellt wurde – konnte Kritiker und Öffentlichkeit wohl aber nicht recht davon überzeugen. Zu der Frage des eSports habe es laut DOSB zwar eine Positionierung und auch ein Rechtsgutachten gegeben, diese beschäftigten sich aber bewusst nicht mit der Frage ob eSport Sport sei, sondern zum einen, ob »[…] ›eSport‹ in seiner Gesamtheit unter das Dach des organisierten Sports« passe76, und zum anderen mit »[…] Rechtsfragen einer Anerkennung des eSports als gemeinnützig.«77 Doch obwohl sich der DOSB nicht mit der Frage nach Sport oder Nicht- Sport beschäftigte lässt sich aus der Positionierung und dem Gutachten eine Argumentationsstruktur herauslesen, die eSport als Sport ganz klar deklassiert. Besonders deutlich wird dies durch eine Wortneuschöpfung:

»Der Begriff ›eSport‹ steht für eine außerordentlich breite Palette höchst unterschiedlicher virtueller Angebots- und Spielformen mit Wettkampfcharakter. Da in diesem breiten Verständnis die Bezeichnung ›Sport‹ nicht zielführend und in weiten Teilen aus unserer Sicht irreführend ist, verzichten wir im Folgenden auf die Bezeichnung »eSport« und verwenden stattdessen den Begriff eGaming.«78

Damit positioniert dich der DOSB nicht nur ganz deutlich gegen den eSport, sondern sorgt mit der Ablehnung der Eigenbezeichnung des Fachverbands ESBD79 und der damit verbundenen Community, sowie der Einführung des Begriffes »eGaming« für Empörung und Spott.80 Was sich in diesem Streit andeutet und im Verlauf der Arbeit noch deutlicher wird,

71 Vgl. DOSB: Aufnahmeordnung des DOSB, § 3. Düsseldorf 2018. Abgerufen unter https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/ uber_uns/Satzungen_und_Ordnungen/aktuell_Aufnahmeordnung_2018_.pdf, S. 2, (Zugriff am 11.07.2020). 72 Ebda., S. 2f. 73 Ebda., S.3. 74 Ebda., S 4. 75 Vgl. hierzu u.a.: Joel Lischka: Warum eSport kein Sport ist, SWR 2019. Abrufbar unter https://www.swr.de/sport/mehr-sport/esports/Warum-E- Sport-kein-Sport-ist,artikel-dosb-rechtsgutachten-100.html; (Zugriff am 11.07.2020); sowie Johannes Korge: E-Sport laut Gutachten kein Sport, Spiegel 2019. Abrufbar unter https://www.spiegel.de/sport/sonst/e-sports-ist-kein-sport-sagt-gutachten- des-olympischen-sportbunds-a-1283793.html; (Zugriff am 11.07.2020); oder Holger Kreitling: E-Sport ist »kein Sport im Sinne geltenden Rechts«, Welt 2019. Abrufbar unter https://www.welt.de/vermischtes/article199202527/Rechtsgutachten-E-Sport-ist- kein-Sport-im-Sinne-des-geltenden-Rechts.html; (Zugriff am 10.09.2019). 76 DOSB: DOSB und »ESPORT«. Frankfurt 2018. Abrufbar unter https://www.dosb.de/ueber-uns/esport/; (Zugriff am 11.07.2020). 77 Ebda. 78 Ebda. 79 Die Abkürzung ESBD steht für eSport-Bund Deutschland e.V. 80 Siehe hierzu u.a. 23 sind der Kampf um Prädikatisierungen und die Frage der gesellschaftlichen Anerkennung bestimmter Spielarten. Der DOSB ist hierbei nur eines von vielen Beispielen und natürlich nicht Herr aller Definitionen – weder beim Sport und schon gar nicht beim Spiel. Obwohl die Grenzen fließend und die Definitionen nicht eindeutig sind, halte ich eine Abgrenzung der Begriffe Game und Sport, wie Junge sie vornimmt, dennoch für sinnvoll. Auch bei Huizinga taucht genau dies auf, wenn er fragt: »Hat man das Recht, jeden Wettkampf vorbehaltlos unter den Begriff Spiel einzureihen?«81 Gerade beim institutionalisierten Sport sieht er das kritisch: »Nach und nach […]«, so Huizinga, »[…] entfernt sich in der modernen Gesellschaft der Sport immer mehr aus der reinen Spielsphäre und wird ein Element sui generis: nicht mehr Spiel und doch auch kein Ernst.«82 Was Huizinga hier andeutet, ist wichtig zu betonen. Auf den ersten Blick mag sich der Sport durch seinen gesellschaftlichen Status und die Art, wie er institutionalisiert wird, vom Spiel entfernen. Doch rückt der Sport durch seinen Selbstzweck nicht vollkommen in den Bereich der Ernsthaftigkeit: »Er bleibt, wie bedeutsam er auch für die Teilnehmer und Zuschauer sein mag, eine unfruchtbare Funktion, in der der alte Spielfaktor zum großen Teile abgestorben ist.«83 Zwar finden sich ernsthafte Züge auch in anderen Spielformen und »[d]er Ernst, mit dem ein Wettkampf betrieben wird, bedeutet keineswegs, die Verneinung seines Spielcharakters[…]«84, aber, so Huizinga,

»[…] geht mit der stets zunehmenden Systematisierung und Disziplinierung des Spiels auf die Dauer etwas von dem reinen Spielgehalt verloren. Dies offenbart sich in der Scheidung der Spieler in Professionelle und Liebhaber.«85

Diese Professionalisierung des Spiels, die letztlich auch der eSport nicht nur de facto, sondern auch de jure anstrebt, und eben nicht die Ernsthaftigkeit ist es, dass den Sport an den Rand der Definition Spiel stellt. Denn, so meint Huizinga,

»[u]m wirklich zu spielen, muß der Mensch, solange er spielt, wieder Kind sein. Kann man dies von der Hingabe an ein außerordentlich raffiniertes Scharfsinnspiel behaupten? Ist dem nicht so, dann fehlt hier dem Spiel seine wesentlichste Eigenschaft.«86

Es sei aber weiterhin gesagt, dass eine klare Unterscheidung der einzelnen Spielformen nicht immer machbar ist und die hier angebrachten Definitions- und Abgrenzungsversuche des Begriffes Spiel nur insofern helfen, dass sie ein perspektivisches Verständnis transparent machen können. D.h. wie viele andere Begriffe lässt sich auch der Spielbegriff nur auf den konkreten Forschungsgegenstand, bzw. anhand des Forschungsfeldes hin definieren. Games und Gaming bilden dabei die zentralen Begrifflichkeiten, wenn es um die Betrachtung jeglicher Spielformen geht, die eben kein freies, oder requisiten-unterstütztes Spiel sind und die nicht dem Glücksspiel- oder Sportbegriff unterliegt. In diesem Sinne sollen im Weiteren auch die Begriffe Spiel und Spielen verstanden werden.

Peter Steinlechner: Der Sportbund erfindet das E-Gaming. Golem.de 2018. Abrufbar unter https://www.golem.de/news/e-sport- der-sportbund-erfindet-das-e-gaming-1810-137378.html; (Zugriff am 11.07.2020); oder Roland Matta: eSport: DOSB lehnt eSport ab und blamiert sich mit eGaming. Notebookcheck 2018. Abrufbar unter https://www.notebookcheck.com/eSports- DOSB-lehnt-eSport-ab-und-blamiert-sich-mit-eGaming.351886.0.html; (Zugriff am 11.07.2020). 81 Huizinga: Homo Ludens, S. 59. 82 Ebda., S. 213. 83 Ebda., S. 214. 84 Ebda., S. 59. 85 Ebda., S. 213. 86 Ebda., S. 215. 24

3.3. DIGITAL GAMING UND ANALOGES SPIEL

Wird der Begriff Game im Englischen sowohl für digitale als auch analoge Spiele benutzt, finden wir im deutschsprachigen Raum eine deutliche Unterscheidung. Hier wird der Begriff Game fast ausschließlich für den digitalen Spielebereich verwendet. Der Duden definiert »das Gaming« als den Bereich, bzw. die Anwendung der Computerspiele87 und das Wort Gamer steht für jemanden, der Konsolen- und Computerspiele, also digitale Spiele, spielt. Zwar werden auch Begriffe wie Video-, Computer- oder Konsolenspiel verwendet, der dominierende Begriff bleibt allerdings der des Games. Zurückzuführen ist dies vermutlich auf die Verbreitung der englischen Sprache im Bereich digitaler Technik. Analoge Spiele hingegen kommen in der sprachlichen Gamingwelt jedenfalls nicht vor oder gehen bestenfalls nur unter. Die analoge Spielebranche scheint aber auch nicht zu versuchen, den Gaming- Begriff für sich zu beanspruchen und nutzt ohnehin vielmehr den deutschen Begriff des Spiels. Zwar kommt der Begriff des Games im analogen Spielebereich vor – ein Beispiel hierfür wäre die GameNight, welche ein spezielles Event auf der Berlin Brettspiel Con war. Derartige Verwendungen finden sich aber fast ausschließlich, wenn ein internationales Publikum angesprochen werden soll. Generell dominieren die digitalen Spiele den Gamingbegriff. So handelt es sich bei den Game Studies beispielsweise auch vorrangig um die Erforschung digitaler und nicht analoger Spiele. Da ich mich in dieser Arbeit einer Vielzahl an Literatur aus der digitalen Spieleforschung bediene und die Begrifflichkeiten nah beieinander liegen, werde ich zur Klarheit den Zusatz »digital« verwenden, um eine jeweilige Abgrenzung zum analogen Spiel zu verdeutlichen. Auch beim analogen Spiel lohnt sich ein genauerer Blick auf die Begrifflichkeiten, denn diese sind ebenso wenig einheitlich und eindeutig voneinander abgrenzbar, wie die Spielformen an sich oder der Unterschied von Game und Spiel. Der wohl am häufigsten verwendeten Begriff ist der des Brettspiels. Hierunter fallen Spiele, die tatsächlich ein klassisches Spielbrett besitzen – als ein bekanntes, aber innerhalb des Feldes nicht gerade beliebtes, Beispiel wäre hier wohl wieder Monopoly zu nennen, aber auch Mensch ärgere dich nicht88 oder Schach fallen unter diese Kategorie. Dieses Spielbrett muss dabei nicht mehr klassisch sein, also aus Pappe, faltbar und einteilig, sondern kann in Material, Form und Erscheinung sehr variieren – ein ebenfalls bekanntes Beispiel wäre hier (früher: Die Siedler von Catan)89, welches eben kein klassisches einteiliges Brett, sondern ein modulares Spielbrett hat, das aus mehreren Hexagonen besteht, welche bei jeder Partie in zufälliger Anordnung zu einer Spielfläche zusammengesetzt werden. Spielflächen mit modularen Teilen sind sehr beliebt, da diese Modularität den Zufallscharakter des Spiels erhöht und damit zu einem erhöhten Wiederspielwert beitragen kann. Neben den Spielbrett- Spielen fallen innerhalb des Feldes aber auch Karten- und Würfelspiele, sowie andere Spiele, die kein Spielbrett haben, unter die Kategorie Brettspiele. Im Detail wird dies zwar auch im Feld unterschieden, der Begriff Brettspiel steht dabei allerdings synonym für alle von Verlagen produzierten analogen Spiele. Wenn jemand also von seinem Hobby Brettspiel spricht, sind damit eben nicht nur Spiele gemeint, die tatsächlich noch ein klassisches Spielbrett besitzen, sondern vielmehr analoge Spiele im Allgemeinen. Vermutlich in Abgrenzung zur digitalen Spielewelt wird das Brettspiel im englischsprachigen Bereich nicht einfach unter dem Begriff Gaming, sondern immer nur in Kombination mit dem Wort Board benutzt. Wie auch im Deutschen, wird hier, der Begriff synonym für eine Vielzahl an analogen Spieltypen verwendet. Auf Grund der weiten Verbreitung der Begrifflichkeit werde ich daher im Folgenden vor allem von Brettspielen sprechen, meine damit aber eben alle Formen analoger, von Verlagen produzierter Spiele.

87 Vgl. Duden: Das Gaming. Abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Gaming#bedeutung; (Zugriff am 10.09.2019). 88 Mensch ärgere dich nicht: Josef Friedrich Schmidt. Deutsche Erstausgabe 1910 bei Schmidt Spiele; Das Spiel hat vor der deutschen Variante eine lange Geschichte, auf die ich im folgenden Abschnitt nochmal zu sprechen komme. 89 Die Siedler von Catan: Klaus Teuber. Erstveröffentlichung auf Deutsch von 1995 bei Kosmos; seit 2015 nur noch Catan – Das Spiel. 25

Der Begriff des Gesellschaftsspiels hingegen, der zwar fast synonym für den Begriff Brettspiel verwendet werden kann, findet im Feld kaum Gebrauch. Zwar spielt der soziale Austausch, den der Begriff Gesellschaftsspiel evoziert, bei Brettspielen eine große Rolle, doch verbreiten sich bei Brettspielen auch zunehmend Solo-Varianten, was eine Gesellschaft beim Spielen theoretisch obsolet macht. Zu vermuten ist aber, dass vor allem der Brettspielbegriff genutzt wird, da dieser dem englischen Begriff board game am ähnlichsten ist und so zu einem klareren Verständnis beiträgt. In einem ihrer Videos besprechen Hunter & Cron das Thema der Begrifflichkeit wie folgt:

»Hunter: Manche Leute fragen sich ja: ›ja sag mal Kartenspiele, das sind ja gar keine Brettspiele‹. Aber dazu muss man immer sagen: für uns schon. Brettspiele sind für uns einfach alles, was Spiele sind, die man zusammen am Tisch spielt und kein Spielzeug ist.

Cron: Ja, ich glaube nämlich, das ist das große Missverständnis, […] mit Brettspiele ist eigentlich der altmodische Begriff Tischspiele gemeint. Das ist jetzt überhaupt nicht überprüft, das vermute ich einfach aus dem Bauch heraus. Und dass es das Wort Brett, also Board, was man jetzt für ein Spielbrett benutzt, vielleicht gar nicht richtig ist. Vielleicht ist das Brett gemeint, auf dem ursprünglich (Hunter: Der Tisch), genau! Das Brett, auf dem die Spiele gespielt wurden, und damit mein ich jetzt eher den Tisch.«90

3.4. DAS MODERNE BRETTSPIEL

Regelbasierte Spiele, die an frühe Versionen von Brettspielen erinnern, gibt es in der menschlichen Kulturgeschichte schon sehr lange. So schreibt Christine Spiegel:

»Spielsteine aus Ton, Bein oder Glas, Würfel aus Holz und Elfenbein belegen diese Spielarten. Und fand man in den Gräbern die Astragali (Sprunggelenksknochen) kleinerer Haustiere, so waren dies nicht etwa die Reste von Speisebeigaben, sondern Knöchelchen, die, versehen mit verschiedenen Punktezahlen pro Seite, für ein Wurfspiel Verwendung fanden.«91

Als die ältesten bekannten Brettspiele gelten allgemeinhin das ägyptische Senet und das sumerische Königsspiel von Ur, welche vermutlich in einer engen Verbindung zueinander stehen. Die zeitlichen Angaben zu ihrem Ursprung schwanken je nach Quelle von 3400 bis 2400 Jahren v.u.Z.92 Zu vermuten ist, dass es auch schon vorher Spiele gab, die aber weder erhalten noch überliefert sind. Gut erhaltende Exemplare der beiden Spiele sind beispielsweise in den Königsgräbern von Ur in Mesopotamien und auch im Grab Tutenchamuns gefunden worden.93 Dass diese Spiele die Zeit überdauerten, lässt sich, so liegt die Vermutung nahe, auf eine hohe Wertigkeit der verarbeiteten Materialien und die Bedingungen innerhalb der Grabkammern zurückführen. Damit lässt sich zwar zweifelsohne sagen, dass das Spiel schon früh in adligen Kreisen beliebt zu sein schien, aber keine Aussage darüber treffen, wie die Spiele in der allgemeinen Bevölkerung verbreitet waren. Es gibt zwar Quellen, die sagen, dass Brettspiele schon mit

90 Johannes Jaeger/Jan Cronauer: Die besten Brettspiele 2017 – Unsere Top 3 nach Kategorie. Hochgeladen von Hunter & Cron – Brettspiele am 15.10.2017; ab Min. 8:58; abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=t1a8U3TKvSQ; (Zugriff am 11.07.2020). Hervorhebung sind hier als sprachliche Betonung zu lesen. 91 Christine Spiegel: Historische Spielerein. Spielzeug vor 1800. In Vorarlberger Landesmuseum: Spielwelten. Spielen und Spielzeug aus zwei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog Bregenz 1988, S. 85-87 hier S. 85f. 92 Glonnegger schreibt in seinem Buch von ca. 2300 v.u.Z.; siehe dazu Glonnegger: Das Spiele-Buch, S. 26; Im Internet finden sich aber auch Artikel, die, mit Bezug auf Archäologen, von einem Alter von über 5000 Jahren sprechen: Vgl. hierzu z.B. Hubert Filser: Der erste Zeitvertreib der Menschheit. Zeit 2016. Abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/wissen/serie-die-kleinen- grossen-dinge-raus-bist-du-1.3137701; (Zugriff am 11.07.2020). Das Exemplar des Königsspiel von Ur im British Museum wird zumindest auf 2600-2400 v.u.Z. geschätzt, siehe hierzu u.a. The British Museum: game-board, Museum number 120834. Abrufbar unter https://www.britishmuseum.org/collection/object/W_1928-1009-378; (Zugriff am 11.07.2020). 93 Vgl. Glonnegger: Das Spiele-Buch, S. 26. 26

Stöcken in den Sand gemalt und mit Steinen oder Muscheln als Spielsteine gespielt wurden94, Belege dafür werden allerdings kaum genannt. Die erste schriftliche Sammlung über Spiele stammt ebenfalls aus adliger Hand. Im Auftrag des spanischen Königs Alfons X. entstand im 13. Jahrhundert ein Spielbuch, in dem er versuchte viele der zur damaligen Zeit bekannten Spiele zu skizzieren.95 Mit diese Indizien ließe dich das Brettspiel als »gesunkenes Kulturgut« im Sinne des Volkskundlers Hans Naumann verstehen.96 Auch wenn Naumanns Ansätze umstritten sind, liegt die Vermutung nahe, dass viele Spiele im einfachen Volk keinen Platz fanden. So meint Christine Spiegel, dass der Zugang zu Spielen davon abhängig war, wer zu welcher gesellschaftlichen Schicht gehörte97, denn in gesellschaftlichen Schichten, in denen auch die Kinder teilweise arbeiten mussten, war selten Raum für derartige Beschäftigungen. Herrmann Bausinger meint dazu:

»Auch in unserer mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kultur gab es eine Trennung in Stände, die freigestellt waren für Tätigkeiten, mit denen der Gedanke des Spielerischen leicht zu verknüpfen ist, und andere, die im wesentlichen der Arbeit verpflichtet waren, die sich aber doch – so die ziemlich verbreitete Annahme – in gesunder Diätetik, im rhythmisch natürlichen Wechsel auch dem Spiel, dem Fest, dem Vergnügen zuwandten. Es geht um das ›Volk‹ und es gilt näher zu bestimmen, was wir über das Spielverhalten, über die Spielqualitäten dieses Volkes wissen.«98

Aus den alten Spielen haben sich oft noch heute bekannte Spiele entwickelt. So ist das Königsspiel von Ur beispielsweise der Vorläufer von Backgammon. Spiele wie eben Backgammon, Go99, Schach und Dame – die alle eine jeweils eigene lange Geschichte haben, gehören heute zu den Klassikern und haben die europäische Spielewelt stark geprägt. Eines der Spiele, auf denen u.a. die Spielkultur Europas basiert ist ein Spiel, dessen wichtigste Urform das noch immer als indisches Nationalspiel bezeichnete Pachisi ist.100 Pachisi ist mit seinen vielen Varianten »[…] noch heute das meistgespielte Laufspiel der Welt.«101 Reisende brachten das Spiel aus Indien mit nach Europa102, wo es bis heute eine fast unzählige Zahl an Varianten gibt. »[I]n der zweiten Hälfte des 19. Jh.«, schreibt Glonnegger, »wurde in Deutschland eine Variante populär, die dem abstrakten ›Pachisi‹-Plan erstmals ein Thema unterlegte, nämlich den Weg eines Reisenden zum Gasthof.«103 Das Spiel ist mit dem Titel Eile mit Weile auch heute noch in der Schweiz verbreitet.104 Er ergänzt:

»1910 erschien in Deutschland erstmals eine sehr stark vereinfachte ›Pachisi‹-Variante, die sich – vermutlich wegen ihres höchst originellen Namens – in den darauf folgenden Jahrzehnten zum meistgespielten Laufspiel in Deutschland entwickelte.«105

94 Siehe hierfür u.a. Gesellschaftsspiele.de: Die Geschichte der Brettspiele. O.J. Abrufbar unter https://www.gesellschaftsspiele.de/geschichte-brettspiele/?dfp=adx; (Zugriff am 11.07.2020); Der fast gleiche Wortlaut findet sich auch auf dem Wikipediaeintrag über Brettspiele. 95 Vgl. Glonnegger: Das Spiele-Buch, S. 128f. 96 Vgl. Hans Naumann: Primitive Gemeinschaftskultur. Beiträge zur Volkskunde und Mythologie. Jena 1921. 97 Vgl.: Christine Spiegel: Tradition und Trends. Gedanken zu alten und neuen Spielinhalten. In Vorarlberger Landesmuseum: Spielwelten. Spielen und Spielzeug aus zwei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog. Bregenz 1988, S. 46-55, hier S. 48ff. 98 Bausinger: Zur Kulturgeschichte des Spiels und des Spielerischen, S. 17f. Hervorhebungen im Original. 99 Zu Go sei gesagt, dass es sich dabei um ein ebenfalls sehr altes Spiel handelt. Einige gehen davon aus, dass es gar bis zu 5000 Jahre alt sei. Diese Angaben sind aber keineswegs gesichert. Zudem hatte Go wenig Einfluss auf die europäische Entwicklung des Brettspiels und sei daher hier nur am Rande erwähnt. 100 Vgl. Glonnegger: Das Spiele-Buch, S. 10. 101 Ebda. 102 Ebda. 103 Ebda., S. 15. 104 Vgl. ebda. 105 Ebda., S. 16. Als Laufspiele werden Spiele bezeichnet, bei denen man sich, meist durch einfaches Würfeln, mit einer Figur über ein Spielbrett bewegt. 27

Gemeint ist natürlich Mensch ärgere Dich nicht, welches »[…] auf fast alle taktischen oder strategischen Feinheiten des Originals […]« verzichtete.106 Eine Vielzahl der bekannten »alten« Brettspiele haben einen religiösen Grundtenor und beschäftigen sich mit dem Kreislauf des Lebens und den Fragen nach Wiedergeburt und Jenseits – so auch Pachisi. Zeichneten die Klassiker vermutlich nur ein gesellschaftlich präsentes Thema nach, wurden Spiele später teils bewusst eingesetzt um vor allem das junge Publikum in eine gewünschte Denkrichtung zu bringen. So beschreibt Christine Spiegel ein im deutschsprachigen Raum verortetes Spiel, das das religiöse Thema ganz gezielt einsetzte:

»Dieses in Vorarlberg unter dem Begriff ›Altörl‹ bekannte Spiel hatte natürlich zum Ziel, nun alle jene Buben, die es spielten, auf ein späteres Priesteramt hinzuführen, die Erziehung zur Frömmigkeit ganz allgemein stand hier im Vordergrund.«107

Ein anderes, weit verbreitetes Thema waren Spiele mit Angriff und Verteidigung und können so einem militärischen Thema zugeordnet werden. »So tritt in der indischen Kastengesellschaft und der islamischen Kalifatsgesellschaft […]«, sagt der Soziologe Udo Thiedeke

»[…] erstmals ein Spiel in Erscheinung, das den Kampf des kriegführenden Adels um Rangpositionen und Herrschaft spielerisch, also sinnexklusiv, nachbildet. Dieses Schach, dessen Name vom persischen ›Shah‹ abgeleitet ist, ahmt den Kampf zweier Königreiche nach und zeigt auf dem Spielbrett eine streng hierarchische Rangordnung.«108

In Europa kommt Schach erst später an, setzt sich dann aber in der Oberschicht als beliebtes Spiel durch:

»Nach anfänglichem Misstrauen seitens der Kirche, ob das Spiel nicht vielleicht Teufelswerk sei, wird es auch im mittelalterlichen Europa als Spiel zur Erziehung des Adels und zur Einübung der Herrschaft genutzt.«109

Vor allem die militärischen Themen ziehen sich durch die Spieleentwicklung bis heute. Thomas Lackner, der diese Verbindung bis zum heutigen Computerspiel gegeben sieht, schreibt:

»Bereits im 18. Und 19. Jahrhundert beschäftigten sich die Militärstrategen intensiv damit, Kriege und Schlachten zu simulieren und ihre möglichen Ausgänge vorhersehen zu können. Bereits 1812 entwickelte Reiswitz [sic!] taktische Kriegsspiele, die vom preußischen Militär zur Schulung der Offiziersanwärter verwendet wurden. Als Reaktion auf Napoleons taktisches Gespür für das Ausnutzen von Geländeformationen für seine Schlachtpläne, berücksichtigten diese Kriegsspiele neben den eigentlichen Gruppenverbänden auch geographische Geländestrukturen. Fortan wurden für die folgenden Kriege Planspiele entwickelt, deren Ergebnisse kriegsentscheidende Bedeutung erlangten.«110

Bei digitalen Spielen ist das militärische Thema ein weitverbreitetes Motiv und so verweist Lackner auch auf die enge Verbindung von Computerspielen und der Kriegsindustrie.111 Auch

106 Ebda. 107 Vgl. u.a.: Christine Spiegel: Tradition und Trends. Gedanken zu alten und neuen Spielinhalten. In: Spielwelten. Spielen und Spielzeug aus zwei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog, S. 46-55, hier S. 52. 108 Udo Thiedeke: Spiel-Räume: Kleine Soziologie gesellschaftlicher Exklusionsbereiche. In Caja Thimm (Hg.): Das Spiel: Muster und Metapher der Mediengesellschaft. Wiesbaden 2010, S. 17-32, S. 23. Thiedeke bezieht sich hierbei auf Joachim Petzold: Das königliche Spiel. Die Kulturgeschichte des Schach. Stuttgart 1987. 109 Ebda., S. 24. 110 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 86. Gemeint ist hier der preußische Offizier Georg Heinrich Rudolf Johann Reißwitz. 111 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 157. 28 beim Brettspiel finden sich Beispiele für die Verbindung von Spiel und Militär. So wurde 2018 beispielsweise bekannt, dass der amerikanische Geheimdienst CIA Brettspiele entwickelt, um Mitarbeiter für gewisse Situationen zu trainieren.112 Diese Verknüpfung von Spiel und Krieg ist nicht verwunderlich, wird Brettspiel als Simulation der Wirklichkeit verstanden und mit den regelhaften Abläufen historischer Kriege verglichen. Der französische Soziologe und Philosoph Roger Caillois meint dazu:

»Selbst der Krieg ist keine Domäne der reinen Gewalt, sondern tendiert zur geregelten Gewalt. Die Feindseligkeiten werden durch Vereinbarungen zeitlich und räumlich begrenzt. Sie beginnen mit einer Deklaration, die feierlich Tag und Stunde bekanntgibt, zu der der neue Zustand in Kraft tritt. Sie enden mit dem Abschluss eines Waffenstillstands oder der Unterzeichnung einer Übergabe-Erklärung. Weitere Einschränkungen schließen Kriegshandlungen gegen Zivilbevölkerung und geschützte Städte aus, verbieten den Gebrauch bestimmter Waffen, garantieren die ärztliche Versorgung der Verletzten und Gefangenen. Zuzeiten der sogenannten höfischen Kriege war sogar die Strategie konventionell. Angriff und Gegenangriff wurden wie Schachkombinationen deduziert und kombiniert, ja es gab Militärtheoretiker, die für einen Sieg den Kampf nicht für notwendig erachteten. Derartige Kriege haben große Ähnlichkeit mit einem Spiel: mit einem mörderischen, zerstörerischen, aber geregelten Spiel.«113

Auch wenn in Frage steht ist, ob Caillois‘ Darstellung von Krieg noch zeitgemäß ist, findet sich an diesem Punkt eben jene Ähnlichkeit von Gesellschaft und Spiel, die Spieletheoretiker immer wieder betonen – und das selbst in Zeiten, in denen alle Regeln des Zusammenlebens außer Kraft gesetzt zu sein scheinen. »Durch die Kriegssimulationen […]« meint Lackner, »[…] fanden Kriegsspiele ihre Kommerzialisierung im privaten Bereich. Brettspiele, wie z. B. ›Risiko‹, haben ihre frühen Vorläufer in vereinfachten Varianten von Reiswitz‘ [sic!] Kriegsspiel.«114 Spiel und Krieg waren also (thematisch) immer eng miteinander verbunden. Auf der einen Seite, um mit Hilfe von Spielen strategische Überlegungen zu simulieren, zum anderen um politische Konzepte und Ideen schon früh in die Wohn- und Kinderzimmer zu bringen. Für letzteres finden sich Beispiele sowohl in Bezug auf den Ersten115 als auch den Zweiten Weltkrieg. Christine Spiegel schreibt dazu:

»Sowohl Gesellschaftsspiele als auch Einzelspielzeug zeigen, auf welche Art und Weise etwa zur Zeit des Nationalsozialismus dessen politische Ideen und Grundsätze in die Kinderzimmer projiziert wurden.« 116

Und an anderer Stelle:

»Holzburgen, bestückt mit Zinnsoldaten in einer Zahl, die das Nachstellen militärischer Heeresordnungen zuließ, aber auch Quartettspiele mit Waffen der eigenen Truppen und der Feinde machten die Buben mit dem Phänomen des Krieges vertraut. Diese Entwicklung erreichte einen Höhepunkt zur Zeit des II. Weltkrieges, als es z.B. in Gesellschaftsspielen konkret darum ging, durch strategisch günstige Vorgangsweise den Feind zu besiegen. Die Vermittlung von Ideologie und Gedankengut des Nationalsozialismus stand im Vordergrund. Belehrende Unterhaltung bot auch ein ›Führer-Quartett‹, das Hitler als Kinder-, Natur- und Tierfreund im Kreise seiner Gefolgschaft präsentierte, Hitler als Vorbild auf Spielkarten in den Wohnzimmern seiner Anhänger.«117

112 Vgl. hierzu u.a. O.A.: Geheime Brettspiele der CIA an Öffentlichkeit gelangt – bald von allen spielbar. Der Standard 2018. Abrufbar unter https://www.derstandard.at/story/2000078908616/geheime-brettspiele-der-cia-an-oeffentlichkeit-gelangt?utm_ term=Autofeed&ut; (Zugriff am 11.07.2020). 113 Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch (=Batterien Bd. 027). Berlin 2017, S. 14 114 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 86. 115 Vgl. hierzu u.a..: Bianca Koschier: Gesellschaftsspiele im Ersten Weltkrieg. Eine kategorisierte Darstellung der Spiele zwischen 1914-1918 mit besonderem Blick auf ihre propagandistische Wirkung auf Kinder und Jugendliche anhand einiger Beispiele. Diplomarbeit, Graz 2017. 116 Spiegel/Tschofen: Spielwelten, S.11. 117 Spiegel: Tradition und Trends, S. 51. 29

Das wohl berühmteste »Kriegsspiel« Schach veränderte sich von einem militärischen Strategiespiel hin zu einem salonhaften Kräftemessen zwischen Gentlemen und der spirituelle Unterton von Pachisi wich moderneren Auslegungen und profaneren Überbauten. Wie schon angedeutet erfreuen sich militärische Spiele bis heute einer großen Beliebtheit, religiöse und spirituelle Themen hingegen sind zwar vorhanden, stellen aber eher die Ausnahme dar. Mit der historischen Entwicklung entwickelten sich auch die Spielethemen. 1935 erschien in den USA ein Spiel, welches bis heute zu den meist verkauften Spielen weltweit gehört und von dem es eine Vielzahl an thematischen Ablegern gibt: Monopoly. Von Anfang an erfreute sich das Spiel einer recht großen Beliebtheit.118 Im Gegensatz zu den meisten Spielen davor, die eher abstrakter Natur waren, hatte Monopoly von Anfang an einen thematischen Überbau und gilt bis heute als Sinnbild des Kapitalismus. Dabei war die Idee der Schöpferin Elizabeth Magie ein anderer. Ihr Vorgängerspiel The Landlord Game war ein sozial-kritisches Spiel, welches die antisoziale Wirkung von Monopolen demonstrieren sollte.119 Dieser fast tragischen Ironie nicht genug, spielte die Geschichte Elizabeth Magie übel mit, in dessen Verlauf sie als Erfinderin des Spieles lange verborgen blieb. 1933 baute ein arbeitsloser Heizungsbauer namens Charles Darrow eine veränderte Version des Spiels, dessen Rechte er mit großem Gewinn an den Spielzeughersteller Parker Brothers verkaufte und im Zuge dessen er Millionär wurde. Auch Magie verkaufte später ihre Patente an Parker – für den allerdings lächerlichen Betrag von 500 US-Dollar.120 Zwar hatte Darrow mit seinen Veränderungen die Version geschaffen, die wir heute kennen, die eigentliche Erfinderin der Grundidee stand am Ende allerdings als Verliererin der Geschichte da und kam erst viele Jahre später, post mortem zu ihrer Ehre. Monopoly ist heute so etwas wie der erste moderne Klassiker, wurde in über 100 Ländern verlegt und hat eine Vielzahl an Varianten, durch die es die Verkaufslisten jahrelang anführte (verlässliche aktuelle Zahlen lassen sich schwer finden). Bei Brettspiel-Enthusiast*innen, also den Aktuer*innen meines Feldes, erfreut sich Monopoly hingegen keiner großen Beliebtheit und gilt als altbacken, überholt und nicht ausbalanciert. So meint Martin Klein, Mitglied der Spiel des Jahres-Jury, in einem Zeitungsinterview:

» ›Monopoly‹ merkt man eigentlich an, dass es nicht mehr zeitgemäß ist. Das kennen viele Leute aus der Kindheit und kaufen es dann uninformiert aus Nostalgiegründen wieder. Oder weil sie denken, ›Naja, da gibt es so viele Varianten von, das muss ja ein super Spiel sein.‹ «121

Ab den 50er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelte sich die Brettspielbranche zu etwas, das Martin Glonnegger ein »Spielewunder« nennt:

»Nach Zeiten, die vorwiegend von Krieg, Wirtschaftsproblemen, religiösen, politischen und sozialen Auseinandersetzungen geprägt waren, besannen sich da und dort immer mehr Menschen auf die entspannende und befreiende Wirkung des gemeinsamen Spiels. […] Als dann auch noch das ›Puzzle‹ ab 1964 von der einfachen Kinderbeschäftigung zum Erwachsenenvergnügen heranwuchs, war das Spiel endgültig gesellschaftsfähig, es wurde auch mehr als Kulturgut erkannt und anerkannt.«122

Es entstanden Spiele, die fast jede Familie im Schrank stehen hatte: Cluedo (1948), (1949), Yahtzee bzw. Kniffel (1956), Risiko (1957), Spiel des Lebens (1960), Uno

118 Vgl. Glonnegger: Das Spiele-Buch, S. 114. 119 Vgl. Deniz Leimoroth: Die Geschichte des Monopoly-Spiels. Winningmove.de 2013. Abrufbar unter https://winningmoves.de/blog/die-geschichte-des-monopoly-spiels, (Zugriff am 12.07.2020). 120 Ebda. 121 Martin Klein in Jutta Schulte: Dieser Typ hat 1500 Spiele zu Hause – aber nur eins darf im Urlaub auf keinen Fall fehlen. Spiegel 2018. Abrufbar unter https://www.stern.de/neon/vorankommen/karriere/spiel-des-jahres--jury-mitglied-verraet--welches-spiel- er-am-liebsten-spielt-8173076.html, (Zugriff am 12.07.2020). 122 Glonnegger: Das Spiele-Buch, S. 6. 30

(1971), Trivial Pursuit (1981) oder Scotland Yard (1983) – um nur ein paar der bekanntesten Beispiele zu nennen.123 1979 wird zum ersten Mal der Preis Spiel des Jahres verliehen – das Gewinnerspiel ist Hase und Igel124. Obwohl das Spiel von einem Autor, dem Engländer David Parlett, entwickelt wurde, steht dieser bei den ersten Veröffentlichungen nicht auf dem Cover (bei aktuellen Versionen ist der Autorenname vorhanden). Dies stellt zu dieser Zeit keine Seltenheit dar. Oft werden die Spiele zwar mit dem Verlagsnamen versehen, die Autorinnen und Autoren bleiben dabei aber unerwähnt. Erst langsam traten die Schöpfer*innen der Spiele in Erscheinung und das »Autorenspiel« war geschaffen. 125 Dann veränderte 1995 ein Spiel die Branche erneut: Die Siedler von Catan von Klaus Teubner kam auf den Markt. Teubner, der als einer der erfolgreichsten deutschen Spieleautoren gilt, hatte zwar schon zuvor erfolgreiche Spiele entwickelt – einige davon sogar mit dem Spiel-des-Jahres-Preis ausgezeichnet, Die Siedler von Catan war aber sozusagen ein Meilenstein. Das Spiel wurde zu einem Hit und gilt heute als Revolution, die die Spielebranche veränderte. Mit der Ära Teubner änderte sich etwas auf dem Markt. Glonnegger schreibt dazu: »Im Laufe der Geschichte entstand eine unerschöpfliche, kaum mehr überschaubare Fülle von Spielen, deren Erfinder in der Vergangenheit weitgehend unbekannt blieben.«126 Dass die Autor*innen namentlich erwähnt wurden, war neu, sie standen plötzlich wie bei Büchern auf den Covern der Spiele. Die neue Generation bestand nicht einfach nur aus Spielen, die schon seit Generationen gespielt wurden und die irgendein Spielzeughersteller entwickelte und vertrieb – die neue Generation Spiele waren Werke von Autorinnen und Autoren. Neben den Klassikern, die es weiterhin gab und bis heute gibt, etablierten sich moderne Brettspiele. Eben jene Autor*innenspiele bilden den Kern dieser Forschung. Historische Spiele, wie Schach, Backgammon oder auch Mensch ärgere dich nicht, sowie historische Kartenspiele werden in die Betrachtung nicht mit einbezogen. Moderne Klassiker, wie Monopoly und Catan sind dabei zwar theoretisch eingeschlossen – tauchen aber eben nur als Randnotiz auf, da sie in der ludischen Praxis meiner Gewährspersonen zwar als Grundlage des modernen Spiels verstanden, als aktuelle Bezugspunkte aber nicht genutzt werden – oder wie Richard im Gruppeninterview meint: »Brettspiele bedeuten ja nicht Cluedo und Monopoly, sondern mittlerweile schon richtig was Cooles […].«127

3.5. DEUTSCHLAND ALS BRETTSPIELSTANDORT

2019 stieg der Umsatz der Brettspielbranche allein in Deutschland um acht Prozent auf rund 594 Millionen Euro.128 Ein Aufwärtstrend, der seit Jahren kontinuierlich anhält. Der Verein Spieleverlage e.V., der laut Eigenaussage der Verband der wichtigsten Spieleverlage

123 Scrabble: Alfred Mosher Butts. Erstveröffentlichung auf Englisch 1949 im Eigenverlag von James Brunot; zuvor in einer Vereinfachten Version bereits 1933 im Eigenverlag von Alfred Mosher Butts; Yhatzee/Kniffel: Edwin S. Lowe. Erstveröffentlichung auf Englisch 1956 bei E.S.Lowe. Deutsche Erstausgabe 1972 als Kniffel bei Schmidt Spiele; Spiel des Lebens: Reuben Klamer. Erstveröffentlichung auf Englisch als The Game of Life 1960 bei MB; Uno: Merle Robbins. Erstveröffentlichung auf Englisch 1971 im Eigenverlag; Trivial Pursuit: Scott Abbot/Chris Haney. Erstveröffentlichung auf Englisch 1981 bei Horn Abbot. 124 Hase und Igel: David Parlett. Erstveröffentlichung auf Englisch Originalausgabe 1974 bei Intellect Games als . 125 Richtigerweise müsste es heute Autor*innenspiel heißen, aber der Begriff Autorenspiel hat sich in dieser Form etabliert und die Anzahl der Spieleentwicker*innen war gerade zu dieser Zeit verschwindend gering und ist vermutlich auch heute noch weit in der Unterzahl. 126 Glonnegger: Das Spiele-Buch, S. 6. 127 Richard im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 128 Vgl. Sebastian Wenzel: Umsatz mit Gesellschaftsspielen wächst in Deutschland 2019 um acht Prozent. Kulturgutspiel. Magazin für Spielkultur 2020. Abrufbar unter https://kulturgutspiel.de/wirtschaft/umsatz-mit-gesellschaftsspielen-2019-acht-prozent- wachstum/; (Zugriff am 12.07.2020). 31 im deutschsprachigen Raum darstellt129 schreibt auf seiner Internetpräsenz sogar: »Im Lauf der letzten 5 Jahre hat die Branche […] um über 40% zugelegt.«130 Ebenfalls 2019 erreichten Die Internationalen Spieltage SPIEL in Essen, auf 86.000 m2 und mit 1200 Ausstellern, insgesamt 209.000 Besucher*innen.131 Damit stellt die SPIEL, und das nicht erst seit diesem Jahr, die weltweit größte Publikumsmesse im Bereich Brett- und Gesellschaftsspiele dar. Im Vergleich: Die Gamescom in Köln, mittlerweile die größte Publikumsmesse im Bereich digitales Spiel, hatte 2019 rund 373.000 Besucher*innen.132 Verlässliche Zahlen zu jährlichen Neuerscheinungen analoger Spiele sind zwar schwer zu finden – Schätzungen liegen aber etwa bei 1500 Spielen (im Jahr 2019), die allein auf der Messe in Essen vorgestellt wurden.133 Die SPIEL, die immer im Oktober stattfindet, läutet mit der Fülle der Neuerscheinungen das neue Spielejahr ein und viele, auch internationale Verlage richten ihre Veröffentlichungstermine dahingehend aus. Aber die SPIEL ist nicht die einzige Spiele- Großveranstaltung im deutschsprachigen Raum. Ein zweiter wichtiger Termin ist die Spielwarenmesse in Nürnberg, die als die weltweit größte Fachmesse zum Thema Spielwaren zählt. Diese Fachmesse umfasst den ganzen Spielzeug-, bzw. Spielwarenbereich, dennoch ist der Termin, der jeweils Anfang Februar gesetzt ist, ein entscheidender Punkt für Neuheiten und Trends auch im Bereich Brettspiel. Der Standort Deutschland ist somit deutlich eine feste Größe in der Spielindustrie. Dieser Fakt ist im Brettspielbereich vor allem der Vielzahl an Erfolgen deutscher Spieleentwickler*innen zu verdanken, deren innovative Ideen zu starken Einflüssen innerhalb der Branche führten und führen. Der Einfluss reicht so weit, dass eine ganze Sparte an Spielen German Game oder German-Style Board Game genannt wird. Der Name bezieht sich dabei vor allem auf Spiele, die ab Ende der 1970er Jahre, eben vor allem, in Deutschland entwickelt wurden. Prominente Autoren sind u.a. Klaus Teuber, Uwe Rosenberg oder – nach letzterem wurde gar die Zählleiste für Punkte, die sich um das Spielfeld vieler Spiele befindet, die sogenannte Kramerleiste benannt. Die Spiele, die unter die Kategorie German-Style Board Game fallen, haben dabei bestimmte Merkmale. Dazu gehören ein möglichst geringer Glücks- bzw. Zufallsfaktor, dafür ein hohes Maß an Strategie, eine hochwertige Qualität der verarbeiteten Materialien (oft Holz- statt Plastikfiguren), wenig direkter Konflikt zwischen den Spieler*innen und die Mechanik steht, im Vergleich zum Thema des Spiels, im Vordergrund.134 Mittlerweile ist der Begriff German- Style Board Game, dem etwas weiter gefassten Begriff Eurogame gewichen, denn keines der genannten Kriterien trifft ausschließlich auf Spiele aus dem deutschsprachigen Raum zu. Dennoch findet sich auch heute noch ein Trend, dass derartige Spiele vor allem aus den europäischen Ländern kommen und so hat sich der Begriff über die deutschsprachigen Grenzen ausgeweitet. Dem gegenüber stehen vor allem die American-Style Board Games, manchmal auch als Ameritrash bezeichnet, die sich oft durch einen hohen Anteil an Zufall auszeichnen und mehr das Thema als die Mechanik in den Mittelpunkt stellen.135 Natürlich sind die Grenzen bei diesen Kategorien fließend und nicht jedes Eurogame wird wirklich auch

129 Vgl. Spieleverlage e.V.: Wir über uns. Abrufbar unter https://www.spieleverlage.com/wir-uber-uns/; (Zugriff am 12.07.2020). 130 Spieleverlage e.V..: Spiele immer beliebter. 2019, abrufbar unter https://www.spieleverlage.com/spiele-immer-beliebter/; (Zugriff am 12.07.2020). 131 Vgl. Spiel Messe: Aussteller. Spiel-messe.de. Abrufbar unter https://www.spiel-messe.com/de/aussteller/; (Zugriff am 12.07.2020). 132 Vgl. Games Wirtschaft: Gamescom 2019 Besucherzahlen: 373.000 Fans in Köln. 2019. Abrufbar unter https://www.gameswirtschaft.de/gamescom/gamescom-2019-besucherzahlen/; (Zugriff am 12.07.2020). 133 Vgl. Hendrik Breuer: Das sind die neusten Brettspiel-Trends. Spiegel 2019. Abrufbar unter https://www.spiegel.de/netzwelt/games/brettspielmesse-spiel-in-essen-15-neue-brettspiele-a-1293329.html; (Zugriff 12.07.2020). 134 German-Style Board Games, werden manchmal auch Designer Board Games oder häufiger auch Eurogames genannt. Vgl. hierzu u.a.: BoardgameGeek: Eurogame. O.J.; Abrufbar unter https://boardgamegeek.com/wiki/page/Eurogame; (Zugriff am 12.07.2020); oder PEER: Was sind Eurogames – Brettspiele?. Abenteuer Brettspiele 2019. Abrufbar unter https://www.abenteuer-brettspiele.de/brettspiel-infos/was-sind-eurogames-brettspiele; (Zugriff am 12.07.2020). 135 Vgl. BoardgameGeek: Ameritrash. Abrufbar unter: https://boardgamegeek.com/wiki/page/Ameritrash; (Zugriff am 06.02.2020). 32 in Europa entwickelt. Beide Begriffe beschreiben mittlerweile weniger eine Regionalität, sondern bilden eine grobe Einteilung von Spielen, die die Spielerfahrung beschreibt, die von einem Spiel zu erwarten ist. Deutlich wird, dass der Standort Deutschland nicht nur einen großen Absatzmarkt für Spiele darstellt, sondern dass von dort auch ein großer Einfluss auf die Branche einwirkt und damit das Medium Brettspiel aktiv von Akteur*innen aus dem deutschsprachigen Raum mitbestimmt wird.

Die Eingrenzungen des Spielbegriffes und die Abgrenzung zu anderen Spielformen in diesem Kapitel dienen dazu sich dem Forschungsgegenstand Brettspiel für die folgenden Ausführungen zu nähern. Der Begriff Brettspiel, wie er im Folgenden Verwendung findet, soll also verstanden werden als regelgeleitetes Spiel, das keinen Sport oder kein Glücksspiel darstellt und sich von historischen Spielen dadurch abgrenzt, dass es konkreten Autor*innen zuzuordnen sind. Zudem habe ich gezeigt, dass der deutschsprachige Raum als Brettspielstandort dahingehend eine besondere Rolle spielt, als die dort angesiedelten Besucher- und Fachmessen branchenrelevante Orientierungspunkte darstellen und dass aus dem von hier immer wieder einflussreiche Impulse für das Medium Brettspiel kamen.

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4. Aspekte des Spiels

Nachdem nun geklärt ist, um welche Form des Spiels es hier in der Forschung geht – widme ich mich den Eigenschaften dieses Spiels. Auch wenn sich diese Forschung explizit mit Brettspielen auseinandersetzt, ist die Nähe zu anderen Spielformen, vor allem zu digitalem Spiel natürlich groß. Die nachfolgenden Aspekte des Spiels finden sich in den meisten Spieltheorien, auf die sich Forschungen zu Spielen allgemein beziehen. Sie heißen je nach Autor*in und Text vielleicht etwas anders und können sich teilweise auch überschneiden, aber im Kern finden sich diese Aspekte in fast jeder Beschreibung des Phänomens Spiel. Damit folge ich der Einschätzung Lackners:

»Eine Untersuchung des Phänomens Spiel bedarf unterschiedlichster Annäherungsweisen und Erklärungsmuster. Ein Modell für sich allein genommen wird der dem Spiel innewohnenden Komplexität nicht gerecht.«136

Die hier vorgenommene Darstellung folgt also keinem einheitlichen Konzept, sondern orientiert sich vor allem an meinem Material. Als Aspekte des Spiels verstehe ich dabei dem Spiel immanente Eigenschaften. Zur Erinnerung: Die folgenden Kriterien sind vor allem auf regelbasierte Spiele anzuwenden, wie im vorherigen Kapitel definiert. Dieses Kapitel scheint mir notwendig um sich der Sphäre Spiel und damit Komplexität des Phänomens Brettspiel anzunähern.

4.1. SPIELZIEL UND SPIELREGELN

In der Regel wird davon ausgegangen, dass jedes Spiel ein bestimmtes Ziel hat. Bei den meisten Spielen ist dieses Ziel klar definiert – manchmal geht es darum am Ende des Spiels von Etwas am meisten oder am wenigsten zu haben (Geld, Punkte, Strafpunkte usw.), manchmal geht es darum die Person zu sein, die am Ende übrigbleibt oder als erstes irgendwo ankommt, manchmal geht es auch einfach darum, das Narrativ, das das Spiel vorgibt, bis zum Ende zu erleben. Bei einigen Spielen ist das Ziel nicht so deutlich. So hat das berühmte digitale Spiel Tetris137 beispielsweise kein tatsächliches Ende – das Ziel besteht eher darin, den eignen oder fremd-aufgestellten Highscore immer wieder neu zu brechen. Wiederum andere Spiele haben gar kein Ende, wie vor allem digitale Simulations- oder Sandbox-Spiele, wie das sehr beliebte Spiel Minecraft zeigt.138 Ein Spielziel definiert sich somit nicht durch ein vorgegebenes oder überhaupt existierendes Ende. Der Begriff Ziel ist nicht im Sinne von Abschluss zu verstehen, sondern meint die generelle Herausforderung oder Aufgabe, die das Spiel den Spieler*innen stellt. Damit hebt sich diese Spielform vom freien Spiel also deutlich ab. Extreme Beispiele wie so genannte Non-Games,139 zeigen aber, dass es immer wieder Versuche gibt das Konzept regelgeleitetes Spiel auf die Probe zu stellen. Solche Spiele versuchen bewusst keine Ziele oder Aufgaben zu setzen und das Ziel ist dabei nicht zu gewinnen, sondern eine regelgeleitete Themenwelt zu erleben. Bei all diesen durchaus

136 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 42. 137 Tetris: Entrickler: Alexei Patschitnow. Publisher: Verschiedene. Erstveröffentlichung 1984 für den Elektronika-60-Rechner. 138 Sandbox-Spiele bieten den Spielenden einen ausgesprochen großen Handlungsfreiraum. Sie bieten meist eine große Spielwelt in der sich die Spielenden frei bewegen können und in der sie aussuchen können ob und welchen Narrativen oder Aufgaben (sofern überhaupt vorhanden) folgen können. 139 Dabei handelt es sich um einen Begriff, der vom Programmierer und Nintendo-Präsidenten Satoru Iwata geprägt wurde und der sich irgendwo zwischen Spiel und Anwendung bewegt. Viele 3D Anwendungen, die die Nutzer*innen einfach ein Szenario erkunden lassen, zählen beispielsweise dazu. Vgl. hierzu u.a. Sara Gross: Not-Games: Die Kunst der Spiele ohne Ziel. Die Presse 2012. Abrufbar unter https://www.diepresse.com/757415/not-games-die-kunst-der-spiele-ohne-ziel; (Zugriff am 12.07.2020). 34 spannenden Versuchen die Grenzen der spieltheroretischen Grundlagen auszuloten, bleiben solche Beispiele allerdings seltene Ausnahmen. Das Spielziel ist vor allem durch die Regeln definiert. Denn jedes (regelbasierte) Spiel ist, wie der Zusatz schon sagt, in ein Regelsystem eingebettet. Huizinga formuliert den Aspekt der Regeln wie folgt:

»Jedes Spiel hat seine eigenen Regeln. Sie bestimmen, was innerhalb der zeitweiligen Welt, die es herausgetrennt hat, gelten soll. Die Regeln eines Spiels sind unbedingt bindend und dulden keinen Zweifel. […] Gegenüber den Regeln eines Spiels ist kein Skeptizismus möglich.«140

Bei diesem Regelsystem handelt es sich um eine erfundene Ordnung, die zu einer objektiven Erfolgskontrolle führen soll.141 Dabei würde ich das Wort »objektiv« in diesem Zusammenhang mit Zurückhaltung benutzen, denn es gibt durchaus auch Brettspiele, wo der Spielerfolg von der subjektiven Meinung bzw. der Beurteilung der Mitspielenden abhängt. Beim Spiel Cards Against Humanity geht es beispielsweise darum, die Lücke in einer, auf einer Karte befindlichen Aussage, mit einer möglichst passenden schwarz-humorigen Antwort zu füllen. Jede Runde zieht ein*e Spieler*in eine derartige Aussage (manchmal handelt es sich dabei auch um Fragen) und die Mitspielenden wählen ihre Antworten gemein aus ihren Handkarten aus.142 Wer die Runde gewinnt bestimmt die Person, die in dieser Runde die Aussage gezogen hat. Der Sieg wird also nicht durch ein objektiv erkennbares Erreichen eines Ziels bestimmt, sondern ist abhängig von einer persönlichen Meinung. Diese Beurteilung steht allerdings nicht außerhalb des Regelsystems, sondern ist in die Sphäre Spiel eingebettet. Auch in Caillois‘ Versuch das Spiel in sechs knappen Punkten zu beschreiben sind die Regeln zentral. Spiel sei, so Caillois…

»[…] eine geregelte Betätigung, die Vereinbarungen, das heißt Konventionen unterworfen ist, welche die üblichen Grenzen aufheben und für den Augenblick eine neue, alleingültige Gesetzgebung einführen;«143

Im Spiel werden also die geltenden Regeln der Wirklichkeit durch Regeln für die Sphäre Spiel ersetzt und die »[…] Gesetze und Gebräuche des gewöhnlichen Lebens [haben] keine Geltung.«144 Diesen Gedanken führt Huizinga, zugegeben mit etwas viel Pathos, wie folgt weiter:

»Innerhalb des Spielplatzes herrscht eine eigene und unbedingte Ordnung. Hier sieht man also noch einen neuen, noch positiveren Zug des Spiels. Es schafft Ordnung, ja es ist Ordnung. In die unvollkommene Welt und in das verworrene Leben bringt es eine zeitweilige, begrenzte Vollkommenheit. Das Spiel fordert unbedingte Ordnung. Die geringste Abweichung von ihr verdirbt das Spiel, nimmt ihm seinen Charakter und macht es wertlos.«145

Was Huizinga hier als absolut beschreibt, wird bei Caillois ein wenig relativiert, wenn er betont, dass die Einhaltung der Regeln eine freie Entscheidung darstellt, aber auch klar macht, dass sie deswegen so sehr bindend sind:

»Jedes Spiel ist ein System von Regeln, die definieren, was zum Spiel gehört und was nicht, das heißt das Erlaubte und das Verbotene. Diese Konventionen sind willkürlich, bindend und zugleich unwiderruflich. […]

140 Huizinga: Homo Ludens, S. 20. 141 Vgl. Jens Junge u.a.: Spielerisches Gestalten – Ludologie als transdisziplinärer Forschungsbereich. Heidelberg 2016 in Dörte Schultze-Seehof/ Jörg Winterberg: Herausforderungen Management. Heidelberg 2016, S. 100 – 131, hier S. 114. 142 Cards Against Humanity: Josh Dillon u.a. Erstveröffentlichung in Englisch 2009 im Eigenverlag. 143 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 31. Hervorhebungen im Original. 144 Huizinga: Homo Ludens, S. 21. 145 Ebda., S. 19. 35

Denn die Regel wird allein durch den Wunsch zu spielen, das heißt durch den Willen sie zu beachten, aufrechterhalten.«146

Wer sich nicht an diese Regeln hält, gilt als Spielverderber und sprengt mit seinem Verhalten die Sphäre Spiel:

»Der Spieler, der sich den Regeln widersetzt oder sich ihnen entzieht, ist Spielverderber. Der Spielverderber ist ganz etwas anderes als der Falschspieler. Dieser stellt sich so, als spiele er das Spiel, und erkennt dem Scheine nach den Zauberkreis des Spiels immer noch an. Ihm vergibt die Spielgemeinschaft seine Sünden leichter als dem Spielverderber, denn dieser zertrümmert ihre Welt selbst. Dadurch, daß er sich dem Spiel entzieht, enthüllt er die Relativität und die Sprödigkeit der Spielwelt, in der er sich mit den anderen für einige Zeit eingeschlossen hatte. Er nimmt dem Spiel die Illusion, die inklusio, buchstäblich: die Einspielung – ein bedeutungsschweres Wort!«147

Das Einlassen auf die und das Akzeptieren der Regeln ist einer der wichtigsten Bestandteile der Sphäre Spiel. Ein Spiel kann nicht funktionieren, wenn eine teilnehmende Person die Regeln nicht annimmt oder mit anderen Regeln spielt. Julius, einer der Helfer der Berlin Brettspiel Con, betont im Interview dieses Einlassen auf die Regeln. Es sei wichtig…

»[…] dass man sich als Gruppe auf etwas einlässt. Insofern ist es wie Sport, wo sich alle drauf einlassen, dass es in den nächsten 90 Minuten darum geht, diesen komischen Lederball in ein Netz zu schießen. Es ist einfach so ein Gesellschaftsvertrag – was ist jetzt quasi das Wichtigste in den nächsten 90 Minuten? Und beim Spiel ist es eben genauso, dass man ebenso einen, erstmal willkürlichen Mini-Gesellschaftsvertrag macht und daran halten sich dann erstmal alle und den geht man für eine bestimme Zeit ein.«148

Die Regeln sollen den Teilnehmer*innen eine Chancengleichheit sichern – was nicht bedeutet, dass bei einem Spiel zwangsläufig alle die gleichen Grundvoraussetzungen haben. Bei Spielen, deren Strategiemoment größer ist als ihr Glücksfaktor, haben Spieler*innen, die mögliche Strategien bereits kennen und ggf. schon mal angewendet haben, natürlich einen Vorteil. Andere Spiele, bei denen sich beispielsweise unterschiedliche Spielfraktionen wählen lassen, bieten den Spieler*innen je nach Fraktion bestimmte Vor- und Nachteile. Wieder andere Spiele sind ganz bewusst asymmetrisch aufgebaut und können für verschiedene Spieler*innen gar verschiedene Siegbedingungen vorgeben. Chancengleichheit bedeutet also nicht, dass alle Spieler*innen die gleichen Bedingungen vorfinden, sondern dass das Spiel, im besten Fall, Grundlagen schafft dafür, dass jede*r eine reelle Chance hat zu gewinnen. Die Aktuer*innen im Feld nutzen dafür den Begriff der Balance. Eine gute Balance kann den Unterschied machen zwischen einem Spiel, das regelmäßig auf den Tisch kommt und einem Spiel, das im Regal einstaubt. Problematisch wird es, wenn die Regeln durch bestimmte Mechanismen umgangen werden können. So benutzen Spieler*innen, vor allem im digitalen Spiel (hier vorrangig bei Mobilegames149), den Begriff pay-to-win um zu beschreiben, wenn spielerische Vorteile durch den Einsatz von Echtgeld erworben werden können. So werden finanziell besser gestellte Spieler*innen vom Spielsystem bevorzugt. Im analogen Spiel kommt dies zwar selten vor und wenn, dann weniger stark ausgeprägt, aber bei Sammelkartenspielen wie Magic: The Gathering150 oder Yu-Gi-Oh!151 gehört der Kauf neuer Kartensets zum Grundprinzip des Genres. Diese Spiele müssen sich hin und wieder den Vorwurf des pay-to-

146 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 10. 147 Huizinga: Homo Ludens, S. 20. 148 Auszug aus dem Interview mit Julius vom 04.09.2018. 149 Also Spiele, die vorrangig für mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets entwickelt und darauf auch gespielt werden. 150 Magic: The Gathering: Richard Garfield. Erstveröffentlichung auf mehreren Sprachen 1993 bei Wizards of the Coast. 151 Yu-Gi-Oh!: Big Bocca/Kazuki Takahashi. Erstveröffentlichung auf Japanisch 1999 bei Konami. Zur deutschen Erstausgabe konnte ich keine genaue Jahreszahl ermitteln. Vermutlich fand die Veröffentlichung in Europa zwischen 1999 und 2001 statt. 36 win gefallen lassen – denn wer sich immer neue Karten kaufen kann, könnte am Ende einen strategischen Vorteil haben.

Im Gegensatz zum digitalen Spiel müssen die Regeln beim Brettspiel erst einmal durch das Lesen der Anleitung angeeignet werden, oder ein*e bereits erfahrener*e Spieler*in muss diese im Vorfeld erklären. Im digitalen Spiel müssen zwar auch Steuerung und das Zusammengreifen der Spielmechanismen verstanden und gemeistert werden – im analogen Spiel sind allerdings die Beteiligten dafür verantwortlich diese Regeln auch einzuhalten. Denn das Regelsystem digitaler Spiele ist vor allem im Code des Programms zu finden, wohingegen es im analogen Spiel nur ein theoretisches Konstrukt darstellen. Um Regeln im digitalen Spiel zu brechen oder zu verändern bedarf es daher entweder externer Hilfsmittel, wie Cheatprogramme bzw. -codes oder Programmierkenntnisse. Regeln im Brettspiel könnten hingegen einfacher und direkter verändert oder außer Kraft gesetzt werden. Spielpädagoge Moritz beschreibt das wie folgt:

»Und das ist es, wie ich finde, beim Brettspiel einen großen Reiz ausmacht, weil die Regeln erstmal leichter zu begreifen sind als bei einem Computerspiel – ich kann keine Programmiersprache. Ich weiß auch nicht genau, wie etwas funktioniert, wenn ich einfach nur in dem Computerspiel mich bewege. Beim Brettspiel muss ich mir alle Regeln aneignen. Durch das Lesen der Gebrauchsanweisung hab ich einen ganz genau abgesteckten Rahmen. Ich weiß was machbar ist und was nicht und ich bin dann in der Lage in diesem Format diese Regeln maximal auszuloten. Evtl. kann ich diese sogar umgehen und das hat für mich einen großen Reiz, dass ich sozusagen das Gefühl habe, ich kann das Spiel schlagen.«152

Wenn Moritz hier beschreibt, dass er die Regeln ggf. auch umgehen kann, dann meint er nicht das Brechen der Regeln. Da Spielregeln oft generelle Situationen des Spiels beschreiben, kommt es vor, dass nicht alle Details und Eventualitäten ausformuliert sind. Gerade wenn Spiele daher intensiv und häufig gespielt werden, kann es zu Situationen kommen, die im Regelheft nicht beschrieben sind. Dieses Gefühl, das Spiel schlagen zu wollen, vermittelten mir viele meiner Gesprächspartner*innen. Dabei geht es nicht darum, die Regeln des Spiels auszuhebeln, sondern die bestehenden Regeln besonders kreativ zu nutzen. Dabei sind erfolgreiche Spielzüge manchmal vielleicht gar nicht vom Spieldesigner oder der Spieldesignerin vorgesehen, durch die bestehenden Regeln dennoch möglich. Umso enttäuschter zeigten sich die Spieler*innen, wenn Regeln eine Lücke aufwiesen, die das Spiel unausgeglichen machten oder das Spielprinzip ad absurdum führten und somit unspielbar machten. Manchmal werden solche Regellücken auch durch Hausregeln geschlossen. Dabei einigen sich die Spieler*innen auf einer Änderung der Regeln, um Regelprobleme und - unklarheiten auszugleichen, oder um das Spiel für sich selbst attraktiver zu gestalten. Auf diese Hausregeln werde ich später noch einmal zurückkommen.

Spielregeln sind also klare Abgrenzungen in einem klar abgesteckten Rahmen und stellen damit eine überschaubare Größe dar. Das Bewegen in diesem Regelsystem ist ein bewältigbarer Akt im Vergleich zu den komplexen und oft unübersichtlichen Regeln der modernen Gesellschaft.

4.2. FEEDBACK

Spiele bieten ein sehr direktes Feedbacksystem, geben also eine unmittelbare Rückmeldung auf die eigenen Aktionen bzw. das eigene Handeln. Damit ist nicht allein das Gewinnen oder Verlieren gemeint, was nur die deutlichsten Rückmeldungen auf mein Tun im Spiel sind. Spiele bieten daneben viele kleine Mechanismen, die den Spielenden schon im Spiel eine deutliche Resonanz geben. Die meisten Spiele sind mit einem Wertungsprinzip ausgestattet, dabei werden während des Spiels und zur Auswertung am Ende Punkte, eine

152 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 37

Währung, oder erreichte Ziele gezählt. So können die Spieler*innen ihren Erfolg und den der Mitspieler*innen stetig verfolgen und ggf. Spielweisen oder Strategien anpassen. Das Fertigstellen einer Stadt im Spiel Carcassonne153, das Erraten eines Begriffes bei Codenames154 oder das Verlieren einer Schlacht bei Risiko sind Beispiele für ein Feedback. Und selbst in solchen Spielen, in denen es nur darum geht, dem Narrativ zu folgen, sind oft Feedbackmechanismen eingebaut, um einen Spielfortschritt und damit eine Form des Erfolges oder Misserfolges anzuzeigen. Die Mechanismen dienen dabei vor allem einer Selbstwirksamkeitserfahrung155, da sie als unmittelbare Reaktionen auf die eigenen Handlungen im Spiel wahrnehmbar sind. Die Spieler*innen erhalten somit das Gefühl direkten Einfluss auf das Geschehen und die Spielumgebung nehmen zu können.156 Feedbacksituationen sind wichtig, um die Motivation zum Spielen aufrecht zu erhalten. Diesen Fakt hat auch die Wirtschaft für sich entdeckt und nutzt spielerische Feedbackmechanismen, um Menschen zu motivieren spielferne Dinge zu tun – sogenannte Gamefication. Beispielsweise können auf der Touristikwebsite Tripadvisor sogenannte Badges (also Abzeichen) für abgegebene Bewertungen gesammelt werden.157 Die Hürden für weitere Badges steigen immer stärker und fordert die Nutzer*innen dadurch heraus immer mehr Bewertungen abzugeben. Anstatt also einfach Bewertungen abzugeben, bekommen die Bewertenden Belohnungen (ein Feedback) für ihr Handeln. Einer der führenden Köpfe auf dem Gebiet der Gamification ist der Unternehmer Yu-kai Chou. Chou demonstriert mit seinem Octalysis-Model welche spieltypischen Aspekte wirken (müssen) um Menschen zu spielfernen Dingen zu motivieren.158 Zum Feedback schreibt Chou folgendes:

»Empowerment of Creativity & Feedback is when users are engaged in a creative process where they have to repeatedly figure things out and try different combinations. People not only need ways to express their creativity, but they need to be able to see the results of their creativity, receive feedback, and respond in turn. This is why playing with Legos and painting are fun in-and-of themselves and often become Evergreen Mechanics, where a game-designer no longer needs to continuously add more content to keep the activity fresh and engaging.«159

Ohne ein direktes Feedback wäre diese kreative Eigenleistung bedeutungslos – sie muss also in Form eines sichtbaren »Vorteils« belohnt werden. Wie das Beispiel von Cards Against Humanity zeigt wird dieses Feedbacksystem auch manchmal auf die Spielenden ausgelagert. Dann ist es an den Mitspieler*innen, die kreative Eigenleistung zu bewerten und damit über Sieg oder Niederlage zu bestimmen.

4.3. FREIHEIT UND FREIWILLIGKEIT.

Einer der wichtigsten Aspekte des Spiels ist seine Freiheit. Denn, so Caillois: »Man spielt nur, wenn man will, wann man will und solange man will. In diesem Sinne ist das Spiel eine

153 Carcassonne: Klaus-Jürgen Wrede. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2000 bei Hans im Glück Verlag. 154 Codenames: Vlaada Chvátil. Erstveröffentlichung in mehreren Sprachen 2015 bei Czech Games Edition. 155 Der Begriff Selbstwirksamkeit geht auf die Lerntheorie des Psychologen Albert Bandura zurück und meint ein grundlegendes Gefühl der Kompetenz und Macht (Handlungsfähigkeit). Vgl. hierzu u.a. O.A.: Selbstwirksamkeitserfahrung. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik o.J.. Abrufbar unter https://lexikon.stangl.eu/5175/selbstwirksamkeitserfahrung/; (Zugriff am 13.07.2020). 156 Vgl. Son Le/Peter Weber/Martin Ebner: Game-Based Learning. Spielend Lernen? In: Martin Ebner/Sandra Schön (Hg.): L3T. Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien. Frankfurt am Main 20132., o.S. Abrufbar unter https://www.pedocs.de/volltexte/2013/8352/pdf/L3T_2013_Le_Weber_Ebner_Game_Based_Learning.pdf. 157 Vgl. Tripadvisor: TripCollective. Abrufbar unter https://www.tripadvisor.de/TripCollectiveBadges; (Zugriff am 13.07.2020). 158 Vgl. hierzu Universität Oldenburg: Octalysis – So wird Gamification gemacht. Abrufbar unter http://www.informatik.uni-oldenburg.de/~iug15/ga/octalysis.html; (Zugriff am 13.07.2020). 159 Yu-kai Chou: Octalsysis – the complete Gamification framework. Yukaichou.com o.J. Abrufbar unter ; (Zugriff am 13.07.2020). 38 freie Tätigkeit.«160 Freiheit als Grundaspekt beim Spiel beschreibt auch Huizinga, zieht dabei aber klare Grenzen: »Diese Freiheit besteht nicht für das junge Tier und das Kind; sie müssen spielen, weil ihr Instinkt es ihnen befiehlt und weil das Spiel zur Entfaltung ihrer körperlichen und selektiven Vermögen dient.«161 Wann und ob sich dies im Laufe des menschlichen Lebens ändert, lässt Huizinga unbeantwortet. Doch Freiheit in dem hier gemeinten Sinne lässt die Frage nach einem solch biologischen Determinismus gänzlich unberührt.162 Freiheit bedeutet, dass die Spielenden selbst entscheiden zu spielen, ohne dass dieses Spiel von außen erzwungen wird. Viele kennen solche erzwungenen Situationen spätestens aus dem Schulsport. Die Teilhabe an einer Mannschaftssportart, die wir selbst nicht gut beherrschen oder die wir nicht mögen, empfand wohl niemand als spielerische Betätigung, sondern vielmehr als Tortur, die wir durchlaufen mussten, um eine gute Note zu bekommen – aus dem Spiel wurde eine Notwendigkeit oder ein Zwang. Nun könnte argumentiert werden, dass ein Fußballspiel weiterhin ein Spiel bleibt, auch wenn einzelne Spielende das Spiel nicht sonderlich mögen. Eng verbunden mit der Freiheit des Spiels sind jedoch die fehlende Notwendigkeit und eben auch die Freude am Spiel. Denn ein Spiel, meint Huizinga, kann jederzeit ausgesetzt werden oder ganz unterbleiben.163

»Es wird nicht durch physische Notwendigkeit auferlegt und noch viel weniger durch sittliche Pflicht. Es ist keine Aufgabe. Es wird in der ›Freizeit‹ gespielt. Erst sekundär, dadurch, daß es Kulturfunktion wird, treten die Begriffe Müssen, Aufgabe und Pflicht mit ihm in Verbindung.«164

Spielen setzt also eine intrinsische Motivation voraus. »[Diese] liegt vor, wenn eine Person eine Handlung um ihrer selbst willen, wegen der ihr innewohnenden Anreize, ausführt.«165 Im Gegensatz dazu wird von extrinsischer Motivation gesprochen, »[…] wenn eine Handlung hauptsächlich wegen bestimmter mit ihr verbundener Konsequenzen, die zu der Handlung selbst in keinem direkten Verhältnis stehen, erfolgt.«166 Daraus folgt: »Intrinsisch motiviertes Verhalten liegt demnach vor, wenn die handelnde Person sich als kompetent und selbstbestimmt erlebt.«167 Ein aufgezwungenes Spiel, erfüllt diese Kriterien nicht. Diese innere Motivation zu Spielen wird häufig versucht zur Wissensvermittlung zu nutzen. Sogenannte Serious Games oder das Game-based Learning, die sich, wie das Wort Game verraten mag, vor allem im digitalen Bereich finden, zielen darauf ab durch Spiele Lernerfolge zu erzielen. Mit spielbasierten Lernmethoden »[…] ist vor allem die Erwartung verbunden, die Motivation der Lernenden zu erhöhen und Lernprozesse durch die aktive Anwendung und Vertiefung von Kenntnissen zu unterstützen.«168 Ob diese Form des Lernens allerdings funktioniert ist noch umstritten, wiederspricht es zum Teil doch der eben angeführten Freiheit zur Teilnahme am Spiel:

»Es stellt sich [in Bezug auf Game-Based Learning] aber die Frage, inwiefern sich Spiele überhaupt in der gewünschten Weise instrumentalisieren lassen, wenn Spiele nach Spieltheoretikern wie Huizinga oder Caillois eigentlich zweckfreie und freiwillige Handlungen sind, die losgelöst vom Alltagsleben nach eigenen Regeln funktionieren […]. Die Beschreibung der Lernprozesse beim Spielen deutete bereits darauf hin, dass implizites

160 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 28. 161 Huizinga: Homo Ludens, S. 16. 162 Vgl. ebda. 163 Vgl. ebda. 164 Ebda. 165 Mihaly Csíkszentmihályi/ Ulrich Schiefele: Die Qualität des Erlebens und der Prozeß des Lernens. In: Zeitschrift für Pädagogik, 39 (1993) 2, S. 207-221, S. 207. 166 Ebda. 167 Ebda., S. 208. 168 e-teaching.org: Game Based Learning. 2015. Abrufbar unter https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/methoden/ lernspiele/game_based_learning; (Zugriff am 13.07.2020). 39

Lernen nicht als Lernaktivität wahrgenommen wird und so gesehen die ideale und erwünschte Lernweise darstellt (›Stealth-Learning‹), wobei explizites Lernen – zumindest potenziell – den Spielfluss stören kann.«169

Hier zeigen sich gut die Ausläufer eines gesellschaftlichen Diskurses rund um das Thema Unproduktivität in Bezug auf Spiele. Denn:

»Zwar dienen das bei Unterhaltungsspielen erworbene Wissen und die sich entwickelnden Kompetenzen in erster Linie der Erreichung der Spielziele, aber das Lernpotenzial digitaler Spiele lässt sich auch für formelle Bildungsziele nutzen – das zumindest ist die Grundidee des ›Digital Game-Based-Learning.‹«170

Das »eigentlich« unproduktive Spiel soll also mit einem gesellschaftlich produktiven Ziel versehen werden und wird damit zunehmend zu einem gesellschaftspolitischen Thema. Letztlich spielt bei der Beurteilung der Freiwilligkeit der perspektivische Blick auf das Spiel eine entscheidende Rolle. Etwas kann im selben Augenblick für eine Person ein Spiel sein und für eine andere nicht. Das gilt sowohl für den Moment des Spielens selbst, siehe das Beispiel des Sportunterrichts, sowie auch für die gesellschaftliche Debatte, wie das Beispiel des DOSB in Bezug auf Schach und eSport zeigt. Entscheidend für die Betrachtung der Dimension Freiheit ist also nicht, ob ein Spiel für andere Ziele (Notenvergabe, Lernen usw.) genutzt werden kann, sondern, dass ein Spiel nur ein Spiel ist, wenn die Spielenden es als solches auch anerkennen oder wie Huizinga meint: »Alles Spiel ist zunächst vor allem ein freies Handeln. Befohlenes Spiel ist kein Spiel mehr.«171 Ähnlich drückt es auch Caillois aus: »[Spiel ist] eine freie Betätigung, zu der der Spieler nicht gezwungen werden kann, ohne dass das Spiel sogleich seines Charakters einer anziehenden und fröhlichen Unterhaltung verlustig ginge.«172 Wird dem Spiel durch äußerliche »Manipulation« eine andere Funktion zugewiesen, so verändert sich das Wesen des Spiels hin zu einem Nicht-Spiel. »Wie dem auch sei, für den erwachsenen und verantwortlichen Menschen ist das Spiel eine Funktion, die er ebensogut lassen könnte.«173 Das Einlassen auf ein Spiel ist also eine bewusste, selbstbestimmte Entscheidung, die Herausforderung des Spiels anzunehmen. »Andererseits unterliegt es keinem Zweifel, dass das Spiel als eine freie und freiwillige Betätigung, als Quell der Freude und des Vergnügens definiert werden muss.«174 Beim Aspekt der Freiheit bzw. Freiwilligkeit kann der Anschein gewonnen werden, dass das Spiel in einigen Theorien idealisiert wird. Auch der Historiker und Kulturwissenschaftler Christian Holtorf sieht das bei Huizinga gegeben:

»Spiel sei frei und edel, wahr und rein. Huizinga idealisiert das Spiel zu einer zweckfreien bürgerlichen Freizeitbeschäftigung, die nicht nur dem Ernst der Arbeit, sondern auch dem profanen Alltag und seinen Nützlichkeitserwägungen gegenübersteht […]«175.

Und in der Tat ist die Freiwilligkeit wohl die Spieledimension, die sich am leichtesten kritisieren ließe. Eltern oder Geschwister die mit Kindern spielen, der Partygast, der nicht als einziger dem Trinkspiel fern bleiben will oder der schon angesprochene Mannschaftssport im Schulunterricht – all dies sind Beispiele für die, wie es Huizinga nennt, »sittliche Pflicht«, also Spielsituationen die sich aus einer gesellschaftlichen Konvention oder einem Pflichtgefühl heraus ergeben. Der benotete Sportunterricht müsste, den obigen, die Freiwilligkeit verabsolutierenden Definitionen folgend, strenggenommen als Spiel deklassiert

169 Son/Weber/Ebner: Game-Based Learning, S. 6. 170 Ebda. 171 Huizinga: Homo Ludens, S. 16. 172 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 30. Hervorhebungen im Original. 173 Ebda. 174 Ebda., S. 26. 175 Christian Holtorf: Läßt sich dem Spiel entkommen? Zur Pragmatik des Ernstfalls, in Claus Pias/Christian Holtorf: ESCAPE! Computerspiele als Kulturtechnik. Ort 2007, S. 161-169, hier S. 166. 40 werden. Die anderen Beispiele befinden sich wohl an der Grenze zu der gezwungenen Freiwilligkeit. Der Begriff der Freiwilligkeit, wie hier dargestellt, soll daher vorrangig als ein Sich-auf-die-Regeln-einlassen verstanden werden. Das Gegenteil davon ist der schon benannte Spielverderber, der, um beim Beispiel zu bleiben, lieber eine schlechte Note kassiert, als sich auf das Sportspiel im Unterricht einzulassen.

4.4 UNPRODUKTIV, ZWECKFREI UND NICHTNOTWENDIG

Tatsächlich ist die Freiwilligkeit in Zusammenhang mit einer Zweckfreiheit bei Huizinga entscheidend. Und auch bei Caillois findet sich ein Verweis darauf: Spiel sei…

»[…]eine unproduktive Betätigung, die weder Güter noch Reichtum noch sonst ein neues Element hervorbringt und die, abgesehen von einer Verschiebung von Eigentum innerhalb des Spielkreises, in einer Situation endet, die identisch ist mit der zu Beginn des Spiels;«176

Diese Unproduktivität zeigt sich auch in einer gesellschaftlichen Beurteilung des Spielens. Es wird als reine Freizeitaktivität angesehen, als Luxus, der keinen gesellschaftlichen Mehrwert besitzt:

»Und tatsächlich hat das Spiel noch nie etwas hervorgebracht, weder Güter noch Werke. […] Die Spiele um Geld, die Wetten und Lotterien sind da keine Ausnahme: auch bei ihnen werden Reichtümer nicht geschaffen, sondern nur verschoben […] Das Unergiebige des Spiels, seine grundlegende Nutzlosigkeit, ist das Kennzeichen, das es am meisten in Verruf bringt. […] So kommt es, dass ein jeder von vornherein annimmt, das Spiel sei nichts weiter als angenehme Unterhaltung und müßiger Zeitvertreib, ganz gleich, welche Mühe man darauf verwendet, welche Fähigkeiten es aufruft und welche Sorgfalt es erfordert.«177

Keiner der anderen Spielaspekte prägt das Bild von Spielen in der Gesellschaft derartig stark und führt zu einer teils kritischen, teils verständnislosen und teils ablehnenden Haltung gegenüber dem Spielen. Ich werde später noch genauer darauf eingehen, warum das Computerspiel, aus unterschiedlichen Gründen, davon mehr betroffen ist als das Brettspiel. Dieses gesellschaftliche Bild begegnet auch meine Interviewpartner*innen immer mal wieder. Als ein Beispiel für dieses Unverständnis gegenüber dem Spielen nennt Moritz seinen Vater:

»Ich würde aber schon behauptet, dass es Menschen gibt, die keine Spieler sind. Mein Vater ist zum Beispiel jemand, der sieht Spiel meistens als Zeitverschwendung, weil mit Spiel, würde er sagen, erwirtschaftet man nichts, man produziert nichts, man lässt sich auf etwas ein, was eine Zeit dauert und danach ist es fertig und man hat jetzt nicht unbedingt ein, ich sag jetzt mal einen informativen Mehrgewinn. […] Ich kenn Leute, die tatsächlich von vornherein sagen: Ich bin kein Spieler, was soll das. Das kostet Geld, das kostet Zeit und wenn ich das mache, kommt am Ende dabei nichts raus.«178

Diese Zwecklosigkeit und die Unproduktivität ist es auch, was Spielen in den Bereich der Freizeit stellt. Es steht der Arbeit, also der produktivsten Tätigkeit in der Gesellschaft, gegenüber. Wie ich aber schon beschrieben habe, werden immer wieder Spiele mit produktiven Aspekten verbunden – beispielsweise im Bereich des game-based-learning. Dabei werden Versuche unternommen aus der Faszination für Spiele etwas Ertragreiches zu generieren. Ob und wie gut dies funktioniert, ist wie gesagt umstritten, widerspricht der Versuch spielerischer Wissensvermittlung doch der Freiwilligkeit und der Zwecklosigkeit des Spiels.

176 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 30f. Hervorhebungen im Original. 177 Ebda., S. 7f. 178 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 03.08.2018. 41

Aber auch wenn das Spielen selbst nichts Produktives generieren mag, so hat sich zumindest um das Spielen ein kreativer und produktiver Markt entwickelt. Das sieht auch der Medienwissenschaftler Felix Raczkowski:

»Heute, und unter den Bedingungen digitaler Spiele, ist Caillois' Feststellung häufig in ihr Gegenteil verkehrt, und Spiele werden zu Instanzen purer Produktivität, deren Implikationen über die vielfach als Beleg für die Relevanz digitaler Spiele zitierten Umsätze der Unterhaltungssoftwareindustrie erheblich hinausweisen. So beginnen Ökonomen wie Edward Castronova sich Anfang des 21. Jahrhunderts dafür zu interessieren, dass die virtuellen Märkte von Onlinespielen sich über Echtgeld-Transaktionen zunehmend mit ›realen‹ Ökonomien verschränken, was die unerwarteten Schlüsse nach sich zieht, dass erstens von den Bewohnerinnen phantastischer Welten ein höheres Pro-Kopf-Einkommen erwirtschaftet wird als in manchen Entwicklungsländern und zweitens das profitorientierte Spielen dieser Spiele einen Lebensunterhalt sichern kann. Es ist also möglich, nicht mehr nur an Spielen oder über sie zu arbeiten, sondern in ihnen.«179

Auch die Zwecklosigkeit ist bei weitem nicht unumstritten. So sieht Hermann Bausinger diesen Punkt durchaus kritisch:

»Das Moment der Zwecklosigkeit, das immer wieder herangezogen wird, um Spiel zu definieren, ist meines Erachtens nur eine scheinbare Eingrenzungsmöglichkeit; man kann bekanntlich auch in den freien Raum laufen ohne die Chance, einen Ball zu bekommen. An vielen Spieltheorien könnte gezeigt werden, wie die Verfasser mit diesem Charakteristikum in eine Sackgasse laufen, aus der sie nur herauskommen, indem sie gewissen löblichen Zwecken den Status Zwecklosigkeit honoris causa zuerkennen. Zwecklosigkeit scheint mir nur die negative Formulierung von Spielbetrieb zu sein, der Versuch, das Spiel aus jenem dynamischen und komplizierten Motivationsgitter herauszulösen, das in Wirklichkeit alles menschliche Handeln, auch das spielerische, bestimmt – und Motive haben im allgemeinen immer auch eine finale Dimension. Richtig ist, daß das Spiel mit einem Übermaß an Zwecksetzungen, äußeren Zwecksetzungen zumal, seine Unschuld zu verlieren droht […].«180

Aus dem Spiel scheinen sich also zumindest Effekte ableiten zu lassen, die sich beispielsweise auch aus der Kunst ableiten ließen. Dieter Kramer meint dazu folgendes:

»Vielfach ist der Alltag mit ästhetischen Praxen so durchsetzt, dass Nutzen und ästhetische Gestalt nicht mehr voneinander getrennt werden können: Die Symbolfunktion und die Gebrauchswertfunktion durchdringen und überlagern sich.«181

Aus dem Spiel entstehen also, wenn nicht direkte, so zumindest doch indirekte Effekte. Hier zeigt sich auch, warum eine Abgrenzung zu den Spielformen Glücksspiel und Sport durchaus sinnvoll erscheint, da bei diesen Formen das Spiel eine Verzweckung erfährt, in dem Geld vermehrt oder generiert werden soll. Bei einer derartigen Verzweckung des Spiels rücken die indirekten Ziele des Spiels, also sozialer Austausch, Unterhaltung und geistige Herausforderung in den Hintergrund und werden durch direkte Ziele ersetzt – das eigentlich unproduktive Spiel wird zur Produktivität entfremdet. Auch wenn Glücksspiel bestimmten gesellschaftlichen Regeln unterliegt und sicher auch bestimmte Bilder evoziert, haftet ihm nicht das Stigma der Unproduktivität an. Noch weniger findet sich das im Sport. Auch Moritz benennt diesen Unterschied im Interview klar:

»Und ich glaube tatsächlich, dass körperliche Aktivität gesellschaftlich sehr viel mehr mit Arbeit assoziiert wird, weil dahinter die Anstrengung sehr viel klarer ist. Nach dem Motto, wenn ich irgendjemanden im Winter im

179 Felix Raczkowski: Digitalisierung des Spiels. Games, Gamification und Serious Game. Dissertation. Bochum 2016, S. 159f. Komplizierte Satzstellung im Original. 180 Herrmann Bausinger: Zur Kulturgeschichte des Spiels und des Spielerischen, In: Spielwelten. Spielen und Spielzeug aus zwei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog, S. 17-30, hier S. 25f. 181 Dieter Kramer: Europäische Ethnologie und Kulturwissenschaften, S. 152. 42

Jogginganzug um fünf Uhr morgens raus gehen sehe, dann kann das jeder viel mehr nachempfinden: Oh der leistet aber was. Mehr als wenn jemand sich abends bei einer Tüte Chips mit anderen Leuten trifft und die dann Brettspiele aufbauen.«182

Auch in der Forschungssupervision taucht das Bild der Unproduktivität auf. Als ich einen Forschungstagebuchtext von einem Spieleabend im Umfeld meiner Gewährspersonen einreiche, kommt aus der Gruppe die Aussage, dass Spielen leere Zeit sei, die nicht genutzt werden würde um Menschen kennen zu lernen, obwohl diese zusammensitzen würden.183 Doch die Frage ist, ob sich ein Zweck überhaupt von außen bestimmen lässt, oder ob es nicht auch in der Freiheit des Spiels liegt, den Zweck des Spieles selbst zu bestimmen. Unproduktivität, Zweckfreiheit und die Nichtnotwendigkeit des Spielens steht somit auf dem Prüfstand. Eines lässt sich aber deutlich sagen: unproduktiv und zwecklos erscheint den meisten Spielenden ihre Praxis des Spielens nicht, wie diese kurze Vignette aus dem Gruppeninterview zeigt:

»Sophie: […] weil meistens hat man ja auch grad bei diesen anspruchsvollen Spielen so verschiedene Rassen184, die es gibt und die ganz unterschiedlich gespielt werden können und das ist für uns einfach auch interessant. Wir haben alle meistens immer ganz schnell eine Lieblingsrasse, die wir spielen, aber manchmal spielt man dann auch die anderen um zu sehen, wie funktionieren die. Und das ist halt auch total interessant und für den Kopf halt auch total cool, denn wir gehen oft auch irgendwie raus und haben den Kopf matsch, weil es halt auch nach der Arbeit ist. Aber es ist halt auch irgendwie anders, man fühlt sich halt gut ausgelaugt.

Mia: …man hat was geschafft.

Sophie: …man hat was geschafft und man ist aber auch irgendwie total entspannt, weil von der Arbeit muss man ja auch irgendwie runter kommen, finde ich, und brauch halt irgendwie was anderes und da ist Spielen eigentlich immer ganz cool, weil man da auch viel mitnimmt.«185

Die Aussage »Ewas geschafft zu haben« verweist hier eben darauf, dass sich Spieler*innen nach einem Spieleabend nicht als unproduktiv empfinden. Aber hier gilt, wer am Spiel partizipieren möchte, muss die ludische Sphäre betreten, denn das darin produktiv Geschaffene lässt sich nur durch die spielerische Praxis selbst erleben.

4.5 SINNHAFTIGKEIT UND GEGENWARTSBEZUG

In direktem Zusammenhang zur Zwecklosigkeit von Spielen taucht bei Huizinga und auch anderen Spieltheoretikern die Sinnhaftigkeit von Spielen auf. Mit ihr wird beschrieben, dass Spiele trotz ihrer Zweckfreiheit, Sinn stiften würden: »Spiele können […]«, so Jens Junge

»[…] sinnvoll sein, weil sie Lebensglück sowie Zufriedenheit vermitteln und damit eine Bereicherung für den Menschen darstellen. Dabei können sie aber auch zweckfrei sein, also keinen messbaren oder materiellen Zweck mit Nutzeffekt verfolgen und trotzdem Sinn stiften.«186

Huizinga schreibt dazu:

182 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 03.09.2018. Der Begriff der Leistung verweist dabei auch auf einen Selbstoptimierungsaspekt, der bei Sport im Sinne einer Fitness als positiv bewertet wird. 183 Vgl. Supervisionsaufzeichnungen vom 21.02.2020. 184 Als Rassen oder Völker werden oft unterschiedliche spielbare Fraktionen innerhalb der Spielwelt, wie Elfen, Zwerge oder ähnliches bezeichnet. 185 Auszug aus dem Gruppeninterview vom 03.08.2018. 186 Junge: Spielen? Was ist das?, Absatz 5.1. 43

»Das Spiel als solches geht über die Grenzen rein biologischer oder doch rein physischer Betätigung hinaus. Es ist eine sinnvolle Funktion. Im Spiel ›spielt‹ etwas mit, was über den unmittelbaren Drang nach Lebensbehauptung hinausgeht und in die Lebensbestätigung einen Sinn hineinlegt. Jedes Spiel bedeutet etwas.«187

Hier stellt sich nun aber die Frage, worin liegt der Unterschied zwischen Zweck und Sinn eines Spiels? Der Zweck, oder eben die Zwecklosigkeit des Spiels ist vor allem in einem gesellschaftlichen Kontext zu betrachten und immer mit dem Narrativ der Unproduktivität verbunden. Mit dem Blick auf die Sphäre des Spielens im Augenblick des Spielens, ließe sich durchaus argumentieren, dass die Handlung selbst keinen Zweck verfolgt, ist sie selbst doch eben zeitlich begrenzt und geht nach dem Ende wieder über in die »reale« Welt, ohne auf diese eine Auswirkung zu haben. Der Sinn bzw. die Sinnhaftigkeit des Spiels nimmt hingegen die individuellen sinnstiftenden Zuschreibungen der handelnden Personen in den Blick. Diese Zuschreibungen beziehen sich vor allem auf den Augenblick des Spielens, weswegen neben der Sinnhaftigkeit des Spielens auch seine Gegenwartsbezogenheit betont wird. Spiele werden des Spielens wegen gespielt, nicht um etwas zu erwirtschaften oder zu produzieren. Im Kern bedeutet das nur, dass Spiele immer im Hier und Jetzt stattfinden, also innerhalb der Sphäre Spiel. Wird das Spiel aber im gesellschaftlichen Kontext und als soziale Handlung betrachtet, ist ein reiner Gegenwartsbezug schwer aufrecht zu halten. Wer als Kind schon einmal beim Mensch ärgere dich nicht verloren hat, weiß, dass weder der Titel des Spiels gut gewählt ist, noch dass der Ärger über das Verlieren mit dem Ende des Spiels vorbei ist. Und auch in einer rein ludischen Dimension ist dieser Gegenwartsbezug schwer haltbar. Dieser wird durch vielerlei Mechanismen ausgehebelt, die die Spielenden langfristig an ein Spiel binden sollen. Dazu gehören u.a. Kampagnen, bei denen Spieler*innen einen Zyklus von mehreren Partien spielen. Ein Beispiel hierfür wäre Pandemic Legacy188, bei dem Spieler*innen insgesamt zwölf Partien spielen, die ingame189 für die zwölf Monate des Jahres stehen. Die einzelnen Partien haben dabei Einfluss auf die kommenden Spielrunden. Der Abstand zwischen diesen Partien kann gut und gerne auch mal Tage oder Wochen betragen. Ein Vergangenheits- und Zukunftsbezug ist dabei also nicht mehr auszuschließen. Ohne mich auf definitorische Spitzfindigkeiten einzulassen, wirkt die Betonung der Sinnhaftigkeit wie ein Versuch das unproduktive und zweckfreie Stigma des Spiels zu umgehen, um dem Spielen darüber hinaus doch eine Bedeutung zu geben.

4.6. ENDLICHKEIT UND WIEDERHOLBARKEIT

Doch trotz eines, wenn auch geringen, Zukunfts- und Vergangenheitsbezugs sind Spiele endlich. Sie haben eben einen festen Rahmen, in dem sie stattfinden. Sprich, sie sind durch einen klar definierten Anfang und ein klar definiertes Ende gekennzeichnet. Huizinga drückt das so aus: »Es [das Spiel] ›spielt‹ sich innerhalb bestimmter Grenzen von Zeit und Raum ›ab‹. […] Das Spiel beginnt, und in einem bestimmten Augenblick ist es ›aus‹.«190 Dieser Rahmen beginnt mit dem Start des Spiels. Dafür gibt es zwar selten einen Startschuss oder Anpfiff wie im Sport, aber im Grunde setzt die erste Handlung innerhalb des entsprechenden Regelsystems das Zeichen dafür, dass es losgeht. Das Ende hingegen ist oft eindeutiger. Es wird ausgelöst durch das Erreichen des Spielziels, etwa ein bestimmter Punktestand, oder nach Ablauf einer bestimmten Zeit, etwa eine festgelegte Rundenanzahl. Aber auch der Abbruch oder das Aufgeben eines Spiels markiert das Ende einer Spieleinheit und zeigt an, dass sich aus dem Regelsystem wieder heraus begeben wird. Innerhalb dieses zeitlich

187 Huizinga: Homo Ludens, S. 9. 188 Vgl. hierzu u.a. Pandamic Leagacy: Season 1: Rob Daviau/Matt Leacock. Erstveröffentlichung auf verschiedenen Sprachen 2015 bei Z-Man Games. 189 Ingame ist ein Begriff, der sich sowohl beim digitalen Spiel als auch beispielsweise beim Pen & Paper Rollenspiel findet und aussagt, dass etwas auf die ludische Sphäre bezogen ist. 190 Huizinga: Homo Ludens, S. 18. 44 abgesteckten Rahmens gelten die Regeln des Spiels und markieren eine Nichtalltäglichkeit, auf die es etwas später noch einzugehen gilt. Dieser Endlichkeit gegenüber steht eine Form der Unendlichkeit bzw. die Wiederholbarkeit des Spiels. Der zumeist an Videospieler*innen gerichtete Vorwurf: »Du findest kein Ende!«, verweist da, ganz ungewollt, in eine richtige Richtung. Gemeint ist aber eben nicht, dass Spiele kein Ende haben, denn wie eben beschrieben, zeichnet sie ja gerade aus, dass sie in einem klar abgrenzbaren Zeitraum stattfinden, sondern es bedeutet viel mehr, dass Spiele keine einmaligen Ereignisse sind. Sie sind auf Wiederholbarkeit angelegt, denn nach dem Ende einer Partie, lässt sich eine weitere spielen und eine weiter und eine weitere. »Diese Wiederholbarkeit […]«, so Huizinga »[…] ist eine der wesentlichen Eigenschaften des Spiels.«191 Ein Spiel verbraucht sich in der Regel nicht – es ist kein Gut, das nach dem Nutzen nicht mehr da ist und kann beliebig oft wiederholt werden. Zugegeben, dies hat das Spiel mit jedem anderen populärkulturellen Medium gemeinsam, sei es ein Buch, ein Film oder ein Lied. Und genau darin besteht auch die Beschränkung, denn narrative Spiele verlieren ähnlich wie Bücher oder Filme oft den Reiz, nachdem die Geschichte schon einmal erlebt wurde. Daher gibt es vor allem bei digitalen Spielen den Trend zu mehreren Lösungs- oder Spielwegen, um den Wiederspielwert zu erhören. Prinzipiell ist aber eine Wiederholbarkeit denkbar und kommt bei unseren Lieblingsfilmen, -büchern und vor allem bei Spielen ja durchaus auch vor. Innerhalb der Brettspielbranche ist aber auch ein gegenteiliger Kurs zu beobachten. So gibt es derzeit den Trend das Spielen zu einem einmaligen Spielerlebnis zu machen, in dem das Spielmaterial während des Spielens irreversibel verändert oder gar zerstört wird. Beispiele hierfür wären die beliebte EXIT-Reihe192 des Verlages Kosmos, oder die bereits erwähnten Legacy-Spiele193 wie Pandemic Legacy. Die Einmaligkeit soll dabei das Spielerlebnis besonders machen und verweist verstärkt auf einen ritualisierten Charakter des Spielens, auf den ich noch gesondert eingehen werde. Neben der besonderen, weil vermeintlich einmaligen Spielerfahrung, werden dabei auch wirtschaftliche Interessen der Branche bedient. Der Gedanke liegt jedenfalls nahe, denn für eine Wiederholbarkeit solcher Spiele müsste ein neues Exemplar erworben werden – ein Verschenken nach dem Nutzen, damit andere in den Genuss des Spiels kommen ist, wegen des irreversibel veränderten Materials in der Regel nicht möglich. In einigen speziellen Fällen wird bereits Material verkauft, die das Spiel nach dem Spielen wieder in den Urzustand zurücksetzen – ein Beispiel dafür wäre das Spiel Charterstone194, zu dem es ein sog. Recharge Pack195 gibt. In diesem Fall wird die generelle Wiederholbarkeit des Spiels durch das Prinzip der irreversiblen Veränderung aufgehoben, um sie mit einem zusätzlich erwerbbaren Paket wiederherzustellen. Dass dabei marktwirtschaftliche Gedanken keinerlei Rolle spielen, ist schwer zu glauben. Wie sich der Aspekt der Endlichkeit und Wiederholbarkeit beim Spiel zeigt, beschreibt Patrick im Gruppeninterview, anhand eines digitalen Beispiels, wie folgt:

»Ich habe The Witcher196 gespielt, das habe ich drei Mal gespielt, weil es ja auch zwei Erweiterungen gab und da hab ich halt immer wieder von vorn angefangen und wollte immer weiter spielen und zum Ende kommen um halt auch einen Schlussstrich ziehen zu können – was man ja bei Brettspielen auch hat. Irgendwann hat man das Spiel geschafft, es ist zu Ende.«197

191 Huizinga: Homo Ludens, S. 18. 192 EXIT – Das Spiel: Inka Brand/Markus Brand. Erstveröffentlichung der Reihe auf Deutsch 2016 bei Kosmos. 193 Das schon zuvor erwähnte Pandemic Legacy ist dabei nur ein Beispiel eines verbreiteten Spielprinzips. Der Begriff Legacy-Spiel meint alle Spiele, bei denen gespielte Partien einen Einfluss auf die folgenden Partien haben. 194 Charterstone: Jamey Stegmaier. Erstveröffentlichung auf Englisch 2017 bei Stonemaier Games. 195 Charterstone: Recharge Pack: Jamey Stegmaier. Erstveröffentlichung auf Englisch 2017 bei Stonemaier Games. 196 The Witcher ist ein beliebtes digitales Rollenspiel. Hier ist vermutlich The Witcher 3 gemeint, welches den aktuellen letzten Teil der Reihe darstellt und für seinen enormen Spielumfang bekannt ist. Vgl. hierzu The Witcher 3: Wild Hunt. Entwickler: CD Projekt RED. Publisher: Bandai Namco Games. Erstveröffentlichung 2015 für PC, Xbox One, Playstation 4. 197 Patrick im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 45

Anhand der Beschreibung von Patrick lassen sich gleich mehrere Dinge zeigen. Erstens beschreibt er hier gut die Wiederholbarkeit von Spielen. The Witcher hat er drei Mal begonnen, weil er mit jeder Erweiterung noch einmal die Geschichte nacherleben konnte. Vermutlich waren die Abstände zwischen den Erweiterungen so groß, dass er an die vorherigen Spielerfahrungen schwer hätte anknüpfen können. Das Spielerlebnis ist nicht auf ein einziges Mal beschränkt, sondern kann bei Bedarf unendlich wiederholt werden. Auf der anderen Seite zeigt das Beispiel die Endlichkeit im Sinne eines klaren Abschlusses. Patrick möchte das »Ende« des Spiels erreichen und ohne dieses Erreichen fühlt sich das Spielerlebnis für ihn unvollständig an. Dieses Phänomen könnte wohl als eine Art ludischer Gestaltschließungszwang beschrieben werden.

4.7. SYMBOLHANDELN

Die Ebene des Symbolhandelns mag auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen, geht es doch schlicht um den Fakt, dass Handlungen im Spiel keine »realen« Handlungen darstellen, sondern es sich nur um Abbilder und Nachstellungen realer oder auch fiktiver Aktionen handelt. Spiel sei, so meint Caillois »[…] eine fiktive Betätigung, die in Bezug auf das gewöhnliche Leben von dem spezifischen Bewusstsein einer zweiten Wirklichkeit oder einer offenenkundigen Unwirklichkeit begleitet wird.«198 Das Symbolhandeln ist dabei die Ebene der Phantasie und der Kreativität. Wie bei anderen populärkulturellen Medien werden Geschichten erzählt, die die Nutzenden einladen diese nachzuempfinden. Dieses Nachempfinden ist dabei expliziter als bei einem Film oder einem Buch, bei dem die Nutzer*innen in der Regel passiv konsumieren.199 Bei Spielen handeln die Nutzer*innen hingegen aktiv. Daher handelt es sich bei Spielen nicht nur um Symboldarstellungen, sondern eben um Symbolhandeln. Dabei »spielen« nicht nur die Themen, also die Narrative der Spiele eine Rolle, sondern der Reiz am Spielen entsteht auch dadurch, wie diese Narrative in die Spielmechaniken eingebettet sind. Sophie beschreibt das im Gruppeninterview wie folgt:

»Ja, das [das Einnehmen von verschiedenen Rollen] ist total cool eigentlich. Also das allein finde ich schon total interessant, weil es auch verschiedene Spiele gibt, wo man immer wieder das Setting ändert und immer wieder in eine andere Welt eintaucht. Und die Spielmechanismen finde ich total interessant, da gibt es irgendwie immer wieder eine neue Idee. Allein, also Pandemic Legacy, wo wir das angefangen haben, also das war wie eine Sucht eigentlich.«200

Und auch Julius betont das Zusammenspiel von Thema und Mechanik:

»Ich will spannende Mechaniken haben […] und dann will ich Crunch haben, wie man im Rollenspiel sagt, aber der Fluff muss halt dazu passen und das muss halt für mich stimmig sein. Ich will halt Mechaniken haben, die irgendwie für mich sinnvoll die Wirklichkeit abbilden oder Sachen simulieren, oder die irgendwie dazu passen, was sie da atmosphärisch machen. Das gehört für mich zusammen, und wenn das so ist, darin zeichnet sich für mich ein gutes Spiel aus.«201

198 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 31. Hervorhebungen im Original. 199 Auch hier gibt es Ausnahmen, bei denen Konsument*innen die Möglichkeiten gegeben werden, die Handlungen im Buch oder im Film mitzubestimmen. Beispiel dafür wären Abenteuerbücher oder der 2018 auf der Streaming-Plattform Netflix erschienene Film Black Mirror: Bandersnatch, bei dem die Zuschauer per Mausklick oder Fernbedienung die Entscheidungen des Protagonisten beeinflussen können. 200 Auszug aus dem Interview vom 03.08.2018. 201 Auszug aus dem Interview mit Julius vom 04.09.2018. Die Begriffe Crunch und Fluff sind, wie Julius andeutet aus der (Pen & Paper) Rollenspiel-Theorie entnommen. Crunch beschreibt dabei alles was eine regeltechnische Definition hat. Fluff hingegen beschreibt den narrativen Überbau. Wer Die Siedler von Catan kennt, weiß um die schwarze Figur, die bei einer gewürfelten Sieben eines der Felder blockiert. Die Figur und die Art wie sie sich bewegt mit ihren Auswirkungen gehören zum Crunch, die Beschreibung, dass es sich dabei um einen Räuber handelt ist hingegen ein Fluff-Element. 46

Das So-tun-als-ob ist aber nichts Unbedeutendes wie eingangs angedeutet, sondern hat immer auch eine Wirkung auf die reale Lebenswelt. Dieter Kramer subsummiert Erzählungen, Lieder, bildnerische Formen, Symbolwelten und eben auch Spiele unter dem Begriff ästhetische Ausdrucksformen bzw. ästhetisch-kulturelle Praktiken, die oft über Generationen hinweg weitergegeben und an neue Verhältnisse kreativ angepasst werden. Diese ästhetischen Ausdrucksformen seien zudem untrennbar verbunden mit dem sozialen und wirtschaftlichen Leben.202 So meint Kramer: »Ästhetische Benennungen und Gestaltungen tragen dazu bei, Welt zu schaffen. Symbolwelten haben Auswirkungen auf materielle Welten.«203 Oder wie Lackner meint: »Spielwelten sind Zwischenwelten, sie stehen in einem Spannungsverhältnis zwischen der gegenständlichen und der psychischen Welt.«204 Dieser Aspekt der Symbolwelten und des Symbolhandelns zeigt sich vor allem in der Gewaltdebatte rund um das Computerspielen. Hiermit beschäftigt sich der Europäische Ethnologe und Medienanthropologe Christoph Bareither ausführlich in seinem Buch Gewalt in Computerspielen: Facetten eines Vergnügens205. Das Symbolhandeln in Spielen ist also nicht als rein fiktive und ludische Ebene zu betrachten, sondern bezieht sich immer auf eine reale Referenz. Bareither schreibt dazu: »Spiel ist zwar, um wieder Huizingas Begriff aufzugreifen, Nichternst, doch zugleich nur durch die Bezugnahme auf Ernstgemeintes möglich.«206 Durch diese referenziellen Handlungen in Spielen machen Spieler*innen beim Spielen Lebens- und Rollenerfahrungen. So meinen Son Le, Peter Weber und Martin Ebner, deren Forschungsgebiet in digitalen Lehr- und Lernmethoden liegt:

»Diese Erfahrungen sind möglich, weil in den Spielen häufig Realitäten auf multimediale Weise simuliert werden. Die Mechanismen des Unterhaltungserlebens funktionieren allerdings nur dann über einen längeren Zeitraum, wenn Spielende kontinuierlich Erfolge erzielen. Erfolg in Spielen zu haben bedeutet, das Spiel kontrollieren zu können beziehungsweise seinen Leistungsanforderungen gerecht zu werden.«207

4.8. NICHTALLTÄGLICHKEIT UND SANKTIONSFREIER RAUM

Auch das nächste Merkmal von Spielen mag auf den ersten Blick offensichtlich sein: »Spiel ist nicht das ›gewöhnliche‹ oder das ›eigentliche‹ Leben.«208 meint Huizinga. Eine Spielwelt ist abgetrennt von der Realität, ein künstlicher Raum, eine andere Welt, welche in sich befreit ist vom Alltag und der der komplexen und stressigen Wirklichkeit. »Schon das kleine Kind weiß genau, daß es ›bloß so tut‹, daß alles ›bloß zum Spaß‹ ist.«209 Wichtig ist hierbei wiederum die Trennung von Spielen als Praktik und der Sphäre des Spiels, die als Gegenpart zum Alltag gedacht wird, so meint Lackner: »Freizeit und Hobbys dienen als Ausgleich und Katalysator gegenüber den Problematiken des Alltags.«210 Selbstredend bringen Spieler*innen ihre Vorerfahrung, ihre Persönlichkeit und ihre Tagesform in die Spielsituation und die Spielerfahrung mit ein. Die Praxis des Spielens ist also in die soziale Umgebung eingebettet, die Spielwelt hingegen bleibt weitgehend autark. Diese Trennung ist vor allem analytischer Natur und bezieht sich darauf, dass die Handlungen und Entscheidungen innerhalb des Spieles eben Symbolhandeln darstellen. Es geht um das Eintauchen in etwas Besonderes um dort eine Befriedigung für unser Tun zu erfahren – hier kann aus Konventionen ausgebrochen und können neue Erfahrungen gemacht werden, die in der »realen« Welt nicht gemacht werden können. Wie auch schon bei anderen Aspekten ist

202 Vgl. Kramer: Europäische Ethnologie und Kulturwissenschaften, S. 151. 203 Ebda., S. 153. 204 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 43. 205 Vgl. Christoph Bareither: Gewalt in Computerspielen: Facetten eines Vergnügens. Bielefeld 2016. 206 Ebda., S. 61. 207 Le/Weber/Ebner: Game-Based Learning, o.S. 208 Huizinga: Homo Ludens, S. 16; Hervorhebungen im Original. 209 Ebda. 210 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 274. 47 die Nichtalltäglichkeit ein Grund, weshalb Game-Based Learning nur indirekt funktioniert – Arbeit bzw. Ernsthaftigkeit und Spiel passen oft nicht zusammen. Spiele sind privat und gelten als Alternative zum Alltag, das meint auch Lackner:

»Spiele werden als Gegensatz zum Alltag als eine abgeschlossene, geschützte Sphäre gedacht. Der Zugang zum Spiel erfolgt im Normalfall freiwillig. Im Spielraum können Aktionen durchgeführt werden, die reversibel sind und beliebig oft wiederholt werden können, ohne dass die SpielerInnen Gefahr laufen, ernsthafte Konsequenzen daraus zu erlangen.«211

Daraus ergibt sich ein Punkt, der so zwar begrifflich nicht in der gängigen Literatur vorkommt, implizit dort aber verborgen liegt und den Moritz als Spielpädagoge ganz entscheidend für das Spiel an sich hält – Das Spiel als sanktionsfreier Raum:

»Man baut sich einen sanktionsfreien Raum, in dem kann man lustig alles erzählen, was man will. Es hat keine Bedeutung und es geht eigentlich darum den Kopf einfach mal abzustellen und alles zu machen, was man will. Eigentlich ist das für mich genau das Gegenteil eines intellektuellen Wettkampfs. Es ist ein Über-Bord-Kippen der intellektuellen Zwänge. Ich spiele einfach, weil ich grad Bock habe, weil ich keinen Bock habe mich mit dem ganzen Stress zu beschäftigen, sondern weil ich jetzt einfach mal irgendwas machen will, wo ich keine Konsequenzen habe, wo ich einfach nur Lust habe mich auszubreiten und Quatsch zu erzählen, ohne dass es für mich sanktioniert wird.«212

Im Spiel können die Spielenden sich ausprobieren, Fehler machen, daraus lernen und die daraus gewonnene Erkenntnis in einer Wiederholung umsetzen. »In jedem Fall ist der Spielbereich eine freigehaltene, geschlossene und geschützte Welt: ein reiner Raum.«213 meint Caillois. Und auch bei Huizinga findet sich das implizit: »Obwohl Spielen eine geistige Betätigung ist, ist in ihm an sich noch keine moralische Funktion, weder Tugend noch Sünde gegeben.«214 Das Außerhalbstehen des realen und alltäglichen Lebens ist auch ein Grund für das Postulat der Zweckfreiheit des Spiels. Bezugnehmend auf den Soziologen Erwin Goffman meint Lackner, dass das Spielen einem Rollentausch gleicht, also einem Ausprobieren verschiedener Rollen – und dieses Ausprobieren keine reale gesellschaftliche Sanktion mit sich bringt. Es besteht beispielsweise keine gesundheitliche Gefahr.215 »Es kann mit Gefahr und Risiko experimentiert werden, ohne sich vor den Folgen fürchten zu müssen. […] Die in Spielen ausgeführten Aktionen können gesellschaftliche Konventionen und Tabus brechen und faszinieren deshalb umso mehr.«216 Da die Handlungen im Spiel keine Auswirkung auf die Realität zu haben scheinen, seien diese für das reale Leben auch nicht relevant. Das Spiel wirkt dadurch wie ein aus dem echten Leben herausgelöstes, zweckfreies Etwas. Dazu meint Huizinga:

»Dieses Etwas, das nicht das ›gewöhnliche Leben‹ ist, steht außerhalb des Prozesses der unmittelbaren Befriedigung von Notwendigkeiten und Begierden, ja es unterbricht diesen Prozeß. Es schiebt sich zwischen ihn als eine zeitweilige Handlung ein. Diese läuft in sich selbst ab und wird um der Befriedigung willen verrichtet, die in der Verrichtung selbst liegt. «217

Dass die Handlungen in der Sphäre Spiel sich aber sehr wohl nach außen auswirken habe ich bereits erklärt. Diese zumeist sozialen Auswirkungen unterscheiden sich aber von den Auswirkungen innerhalb der Sphäre. Schieße ich beispielsweise im Spiel Bang! auf eine*n

211 Ebda., S. 38. 212 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 213 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S 27. 214 Huizinga: Homo Ludens, S. 15. 215 Vgl. Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 40f. 216 Ebda., S. 41. 217 Huizinga: Homo Ludens, S. 17; Hervorhebungen im Original. 48

Mitspieler*in und dieser verliert daraufhin seinen letzten Lebenspunkt, dann stirbt natürlich nur die ludische Figur und selbstredend nicht die reale Person. Die Handlung im Spiel hat also keine reale Konsequenz für die Teilnehmenden. Sehr wohl aber kann die Person über diese Spielentscheidung erbost sein und darunter könnte die soziale Beziehung zwischen den Spieler*innen leiden. Somit hat zwar die Spielhandlung keine Auswirkung auf die reale Welt, die Spielentscheidung aber schon. Bei diesem Beispiel würde allerdings, wie unter Punkt 4.1 beschrieben die Sphäre Spiel gestört werden, da der*die erboste Spieler*in die Regeln des Spiels nicht zu Gänze akzeptieren würde – Stichwort Spielbverderber*in.

4.9. ESKAPISMUS

Die Unterbrechung des Alltags ist für viele Spielende eine der vorrangigsten Motivationen zu spielen. Der Wunsch sich für einen gewissen Zeitrahmen aus dem Alltag auszuklinken und die Möglichkeit in andere Welten einzutauchen scheint mir einer der wichtigsten Aspekte des Spiels zu sein, ist es doch ein häufig genannter Grund zu spielen. Wie schon im Abschnitt über die Spielregeln beschrieben, bietet das Spiel einen übersichtlichen Rahmen, in dem sich die Spielenden bewegen können – hinzu kommt der nichtalltägliche Charakter des Spiels. Moritz beschreibt dieses Eintauchen in andere Welten im Interview so:

»Diese Spiele wollen ganz bewusst, die Leute, die es spielen, in eine andere Welt ziehen. Natürlich ist auch dort der Kontakt da, aber dort ist mein Gegenüber eben, nicht der Mensch, mit dem ich immer spiele, sondern es ist ein anderer Bauer, oder eine andere Rasse, oder ist irgendwas. Ich habe da das Gefühl, auch mein Mitspieler verändert sich und auch die Leute, mit denen ich spiele, sind sich bewusst, dass das Spiel sie veranlasst ihr eigentlich Position, die sie in der Realität haben, zu verlassen um mit mir in das Spiel einzutauchen. […] Es ist schon der Anspruch eines Wettkampfes, es ist auch schon die soziale Komponente, das geht beides einher. Ich glaub aber, dass noch mehr da drinnen steckt. Für mich ist es auch, tatsächlich, schon eine Form von – Realitätsflucht klingt so negativ, aber das bewusste Suchen nach einer kleinen, in sich geschlossenen Welt. Also eigentlich, das was für mich ein gutes Buch ausmacht. Und das ist für mich. Da kommt nochmal was neues hinzu, weil das hab ich weder beim Wettbewerb, noch bei der seichten Unterhaltung, sondern ich möchte eigentlich, im positivsten Sinne, ein Abenteuer erleben, wo ich mich sowohl intellektuell messen kann, als auch sozial im sanktionsfreien Raum mich austoben kann. Aber ich möchte auch, ich sag jetzt mal, so blöd es klingt, ein ästhetisches Erlebnis haben durch ein gut gemachtes Spiel, durch ein gutes Szenario, durch schöne Spielfiguren, so dass ich ein Gefühl habe, eine gewisse Zeit abzutauchen in eine eigenständige Welt, so dass ich auch in der Lage bin, die Realität mal auszublenden. Für mich ist sozusagen, in dem Fall, also der Exotismus drinnen, ich möchte durch ein Spiel auch ein bisschen meinen Alltag verlassen können und mich auf etwas einlassen, was mich aus dem Alltag rausholt und mich mal für drei vier Stunden entlässt. Da kann ich mich austoben, Dinge denken, Dinge machen, die ich im realen Leben weder machen darf noch machen kann um dann wieder zurück zu gehen, um sozusagen froh zu sein, dass man das auch mal los geworden ist.«218

Was Moritz hier als exotisches Erleben außerhalb der eigenen Lebenswelt beschreibt, wird in Form eines Vorwurfs oft als Eskapismus, also Realitätsflucht, beschrieben. Christian Holtorf formuliert das sogar noch drastischer: »Spieler, die der Unerträglichkeit oder Banalität ihres Alltags zu entfliehen versuchen, fallen unter das Krankheitsbild ›Escapismus‹[sic!].«219 Zwar mag es im Zusammenhang von Realitätsflucht durchaus auch pathologische Fälle geben, diese halten sich aber wohl stark in Grenzen. Auf Goffman verweisend, schreibt Lackner:

»Während in der realen Welt das soziokulturelle Umfeld die Bühne darstellt, ist dies in der virtuellen Welt der Bildschirm, bzw. allgemein für Spiele gesprochen, die Spielsphäre. Wenn dieser abschaltet bzw. die Spielsphäre aufgegeben wird, wird auch die Fassade zerstört und die Darstellung abgebrochen. Dies kann auch als Entlastung der Menschen gesehen werden, denn das Beenden bzw. Aussteigen aus seiner Rolle ist im realen Leben nur sehr

218 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 219 Holtorf: Läßt sich dem Spiel entkommen?, S. 168. 49 schwer möglich, bzw. fordert drastische Schritte von den SchauspielerInnen. Der Ausstieg aus der vorgegebenen Rolle wird in der Regel sozial geahndet und entsprechend sanktioniert. Rollen, die von der Norm, bzw. von der Erwartungshaltung des Publikums abweichen, werden durch soziale Verachtung abgestraft. Zwar können die SpielerInnen ihre Rollen bewusst wählen, doch müssen auch diese den Spielregeln unterworfen werden, sonst drohen ebenfalls Sanktionen von den MitspielerInnen.«220

Das Eintauschen in eine nichtalltägliche Welt für einen bestimmten Zeitrahmen und das damit einhergehende Aussteigen aus dem Alltag gibt den Spielenden die Möglichkeit eine Welt zu erkunden, die zwar ludische aber keine realen Konsequenzen für sie bereit hält. In Anlehnung an den Begriff der ludischen Gewalt221, könnte hier somit von ludischer Gefahr gesprochen werden. Somit geht es bei Eskapismus nicht nur darum der Realität zu entfliehen, sondern vor allem darum sich gefahrlos ausprobieren zu können und die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen und des eigenen Handelns in einem sicheren ludischen Rahmen zu erfahren. Naheliegend wäre auch an dieser Stelle ein Verweis auf »schlechte Verlierer*innen« und die daraus real existierende Konsequenz ggf. nicht mehr mit diesen spielen zu wollen. Schlechtes Verlieren wird als Heraustreten aus der ludischen Sphäre gewertet und damit werden die Regeln dieser Sphäre verletzt. Das »gute« Verlieren gehört aber zu einer Spielerfahrung dazu. Das Spiel, so meint Caillois

»[…] versetzt den Spieler in einen Zustand höchster Erregung, der ihn nach dem entscheidenden Moment, nach dem wie durch ein Wunder erreichten Maximum an Leistung und Ausdauer, entkräftet und abgekämpft zurücklässt. Auch hier ist Gleichmut verdienstvoll. So wie es verdienstvoll ist, beim Fallen der Würfel oder dem Aufdecken einer Karte mit einem Lächeln alles zu verlieren.«222

4.10. AMBIVALENZ UND SPANNUNG

Die ludischen Erfahrungen sind nur solange reizvoll, solange ihr Ausgang prinzipiell ungewiss ist. Ein Spiel, dessen Ausgang schon zu Beginn klar ist, verliert seinen Reiz und muss nicht gespielt werden. Mit diesem Reiz ist nicht zwangsläufig die Möglichkeit zu gewinnen gemeint. Wie schon vorher festgestellt, gibt es auch Spiele, bei denen ein Sieg nicht Teil des Konzeptes ist. Die Spannung eines Spiels liegt darin, dass der Verlauf und der Ausgang Unsicherheiten bergen, emotionale Spannungen aufbauen und Erwartungen und Hoffnungen wecken. Dabei wird ein positives Spielergebnis angestrebt und ein Scheitern in Kauf genommen. Der Reiz liegt dabei oft in einer Mischung aus Glück und Können. So meint Caillois:

»Es muss bis zum Ende ein Zweifel über den Ausgang bestehen. Ist bei einem Kartenspiel der Ausgang nicht mehr zweifelhaft, hört man zu spielen auf und jeder legt seine Karten ab. Bei der Lotterie oder beim Roulette setzt man auf eine Zahl, die kommen oder ausbleiben kann. Bei einem sportlichen Wettkampf müssen die Kräfte der Teilnehmer ausgeglichen sein, damit jeder in der Lage ist, bis zum Ende seine Chance zu wahren. Jedes Geschicklichkeitsspiel birgt für den Spieler per Definition das Risiko, seinen Coup zu verfehlen, die Befürchtung, sein Ziel nicht zu erreichen, sonst würde das Spiel keinen Spaß mehr machen. Und tatsächlich macht das Spiel dem, der zu leistungsstark oder zu geschickt ist, der ohne Mühe und unfehlbar gewinnt, auch keinen Spaß mehr.«223

Zusammenfassend meint Caillois:

220 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 154. 221 »Der Begriff ›ludische Gewalt‹ meint dementsprechend die durch körperliche oder verbale Signale erreichte Bezugnahme auf faktische Gewalt innerhalb eines metakommunikativ als nicht-ernsthaftes Spiel gerahmten Prozesses.« - Bareither: Gewalt in Computerspielen, S. 62. 222 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 16f. 223 Ebda., S 28. 50

»[Spiel ist] eine ungewisse Betätigung, deren Ablauf und deren Ergebnis nicht von vornherein feststeht, da bei allem Zwang, zu einem Ergebnis zu kommen, der Initiative des Spielers notwendigerweise eine gewisse Bewegungsfreiheit zugebilligt werden muss[...]«224.

Huizinga hebt den Aspekt der Ambivalenz und Spannung ebenfalls hervor. Die Fähigkeiten der Spielenden würden auf eine Probe gestellt, Anspannung würde sich aufbauen und mit etwas Glück gäbe es die Chance zu gewinnen.225 Auch in meinen Interviews und Gesprächen trat dieser Aspekt besonders deutlich hervor. Oliver bringt dafür ein Beispiel, das im Feld in immer mal wieder erwähnt wurde: »Warum ist Monopoly eigentlich so ein schlechtes Spiel? Weil es dich recht früh erahnen lässt, dass du keine Chance mehr hast, du aber noch eine Stunde spielen musst.«226 Die Klarheit eines Verlustes verringert die Motivation ein Spiel anzufangen oder zu Ende zu spielen. Daher steht auch das schon vorher erwähnte pay-to-win so stark in der Kritik. Wenn ich weiß, mein Gegenüber hat einen unfairen Vorteil, sei er erkauft oder durch eine unaufholbare Erfahrung, dann nimmt mir das die Freude am Spiel. Daher halten wir uns zurück, wenn wir beispielsweise mit Kindern spielen – wir wollen ihnen nicht die Illusion nehmen, das Spiel für sich entscheiden zu können. Aber ein Beispiel von Julius zeigt uns, dass es auch andersherum laufen kann, als er von Spielerlebnissen mit seinen Eltern erzählt:

»Im Optimieren von Punkten bei Spielen war ich im Verhältnis zu meinen Eltern immer relativ gut und hab dann auch meistens die Spiele gegen meine Eltern gewonnen. Aber ich hab dann auch gemerkt, dass es meinen Eltern dann gar nicht so viel Spaß gemacht hat und meine Mutter dann auch irgendwie enttäuscht war, also vielleicht nicht enttäuscht, aber so: Na klar, du hast halt schon wieder gewonnen. Dann ist eigentlich auch keine Spannung dabei.«227

Und auch ein sicherer Sieg macht ein Spiel schnell uninteressant, so meint Moritz:

»Ich will eine Lernkurve. Und Spiele, wo man nur Spaß hat, fordern mich nicht raus, weil ich finde, das Scheitern gehört zum Spielen dazu und das heißt auch der Frust gehört dazu. Und Spiele, die sozusagen, diese bewusste Frustration ausblenden, weil sie kurz und schnell und spaßig sein sollen, kann ich nicht als ernst zu nehmende Spiele akzeptieren.«228

Als ich ihn bitte das genauer auszuführen fährt er fort:

»Ja, also, wenn ich jetzt mal literarisch was reinbringen würde, ein ganz bekanntes Motiv von Literatur ist ja die Heldenreise. Das heißt, du hast einen Typ, der am Anfang in seiner Heimatwelt ein Problem hat und er ist gezwungen auszuziehen, lernt viel auf dem Weg, wie neue Fähigkeiten, neue Freunde, neue Verbündete, was auch immer - kommt am Ende zurück und mit dem, was er gelernt hat, kann er gestärkt auf die Anfangsproblematik gucken und sie lösen. Und ich finde, ein gutes Spiel funktioniert oft wie das Prinzip einer Heldenreise. Das heißt ich möchte erstmal, wenn ich ein Spiel erklärt kriege, wenn ich die Regeln höre, das Gefühl haben: ›Ui das überfordert mich, das ist zu viel, ich hab keine Ahnung, was ich da tun soll.‹ Dann möchte ich spielen und ich möchte im Spiel das Gefühl der Erkenntnis haben: ›Ach, so funktioniert das‹. Nach dem Motto: Ich bin gescheitert, das muss ich anders machen – um am Ende, sei es am Ende des Spiels, sei es auch evtl. beim dritten Mal Spielen, das Gefühl zu haben, ich habe eine Entwicklung gemacht. Das Spiel lässt eine Entwicklung des Spielers zu und am Ende gehst du gestärkt, klüger und im besten Fall sogar reicher in das selbe Spiel rein, oder aus dem Spiel raus, als du reingegangen ist.«229

224 Ebda., S. 30. Hervorhebungen im Original. 225 Vgl. Huizinga: Homo Ludens, S. 19f. 226 Auszug aus dem Interview mit Oliver vom 13.10.2018. 227 Auszug aus dem Interview mit Julius vom 04.09.2018. 228 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 229 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 51

Die Ausführungen von Moritz zeigen nicht nur, dass ein Spiel reinen Spaß machen soll, sondern dass es mit einer Spannung, einer Ungewissheit, aber eben auch mit einem Erkenntnisgewinn versehen sein muss. Das führt zurück zu der Sinnhaftigkeit von Spielen. Wenn dies auch nicht immer so deutlich und reflektiert formuliert wird, wie von Moritz, haben Spiele für die, die sie spielen, immer einen Sinn.

4.11. IMMERSION UND ERLEBEN

Je nach Spiel fällt es den Spielenden mehr oder weniger leicht sich aus dem Alltag auszuklinken und in die Spielwelt einzutauchen. Ein abstraktes Spiel bietet dabei weniger Möglichkeiten als Spiele mit einem hohen narrativen Anteil – Eurogames also tendenziell weniger als beispielsweise Ameritrash. Sich in das Setting hineinzuversetzen spielt bei meinen Interviewpersonen eine wichtige Rolle:

»Mia: Deswegen ist ja auch This War of Mine230 so cool, oder auch Winter der Toten231, weil man da wirklich kleine Abenteuer erlebt, jedes Mal und immer ist es anders. […] Das ist schon cool.

Patrick: Die Abwechslung.

Mia: Die Abwechslung ja. Dass es auch immer wieder was anderes ist.

Patrick: Dadurch, dass jeder einen anderen Auftrag hat, und obwohl wir schon oft gespielt haben, entdecken wir da trotzdem immer noch ein paar neue Karten.«232

Das Spiel soll zu einem Erlebnis werden, das die Spielenden aus dem Alltag herausholt. Die Spielenden tauchen in Welten ab, erleben Abenteuer und steigen aus der Monotonie des Alltags aus. Über Computerspiele und bezugnehmend auf den Psychologen und Soziologen Peter Vorderer schreibt Kommunikations- und Computerspielewissenschaftler Christoph Klimmt:

»Im Unterschied zu Romanen oder Filmen sind die Geschichten in Computerspielen nicht nur fiktional, sondern interaktiv erfahrbar; die Spieler/innen gestalten (innerhalb bestimmter Grenzen) die Geschichte selbst mit.«233

Gleiches gilt auch für das analoge Spiel. Dieses Mitgestalten der Geschichte führt zu einer tieferen Immersionsmöglichkeit als es bei Filmen oder Büchern der Fall ist. Oder wie die Medienwissenschaftler*inen Caja Thimm und Lukas Wosnitza schreiben:

»Etwas allgemeiner formuliert lässt sich Immersion also als illusionistischer Eintritt in eine simulierte Welt definieren. […] Zudem kann alle Technik nicht den Kern der Immersion ersetzen: Das Aufgehen im Tun.«234

Zwar bieten Computerspiele in der Regel eine deutlich tiefere Immersion als analoge Spiele, aber wie Udo Thiedeke bemerkt, ist die Immersion kein Alleinstellungsmerkmal von digitalen Spielen:

230 This War of Mine; The Board Game: Michal Oracz/Jakub Wiśniewski. Erstveröffentlichung in verschiedenen Sprachen 2018 bei Awaken Realms. 231 Winter der Toten: Ein Spiel mit dem Schicksal: Jonathan Gilmour/Isaac Vega. Erstveröffentlichung auf Englisch 2014 bei Plaid Hat Games als Dead of Winter: A Crossroads Games. 232 Auszug aus dem Gruppengespräch vom 03.08.2018. 233 Christoph Klimmt: Das Medium der Spaßgesellschaft: Offene Fragen der Unterhaltungsforschung über Computerspiele. Wiesbaden 2010. In Caja Thimm (Hg.): Das Spiel: Muster und Metapher der Mediengesellschaft Wiesbaden 2010, S. 127-150, hier S. 131. 234 Caja Thimm/Lukas Wosnitza: Das Spiel – analog und digital. Wiesbaden 2010. In: Caja Thimm (Hg.): Das Spiel: Muster und Metapher der Mediengesellschaft. Wiesbaden 2010, S. 33-54, hier S. 43. 52

»Immersion und Vermöglichung sind dabei nicht neu oder erst mit Computern möglich, wie manche immer noch glauben. Sie waren immer schon Kennzeichen der symbolischen Differenz spielerischer Exklusionsbereiche. Was sich geändert hat, ist jedoch der Grad der Immersion, der insofern eine Veralltäglichung beschreibt, als der Zugang zu solchen Spiel-Räumen nicht nur zunehmend ubiquitär und immersiv wird, sondern jetzt auch keine Pseudorealität, sondern eine eigene vermöglichte Realität, neben der entmöglichten, aktuell gegebenen Realität darstellt.«235

Thiedeke spricht hier einen interessanten und wichtigen Punkt der zunehmenden Digitalisierung an. Dies betrifft zwar die Handlung des Brettspiels nicht direkt, dennoch möchte ich in diesem Zuge auch auf die Ausführungen der Computerspielentwicklerin und Doktorin für performance studies Jane McGonigal verweisen. In ihrem Buch Reality is Broken236vertritt sie die These, dass (digitale) Spielwelten das geben können, was die reale Welt versäumt oder nicht in der Lage ist zu geben und eben dies ein Grund sei, weshalb so viele Menschen spielen würden. Sie schreibt über Spiele und Spieler*innen:

»These gamers aren’t rejecting reality entirely. They have jobs, goals, schoolwork, families, commitment, and real lives they care about. But as they devote more and more of their free time to game worlds, the real world increasingly feels like its’s missing something. Gamers want to know: Where, in the real world, is that gamer sense of being fully alive, focused, and engaged in every moment? Where is the gamer feeling of power, heroic purpose, and community? Where are the bursts of exhilarating and creative game accomplishment? Where is the heart-expanding thrill of success and team victory? While gamers may experience these pleasures occasionally in their real lives, they experience them almost constantly when they’ve playing their favorite games. […] Reality, compared to games, is broken.«237

Was hier für digitale (Spiel)Welten beschrieben wird, lässt sich vielleicht nicht in Gänze, aber zu einem entscheidenden Teil auch auf analoge Spiele übertragen. Die Spieler*innen tauchen tief in diese Welten ein und generieren dort vor allem positive Erfahrungen. Hier wird auch die Wichtigkeit des sanktionsfreien Raumes deutlich – das Verlieren oder das Schlechtabschneiden eines Spieles hat einen weniger negativen Input auf die Spielenden als eine negative Erfahrung in der realen Welt – denn das Spiel kann einfach wiederholt werden – und durch das stetige Feedbacksystem können die Spielenden ihre Selbstwirksamkeit deutlich erkennen. Etwas, das die reale Welt oft vermissen lässt. Zu beachten und zu betonen sei hier aber, dass sich dieser sanktionsfreie Raum nur auf die eigentliche Sphäre des Spiels beschränkt. Gerade im Kontext digitaler Onlinespiele haben soziale Aspekte teils konkrete und drastische Auswirkungen auf die realen Leben der Spielenden – Stichwort Cybermobbing, welches auch beim digitalen Spiel vorkommt. Auch Brettspiele bieten tiefgehende Welten und für Spielende unterscheidet sich das Erleben im Spiel manchmal nicht vom Erleben in der realen Welt. Damit meine ich nicht, dass diese wirklich glauben eine Zombieapokalypse zu überleben oder einen Planeten zu besiedeln – vielmehr wird das Erleben als tiefgehend und eminent beschrieben:

»Den Aspekt, den ich am Anfang meinte, war, dass ich gern mit einer Gruppe von Leuten in etwas eintauchen möchte und eine gemeinsame Geschichte erleben möchte - und bei Pandamic Legacy wäre das dann eine Geschichte, die über mehrere Spielabende geht und bei Imperial Assault238 ja im Prinzip auch. Und dann wäre es mir auch irgendwie wichtig mit der gleichen Gruppe an Leuten. Dass man dann auch gemeinsame Erinnerungen hat und Erinnerungen schafft. Ähnlich wie man dann in einer Beziehung dann gemeinsame Erinnerungen hat und zum Teil die Beziehung auch darauf aufbaut, oder in Freundschaften, wenn man gemeinsam verreist,

235 Thiedeke: Spiel-Räume, S. 30. 236 Vgl. Jane McGonigal: Reality is broken. Why Games Make Us Better and Hoe They Can Change the World. London 2012. 237 Ebda., S. 2f. 238 Star Wars: Imperial Assault: Justin Kemppainen/Corey Konieczka/Jonathan Ying. Erstveröffentlichung auf Englisch 2014 bei Fantasy Flight Games. 53 einfach dass man gemeinsame Erinnerungen und Erlebnisse erschafft. So finde ich, bieten Spiele auch diese Möglichkeit.«239

Wie die Ausführungen von Julius zeigen, werden die in Spielen gemachten Erfahrungen nicht im Spiel belassen. Die Erinnerungen und Emotionen werden aus der ludischen Sphäre in die reale soziale Welt übertragen. Gerade aktuellere Brettspiele sind dabei in ihrer Ausrichtung deutlich erlebnisorientierter als noch vor einigen Jahren. Auch die schon angesprochenen Mechanismen die grundsätzliche Wiederholbarkeit von Spielen auszusetzen trägt zum Erlebnischarakter von Spielen bei. Nicht nur bei solchen Spielen, aber dort eben besonders, soll das Spielen zu einem besonderen Ereignis gemacht werden. Dabei spielen Faktoren wie Immersion und Interaktion eine entscheidende Rolle. Der Medienwissenschaftler Martin Sallge versucht dabei Immersion wie folgt zu beschreiben:

»Der Begriff der Immersion ist schwer zu definieren, schwebt er doch irgendwo zwischen der Identifikation mit der Hauptfigur eines narrativen Werks, dem Flow-Konzept von Csíkszentmihályi und dem Aufgehen in den Interaktivitätsmodalitäten eines Spielsystems […]. Ohne die Immersionsfunktion punktgenau zwischen diesen Vorschlägen aufhängen zu wollen, kann die immersionssteigernde Wirkung des Spiels auf die Interaktive Narration im Computerspiel narrative Komponente festgehalten werden [sic!]. Der Spieler ist, auf diese oder jene Weise, fasziniert und gefesselt von der dargestellten Welt und seinen Bewohnern, die er ludisch erleben kann. Diese emotionale Bindung des Spielers mit der Welt und vor allem mit seinem Avatar überträgt sich auch auf die eher narrativen Abschnitte des Spiels. Es ist anzunehmen, dass die Intensität der Bindung wegen der interaktiven Einbeziehung derjenigen Abschnitte, in denen der Spieler das Geschick des Avatars lenkt, höher ist als in Medien, in denen der Rezipient keine derart direkte Verbindung zum Protagonisten hat, z.B. dem klassischen Film.« 240

4.12. FLOW

Im engen Zusammenhang zur Immersion steht das schon von Sallge angesprochene Flowerleben - ein Konzept, das der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi zum ersten Mal beschrieben hat und das folgendes umfasst:

»Das Bewußtsein des Menschen läßt sich als ein ständiger Strom von Gedanken und Empfindungen charakterisieren. Man nimmt verschiedene Dinge wahr, Assoziationen werden ausgelöst, Ereignisse aus der Vergangenheit gehen einem durch den Kopf, Gefühle rücken ins Bewußtsein usw. Diese Elemente des Bewußtseins sind meistens in einem relativ ungeordneten und zufälligen Zustand. Diesem ›entropischen‹ Zustand des Bewußtseins kann mit dem Flow-Erleben ein geordneter, ›negentropischer‹ Zustand des Bewußtseins gegenübergestellt werden […]. Beim Flow-Erleben sind alle Gedanken und Empfindungen im Einklang und auf eine Handlung gerichtet. Störende Einflüsse bleiben ausgeblendet. Es liegt daher nahe anzunehmen, daß sich die Person im Zustand des Flow auf ihrem höchsten Leistungsniveau befindet.«241

Im deutschsprachigen Raum ist in Sachen Flow vor allem der Psychologe Falko Rheinberg federführend, der das Konzept, bezugnehmend auf Csíkszentmihályi, folgendermaßen beschreibt:

»Gemeint ist damit das reflexionsfreie, gänzliche Aufgehen in einer glatt laufenden Tätigkeit, die man trotz hoher Beanspruchung noch unter Kontrolle hat. Dieser Zustand wird meist als angenehm erlebt und Personen

239 Auszug aus dem Interview mit Julius vom 04.09.2018. 240 Martin Sallge: Interaktive Narration im Computerspiel. In Caja Thimm (Hg.): Das Spiel: Muster und Metapher der Mediengesellschaft. Wiesbaden 2010. S. 79-104, hier S. 100f. 241 Csíkszentmihályi/ Schiefele: Die Qualität des Erlebens und der Prozeß des Lernens, S. 210. 54 zeigen Beeinträchtigungen, wenn sie in Entzugsexperimenten gehindert werden, ihre flow-vermittelnden Tätigkeiten auszuführen […].«242

In meinen Interviews war eine der ersten Fragen, die ich meinen Gewährspersonen stellte, die, weshalb sie überhaupt spielen würden. Diese Frage stellte sich als eine der schwierigsten heraus. Meist wurde sie einfach damit beantwortet, dass Spielen eben Spaß machen würde. Aber es war auch immer klar, dass dies keine sonderlich tiefgehende und reflektierte Antwort war. Eine reflexive Betrachtung der spielerischen Praxis fand vor diesem Gespräch bei den meisten noch nie oder zumindest äußerst eingeschränkt statt. Dass die spielerische Praxis auch eine hohe Beanspruchung beinhaltet, wurde in diesem Kapitel bereits angedeutet. Vielspieler*innen verbringen eine große Zahl an Stunden mit Brettspielen und müssen sich dabei immer auf ein Regelsystem einlassen und ihr Handeln oft strategisch planen. Diese spielerische Praxis verlangt ein hohes Maß an Konzentration und Durchhaltevermögen. Das Flow-Konzept bietet einen passenden Ansatz dieses Phänomen zu beschreiben. Rheinberg nennt dafür sechs charakteristische Merkmale:

»1. Man fühlt sich optimal beansprucht und hat trotz hoher Anforderung das sichere Gefühl, das Geschehen noch gut unter Kontrolle zu haben (Balance zwischen Anforderung und Fähigkeit auf hohem Niveau).«243 Diese Balance habe ich im Bereich Ambivalenz und Spannung bereits beschrieben. Die Spielenden suchen Herausforderungen, die weder zu schwer noch zu leicht sind, bei denen sie sich weder des Gewinnens noch des Verlierens sicher sein können. Bei Partien, die diese Spannung (bzw. Balance) nicht bieten, stellt sich kein Flow-Erleben ein.

»2. Handlungsanforderungen und Rückmeldungen werden als klar und interpretationsfrei erlebt, so dass man jederzeit und ohne nachzudenken weiß, was jetzt als richtig zu tun ist.«244 Wie schon dargelegt, verfügen Spiele über deutliche (und interpretationsfreie) Feedbackmechanismen, die den Spielenden anzeigen, in welche Richtung sich das Spiel entwickelt und welche Auswirkungen ihre Entscheidungen haben. Rheinbergs Formulierungen, dass dies »ohne nachzudenken« passiert und »was richtig sei« sollte dabei nicht als eine Affekthandlung missverstanden werden. Im Kontext der Spielpraxis ist auch das reine Nachdenken über den »richtigen« Zug als eine klare und interpretationsfreie Handlung zu verstehen, die »ohne nachzudenken« getan wird und als »richtig« im Sinne Rheinbergs angesehen wird.

»3. Der Handlungsablauf wird als glatt erlebt. Ein Schritt geht flüssig in den nächsten über, als liefe das Geschehen gleitend wie aus einer inneren Logik. (Aus dieser Komponente rührt wohl die Bezeichnung ›Flow‹.)«245 Diese innere Logik ergibt sich beim Spiel aus dem Rahmen, die Spielregeln und Spielziel vorgeben. Der Handlungsablauf ist damit klar und logisch strukturiert. Das Flow-Erleben wird intensiver, je besser die Spielenden die Regeln beherrschen und je weniger Unklarheiten es über den Ablauf gibt.

»4. Man muss sich nicht willentlich konzentrieren, vielmehr kommt die Konzentration wie von selbst, ganz so wie die Atmung. Es kommt zur Ausblendung aller Kognitionen, die nicht unmittelbar auf die jetzige Ausführungsregulation gerichtet sind.«246 Die Ausblendung der Umgebung und aller anderen Themen ist der Immersion der Spielwelt zuzuschreiben. Bei den

242 Falko Rheinberg/Regina Vollmeyer/Stefan Engeser: Die Erfassung des Flow-Erlebens. In: J. Stiensmeier-Pelser/Falko Rheinberg (Hg.): Diagnostik von Motivation und Selbstonzept (=Tests und Trends N.F. 2), Göttingen 2003, S.261-279, hier S. 263. 243 Falko Rheinberg: Intrinsische Motivation und Flow-Erleben. In: Jutta Heckhausen/Heinz Heckhausen (Hg.): Motivation und Handeln, Berlin 20104: S. 365 -388, hier S. 380. 244 Ebda. 245 Ebda. 246 Ebda. 55

Spielpartien, die ich während meiner Forschung erlebt habe, war auffällig, dass es neben dem Spielen kaum andere Themen gab. Der Fokus war deutlich auf die Sphäre Spiel begrenzt.

»5. Das Zeiterleben ist stark beeinträchtigt; man vergisst die Zeit und weiß nicht, wie lange man schon dabei ist. Stunden vergehen wie Minuten.«247 Auch dieser Faktor hat mit dem Punkt der Immersion zu tun, drückt sich aber durch die zeitliche und nicht durch die inhaltliche Komponente aus. Einige Spieleabende und teilweise auch einige einzelne Partien erstrecken sich über mehrere Stunden. Für die Spielenden ist die aufgewendete Zeit weder verschwendet noch fühlt es sich für sie derart lang an. Sowohl im Gruppeninterview als auch im Interview mit Erik und Julius berichten meine Gewährspersonen davon, dass sie die Zeit beim Spielen oft vergessen und dass sie im Nachhinein überrascht seien, wie lange sie gespielt haben.248

»6. Man erlebt sich selbst nicht mehr abgehoben von der Tätigkeit, man geht vielmehr gänzlich in der eigenen Aktivität auf (so genanntes ›Verschmelzen‹ von Selbst und Tätigkeit). Es kommt zum Verlust von Reflexivität und Selbstbewusstheit.«249 Dieser von Rheinberg angeführte sechste und letzte Punkt überschneidet sich zu Teilen mit den Punkten vier und fünf. Aber neben dem Ausblenden anderer Tätigkeiten und dem teilweisen Verlust von Zeitempfinden, überlagert der Flow zum Teil auch andere Bedürfnisse. So beschreiben meine Gewährspersonen das sie selbst während einer stundenlangen Partie schon mal gänzlich das Hungergefühl verlieren oder keine Müdigkeit verspüren.

Dieses Flow-Erleben geht dabei meist mit einer positiven Erfahrung einher.250 Es wird durch das Individuum selbst- und nicht als fremdbestimmt erfahren wird. »Damit stellt das Flow-Erleben […]«, so meinen die Psycholog*innen Johannes Keller und Anne Landhäußer, »[…] eine spezielle Form der intrinsischen Motivation dar: Flow-Erleben wird immer als intrinsisch motivierend erlebt, aber nicht jede intrinsische Motivation geht mit Flow-Erleben einher.«251 Und Rheinberg meint, bezugnehmend auf die Psychologen Edward L. Deci und Richard M. Ryan, dass

»[…] intrinsische Motivation als eine besondere Form von Motivation, die auf den angeborenen Bedürfnissen nach Kompetenz und Selbstbestimmung basiert und deren Befriedigungswert typischerweise im positiven Gefühl eigener Wirksamkeit und erlebter Urheberschaft besteht […].«252

Eben jenes Bedürfnis nach Selbstbestimmung verweist auf die Freiwilligkeit ludischer Praxis. Zwar verwenden Wissenschaftler*innen die zum Thema forschen immer den Begriff »Flow_Erleben«, die Wahrnehmung des Flow als selbstbestimmte Handlung betont aber die aktive Herstellung und damit den praxeologischen Aspekt des Flow-Konzepts. Flow-Erleben durch extrinsische Motivation zu erzeugen scheint dabei zum Scheitern verurteilt – und stellt diejenigen, die Spiele nutzbringend anwenden wollen, vor besondere Herausforderungen, oder wie Le, Weber und Ebner meinen:

»Bei unterhaltsamen Spielen können die Spielenden die Zeit und ihr reales Umfeld regelrecht vergessen. Ein Grund hierfür ist der geschilderte schrittweise Aufbau der erforderlichen Kompetenzen und Kenntnisse im kontinuierlichen Zyklus aus Handlung, Rückmeldung und erneuter Handlung in Reaktion auf Erfolg oder

247 Ebda. 248 Vgl. dazu das Gruppeninterview vom 03.08.2018, das Interview mit Erik vom 14.08.2018, sowie das Interview mit Julius vom 04.09.2018. 249 Rheinberg: Intrinsische Motivation und Flow-Erleben, S. 380. 250 Vgl. Rheinberg/ Vollmeyer/ Engeser: Die Erfassung des Flow-Erlebens, S. 364. 251 Johannes Keller/Anne Landhäußer: Im Flow sein: Experimentelle Analysen des Zustandes optimaler Beanspruchung. In Psychologische Rundschau 62 (2011) 4, S. 213-220, S. 214. 252 Rheinberg: Intrinsische Motivation und Flow-Erleben, S. 368. 56

Misserfolg. Eine derart intensive und selbstvergessene Auseinandersetzung mit dem Spielgegenstand (beziehungsweise Immersion und Flow-Erfahrung […]) wünschen sich Bildungsanbieter auch für andere Lerninhalte, weshalb sie daran interessiert sind, die Eigenschaften digitaler Spiele im Bildungskontext gewinnbringend einzusetzen.«253

4.13. VERGNÜGEN UND LUST

Das positive Gefühl, welches beim Spielen entsteht, lässt sich schnell heraushören, wenn Menschen über Spiele und ihre Spielerfahrungen sprechen. Die starke Begeisterung, die dabei zum Ausdruck gebracht wird, kann einen einerseits sehr mitreißen und auf der anderen Seite lässt es viele Menschen fragend zurück. Es ist nicht für alle nachzuempfinden, wie sich Erwachsene so für das Spielen begeistern können. Was Lackner erneut nur für Computerspiele formuliert, gilt aber ebenso für Brettspiele: »Für den/die unbeteiligte/n BeobachterIn kann sich ein Gefühl des Unverständnisses und der Befremdung gegenüber dem Anreiz Computerspiele zu spielen ergeben.«254 Dieses Unverständnis ergibt sich meist aus der jetzt schon mehrfach angesprochenen scheinbaren Unproduktivität des Spielens und führt zurück zu meiner Interview-Einstiegsfrage, warum meine Gewährspersonen (und andere Menschen) überhaupt spielen. Eine naheliegende und berechtigte Antwort lautet dabei Spaß oder eben Vergnügen. Lackner meint dazu:

»Menschen würden kaum einer spielerischen Beschäftigung nachgehen, wenn diese nicht in irgendeiner Form Vergnügen bereiten würde. Während die klassischen Diskurse rund um das Thema Vergnügen in der Populärkultur im Sinne des marxistischen Diskurses (als notwendige Kompensation), oder anhand der kulturpessimistischen Theorien der Frankfurter Schule das Vergnügen am populärem Medium als Hingabe und schließlich Kapitulation hinsichtlich einer massenhaften Kulturindustrie auffassten, gehen die Cultural Studies, wie Andreas Hepp ausführt, andere Wege.«255

Lackner bezieht sich hier auf den Medienwissenschaftler Andreas Hepp, der bei popkulturellem Vergnügen vor allem zwei Gruppen unterscheidet. Auf der einen Seite steht evasives Vergnügen, welches auf den schon genannten Eskapismus verweist und widerständige Züge erkennen lässt. Auf der anderen Seite steht das bedeutungsstiftende Vergnügen, welches alltägliche Bedeutungen und Lesarten produziert.256 Auf beide Punkte werde ich später noch mal zu sprechen kommen. Vorerst möchte ich mich aber auf einen Punkt konzentrieren, den Hepp außen vor lässt: die Emotionalität. »Spiele und besonders Computerspiele […]«, so meint Lackner,

»[…]sprechen die SpielerInnen emotional an. Sie vermitteln Erfolgserlebnisse, bieten neue Herausforderungen und belohnen die Erfüllung von Aufgaben. Spiele simulieren Konflikte, die von SpielerInnen bewältigt werden können.«257

Wie schon in der Ausführung über Ambivalenz und Spannung gezeigt, geht es dabei aber nicht nur darum Spaß zu erleben. Vielmehr besteht ein großer Reiz eben auch in der Ungewissheit über den Ausgang des Spiels. Le, Weber und Ebner formulieren dazu Folgendes (auch hier sei gesagt, dass sich die Ausführungen auf Brettspiele übertragen lassen):

»Spannung entsteht in digitalen Spielen durch die Handlungsnotwendigkeiten, mit denen die Spielenden immer wieder konfrontiert werden, sowie durch die emotionale Anteilnahme an der Medienfigur, die von Spielenden

253 Le/Weber/Ebner: Game-Based Learning, o.S. 254 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 29. 255 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 151. 256 Andreas Hepp: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Wiesbaden 20103, S. 73. 257 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 40. 57 selbst verkörpert wird. Positive Ergebnisse der Spannungsauflösung führen daher zu starken emotionalen Erleichterungen, die sich in Form von Stolz und gesteigerten Selbstwertgefühlen äußern können. Negative Ergebnisse hingegen können zu negativen Emotionen wie Frust und Enttäuschungen führen.«258

Spiele evozieren also ein hohes Maß an Emotionen. Eine Emotion sticht dabei deutlich hervor, und zwar die Freude. Da die spielerische Praxis darauf hin ausgelegt ist ein Spiel zu meistern und damit die vorgegebenen Herausforderungen zu bewältigen, streben die Spielenden automatisch ein positives Feedback an. Caillois meint dazu: »Jedes Spiel stärkt und schärft ein physisches oder intellektuelles Vermögen. Freude und Beharrlichkeit machen leicht, was zunächst schwierig oder anstrengend war.«259 Das Meistern eines Spiels führt zu einem positiven Erfolgserlebnis. Aber auch hier kommt es nicht zwangsläufig nur auf das Gewinnen an, oft wird der Sieg einer oder eines anderen honoriert und sich mit dieser oder diesem mitgefreut. Wie schon erwähnt, kann das Verlieren eines Spiels auch zu negativen Emotionen führen. Sofern, dieses Verlieren aber nicht durch ungleiche Bedingungen verursacht wurde, wandelt sich der darauf entstehende Frust recht schnell in Ehrgeiz, mit dem Wunsch in der nächsten Partie besser zu werden und den Sieg zu erlangen. Erik erzählt, dass sich sein Umgang mit negativen Emotionen in Bezug auf das Verlieren durch das Spielen gebessert habe:

»Ich bin da nicht so, ich muss nicht unbedingt gewinnen. Na klar versuche ich so gut wie möglich zu spielen, aber ich sag halt auch immer: Ich hab Verlieren gelernt durch Brettspielen, tatsächlich. Zum Beispiel war ich auch bei diesem Hunter & Cron, dieses Patreon-Wochenende260 und ich hab jedes Spiel verloren. Das war aber in Ordnung. Ich weiß noch früher, als Kind, konnte ich überhaupt nicht verlieren und das Schlimme ist, meine Schwester kann auch nicht verlieren. Das heißt, diese Spieleabende endeten immer im Chaos. Da reden meine Eltern heute noch drüber, dass es nicht möglich war einen Spieleabend durchzuführen. Also da waren wir so sechs, sieben, ohne dass einer angefangen hat zu heulen, weil er verloren hat, ging das nicht. Ich war halt immer traurig, wenn ich verloren habe oder so richtig krass verloren habe, und meine Schwester, also die ist ein Jahr älter als ich, war super sauer, wenn mir die Eltern geholfen haben, weil sie dann nur verloren hat, weil die mir geholfen haben.«261

Im Zusammenhang mit dem Ausleben negativer Emotionen im Spiel schreibt Caillois folgendes und schließt damit den Bogen zu den schlechten Verlierer*innen, die den Rahmen der ludischen Sphäre verlassen:

»Selbstverständlich setzt das Spiel voraus, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, aber ohne Einsatz unerlaubter Tricks, siegen zu wollen. Damit ist es aber nicht getan: der Gegner hat einen Anspruch darauf, dass man ihm mit allen Zeichen der Höflichkeit gegenübertritt, dass man ihm prinzipiell Vertrauen schenkt und den Kampf gegen ihn ohne Feindseligkeit führt. Ein mögliches Scheitern, ein Missgeschick oder ein Schicksalsschlag muss von vornherein in Rechnung gestellt, eine Niederlage ohne Wut und ohne Verzweiflung hingenommen werden. Wer sich ärgert oder sich beklagt, diskreditiert sich.«262

Wer also während und nach einem Spiel vor allem seine negativen Emotionen auslebt, dem wird schnell vorgeworfen ein schlechter Verlierer zu sein, der sich, obwohl er die Regeln des Spieles akzeptiert hat, diesen nicht zur Gänze unterwirft und seine Niederlage nicht mit

258 Le/Weber/Ebner: Game-Based Learning. Spielend Lernen?,, o.S. 259 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 15. 260 Patreon ist eine Crowdfunding-Plattform, auf der vor allem Kunst- und Kulturschaffende Nutzer*innen die Möglichkeit geben, sie finanziell zu unterstützen. Meist geschieht dies durch fixe monatliche Beträge. Hunter & Cron, bieten ihren ›Patreons‹ dafür, wie viele andere Webvideoproduzent*innen, zusätzliche Angebote in Form von Videos oder eben einem Spiele-Wochenende auf dem mit den beiden zusammen gespielt werden kann. Die Kosten für das Wochenende müssen dabei allerdings selbst getragen werden. 261 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 262 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 16. 58

Fassung trägt. Und auch Elias äußert sich dazu, dass ein Sieg zwar angestrebt wird, dieser aber nicht das entscheidende Moment sei: »Ich hab auch das Gefühl, bzw. ich will schon gewinnen beim Spielen, aber das steht nicht im Vordergrund, sondern es geht eigentlich um das Spielen.«263 Was meine Gewährspersonen als Spaß am Spiel benennen, könnte anders auch als Lust oder Leidenschaft beschrieben werden. Die folgende Vignette aus einem Spieleabend ist nur eines von mehreren Beispielen während meiner Forschung, bei der ich diese Intensität und Leidenschaft der Spielenden miterleben konnte. Mit Roman, der hierbei auftaucht, hatte ich wenig Kontakt während meiner Feldforschung, die folgende Szene war aber sehr eindrücklich:

»Das Spiel war spannend, aber wie erwartet sehr lang. Roman, den ich während der Messe als etwas grummelig wahrgenommen hatte, saß neben mir und taute während des Spiels förmlich auf. Am Anfang noch reserviert, teilte er mit mir schnell seine Strategie und fragte, was ich davon hielte. Diese Art ein Spiel zu spielen, also sich gegenseitig zu helfen, war auch Thema am Tisch. Ein anderer Mitspieler erzählte von seiner Spielerunde, in der er manchmal bei neuen Spielern Tipps gibt, wie man einen Zug besser machen könne und die Leute darauf hin sauer wären, was er wiederum doof fände. Wir sprachen darüber, dass es eigentlich ganz schön sei, sich gegenseitig auch auf Fehler hinzuweisen, selbst wenn das zum Nachteil für einen anderen Spieler oder sich selbst werden könne. Roman, der das Spiel auch schon ein paar Mal gespielt hatte, brachte viel Zeit und Energie auf, um die richtige Strategie zu finden und die meisten Punkte aus seinen Zügen zu holen. Immer wieder äußerte er, dass es nicht gut laufen würde und dass er etwas anderes hätte machen sollen, um noch besser zu sein. Aber nie wirkte er verbissen oder ernsthaft verärgert um der verpassten Chance – vielmehr schien es Leidenschaft zu sein, die ihn zur Selbstkritik führte. Selbst wenn andere ihm einen Weg verbaut hatten, oder ihm durch ihren Zug, seinen Plan durchkreuzten, sprach aus dem verbalen Entsetzen immer eine Form von Anerkennung und Verständnis, schließlich hatten wir Anderen auch nur unser Bestes rausholen wollen. Diese Ambivalenz von Konkurrenz und Ankerkennung scheint mir zentral für die Leidenschaft, mit der hier gespielt wird. Trotz Romans Anstrengung und seiner wirklich guten Planung, hatte Hunter am Ende mit einem kleinen Vorsprung gewonnen. Wir waren die Letzten im Büro, alle anderen hatten sich mittlerweile verabschiedet. […] Unser Aufbruch ging auch schnell. […] Auf dem Weg zur U-Bahn mit Roman redete dieser viel darüber, was er hätte besser machen können. Wir hatten etwa denselben Heimweg und ich brauchte noch ein Ticket, aber Roman bot mir an, ich könne als zweite Person auf seinem mitfahren. Auch die Fahrt über ging es vor allem ums Spiel – was daran gut sei und dass es trotz des Alters ein gutes Spiel sei. Bis zum Ende der gemeinsamen Fahrt ging es ihm immer wieder darum, welcher Zug ihn den Sieg gekostet hatte.«264

Dieser Ausschnitt ist exemplarisch für das leidenschaftliche Verhalten von Vielspieler*innen. Die im Spiel erlebten Emotionen werden selbst über die ludische Sphäre hinaus erlebt und mit dem Umfeld geteilt. Das leidenschaftliche Reden ist dabei für meine Gewährspersonen ein fester Bestandteil ludischer Praxis. Wer den Flow-Zustand einer Spielerfahrung nicht selbst erlebt hat, dem kann es schwer fallen diese nachzuempfinden. Das Spielen hat für meine Gewährspersonen lustvollen, ja fast libidinösen Charakter im Sinne Freuds. Die Psychologin Ilka Quindeau beschreibt den Begriff Libido dabei wie folgt:

»Das Begehren, das Streben nach Lust und Befriedigung, wird zu einer zentralen Antriebskraft menschlichen Handelns. Sie bezieht sich nicht nur auf sexuelle Aktivitäten im engeren Sinn, sondern liegt jeder menschlichen Tätigkeit zugrunde.«265

Dies bringt mich zurück zum Begriff des Ludomorphen. Meine Gewährspersonen investieren dafür viel Geld und Zeit, erleben bei der Ausübung einen Zustand des Flows und hängen der Erfahrung emotional und gedanklich oft noch lang nach dem Verlassen der

263 Auszug aus dem Interview mit Elias vom 06.09.2018. 264 Auszug aus dem Forschungstagebuch vom 31.08.2018. 265 Ilka Quindeau: Sexualität. Gießen 2014, S. 11. 59 ludischen Sphäre nach. Das Spielen nimmt einen großen und bedeutungsvollen Teil ihres Lebens ein und sie richten einen großen Teil ihres Lebens hin zum Spielen aus.

4.14. SUCHT UND OBSESSION

Spiele lösen also vorwiegend positive Gefühle aus, geben direktes Feedback und sind zudem immer wiederholbar. Das befriedigt, wie schon von McGonigal angesprochen Bedürfnisse, die in der realen Welt teils schwer zu befriedigen sind. Die Suche nach einer derartigen Befriedigung kann, laut Lackner

»[…] dazu führen, dass SpielerInnen die erlebten ›Thrills‹ und Rauschzustände immer häufiger genießen wollen und die Verwirklichung und Erzeugung von Hochgefühlen vermehrt in den Spielwelten abseits des realen Lebens suchen.«266

Dass Spielen ein gewisser Suchtfaktor zugeschrieben wird, passiert vorrangig im digitalen Sektor. Dabei geht es hauptsächlich (aber nicht nur) um das Spielverhalten von Kindern und Jugendlichen und der Frage danach, wieviel Spielen in Ordnung oder eben nicht mehr in Ordnung sei. Auch Richard, der beruflich mit Kindern arbeitet, sieht in der Wirkung digitaler Spielangebote Risiken: »Also dieser Suchteffekt, den die Konsolen da mit sich bringen, den find ich ziemlich krass und ziemlich bedenklich.«267 Wie Spiele dazu einladen, sie zu Ende spielen zu wollen, habe ich im Vorfeld schon angesprochen. In dem Zusammenhang ließe sich von einer Handlungsaufforderung oder Agency der Spiele sprechen.268 Lackner sieht diesen Punkt bei Spielen gegeben: »Computerspiele haben […] eine ›verführende‹ Wirkung auf die spielenden Menschen. Das ist eine typische und entscheidende Eigenschaft eines jeden Spiels.«269 Mit dieser verführenden Wirkung geht in der gesellschaftlichen Debatte, die Frage zur (Un-)Produktivität, die Angst vor Eskapismus und das Risiko pathologischen Gebrauchs von Videospielen einher.270 Bei Brettspielen findet ein derartiger öffentlicher Diskurs nicht statt. Dabei spielt das Brettspiel in den Leben der Peergroup eine äußerst wichtige Rolle. In der Forschungssupervision wird dieser Aspekt aufgegriffen und von einer Kollegin angesprochen. Sie betont den Konsum, der vor allem dadurch entsteht, dass oft mehr Spiele besessen werden, als gespielt werden können.271 Auch meine Gewährspersonen sind sich dieses Aspektes bewusst und reden zumindest selbstironisch vom eigenen Suchtverhalten. Die folgende Vignette stammt aus dem Gruppengespräch und handelt davon, dass die Gruppe sich untereinander und ein weiteres Pärchen mit dem Spielen angesteckt hat:

»Sophie: […] und von den Freunden, die wir durch Mia und Patrick kennen gelernt haben, haben wir mittlerweile auch schon welche infiziert, die das so geil finden, dass die sich das gleich….

Richard: …gleich gekauft haben.

Sophie: …nach dem ersten Mal spielen.

Mia: …wie gesagt, dass ist wie so eine Sucht, das verbreitet sich.

266 Lackner: Computerspiele und Lebenswelt, S. 41. 267 Richard im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 268 Eine Betrachtung mit Hilfe der Akteur-Netzwerk-Theorie wäre sicher eine lohnende Angelegenheit, würde aber an dieser Stelle zu weit führen. 269 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 259. 270 Zu diesem Thema finden sich unzählige mediale Berichte. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen dazu finden sich vor allem auf dem Gebiet der Psychologie, exemplarisch sei hierzu folgender Titel genannt: Klaus Wölfling u.a.: Computerspiel- und Internetsucht – Ein kognitiv-behaviorales Behandlungsmanual. Stuttgart 2013. 271 Vgl. Supervisionsnotizen vom 17.11.2018. 60

Patrick: Mystik Vale272 und Winter der Toten. Mystik Vale also, habt ihr uns gezeigt und ich hab das dann auch gleich…

Mia: …weiter verbreitet…

Patrick: …genau, hab mir das auch gleich geholt.«273

Der Ausschnitt, der in transkribierter Form etwas gestückelt daherkommt, ist in der Gesprächssituation von Enthusiasmus geprägt gewesen. Das Erzählen darüber, andere zum Spielen gebracht zu haben löste Begeisterung und Freude aus. Zwar waren die angesprochenden Freunde keine kompletten Brettspielneulinge, aber laut Aussage der Gruppe spielten sie nicht so regelmäßig und besitzen wohl auch nur wenige Spiele:

»Richard: Also die hatten halt ihre Brettspiele, die man halt alle Jubeljahre mal rausgeholt hatte, aber so wirklich den Horizont hatten sie, konnten sie sich nicht erweitern. Da war das Normale, was es bei Toys‘R‘Us halt gibt: Catan, Zug um Zug274 und solche Sachen.

Sophie: Das kommt bei uns gar nicht auf den Tisch.

Richard: Ne!

[…]

»Mia: Ja, ich finde generell Brettspiel kann man auch schon irgendwie, Brettspiel kann süchtig machen [sie lacht]

Sophie: …ja…«275

Bemerkenswert ist die Wortwahl, die sich nicht nur hier, sondern auch in den Erzählungen meiner anderen Gewährspersonen findet. Die Metaphern lassen sich, manchmal bewusst selbstironisch, manchmal unreflektiert, vor allem im Bereich der Krankheit oder Abhängigkeit verorten. Andere Menschen werden »angesteckt«, »infiziert« oder »angefixt«. Wie schnell der Weg vom »Anfixen« zur »Sucht« geht, berichtet Sophie im Gruppengespräch:

»Sophie: Ich hatte vorher gar nichts mit Brettspielen zu tun, ich dachte, ich wüsste, was Bettspiele sind, bevor ich Richard kennen gelernt habe. Weil ich dachte, Brettspiele sind halt so Gesellschaftsspiele. D.h. ich hab wirklich nur sowas wie Monopoly, Spiel des Lebens, Phase10276 – sowas hab ich gespielt, äh dann haben wir uns kennen gelernt und er hat halt gesagt, ach du spielst doch auch gerne Brettspiele, ob ich nicht mal mitkommen will zu Freunden. Und ich so: Ja klar, Brettspiele. Und dann hat er mir unterwegs von Rollenspielen erzählt und da dacht ich schon so: Okay, dass klingt irgendwie anders als das, was ich kenne. Und dann war das erste, was wir gespielt haben [.]

R: Time Stories277, oder?

272 Mystik Vale: John D. Clair. Erstveröffentlichung auf Englisch 2016 bei Alderac Entertainment Group. 273 Auszug aus dem Gruppeninterview vom 03.08.2018. 274 Zug um Zug: Alan R. Moon. Erstveröffentlichung auf mehreren Sprachen 2004 bei . 275 Auszug aus dem Gruppeninterview vom 03.08.2018. 276 Phase 10: Kenneth Johnson. Erstveröffentlichung auf Englisch 1985 bei K&K International. Deutsche Erstausgabe 2001 bei Ravensburger. 277 T.I.M.E Stories: Peggy Chassenet/Manuel Rozoy. Erstveröffentlichung in mehreren Sprachen 2015 bei Space Cowboys. 61

J: …Time Stories, da dachte ich schon so: Ok, ich hab keine Ahnung von Brettspielen, weil das ist was völlig anderes. Weil ich war total geflasht, weil das was ganz Neuartiges für mich war.«278

Das Spiel Time Stories wurde 2016 zum Kennerspiel des Jahres nominiert, daher gehe ich davon aus, dass Richard und Sophie in diesem Jahr den ersten Kontakt mit dem Spiel hatten. Unser Interview fand ca. zwei Jahre danach statt. Durch Richard als Multiplikator hat sich Sophie innerhalb von nur zwei Jahren von einer Gelegenheitsspielerin zu einer Vielspielerin entwickelt. Den Zusammenhang zwischen häufigem Spielen, dem Besitz bzw. Sammeln von Spielen und dem Begriff Sucht stellten einige meiner Gewährspersonen her, ohne es für sich selbst jedoch ernsthafte in Erwägung zu ziehen. Selbst Richard, der den Suchtfaktor digitaler Spiele kritisch betrachtet, übertrug das nicht auf sein eigenes Spielverhalten. Nun erfüllt häufiges Brettspielen nicht die Kriterien einer nicht-stoffgebundenen Sucht, einzelne Versatzstücke der ludischen Praxis verweisen aber eben auf eine libidinöse Beziehung zum Gegenstand. Vor allem in der Praxis des Sammelns zeigt sich dies deutlich.279 Von den Personen, mit denen ich Interviews geführt habe, als auch von denen, mit denen ich in informellen Gesprächen über ihr Hobby gesprochen habe, besitzt der große Teil eine Spielesammlung, die 200 Exemplare teils deutlich überschreitet. Mit so vielen Spielen im Regal wird es irgendwann schwer diese auch wirklich zu spielen. Wie ich später noch ausführen werde, unterliegt das Brettspiel den Regeln popkultureller Medien und in diesem Sinne auch einem Modernisierungszwang. Dieser führt dazu, dass jedes Jahr eben jene schon erwähnte Masse an Spielen erscheint und sich die heimische Auswahl von Jahr zu Jahr weiter erhöht. Das führt dazu, dass viele Spieler*innen auch ungeöffnete Spiele zu Hause haben, weil sie der schieren Masse an Spielen zeitlich nicht gerecht werden können. Auch bei Erik ist dies der Fall:

»Erik: Dieses Haben-will ist schon krass bei Brettspielen.

TJK: Was meinst du, wo kommt das her? Warum will man das?

Erik: Also bei mir ist das glaub ich so: Ich seh so ein Video, so eine Rezension und sag mir, ja ich will das auch spielen. Und um ein Spiel spielen zu können muss ich es halt haben – auch um die Möglichkeit zu haben es jederzeit zu spielen, was man ja eh nicht tut. Aber, genau, deswegen war ich da echt in so einem Kaufrausch zwischenzeitlich und hab dann wirklich so Pakete von zehn Spielen bei Spieleoffensive280 bestellt. Und dann dachte ich, warte mal, warte mal, warte mal [lacht] – das ist grad ein bisschen viel. Ich war dann in so einer Studentenbude und hatte nur zwei Billy Regale und in einem halben Billy Regal habe ich dann angefangen meine Spiele zu sammeln, und dann bin ich halt umgezogen vor gut einem Jahr und hab mir hier so ein Kallax Regal von Ikea bestellt, so fünf mal fünf und hab mir gesagt, irgendwann ist das mal voll – richtig cool. Und das ist jetzt schon fast voll, das macht mir ein bisschen Angst.«281

Und auch im Gruppeninterview war die Anhäufung von Spielen ein Thema:

»Mia: Ja [sie macht Richard und Sophie nach]: ›Wir haben schon wieder was Neues!‹ – Und wir haben noch nicht mal das andere gespielt. Auch wenn man manchmal ein Spiel hat, bei dem man denkt: Boar, geil, das will ich nochmal spielen – gar keine Zeit dafür.

Sophie: Wir haben aber trotzdem mehr gespielte Spiele als nicht gespielte Spiele.

278 Auszug aus dem Gruppeninterview vom 03.08.2018. 279 Mit dem Sammeln zeigt sich ein tief volkskundliches Thema im Feld, das im Verlauf dieser Arbeit immer wieder aufscheinen wird. Um dem Artefakt Spiel und dem Sammlungsthema gerecht zu werden, bedürfte es allerdings eines eigenen Textes. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, werde ich mich daher bei diesen Themen auf ein Mindestmaß reduzieren und bitte dahingehend um Verständnis und Nachsicht seitens der Leserschaft. 280 Bei Spieleoffensive.de handelt es ich um einen Online-Versandhandel, der sich auf Brettspiele spezialisiert hat. 281 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 62

Richard: Das stimmt.

Mia: Das ist schön! Und wie oft haben wir diese gespielten Spiele ein zweites Mal gespielt? [sie lacht]

Richard: Naja gelegentlich schon.

Sophie: Rising Five282 haben wir am Mittwoch noch mal gespielt.

Mia: Ja das stimmt.«283

Vielen Spieler*innen ist die Diskrepanz zwischen vorhandener Zeit und der großen Anzahl der Spiele bewusst. Wie dieses Beispiel zeigt, wird die Praxis des Sammelns mit dem aktiven Spielen gerechtfertigt, oder zumindest findet der Versuch einer Rechtfertigung statt. Die Leidenschaft zum Gegenstand zeigt sich in der intensiven Beschäftigung mit diesem, neben dem Sammeln und aktiven drüber reden auch im Spielverhalten. So zeigte das Grübeln über den richtigen und besten Zug bei Roman, dass Spieler*innen teils viel Energie in spielerische Praxis investieren. Andere Beispiele beschreibt Erik:

»Es gibt da auch krass unterschiedliche Spieler, ich hab da einen, der andere Nerd, mit dem ich da spiele. Also der wird unfassbar fuchsig, wenn man ein Spiel zum ersten Mal spielt und du hast nicht jedes Regeldetail erklärt, und wenn du da ein Regeldetail vergessen hast und er hat das Spiel deswegen verloren, dann wird er sofort patzig. Oder noch schlimmer, ich war auch mal in eine Spielerunde eingeladen, da haben wir halt so gespielt – was haben wir denn da gespielt? Ah, Rising Sun284 oder so, auf einmal holt der eine seinen Taschenrechner raus und ich dachte mir, was ist denn jetzt los? Dann hat der quasi gerechnet: ›Wenn ich jetzt das mache, dann krieg ich noch so viel Punkte, und wenn ich das mache, krieg ich noch so viel Punkte.‹ Das hat der echt mit diesem Taschenrechner ausgerechnet, oh my fucking god.«285

Solche Szenen bzw. Berichte zeigen das Spielen keine beiläufige Beschäftigung ist, sondern teilweise mit fast biederem Ernst betrieben wird. Diese Beschreibung findet sich schon beim Homo Ludens von Huizinga :

»Spiel steht in unserem Bewußtsein dem Ernst gegenüber. Der Gegensatz bleibt vorläufig so unableitbar wie der Begriff Spiel selbst. Wenn wir aber näher zusehen, erscheint uns der Gegensatz Spiel – Ernst weder eindeutig noch fest. […] Sobald wir an Stelle von ›Spiel ist Nichternst‹ sagen: ›Spiel ist nicht ernsthaft‹, läßt uns der Gegensatz schon im Stich; denn Spiel kann sehr wohl ernsthaft sein.«286

4.15. ERNSTHAFTIGKEIT

Spielerische Praxis bedeutet also nicht nur Leichtigkeit und Belanglosigkeit. Das »bloße« Spiel kann für die Spielenden eine wichtige Rolle einnehmen kann. Die gängige Redewendung, dass »etwas eine Rolle spielt«, deutet zwar auch auf das Symbolhandeln des Spiels, vor allem aber drückt diese Formulierung aus, dass etwas wichtig ist und verweist damit auf dessen Ernsthaftigkeit. Damit wird der Begriff »spielen« aus seiner Leichtigkeit und Belanglosigkeit herausgehoben und in seiner Bedeutsamkeit dargestellt. Huizinga bemerkt dazu:

282 Rising 5. Runes of Asteros: Gary Kim/Evan Song. Erstveröffentlichung auf Englisch 2017 bei GARYKIMGAMES. 283 Auszug aus dem Gruppengespräch vom 03.08.2018. 284 Rising Sun: Eric M. Lang. Erstveröffentlichung auf Englisch 2018 bei CMON Limited. 285 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 286 Huizinga: Homo Ludens, S. 14. 63

»Wir haben schon darauf aufmerksam gemacht, daß das Bewußtsein, bloß zu spielen, gar nicht ausschließt, daß dies ›bloße Spielen‹ mit dem größten Ernst vor sich gehen kann, ja mit einer Hingabe, die in Begeisterung übergeht und die Bezeichnung ›bloß‹ zeitweilig vollkommen aufhebt. Jedes Spiel kann jederzeit den Spielenden ganz in Beschlag nehmen.«287

Dazu nennt er Beispiele und meint: »Kinder, Fußballspieler und Schachspieler spielen in allertiefstem Ernst und haben nicht die geringste Neigung, dabei zu lachen.«288 oder wie es Caillois ausdrückt:

»Derjenige, der Schach, Barlaufen, Polo oder Baccara spielt, sieht sich allein durch die Tatsache, dass er sich deren jeweiligen Regeln unterwirft, vom gewöhnlichen Leben abgetrennt, das keine Tätigkeit kennt, die diese Spiele getreu zu reproduzieren sich bemühen. Deshalb spielt man Schach, Barlaufen, Polo und Bacara mit vollem Ernst. Man tut nicht als ob.«289

Dieser Ernst, der das Spiel hier und da erfasst, wirkt wie ein Widerspruch zu Vergnügen und zur Leichtigkeit des Spiels. Das bemerkt auch der Kulturwissenschaftler Robert Pfaller, der diesen Widerspruch schon bei Huizinga sieht und er betont eine »dunkle Seite« des Spiels, die er beispielsweise in der Spielsucht, aber auch im Nicht-Los-Kommen von Computerspielern, oder am Fußballfan zeigt, der seine sozialen Kontakte vernachlässigt um ein Fußballmatch zu verfolgen. Pfaller erkennt darin eine »Bessenheitsfunktion des Spiels«290, die an die erwähnte Obsession erinnert. Christian Holtorf sieht in dem Zusammenspiel von Spaß und Ernst allerdings keinen Gegensatz. Spiel enthält für ihn immer beides:

»Die Grenze zwischen Spiel und Ernst kann nicht scharf sein, beide sind durch das Eingehen von Risiken gekennzeichnet. Über Spielen läßt sich tatsächlich fast alles sagen: Daß das Leben ein Spiel ist. Und daß es keines ist. Daß es ernst ist. Und daß es leicht ist. Daß nur Kinder spielen. Und daß es auch Erwachsene tun. Daß zu wenig gespielt wird. Und zuviel. Daß es die Kultur ausmacht. Und daß es unmenschlich ist.«291

Huizinga betont, dass der Ernst nichts am Wesen des Spiels ändert:

»Bei den Brettspielen, die schon bei den Naturvölkern so große Bedeutung erlangt haben, ist von Anfang an, auch wenn sie Glücksspiele sind […], ein Element von Ernst vorhanden. Die frohe Stimmung hat da kaum Raum, vor allem dort, wo der Zufall keine Rolle spielt, wie bei Dame, Schach und Belagerungsspiel, bei Mühle usw. Trotzdem bleiben diese Spiele an sich vollkommen innerhalb der Definition Spiel.«292

Robert Pfaller verweist auf die Beobachtungen des französischen Philosophen Roland Barthes über das Automaten-Spiel in Tokio und bringt damit einen weiteren Vergleich: »Das bedeutet, daß Menschen offenbar oft sehr ähnlich spielen, wie sie arbeiten. Das Spiel erfüllt eine Abbildfunktion gegenüber jener Arbeit, von der es doch erholen soll.«293 Barthes hatte die Spielhallen in Tokio mit Fabrikhallen verglichen, in denen die Spielenden wie am Fließband zu spielen schienen. Aber Pfaller stellt zu diesem Spiel-Arbeits-Vergleich eine entscheidende Frage, die auf das Flow-Erleben verweist:

287 Huizinga: Homo Ludens, S. 17. 288 Ebda., S. 14. 289 Caillois: Die Spiele und die Menschen, S. 29. Hervorhebungen im Original. 290 Vgl. Robert Pfaller: Immer fleißig spielen! Profaner Realismus und Heiliger Ernst zwischen Menschen und Maschinen, in Claus Pias/Christian Holtorf: ESCAPE! Computerspiele als Kulturtechnik. Köln u.a. 2007, S. 147-159, hier S. 148f. 291 Holtorf: Läßt sich dem Spiel entkommen, S. 168. 292 Huizinga: Homo Ludens, S. 214. 293 Pfaller: Immer fleißig spielen!, S. 147. 64

»Denn beansprucht die berufliche Arbeit die Aufmerksamkeit der Arbeitenden in der Regel tatsächlich so vollkommen? Ist dieses totale Gefesseltsein durch die eigene Tätigkeit in der beruflichen Arbeitswelt nicht eher selten?«294

Doch wie unterscheidet sich der Ernst im Spiel von dem Ernst in der Welt außerhalb des Spiels, z.B. der Arbeitswelt? Pfaller zieht dazu einen Begriff von Huizinga heran, der den Kern der Ernsthaftigkeit gut beschreibt:

»Diese vom Spiel allein hervorgerufene exzessive Freude bezeichnet Huizinga auch als ›heiligen Ernst‹. Damit der heilige Ernst zustandekommt, ist es notwendig, zu wissen, daß es sich bei der jeweiligen Sache um ein Spiel handelt. Denn wenn wir es nicht wissen, oder wenn wir kurz mal vergessen haben, daß es ein Spiel ist, dann verlassen wir den heiligen Ernst und die Sphäre der Freude und fallen zurück in den profanen Ernst sowie in die eben bloß mäßige Freude oder Gelangweiltheit, mit der wir unsere alltäglichen Geschäfte nachgehen.«295

Obwohl es sich also beim Spiel um Symbolhandeln in einer nicht realen Sphäre handelt und Menschen, die in diese Sphäre eintauchen, dies mit Freude und für das positive Erlebnis tun, wird das Verweilen in dieser Sphäre nicht mit einer gleichgültigen Albernheit verfolgt, sondern mit leidenschaftlichem Ernst.

4.16. RITUALISIERUNG

Herrmann Bausinger verweist in seinem Aufsatz Zur Kulturgeschichte des Spiels und des Spielerischen auf zwei Strukturmerkmale spielerischer Praxis. Bei dem ersten bezieht er sich auf den Begriff der »frühzeitlichen Kraftkultur« des Kultursoziologen Hennig Eichberg und nennt Körperlichkeit als ein entscheidendes Moment frühzeitlicher Spielepraxis.296 Diese Körperlichkeit, ließe sich, bei einer weniger strengen Trennung von Körper und Geist, leicht in »Fertigkeit« oder »Skill« übersetzen, auf das auch Bausinger verweist.297 Bezogen auf den heiligen Ernst ist aber ein anderes Merkmal entscheidender:

»Ein zweites, eng damit zusammenhängendes Strukturmerkmal ist die Neigung zum Exzessiven, die Nähe zum Exzeß. Spiele wurden nicht kontinuierlich gespielt, sondern an bestimmten Terminen, bei wenigen herausgehobenen Gelegenheiten.«298

Exzess, also eine Grenzüberschreitung, kann hierbei im doppelten Sinne verstanden werden. Zum einen deutet es auf die teils obsessive Spielpraxis hin, zum anderen auf das Heraustreten aus der realen in die ludische Sphäre. Dies hat ritualisierenden Charakter, den Bausinger hervorhebt:

»Die Spiele waren vielfach Rituale. Für uns besteht hier ein Widerspruch: was sich in Wiederholung erschöpft, scheint der Freiheit des Spielerischen zu widersprechen; und wenn Volkskundler gelegentlich alte Brauchspiele entdecken, so betonen sie im allgemeinen nicht das Spiel, sondern das mehr oder weniger sinnlose Ritual, dessen Sinn im bloßen Vollzug zu stecken scheint. Es liegt nahe, hier mit kritischer Attitüde von Bornierung zu sprechen; indessen haben uns die empirischen Alltagsforschungen (die Krisenexperimente Harold Garfinkels etwa) deutlich gemacht, wie wichtig Ritual und Wiederholung für unser soziales Leben sind.«299

294 Ebda., S. 148. 295 Ebda. 296 Vgl. Bausinger: Zur Kulturgeschichte des Spiels und des Spielerischen, S. 21f.; Diese Körperlichkeit ist vermutlich ein Grund, weshalb Sportspiele auch heute noch beliebter und gesellschaftlich anerkannter sind, als geistige Spiele. 297 Vgl. ebda. S. 22. 298 Ebda., S. 23. Hervorhebungen im Original. 299 Ebda, Hervorhebungen im Original. 65

Etwas später werde ich noch auf die soziale Praxis des Spielens eingehen. Eine Frage, die im Zusammenhang mit den von mir begleiteten Spieleabenden auftaucht (unter anderem wurde sie in der Forschungssupervision aufgeworfen), ist die Frage danach, ob sich bei diesen Spieleabenden Menschen treffen und spielen oder Menschen treffen zum Spielen? Also im Grunde die Frage, ob das soziale Miteinander im Vordergrund steht oder die Praxis des Spielens. Einen Einblick soll dieser kurze Ausschnitt aus dem Gruppeninterview geben:

»Richard: Ja, weil`s jetzt auch so regelmäßig ist, also weil wir ja wirklich immer freitags versuchen uns freizuhalten, dass wir uns da treffen. Spätestens so 18:30, wenn der letzte im Grunde Feierabend hat und dann bis nachts um zwölf, manchmal auch eins. Bis eigentlich schon die ersten dann müde gähnen, aber trotzdem wird dann immer noch gesagt: ›Wir können aber noch weiterspielen.‹ [alle lachen]. Ja, das ist eigentlich immer schon unser Termin und wenn das halt nicht geht, dann versuchen wir halt auszuweichen auf Samstag oder Sonntag.

Sophie: Oder wir spielen das ganze Wochenende.

Richard: Manchmal dann halt auch so, dass wir uns am Freitag getroffen haben, und dann gefragt haben: Wann sehen wir uns denn wieder? Und dann wird gesagt: ›Na ich hab morgen gar nix zu tun‹ Und wir dann so: ›Ok, ja, dann können wir morgen auch spielen.‹

Mia: Zu Ostern ist es ganz schlimm gewesen, oder.? [Sophie: Ja] Da haben wir oft hintereinander gespielt.

J: Deswegen – solche Feiertage oder Urlaubstage nutzen wir mittlerweile auch viel dafür.«300

Trotz der Häufigkeit nimmt das Spielen eine besondere Stellung ein. Es wird zelebriert und passiert nicht nebenbei, sondern ist Hauptgrund der Zusammenkünfte. Die Verbindung von Spiel und Kultur in den Gedanken Huizingas arbeitet Felix Raczkowski heraus, wenn er meint:

»Sein [Huizingas] Ziel besteht aber im Gegensatz zu dem der Game Studies nicht darin, eine handhabbare, ›nutzbare‹ Definition von Spiel zu entwickeln, stattdessen interessiert sich Huizinga dafür, wie Spiel als eine abstrakte, universelle und die Sphäre des Menschen transzendierende Größe als Ursprung der (westlichen) Kultur zu denken wäre. In diesem Kontext haben Ritus und Kult zentrale Bedeutung, da sie die kulturgeschichtliche Verbindung zwischen Spiel und zahlreichen Kulturphänomenen (z.B. Rechtssystem oder Verkehr) darstellten […].«301

Das Spielen wird zu einer wiederholten ritualisierten Handlung. Es bestimmt den Rahmen der Zusammenkünfte. Bei wem man sich trifft, wann man sich trifft, was gegessen wird, welche Spiele gespielt, wer anfangen darf usw. – in fast jeder Gruppe gibt es Abläufe, Regeln oder Traditionen für einen Spieleabend. Es gibt Spiele die als Frevel gelten, das Beispiel Monopoly war dabei schon genannt, und solche die heiliggesprochen werden und mit einer Auszeichnung versehen werden – Stichwort Spiel des Jahres.302 Dass die Spielemesse in Essen einen jährlichen Fixpunkt innerhalb der Peergroup darstellt und jeder Spieler und jede Spielerin einmal da gewesen sein sollte303, ergänzt das Bild eines Kultes zusätzlich um eine Pilgerstätte. Die religiösen Themen des Brettspiels mögen zwar verschwunden sein, der ritualisierte Charakter aber ist geblieben.

300 Aus dem Gruppengespräch vom 03.08.2018. 301 Raczkowski: Digitalisierung des Spiels, S. 22. 302 Auf die Vergabe von Preisen gehe ich später noch gesondert ein. 303 Eine Aussage, die im Feld durchaus vertreten wird. 66

4.17. WETTKAMPF BZW. WETTBEWERB

In kulturwissenschaftlichen Texten zu Ritual findet sich häufig auch ein Verweis auf Wettstreit oder Wettkampf – Begriffe, die dem Spiel oft gleichgesetzt werden – vor allem wenn es sich um Sportspiele handelt. So ist es nicht verwunderlich, dass sich Huizingas Ausführungen auch in Texten zur Ritualtheorie finden lassen.304 Vermutlich ist der Wettstreit und die Auseinandersetzung das erste was den meisten Menschen zu regelbasiertem Spiel einfällt. Auch Brettspiele werden in den meisten Fällen gegeneinander gespielt, woraus sich ein (sportlicher) Eifer ergibt dieses Spiel eben auch gewinnen zu wollen. Aber nicht nur das gemeinsame Spielen zeigt eine Form von Wettkampf, so meint Huizinga:

»Gemeinsames Spielen hat in seinen wesentlichen Zügen antithetischen Charakter. Meistens spielt es sich ›zwischen‹ zwei Parteien ab. Notwendig ist dies jedoch nicht. Ein Tanz, ein Aufzug, eine Schaustellung kann sehr wohl völlig ohne diesen antithetischen Charakter auskommen. Antithetisch bedeutet an sich noch nicht wetteifernd, agonal oder agonistisch. Ein Wechselgesang, die zwei Hälften eines Chors, ein Menuett, die Partien oder Stimmen eines musikalischen Zusammenspiels, die für die Volkskunde so interessanten Abnehmespiele [oder um beim modernen Brettspiel zu bleiben, die kooperativen Spiele] sind Beispiel für das antithetische Spiel, das nicht unbedingt agonal zu sein braucht, obgleich das Element des Wetteiferns oftmals mitwirkt.«305

Dieses antithetische Moment wirkt auf viele Außenstehende abschreckend, da sie trotz eines Wettkampfs eine Leichtigkeit im Spiel vermuten. Die Ernsthaftigkeit, die einem Spiel innewohnt, wird oft übersehen und unterschätzt. Die folgende Vignette, die die ludische Beziehung zwischen Moritz und seiner Mutter beschreibt, zeigt deutlich den Unterschied zwischen Gelegenheits- und Vielspieler*innen:

»Meine Mutter hat zum Beispiel Bunter Würfel306, das ist ein kindgerechter Abklatsch von Mensch ärger dich nicht. Das Spielbrett ist einfach nur mit einer Blume, einem Schmetterling und einem Pilz. Und immer was du halt würfelst, darfst du halt zur Blume, zum Schmetterling, zum Pilz, denn Zahlen sind da noch zu schwierig gewesen. Das hab ich so mit drei, vier Jahren mit meiner Mutter gespielt, das hat sie geliebt. Gerade wenn sie von der Arbeit kam, weil da musste sie einfach nichts tun, außer Würfeln, Setzen, Würfeln Setzen – das hat ihr sogar Spaß gemacht, weil es einfach genau das Gegenteil war vom Stress des Alltags. Alle Spiele, die ich später mal angeschleppt habe, um sie mit meiner Mutter zu spielen, da hat sie immer gesagt: ›Oh Gott ist das anstrengend und furchtbar.‹ Ich hab dann einmal mit ihr Siedler gespielt und sie hat sich in jeder Runde gefreut, dass sie Ressourcen gekriegt hat und ich hab dann gesagt: ›Mutti, guck mal hin, du bekommst in jeder Runde immer Ressourcen, aber du müsstest dich jetzt ärgern, weil du jetzt nur eine statt drei Ressourcen bekommen hast, und die dir jetzt nichts nützen.‹ Meine Mutter hat das nicht verstanden, die hat gesagt: ›Aber ich krieg doch was, das ist doch schön.‹ Meine Mutter kann durchaus Freude am Spiel haben, solang ein Spiel das erfüllt, was sie will, nämlich, was Leichtes zum Abschalten. Und ich hab gemerkt, dass ich ein ganz anderer Spielertyp bin, oder geworden bin – ich hab ja früher auch gerne mit ihr Bunter Würfel gespielt, aber ich möchte in irgendeiner Form eine Herausforderung, ich möchte auch einen Wettkampf, entweder gegen meinen Mitspieler oder gegen das Spiel und ich möchte das Gefühl haben, dass sowas wie ein Sieg tatsächlich auf Grund meiner Leistung zu Stande gekommen ist.«307

Der Wettkampf oder das Wetteifern führt viele der in diesem Kapitel behandelten Punkte zusammen. So ist der Aufbau von Spielen mit ihren Regeln und Zielvorgaben und dem Moment der Herausforderung schon im Design her auf einen Konflikt hin ausgerichtet. Spiele

304 Vgl. Hierzu u.a.: Stanley J. Tambiah: Eine performative Theorie des Rituals. In: Andréa Belliger/David J. Krieger (Hgs.): Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch.Wiesbaden 20032, S. 227-250, hier 228. 305 Huizinga: Homo Ludens, S. 58. 306 Der bunte Würfel: Marianne Dreschel. Erstveröffentlichung auf Deutsch 1959 bei VEB Druck und Verpackung Dresden. 307 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 03.09.2018. 67 sind als künstliche Herausforderungen konstruiert. Hinzu kommen die Immersion und das Flow-Erleben, das die Spielenden tief in den Bann der ludischen Sphäre ziehen kann und in der sich häufig lustvolle aber vor allem intensive und ernsthafte Gefühle entwickeln. In einem informellen Gespräch vor einem Spieleabend erzählt mir einer der Anwesenden, dass er immer wieder erlebt, wie Spieler*innen in Diskussionen geraten, weil jemand beispielsweise einen Spielzug gemacht hat, der den Mitspieler*innen schadet. Obwohl dies im Rahmen der Regeln und damit der ludischen Sphäre stattfindet, kann es zu emotionalen Ausbrüchen führen. Auch ihm sei das schon passiert. Er habe mal mit seiner Frau Backgammon gespielt und nach mehreren Runden des Verlierens, wütend das Spielbrett zusammengeklappt und den Raum verlassen. Spiel sei eben auch immer Wettkampf – gegen das Spiel, gegen die Mitspielenden oder eben sich selbst.308 Der Wunsch zu Gewinnen liegt offenbar tief in uns verborgen. Denn, so meint Huizinga:

»Gewinnen heißt: ›im Ausgang eines Spiels sich als überlegen erweisen‹. […] Man hat Ansehen gewonnen, Ehre davongetragen, und diese Ehre und dieses Ansehen kommen stets unmittelbar der ganzen Gruppe zugute, der der Gewinnende angehört.«309

Trotz der emotionalen Reaktionen im Spiel versuchen die meisten Spielenden, die Grenze zum »schlechten Verlierer« nicht zu überschreiten, denn dies würde letztlich das eigene Ansehen und die spielerische Praxis gefährden. Wichtig scheint eben vor allem die emotionale Erfahrung – das betont auch Moritz:

»Ich möchte vor Probleme gestellt werden, ich möchte der Gefahr erliegen, dass ich scheitere und ich möchte auch die Euphorie haben am Ende es in irgendeiner Form bestanden zu haben, bzw. die Frustration gescheitert zu sein. D.h. ich möchte tatsächlich emotional von diesem Spiel in irgendeiner Form partizipieren.«310

Die in diesem Kapitel besprochenen Aspekte beziehen sich vor allem auf die ludische Sphäre also das Spielen höchstselbst. Die Praxis des Brettspiels umfasst jedoch mehr als nur das reine Spielen. Sie ist eingebettet zwischen gesellschaftlichen Diskursen, marktwirtschaftlichen Interessen und dem Selbstverständnis der Peergroup. Im Folgenden werde ich zeigen, dass sich Brettspiel als populärkulturelles Medium verstehen lässt und was das für die Spielenden bedeutet.

308 Auszug aus dem Forschungstagebuch vom 16.06.2018. 309 Huizinga: Homo Ludens, S. 61. 310 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 68

5. Ein analoges Medium und sein Bezug zur Digitalität

»Hallo Freunde der analogen Unterhaltung.« – Mit diesem Satz werden die Zuseher*innen in fast jedem Video von Hunter & Cron begrüßt. Der Satz setzt ein klares Statement: Hier geht es um analoges Vergnügen. Das, diese analoge Unterhaltung durch ein digitales Medium vermittelt und konsumiert wird, zeigt den ironischen Widerspruch in dem sich das Brettspiel als Medium bewegt. Das folgende Kapitel möchte ich zum einen dazu nutzen, Brettspiel als Medium zu verorten und es dann in seiner Beziehung zu digitalen Medien darzustellen. Wenn ich mit Menschen über meine Forschung rede, löst dies beim Gegenüber oft Irritation aus. Zwar haben die meisten Leute in ihrem Leben schon mal ein Brettspiel gespielt, bei den wenigsten ist dies aber alltäglicher Teil der Freizeit und wenn, dann nicht in derartiger Intensität wie bei den Personen, die zu meinem Forschungsfeld gehören. Zwar zeigten die meisten Leute Interesse für mein Thema, aber oft schien ein Stück Verwunderung zurück zu bleiben – nicht über meine Themenwahl, mehr über das Feld an sich. Konkret wurde diese Irritation in der Forschungssupervision, als eine Kollegin erst meinte, dass sie Spiele aus ihrem Alltag überhaupt nicht kenne und sich kurz darauf relativieren musste. Sie erzählte von einem Spiel namens Leo muss zum Friseur311, bei dem einem Löwen die Haare geschnitten werden und welches sie mit ihrer Tochter spielen würde. Ihre vorhandene Spielerfahrung wird dabei statt in der eigenen Lebenswelt in der des Kindes verortet. Als ich eine Beschreibung des Settings vom Gruppeninterview einreiche, ist sie verwundert, warum der Sohn von Mia und Patrick nicht mit uns Brettspiele, sondern stattdessen auf dem Sofa Playstation spielt. 312 Die Irritationen werden also dadurch bestimmt, dass die Spiele nicht von Kindern, sondern von Erwachsenen gespielt werden. Nach dieser Erfahrung konnte ich eine Aussage im Interview mit Moritz plötzlich einordnen, der ich anfänglich wenig Bedeutung zugemessen hatte:

»Ich find erstmal sehr interessant, dass ich immer, wenn ich nach Spielen gucke, in die Kinderabteilung muss. Und tatsächlich sind viele Spiele überhaupt nichts für Kinder, also teilweise sind da welche erst ab 14 oder so. Trotzdem gibt es diese Kategorie von Unterhaltung wirklich nur in der Kinderabteilung. Das ist schon erstmal eine krasse Sozialisierung, wenn man sozusagen eine Unterhaltung für sich selber sucht, in eine Abteilung muss, die eigentlich gar nichts mit dem zu tun hat, was man sucht. […] Deswegen glaube ich, dass das viel damit zu tun hat, dass Leute denken, es sei etwas für Kinder, da es gesellschaftlich genau dort hingeschoben wird.«313

Brettspiel wird vorrangig mit dem Kinderzimmer assoziiert. Die Medienwissenschaftlerin Lisa Mattil machte 2017 für die Medienwerkstatt Bonn einen Audiobeitrag über ein Spielecafé in Bonn, welchen sie Kein Kinderkram – Wenn Erwachsene spielen nannte. Für ihrem Bericht verbrachte sie einen Abend im Voyager in Bonn, ein Lokal, das sich selbst als Fantasy-Pub und Spiele-Café bezeichnet. Dort trifft sie u.a. den Vorsitzenden eines Spielevereins, den sie folgendes fragt: »Wenn ich jetzt ganz provokativ sage: Spielen, das ist doch Kinderkram! Wie antwortest du mir?« Der Gesprächspartner antwortet, dass er diese »Mainstreammeinung« sehr oft höre und jeden dazu einlädt, es sich mal anzuschauen, um zu merken, dass die Leute da was ganz anderes machen als Kinderkram.314 Dem Bild des Kinderspielzeugs versucht die Spielebranche allgemein entgegenzuwirken. So meint Lackner: »Durch dramatische, ausgereifte und ›erwachsenengerechte‹ Geschichten

311 Leo muss zum Friseur: Leo Colovini. Erstveröffentlichung auf Italienisch 2016 bei dV Giochi als Leo va dal barbiere. 312 Auszug aus den Supervisionsnotizen vom 17.11.2018. 313 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 314 Lisa Mattil: Kein Kinderkram – Wenn Erwachsene spielen. Medeinwerkstatt Bonn 2017; ab 5:30 Min. Abrufbar unter https://www.medien-tube.de/audio/Kein-Kinderkram-Wenn-Erwachsene-spielen-/8966ec9d1a1a06ce69b67019e1efda2a; (Zugriff am 15.07.2020). 69 soll die Akzeptanz der Spiele im gesellschaftlichen Umfeld gehoben und der Beigeschmack des pubertären Kinderspielzeugs vermieden werden.«315 Viel gravierender ist allerdings, dass das Brettspiel als popkulturelles Medium oft ganz untergeht. Im Handbuch Popkultur aus dem Metzlerverlag aus 2017 findet sich Brettspiel beispielsweise gar nicht aufgeführt und selbst Computerspiele werden dort verallgemeinernd unter dem Kapitel »Internet« gefasst.316 Das zeigt, welchen Stellenwert Spiele auch in der wissenschaftlichen Aufarbeitung haben. Computerspiele werden an den Rand gestellt: Ist halt irgendwas mit digital und Internet. Analoge Spiele hingegen kommen in dieser Wahrnehmung als Medium nicht einmal mehr vor.

5.1. BRETTSPIEL DAS (VERGESSENE) POPKULTURELLE MEDIUM

Ganz provokant lässt sich Brettspiel als das vergessene Medium bezeichnen. Nicht weil es an sich in Vergessenheit geraten ist, sondern weil es als Medium und spezieller als popkulturelles Medium kaum oder gar nicht wahrgenommen wird. Die Definitionen von populärer Kultur und von Popkultur sind zwar keineswegs immer einheitlich, noch, so meint der Professor für Populäre Kulturen Hans-Otto Hügel »[…] ist verbindlich geklärt, welche Gegenstände und/oder welche Aktivitäten zur Populären Kultur gehören«317, dennoch lässt sich Brettspiel ohne weiteres als populärkulturelles Medium einordnen, wie ich zeigen möchte. Zur kurzen Begriffsherkunft:

»Mit Blick auf den Zusammenhang sowie den Unterschied von populärer Kultur und Popkultur lässt sich programmatisch formulieren: Als es Pop und Popkultur noch nicht gab, gab es schon die populäre Kultur. […] Die Grundbedeutung von ›populär‹ geht auf das Adverb ›popularis‹ zurück, das allgemein ›zum Volk gehörend‹ und ›beim Volk beliebt‹ bedeutet: Das Populäre erhalte große Zustimmung und Anerkennung beim ›Volk‹, sei attraktiv, begehrt und angesagt, ungekünstelt sowie leicht verständlich. Das Wort ›populär‹ wird daran anschließend einerseits stigmatisierend im Sinne von niederer Qualität (Trivialität, Schund, Kitsch etc.) und Erfolgssucht (Anbiederung an das Publikum) verwendet, andererseits als strategisch im Sinne von ›verlogen, moralisch bedenklich, manipulativ und demagogisch‹ mit Blick auf das Ziel, das größtmögliche Wohlwollen des Volkes zu erzielen, aufgefasst. Das Populäre ist aus dieser Perspektive nicht von sich aus populär, sondern wird populär gemacht […]. Ein wesentlicher Grund für diese negative Bewertung des Populären ist die Kluft zwischen Bildungselite und Volk, denn die Bildungselite betrachtete sich selbst und ihre kulturellen Werke nicht als Teil des Volkes beziehungsweise der (populären) Volkskultur. Dem Populären wird kein eigenständiger kultureller und ästhetischer Wert zugesprochen – daraus resultiert auch die Abwertung des Kulturpublikums, das mit Vergnügen populäre Kultur konsumiert. An der sozialen, kulturellen und ästhetischen Abwertung des Populären und der populären Kultur hat sich nur langsam und bedingt im 19. Jahrhundert und 20. Jahrhundert etwas verändert.«318

Die Medienwissenschaftler Thomas Hecken und Marcus Kleiner führen aus, dass also nichts an sich Pop sei, sondern dass kulturelle Gegenstände und Wirklichkeiten erst in medienkulturellen sowie alltäglichen Produktions- und Aneignungsprozessen entstehen und diese somit erst als »Pop« tituliert werden.319 Sie beziehen sich dabei u.a. auf den Professor für Cultural Studies John Storey, der sechs grundlegende Funktionen populärer Kultur herausgestellt hat320 und die Hecken und Kleiner um eine siebente Funktion ergänzen:

315 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 22. 316 Vgl. Thomas Hecken/Marcus Kleiner (Hg.): Handbuch Popkultur. Stuttgart 2017. 317 Hans-Otto Hügel zitiert in Hecken/Kleiner: Handbuch Popkultur, S. 252. 318 Hecken/Kleiner: Handbuch Popkultur, S. 248. 319 Vgl. ebda., S. 246. 320 Hecken und Kleiner beziehen sich dabei auf: John Storey: An Introduction to Cultural Theory and Popular Culture. Hempstead 1997. 70

»(1) Populäre Kultur ist bei einer großen Zahl der Gesellschaftsmitglieder beliebt und wird von ihnen als Unterhaltungskultur massenhaft konsumiert beziehungsweise rezipiert. (2) Populäre Kultur ist Kultur ohne hochkulturelle Elemente. (3) Populäre Kultur wird industriell produziert und massenmedial vermittelt für den (stereotypen, manipulativen, verdummenden) Massenkonsum. (4) Populäre Kultur kommt aus dem Volk. (5) Populäre Kultur ist widerständig (Subkultur) und kritisiert die hegemoniale (Hoch-)Kultur. Gleichzeitig kann sie aber wiederum hegemonial werden, etwa in Form der kulturindustriell-entfremdenden Aneignung von erfolgreichen Subkulturen, wie etwa dem Punk. (6) Populäre Kultur weist die Trennung zwischen hoher und populärer Kultur zurück. Ergänzen müsste man: (7) Im Unterschied zur Hochkultur verfolgt die populäre Kultur kein übergeordnetes soziales und ästhetisches Ziel.« 321

Die Besucherzahlen auf Großveranstaltungen wie der SPIEL oder der Berlin Brettspiel Con lassen den Schluss zu, dass Brettspiel bei einer großen Zahl an Gesellschaftsmitgliedern beliebt ist und die Verkaufszahlen von Brettspielen zeigen, dass die Spiele massenhaft konsumiert werden. Das gesellschaftliche Bild des Brettspiels als Kinderspiel und seine fehlende Wahrnehmung im wissenschaftlichen Diskurs deuten nicht gerade auf einen »hochkulturellen« Anstrich des Mediums. Brettspiele werden von Verlagen industriell produziert und, das wird im Verlauf dieses Kapitels noch deutlich, massenmedial vermittelt. Das Narrativ der Unproduktivität verweist auf die Widerständigkeit des Mediums und steht damit auch einer hegemonialen Verwendung tendenziell entgegen. Das Brettspiel verfolgt kein übergeordnetes soziales Ziel, aber es wird sich in diesem Kapitel zeigen, dass sich eine Vereinnahmung für hegemoniale Zwecke abzeichnet. Populärkultur ist aber oft widersprüchlich. So verweist Andreas Hepp mit Bezug auf John Fiske, auf den Aspekt der industriellen Produktion und Distribution von populärkulturellen Produkten und auf der anderen Seite auf deren Bedeutungszuschreibungen durch die Konsument*innen322. Der Medienwissenschaftler Lothar Mikos fasst Fiskes Definition von Popkultur dabei wie folgt zusammen:

»Grundlegend für die Arbeiten von Fiske ist, dass er alle Ausprägungen der Populärkultur als populäre Texte begreift. […] Populäre Texte sind jedoch keine geschlossenen Formen, sondern Fiske spricht von ihrer Textualität. […] Zwar sind die populären Texte als diskrete, abgrenzbare Werke identifizierbar, doch entfalten sie sich erst in der sozialen Zirkulation von Bedeutung. Populäre Texte sind im Wesentlichen durch sechs Aspekte gekennzeichnet […]: Die Textualität von Produkten der Populärkultur wie dem Fernsehen zeigt sich u.a. darin, dass sie nicht nur produzierte, sondern (1) produzierbare Texte (producerly texts) sind, die eine besondere Eigenschaft aufweisen, (2) die Polysemie. Diese polysemen Texte der Populärkultur werden von ›den Leuten‹ (the people) als (3) aktive Rezipierende bzw. aktives Publikum angeeignet vor dem Hintergrund der sozialen Auseinandersetzungen des Alltags. In diesem Aneignungsprozess spielen (4) ›Vergnügen‹ (pleasure) und (5) Intertextualität eine große Rolle. Die Aneignung populärer Texte ist daher auf der mikropolitischen Ebene eingebunden in den (6) gesellschaftlichen Kampf um Bedeutungen.«323

Neben den Aspekten, die Fiskes Darstellung mit den Ausführungen von Storey gemeinsam haben, halte ich vor allem den Punkt der aktiven Aneignung bei Fiske für entscheidend. Beziehen sich die meisten Beschreibungen zu populären Kulturen auf Bücher, Comics, Fernsehen, Film und vor allem Musik, entsprechen Spiele oft vielmehr dem Ideal des nicht nur konsumierbaren, sondern auch produzierbaren Textes und durchlaufen einen häufig stärkeren Aneignungsprozess als andere Medien. An dieser Stelle möchte ich noch mal auf den Unterschied zwischen dem Einlassen auf eine Symbolwelt und dem aktiven Symbolhandeln hinweisen. Zwar handelt sich bei der Nutzung populär-kultureller Medien nicht rein um eine passive Rezeption, die kreativen Aneignungsprozesse sind bei Medien, bei denen ich aktive Entscheidungen treffe ungleich größer. Thomas Lackner meint, dass das

321 Hecken/Kleiner: Handbuch Popkultur, S. 248. 322 Vgl. Andreas Hepp: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Wiesbaden 20103, S. 65f. 323 Lothar Mikos: John Fiske: Populäre Texte und Diskurs. In Andreas Hepp/ Friedrich Krotz/Tanja Thomas (Hg.): Schlüsselwerke der Cutural Studies. Wiesbaden 2009, S. 156-164, hier 157. 71

Medium Spiele viel mehr Eigeninitiative von den Nutzer*innen verlangt und nicht mit der Bedienung einer Fernbedienung vergleichbar sei.324 Das sieht auch Moritz so:

»Also für mich ist Buch dem Brettspiel näher, weil sowohl Brettspiel als auch Buch versuchen eine Welt anzudeuten. Beide Welten benötigen aber das Weiterdenken des Spielers, bzw. des Lesers. Ein Film ist sozusagen eine ausformulierte Idee eines Regisseurs mit allen Sachen, die dazu kommen, aber da muss ich keine Denk- und Assoziationsarbeit leisten, um das zu vervollständigen. Das ist vollständig, ich kann es nur noch rezipieren. Buch und Brettspiel sind, wenn sie gut gemacht sind, Einladungen. Du kriegst durch Beschreibung, oder durch Andeutung oder durch ein Regelsystem ein Assoziationsangebot einer Welt, eines Settings, wo es notwendig ist: Lass dich drauf ein, formulier das in deinem Kopf aus, denk weiter und nur so kann kooperativ zwischen Buch, Schrägstrich Spiel und dem Rezipienten eine Welt entstehen. Der große Unterschied zwischen Buch und Brettspiel ist für mich tatsächlich, dass ich glaube, dass das Buch einfach durch seine Ausformulierung eine noch größere Welt erzielen kann, wohingegen, das Brettspie durch seine Form zwar eine konkretere Welt abbilden kann und obwohl diese Welt meistens kleiner ist, weil man auch, sozusagen die begrenzen muss, damit man mit ihr aktiv spielen kann, ist es gleichzeitig möglich in einem Spiel als Protagonist aktiv tätig zu werden, während ich in einem Buch meistens einen Protagonist begleite und sozusagen als Zuschauer, als Statist, ihm maximal über die Schulter gucke, während ich in einem Spiel aktiv die Geschicke beeinflussen kann und notfalls auch die Konsequenzen von den Entscheidungen, die ich selber treffen kann ausführen muss. D.h. ein Brettspiel ist für mich im besten Fall ein interaktives Büchlein, was zwar weniger Geschichte, weniger Universum bietet, in dem ich mich aber aktiver beteiligen kann.«325

Moritz Ausführungen können als ein Versuch gedeutet werden das Brettspiel als populärkulturelles Medium einzuordnen. Zwar bietet das Brettspiel einen vorgegebenen Rahmen, bietet den Spielenden aber die Möglichkeit sich innerhalb dieses Rahmens (der Spielwelt) zu entfalten – also eine aktive Rolle einzunehmen. Da die ludische Welt nur angedeutet wird und vor allem in den Köpfen der Spielenden stattfindet, rückt Moritz das Brettspiel (im Vergleich zum digitalen Spiel) in die Nähe des Buches. Mittlerweile hat aber auch das digitale Spiel, durch seine starke Präsenz, die Aufmerksamkeit der Populärkulturforscher*innen gewonnen. Ein Umstand, der dem Brettspiel bisher versagt geblieben ist. Ich bin geneigt zu sagen, Brettspiele scheinen nicht populär genug zu sein, um in eine Betrachtung mit einzufließen. Die folgenden Ausführungen sind zwar nicht darauf hin ausgelegt zu belegen, dass Brettspiel ein populärkulturelles Medium ist, werden dies aber untermauern.

5.2. KONSUM UND EVENTISIERUNG

Wie schon im vorherigen Kapitel gezeigt, besitzen die meisten Vielspieler*innen Spiele, die sie nicht einmal gespielt haben. Das ist zum einen bedingt durch den Zeitfaktor, den Julius in dem kurzen Satz »Ich habe deutlich mehr Spiele als ich Zeit habe.«326 zusammenfasst. Zum anderen verweist dies auf den von Fiske und anderen beschriebenen Konsum bei populärkulturellen Medien. Wie vor allem häufig für die Popmusik formuliert327, unterliegen populärkulturelle Phänomene dabei einem stetigen Modernisierungszwang und Innovationsdruck. Es bedarf immer neuer Lieder, neuer Filme, neuer Spiele, oder um bei Fiske zu bleiben, neuer Texte, um Konsument*innen zu binden und die Popularität des Mediums aufrecht zu erhalten. Beim digitalen Spiel zeigt sich das u.a. am technischen Fortschritt, der immer komplexere Welten und realistischere Grafik erlaubt. Aber ein derartiger Drang nach Innovation findet sich auch im Brettspiel. Trotz noch ungespielter

324 Vgl. Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 142. 325 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 326 Auszug aus dem Interview mit Julius vom 04.09.2018. 327 Siehe hierzu u.a. Christoph Jacke: Popmusik als Seismograph. Über das Nutzen wissenschaftlicher Beobachtung von Pop. In Christoph Jacke, Eva Kimmich; Siegfired J. Schmidt (Hg.): Kulturschutt. Über das Recycling von Theorien und Kulturen. Bielefeld 2006, S. 114 – 123. Oder Christoph Jacke: Medien(sub)kultur. Geschichten – Diskurse – Entwürfe. Bielefeld 2004. 72

Spiele im Regal kaufen die Spielenden immer neue Spiele. Gerade Jahreshöhepunkte wie Messen werden genutzt, um das eigene Sortiment zu erweitern. Auf die Frage, warum es immer Neuheiten braucht, antwortete die Interviewgruppe wie folgt:

»Richard: Das ist wahrscheinlich auch wie so ein Kick, wie andere jeden Tag bei Amazon bestellen, um zu warten, dass morgen dann das nächste Paket kommt.

Mia: Oder wie bei neuen Videospielen. Man will halt teilweise auch der erste sein, der das spielt. […] damit man auch mitreden kann. Das ist wie so ein Kinofilm, wenn der rausgekommen ist und man den nicht gesehen hat, dann sagt man: psst, halt den Mund.

Sophie: Außerdem gibt es ja auch immer wieder neue Ideen, die rausgebracht werden.

Mia: Ja genau, also die haben halt echt coole Ideen, und wenn man dann sich nur auf was Altes versteifen würde, dann wächst man auch nicht über sich hinaus.

Patrick: Also auf lange Sicht gesehen würde das auch langweilig werden, weil du natürlich immer nur das gleiche hast. Wenn ich jeden Tag nur Mensch ärger dich nicht spielen würde, würde mir das nach einer Woche einfach zu den Ohren rauskommen.

Mia: Aber ich glaube, das ist mit vielen Dingen so. Man kann nicht immer den gleichen Film gucken, man kann nicht immer das gleiche Videospiel spielen, man kann mit den Kindern nicht immer Verstecken spielen. Ja, man braucht Abwechslung im Leben, man braucht einfach immer was Neues. Wir sind Forscher, wir sind Entdecker, wir brauchen Abenteuer.«328

Die Äußerungen zeigen den Wunsch nach Abwechslung, frischer Unterhaltung und stetigen Neuerungen und unterstreichen so den Modernisierungsdruck, dem das Medium Brettspiel unterliegt. Es wollen immer neue Abenteuer erlebt und neue Welten entdeckt werden. Und selbst wenn diese nur im Regal stehen, allein die Möglichkeit sie erleben zu können reicht für ein positives Gefühl aus. Um einen zusätzlichen Blick auf das Populäre zu werfen, möchte ich auf den Literaturwissenschaftler Matthias Schaffrick verweisen, der meint, dass sich Formen und Verfahren des Populären anhand von Listen beobachten lassen329:

»Das Wissen der Populärkultur ist in Listen organisiert und geordnet: Die am häufigsten angeschauten Beiträge bei Bild.de oder Faz.net, die beliebtesten Artikel bei Amazon oder Zalando, die Suchergebnisliste bei Google, Yahoo oder YouTube, die Serienempfehlungen bei Netflix, die Musik-Charts, die Bestsellerlisten, die Bundesligatabelle etc.«330

Auch beim Brettspiel scheinen Listen ein fester Bestanteil der Rezeption des Mediums zu sein. Diese Listen finden sich ausgesprochen häufig – sei es über die Besten Brettspiele des Jahres, die Top 100 Lieblingsspiele, die besten Spiele für Eltern mit Kindern, für Paare, für Einsteiger usw. Spiele werden eigentlich immer gelistet. Diese Listen ordnen das schier unüberblickbare Angebot des Mediums und versuchen es übersichtlich zu gestalten. Denn gerade Neueinsteiger stellt das vor eine große Herausforderung, das sieht auch Erik:

»Wenn du halt kein Brettspielnerd bist, weißt du nicht, was für ein Spiel kaufst du dir jetzt. Und du hast eigentlich auch keine Chance, das irgendwie rauszufinden. Da ist halt dieses Boardgamegeek, das kein normaler Mensch bedienen kann, außer man klickt da auf die Top100 und dann holt man sich eins davon, aber ich find das

328 Auszug aus dem Gruppeninterview vom 03.08.2018. 329 Matthias Schaffrick: Listen als populäre Paradigmen. Zur Unterscheidung von Pop und Populärkultur. In: KulturPoetik 16 (2016), Heft 1, S. 109-125. hier S. 109. 330 Ebda. 73 keine wirkliche Möglichkeit sich zu informieren. Also wirklich nur diese YouTube -Kanäle und das sind halt nur die Neuheiten. Es gibt eigentlich niemanden, der sich um alte Spiele kümmert. Also es gibt halt dieses Brettspielmuseum und so weiter, das ist aber auch so weit weg, das kennt ja kein Schwein.«331

Erik verweist hier nochmal auf den Innovationsdruck der Branche. Zwar gibt es genügend Plattformen, die sich mit Brettspielen befassen – boardgamegeek.com als die wohl größte spricht er hier an – der Fokus der Konsument*innen liegt aber deutlich auf den Neuheiten. Trotz des stetigen Erwerbs und trotz ungespielter Spiele im Regal machen sich die Beteiligten aber durchaus Gedanken darüber was sie kaufen:

»Richard: Weiß nicht, ich glaub wir haben einfach so viele krasse Spiele mittlerweile. […] Aber so ein Spiel, was dann so eins zwei Stunden dauert, hat bei uns schon so einen krassen Anspruch, dass wir sagen: Ne, das kommt hier nicht auf den Tisch, das auch nicht. Das sind ja auch Kostenfragen. Also ich mein, wenn du 100 Euro für ein Spiel dann investierst, dann muss sich das auch irgendwo lohnen. Und wir haben ja auch schon Spiele, die so teuer sind, die dann ein Mal auf den Tisch kommen, so. Und da gibt’s einfach viel bessere und wenn ich mir dann Zug um Zug vorstelle oder Blood Rage332, dann brauche ich nicht Zug um Zug kaufen.«333

Zwar sind sich die Spielenden der oft hohen investierten Summen bewusst, weniger gekauft wird deswegen aber nicht. Der Aspekt, dass es sich bei Brettspielen um kommerzielle Produkte handelt, hinter denen eine wachsende Branche steht, wird häufig eher ausgeblendet oder verharmlost. Diese Branche gleicht denen aller popkulturellen Erzeugnisse. Es ist eine Branche, in der es Verlage gibt, die eher klein sind und denen es um das Spielerleben und um ein tolles Produkt geht, aber auch Branchengrößen, die dafür kritisiert werden, dass sie Mitbewerber aufkaufen334. Eine Branche, die neben Spielen auch eine Vielzahl an Produkten rund um das Medium anbietet und so das kommerzielle Bild abrundet. So gibt es etwa spezielle Spielmatten, Würfeltürme, schönere und praktischere Inlays für einzelne Spiele oder gar spezielle Spielerucksäcke, in denen die Brettspiele zum Spieleabend transportiert werden können.335 In dieser Branche gibt es auch Trends, das können beliebte Themen sein ebenso wie Spielmechaniken oder beispielsweise der Trend Produkte über Crowdfunding zu finanzieren. Einen wichtigen Trend habe ich bereits im vorherigen Kapitel angedeutet. Dabei werden Spiele zu einem Erlebnis oder Event stilisiert. Manche Spiele werden bewusst so konstruiert, dass sie im Grunde nur einmal spielbar sind. Diese Einmaligkeit kann zwar mehrere Partien umfassen, meint aber, dass eine generelle Wiederholbarkeit ausgeschlossen oder zumindest unwahrscheinlich ist. Dabei erleben die Spielenden eine Geschichte, die sich oft erst während des Spielens in Gänze offenbart. Als Beispiel sei hier T.I.M.E Stories genannt. In dem Spiel übernehmen die Spielenden die Rolle von Zeitreisenden, die, je nach Szenario in verschiedene Zeiten versetzt werden und dort eine Mission erfüllen müssen. Zwar gibt es ein paar wenige Grundregeln, die den Spielenden vorher bekannt sind, was aber genau im Spiel passiert, welche Orte sie entdecken und welche Personen ihnen begegnen, wird von einem Kartendeck geregelt. Während des Spiels treffen die Spielenden Entscheidungen und erfüllen entweder ihre Mission oder müssen bei einem Fehlschlag nochmal von vorn beginnen – denn so eine Mission bietet auch viele Sackgassen und Gefahren. Ein wenig erinnert das Spiel an alte Abenteuerbücher, bei denen man je nach getroffener Entscheidung auf einer anderen Seite weiterlesen musste. Wenn eine Mission erfolgreich gespielt wurde, dann kennen die Spielenden die erfolgversprechenden Wege durch das Szenario. Ein erneuter Spieldurchgang wäre damit ohne Herausforderung und ohne die Gefahr zu scheitern. Jede

331 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 332 Blood Rage: Eric M. Lang. Erstveröffentlichung auf Englisch 2015 bei Cool Mini Or Not. 333 Auszug aus dem Gruppengespräch vom 03.08.2018. 334 Als Beispiel siehe spielbox: Asmodee kauft sich bei Catan ein. 2016. Abrufbar unter https://www.spielbox.de/spieler- info/aktuelle-meldungen/188-asmodee-kauft-sich-bei-catan-ein; (Zugriff am 15.07.2020). 335 Inlays sind die Ordnungssysteme in den Spielschachteln, die die einzelnen Spielkomponenten mehr oder minder gut sortiert halten. 74 neue Mission muss als Erweiterung gekauft werden. Das Spiel kann aber zumindest an Freunde und Bekannte verliehen oder gebraucht weiterverkauft werden. Die extreme Form der Eventisierung stellen Spiele dar, die, wie bereits angesprochen, vorsehen das Material irreversibel zu verändern, denn dabei wird die Einmaligkeit des Erlebten in besonderem Maße hervorgehoben. Das Prinzip von Pandemic Legacy, aber auch andern Legacy-Spielen, ist dem von T.I.M.E Stories dahingehend ähnlich, dass den Spielenden die Grundregeln bekannt sind, sich das ganze Ausmaß des Spiels aber erst in seinem Verlauf zeigt. Dabei befinden sich versiegelte Boxen in der Schachtel, die bei bestimmten Schlüsselmomenten geöffnet werden dürfen. Darin befinden sich unter anderem neue Regeln und neues Material. Bei anderen Gelegenheiten wird vorhandenes Material beschriftet oder gar vernichtet. Ein anderes Beispiel ist die EXIT-Reihe von Kosmos, die sich am Trend der Escaperooms orientiert. Hier sind die Spielenden in einer Gruft, einer Hütte oder einem Labor eingesperrt und müssen Rätsel lösen, um ihrer Gefangenschaft zu entkommen. Die Aufgaben sind dabei nur lösbar, wenn vorhandenes Material gefaltet, beschriftet oder zerschnitten wird. Egal ob das Spielmaterial beim Spielen zerstört wird oder nicht, die Einmaligkeit der Spielerfahrung soll die Spannung erhöhen und zum Erschaffen einer besonderen Erfahrung beitragen. Letztlich führt es aber eben auch zu mehr Konsum. Für weitere Erlebnisse bedarf es nicht einfach einer neuen Partie, sondern beispielsweise eines neuen Szenarios, das gekauft werden muss. Hat mir meine Flucht aus der Gruft Spaß gemacht, kann ich es nicht an Freunde verschenken, sondern muss ihnen ein neues Exemplar kaufen. Kritik an dieser Art der Spiele kamen im Feld eher als Randbemerkung. Die Geschichten hinter den Spielen und die Umsetzungen sind gut und beliebt. Sie halten, was sie versprechen, und bieten ein besonderes Erlebnis, von dem gerne erzählt wird und das Lust auf mehr macht – und die Branche liefert.

Der Handel mit Brettspielen verlagert sich mehr und mehr ins Internet. Zwar gibt es auch noch Brettspielgeschäfte, der Onlinehandel gewinnt dennoch zunehmend an Bedeutung. Die meisten meiner Gewährspersonen nutzen beides, so erzählt Sophie.

»Und was uns auch wichtig ist, dass wir halt unser Brettspielgeschäft, wo wir einkaufen gehen, unterstützen. Wir kaufen natürlich auch online ein, aber manchmal geben wir halt auch wirklich das Geld da aus, weil wir wissen, das ist unser Brettspielgeschäft.«336

Für die Branche bietet das Internet neue Möglichkeiten. So werden einige Projekte über Crowdfunding-Plattformen vorfinanziert, um so zum einen die Nachfrage nach einem Produkt abschätzen zu können und zum anderen um das finanzielle Risiko auszulagern. Welche Ausmaße das annehmen kann, zeigt das Spiel Kingdom Death Monster 1.5, das mit einem erreichten Betrag von 12.393.139 US-Dollar die erfolgreichste Crowdfunding-Kampagne im Brettspielbereich darstellt. Allein das Grundspiel kostete 200 US-Dollar, mit allen Erweiterungen und Zusatzmaterial stieg der Preis an die 2000 US-Dollar an.337 Zwar handelt es sich um ein extremes Beispiel, aber Summen von mehreren hunderttausend Dollar sind bei solchen Projekten keine Seltenheit. Dies zeigt nicht nur, dass Brettspieler*innen bereit sind große Mengen an Geld für ihr Hobby auszugeben, sondern auch, dass sich mit dem Medium Brettspiel viel Geld verdienen lässt. In einem Interview mit golem.de sagt Jan Wagner vom Verlag Underground Games zu Crowdfunding folgendes:

»Man hat den Handel als Zwischenstation nicht mehr nötig, was natürlich die Margen erheblich erhöht. Das heißt, man kann ganz andere Spiele machen«, erklärt er seine Entscheidung für diese Form der Finanzierung. »Das sieht man ja auch an den ganzen schweren Spielen auf Kickstarter - mit riesigen Boxen und Figuren. Die

336 Auszug aus dem Gruppeninterview vom 03.08.2018. 337 Vgl. Kingdom Death Monster: Adam Poots. Erstveröffentlichung auf Englisch 2015 bei Kingdom Death. Kichstarterkampange abrufbar unter https://www.kickstarter.com/projects/poots/kingdom-death-monster-15?lang=de; (Zugriff am 15.07.2020). 75 würden so im Handel gar nicht funktionieren, weil die dann noch viel mehr kosten müssten, um eine Gewinnspanne zu ermöglichen.«338

Aber dieses System birgt auch Risiken, denn im Grunde kann jede*r versuchen seine Spieleidee über diese Plattformen zu finanzieren. Das kritisiert auch Manuel Frisch, Mitglied der Spiel des Jahres-Jury, im selben Interview wie Wagner:

»›Viele Kickstarter-Games sehen toll aus und haben meistens auch ein gutes Konzept. Ich sehe aber, dass im fertigen Produkt dann oft die redaktionelle Betreuung und die Markterfahrung fehlt. Das Testing findet bei Kickstarter-Spielen oft in einem sehr viel kleineren Umfang statt.‹ Alles Dinge, die ein klassischer Spieleverlag nach wie vor leiste. ›Man gewinnt Freiheiten. Die Qualität kann darunter aber schon arg leiden‹, sagt Fritsch.«339

Dennoch steigt die Zahl der so finanzierten Produkte. Im Jahr 2018 lagen Brettspiele bei der Crowdfunding-Plattform Kickstarter bei 165 Millionen US-Dollar und damit nochmal um 19,8 Prozent höher als im Vorjahr.340 Auch das trägt dazu bei, dass die Anzahl an Neuerscheinungen pro Jahr immer mehr wächst. Schon viel früher beschreibt Erwin Glonnegger den Einfluss der Massenmedien auf das Spiel und die damit einhergehende Gefahr, dass die Qualität der Spiele leiden könnte. Er beschreibt das Phänomen, dass erfolgreiche Trends aus anderen popkulturellen Medien, wie Film und Fernsehen, als Spiele umgesetzt werden:

»Doch hier wiederholt sich, wie in der Literatur, immer wieder die gleiche Erfahrung: Aus einer großen Anzahl von Versuchen ragen nur ganz wenige Titel heraus, deren Spielwert das hält, was der Titel verspricht.«341

Dieser Trend hält bis heute an, und auch wenn Glonnegger dies als problematisch empfindet, ist dies doch nur ein weiterer Beleg für die populärkulturelle Genese des Mediums Brettspiel.

5.3. MULTIPLIKATOREN UND NÄHENARRATIV

Zur (massen)medialen Verbreitung, wie sie Storey und Fisk beschreiben, tragen beim popkulturellen Medium Brettspiel vor allem Multiplikatoren wie YouTuber*innen und Blogger*innen bei. Auf den Zug der Eventisierung aufspringend, geht es bei vielen nicht nur um die spielerische Praxis, sondern um ein ludomorphes Selbstbild und Lebensgefühl. So ist es kaum verwunderlich, dass der Blogger und YouTuber Stephan Gust, besser bekannt als Boardgamedigger, seine Seite, die sich mit Brettspielen beschäftig als »Brettspiel-Lifestyle- Kanal« bezeichnet342. Multiplikatoren wie der Boardgamedigger oder Hunter & Cron prägen dabei sowohl das Außenbild über das Brettspiel, als auch das Selbstbild der Community maßgeblich mit. Sie sind neben den Spieleautor*innen und einigen Branchenvertreter*innen das Gesicht des Mediums Brettspiel. Ihnen schaut man beim Spielen zu, ihre Videos und Texte werden herangezogen, um neue interessante Spiele zu entdecken und sie sind es, die zu Interviews, Podiumsdiskussionen und anderen Veranstaltungen eingeladen werden. Während meines

338 Achim Fehrenbach: Computer und Spielbrett bleiben getrennte Welten. Golem.de 2019, S.1. Abrufbar unter https://www.golem.de/news/brettspiele-trends-computer-und-spielbrett-bleiben-getrennte-welten-1907-142839.html; (Zugriff am 15.07.2020). 339 Ebda, S. 2. Hervorhebungen im Original. 340 Vgl. Charlie Hall: Tabletop games dominated Kickstarter in 2018, while video games declined. Polygon 2019. Abrufbar unter https://www.polygon.com/2019/1/15/18184108/kickstarter-2018-stats-tabletop-video-games, ([Zugriff am 15.07.2019). 341 Glonnegger: Das Spiele-Buch, S. 120. 342 Vgl. Stephan Gust: Über uns; https://www.boardgamedigger.de/ueberuns; (Zugriff am 29.04.2020). Die Website war beim Fertigstellen des Manuskriptes nicht mehr erreichbar. 76

Feldaufenthaltes wird dabei mehrfach betont, dass es kaum Distanz zwischen diesen öffentlichen Multiplikatoren und dem Rest der Community, also den Spieler*innen gäbe. Dabei fand sich diese Ansicht nicht nur bei meinen Gewährspersonen, die sich ja zum großen Teil aus den Messehelfern rund um Hunter & Cron rekrutieren, sondern dieses Bild ergab sich auch in vielen informellen Gesprächen, mit Besucher*innen der Messe. Sophie beschreibt das so: »[…] also viele YouTuber sind dann so weit weg, aber bei Brettspielen ist das irgendwie total anders, die sind da sehr publikumsnah, also nicht nur Hunter & Cron.«343 Die Interviewgruppe zieht Vergleiche zu YouTuber*innen wie Bianca Claßen, genannt Bibi, die mit ihrem Lifestyle- und Kosmetik-Kanal zu einer der größten deutschsprachigen YouTuber*innen zählt. Richard bezweifelt, dass Claßen auch so publikumsnah wie beispielsweise Hunter & Cron sei und füttert damit ein Nähe-Narrativ, das für die Brettspielwelt typisch ist. Dass Claßens Kanal mit über fünf Millionen Abonnent*innen aber etwa das Hundertfache an Zusehenden erreicht, bleibt dabei unerwähnt. Generell suggeriert YouTube aber ohnehin eine große Nähe zu den Konsument*innen, im Gegensatz zu beispielsweise Zeitung, Radio oder Fernsehen. Das liegt vor allem daran, dass es sich bei YouTube um ein Zweikanal-Medium handelt, das den Zusehenden ermöglicht ein direktes Feedback zu geben und ggf. darauf auch wieder Reaktionen der Protagonist*innen zu erhalten. Hier gilt, je kleiner der Kanal, desto mehr Publikumsnähe ist zu erwarten, da die Moderation kleinerer Kanäle weniger Aufwand bedeutet. Beim Thema Brettspiel ist diese suggerierte Nähe besonders wichtig, denn sie gehört zum sozialkulturellen Selbstbild. Einem Hobby, das sich durch sozialen Austausch, Gemeinschaft und Zusammensein auszeichnet, steht eine große Distanz nicht gut zu Gesicht. Das Hunter & Cron die Berlin Brettspiel Con ins Leben gerufen haben und damit die Community zusammenbringen, ist für die Interviewgruppe eine zusätzliche Bestätigung dieser Nähe:

»Sie haben gesagt, ok, irgendwie gibt es keine Messe in Berlin, […] ok dann machen wir mal eine. Weil dann bringen wir sie [die Spieler*innen] zusammen. Also zehntausend kann ich auch nicht zu mir nach Hause einladen, aber trotzdem ist das nicht, dass man denkt: Oh wow, das ist voll der YouTube-Star und der ist voll weit weg, sondern die sind halt total normal und nicht abgehoben.«344

Dieses Nähenarrativ wird dabei auch auf Autorinnen und Autoren ausgeweitet. Ähnlich gebetsmühlenartig wie die Aussage darüber, dass es für jeden ein Spiel gibt, begegnete mir eine Narration darüber, dass wohl in keiner anderen Branche »die Helden« so nah kämen wie beim Brettspiel. Diese Aussage rührt daher, dass Spieleautor*innen oft auf Messen und anderen Veranstaltungen rund ums Brettspiel anzutreffen sind. Dort stellen sie ihre Spiele vor, erklären oft selbst noch die Regeln und manchmal spielen sie sogar mit. Dies wird zum einen als Publikumsnähe verstanden, zum anderen bedient es eben jenes Selbstbild, dass alle Personen in der Community eben einfach nur Spieler*innen seien – die Autor*innen höchstselbst inbegriffen. Etwas Ähnliches erzählt mir auch der Besitzer des Spielecafés an dem Abend, als ich mit den Autor*innen ihre Prototypen teste. Er meint, es gehe dabei eben nicht nur ums Spielen, sondern auch um den Austausch. Manchmal kämen Autor*innen, bauten ihren Prototyp auf und warteten ungeduldig auf Mitspieler*innen – das seien die Unbeliebten. Denen gehe es nur um das Feedback und die verschwänden dann auch schnell wieder. Wenn man hier wolle, dass jemand seine Prototypen spielt, dann müsse derjenige oder diejenige auch erstmal bei den anderen mitspielen – das gehöre sich so. Ich kommentiere diese Aussage mit einem »Also gibt es dabei auch Spielregeln«. Er lacht und sagt: »Ja, ungeschriebene«. Auch dass recht bekannte Autor_innen vorbeischauen, komme immer mal wieder vor, so sei auch Bruno Cathala schon dagewesen und habe einen Prototypen mitgebracht.«345 Der französische Autor

343 Sophie im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 344 Sophie im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 345 Forschungstagebuch vom 19.06.2018. 77

Cathala gilt mit seinen über vierzig entwickelten Spielen, mehrere davon mit Preisen ausgezeichnet, als einer der Größen der Branche. Es ist auffällig, dass derartige Begegnungen trotz des Nähenarrativs betont werden. Die Nähe zu »Branchenhelden und -heldinnen« wird zwar einerseits als selbstverständlich angenommen, bleibt aber für die Spieler*innen aufregend und erzählenswert. Ihr Verhältnis zu Hunter & Con beschreibt Sophie dabei wie folgt:

»Also man identifiziert sich dann ja auch teilweise mit denen, also finde ich zumindest. Also bei uns ist das so, also ich hab Hunter & Cron durch Roland entdeckt und dann war das irgendwann so – man war halt Fan und dann möchte man deswegen auch auf die Brettspiel Con, weil man einfach sagt, vielleicht sieht man die ja mal und dann möchte man natürlich auch ein T-Shirt davon haben und jetzt ist es so, dass wir mit Hunter spielen und denken so: Ohh, voll geil, der, den wir die ganze Zeit bei YouTube beobachtet haben, mit dem dürfen wir jetzt zusammen spielen.«346

Die Nähe zu den Mediengrößen wird dabei manchmal auch sehr weit ausgelegt. So erzählt Elias von einem seiner Messebesuche: »Ich hab auch mit dem Bruder von Jakob Fryxelius Terraforming Mars gespielt, und ich hab ihn geschlagen. Ja, da war er angefressen.«347Bei Jakob Fryxelius handelt es sich um den Autor von Terraforming Mars. Eine erwähnenswerte Nähe wird hier aber nicht nur durch den Autor selbst, sondern auch über dessen Bruder hergestellt. Dass es sich bei dem Bruder vermutlich um Isaac Fryxelius handelte, der maßgeblich für Artwork des Spiels verantwortlich ist, schien Elias dabei nicht einmal zu wissen. Dass eine derartige Nähe überhaupt möglich ist, bedingt sich meiner Meinung nach durch folgende branchenspezifische Faktoren: Die Branche Brettspiel mag zwar eine erstaunlich wachsende Branche sein, die wenigsten Autor*innen können aber allein vom Entwickeln neuer Brettspiele leben. Berichte darüber, wie schwer es ist mit Brettspielen Geld zu verdienen, gibt es viele.348 Das Bild vom leidenschaftlichen Spieler, der eine Spieleidee verwirklicht oder der idealistischen Autorin, die das aus Freude und nicht des Geldes wegen macht passt gut ins sozialkulturelle Bild der Community. Und ohne Frage steckt hinter der Entwicklung eines Brettspiels und dem langen Weg bis hin zur Veröffentlichung viel Idealismus und Leidenschaft. Besuche auf Messen, das Präsentieren der eigenen Spiele und die Nähe zu Spielenden gehören hier zur notwendigen Vermarktung eines Nischenproduktes. Brettspielautor*innen sind selten Personen des öffentlichen Lebens. Zwar erscheint ihr Name, im Gegensatz zu früher, auf den Schachteln der Spiele, ihr Gesicht ist hingegen selten abgebildet. In der großen Masse der Spielenden auf einer Messe gehen sie unter und werden von den meisten Personen nicht erkannt. Diese gewisse Anonymität fördert die Möglichkeit einer Nähe zum »Publikum«. Nichtsdestotrotz genießen einige Autor*innen besondere Aufmerksamkeit. Sei es durch einen bestimmten Stil ihrer Spiele, durch die schlichte Menge an Veröffentlichungen oder durch gesetzte Meilensteine in Mechanik und Spieldesign. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Spieler*innen auch Lieblings-Autor*innen haben. Aber auch das Gegenteil ist der Fall, so meint Richard: »Aber andererseits waren wir bei Feuerland zum Beispiel. Das ist kein Verlag für uns.«349 Hieran zeigt sich, dass Präferenzen auf ein ganzes Verlagssortiment ausgeweitet werden können. Brettspiele werden also nicht nur anhand von Thema, Mechanik oder Design ausgewählt, sondern eine Orientierung funktioniert auch anhand von Multiplikator*innen. Manchmal sind das bestimmte

346 Sophie im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 347 Auszug aus dem Interview mit Elias vom 06.09.2018. Vgl. Terraforming Mars: Jacob Fryxelius. Erstveröffentlichung in verschiedenen Sprachen 2016 bei FryxGames und Stronghold Games. 348 Vgl. dazu z.B.: Katrin Hörnlein: Der Spielmacher. Zeit Online 2011. Abrufbar unter https://www.zeit.de/2011/06/C-Spieleautor (Zugriff 15.07.2020).; oder Isabel Christian: »Vom Spieleerfinder werden nur wenige reich«. Hannoversche Allgemeine 2015. Abrufbar unter https://www.haz.de/Nachrichten/Panorama/Uebersicht/Besuch-beim-Brettspiel-Autoren-Vom-Spielerfinden- werden-nur-wenige-reich; (Zugriff am 15.07.2020). 349 Richard im im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 78

Autor*innen oder Verlage, die präferiert oder gemieden werden, oft aber vor allem YouTuber*innen und Blogger*innen, deren Empfehlungen gefolgt wird. Einige von ihnen genießen eine besondere Popularität und gelten als Community-Größen. Wie ich im Verlauf dieses Kapitels noch näher zeigen werde, spielt YouTube dabei eine besondere Rolle. International sei hier vor allem Tom Vasel genannt, der mit anderen zusammen die Website und den YouTube-Kanal The Dice Tower betreibt.350 Er gilt als einer der bekanntesten und einflussreichsten Brettspiel-Rezensenten. Zwar hat der kanadische YouTube-Kanal Shut up and sit down mit 255.000 etwas mehr Abonnent*innen als der Dice Tower Kanal (246.000), mit über 200 Millionen Zugriffen insgesamt bildet der Dice Tower allerdings die Spitze der Brettspiel-Kanäle (Shut up and sit down liegt bei ca. 36 Millionen).351 In Deutschland führen Hunter & Cron das Feld mit ca. 50.700 Abonnent*innen und etwa 38 Millionen Zugriffen deutlich an352 und sind neben Brettspielblog.net (15.600 Abonnent*innen)353 und Spieleblog (10.000 Abonnent*innen)354, die einzigen, die eine fünfstellige Abonnent*innenzahl erreichen. Daneben gibt es eine Vielzahl an Kanälen und Blogs sowie eine Handvoll Podcasts, die sich mit dem Thema beschäftigen – generell ist das Feld aber so übersichtlich, dass es selbst Aktuer*innen mit 5000 oder weniger Abonnent*innen zu einer gewissen Bekanntheit innerhalb der Community schaffen. Im deutschsprachigen Raum sind dabei viele Akteur*innen vernetzt. Die Szene ist so klein, dass die Videos gegenseitig kommentiert werden und sich die Multiplikator*innen auf allen wichtigen Veranstaltungen begegnen. Dabei nehmen die Akteur*innen im Feld manchmal gleich mehrere Rollen ein. Hunter & Cron sind nicht nur YouTuber, sondern eben auch Veranstalter einer Brettspiel Convention, der Betreiber des Spielecafés nebenher noch Verlagsinhaber und Jens Junge ist nicht nur Spieleforscher, sondern ich traf ihn auch auf der Berlin Brettspiel Con ebenso wie auf der Preisverleihung des Spiel des Jahres in seiner Funktion als Vertreter des Magazins spielebox.

Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass trotz des Nähenarrativs vor allem im Bereich der Multiplikator*innen eine gewisse Distanz gegenüber mir und der Forschung zu spüren war. So kam, wie schon erwähnt, ein Interview mit Hunter nicht zustande und das, obwohl es mehrfach zur Sprache kam. Ebenso war beim Spiel des Jahres eine Zurückhaltung zu spüren und ich konnte erst nach der Offenlegung meiner Forschungsidee daran teilnehmen. Sowohl die Preisverleihung des Kinderspiel des Jahres, die ich online verfolgte, sowie die Spiel des Jahres-Verleihung, an der ich teilnahm, unterschieden sich im Eindruck stark von allen anderen Feldaufenthalten. In meinem Forschungstagebuch habe ich zum Kinderspiel des Jahres notiert, dass ich die Veranstaltung sehr erwachsen und fast schon als spießig empfinde.355 Und auch die Spiel des Jahres-Verleihung hat einen sehr förmlichen Charakter. Besonders ins Auge fiel mir damals, dass es vor Ort keine Möglichkeit gab die nominierten und prämiierten Spiele zu spielen. Nach dem eigentlichen Akt der Verleihung waren diese zwar in einem gesonderten Raum werbewirksam aufgestellt, aber Tische, um diese auch zu spielen, gab es nicht.356 In einem Gespräch nach einem Spielabend erzählt mir Artur dann von

350 Vgl. The Dice Tower: About the Dice Tower. Abrufbar unter https://www.dicetower.com/content/about-dice-tower; (Zugriff am 15.07.2020). 351 Beides Stand 24.04.2020; Vgl. Shut Up & Sit Down: Kanalinfo. [YouTube]. Abrufbar unter https://www.youtube.com/channel/UCyRhIGDUKdIOw07Pd8pHxCw/about (Zugriff 24.04.2020); und The Dice Tower: Kanalinfo. [Youtube]. Abrufbar unter https://www.youtube.com/user/thedicetower/about (Zugriff am 24.04.2020). 352 Vgl. Hunter & Cron: Kanalinfo. [YouTube]. Abrufbar unter https://www.youtube.com/user/hunterundcron/about; (Zugriff am 24.04.2020). 353 Vgl. Brettspielblog: Kanalinfo. [YouTube]. Abrufbar unter https://www.youtube.com/user/Brettspielblog/about; (Zugriff am 24.04.2020). 354 Vgl. SpieleBlog: Kanalinfo. [YouTube] Abrufbar unter https://www.youtube.com/channel/UCmygqPg6xajBuGIDnPiXr0g/about; (Zugriff am 25.04.2020). 355 Vgl Forschungstagebuch vom 11.06.2018. 356 Vgl Forschungstagebuch vom 23.07.2018. 79 der Preisverleihung des Deutschen Spielepreises. Er meint, dass trotz aller Nähe zu den Konsument*innen vor allem Preisverleihungen sehr elitär und abgeschottet ablaufen würden. Er machte sich lustig darüber, dass beim Deutschen Spielepreis, der in Essen verliehen wurde, das Ganze abseits des Messebetriebes und mit einem großes TamTam abgelaufen sei – wobei alle nominierten Spiele nochmal vorgestellt worden seien, obwohl die Sieger ja zu diesem Zeitpunkt bereits feststanden und sogar schon veröffentlicht waren.357 Trotz des Nähenarrativs gibt es also einen Bereich, der zwar nach außen den Anstrich von Publikumsnähe hat, der aber nicht für alle zugänglich ist und in dem eine distanzierte Förmlichkeit herrscht. Von der Leidenschaft und der Lust zu spielen, die ich sonst im Feld erlebte, war bei den Verleihungen nichts zu spüren. An dieser Stelle bricht dann auch das Bild des »Wir sind alle nur Spieler*innen«-Narrativs und ich fühle mich an Huizinga erinnert, der, ich wiederhole, meint, es gehe »[…] mit der stets zunehmenden Systematisierung und Disziplinierung des Spiels auf die Dauer etwas von dem reinen Spielgehalt verloren. Dies offenbart sich in der Scheidung der Spieler in Professionelle und Liebhaber.«358

5.4. YOUTUBE UND KOMMERZ

Im deutschsprachigen Raum betreibt das YouTube- und Bloggeschäft fast keine*r beruflich. Nur Johannes Jaeger (Hunter) hat seinen früheren Job aufgegeben, um sich ganz dem Brettspiel zu widmen. Neben dem YouTube-Kanal und der Website, die er mit Jan Cronauer (Cron) betreibt, ist Jaeger Geschäftsführer der Analoge Freunde Brettspiele GmbH, mit der er u.a. die Berlin Brettspiel Con organisiert. Sowohl Jaeger als auch Cronauer kommen aus der Filmbranche, was an der Qualität und dem Aufbau ihrer Videos deutlich zu sehen ist. Der hohe Grad an Professionalität und die hohe Frequenz an Content scheinen die Gründe zu sein, weshalb sie sich an die Spitze der deutschen Brettspiel-YouTuber gesetzt haben. Richard meint dazu…

»Und am meisten hat es sich durch Hunter & Cron verändert. Wenn man irgendwie bei YouTube was sieht, dann sieht man die beiden. Und die machen halt so viel, dass man gar nicht mehr hinterher kommt, die ganzen Sachen zu gucken mittlerweile.«359

Der Erfolg zeigt sich vor allem auch an Zahlen. In einer sehr frühen Phase der Forschung notierte ich mir den Stand der Abonnent*innen von Hunter & Cron bei 29.702360, was einen Zuwachs von über 20.000 Abonnent*innen in der Zeit meiner Forschung bedeutet. Der Rest der Multiplikator*innen betreibt seine Kanäle semi-professionell oder als reines Hobby. Für die Rezensionsarbeit stellen viele Verlage den Rezensierenden kostenfreie Exemplare zur Verfügung und auch das Spielecafé profitiert von solchen Abmachungen. Der Besitzer des Cafés erzählt mir, dass er in der Anfangszeit die Spiele schon alle selbst angeschafft habe, dass die Verlage aber mit der Zeit den Wert eines solchen Ladens entdeckt haben. Mittlerweile bekomme er viele Exemplare von den Verlagen ungefragt zugeschickt. Dafür gebe er ihnen Rückmeldung darüber welches Spiel gut angekommen sei, wenn sie sich auf Messen treffen. Nur bei Asmodee würde er ganz normal bestellen müssen, aber da habe er einen Händler-Zugang und würde die Spiele zumindest zum Händlerpreis bekommen.361 Zu den freien Exemplaren kommen teils noch andere Einnahmen. Durch Partnerlinks erhalten YouTuber*innen und Blogger*innen bei Händlern Provisionen, wenn Zuschauer*innen diese zum Einkauf benutzen. Hinzu kommen teils Crowdfundingkampagnen um neues Equipment anzuschaffen, die die Qualität der Videos und den Content verbessern, der Verkauf von Merchandise oder gar regelmäßige Einkommen durch Social-Payment-

357 Vgl. Forschungstagebuch vom 16.11.2018. 358 Ebda., S. 213. 359 Richard im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 360 Notiz aus dem Forschungstagebuch vom 24.07.2018. 361 Vgl. Forschungstagebuch vom 19.06.2018. 80

Service-Anbieter wie Patreon. Hunter & Cron verdienen damit beispielsweise 2,523 US- Dollar im Monat bei 437 Förder*innen.362 Der produzierte YouTube-Content zu Brettspielen ist vielfältig. Zu einem großen Teil besteht dieser aus der Vorstellung von Neuheiten, Spielerezensionen und Regelerklärungen. Daneben werden Spiele in sogenannten Let‘s Plays, einem Begriff, der aus dem Videogamebereich kommt, teils live gespielt und kommentiert. Eine größere Aufmerksamkeit bekamen solche Let‘s Plays durch den amerikanischen Schauspieler Wil Wheaton, der vor allem durch seine Rolle als Wesley Crusher in der Serie Star Trek: The Next Generation bekannt wurde. Von 2012 bis 2017 hatte Wheaton eine Webserie, bei der er mit Freunden und Prominenten zusammen Brettspiele spielte. Er gilt als Größe in der Geek- und Nerdszene363 und die Webserie erfreute sich einer ausgesprochen großen Beliebtheit. Dass bekannte Personen Brettspiele spielen, hat zu deren Popularität beigetragen, so meint Richard:

»Also es ist schon richtig krass, wie in Amerika Will Wheaton auch Stars mit an den Tisch bringt. Da wissen ja jetzt auch schon viel, viel mehr Leute, dass es gibt Brettspiele gibt. Und wenn da ein Vin Diesel halt sitzt und sein Rollenspiel abzieht, dann wissen danach halt auch Leute, die eigentlich nichts damit zu tun haben, was ein Rollenspiel ist.«364

Mit ihrem Content geben Blogger*innen und YouTuber*innen Orientierungshilfe im breiten Angebot der Brettspiele und genießen dabei selbst oft Popstatus. Zwar gibt es auch noch analoge Medien zum Brettspiel, in Form von Zeitschriften wie spielebox und Spiel Doch!, der Großteil an Brettspielbesprechungen findet aber online statt. Zwar ist auffällig, dass es, vor allem bei den erfolgreichen Multiplikator*innen kaum negative Rezensionen gibt, dennoch hat die Meinung der Multiplikator*innen einen großen Einfluss auf den Markt – sie sind Influencer im wahren Wortsinn. Das kann so weit gehen, dass sie es schaffen Out-of- Print-Spiele neu auflegen zu lassen, so wie bei den Spielen Fiese Freunde Fette Feten oder AquaSphere365. Beide Spiele wurden auf Einfluss von Hunter & Cron neu aufgelegt und zudem um spezifisches Hunter & Cron Zusatzmaterial ergänzt.366 2018 hat der Verlag Rudy Games auf Facebook eine Umfrage gestartet mit der Fragestellung: »Wie informierst du dich über Brettspiele?« Ganz oben landete der YouTube- Kanal von Hunter & Cron, auf Platz zwei landete BoardgameGeek.367 Ob die Antwortenauswahl vorgefertigt war, oder ob es für die Nutzer*innen, wie für Facebook üblich, die Möglichkeit gab selbst Antworten anzugeben, ist im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbar. Und natürlich ist diese Umfrage nicht repräsentativ, aber sie zeigt einen Trend. Von den zehn häufigsten Antworten war nur eine nicht digital. Auch die meisten meiner Gewährspersonen nutzen Onlineangebote, um sich über Brettspiele zu informieren. Erik erzählt, wie das bei ihm angefangen hat:

362 Stand 11.05.2020. Patreon: Hunter & Cron. Abrufbar unter https://www.patreon.com/hunterundcron; (Zugriff am 11.05.2020). 363 Ich werde später noch auf die Verwendung beider Begriffe eingehen. Wheaton selber benutzt Geek und Nerd auch als Selbstbezeichnung. Siehe dazu Jen Oritz: Will Wheaton Defines What a Geek is. GQ 2014. Abrufbar unter https://www.gq.com/story/wil-wheaton-definition-geek-nerd; (Zugriff a, 01.05.2020). 364 Richard im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 365 AquaSphere: Stefan Feld. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2014 bei Hall Games. 366 Vgl. hierzu Hunter & Cron: Fiese Freunde Fette Feten – Hunter & Cron Edition. Abrufbar unter https://hunterundcron.de/produkt/fiese-freunde-fette-feten-hunter-cron-edition/ (Zugriff am 15.07.2020). und Hunter & Cron: AquaSphere – Hunter & Cron Edition inkl. Erweiterung. Abrufbar unter https://hunterundcron.de/produkt/aquasphere-hunter-cron-edition/; (Zugriff am 01.05.2020). 367 Rudy Games: Umfrage auf Facebook 2018. Abrufbar unter https://www.facebook.com/RudyGamesCom/photos/a.1851862785042289/2253745528187344/?type=3&theater (Zugriff am 15.07.2020). 81

»Erik: Ich war halt schon immer großer Podcast-Fan – und ich dachte: ah es muss doch einen Brettspiele-Podcast geben. Und dann bin ich auf diesen Deutscher Spiele-Podcast aufmerksam geworden, einfach bei Google gesucht: Spiele-Podcast.

TJK: Gibts den noch?

Erik: Naja nicht wirklich […]. Also wo ich jetzt im Nachhinein die anderen Sachen kenne, muss ich sagen war nicht so doll. Aber damals hat mich das schon so ein bisschen angefixt und bei denen war halt cool, die haben diesen Podcast gemacht, aber das, was sie erzählt haben, halt auch immer auf YouTube aufgenommen. Und danach eine Beispielrunde gemacht. Und dann hab ich alle Folgen von diesem YouTube-Zeug gesehen und bin dann so reingeschliddert und hab mir eine ewige Wunschliste gemacht, was ich jetzt auch mal spielen will und [.] genau, so kam das eigentlich.«368

Wie schon im vorherigen Kapitel beschrieben, werden oft Spiele gekauft, die bei Freunden gespielt und als gut befunden wurden. Blindkäufe finden zwar statt, werden aber wenn möglich vermieden. Es wird jede Chance genutzt um ein Spiel, für das sich interessiert wird, zu probieren, davon erzählt auch Sophie:

»Also Sagrada369 gefällt uns wesentlich besser zum Beispiel. Da haben wir auch wieder die Möglichkeit genutzt im Brettspielcafé das auszuprobieren. Also Sachen anspielen machen wir eigentlich gerne.«370

Da ein Anspielen nicht immer möglich ist, greifen die meisten Spieler*innen auf die indirekte Variante der Online-Rezensionen zurück:

»Also wenn wir kaufen, dann kaufen wir teilweise nach Optik – also manchmal sind es Blindkäufe. Wir kaufen aber auch viel nach Rezensionen, also wir gucken wirklich viele YouTuber, oder ja eigentlich doch vorrangig YouTube, was die so empfehlen und wo man auch mal ein Let‘s Play oder so sehen kann, wo man sieht, wie funktionierts. Ja, das machen wir viel.«371

Auf Grundlage der Möglichkeiten des Anspielens oder der Einschätzung der Multiplikatoren treffen die Spieler*innen dann eine Kaufentscheidung:

»Naja das Schlimme ist ja auch, dass die Spiele auch relativ teuer sind. Und wenn man dann so ein Spiel sieht, was einen vielleicht interessiert, aber man gar keine Ahnung hat, dann holt man es sich nicht, denn es ist einfach viel zu teuer und auf gut Glück macht man das nicht. Deswegen ist ja dieses Erklären und Rezensieren auf YouTube so eine coole Sache.«372

Es mag zuerst irritieren, dass Menschen anderen Menschen dabei zuschauen, könnten sie diese Spiele doch genauso gut einfach selbst spielen – und das Ganze passiert auch noch online von zu Hause aus auf dem Sofa. Bei genauerer Betrachtung findet sich dieses Phänomen aber bei den meisten Spielformen, sei es, wie schon angesprochen, beim Videospiel oder gar beim Fußball. Auch dort sitzt eine Vielzahl an Personen vor dem Fernseher und schaut sich mit Begeisterung ein Spiel an, welches sie selbst eher selten spielen. Hier zeigt sich erneut, dass die Praxis Brettspiel nicht nur das tatsächliche Spielen an sich umfasst, sondern auch das Konsumieren von Angeboten rund um das Brettspiel. Es geht dabei darum auf dem Laufenden zu sein und in der Fülle von Angeboten den Überblick zu bewahren.

368 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 369 Sagrada: Adrian Adamescu/Daryl Andrews. Erstveröffentlichung auf Englisch 2017 bei Floodgate Games. 370 Auszug aus dem Gruppeninterview vom 03.08.2018. 371 Sophie im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 372 Mia im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 82

Aber mit steigender Zahl an Multiplikator*innen und damit an unterschiedlichen Angeboten sehen sich diese auch zunehmend mit Kritik konfrontiert. Da sich viele Kanäle mittlerweile vom Hobby zum semi-professionellen Kanal entwickelt haben, wird vor allem Form und Qualität der Angebote in Augenschein genommen.373 Ein weiterer Punkt der Kritik ist die zunehmende Kommerzialisierung solcher Kanäle, die auch in der eben genannten Forumsdiskussion auftaucht. Die Werbung um finanzielle Unterstützung ist dabei sehr offen. So schreiben Hunter & Cron auf ihrer Website: »Wir freuen uns sehr, wenn Du uns mit Geld unterstützt, aber unsere Videos sind frei für alle. Auch ein Abo auf YouTube unterstützt uns.«374 Dabei ist die Aussage hier nicht mal ganz richtig, denn auch Hunter & Cron bieten speziellen Content für Petreon-Unterstützer, also Videos, die nicht jedem frei zugänglich sind, sondern denen vorbehalten, die sie finanziell unterstützen. Auf der Berlin Brettspiel Con 2018 gab es am Abend vor der offiziellen Eröffnung einen exklusiven Spieleabend für Helfer*innen und Petreon-Unterstützer*innen. Es zeigt sich, dass sich um das Produkt Brettspiel, neben der eigentlichen Entwicklung und Vermarktung, ein Seitenstrang entwickelt, der am Medium Brettspiel partizipiert und davon profitiert. Dieser Seitenstrang filtert die Angebote, bereitet sie auf und macht sie für eine breitere Masse besser konsumierbar. Für die Branche ist das letztlich kostenfreie Werbung. Mit ihrem Angebot und ihrer Reichweite werden die Multiplikatoren wie Blogger*innen und YouTuber*innen zu Policymakern der Brettspielszene und beeinflussen den Markt maßgeblich mit.375 Die Nutzer*innen scheinen dabei immer mehr und bessere Angebote zu erwarten. Dass dies für die Anbieter*innen aber auch finanziellen Einsatz bedeutet, scheint oft ausgeblendet zu werden. Elias betrachtet das so:

»Ich meine, das ist wahrscheinlich auch das Problem bei den Leuten, dass das auch mal kostenlos angefangen hat und dass wahrscheinlich auch Hunter & Cron mal so angefangen haben, dass sie das als Hobby gemacht haben und wahrscheinlich gar nicht die Idee gehabt haben, daraus ein Geschäft zu machen.«376

Elias spricht hier einen wichtigen Punkt an, mit dem sich viele Influencer konfrontiert sehen. Ihre Tätigkeit wird im Rahmen einer Freizeitbeschäftigung oder eines Community- Services gesehen. Oft beginnt es auch genau als solcher. Aber je mehr die Konkurrenz wächst, desto mehr muss sich jeder einzelne behaupten. Eingestellte Angebote müssen an Qualität und auch an Quantität zunehmen. Dies bedeutet einen Mehraufwand an Zeit und Kosten, der wiederum irgendwie erwirtschaftet werden muss – das funktioniert über die schon angesprochenen Mechanismen. Dadurch kann es auch passieren, dass Angebote hinter einer Paywall verschwinden und nur Nutzer*innen zugänglich sind, die die Anbieter*innen regelmäßig unterstützen. Der zu große Fokus auf den finanziellen Aspekt widerspricht dabei allerdings dem sozialkulturellen Bild der Community377, welches durch Nähe, Gemeinschaft und Egalität gekennzeichnet ist. So begegnete mir auch in Bezug auf die Berlin Brettspiel Con derartige Kritik. Julius berichtete von der zweiten Con 2016, bei der er als Helfer dabei war. Dort bekamen die Helfenden am Ende als Dankeschön Spiele, die die Veranstalter als Spenden von den Verlagen erhalten hatten. Auf der Berlin Brettspiel Con 2018 war dies nicht der Fall. Julius zeigte sich davon enttäuscht, denn schließlich würde das ganze Team freiwillig helfen und Spiele seien eine gute und beliebte Entlohnung gewesen378:

373 Siehe hierzu als Beispiel einen Forenbeitrag zur Kritik am Kanal Brettspielblog.net. Vgl. Spieleoffensive: Brettspielblog.net. Quantität statt Qualität? Brauchen wir so etwas?. Spieleoffensive.de Forenbeitrag. Abrufbar unter https://www.spiele- offensive.de/Forum/Brettspielblog-net-Quantitaet-statt-Qualitaet-Brauchen-wir-so-etwas-9987-0.html; (Zugriff am 15.07.2020). 374 Hunter & Cron: Über uns. Hunterundcron.de. Abrufbar unter https://hunterundcron.de/ueber-uns/; (Zugriff am 15.07.2020). 375 Siehe dazu u.a.: Sanja Nazerali: Wie sich durch YouTube-Multiplikatoren die Regeln im Marketing ändern. Think with Google 2017. Abrufbar unter https://www.thinkwithgoogle.com/intl/de-de/marketingkanaele/youtube/wie-sich-durch-youtube- multiplikatoren-die-regeln-im-marketing-andern/; (Zugriff am 15.07.2020). 376 Auszug aus dem Interview mit Elias vom 06.09.2018. 377 Auf dieses Bild werde ich im folgenden Kapitel genauer eingehen. 378 Vgl. Interview mit Julius vom 04.09.2018. 83

»Womit kriegt man Brettspielfreaks? Mit Bettspielen! Und vermutlich hätten sie genug, so dass sich jeder zumindest ein symbolisches Spiel oder so aussuchen kann. Oder wenn das dann ungerecht wäre, weil einer eins für 15 Euro und einer eins für 60 Euro bekommen hat, dann könnte man das auch mit einem Punktesystem, so wie der Heidelberger Spieleverlag das hat, oder auch Pegasus glaube ich. Dass man die dann ansammeln kann und dann kann man sich ein Spiel aus der Bibliothek aussuchen. Ich meine, wenn ich irgendwo anders in der gleichen Zeit für den Mindestlohn gearbeitet hätte, könnte ich mir deutlich mehr Spiele kaufen. Darum geht es aber nicht, es geht um die Anerkennung.«379

Mit dieser Meinung steht Julius nicht allein. Auch viele andere Helfer und Helferinnen waren enttäuscht. Nicht unbedingt deswegen, weil sie keine Spiele als Dank erhalten hatten – in der Kritik stand auch, dass die beiden Gesichter der Messe, also Hunter & Cron, sich selten beim Team hatten blicken lassen und dass die Arbeit fast als selbstverständlich aufgefasst wurde. Es wurde also kritisiert, dass es an der so oft betonte Nähe fehlte. Auch mir fällt auf, dass sich beim Vorbereiten der Messe eine andere Seite von Hunter zeigt, die die Zuschauer*innen der Videos nicht zu sehen bekommen. Auf der Messe ist er Geschäftsmann und auf seinen Schultern liegt (finanzielle) Verantwortung. In meinem Forschungstagebuch habe ich später notiert, dass ich den Umgangston, beispielsweise seiner Praktikantin gegenüber, als rau und fast befehlsartig empfinde, aber auch glaube, dass Druck und Anspannung in diesem Moment sehr hoch sein müssen.380 In vielen Gesprächen nach der Berlin Brettspiel Con 2018 und auch während und nach der Brettspiel Con 2019 äußerten sich viele Helfende kritisch gegenüber dem Kommerzialisierungsaspekt. Der Umgang mit den Helfenden war dabei der wichtigste Faktor. Eine Umsetzung ohne freiwillige Helfer wäre schier unmöglich, denn die eingesparten Kosten durch die Helfenden, die mit Auf- und Abbau sowie den Betreuungen der Aussteller*innen und Besucher*innen einen Großteil der Arbeit leisten, sind enorm. Ein weiterer Kritikpunkt war das Preiskonzept. Trotz Bedenken aus dem Team wurden die Eintrittspreise 2019 erhöht und Vorschläge für ermäßigte Karten, für beispielsweise ALG-II- Empfänger*innen wurden nicht umgesetzt.381 Bei aller Kritik und auch Androhungen, hinter vorgehaltener Hand, beim nächsten Mal nicht mehr zu helfen, fanden sich fast alle Helfenden von 2018 auch 2019 wieder. Der Community-Gedanke und der Wunsch »ein Teil des Ganzen« zu sein, scheint, bei aller Kritik, doch zu überwiegen. Die Messe bietet den Helfenden die Möglichkeit sich drei Tage fast unentwegt mit ihrem Lieblingsthema zu beschäftigen, Gleichgesinnten zu begegnen und sich mit ihnen auszutauschen. Und dabei sind sie nicht einfach nur Konsument*innen, sondern gestalten ihr Hobby in einer aktiven Rolle mit.

Bis hierhin habe ich gezeigt, dass sich Brettspiel als Populärkulturelles Medium verstehen lässt, welche Kommerzialisierungsaspekte damit einhergehen und welchen Einfluss dabei Multiplikator*innen und digitale Medien haben. Doch, so meint Andreas Hepp:

»Populärkultur kann nicht ausschließlich als Konsum von industriell vorgefertigten Produkten konzeptionalisiert werden. Wie andere kulturelle Phänomene wird Populärkultur in einem aktiven Prozess der Erzeugung und Zirkulation von Bedeutung innerhalb eines bestimmten Kontextes konstituiert […]. Entsprechend kann Populärkultur – wie sehr auch immer sie kommerzialisiert ist – nicht nur in den Begriffen des Kaufens und Verkaufens von Waren beschrieben werden.382

Erik fasst das in einem kurzen Satz so zusammen: »Also für mich ist Brettspiel Unterhaltung – ganz klar. Auf einer Stufe mit Film, mit Sport machen, halt ein Hobby, bei

379 Auszug aus dem Interview mit Julius vom 04.09.2018 380 Forschungstagebuch vom 24.07.2018. 381 ALG II steht für Arbeitslosengeld 2 und ist vergleichbar mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) in Österreich. 382 Hepp: Cultural Studies und Medienanalyse, S. 66. 84 dem man Spaß hat.«383 Was Erik hier als Spaß beschreibt, kann als populäres Vergnügen beschrieben werden, welches Andreas Hepp mit Bezug auf Roland Barthes in zwei Arten unterscheidet: evasives und bedeutungsstiftendes Vergnügen.384 Beides lässt sich beim Brettspiel beobachten. Das evasive Vergnügen, mit der Tendenz zum Körperlichen und Exzessiven habe ich bereits im vorherigen Kapitel beschrieben. Dass dieses Vergnügen auch Bedeutung stiften kann, zeigt sich, wenn es um die Sozialkultur des Brettspiels geht. Im nächsten Abschnitt möchte ich mir zunächst das gesellschaftliche Bild des Brettspiels genauer anschauen.

5.5. BRETTSPIEL - DAS GUTE MEDIUM / ÄSTHETISCH- KULTURELLE PRAKTIK

Im Interview mit dem YouTube-Kanal Spiel doch mal … ! erzählt der Geschäftsführer des Spiel des Jahres Guido Heinecke von alten gescannten Artikeln, die er vor kurzem gefunden habe. In einem dieser Artikel wird von der Westdeutschen allgemeinen Zeitung schon 1978 geschrieben, dass Spielen nicht tot sei. Diese Art über Brettspiele zu schreiben zieht sich, so Heinecke, bis heute durch die Medienlandschaft, indem Journalist*innen noch immer sagen »Das Spielen kommt wieder.« Dem entgegnet Heinicke mit einem kräftigen »Nein! Es kommt seit 40 Jahren. Und es wird auch immer noch weiter gehen, weil der Mensch einfach gerne spielt.«385 Das »totgesagte« und »auferstandene« Brettspiel ist auch während der Endfassung dieser Arbeit ein Thema, bei der die Coronakrise sehr präsent ist. In einem Artikel in der Zeit386 beschäftigten sich zwei Autoren mit der Frage, ob die Zeit mit Brettspielen gut genutzt sei, oder ob es sich um reine Zeitverschwendung handele, wie einer der beiden Autoren meint:

»Seine Zeit auf Erden auch nur teilweise mit Brett- und Gesellschaftsspielen zu verbringen, davon bin ich zutiefst überzeugt, ist Ausdruck einer derart großen Vergeudung des hohen Gutes ›existenzielle Langeweile‹, dass mir dafür absolut keine Rechtfertigung denkbar erscheint.«387

Zwar gibt es Artikel wie diesen, die Brettspiel als spießigen, langweiligen Anachronismus ansehen. Der Blick auf das Spiel ist aber gar nicht so negativ, wie der erste Anschein vermuten lässt. Denn selbst Artikel, die das Brettspiel totgeglaubt nennen, verfallen nicht in Aussagen darüber, wie überholt und bieder das Brettspiel sei, sondern sind überrascht von dessen Vielfalt und Abwechslungsreichtum. Doch die Wunden als Medium oft übersehen zu werden, scheinen tief zu sitzen, und so wird das Narrativ des Spießigen vor allem auf Seiten der Befürworter selbst vor sich hergetragen, um dann direkt dagegen argumentieren zu können.

»Wer noch vor ein paar Jahren das Wort ›Brettspielabend‹ in den Mund genommen hat, musste damit rechnen, den einen oder anderen mitleidigen Blick zu ernten. Analoge Spiele wurden wegen ihrer vermeintlichen Biedermeier-Spießigkeit und einzuhaltenden Regeln oft abgelehnt, manchmal sogar leicht verachtet. Kenner*innen, Familien sowie allgemein Menschen, die sich nicht stets um Distinktion bemühen müssen, war das freilich egal. Seit 40 Jahren ist analoge Spielkultur fest in unserer Kultur verankert […].«388

383 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 384 Vgl. Hepp: Cultural Studies und Medienanalyse, S. 73. 385 Vgl. Spiel doch mal … !: Spiel des Jahres Geschäftsführer Guido Heinicke im Interview – 2019 – Spiel doch mal…! [YouTube], veröffentlicht am 22.03.2019, hier ab Min: 4:20. Abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=r8Kb3CPMmVA&fbclid=IwAR0YrA7Vu67jjDB27f8dDR5SCy1z- Xusemcivc3Z6J_f31vA6QqevPzLkFY; (Zugriff am 15.07.2020). 386 Vgl. David Hugendick/Dirk Peitz: Gewinnen ist was für Verlierer? Zeit Online 2020. Abrufbar unter https://www.zeit.de/kultur/2020-03/corona-quarantaene-zeit-gesellschaftsspiele-pro- contra?wt_zmc=sm.ext.zonaudev.whatsapp.ref.zeitde.share.link.x; (Zugriff am 04.05.2020). 387 Ebda. 388 Robert Glashüttner: Brettspiele sind so vielfältig wie noch nie. FM4 2019. 85

Negative Zuschreibungen finden sich vor allem in Artikeln, die positiv über Brettspiele berichten und selbst dem Contra in der Zeit folgt eine Seite mit Pro und lässt die Lesenden eher mit den positiven Eigenschaften des Spiels zurück. Aber das Vorurteil, dass das Brettspiel mit Vorurteilen zu kämpfen habe, hält sich hartnäckig. Auch meine Gewährspersonen äußern sich immer wieder dahingehend, dass Hobby Vorurteilen ausgesetzt seien:

»Naja, also ich glaube, dass da auch viele Vorurteile sind und das sehr in die nerdige Ecke gesteckt wird, auch so wie Kellerkinder. Wobei eben durch die ganzen YouTube-Stars sich das ganze Bild auch gerade verändert.«389

Dabei ist es besonders auffällig, dass das Brettspiel eigentlich eine gesellschaftliche Aufwertung erfährt, gerade wenn es in den Vergleich zum digitalen Spiel gestellt wird. Beide sehen sich einem gesellschaftlichen Kampf um Anerkennung ausgesetzt – aber aus unterschiedlichen Gründen. So meint Lackner über digitales Spiel: »Spiele rücken ins öffentliche Interesse, wenn auch zum Teil äußerst negativ behaftet, etwas durch Gewaltausbrüche von Jugendlichen.«390 Obwohl die Veröffentlichung von Lackner nun schon ein paar Jahre zurückliegt, hat sich dahingehend nicht viel verändert. Noch immer schreiben Journalist*innen nach einem Amoklauf über den Zusammenhang von Computerspielen und Gewalt391, trotz Studien, die eine Kausalität nicht belegen. Aber trotz Gewalt- und Suchtdebatten rund um das digitale Spiel, mehrt sich das öffentliche und wissenschaftliche Interesse an Computerspielen. Es scheint fast so, als seien sie als ernstzunehmendes Medium in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dies liegt zum einen sicher daran, dass Computerspiele mittlerweile Einzug in die meisten Haushalte gefunden haben und an dem damit zusammenhängenden Umsatz, den die Branche jedes Jahr macht und damit einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Faktor darstellt. Im Jahr 2018 lag der Umsatz an Computer- und Videospielen, sowie Spiele-Hardware bei rund 4,4 Milliarden Euro allein in Deutschland.392 Hinweise für eine breitere gesellschaftliche Anerkennung sind u.a. die Eröffnung der Gamescom als der größten deutschen Computerspielmesse durch Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2017. Aber auch die erste Genehmigung für die Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen im Spiel im Jahr 2018393 deutet auf eine Veränderung des gesellschaftlichen Bildes hin, zeigt es doch, dass Computerspielen eine gewisse Kunstfreiheit zugesprochen wird – was dem Medium lange verwehrt blieb. Solche Entwicklung lassen sich als Durchbruch in einer anhaltenden Debatte um die Frage deuten, ob (Computer)Spiele Kunst- und Kulturgut seien. Das Brettspiel hat eher andere Probleme. Hier geht es meiner Ansicht nach um die schon angesprochene fehlende Aufmerksamkeit an sich. Im Blick des Digitalen kommt das Analoge sogar kaum vor. So schreibt Lackner in einem Teil seines Buches Computerspiel und Lebenswelt von der »Ära der Brettspiele«394 – als sei diese längst vorbei. Das Brettspiel wird als Medium übersehen oder bestenfalls belächelt. Dabei strebt die Branche einen ähnlichen

Abrufbar unter https://fm4.orf.at/stories/2994328/?fbclid=IwAR3uZEnAZ6ExNcgsL4tx1sVzi18QTweDC68dqb1pQbSy4- 2Yz57QIbQ98TU; (Zugriff am 16.11.2019). 389 Sophie im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 390 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 21. 391 Zum Thema Digitales Spiel und Gewalt empfehle ich Bareither: Gewalt im Computerspiel. und Harald Koberg: Bildschirmspiele und Gewalt. Eine kulturanthropologische Auseinandersetzung mit einem vielschichtigen Diskurs. Magisterarbeit. Graz 2014. 392 game Verband der deutschen Game-Branche: Jahresbericht der deutschen Games-Branche 2019. Berlin o.J., S. 12. Abrufbar unter https://www.game.de/wp-content/uploads/2018/08/game-Jahresreport-2019_web.pdf,; (Zugriff am 12.05.2020). 393 Vgl. u.a. Christian Ströhl: Hakenkreuze in Computerspielen ab sofort erlaubt. SVZ 2018. Abrufbar unter https://www.svz.de/deutschland-welt/kultur/Sind-Hakenkreuze-in-Computerspielen-in-Deutschland-erlaubt-id20662867.html; (Zugriff am 12.05.2020). 394 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 89. 86

Status an wie das digitale Spiel oder gar der Sport, der letztlich nur ein gesellschaftlich hoch angesehenes Spiel ist. Einige Anstrengungen führten bereits zum Erfolg. So wurde auf Bemühungen des Deutschen Spielearchivs Nürnberg, des Spielzeugmuseums Nürnberg und des Bayerischen Spiele-Archivs Haar das Brettspielen als immaterielles Kulturerbe in das Bayrische Landesverzeichnis aufgenommen.395 Damit ist der Ansatz gemacht, das Brettspiel aus der Ecke der kindlichen Zweitverschwendung herauszuholen und es als sinnvolle Erwachsenenbetätigung zu positionieren. Zu der Kulturgutdebatte sagt Guido Heinecke im Interview mit Spiel doch mal … ! folgendes:

»Ich glaube primär würd es dem Bild des Spiels in der Gesellschaft weiterhelfen, wenn das Spiel viel allgemeiner als ein Kulturgut wahrgenommen wird, weil aktuell oszilliert das Spiel in einem Dreieck zwischen elitärem Schachspiel, suchtgetriebenem Poker-Zocker-Spiel und dem Kinderzimmer, dass es dazwischen aber noch was gibt, dass das Spiel, dass ein Spiel eine tolle Erwachsenenunterhaltung sein kann, dass das Spiel was ist, was auch eine Aussage, eine Message hat – das wird selbstverständlich der Literatur und dem Film angezeigt – aber auch das Spiel ist ein Medium was Narrative hat, was Geschichten erzählen kann, was auch historische Kontexte aufgreifen kann. Oft ist es, das gebe ich zu, zwar recht dünn – wichtig ist bei Spielen der Mechanismus, aber wichtig ist bei Spielen auch, dass wir uns gemeinsam miteinander beschäftigen. Und es gibt kein Medium in der Form, das die Menschen dazu führt sich miteinander zu beschäftigen. Und wenn das Spiel als Kulturgut in der Gesellschaft, in der Außenwahrnehmung als wertiger und nicht als elitäres, suchtgetriebenes oder kinderkappes Zeug wahrgenommen wird, dann hat es vielleicht auch wieder mehr die Chance in einen gesellschaftlichen Diskurs mit aufgenommen zu werden.«396

Auch bei Heinecke zeigt sich der Wunsch, dass Brettspielen als kulturelle Praxis ernst genommen und diskursfähig wird. Spiel, so der allgemeine Tenor, sei ein wichtiger Teil menschlicher Kultur, das sehen Caja Thimm und Lukas Wosnitza auch bei Huizingas Texten: »Argumentiert wird, dass das Spiel dem Menschen so eigen ist, dass es kulturstiftend ist, und sich in Bereichen wie Recht, Krieg, Philosophie oder Kunst nachweisen lässt.«397 Oder um es mit Huizinga selbst zu sagen:

»Es schmückt das Leben, es ergänzt es und ist insofern unentbehrlich, unentbehrlich für die Einzelperson als biologische Funktion und unentbehrlich für die Gemeinschaft wegen des Sinnes, der in ihm enthalten ist, wegen seiner Bedeutung, wegen seines Ausdruckswertes und wegen der geistigen und sozialen Verbindungen, die es schafft: kurzum als Kulturfunktion.«398

Wenn das Brettspiel sich aber selbst in den Fokus einer Kulturdebatte stellt, eröffnet es neue Debatten zum Medium. Das Brettspiel muss sich also mit zunehmender Öffentlichkeit auch zunehmend fragen (lassen), welchen gesellschaftlichen Einfluss es mitbringt oder was es gesellschaftlich vermitteln will. Fragen, denen sich das digitale Spiel schon längst ausgesetzt sieht. Mit Bezug auf den Sozialpädagogen Kai Müller, meint Lackner: »Medien vermitteln […] Normen, Werte und Moralvorstellungen. Dies gilt auch für die Vorgänge in Computerspielen.«399 Und auch die Pädagogin Susanne Kirk, die sich auf die Medienpädagogen Fred Schell und Hans-Jürgen Palme bezieht, meint:

395 Bayrisches Staatministerium der Finanzen und für Heimat: Bayrisches Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. Abrufbar unter https://www.stmfh.bayern.de/heimat/ike/verzeichnis.htm; (Zugriff 05.05.2020). 396 Spiel doch mal … !: Spiel des Jahres Geschäftsführer Guido Heinicke im Interview. Ab Min. 07:00. 397 Thimm/Wosnitza: Das Spiel – analog und digital, S. 38. 398 Huizinga: Homo Ludens, S. 1. 399 Gleiches gilt für Brettspiele; Lackner nach Kai Müller, in Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 126. 87

»Nicht nur die Spielerlnnen nehmen Einfluss auf das Computerspiel, auch das Spiel nimmt Einfluss auf die SpielerInnen. Es bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, ihre Orientierungen und Einstellungen auszuformen. Computerspiele ›transportieren Inhalte, Normen und Verhaltensmuster, bieten Identifikationsmöglichkeiten und ermöglichen das gefahrlose Ausleben unterschiedlicher Rollen.‹«400

Häufig werden eben jene Werte und Orientierungen gesellschaftlich hinterfragt. Das führt zu Vorwürfen, dass das digitale Spiel (vor allem) die Jugend negativ beeinflussen würde – ein Vorwurf, den sich die meisten populärkulturellen Medien gefallen lassen mussten, der aber im Grunde längst als widerlegt gilt:

»Heute bezweifelt die Forschung mit guten Argumenten, dass populäre Kunst einen eindeutigen Einfluss auf die moralische Entwicklung Heranwachsender ausübt. Damals jedoch hatten Millionen Eltern starke Gründe, in ihrer angespannten Lebenssituation ängstlich darauf zu achten, ob etwa die Entwicklung der Kinder oder das Verhalten des Partners in die falsche Richtung gelenkt würden. Genau hier setzten Kampagnen an, die über die Skandalisierung populärer Unterhaltung das liberale System delegitimierten und kulturelle Freiheit als Missachtung der einfachen Leute anprangerten. Die Demagogen konzentrierten sich auf eine Behauptung: Die Massenkünste propagierten verderbliche sexualethische Leitbilder und widernatürliche Geschlechterrollen.«401

Die Frage nach dem gesellschaftlichen Einfluss und die Wirkung auf die Nutzer*innen, vor allem die jungen, scheint eine unausweichliche Begleiterscheinung der Kulturgutdebatte zu sein. Aber nicht alle streben eine Aufwertung des Brettspiels an, sondern sehen in dieser Prädikatisierung auch Probleme. In einem Video im September 2018 bespricht Johannes Jaeger (Hunter), mit der Betonung, dass er kein Experte sei, genau dieses Thema. Er hebt die kaum vorhandene staatliche Einflussnahme auf die Brettspielwelt hervor und bezeichnet dies als erfrischend – dem entgegen stellt er vor allem seine Erfahrungen aus der Filmbranche. Er meint, es existiere eine international wettbewerbsfähige Verlagslandschaft ohne Subventionen. Zudem würden Preise wie Spiel des Jahres auch ohne staatliche Dotierung auskommen. Unabhängig davon, ob er meint, Spielen sei ein Kulturgut, findet er staatliche Förderung nicht immer gut, da es eine Aushebelung der Marktkräfte bedeuten würde. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Spielebranche liege darin, dass sie gute Qualität liefern müsse und sich nicht auf Subventionen verlassen könne. Er versteht, dass eine Aufwertung der Brettspielwelt von einigen gern gesehen würde, findet aber, der Staat sollte dabei rausgehalten werden. Zudem stellt er die Frage, ob es dann eine Unterscheidung, wie beispielsweise in der Literatur von E[rnsthaften] und U[nterhaltungs-] Spielen gäbe und ob das neueste Spiel von Uwe Rosenberg dann Kulturgut wäre? Und wenn ja, was wäre dann mit einem Boosterpack für ein Sammelkartenspiel? Er unterstützt die Forderung, dass Brettspiel in der Gesellschaft höher angesehen wird und dass es als Erwachsenenhobby wahrgenommen wird, aber im Grunde findet er egal, was der Staat meint, denn das Brettspiel sei, dass wüssten die Brettspieler*innen eh schon, Kulturgut.402 Die Gegenargumente bleiben in der Unterzahl und manchmal erhält die Debatte ums Kulturgut Fürsprecher aus unerwarteter Richtung. Im Jahr 2017 sprach sich der Bayrische Philologenverband, als der Verband der Lehrkräfte an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen, dafür aus, das in Bayern sehr verbreitete Kartenspiel in Schulen einzuführen. Als Argumentation dafür wurde das Gegenwirken gegen die zunehmende

400 Susanne Kirk: Aus der virtuellen Welt in die surplus reality. In: Johannes Fromme/Norbert Meder (Hg.): Bildung und Computerspiele. Zum kreativen Umgang mit elektronischen Bildschirmspielen. Opladen 2001, S. 99 – 116, hier S. 100. 401 Kaspar Maase: Was macht Populärkultur politisch? Wiesbaden 2010, S. 36f. 402 Hunter & Cron: Gen Con Rückblick, Essen 2018 Ausblick, Kulturgut Spiel? – Brettspiel News mit Hunter #80. [YouTube] veröffentlicht am 04.09.201, hier ab Min. 20:40. Abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=5MCEDiuYjCw; (Zugriff am 15.07.2020). 88

Digitalisierung und vor allem eine Besinnung auf Heimat und Tradition genannt.403 Diese Argumentation ist keine Seltenheit. Dem analogen Spiel wird eine traditionswahrende und identitätsbildende Wirkung zugesprochen und es wird als Mittel gegen das Digitale gesehen, welch letzteres eben jene Werte anzugreifen scheint. Der Soziologe Fritz Böhle beschreibt das gesellschaftliche Bild der verschiedenen Spielformen folgendermaßen:

»Computerspiele zählen ähnlich wie das Glücksspiel eher zu den negativen und schädlichen Formen des Spielens. Demgegenüber erfreuen sich bspw. Sport-Spiele und Gesellschaftsspiele sowohl großer Beliebtheit wie auch Anerkennung als sinnvolle Freizeitbeschäftigung.«404

Das Brettspiel wird zum Refugium positiver Werte. In den kurzen einleitenden Worten zur Preisverleihung des Kinderspiels des Jahres geht die Leiterin der Jury darauf ein, wie wichtig es sei mit Kindern zu spielen und wie das Spielen das Miteinander fördere, dass die anderen Spieler*innen dabei noch gespürt würden und es beim Brettspiel um echte Gefühle gehe. Dabei distanziert sie sich klar vom digitalen Spiel und sagt sogar wörtlich, dass »Digitale Medien die Feinde Nr. 1 des Miteinander« seien.405 Gegen das Digitale werden dabei die klassischen Hauptargumente ins Feld geführt – soziale Vereinsamung, Eskapismus, Suchtdebatten und die Vermittlung zumindest fragwürdiger Normen und Werte, die zu negativem Verhalten führen würde. Durch Branchenvertreter*innen und Multiplikatoren findet eine Aufwertung des Brettspiels statt, die versucht wird mit einer Abwertung des Digitalen zu unterstreichen. Das ist auf mehreren Ebenen problematisch. Zum einen werden dabei Spielformen gegeneinander ausgespielt und zum anderen wird das Spiel allgemein und das digitale Spiel im Speziellen als potenzielle Auslöser für gesellschaftliche Probleme dargestellt. Das verdreht aber zum Teil die Wirkmechanismen, denn Spiele sind auch, so Lackner…

»[…] ein Spiegel der Gesellschaft. In ihnen werden daher nicht nur positive Aspekte der realen Welt transformiert, sondern auch die negativen, wie Krieg, Angst, Horror und Terror. Spiele können nicht unabhängig von der Gesellschaft erklärt werden, in der sie stattfinden, sondern sie sind ein Raum zur Verarbeitung realer gesellschaftspolitischer Problematiken. Sie sind deshalb weder schlechter noch besser als das reale Umfeld, in dem gespielt wird.«406

Es ist wohl unumstritten, dass einige Darstellungen, Themen oder Inszenierungen von Computerspielen problematisch sein können – dieser Fakt trifft aber ebenso auf Filme und Bücher zu. Aber in der Tat erhalten Spiele oft eine weniger kritische Betrachtung durch die Konsument*innen, dies liegt vor allem an der ludischen Sphäre, die keine allzu großen Störungen duldet. So meint Lackner:

»Die SpielerInnen passen sich der dargebotenen Spielwelt an, ohne sie kritisch zu hinterfragen, dies wäre dem Spielvergnügen abträglich. Wenn man beginnt, ein Spiel ernsthaft zu hinterfragen bzw. in Frage zu stellen, verliert es schnell seine schützende Sphäre des Spielhaften und damit die Abgrenzung zur Realität.«407

403 U.a. als Pressemeldung hier zu finden: Silke Fokken: »Bildungsgehalt des Schafkopfens ist immens« Spiegel Panorama 2018. Abrufbar: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/schafkopf-bayerischer-philologenverband-will-kartenspiel-an-schulen- foerdern-a-1245514.html; (Zugriff am 15.07.2020). 404 Fritz Böhle: Computerspiele – nicht zu viel sondern eher zu wenig Spiel. Eine Betrachtung aus kultur- und arbeitssoziologischer Sicht, in: Claus Pias/Christian Holtorf (Hg.): ESCAPE! Computerspiele als Kulturtechnik Köln u.a. 2007, S. 107-127, hier S. 107. 405 Forschungstagebuch vom 11.06.2018. 406 Lackner: Computerspiele und Lebenswelt, S. 42f. 407 Ebda., S. 160. 89

Dieser Fakt bietet jedoch auch eine Chance. Die ludische Sphäre bietet eben genau Möglichkeiten Distanz zum Gegenstand aufzubauen – sie ist nicht die Realität und dessen sind sich die Spielenden auch bewusst:

»Auch wenn die von mir befragten SpielerInnen in den dargestellten Spielwelten Propagandadarstellungen des Militärs erkennen können und diese auch kritisieren, sehen sie diese eher als vernachlässigbare Störung der Spielwelt an. Wichtiger ist für sie ein gut präsentierter Kampf, der sie fordert, als mögliche Bedenken gegenüber einer kriegsverherrlichenden Darstellung. Die SpielerInnen meinen aber das virtuelle Spiel von der Realität unterscheiden zu können. Meine GesprächspartnerInnen befürworten daher keine realen Kriege und stehen den medialen Inszenierungen und Darstellungen von Kriegen kritisch gegenüber, sehen sich aber in ihrer Beschäftigung mit Kriegsspielen keiner wesentlichen medialen Beeinflussung ausgesetzt oder meinen dieses Beherrschen zu können. Für sie bleibt ein Spiel ein Spiel, auch wenn es kriegsverherrlichende Darstellungen enthält.«408

Die Verwendung von schwierigen Themen im Spiel zeigt auch die Varianz, die Spiele einnehmen können. Neben der leichten Kost, die rein zum Spaß und zur Unterhaltung dient, existiert eine Auseinandersetzung mit einem Thema durch das Medium Spiel:

»Also wenn Inhalte, die nicht mehr lustig sind, als Spiel dargestellt werden finde ich das spannend. Kontroverse Spiele im Brettspiel ist so ein schmaler Grat. Ich finde bei This War of Mine haben sie das total gut gemacht, weil sie von Anfang an gesagt haben: Hey, hier geht es um ein ernstes Thema, das ist vielleicht nicht irgendwas, wo man einen lustigen Abend hat, aber es vermittelt ein total gutes Gefühl für diese Situation, wenn ich halt im Krieg bin. Und ich glaube da können Brettspiele, wenn man die auch mal in der Schule einsetzt, total viel vermitteln – auch total viel Wissen vermitteln. Wenn man Ein Fest für Odin409 nimmt, was da an Wissen über Wikinger drin steckt, das ist der Wahnsinn, das ist super interessant. Ich hab da auch total viel gelernt. Aber mein Enemy ist ja Mombasa410 inzwischen, also seit Hunter das Let‘s Play gemacht hat, bin ich nicht mehr auf dem Kriegsfuß damit. Aber als ich gehört habe, es gibt so ein Spiel, das total gut ist mechanisch, wo es aber um die Versklavung auf dem afrikanischen Kontinent geht – als lustiges Spiel – denk ich mir: NEIN, das spiele ich nicht, das ist doch scheiße. Ich hab mich gefragt, warum hat der Autor sich keine Phantasiewelt ausgedacht? Warum muss das irgendwie Afrika sein. Viele haben halt gesagt: Hey, ist doch gut, wenn man sich damit beschäftigt. Aber es wird halt überhaupt nicht thematisiert in dem Spiel. Es wird halt überhaupt nicht verantwortungsvoll mit dem Thema umgegangen. Und das finde ich kritisch. […] Wenn das Spiel nicht die Aufgabe hat mich zu belehren, sondern Spaß zu haben, dann soll es lieber eine Phantasiewelt sein.«411

Dies soll nicht bedeuten, dass die Inhalte von Spielen über jedwede Kritik erhaben sind, ich bin ganz im Gegenteil der Meinung, dass sich mit Spielinhalten viel mehr auseinandergesetzt werden sollte. Mein Punkt ist ein anderer. Das Digitale wird vom Analogen oft als Antagonist im Anerkennungskampf genutzt mit all den gesellschaftlichen Vorurteilen, die dem digitalen Spiel anhängen - problematische Inhalte sind eines davon. Spannend ist, dass bei den Aufwertungsbestrebungen des Brettspiels die problematischen Inhalte der eigenen Spielartefakte dabei vernachlässigt oder verharmlost werden. Sei es bei Spielen wie Istanbul412, welches nicht über okzidentale Klischees zum Orient hinauskommt413, sei es das Spiel Mombasa, welches die Spielenden völlig unkritisch in die Zeit des Kolonialismus

408 Ebda. 409 Ein Fest für Odin: Uwe Rosenberg. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2016 bei Feuerland Spiele. 410 Mombasa: Alexander Pfister. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2015 bei eggertspiele. 411 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 412 Istanbul: Rüdiger Dorn. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2014 bei Pegasus Spiele. 413 Vgl. hierzu Stefan Buchen: Orientalismus für die ganze deutsche Familie. Qantara.de 2017. Abrufbar unter https://de.qantara.de/inhalt/ein-brettspiel-namens-istanbul-orientalismus-fuer-die-ganze-deutsche-familie; (Zugriff am 15.07.2020). 90 führt414 oder im schlimmsten Fall ein Spiel wie Crossing the Line415, welches von einem Verlag kommt, mit dem Namen Furor Teutonicus – einem Begriff, der eine Nähe zum Rechtsextremismus aufweist.416 Manchmal ist die Kontroverse aber auch gewollt und wird genutzt um ein gesellschaftliches Thema kritisch zu beleuchten. So berichtet der Standard im März 2020:

»Für einen Aufreger der anderen Art sorgte die Meldung im September [2019], dass bei einer neuen Monopoly- Version Frauen mehr Geld als Männer bekommen – eine Anspielung auf die Lohnunterschiede der beiden Geschlechter. Für [Anita] Landgraf eine Seltenheit. Die Branche sei eher konservativ und versuche nirgends anzuecken. Ob das gut ist, darüber ist die Spieleagenturchefin geteilter Meinung. Einerseits würde sie sich wünschen, dass die Branche vermehrt auf den Zeitgeist eingeht. Andererseits sei das gar nicht so leicht. Denn viele Menschen wollen in Spielen ja dem Alltag entfliehen, was die Themenwahl einschränkt.«417

Zitiert wird hier Anita Landgraf, die Leiterin einer Wiener Spieleagentur, die mit Autor*innen zusammen Spiele für Verlage vorbereitet. Auf der einen Seite wird also der Status des Kulturgutes angestrebt, auf der anderen werden vor allem Produkte produziert, die sich breit vermarkten lassen. Der reine Spaß am Spiel, das Stigma des Eskapismus oder Suchtdebatten sind der Aufwertung des Spiels wenig zuträglich – treffen das digitale Spiel aber härter als das analoge. Besonders das Narrativ der Unproduktivität und Zeitverschwendung hängt beiden an. Und tatsächlich verbringen Spieler*innen sehr viel Zeit mit ihrem Hobby. Die Immersion, die Spiele erzeugen, trägt dazu bei. So meint Lackner mit Bezug auf den Medienphilosophen Mike Sandbothe:

»Computerspiele weisen einen sogenannten ›Zeitsog‹ auf, d.h. für die SpielerInnen vergeht die Zeit während des Spielens subjektiv viel langsamer. Sehr lange Spielzeiten werden gar nicht als solche wahrgenommen. Nach Mike Sandbothe weisen Computerspiele die Eigenschaft einer transformierten Zeiterfahrung auf. […] Durch diesen ›Zeitsog‹ kann es unter Umständen zu einer Abkapselung von der realen sozialen Welt kommen, die hinter die virtuelle Welt der Computerspiele tritt.«418

Dieser Zeitsog findet auch beim Brettspiel statt. Hier erhält er aber eine deutlich positivere Konnotation und scheint sich auch im Erleben der Spielenden anders zu gestalten. So meint Erik im Interview:

»Und tatsächlich kann ich länger Brettspielen als Computerspielen. Wenn ich so eine Stunde am Computer war, so gedaddelt, dann reicht es auch. Das strengt mich irgendwie mehr an. Das war letztes Jahr auf der Berlin Con so krass. Sonntag, als ich zu Hause war, dachte ich: Oh, jetzt so ein Spielchen [lacht].«419

Im Gruppeninterview spricht Mia das Thema an:

414 Vgl. hierzu Daniel Bernsen: Mombasa – fiktional und »nur« ein Spiel? Medien im Geschichtsunterricht 2016. Abrufbar unter https://geschichtsunterricht.wordpress.com/2016/10/31/mombasa/; (Zugriff am 15.07.2020). 415 Crossing the Line. Aachen 1944: Dirk Blennemann. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2019 bei Furor Teutonicus Games. 416 Vgl. hierzu Alex Resch: Wir müssen reden: Der deutsche Zorn in einem Wargame (Mit Gegendarstellung). Boardgamejunkies 2019. Abrufbar unter https://boardgamejunkies.de/wir-muessen-reden-der-deutsche-zorn-in-einem-wargame/?fbclid=IwAR3MT S8q9UUwWfIWfdZq18FQcSe1WlRfm-jzTzZYoHSlx3CXj6jFqMVQKsU; (Zugriff am 15.07.2020). 417 Andreas Gstaltmeyr: Von der Idee in die Schachtel: Wie Brett- und Kartenspiele entstehen. Der Standart Web 2020. Abrufbar unter https://www.derstandard.at/story/2000115627415/von-der-idee-in-die-schachtel-wie-brett-und-kartenspiele# Echobox=1584918266; (Zugriff am 15.07.2020). 418 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 135. 419 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 91

»Wenn wir spielen, sehe ich das nie als Zeitverschwendung. Wenn man so an der Playstation spielt, dann guckt man auf die Uhr und denkt so: Oh schon drei Stunden gespielt und nichts geschafft, nichts gemacht, nicht den Haushalt und so. Und dass hier [das Brettspiel], das ist ein anderes Gefühl.«420

Auch Oliver spricht über den Zeiteinsatz bei Spielen und positioniert das digitale Spiel als Gegensatz. Wie viele meiner Interviewpartner hat er das Gefühl, dass zwar sowohl bei Computerspielen als auch Brettspielen viel Zeit investiert wird, das Gefühl zu diesem Einsatz von Zeit aber bei beiden ein anderes ist: »Da habe ich Zeit mit anderen verbracht, da habe ich weniger ein schlechtes Gewissen, als wenn ich am Computer alleine spiele.«421 Das Gefühl, dass Brettspiele weniger Zeitverschwendung sind, scheint in ihrem Aufbau und der Zeit, die man mit anderen verbringt zu liegen. Sie erfordern mehr Eigenleistung als das digitale Spiel. Die Welt, in die die Spielenden eintauchen, ist viel weniger vorgegeben, sondern muss durch die eigene Fantasie ergänzt werden:

»Also Brettspiele sind für mich halt auch einfach analoge Unterhaltung, wie das Hunter & Cron ja auch gerne sagen. Und das finde ich halt auch das schöne, dass es eben etwas ist, wo man mit Papier und Holz etwas erschafft, was mehr ist als das, sondern das, was dann im Kopf lebt.«422

Und auch schon in der Vorbereitung muss häufig mehr Arbeit investiert werden, indem die Regeln des Spiels erst einmal erlernt werden müssen:

»Rules in computer games play an alternative role to those in traditional games and actually mark the difference between the two: The concept of the magic circle does not apply to computer games in the way it does to traditional games. In the computer game all possible actions are implemented in the (formal) software code. Consequently, the restrictive nature of rules does not apply to computer games in that sense; as action possibilities first have to be provided by the computer game program before they may be performed.«423

Ein Punkt, den auch Moritz im Interview hervorhebt:

»Die wenigsten Spiele sind sofort losspielbar, sondern es ist immer ein: Du musst erstmal Arbeit investieren, auch wenn du das Gefühl hast: Geil, ich will jetzt losmachen – kommt immer davor Arbeit und je komplexer das Spiel ist, desto mehr Arbeit beinhaltet es. D.h. du kannst das Spiel nicht kaufen, installieren und los. […] Also das ist z.B. auch der Aspekt, warum ich lieber Theaterstücke lese, als zum Beispiel viele Arten von Büchern, weil bei Theaterstücken für mich als Theaterpädagoge, oder auch als Regisseur, wenn ich das mache, sofort im Kopf entsteht: ok, wie würdest du das theatralisieren, wie würdest du das auf die Bühne bringen, welche Spielanlässe hättest du, was würdest du streichen. So geht man nicht an ein Buch ran. Da hast du das Gefühl, da hat jemand eine Gedankenwelt und du folgst ihr. Und mir macht das aber Freude, wenn ich – und so geht’s mir eigentlich auch, wenn ich die Regeln von einem Brettspiel lese – etwas in die Hand gedrückt kriege, wo ich aber das Gefühl habe, es ist an mir zu sagen, mach mal. […] Im Theater ist es so, es gibt den Autor, es gibt den Schauspieler und es gibt den Regisseur, und da kommt als vierter Kreativer der Zuschauer dazu, der sozusagen all das sieht, deutet und daraus sich sein Urteil bildet. D.h. es gibt die vier Kreativ-Schaffenden. Und ich brauche beim Brettspiel das Gefühl, das eine kreative Leistung als Spieler in diesem Spiel bringen kann. […] Ich würde sagen, was auf alle Fälle hinzukommt, ist, dass ein Brettspiel, so klug es durchdacht ist, so klug die Regeln auch funktionieren nicht, geskriptet ist. D.h. ein Brettspiel gibt dir eine Spielwiese, auf der du dich selber austoben musst, ein Computerspiel ist, obwohl es natürlich grafisch ansprechender ist und sagen wir mal, die Leistung in eine Welt hineingezogen zu werden ist beim Computerspiel sehr viel leichter und besser zu machen. Was aber für mich der große Vorteil am Brettspiel ist, was ein Computerspiel bis jetzt nicht leisten kann, ist, dass ein

420 Mia im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 421 Auszug aus dem Interview vom 13.10.2018. 422 Auszug aus dem Interview mit Julius vom 04.09.2018. 423 Michael Liebe: There is no Magic Circle. On the Difference between Computer Games and Traditional Games. In: Stephan Günzel/Michael Liebe/Dieter Mersch (Hg.): Conference Proceedings of the Philosophy of Computer Games 2008. Potsdam 2008, Potsdam University Press, S. 324-340, hier S. 337. 92

Computerspiel, wenn es programmiert wird, immer gezwungen ist, in den Regeln des Spieles zu bleiben. D.h. damit ein Computerspiel funktioniert, musst du alle Eventualitäten programmieren und d.h. von vornherein, wenn du ein Computerspiel machst, alles bedenken und wenn du das dann spielst, bewegst du dich nur in einem komplett vorgedachten Raum. Ein Brettspiel gibt dir zwar Regeln; wenn es ein gutes Brettspiel ist, kann es aber sein, dass du dich innerhalb dieser Regeln bewegst, vielleicht in der Lage bist die Regeln zu biegen, evtl. sogar entscheiden kannst, ich werde diese Regel ändern, weil so spielt es sich besser. D.h. du bist bei einem Brettspiel stärker [.] in der Lage, die Regeln, die das Spiel eigentlich ausmachen, nach deinem Gutdünken zu biegen oder evtl. sogar zu brechen.«424

Die aufgewendete Zeit unterscheidet sich bei Computer- und Brettspielen kaum. Und auch das Eintauchen in ein Spiel scheint oft ähnlich, dennoch fällt die Bewertung zu Gunsten des Brettspiels aus.

»Aber ich habe, wenn ich Computer spiele, tatsächlich danach so ein ungutes Gefühl, so wie so ein Schuldgefühl. Also weil ich mich dann auch so krass darein vertiefen kann, aber beim Brettspielen dann halt auch. Und deswegen mag ich das so gerne, ich tauch dann da voll ein so. Ich vergess alles um mich herum, vergess voll die Zeit. Kuck manchmal auf die Uhr: Oh voll krass und so. Und das war bei Computerspielen, genauso, wie beim Solo-Brettspielen. Aber beim Computerspielen, war es dann so, ich hab so ein Schuldgefühl gehabt: Boar so, jetzt, krass ist das schon spät geworden. Und da ist es mir auch schwer gefallen aufzuhören. So: Ach krass, schon so spät. Ah egal. Komm, jetzt spiel ich noch eine Runde, oder sowas. Also Civilisation oder sowas hab ich gespielt: Komm ich spiel jetzt noch eine Runde. Ja, das Wunder muss noch gebaut werden. Und deswegen, da hatte ich danach eben kein gutes Gefühl. Und das ist halt beim Brettspielen anders, das hat glaub ich was damit zu tun, dass es irgendwie an einem Punkt zu Ende ist: Gut, jetzt ist das Spiel zu Ende, ah es ist schon so spät, ok. Jetzt ist gut. Jetzt spiele ich auch nicht weiter. Dann pack ichs ein, manchmal lass ich es auch stehen und pack es am nächsten Tag ein. Vorm Bildschirm sein und nur eine Maus bewegen und irgendwie, ist was anderes, als wenn du da das ganze Spielbrett hast und schiebst da Sachen rum, bewegst Sachen. Das Haptische macht das halt irgendwie anders und das gibt mir dann irgendwie halt kein schlechtes Gefühl danach. Aber das was mich so zu sagen an beidem fasziniert ist, dass ich - und das finden ja irgendwie Leute ganz komisch - ich kann halt nach einem ganz langen Arbeitstag, wenn ich total müde bin und eigentlich zu nichts mehr in der Lage bin spielen, das geht sozusagen trotzdem. Auch wenn es das total anspruchsvolle, anstrengende Spiel ist, also gerade Solospielen, das ist für mich wie meditieren, das ist so wie, daraus ziehe ich eher Kraft, als dass … mich das ermüdet.«425

Das digitale Spiel wird häufig als unsozial betrachtet. Das Bild der vereinsamten Person vor dem Bildschirm herrscht immer noch vor. Dass viele Spielende dabei digital mit anderen verbunden sind, die sich häufig regelmäßig zusammenfinden, wird ausgeblendet. Wenn der soziale Austausch bei digitalen Spielen in den Fokus rückt, wird dieser als unfreundlicher und teils aggressiver Umgang wahrgenommen. Davon erzählt auch Sophie, die das von ihrer Arbeit her kennt und das gerade bei Kindern problematisch sieht:

»Das ist aber auch das, was mich so stört in den Spielen, das ist für sie nicht echt und die machen sich teilweise auch nicht Gedanken darüber, was die da machen. Und die werden da teilweise auch so aggressiv. […] Die haben gegeneinander gespielt und hatten jeder einen Computer und der hat den ständig angefahren und hat ihn angeschrien: ›Geh aus meiner Base‹. Alter, weißt du und verstehst du eigentlich, was du sagst. Die benutzen halt auch Wörter, von denen sie nicht wissen, was sie reden. Die werden so aggressiv teilweile, das ist bei einem Brettspiel anders, da werde ich zwar auch mal sauer, wenn Mia meine ganzen Charaktere tötet [Mia lacht], aber ich nehm das irgendwie anders wahr und auch bewusster und kann dann auch schneller wieder runterkommen, aber bei den Konsolenspielen habe ich den Eindruck, dass die überhaupt nicht mehr runterkommen, sondern auf dem Level bleiben.«426

424 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 425 Auszug aus dem Interview mit Elias vom 06.09.2018. 426 Sophie im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 93

Das analoge Spiel hingegen gilt als Ort des Sozialen. Dabei sei die Trennung von virtuell und real, so Lackner, problematisch: »Erfahrungen sind für uns Menschen immer konstitutiv, egal, ob sie in einem virtuellen Raum oder einem realen Raum stattfinden.«427 Das Solospiel, wie es Elias betreibt, ist eher selten und wie er später erzählt, würde er das Zusammenspiel mit anderen immer bevorzugen. Brettspiel bietet Gemeinschaft und Zusammensein, zumindest vermittelt es dieses Bild. Als ich für die Feldforschung im Spielecafé bin, unterhalte ich mich mit einem Gast, der dort Spiele ausleiht. Er spielt viel und gerne und hat auch einiges zu Hause. Er hat vor kurzem gehört, dass hier Spiele ausgeliehen werden können und das hat bei ihm einen »Wow-Effekt« gehabt. Er meint, dass Spiele ja recht teuer sind, und er es cool fände, dass man die hier leihen und probieren kann. Er hatte erst Angst, dass die dann sicher schnell kaputt gehen, aber eigentlich glaubt er, dass Leute, die gerne spielen, ja gut mit dem Material umgehen würden. Er spielt zwar auch digitale Spiele, aber das sei weniger geworden. Er meint er, sei mit dem Couch-Spielen groß geworden, also als man noch mit Freunden auf einem Sofa zu Hause saß und gemeinsam ein Videospiel gespielt hat, obwohl nur einer spielen konnte. Online sei nicht dasselbe, da fehle ihm das direkte Zusammensein. Brettspiele würden das bieten.428 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dem Brettspiel, sowohl medial als auch aus der Community heraus, mehr positive als negative Eigenschaften zugeschrieben werden, vor allem im Vergleich zum Digitalen. Zudem wird das digitale Spiel als Gegenargumentation genutzt um sich als Spielform positiv davon abzuheben. Dem Kulturwissenschaftler Werner Bellwald folgend, übernehmen Objekte oft Stellvertreterfunktionen:

»So verweist der einzelne Gegenstand weit über sich, über seine Materialität und seine technischen Daten, über die Primärfunktion und über den Moment hinaus. Er steht für eine Idee oder eine Gesinnung, er wird Botschafter abstrakter Inhalte, Werte und Normen […].«429

Das einst als »Kinderspiel« gebrandmarkte Brettspiel wird zum sozialen Gesellschaftsspiel stilisiert. Es gilt als traditionsbewahrend, gemeinschaftsfördernd und die damit verbrachte Zeit wird als besser genutzt angesehen als bei beispielsweise digitalem Spiel.

5.6. DER MYTHOS DIGITAL DETOX

Mit den positiven Zuschreibungen zum Brettspiel und dem zunehmenden wirtschaftlichen Erfolg häuft sich das Narrativ, es würde einen (gesellschaftlichen) Rückzug ins Analoge geben. Der Spieleverlag e.V., ein Zusammenschluss einiger Spieleverlage im deutschsprachigen Raum meint dazu folgendes: »Spiele sind ein gern gesehenes Gegenmittel zur Digitalisierung und bringen erlebnisreiche soziale Interaktion an die Tische.«430 Im bereits erwähnten Audiobeitrag von Lisa Mattil greift dies auch einer ihrer Interviewpartner auf:

»Ich denke schon, dass in Zeit eine Flucht ins Analoge stattfindet. Also dass man weg von irgendwelchen digitalen Inhalten, sei es Film, Handy, Kino usw. möchte und sich mal wieder mit seinen Freunden und Bekannten gemeinsam an den Tisch setzen möchte, um sich eben dann bei so einem analogen Spiel über Gott und die Welt dabei zu unterhalten, sich gemeinsam zu freuen und zu ärgern, ein bisschen anzusticheln, um am Ende dann doch, auch wenn man vielleicht verloren hat, glücklich und zufrieden mit seinen Freunden einen schönen Abend miteinander verbracht zu haben.«431

427 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 244. 428 Auszug aus dem Forschungstagebuch vom 16.06.2018. 429 Werner Bellwald: Materielle Kultur. In Christine Bischoff,/Karoline Oehme-Jüngling/ Walter Leimgruber: Methoden der Kulturanthropologie. Bern 2014, S. 351-366, S. 345. 430 Spieleverlage e.V.: Spiele immer beliebter. 431 Mattil: Kein Kinderkram, ab Min: 9:20. 94

Die Gesellschaft, so die Proklamierer*innen des analogen Gegentrends, sei so durch das Digitale bestimmt, dass viele, wenn möglich, davon Abstand suchen und sich Zeit im Alltag für eine Entgiftung nehmen würden – das sogenannte Digital Detox, das Jens Junge auch als einen Grund für den Erfolg des analogen Spiels sieht.432 Das Konzept des Digital Detox verführt die Branche und die Berichterstattung über Brettspiele zu der Aussage, dass Brettspiele trotz Digitalisierung beliebt seien.433 Besonders gern wird dies in Bezug auf Kinder und Jugendliche betont: »Trotz Smartphones, Apps und Konsolen haben Brettspiele nach wie vor einen festen Platz in deutschen Kinderzimmern.«434 - so die Medien. Aussagen wie diese finden sich unzählige und kennzeichnend darin ist das Wort »trotz«. Neben der offensichtlichen Aussage, dass analoges Spiel Erfolg hat, obwohl wir es mit einer Zunahme an Digitalisierung zu tun haben, lässt sich in der Verwendung des Wortes noch etwas Widerständiges entdecken, wollen die Adressant*innen doch eigentlich auch aussagen: Das Analoge trotz(t) dem Digitalen. Ist das aber wirklich so? Oliver kommt in meinem Interview auf das Thema des Analogen als Gegenbewegung und meint dazu:

»Ich glaube nicht, dass es eine Alternative zu digitalen Medien ist. Weil, bei mir ist es nicht so, ich spiele ja dennoch digitale Spiele und habe auch mein Handy ständig bei mir liegen. […] Brettspiel ist ein Medium aus Papier, Pappe und Plastik, für viel zu viel Geld, und Digitale Spiele sind ein anderes Medium. Es ist kompatibel, in vielen Fällen. Es ist kein Bollwerk gegen digitale Medien, aber man freut sich etwas Reduktionistisches zu haben – und zwar nicht als Gegenentwurf zum Digitalen, sondern es ist vereinfacht. Digitale Medien fühlen sich für viele nicht falsch an, aber man freut sich mal was hin und her zu schieben. […] Computerspiele und Brettspiele haben für mich ein ähnliches Ziel. Ich möchte eine Alternative haben, ich möchte etwas anderes haben, als ich sonst habe und ich möchte runterkommen von etwas oder wegkommen von etwas. Der Unterschied ist, beim Computerspielen bekomme ich es durch das nur für mich sein und bei Brettspielen, für mich, durch das gemeinsam mit anderen sein.«435

Bei meinen Gewährspersonen ist die Nutzung beider Spielarten gemischt. Einige spielen keine oder kaum digitale Spiele, andere wiederum spielen sowohl analog als auch digital. Eine deutliche Tendenz zum Analogen lässt sich nicht ausmachen, höchstens darin, dass Spieler*innen digitaler Spiele auch gern analoge Spiele spielen. Jens Junge beschreibt das im Interview mit den Westfälischen Nachrichten wie folgt:

»Die junge Generation mit Affinität zu technischen Geräten ist spieleerfahren und daran gewöhnt, sich mit komplexeren Abläufen und Thematiken auseinanderzusetzen. Auch ein Brettspiel erfordert diese Bereitschaft. Digitalspieler sind daher oft auch begeisterte Brettspieler.«436

Dass das analoge Spiel so beliebt ist wie noch nie, bedeutet nicht, dass das digitale Spiel dadurch einen Rückgang verzeichnet – auch die digitale Spielbranche boomt. Zur Erinnerung: Der Umsatz von Brettspielen lag in Deutschland 2019 bei rund 594 Millionen Euro437,

432 Vgl. dazu u.a.: dpa: Branchenverband: Brettspiele sind wieder im Trend. Westphälische Nachrichten 2017. Abrufbar unter https://www.wn.de/Freizeit/Ratgeber/Familie/Berichte/2868334-Analog-und-digital-Branchenverband-Brettspiele-sind-wieder- im-Trend; (Zugriff am 15.07.2020). oder dpa: Teamgeist ist 2018 bei Kindern Trumpf. Volksstimme.de 2018. Abrufbar unter https://www.volksstimme.de/deutschland-welt/wirtschaft/gesellschaftsspiele-teamgeist-ist-2018-bei-kindern-trumpf; (Zugriff am 15.07.2020). 433 Vgl. hierzu u.a.: Marktforschung.de: Klassische Brettspiele bleiben trotz Digitalisierung beliebt. 2015. Abrufbar unter https://www.marktforschung.de/aktuelles/marktforschung/klassische-brettspiele-bleiben-trotz-digitalisierung-beliebt/; (Zugriff am 15.07.2020). 434 dpa: Branchenverband: Brettspiele sind wieder im Trend. 435 Auszug aus dem Interview mit Oliver vom 13.10.2018. 436 dpa: Branchenverband: Brettspiele sind wieder im Trend. 437 Vgl. dpa: Gesellschaftsspiele boomen: Acht Prozent Umsatzplus 2019. Süddeutsche Zeitung 2020. Abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/leben/spiele-nuernberg-gesellschaftsspiele-boomen-acht-prozent-umsatzplus-2019-dpa.urn- 95 digitales Spiel lag 2018 - für 2019 waren vollständige Zahlen noch nicht zu ermitteln - bei rund 4,4 Milliarden Euro. Ein Abwärtstrend bei digitalen Spielen ist nicht in Sicht. Beide Branchen verzeichnen jedes Jahr ein Wachstum. Es lässt sich also vermuten, dass Spielen generell an Popularität zunimmt. Allein von den Verkaufszahlen her lässt sich mithin kein Rückzug aus dem Digitalen ablesen. Vor allem Casual Games auf tragbaren Geräten erfreuen sich einer großen Beliebtheit, was wohl vor allem auf die ständige Verfügbarkeit zurückzuführen ist. Für das digitale Spiel braucht es kein gesondertes Gerät mehr, sondern es kann ein Gerät genutzt werden, das ohnehin als ständiger Begleiter in der Hosentasche dabei ist. Die Möglichkeiten der Technik lassen auch das analoge Spiel nicht unberührt. Seit geraumer Zeit versuchen sich immer wieder einige Spiele, bzw. deren Entwickler*innen an der Kombination von analogem Spiel und digitalen Medien, vor allem in Form von Apps auf Smartphones oder Tablets. Ein Beispiel dafür ist das Spiel Villen des Wahnsinns438. Hier übernehmen die Spielenden die Rolle von Investigatoren, die, je nach Szenario, einen mysteriösen Fall aufklären sollen. Das Spiel ist im Horrorsetting des Cthulhu-Mythos angesetzt, welches sich im Nerdtum einer großen Beliebtheit erfreut und in welchem auch eine Vielzahl von Brettspielen angesiedelt sind. Als das Spiel 2011 das erste Mal veröffentlicht wurde, übernahm ein*e Spieler*in die Leitung des Spiels. In dieser Rolle verkörperter er oder sie die Welt, ähnlich wie beim klassischen Pen&Paper-Rollenspiel. War es also im Spiel an der Zeit, dass die Gegner sich bewegten oder ein Ereignis ausgelöst wurde, wurde dies, unter der Beachtung bestimmter Regeln, von der Leitung des Spiels übernommen. Seit 2016 übernimmt diese Rolle eine App, ohne diese die zweite Edition auch nicht mehr spielbar ist.439 Dabei erfüllt sie unterschiedliche Funktionen und soll hier als typisches Beispiel entsprechender spielunterstützender Apps stehen. Die App übernimmt zuallererst eine narrative Funktion. Zu Beginn jedes Szenarios zeigt der Bildschirm einen Text an, der von einer Erzählerstimme vorgelesen wird. Dies dient zum einen um das Szenario in einen Rahmen zu betten, also eine Vor- oder einleitende Geschichte zu erzählen und gleichsam, um den Spielenden das Spielziel aufzuzeigen. Diese narrative Funktion wird bei regulären Brettspielen meist im Regel- oder einem Begleitheft erfüllt – wobei dort das Vorlesen einem der Spielenden obliegt. Das Aufzeigen des Spielziels ist sowohl Teil des Narrativs, da es Teil der zu spielenden Geschichte darstellt, es ist aber gleichsam auch Teil der Regelerklärung bzw. -erinnerung, da die App anzeigt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen um am Ende die Aufgabe oder den Auftrag zu meistern und somit regeltechnisch zu gewinnen. Diese Regelerklärung zieht sich durch das Szenario. Zwar gibt es noch ein zwanzigseitiges Regelheft, das die Grundregeln und den Ablauf einer Partie erklärt, aber die App übernimmt während des Spiels die Funktion der Regelerinnerung und führt durch das Szenario. So müssen die Spielenden nicht alle Detailregeln immer präsent haben, was bei komplexen Spielen oder bei Spielen wie Villen des Wahnsinns, bei dem die Atmosphäre im Vordergrund steht, von Vorteil ist. Sie zeigt beispielsweise an, welche neuen Räume entdeckt werden und was sich darin befindet, wie viele Lebenspunkte Gegner haben, welche Aktionen an einem Ort ausgeführt werden können, oder welche Fähigkeit eingesetzt werden muss um eine Aufgabe zu meistern – immer wieder umrahmt von narrativen Elementen. Die eigentliche Spielhandlung findet aber weiterhin auf einem modularen Spielbrett statt. Hier legen die Spielenden die von der App angezeigten Räume an und markieren sich darin befindliche interessante Objekte oder Personen und bewegen ihre Spielfiguren. Die App übernimmt die

newsml-dpa-com-20090101-200127-99-654511?fbclid=IwAR2UUEOF9uRnxMu7Q3_nujAXaZ1J4WXURL9JaAfYVb4P_ dT4Dka_NJdZN-s; (Zugriff am 15.07.2020). 438 Villen des Wahnsinns: Corey Konieczka. Erstveröffentlichung auf Englisch 2011 bei Fantasy Flight Games als Mansion of Madness. Sowie Villen des Wahnsinns. Zweite Edition: Nikki Valens. Englische Originalausgabe 2016 bei Fantasy Flight Games als Mansion of Madness. Second Edition. 439 Schon früher gab es immer wieder Versuche andere Medienarten in das analoge Spiel zu integrieren. Bei der Spielreihe Atmosfear (teilweise auch als Nightmare bekannt) war eine VHS-Kassette beigelegt (später dann eine DVD), welche im Grunde die gleiche Funktion übernahm wie die heutige App-Unterstützung, Vgl. Atmosfear. The DVD Board Game: o.A. Erstveröffentlichung auf Englisch 2003 bei A Couple 'A Cowboys. 96

Funktion der Spielleitung und die Erzählung. Da dies kein*e Spieler*in mehr übernehmen muss, ist es mit der zweiten Edition nun sogar möglich allein zu spielen. Vor allem aber erhöht die App die Immersion für die Spielenden, da sie weniger auf die Einhaltung der Regeln achten müssen und sich dafür mehr auf das Narrativ konzentrieren können. Ähnliche App-Unterstützungen gibt es auch bei anderen Spielen. Die Aufgaben sind dabei häufig die Gleichen: Regelerklärung und -erinnerung, Herstellen von Atmosphäre durch Soundtrack und Narration und Erleichterung des Spielablaufes. Manuel Fritsch, der zusammen mit Michael Cherdchupan den Spielepodcast Insert Moin moderiert und zudem in der Jury des Spiel des Jahres Vereins sitzt, sieht bei der Kombination von analogen Spielen und digitaler Technik aber wieder einen Rückgang, wie er im Interview mit golem.de berichtet:

»›Hybridspiele sind ist so gut wie ausgestorben‹, sagt Fritsch. Er kenne nur noch zwei Studios, die an Hybridspiele glaubten: den Verlag Hybr und Rudy Games aus Österreich. Hybr ist ein junges Team, das - via Kickstarter - ein Spiel namens Soviet Kitchen Unleashed entwickelt. Darin wird mittels Begleit-App ein Gericht mit speziellen, teils radioaktiven Zutaten vorgegeben. Die Spieler wählen Farbkarten, die dann per QR-Code eingelesen werden - im ›Mixer‹ entstehen dadurch neue Farben. Ein originelles Hybrid-Konzept, das in der Industrie aber nur noch selten anzutreffen ist. ›Die klassische Brettspiele-Industrie hat sich an Hybridspielen die Finger verbrannt‹, sagt Fritsch. Die wollten das alle nicht mehr machen. Was er persönlich sehr schade finde, weil es Brettspiele gut unterstützen könnte. Zwar habe heute nahezu jeder ein Smartphone. Doch der Wunsch, explizit offline zu spielen, sei in der Brettspielszene sehr stark. ›Und die Verlage haben in den letzten Jahren wahnsinnig viel Geld in solche Experimente investiert‹, sagt Fritsch. ›Die sind zum Teil gefloppt, es wurde sehr viel Geld versenkt. Eine App zu entwickeln, kostet meistens mehr als die Entwicklung eines Brettspiels.‹440

Auch aus Fritschs Kommentaren geht der Digital Detox-Aspekt hervor, da laut ihm die Szene betont offline spielt. Dennoch kommen weiter regelmäßig App-unterstützte Spiele auf den Markt, selbst wenn diese innerhalb der Nische Brettspiel eine eigene Nische darstellen.441 Dass App-unterstützte Spiele keinen breiten Absatz finden, mag zwar als Indiz dafür gelten, dass eine Trennung von Analogem und Digitalem bevorzugt wird – abschließend klären lässt sich das an dieser Stelle nicht. Bei den Spieleabenden, an denen ich mit meinen Gewährspersonen Villen des Wahnsinns gespielt habe, war von einer Ablehnung der App allerdings keine Spur – im Gegenteil, der Fakt, dass die App Regelerinnerungen vornimmt und durch Erzählung und Sound das Narrativ und die Atmosphäre unterstützt, wurde durchweg positiv aufgenommen. Ein weiteres Phänomen, welches alle populärkulturellen Medien gemein haben ist die Adaption populärer Themen von anderen Medien. Aus beliebten Büchern werden Filme, aus Filmen werden Videospiele und aus Videospielen wieder Bücher - das macht auch vor dem Brettspiel nicht halt, auch wenn die sog. Lizenzspiele oft einen fragwürdigen Ruf genießen.442 Neben berühmten Franchisen wie Star Wars oder Herr der Ringe werden auch erfolgreiche Videospiele in analoge Spiele umgesetzt. Die Qualität dabei ist, wie bei allen anderen Medien auch, gemischt. Es gibt Lizenzumsetzungen, die einen sehr guten Ruf haben, wie beispielsweise Star Wars Rebellion, und es gibt Umsetzungen, wo die Lizenz deutlich im Vordergrund steht und die Spielmechanik und das Spielerlebnis eher vernachlässigt werden – anzunehmen ist, dass hier versucht wird, bei der entsprechenden Fanbase des Franchises eine Kaufentscheidung herbeizuführen.443 Der Verlag Hasbro nutzt solche Lizenzen exzessiv bei seinem Verkaufsschlager Monopoly. Dabei werden verschiedene Themen einfach auf das bekannte Spielprinzip draufgesetzt. So finden sich neben dem klassischen Monopoly (und

440 Fehrenbach: Computer und Spielbrett bleiben getrennte Welten, S. 3. 441 Vgl. u.a. André Volkmann: Trendthema: Quo vadis, Hybrid-Spiele?: Spielpunkt.net 2019. Abrufbar unter https://spielpunkt.net/2019/11/05/trendthema-quo-vadis-hybrid-spiele/; (Zugriff am 15.05.2020). 442 Als Lizenzspiele werden Spiele bezeichnet die durch eine Gebühr eine bestimmtes lizenzrechtlich geschütztes Werk als Thema nutzen. 443 Star Wars. Rebellion: Corey Konieczka. Erstveröffentlichung auf Englisch 2016 bei Fantasy Flight Games. 97 einigen Abwandlungen, wie eine Kids-Version) auch Monopoly mit spezifischen Länder-, oder Städtethemen, oder eben Themen wie Game of Thrones, Star Wars oder Ghostbusters um nur einige wenige von über 150 Monopolyarten zu nennen. Allein bei Monopoly gibt es eine Vielzahl an Adaptionen digitaler Spiele, sei es World of Warcraft444, Fallout445, oder Fortnite446. Hier geht es, wie schon angesprochen, alleinig um die Vermarktung der Spiele durch ein aufgesetztes Franchise. Mit leichten Abwandlungen handelt es sich aber immer um dasselbe Konzept. Andere Lizenzspiele versuchen wiederum das Thema und Spielgefühl der digitalen Versionen in ein analoges Spielkonzept zu fassen. Natürlich ist dies nicht automatisch von Erfolg gekrönt und auch hier ist ein Vermarktungsgedanke nicht auszuschließen, aber zumindest werden hier Spielkonzepte entwickelt, die versuchen der entsprechenden Idee gerecht zu werden. Ein Beispiel ist XCOM. Das Brettspiel447, welches auf der erfolgreichen digitalen XCom-Reihe basiert.448 Und auch zum sehr beliebte Rollenspiel The Witcher gibt es mittlerweile ein analoges Spiel. Die Umsetzung digitaler Spiele in eine analoge Form scheint den Eindruck eines Digital Detox fast zu verstärken. Letztlich zeigt es aber nur, wie sehr die beiden Medienformen aufeinander wirken. Diese Wirkung ist dabei nicht einseitig. Immer mehr Brettspiele werden in eine digitale Form übertragen, wie Catan oder Scythe.449 Ein großer Unterschied besteht in der Art der Umsetzung. Ist es vom Digitalen ins Analoge notwendig sich Mechanismen zu überlegen, wie die digitale Welt in analoge Mechanismen gepackt werden kann, ist der Übertrag vom Analogen ins Digitale deutlich einfacher. Dabei bleiben die Mechanismen einfach dieselben und es findet nur eine digitale Visualisierung des analogen Spielbrettes statt. Kartenspiele sind dabei besonders leicht umzusetzen, wie die Standartspiele jeder älteren Mircosoftversion zeigen. Im Fall des Tabletop Simulators, welcher über die Internet- Vertriebsplattform Steam erhältlich ist, wird gar ein ganzer Tisch digitalisiert. Das Programm bietet die Möglichkeit verschiedenste Spiele auf dem digitalen Tisch zu bringen. Es bietet sowohl der »Crowd« die Möglichkeit, mit etwas Knowhow selbst Spiele zu generieren, als auch Verlagen ihre eigenen Spielkonzepte in digitaler Form anzubieten.450 So eröffnet sich ein neuer digitaler Markt für analoge Spieleverlage. Digitale Umsetzungen analoger Spiele nehmen zu, allein auf der Seite des Verlags Asmodee finden sich zu deren Spielen rund vierzig digitale Umsetzungen.451 Seltener findet eine wirkliche Neu-Umsetzung statt, so gibt es neben der digitalen Brettspielversion von Scythe452 ein Echtzeit-Strategiespiel namens Iron Havest453, welches die Welt aus Scythe adaptiert und in ein neues Spielkonzept umsetzt.454

444 World of Warcraft. Entwickler: Ion Hazzikostas. Publisher: Vivendi (bis 2008), Activision Blizzard (ab 2008). Erstveröffentlichung 2004 für PC und Mac. 445 Fallout. Entwickler: Black Isle Studios. Publisher: Interplay. Erstveröffentlichung 1997 für PC und Mac. Darauf folgten vier weitere Teile, mit teilweise anderen Entwicklern und Publishern. 446 Fortnite. Entwickler: Epic Games. Publisher: Epic Games. Erstveröffentlichung 2017 für PlayStation, Xbox One und PC. 447 XCOM. Das Brettspiel: Eric M. Lang. Erstveröffentlichung auf Englisch 2015 bei Fantasy Flight Games. 448 X-COM. UFO Defense. Entwickler: Mythos Games. Publisher: MicroProse. Erstveröffentlichung 1994 für PC, PlayStation und Amiga. Danach folgten mehrere weitere Teile und Ableger der Serie. 449 Vgl. Catan Universe. Entwickler: United Soft Media Verlag GmbH. Publisher: United Soft Media Verlag GmbH. Erstveröffentlichung 2017 für PC, Mac, iOS und Android; https://catanuniverse.com/; Vgl. Scythe: Digital Edition. Entwickler: The Knights or Unity. Publisher: Asmodee Digital. Erstveröffentlichung 2018 für PC und Mac. Abrufbar unter https://store.steampowered.com/app/718560/Scythe_Digital_Edition/; (Zugriff am 15.07.2020). 450 Vgl. hierzu Tabletop Simulator. Entwickler: Berserk Games. Publisher: Berserk Games. Erstveröffentlichung 2015 für PC und Mac. Abrufbar unter https://store.steampowered.com/app/286160/Tabletop_Simulator/; (Zugriff am 15.07.2020). 451 Vgl. Asmodee-digital: Our Collection of Games. Abrufbar unter https://www.asmodee-digital.com/en/; (Zugriff am 15.07.2020). 452 Scythe: Jamey Stegmaier. Erstveröffentlichung auf Englisch 2016 bei Stonemaier Games. 453 Iron Harvest. Entwickler: King Art Games. Publisher: Deep Silver. Geplante Erstveröffentlichung 01.09.2020 für PC, PlayStation und Xbox. 454 Vgl. hierzu u.a. Peter Bathge: Iron Harvest: Alle Fakten im Video – Das müsst ihr über die deutsche Echtzeitstrategie-Hoffnung wissen. PC Games 2018. Abrufbar unter https://www.pcgames.de/Iron-Harvest-Spiel-59964/Specials/Fakten-Infos-Kickstarter- RTS-Gameplay-1252432/; (Zugriff am 15.05.2020). 98

Den Vorteil von derartigen Umsetzungen erklärt Manuel Fritsch im Interview mit golem.de so: »In der Steam-Version muss man viele Dinge nicht mehr händisch machen. Gerade bei Management-intensiven Spielen, die sehr viel Handling haben, bieten sich PC-Versionen an«455 Die Vermarktungsstrategien dahinter sind klar: Zum einen wird versucht Fans der analogen Versionen zusätzliche digitale Umsetzungen für ihre Lieblingsspiele anzubieten, diese lassen sich dann ja auch über eine räumliche Distanz hinweg mit Freunden spielen. Zum anderen werden Videospieler*innen so auf analoge Spiele aufmerksam gemacht und hoffentlich als Neukunden gewonnen. Ein Gegentrend zum Digitalen lässt sich also auch anhand des Branchenverhaltens nicht ablesen, richten sich die Produkte doch klar an Spieler*innen analoger, wie digitaler Spiele. Die Vermarktung der Spiele findet dabei ohnehin hauptsächlich über digitale Medien statt. Viele erinnern sich vielleicht noch an die Fernsehwerbung, in der ein Junge den großen MB- Gong schlug – aber die Zeit der Fernsehwerbung ist längst vorbei. Wie schon gezeigt spielen Multiplikator*innen eine viel entscheidendere Rolle als herkömmliche Werbung und die wohl wichtigste Verknüpfung digitaler Medien mit analogem Spiel findet nicht direkt auf der ludischen Ebene statt, sondern auf der Ebene von Rezensionen, Regelerklärungen und Let‘s- Plays durch Blogger*innen und YouTuber*innen. Denn darüber informiert sich ein Großteil der Spielenden über neue Angebote, über Neuigkeiten in der Branche und trifft auf Grund von Empfehlungen dann Kaufentscheidungen. Das wird auch im Audiobeitrag von Lisa Mattil betont:

»Ich glaube, dass gerade die ganzen Onlinetrends, die in den letzten Jahren auf die Welt gekommen sind, dazu beitragen, dass viele Leute wieder ihre, vielleicht mit der Zeit verlorene Liebe an den Spielen wiederfinden und sich jetzt natürlich einfacher und schneller und intensiver auch informieren können und gezielter Informationen raussuchen können und demensprechend auch eher wieder an den Tisch setzen. Und das ganze Online- Drumherum erstmal wieder der Trigger ist, damit das alles ins Laufen kommt.«456

Die Verknüpfung von analogen Spielen und digitaler Technik, die Wechselwirkung von populären Themen auf digitale wie analoge Medien, der Branchentrend analoge Spiele digital umzusetzen und die steigenden Verkaufszahlen beider Branchen lassen nicht den Schluss zu, dass es einen analogen Gegentrend zum Digitalen gibt. Der Einfluss digitaler Medien bei der Verbreitung und Vermarktung analoger Spiele zeigen eher gegenteilig, dass analoges Spiel nicht trotz digitaler Medien erfolgreich ist, sondern auf Grund digitaler Medien einen derartigen Erfolg zu verzeichnen hat.

455 Fehrenbach: Computer und Spielbrett bleiben getrennte Welten, S. 2. 456 Mattil: Kein Kinderkram Min: 16:48. 99

6. Die Sozialkultur des Brettspiels

Während meines Einsatzes in der Library auf der Berlin Brettspiel Con ereignete sich folgende Szene: Ein junger Mann bringt nach dem Spielen ein Spiel an die Ausleihe zurück. Er sagt mir, dass in dem Spiel ein spielrelevanter Marker fehlen würde, er diesen aber durch eine Cent-Münze ersetzt habe. Ich bedanke mich bei ihm für die Info und möchte ihm seine Münze wiedergeben, um im Nachhinein ein anderes Substitut einzufügen. Doch, anstatt die Münze zurückzunehmen, lehnt er ab er mit der Aussage, die Münze würde Glück bringen. Als ich mich erneut dafür bedanke, dass er damit den fehlenden Marker auch für alle anderen ersetzen würde, antwortet er: »Ja sicher, wir sind doch alles Spieler.«457 Dieser Satz scheint exemplarisch für das individuelle und kollektive Selbstbild innerhalb der Peergroup der (Brett)Spieler*innen. In diesem Kapitel möchte ich auf die soziale Dimension des Brettspielens eingehen. Dazu werde ich Mechanismen der Inklusion und der Distinktion, sowie Vergemeinschaftungs- und Partizipartionspraktiken anschauen und der Frage nachgehen, welche soziale Funktion Brettspielen innewohnt und wie sich diese zeigen. Bezug nehme ich dabei auf den Begriff der »Sozialkultur«, wie er sich vor allem bei Dieter Kramer findet:

»Sozialkultur meint die Art und Weise, wie in einer Gemeinschaft (einer sozialen Einheit, ein Milieu) die Lebenswelt (die ›gesamte Lebensweise‹) von den Akteuren durch von ihnen entwickelte bzw. im sozialen Feld von Markt, Herrschaft, Abhängigkeiten und politischen Strukturen entstehende und vermittelte Normen, Werte, Standards und Symbolwelten gestaltet, entfaltet, gelebt, weitergegeben und verändert wird.«458

6.1. SPIELBIOGRAFIEN

Ich möchte an dieser Stelle eine Vignette ins Gedächtnis rufen. Zum Thema Unproduktivität erzählte Moritz, dass sein Vater Spielen als Zeitverschwendung ansieht. Im selben Gespräch erwähnt er allerdings auch eine andere ludische Erfahrung mit seinem Vater: »Also man muss das auch differenzieren, also mein Vater hat mir zum Beispiel Schach beigebracht, weil er denkt, das muss man können.«459 Diese Ambivalenz in der Bewertung von Spielen zeigt, dass Spiel und Spiel nicht denselben gesellschaftlichen Status genießen. Schach, das, wie schon gezeigt, offiziell zum Sport gehört, sowie andere klassische Denkspiele haben den Ruf einer kultivierten Tätigkeit, andere Spiele sind hingegen als kind(l)iche Tätigkeit verschrien. An dieser Stelle möchte ich aber einen anderen Punkt hervorheben, den wir vermutlich alle erlebt haben: Das Spielen analoger Spiele in der Kindheit. Sei es, um anfänglich motorische und sensorische Fähigkeiten zu trainieren, sei es an Feiertagen oder Wochenenden, um gemeinsam etwas mit der Familie zu tun, oder eben um von den Eltern kultivierte Klassiker vermittelt zu bekommen. Irgendwo in den Lebensläufen der meisten Personen findet sich ein Bezug zu analogem Spiel. Auch Julius berichtet davon, dass er die Praxis des Spielens von seinen Eltern mitbekommen habe. Meine anfängliche Frage an ihn460, warum er spiele, versteht er gar als eine Frage nach dem Ursprung seines Spielens und weniger nach seiner Motivation. Nach einer Pause in der Jugend ist er durch einen neuen Freundeskreis wieder ans Spielen herangeführt worden.461 Die meisten Vielspieler*innen können ihre ludische Biografie, wie Jens Junge es im Spieleseminar nannte, nacherzählen. Das Spielen startet meist in der Kindheit mit Familienspielen, erlebt oft einen Bruch oder eine Pause in der adoleszenten Phase und erlebt ein Revival im frühen Erwachsenenalter. Selbstredend gibt es nicht die typische Biografie von Vielspieler*innen.

457 Vgl. Forschungstagebuch vom 21.07.2018. 458 Kramer: Europäische Ethnologie und Kulturwissenschaft; S. 156. 459 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 460 Zur Erinnerung: Meine erste Frage in den Interviews war in der Regel: »Warum spielst du?« 461 Vgl. Interview mit Julius vom 04.09.2018. 100

Vielmehr möchte ich darauf aufmerksam machen, dass biografische und auch soziokulturelle Aspekte in der Betrachtung von Vielspieler*innen eine Rolle spielen. Ohne dies mit quantitativen Daten belegen zu können, möchte ich behaupten, dass das Bildungsniveau und die sozioökonomischen Voraussetzungen bei Brettspieler*innen relativ hoch sind. Eine weiterführende Studie dazu wäre durchaus interessant. Dass der Einfluss von Eltern auf die spielpraktischen Erfahrungen ihrer Kinder eine Rolle spielt, zeigte sich deutlich auf der Berlin Brettspiel Con. Am ersten Tag fallen mir ein Vater und sein Sohn auf, die etwa acht Stunden nur damit verbringen Spiele in der Ausleihe zu holen und zu spielen und sind am Folgetag auch wieder mit die ersten auf der Con und setzen ihren Spielemarathon fort.462 Viele der auf der Con anwesenden Kinder spielten Spiele, die den Altersangaben nach, nicht für ihr Alter geeignet waren und so traf ich an der Spieleausleihe immer wieder auf Eltern und Kinder, die mir klar, machen, dass ich ihnen nur nicht nur Spiele vorschlagen soll, die im Altersrahmen des Kindes liegen, sondern gern auch darüber hinaus.463 Hieran zeigt sich die im Kapitel 3 angesprochene Wichtigkeit der Aufrechterhaltung der Spannung. Für die geübten Kinder wären die »altersgerechten« Spiele oft zu einfach und würden keine Herausforderung mehr bieten.464 Dass Spiele Generationen miteinander verbinden können, zeigt Petra Fuchs, die sich in ihrer Bachelorarbeit mit dem Gesellschaftsspiel als Medium der sozialen Arbeit auseinandergesetzt hat und der Frage nachging, ob das Spielen von Brettspielen einen positiven Effekt auf intergenerationale Beziehungen haben kann.465 Auf der Brettspiel Con ist allerdings manchmal nicht deutlich, wer dort wen eigentlich beeinflusst, und so meint Oliver, mit dem ich zusammen an der Ausleihe arbeite, dass bei einigen Eltern mit Kindern unklar ist, ob die Kinder sagen: »›Oh Papa, bitte noch ein Spiel?‹ oder eher ›Ok Papa, aber nur noch ein Spiel.‹« 466 Das ludische Verhältnis von Moritz und seinem Vater hat sich inzwischen gedreht. In einem Gespräch weit nach dem Interview berichtet er mir, dass sein Vater sich mittlerweile auf neuere Spiele einlasse. Bei Treffen mit der Familie führt nun der Sohn den Vater an das moderne Brettspiel heran, wie früher der Vater den Sohn an die Klassiker. Der Einfluss, den Personen aus dem Umfeld auf das eigene Spielverhalten haben, betonen zumindest alle meine Gewährspersonen, auch wenn diese nicht immer in der Familie zu finden sind. In der Spielegruppe, die ich interviewte, war Richard die treibende Kraft, der die Gruppe (zurück) zum Spielen brachte:

»Mia: Ja, ich hab schon immer Brettspiele gemocht. Ich hab gerne gespielt, auch mit meiner Cousine, und ich hab mir auch immer Brettspiele zu Weihnachten und zum Geburtstag gewünscht, hab sie aber nie bekommen. Höchstens mal so ne Reisevariante, und was haut meine Mutter dazu ganz dreist raus: ›Ja, weil ich hatte Angst, dass wir mit dir spielen müssen.‹ Und dann später hat das so mit Magic angefangen und dann haben wir Richard kennen gelernt und seitdem kann ich immer spielen. Ich bin manchmal nach Hause gekommen, als ich zuerst noch alleine [ohne ihren Partner] mit Richard unterwegs, bei seinen Freunden unterwegs war und da haben wir ja auch Brettspiele gespielt und da bin ich nach Hause gekommen: ›Schatz, Schatz, wir haben das und das gespielt und das war voll cool‹. Ich war total geflasht und aufgeregt gewesen und er [meint ihren Partner] meinte: ›Was ist mir dir nicht in Ordnung?‹«467

462 Forschungstagebuch vom 24.07.2018. 463 Vgl. Forschungstagebuch vom 24.07.2018. 464 Hierbei sei kurz erwähnt, dass die Alterseinstufung bei Brettspielen, anders als bei anderen Medien, nicht die Jugendgefährdung, sondern den Schwierigkeitsgrad betrifft. Dabei handelt es sich um eine Einschätzung der Hersteller und stellt eine Empfehlung dar, die sich vermutlich an einem allgemeineren Publikum und weniger an Vielspieler*innen orientiert. 465 Vgl. Petra Fuchs: Gesellschaftsspiele als Medium der Sozialen Arbeit – wie Spielen Generationen verbindet. Eine theoretisch- empirische Betrachtung. Bachelorarbeit. Fulda 2018. 466 Forschungstagebuch vom 24.07.2018. 467 Auszug aus dem Gruppeninterview vom 03.08.2018. 101

Wie Richard seine Partnerin Sophie an das Spiel heranführte, habe ich bereits kurz im Teil über Sucht und Obsession gezeigt, sie selbst drückt das so aus:

»Man braucht diesen Funken, der sich ausbreiten kann. Also wenn ich Richard nicht kennen gelernt hätte, wäre ich auch auf Spiel des Lebens noch ne ganze Weile hängen geblieben und hätte mich damit auch nicht auseinandergesetzt. Also man braucht jemanden, der den Anstoß gibt, diesen Dominoeffekt.«468

Und auch Erik kann eine Geschichte seiner »Missionierung« erzählen:

»Eine Freundin von mir hatte dann irgendwann Carcassonne, das weiß ich noch, das fand ich total blöd. [TJK: blöd?]. Ja, weil, also ich hab das so mit ihr, alle so sieben Wochen, acht Wochen mal gespielt und sie hat das quasi jeden Tag gespielt und war halt unfassbar gut und hat dann meine Züge korrigiert und hat immer noch gewonnen, also genau, da war ich eigentlich komplett weg davon, weil Studium und so andere Sachen und zwei drei Jahre danach hat ein Kumpel von mir mit Magic angefangen. Und dann hat er gesagt: Ja wir waren jetzt hier in so einem Geschäft. Und da haben wir uns so ein Starterpack gekauft. Und dann haben wir das mal gespielt. Dann meinte er: Ja, wir waren da in so einem abgefahrenen Laden, wo es nur Brettspiele gab. Und ich war so: Ja ok, Spiele fandst immer ganz cool, gehst mal mit. Dann sind wir dahin, und dann war ich halt total overwhelmed und da hab ich dann gedacht: ein Spiel muss ich jetzt mitnehmen.«469

Etwas später im Interview sagt er dann folgendes: »Genau, und jetzt so versuche ich halt andere Leute so ein bisschen mit reinzuziehen.«470 Und erläutert das wie folgt:

»Erik: Ich glaube für uns als Community ist es wichtig das Thema Brettspiel noch mehr in die Gesellschaft zu tragen.

TJK: Warum?

Erik: Um zu zeigen was es eigentlich für Möglichkeiten gibt, was es eigentlich für tolle Sachen gibt. Ich glaube, vielen ist das nicht bewusst. Wenn ich auch nicht glaube, dass man Leute zum Spielen zwingen kann, glaub ich schon, dass man es vielen Leuten zeigen kann. Und ich höre immer wieder von Leuten, die ewig nichts gespielt haben, die dann total begeistert waren, auch von den einfachen Sachen. Es ist halt kein Mensch ärger dich nicht und es hat halt mehr Futter. Einfach diese Bereicherung zu teilen ist total wichtig.«471

Die Begeisterung, die die Spielenden für das Spielen erleben, möchten viele auch an andere weitergeben und ihnen das Brettspiel schmackhaft machen. Die positive Vermittlung der Leidenschaft Brettspiel ist für viele ein wichtiger Teil. Den Grund, weshalb einige Menschen nicht gern spielen, sieht Erik auch in einer ludischen Biografie:

»Die Frage ist auch, glaub ich, ob ich mit Brettspielen aufwachse. Wenn ich nie ein Brettspiel in der Hand hatte, dann ist es schwierig. Oft hast du halt Leute, die sagen: Ja früher habe ich auch gespielt und dann spielen die halt mit. Leute, die als Kind so verschreckt wurden, weil der Vater immer gewinnen wollte und immer geschummelt hat – ich glaube das ist auch ein Grund, warum die Leute nicht spielen, weil sie eine schlechte Erfahrung gemacht haben.«472

Dieser Blick ist nicht selten. Innerhalb der Peergroup gibt es ein Narrativ, das alle Menschen zu Spieler*innen erklärt, oder wie Elias sagt:

468 Sophie im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 469 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 470 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 471 Auszug aus dem Interview mit Erik von 14.08.2018. 472 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 102

»Es gibt halt sozusagen solche Weisheiten, die ich auch gerne verbreite: Es gibt keinen, es gibt niemanden der Brettspiele nicht mag, es gibt nur Leute, die noch nicht das Brettspiel gefunden haben, was ihnen gefallen würde. Also es gibt sozusagen für jeden das richtige Brettspiel.«473

Dieses Narrativ wird in der Tat sehr häufig verbreitet, aber nicht jeder sieht das unkritisch. So meint Moritz:

»Ich würde schon behaupten, dass da jeder Mensch spielt, in irgendeiner Form. […] Ich glaube schon, dass jeder Mensch einen Spieltrieb hat, ich weiß aber nicht, ob die konkrete Form Brettspiel für jeden geeignet ist. Also ich glaube, es gibt für jeden Menschen das richtige Spiel, aber ich glaube, das Medium Brettspiel, Kartenspiel, Gesellschaftsspiel, ist dafür zu eingeschränkt, das kann auch Sport sein, das kann vielleicht auch Rätseln sein, keine Ahnung. Das sind alles Dinge, wo Leute sagen, das ist für mich etwas, vielleicht auch nicht unbedingt in einem sanktionsfreien Raum, vielleicht sogar ganz bewusst in einem Raum, wo es Konsequenzen hat, wo Leute trotzdem bewusst Dinge in einem Regelsystem aufeinanderprallen lassen, ausprobieren, das Beobachten und dabei eine Freude empfinden. Da, denk ich, wirst du bei jedem Menschen etwas finden, ich glaube trotzdem nicht, dass jeder Mensch nur das richtige Brettspiel braucht, um zu funktionieren, denn das ist mir eine zu spezielle Art des Spiels.«474

Auch wenn nicht jede*r davon überzeugt ist, dass Brettspielen für alle Menschen ein Genuss wäre, ist der Wunsch das Hobby zu teilen, den meisten gemein. Die im vorigen Kapitel erwähnten Multiplikator*innen haben das Teilen ihrer Leidenschaft sogar auf eine mediale Ebene gehoben und schreiben über Spiele in Blogs oder machen Videos zum Thema. Was Richard und Erik in kleinem Rahmen machen, also die Spielfreude weiterzugeben an andere, versuchen Blogger*innen und YouTuber*innen wie Hunter & Cron zu professionalisieren. Beides stellt eine Form der Multiplikation da, wenn auch mit unterschiedlicher Reichweite.

6.2. INKLUSION UND DISKTINKTION

Im Kontext der Feldforschungssupervision wurde die Frage formuliert, was für Gemeinschaften sich bei solchen Spieleabenden oder auf der Brettspiel Con eigentlich bilden – sind das Freundschaften, Zweckgemeinschaften oder etwas ganz anderes? Diese Frage lag durchaus nahe, stellte sie sich mir doch auch am Anfang meiner Forschung, als ich mir überlegte wen ich da eigentlich beforsche. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht auf Begriffe zurückgreifen wie Szene, Milieu oder Sub- bzw. Randkultur, da diese Begriffe ohnehin oft schwer zu fassen sind. Zudem bin ich der Meinung, dass, obwohl sich eine Abgrenzung von (Viel)Spielenden und Nicht-Spielenden machen ließe, sich Brettspieler*innen nicht als Subkultur verstehen lassen, zumindest nicht im Sinne der Subcultural Style Studies, wie sie von Clarke, Jefferson, Willis und Hebdige vertreten wird.475 Brettspiel findet eben nicht außerhalb oder gegen eine Form der Mainstream-Kultur statt, sondern will, genau im Gegenteil, populäre Mainstreamkultur sein. Im Gegensatz zu anderen Randkulturen, die mit der Zeit zu Populärkultur werden oder von dieser vereinnahmt werden, strebt die Brettspiel- Community eine breite Akzeptanz und eine große Öffentlichkeit an. Ich möchte daher vielmehr einen Begriff benutzen, der vom Feld selbst verwendet wird und diesen auch nicht mit äußeren Definitionen belasten, sondern aus dem Feld selbst heraus definieren indem ich aufzeige, wie und welche Form von Gemeinschaften bzw. Gruppen sich konstituieren und wie diese konstruiert werden. Eine Form dieser Konstruktion findet über Eigenbezeichnungen und Selbstbeschreibungen statt. Zum Teil sind diese Eigenbeschreibungen selbstironische Begriffe wie Nerd oder Geek

473 Auszug aus dem Interview mit Elias vom 06.09.2018. 474 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018 475 Siehe dazu zur Übersicht u.a.: Christoph Jacke: John Clarke, Toni Jefferson, Paul Willis und Dick Hebdige: Subkulturen und Jugendstile. In: Andreas Hepp/Friedrich Krotz/Tanja Thomas (Hg.): Schlüsselwerke der Cultural Studies. Wiesbaden 2009, S. 138-155. 103

– Bezeichnungen, die neben Spezialwissen oder Begabung immer auch eine abwertende Komponente mit sich tragen. Sophie aus der interviewten Gruppe bemängelt dieses Spieler*innenbild zum Teil: »Und wenn mal Werbung gemacht wird oder wenn ein Fernsehbericht kommt, dann suchen sie wirklich die letzten Nerds aus, die regelrecht ungepflegt wirken und als wären sie sozial komplett inkompatibel. Was ja nicht zur Brettspielszene passt, weil das was total Soziales ist.«476 Aber bei vielen Spieler*innen erfahren diese Fremdzuschreibungen eine Umdeutung, sie werden adaptiert und gehen in das eigene Selbstbild über. Zum Teil sind derartige Bezeichnungen auch prominent zu finden, beispielsweise beim YouTube-Kanal Brettspielgeeks477 oder der bekanntesten Seite für die Auflistung von Spielen: boardgamegeek.com. Auch in der Gruppe herrscht über dieses Bild anscheinend keine Einigkeit. Direkt nach der Aussage von Sophie erzählt Mia, dass ihr großer Sohn jetzt angefangen habe Sammelkartenspiele wie Magic: The Gathering und Yu-Gi-Oh! zu spielen und sie sich darüber sehr freut, da er deswegen viel draußen ist und sozialen Austausch hat:

»Und vor allem will ich als Mutter lieber ein Nerdkind, als dass er irgendwo im Park sitzt, Drogen nimmt und säuft. Ganz ehrlich, also Brettspieler sind nicht wirklich aggressiv oder Säufer. Wenn mein Sohn sagt, wir gehen und spielen ein Brettspiel, mach ich mir nicht so viel Sorgen, als wenn er sagt: Ich geh zu 'nem Kumpel.«478

Entscheidender, als ein Nerd oder Geek zu sein, ist für das kollektive Selbstbild allerdings die schon zitierte Aussage: »Wir sind alles Spieler(*Innen)!« Dabei wird die ludische Praxis als Grundlage zur Identifikation mit anderen genutzt und bildet die einzige Grundlage zur Schaffung einer Ingroup. Andere Diversitätsmerkmale wie Alter, Geschlecht, Klasse oder Ethnie werden bei der Beurteilung nicht herangezogen. So war auf der Brettspiel Con oder bei Spieleabenden, bei denen sich die Leute nicht alle vorher kannten, nicht oder nur am Rande zu beobachten, dass Bildungsgrad, Beruf oder Familienstand als Themen besprochen wurden. Einzig die räumliche Herkunft wurde ausgetauscht, aber vor allem deswegen um potenzielle neue Mitspieler*innen im eigenen Umfeld zu finden. Daher war auch mein Status als Forscher und damit meine Funktion im Feld zweitrangig – wichtiger war, dass ich spielte. Wer gerne spielt, gehört zur Ingroup und dem wird grundsätzliches Vertrauen gewährt. Für Außenstehende ist das nicht immer nachvollziehbar. Elias erzählt dazu diese Geschichte:

»Freunde von mir, mit denen ich mich darüber unterhalte, die finden das total komisch, dass ich mich mit Leuten treffe, einfach nur zum Spielen. Und ich mein, ich hab das dann auch noch mal so reflektiert, also als wir uns letzte Woche getroffen haben, wir haben uns hingesetzt, wir haben ziemlich sofort angefangen die Regeln zu erklären und danach haben wir noch übers Spiel geredet, aber ich hab kein Wort mit den anderen darüber gewechselt, was sie sonst machen. […] Es ging einfach nur um das Spiel und das war völlig ok. Und ich mein, das ist eine ganz lustige Geschichte. Dieses Pärchen, was ich da auf der Messe im letzten Jahr kennen gelernt habe, mit denen hab ich also dann Nummern ausgetauscht, auch weil ich auf der Suche nach Leuten war, mit denen ich Brettspiele spielen kann. Dann hat es irgendwie ziemlich lange gedauert, bis ich mich mit denen mal irgendwie verabredet hab und dann hab ich meiner Freundin gesagt: ›So ich geh jetzt, ich treff mich mit denen zum Spielen.‹ Und dann hat die [er lacht], und dann hat sie gesagt: ›Ok wie heißen die und wo wohnen die?‹ Wirklich wie eine Mutter, die sich um ihr Kind Sorgen macht. Sie hat gefragt: ›Was sind das für Leute, die dich einfach nur zum Spielen einladen, muss ich mir Sorgen machen?‹ Es ging wirklich so weit, dass sie gesagt hat: ›Du musst mir dann ne Nachricht schreiben, damit ich weiß, ob es dir gut geht [er lacht].‹ Damit sie sich keine Sorgen macht, total absurd. Das ist also für Leute, die das nicht kennen, total fremd. […] Ich mein, bei der Messe, find ich, erlebt man das sowieso am dollsten, da bist du halt da und das Ziel ist einfach miteinander zu spielen und das ist halt so, wie du in den Park gehst und Fußball spielst, da muss ich die Leute ja auch nicht

476 Sophie im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 477 Vgl. Brettspielgeeks – Brettspiele: Kanalinfo. [YouTube]. Abrufbar unter https://www.youtube.com/channel/UCH9gUpe0MXq4u7cPCNHt6AQ; (Zugriff am 15.07.2020). 478 Mia im Gruppeninterview vom 03.08.2018. 104 kennen, mit denen ich da spiele. Beim Sport machen ist das irgendwie völlig ok, aber beim Brettspiel spielen ist das nicht ok.«479

Schon allein, dass das Gegenüber Brettspiele spielt gewährt einen Vertrauensvorschub innerhalb der Peergroup. Wer Brettspeile spielt, kann kein schlechter Mensch sein, scheint das Credo zu sein und der Rest spielt, wenn überhaupt, nur nachrangig eine Rolle. Auf den ersten Blick wirkt diese Konstruktion einer Spieler*innengemeinschaft äußerst inklusiv. Die Spielenden möchten ihre Leidenschaft mit anderen teilen und diesen anderen dann auch helfen das »richtige« Spiel für sie zu finden. Dieses Gefühl kennt auch Julius:

»Ich habe mich schon auch dabei erwischt, wie ich bei Thalia vor dem Regal stand und was angeschaut habe und dann standen da Leute hilflos vor dem Spieleregal. Und ich musste mich schon sehr zusammenreißen sie nicht zu fragen, ob ich ihnen helfen kann, weil ich mir schon sicher bin, dass ich ihnen hätte helfen können, und vielleicht auch eine bessere Beratung gemacht hätte als die Leute von Thalia, die den ganzen Tag Bücher verkaufen. Also diese eigene Begeisterung zu teilen und die rüberzubringen und Leute anzustecken oder ihnen zu helfen, die Spiele zu spielen, die ihnen Spaß zu machen.«480

Neben dem Wunsch die Begeisterung zu teilen, steckt in diesem Ausschnitt aber noch ein anderer Punkt. Unter der Oberfläche verbergen sich im Reden über und im Umgang mit Brettspielen Distinktionsmechanismen. Einige davon gehen nicht direkt von der Spieler*innengemeinschaft aus, sondern sind impliziter Natur. So spielen sozio-ökonomische Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle. Spiele kosten Geld und das zum Teil nicht wenig, zudem gibt es den Hang dazu immer weitere und aktuellere Spiele zu spielen und zu besitzen – wer da mithalten will, der muss bereit sein viel Geld in sein Hobby zu stecken – oft ohne zu wissen, ob einem das Spiel am Ende auch Spaß macht. So meint Moritz:

»Tatsächlich finde ich den finanziellen Aspekt nicht zu verachten. Ein Spiel, ein gutes Spiel kostet, 30 bis 50 Euro. Und für mich ist tatsächlich das Problem, dass man bei Brettspielen sehr viel mehr eine Katze im Sack kauft als bei Computerspielen, weil bei Computerspielen kannst du dir ein Let's-Play angucken, hast einen Eindruck der Spieldynamik und kannst sehr viel schneller sagen funktionierts, funktionierts nicht. Es gibt für mich kaum Online-Tutorials, die tatsächlich das Spielerlebnis abbilden.«481

Zwar existieren, wie schon gezeigt, Let's Plays auch für Brettspiele, aber eine Vermittlung der Immersion und des Spielerlebens ist dabei weniger deutlich als bei Videospielen, da Brettspiele eben mehr kreativer Eigenleistungen bedürfen. Die Frage um die finanzielle Last wird auch innerhalb der Community diskutiert482, eine Distinktionskritik lässt sich dabei aber nicht erkennen, obwohl es einiges an finanzieller Investition bedarf, um sich eine Spielesammlung zuzulegen, die innerhalb der Community als respektabel gelten kann. Auch die Eintrittspreise der Brettspiel Con standen in der Kritik:

»Ich mein, für Hunter & Cron ist es schon ein Weg damit Geld zu machen. Ich find die Eintrittspreise schon relativ ordentlich inzwischen. […] Die Preise sind inzwischen gesalzen. Der eigentliche Grundgedanke, dass man Leute zusammenbringt, um zu spielen und denen das anzubieten – ich finde, man merkt denen halt an, dass es für die eine Einnahmequelle ist und ein Geschäftsmodell. Das ist ja auch in Ordnung, aber man merkt es ihnen halt an. Also ich fand den ursprünglichen Gedanken: In Berlin gibt es keine Brettspiel Convention, gut. Berlin

479 Auszug aus dem Interview mit Elias vom 06.09.2018. 480 Auszug aus dem Interview mit Julius vom 04.09.2018. 481 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 482 Vgl. hierzu u.a. Dirk Husemann: Der Preis ist Heiß (diskutiert) – Was Brettspiele kosten dürfen…; Würfelmagier 2017. Abrufbar unter https://www.wuerfelmagier.de/der-preis-ist-heiss-diskutiert-was-brettspiele-kosten-duerfen/; (Zugriff am 15.07.2020).; oder Abenteuer Brettspiele: 200 Euro für ein Brettspiel – Wird unser Hobby zu teuer?. 2017. Abrufbar unter https://www.abenteuer-brettspiele.de/brettspiel-infos/200-euro-fuer-ein-brettspiel-wird-unser-hobby-zu-teuer; (Zugriff am 15.07.2020). 105 hat so viele Leute, die Brettspiele mögen und es gibt nichts, die die mal zusammenbringt. Und das war der ursprüngliche Gedanke, zumindest habe ich den da rausgehört. Und das fand ich total gut und deswegen war ich da dabei und deswegen unterstütze ich das ja auch immer noch – es ist ja im Grunde eine Art ehrenamtliches Engagement, was man da macht. Man unterstützt den Gendanken und man arbeitet mehr, als man bezahlt bekommt, bzw. man bekommt gar nichts bezahlt. […] Und es ist inzwischen so ein bisschen kommerziell – das hat mich irgendwie ein wenig gestört.«483

Auch wenn für das Spielen an sich kein Geld gebraucht wird und ein inklusiver Gedanke immer wieder geäußert wird, lässt sich nicht von der Hand weisen, dass auch ein finanzieller Einsatz dazu gehört. Wer als Vielspieler*in etwas auf sich hält, der hat eine gewisse Auswahl an Spielen zu Hause und fährt am besten auch noch für mehrere Tage nach Essen zur Messe. Das Maß der Spielkompetenz misst sich zwar nicht an sozio-ökonomischer Herkunft an sich, wird aber implizit als Bewertungskriterium herangezogen. Eine andere Form der Abgrenzung stellen die oben genannten Selbstbezeichnungen dar. Zwar ist die Community prinzipiell offenherzig, eine Abgrenzung zu Nicht-Spieler*innen, Gelegenheitsspieler*innen oder Leuten, die solche Spiele spielen, die in der Community allgemeinhin als altbacken, überholt oder unspielbar gelten (siehe Monopoly), wird dann doch allzu gern aufrechterhalten. Diese Abgrenzungen oder Einteilungen finden sich auch auf Seiten der Industrie und des Handels. Dort werden Spiele in bestimmte Kategorien eingeteilt, um sie zielgruppengerecht vermarkten zu können. Neben Kinder- und Familienspielen finden sich dort u.a. Kenner- und Expertenspiele.484 Diese Einteilungen bestimmen, in welche Schwierigkeitsgrade dieses Spiel einzuordnen ist, wobei es dazu aber kaum feste Kriterien gibt. Generell scheint zu gelten: umso komplexer die Spiele und umso mehr Spiele eine Person gespielt hat und kennt, desto mehr kann das Selbstbild vom Bettspielprofi belegt und aufrechtgehalten werden. Das Über-Spiele-Reden-Können und das Sich-Auskennen sind wichtige Faktoren, um zur Brettspielgemeinschaft zu gehören. Und zu diesem Drüber-Reden und Sich-Auskennen gehört eine Fachsprache. Wer weiß, dass das Auspöppeln wohl den meisten Spieler*innen Freude bereitet, wer sich mindestens einmal über die Downtime beschwert hat, wer eigentlich immer nur die grünen Meeple wählt und wer über seine Schwierigkeiten mit Alpha-Gamer berichten kann, der hat sicher schon mehr als einmal ein Brettspiel angefasst.485 In der Forschungssupervision fiel auf Grund der Art über Brettspiele zu reden daher der Begriff »Nerdy-talk«. Dieser Seitenhieb auf die schon erwähnten Fremd- und Selbstzuschreibungen gibt einen Hinweis darauf, dass Außenstehende dem Inhalt solcher Gespräche oft nicht folgen können. Dass Distinktion auch über Sprache funktioniert und sich Gemeinschaften auch über derartige Distinktionen konstruieren, wissen wir spätestens seit Bourdieu.486 Auch Erik erkennt die Abgrenzungen innerhalb der Spieler*innengmeinschaft und verweist dabei wiederum auf YouTube-Videos:

»Und das ist glaub ich auch das Problem an diesen Videoanleitungen, es wird halt einmal alles erzählt so: Haken, Haken, Haken und dann referenzier ich mich später darauf, aber vielleicht habe ich das bis dahin wieder vergessen, bis diese neue Stelle kommt. Deswegen glaube ich, dass diese Videoanleitungen tatsächlich gar nicht so gut funktionieren. Also für Nerds funktionieren die [TJK: Weil die es gewohnt sind?] genau, auch weil die die Mechaniken kennen: Ok ja, da gibt es jetzt die und die Aktion, da weiß ich dann Bescheid. Aber wenn ich zum

483 Auszug aus dem Interview mit Julius vom 04.09.2018. 484 Vgl. hierzu exemplarisch die Preiskategorien Spiel des Jahres: https://www.spiel-des-jahres.de/; oder Spieleinteilung beim Verlag https://pegasus.de/ [Zugriff am 06.04.2020]. 485 Als ›Auspöppeln‹ wird das Herauslösen der zumeist aus Pappe bestehenden Spielelemente aus den Stanzbögen bezeichnet. Die Downtime beschreibt die (Warte)zeit zwischen den eigenen Spielzügen. Meeple steht für ›My People‹ und wird häufig als Synonym für Spielfiguren verwendet. Und als Alpha-Gamer wird eine Person beschrieben, der das Spiel gut beherrscht und anderen Spieler*innen vorgibt, welche Züge sie am besten machen oder was als nächstes gemacht wird (meist in kooperativen Spielen). 486 Hier sei vor allem Die feinen Unterschiede genannt. Vgl. Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main 1987. 106

Beispiel so ein Workerplacement-Spiel erkläre und ich habe Leute, die noch nie Workerplacement hatten, muss ich eigentlich auch erstmal erklären, was das bedeute,t und auch immer wieder wiederholen.«487

Das (Fach)Wissen über Spiele grenzt die Vielspieler*innen von den ›gewöhnlichen‹ Spieler*innen ab. Auch in Julius` Erzählung über die Leute im Buchladen lässt sich dies erkennen. Sein Selbstbild des erfahrenen und kompetenten Spielers führt zu der, vermutlich berechtigten, Annahme eine bessere Beratung geben zu können als die Verkäufer*innen vor Ort.488 In dieser Abgrenzung glüht zumindest ein Funke Elitarismus. Von vielen wird dieser Elitarismus aber auch kritisch gesehen. Erik bringt beispielsweise den Begriff der »Gated Community« zur Sprache und meint, dass er auch im Brettspiel hin und wieder Tendenzen dazu sieht, wenn die Leute anhand der Spiele, die sie spielen, beurteilt werden – und damit gutes und richtiges Spiel von einer »Spieleelite« bestimmt wird489: »Nur weil man die großen Strategiekracher nicht mag, bedeutet das nicht, dass man kein fanatischer Brettspieler sein kann.«490 Auf dem YouTube-Kanal Take Your Chits, behandelt der Youtuber genau dieses Thema. Mit Humor stellt er sich die Frage, ob er ein Board game Snob bzw. Elitist sei?491 Innerhalb des Feldes der Brettspieler*innen finden weitere Abgrenzungen zueinander statt. Auch Oliver beschreibt dieses Phänomen im Interview und sagt über die, wie er es nennt, »Nische Brettspiel«:

»Das ist auch schön. Man merkt es oft und da schließe ich mich nicht aus – es entsteht eine gewisse Arroganz, bei Viel- und Mittelvielspielern, zu denen, die ab und zu mal spielen, wo wir die Nase rümpfen. Da wird in der Familie doch mal ein Spiel gespielt und was wird rausgeholt? Risiko oder Monopoly – und da denkst du dir so: Nicht wirklich! Und da werden Spiele gehyped, die in der Auswahlliste des Spiel des Jahres sind, wo andere sagen, das ist doch kein richtiges Spiel. Und die Jury hat da einen anderen Fokus und wir als Vielspieler sind da noch mal ein andere Aspekt.«492

Kurz darauf relativiert er die Aussage allerdings wieder und betont, dass am besten keine Beurteilungen gemacht werden sollten, weil diese Arroganz dem Hobby nicht gut zu Gesicht stehe und es sich schließlich nicht um Expertenwissen, sondern höchstens um Nerdwissen handle:

»Und wenn wir das Gefühl vermitteln, wir haben was Exotisches, was nur Leute spielen, die sich das auch verdienen, die sich auch drauf einlassen können und die auch anspruchsvolle Spiele spielen können, dann verlieren wir auch den Bonus, den wir haben. Wir sind die, die mehr spielen und Erfahrung haben, die andere nicht haben, das ist alles.«493

Dass die Arten der Spiele zur eigenen Abgrenzung und zur Identitätsbildung führen, beobachtet Lackner auch bei digitalen Spielen: »Innerhalb einer Spielgemeinschaft führen die Entscheidungen, welche Spiele gern gespielt werden, zu eigenen Identitätskonstruktionen und Unterscheidungen gegenüber anderen SpielerInnen:«494

487 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 488 Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass Buchverkäufer*innen auch gute Beratungen zu Brettspielen geben können, in der Regel sind Spiele in solchen Geschäften aber eher Beigeschäft. An dieser Stelle soll es aber weniger um die Beurteilung gehen ob und in welchem Maße gute Beratungen zu Spielen in Buchgeschäften stattfinden, sondern vielmehr um das eigene Selbstbild der Spieler*innen in Bezug auf ihren Wissenstand zum Gegenstand. 489 Vgl. Interview mit Erik vom 14.08.2018. 490Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 491 Vgl. Take Your Chits: Am I a Board game snob/elitist? [YouTube], veröffentlicht am 24.04.2018. Abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?utm_sq=fslev94oyr&v=XkvbvPFZBfc, (Zugriff am 10.11.2019). 492 Auszug aus dem Interview mit Oliver vom 13.10.2018. 493 Vgl. Interview mit Oliver vom 13.10.2018. 494 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 271. 107

Abgrenzungen spielen beim Brettspiel eine wichtige Rolle, auch wenn sie nach Außen oft nicht als solche erkennbar sind. Innerhalb der Peergroup spielt es aber durchaus eine Rolle, wie viele Spiele eine Person hat, was sie spielt und welche Art von Spielen sie spielt – nicht unbedingt um am Ende eine Wertung vorzunehmen, aber zumindest um sich und andere als Spieler*in positionieren und einordnen zu können.

6.3. RÄUMLICHKEIT UND KOLLEKTIVIERUNG

Über Eigen- und Fremdzuschreibungen, die Verwendung einer eigenen Sprache und den Besitz von Spezialwissen und Spielkompetenzen konstituiert sich eine soziale Gruppe, die, ähnlich wie Lackner dies für Computerspieler*innen meint, nicht als auffällige Subkultur wahrgenommen wird, da sie im öffentlichen Raum kaum sichtbar ist, sondern sich vorrangig im privaten Räumen trifft.495 Der Begriff, der innerhalb der Peergroup am häufigsten Verwendung findet, ist der Begriff Community. Zwar taucht der Begriff »Brettspielszene« ebenfalls ab und zu auf, wird dann aber meist in Bezug auf Autor*innen und Verlage, also in Bezug auf den industriellen Aspekt des Mediums verwendet. Natürlich gibt es auch einfach Freundeskreise, in denen ausgesprochen viel gespielt wird und die auch außerhalb von Spieletreffen Zeit miteinander verbringen. An dieser Stelle soll es aber um eine andere Art der Gruppierung gehen, die für die Peergroup als sehr typisch anzusehen ist – also Gruppen, die sich vorrangig zum Spielen treffen. Im Zusammenhang mit der Frage aus der Supervision danach, welche Gruppen sich bei solchen Treffen eigentlich formieren, stellte sich auch die Frage, in welchen Räumen dies stattfindet? Ist das privat, öffentlich oder irgendwas dazwischen? Die Szenerie in dem von mir geführten Gruppeninterview ist dahingehend sehr bezeichnend. Zur Erinnerung: Ich kenne Richard und Sophie von der Brettspiel Con. Als ich das Interview mit Richard vereinbare, schlägt er vor, seine Freundin Sophie dazu zu holen, um einen weiteren Blick auf Brettspiele geben zu können. Kurz darauf erweitert er diesen Kreis um das befreundete Paar Mia und Patrick und verband das mit der Aussage, wir könnten ja dann gleich einen Spieleabend machen. Ein Widerspruch war im Grunde nicht möglich und hätte mich zudem als Gesprächspartner disqualifiziert. Das Treffen fand aber nicht wie gedacht bei Richard statt, denn als wir uns am Bahnhof trafen, kündigte der an, wir würden zu besagten Freunden fahren, da diese Kinder hätten und sie diese nicht allein zu Hause lassen könnten. Zwar fiel mir in der Begegnung mit den anderen beiden auf, dass ich diese auch flüchtig von der Brettspiel Con kannte, aber im Grunde wurde ich in ein fremdes privates und sehr familiäres Umfeld versetzt.496 Für empirischene Kulturwissenschaftler*innen ist dies zwar keine unbekannte Situation, aber, wie schon beschrieben, wurde meine Rolle als Forscher zwar akzeptiert und wahrgenommen, aber viel mehr war das Feld an meiner Rolle als Spieler interessiert. Für mich, der vorher nur im Freundeskreis Brettspiele gespielt hatte, war dies eine ungewohnte und befremdliche Situation. Dabei ist das Treffen und der Austausch mit Fremden in Bezug auf eine Freizeitaktivität bzw. Hobby nichts Ungewöhnliches. Dieses »vertraute« Beisammensein, das Reden über den Gegenstand und die jeweilige freizeitbezogene Praxis passiert im Fußballverein, der Eckkneipe, dem Kegelklub oder dem Chor ebenso, wie beim Brettspiel. Und im digitalen Spiel finden sich oft sogar noch flüchtigere und anonymere Kontakte. Dort werden spielinterne Funktionen oder externe Anwendungen genutzt, um in Sprachchats mit teils völlig Unbekannten reden zu können, um sich im Spiel abstimmen zu können und beispielsweise gemeinsame Spielstrategien auszutauschen. Der große Unterschied dabei ist, dass die Praxis des Brettspielens oft in privaten Räumen stattfindet. Zwar holen die Spieler*innen sich ihr Gegenüber auch bei digitalen Spiele quasi ins heimische Wohnzimmer, die tatsächliche physische Präsenz und die fehlende Möglichkeit eine anwesende Person auf Stumm zu schalten unterscheidet sich doch aber stark von einer reinen digitalen Anwesenheit

495 Vgl. Lackner: Computerspiele und Lebenswelt, S. 31. 496 Vgl. Notizen zum Gruppengespräch vom 03.08.2018. 108 bei Computer- und Konsolenspielen. In dem Szenario des Gruppeninterviews war tatsächlich beides vorhanden. Während die Erwachsenen gemeinsam am Tisch saßen und sich über Brettspiele unterhielten und diese anschließend spielten, saß der jüngere Sohn von Mia und Patrick auf dem Sofa direkt daneben und unterhielt sich über einen Sprachchat mit seinen Freunden, mit denen er zusammen ein Videospiel spielte. Für meine Gewährspersonen löste dieses gegen einen Bildschirm redende Kind mehr Irritation aus als ein völlig fremder Spieler am Tisch.497 Beim Brettspiel rückt der Raum des Privaten viel mehr in den Vordergrund und dies führt, wie schon beim Beispiel von Elias angesprochen, zu Unverständnis und Irritation darüber, dass Menschen fremde Leute zum Spielen in diese privaten Räume lassen. Um Brettspiele spielen zu können, muss sich in der Regel in der realen Welt getroffen werden. Zwar gibt es, wie bereits gezeigt, auch digitale Umsetzungen von Brettspielen, diese werden aber eher als Zusatzangebot genutzt und ersetzen nicht die analoge Praxis. Um zu zeigen, warum sich nun Menschen auch teils fremde Personen zum Brettspiel ins Private einladen, möchte ich einen Spieleabend mit exemplarischen Rahmendaten kurz nachzeichnen: Bedingt durch den Rahmen von Erwerbstätigkeit finden Treffen für analoge Spiele oft am Abend oder am Wochenende statt. Um zu bestimmen, wo sich getroffen wird, werden verschiedene Kriterien herangezogen. Einer der wichtigsten Faktoren ist ein ausreichend großer Tisch, an dem alle Spieler*innen genügen Platz haben. Eine übliche Spieler*innenzahl liegt dabei zwischen drei und sechs Personen. Die untere Grenze von drei Personen ergibt sich, weil komplexere Spiele in Duellsituationen oft andere Dynamiken entwickeln als mit mehreren Spieler*innen, die Obergrenze von sechs bedingt sich dadurch, dass die Spieleauswahl mit sieben oder mehr Spieler*innen deutlich eingeschränkter ist.498 Zentrale Wohnlage und (fehlende) Kinderbetreuung spielen ebenso eine Rolle. Der Besitz einer großen Spieleauswahl kann zwar ein Kriterium sein, spielt aber überraschender Weise eine untergeordnete Rolle. Ich habe bei mehreren Spieletreffen erlebt, dass Spiele zu Treffen mitgebracht und diese dann auch gespielt wurden. Der Umstand, dass Spiele also transportiert werden müssen, um sie woanders zu spielen, stellt kein Hindernis dar. Oft beginnt ein Spieleabend mit einem »Starter«, meist ein kleines Spiel, das die Sitzung einläuten soll und dem »Aufwärmen« dient. Der Hauptteil besteht aus einem größeren (komplexeren) oder mehreren (etwas kleineren) Spielen – abhängig von der verfügbaren Zeit und der Dauer der entsprechenden Spiele. Die Ansichten darüber, welche Spiele komplex und wie viel Spielzeit kurz oder lang ist variieren dabei je nach Vorliebe und Einschätzung der einzelnen Spieler*innen. Spielzeiten zwischen einer und mehr als fünf Stunden sind aber für einzelne Spiele keine Seltenheit. Bevor die Sitzung beendet wird, gibt es als Pendant zum »Starter« noch einen »Absacker«, der sanft das Ende des Spieleabends einleiten soll. Keines der Spieletreffen, bei denen ich im Umfang meiner Forschung war, dauerte unter drei Stunden, sondern sie lagen meist deutlich darüber. Um einen solchen Spieleabend durchzuführen bedarf es also vor allem dreier Dinge: einen geeigneten Ort, ausreichend Zeit und ausreichend Spieler*innen. Letzteres ist nicht immer so einfach, das bemerkt auch Moritz:

»Und insofern ist das etwas, wo ich merke, das ist ein großer Nachteil an Brettspielen, dass man erst eine passende Spielergruppe braucht bevor man eigentlich richtig so spielen kann, wie man es gerne möchte.«499

Trotz wachsender Branche ist das Brettspiel noch immer eine Nische, in der dann doch, im Vergleich zu anderen Freizeitaktivitäten, wenige Menschen unterwegs sind. Beim digitalen Spiel, beispielsweise, finden sich nicht nur leichter Mitspieler*innen, weil es eine digitale Vernetzung gibt, sondern auch weil die Anzahl an aktiven Spieler*innen ungleich höher ist. Eine andere Person, die gerne Brettspiele spielt, wird also nicht nur freudig zur Kenntnis genommen, sondern oft als potenzielle*r Spielepartner*in »umworben«. Denn: Möchte ich

497 Vgl. Notizen zum Gruppengespräch vom 03.08.2018. 498 Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch Spieleabende mit nur zwei oder mehr als sieben Personen, aus praktischen Gründen sind diese aber in der Unterzahl. 499 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 109 einen Spieleabend an einem Samstag-Nachmittag machen, dann kann es natürlich passieren, dass meine Mitspielerin schon andere Pläne hat, dass bei dem Mitspieler, bei dem sonst gespielt wird Gäste angekündigt sind und so weiter. Den eigenen Pool an Mitspieler*innen zu vergrößern hilft also örtliche und zeitliche Störfaktoren zu minimieren. Zudem gibt es (teil-)öffentliche Räume, die zum Spielen genutzt werden. Dazu gehören neben Conventions und Messen, Spielecafés und Brettspielevents auch das Büro von Hunter & Cron. Diese Orte sind rar. Messen und Conventions zum Thema Brettspiel gibt es wenige Male im Jahr und Flächen zum Spielen beschränken sich oft auf Tische an den Verkaufsständen, an denen vor allem Neuheuten gespielt werden können. Dass bei der Brettspiel Con eine derartig große Fläche nur zum Spielen, ohne Verkaufsabsicht, zur Verfügung gestellt, wird ist ein Novum, da sich mit reinem Spielen eben keine Einnahmen erzielen lassen. Dies gilt ebenso für Spielecafés. Das Café, dass ich für meine Forschung besichte, nimmt für das Ausleihen von Spielen drei Euro pro Spiel und Geschäftstag; wird vor Ort gespielt, kostet es einen Euro pro Person und Stunde. Hinzu kommen der Verkauf von Getränken und ein kleines Regal mit Spielen zum Verkauf. Es lässt sich schnell ausrechnen, dass sich damit keine Unsummen verdienen lassen. Daher ist die Zahl der Brettspielcafés auch sehr gering. Oft bieten aber auch Brettspielgeschäfte einen Platz, an dem gespielt werden kann. Dieser Platz ist aber oft deutlich geringer als in entsprechenden Cafés. Diese Läden finanzieren sich vornehmlich über den Verkauf von Brettspielen. Neben den Spielen finden sich dort allerdings auch der »Szene« nahestehende Produkte, wie Rollenspielbedarf, Miniaturen oder Comics und Fantasy-, wie Science-Fiction-Bücher. Alternativ gründen sich mancherorts auch Vereine, wie das Beispiel aus Lisa Mattils Audiobeitrag zeigt. Eine etwas breitere Bekanntheit erlangte das Spielecafé der Generationen im niederbayrischen Pfarrkirchen, durch die intergenerationale Ausrichtung und die in dem Kontext entstandene Bachelorarbeit von Petra Fuchs, die zudem auch 1. Vorsitzende des Trägervereins ist. In Graz findet sich mit dem Ludovico ebenfalls ein vereinsgeführter Treffpunkt für Spiele (inkl. Ludothek zum Leihen), der sich allerdings nicht nur auf Brettspiele beschränkt, sondern auch ein breites digitales Angebot hat. Neben dem Tagesgeschäft von Ausleihen und Verkauf finden an all diesen Orten auch Spieleveranstaltungen statt, die vom offenen Spieleabend über Turniere hin zu eingeladenen Spieleautor*innen oder wie in Graz zu einer »Langen Nacht der Spiele« reichen. Trotz derartiger öffentlicher Orte findet das Spielen hauptsächlich an privaten Orten statt und lässt daher, als Freizeitaktivität, auch am besten Parallelen zum digitalen Spiel zu. Ein Vergleich mit Sport(spielen), zu Theater, Musizieren oder anderen Freizeitaktivitäten zeigt einen klaren Unterschied. Entweder finden diese Tätigkeiten an öffentlichen Orten statt, produzieren etwas oder sie sind an eine Öffentlichkeit gerichtet. Spielen hingegen ist eine unproduktive private Tätigkeit. Zwar sei hier kurz angemerkt, dass es auch im Brettspiel Turniere gibt, die öffentlich stattfinden und sich auch an eine Öffentlichkeit richten – eine breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit ist diesem öffentlichen Treiben allerdings nicht gegeben. Zusammenfassend sei also gesagt, dass Brettspielen vorrangig in privaten Räumen stattfindet. Die wenigen öffentlichen Veranstaltungen werden, neben dem Spielen, auch zur Vernetzung genutzt um im Privaten neue Mitspieler*innen zu gewinnen. Wie auch schon gezeigt, bewegen sich die Spielenden beim Spielen ohnehin in einer abgegrenzten ludische Sphäre. Das Einlassen auf diese Sphäre mit den entsprechenden Absteckungen und Grenzen ist bei der Betrachtung der Räumlichkeit daher entscheidender als die real-physische Lokalität. Das sieht auch Udo Thiedeke so:

»Die Form des Spiels symbolisiert so einen abgegrenzten Wirklichkeitsbereich, einen ›Spiel-Raum‹. Mit diesem ›Raum‹ ist weniger die Lokalität, als vielmehr der Sinnbereich gemeint, in dem die Normalität außer Kraft gesetzt wird und so Freiräume des Erlebens und Handelns entstehen – hier ist alles, was der Fall ist, nur ein Spiel. Soziologisch erscheinen Spiel-Räume somit als durch eigene Kommunikationen und eigene Erwartungen definierte Kommunikationsbereiche, die sich von anderen Kommunikationsbereichen abgrenzen lassen. Mit den Spiel-Räumen entstehen Enklaven der Kommunikation und d.h. Enklaven des Sinns. Von der Sinnperspektive der gesellschaftlichen Normalitäten aus betrachtet etablieren sich mit den Spiel-Räumen Exklusionsbereiche, d.h.

110

Ausschließungsbereiche gesellschaftlicher Kommunikation. Sie schließen z.B. alltägliche Normalitätserwartungen aus und ersetzen sie durch spielerische Normalitäten. Sowohl wenn wir Spiele und Spielende betrachten, als auch wenn wir selbst spielen, bemerken wir, dass hier etwas anderes vorgeht als gewöhnlich – gelegentlich sprechen wir auch davon, dass alles ›nur ein Spiel‹ sei, um diesen Wirklichkeitsübergang zu kennzeichnen.«500

Was zur Frage zurückführt, welche Art von Gruppen sich dabei konstituieren und zur Beantwortung eben jener beiträgt. In der Forschungssupervision stellte sich die Frage, ob es sich bei den Menschen, die sich zum Spielen treffen, überhaupt um Freundschaften handle, oder ob die Einzelpersonen diese Gruppen nur zu Befriedigung der individuellen Interessen nutzen? In einem Gespräch mit einer Fachkollegin über genau diesen Punkt meinte diese, dass dies doch typisch sei für Hobbys, die intensiv betrieben werden. Der Freundes- und Bekanntenkreis würde sich ganz automatisch um dieses Hobby herum bilden. Jede*r meiner Gewährspersonen hat, selbstredend, neben den Brettspielen noch andere Freizeitaktivitäten und Freunde sowie Bekannte, die nicht die Vorliebe Brettspiel teilen. Und mit den Menschen, die das Interesse teilen, wird jeder Versuch genutzt, dann auch zu spielen. Elias betont in der Supervision, dass diese Gruppen sich treffen, weil sie eben Brettspielen als gemeinsames Thema haben, Brettspielen sei die Motivation, um sich in diesem Fall zu treffen, was aber nicht bedeuten würde, dass es beliebig sei, mit wem sich getroffen wird.501 Bei Spielegruppen konstituieren sich also Gruppen, die bereit sind sich auf die ludische Sphäre, oder um es mit Thiedeke zu sagen, auf den »Spiel-Raum« für eine bestimmte Zeit einzulassen. Im Gruppeninterview stellte ich die Frage, weshalb die Gruppe sich aber denn genau zum Spielen treffen würde und nicht etwa einfach zum Kaffeetrinken oder Abendessen. Die Antwort war diese:

»Richard: …ja, das kriegen wir gar nicht hin. Wir haben es ja letztes Mal besprochen [die anderen drei lachen]: Wir können uns ja eigentlich auch mal so treffen, zum Filmabend oder so…

Mia: …wir waren aber auch schon mal im Kino zusammen…

Richard: …ja, wir waren schon mal…

Sophie: …ich finde aber das ist was anderes…

Richard: …das ist auch aufregend, wenn man auch wieder, also wir kaufen auch so viele Spiele [Sophie: Ja], eigentlich viel zu viele…«502

Was daran anders sei, blieb dabei offen. Dass bei einem Treffen gespielt wird, steht auch bei meinen anderen Gewährspersonen außer Frage – Kaffee oder Essen gibt es ohnehin meist nebenbei. Meine Gewährspersonen fanden alle durchgehend die Praxis des Spielens als sehr gesellig und betonten stets das Miteinander und Richard schob der oben zitierten Aussage noch nach: »Ich finde, Brettspiele sind einfach so kommunikativ, man trifft neue Leute, man kann mit denen spielen, man hat so ein Thema gleich […].«503

500 Thiedeke: Spiel-Räume, S. 18f. 501 Elias in der Supervisionsnotizen vom 17.11.2018 – Elias‘ Aussage ist hier als die Sicht eines Spielers zu bewerten, der die Praktik des Spielens an dieser Stelle allerdings auch wissenschaftlich beurteilt. 502 Auszug aus dem Gruppengespräch vom 03.08.2018. 503 Richard im Fokusgruppengespräch vom 03.08.2018. 111

6.4. BRETTSPIEL ALS SOZIALE PRAXIS

Durch die bewusste Entscheidung für das Zusammenkommen an einem (privaten) Ort, durch die Begegnung mit Menschen, die mehr nach einer Gemeinsamkeit als nach einem Unterschied schauen und durch das Einlassen auf ein gemeinsames Regelsystem für eine bestimmte Zeit wird der heimische Spieltisch zum sozialen Ort. Das unterscheidet das analoge vom digitalen Spiel für die meisten Brettspieler*innen. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass dies nicht bedeutet, dass digitales Spiel keine soziale Praxis darstellt. Lackner und Bareither beispielsweise, haben das Gegenteil gezeigt. Eine Abgrenzung zum Digitalen findet sich aber im Bereich der analogen Spiele deutlich. So erzählt Erik beispielsweise:

»Also trotz Multiplayer und so spiele ich digital allein. Da sitze ich halt allein vor der Kiste und mach dann irgendwas. Aber man hat nie wirklich Interaktion. Also ich finde halt dieses ins Mikrofon sprechen, ja geht in die Richtung, ist aber keine Interaktion. Der Vorteil von diesen ganzen Computerspielen ist halt, dieses Storytelling – das zieht dich halt rein. Wenn da eine coole Geschichte erzählt wird, was du da an Effekten reinbringen kannst, ist der Wahnsinn. Da reicht nie ein Brettspiel ran. Der Vorteil von diesen Brettspielen ist einfach diese Gemütlichkeit, dass man einfach zusammensitzt, vorher isst man noch etwas, einer kocht und das hat halt so einen Eventcharakter. Da bereitest du dich halt drauf vor, schaust in die Runde, was passen da für Spiele, das wird dann durchgeplant und da freut man sich richtig raus. Computerspiel ist für mich einfach nur Daddeln.«504

Und Erik ist unter meinen Gewährspersonen mit dieser Meinung auch nicht allein, so erzählt Moritz etwas ähnliches:

»Auch kommt für mich hinzu, dass ich bei digitalen, also bei Computerspielen oft nicht die soziale Komponente brauche. Es gibt so viele Spiele, wo das Spiel so reichhaltig ist, dass ich dort eintauchen kann und gar nicht den Austausch mit anderen brauche, weil das Spiel mir einfach so viel gibt. Dadurch, dass es bei Brettspielen tatsächlich oft so ist, dass eben erst durch die Interaktion die Welt entsteht, weil man eben erst durch den Austausch diese Welt gemeinsam aufbaut, ist dort für mich die Auseinandersetzung notwendiger, aber auch reicher, weil die Welt sagen wir mal, erst durch den Austausch entsteht, während beim Computerspiel ist sie da. Da kann man sich zwar zu zweit in dieser Welt bewegen, aber man muss sie nicht gemeinsam generieren.«505

Erst durch die körperliche Anwesenheit des Gegenübers scheint die Interaktion als »echt« empfunden zu werden. Wie schon vorher kurz angesprochen, gibt es manchmal auch die Möglichkeiten Brettspiele allein zu spielen. Bei einigen Spielen sind derartige Spielvarianten schon von vornherein implementiert, bei anderen gibt es Erweiterungen, die dies im Nachhinein ermöglichen. Da bei kooperativen Spielen ohnehin gegen das Spiel gespielt wird, wird dabei manchmal einfach der Schwierigkeitsgrad angepasst oder die Spielerin oder der Spieler übernimmt mehrere Rollen. Bei kompetitiven Spielen werden hingegen meist fiktive Gegner*innen eingebaut, deren Spielzüge durch ein entsprechendes Regelsystem automatisiert werden. Zwar scheint es fürs Solospiel eine Nachfrage zu geben, tatsächlich begegneten mir im Forschungsprozess aber nur wenige Personen, die angaben, dies auch zu nutzen. Einer von ihnen war Elias, den ich deswegen um ein Gespräch dazu bat. Zwar nutzt er derartige Spiele tatsächlich sehr häufig, vor allem aber aus der eben angesprochenen Not fehlender Mitspieler*innen:

»Also ich würde immer es vorziehen mit jemand anders zu spielen. Es geht einfach um die soziale Komponente. Selbst wenn du dich nicht über Sachen unterhältst, interagierst du ja trotzdem mit Menschen. Also keine Ahnung, du lachst zusammen, du machst irgendwelche Sprüche, du machst Witze. Es gibt halt einfach eine Interaktion. Das fehlt natürlich völlig, wenn du alleine spielst. Aber die Spielerfahrung als solche, also sozusagen, ist eigentlich beim Solospiel viel unmittelbarer. Du lernst eigentlich das Spiel viel besser kennen. Das Problem ist, dass du ganz oft Fehler machst – also Regelfehler. […] Das passiert dir nicht, wenn du mit jemand

504 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 505 Auszug aus dem Interview mit Moritz vom 15.06.2018. 112 anderem spielst, weil der andere auch darauf guckt, ob du die Ressourcen genommen hast, da ist sozusagen so ein Kontrollmechanismus, deswegen schummelt man unbewusst glaub ich mal, beim Solospiel.«506

Diese drei Zitate geben einen Überblick darüber, dass Brettspielen (in Abgrenzung zum digitalen Spiel) Zusammensein und Interaktion bedeutet, dass die ludische Sphäre gemeinsam und zwischen den Menschen entsteht und dass diese sozialen Komponenten Brettspielen erst zu dem machen, was es ist. Dieses Miteinander, die Interaktion und das Soziale zeigen sich nicht nur in den Aussagen der Spieler*innen, sondern lassen sich auch in deren Handeln beobachten. Der folgende Auszug aus meinem Forschungstagebuch beschreibt eine Szene, die exemplarisch ist für das soziale Verhalten auf der Brettspiel Con:

»Die meisten [Leute] kommen in fixen Gruppen, um sich Spiele auszuleihen. Manche hingegen suchen erst vor Ort Mitspieler*innen. Extra dafür wurden Fähnchen gebastelt, die anzeigen, dass man Mitspieler*innen sucht. Jemand aus dem Team hat diese Fähnchen in Mateflaschen gestellt, damit man sie besser auf dem Tisch platzieren kann. Recht früh am Tag kommt ein Jugendlicher, den ich so zwischen 15 und 17 schätze. Er sucht sich Star Wars Rebellion aus, ein Spiel, welches man nur exakt zu zweit spielen kann und welches ausgesprochen lange dauert. Er nimmt sich das Spiel und dazu eine Flasche mit Fahne und setzt sich an einen Tisch. Später sehe ich, dass er einen etwa gleichaltrigen Mitspieler gefunden hat, mit dem er danach noch weitere Spiele spielt.«507

Solche und ähnliche Situationen beobachtete ich während meiner Schichten häufig. Wenn Spiele zurückgebracht wurden, dann kam es nicht selten vor, dass diese den nächsten Personen gleich weiterempfohlen wurden. Ich erlebte, wie Spieler*innen ihre Sachen unbeobachtet an einem Tisch liegen ließen und etwas Essen gingen, wie gestohlen geglaubte Smartphones abgegeben wurden und immer wieder, wie erst fremde Leute sich zusammen zum Spielen zusammensetzten und so miteinander in Kontakt kamen. Für eine Veranstaltung, die etwa 10.000 Besucher*innen verzeichnete508 ist das zumindest bemerkenswert. Auch Richard berichtete von seinem Einsatz auf der Berlin Brettspiel Con, dass sich dort immer wieder Mitspielende direkt an der Ausleihe gefunden hätten, die sich vorher noch nicht kannten, die aber beispielsweise das gleiche Spiel spielen wollten. Auch den freundlichen Umgang betonte Richard: Es gebe kein Weggeschubse und alle seien freundlich zueinander gewesen.509 Trotz der großen Zahl an Personen schienen die Anwesenden weniger zu fremdeln, als ich bei einer Veranstaltung dieser Größe erwartet hätte. Meiner Auffassung nach liegt dies daran, dass die Anwesenden nicht nur einfach ein gemeinsames Interesse haben, wie auf anderen Messen oder Großveranstaltungen, sondern dass dieses gemeinsame Interesse nur durch soziale Interaktion überhauptrealisiert werden kann. Der Umgangston untereinander ist dabei ausgesprochen freundlich und das nicht nur auf der Brettspiel Con. Erik sieht das auch im sonstigen allgemeinen Austausch: »Wenn ich mir den Ton in den Kommentaren unter so YouTube-Videos anschaue, dann ist das wirklich 1A. Also was ich sonst so erlebt habe, ist schon grenzwertig.«510 Als Vergleich zieht er dabei den Programmierer-Bereich heran, wo er einen derartig positiven Umgang nicht findet und die Kommentare einen oft rauen Ton haben. In der Tat fanden sich bei meinen stichprobenartigen Sichtungen wenig kritische und keine abwertenden Kommentare unter entsprechenden Videos. Zu den kritischen Kommentaren werde ich später nochmal zurückkommen. Erik bringt in unserem Interview noch ein anderes Beispiel für den Umgang innerhalb der Community:

506 Auszug aus dem Interview mit Elias vom 06.09.2018. 507 Forschungstagebuch vom 27.07.2018. 508 Angabe des Veranstalters für 2019. Vgl. Berlin Brettspiel Con: Impressionen 2019. Abrufbar unter https://berlin- con.de/impressionen-2019/ (Zugriff am 15.07.2020). 509 Vgl. Gruppeninterview vom 03.08.2018. 510 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 113

»Dass es halt auch so breit gestreut ist, und auch diese Steal-This-Game-Kampagne, damals [TJK: Ja]. Als ich das gehört habe. Da wird einem Verlag die Kasse geklaut, die denken sich ein Spiel aus und diese ganzen Riesenverlage, die da total auf Profit ausgerichtet sind, geben denen eine Bühne, um dieses Spiel vorzustellen, dass sie den Verlust wieder reinholen. Also wie cool ist das denn. Kann ich mir in keiner anderen Branche tatsächlich so vorstellen.«511

Hier spricht Erik einen Vorfall an, der sich auf der Spielemesse SPIEL in Essen 2016 ereignete. Dem Verlag LudiCreations wurde in einem Moment der Unaufmerksamkeit die Kasse mit den Tageseinnahmen gestohlen. Für den kleinen Verlag war das ein schwerer Schlag. Noch in der darauffolgenden Nacht setzten sich Mitarbeiter*innen des Verlages und ein Spieleautor zusammen und entwickelten einen Prototyp für ein sogenanntes Nanogame512 mit dem Namen Steal-This-Game.513 Das Zwei-Personen-Spiel behandelt den Diebstahl der Kasse auf einer Brettspielmesse. Zudem startete der Verlag eine Kickstarter-Kampagne, bei der Geld gesammelt werden sollte, mit dem das Spiel in den Druck gehen konnte. Der Versuch bestand darin, den Verlust der Kasse mit 3.600 Euro wieder auszugleichen. Unterstützt wurden sie von vielen anderen Verlagen und Multiplikator*innen wie Blogger*innen und Youtuber*innen, die dem über Nacht entstandenen Spiel zu größerer Aufmerksamkeit verhalfen. Die Kickstarter-Kampagne zum Spiel, welches im Grunde nur aus einer gefalteten Pappe in Postkartenformat besteht, hatte einen überragenden Erfolg und spielte dem Verlag über 50.000 Euro ein.514 Der Zusammenhalt und die Unterstützungsbereitschaft innerhalb der Community gilt innerhalb der Peergroup als Paradebeispiel und füttert das sozialkulturelle Selbstbild der Brettspieler*innen. Diese Sozialkultur zeigt sich auch in einer Kampagne mit dem Titel »Spielend für Toleranz: Gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit«, die der Journalist Udo Bartsch und die Blogger Martin Klein und Harald Schrapers ins Leben gerufen haben. Im Zuge dieser Kampagne, die ohne direkten Auslöser innerhalb der Community gestartet wurde, bekennen sich mit einem entsprechenden Sujet mittlerweile etwa 140 Multiplikator*inneen, wie Verlage, Händler*innen, Blogger- und Youtuber*innen, Spielecafés usw.515 zu den angesprochenen Werten und wollen damit ein Zeichen gegen Ausgrenzung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft setzen. Was das mit Spielen zu tun, hat beantwortet Bartsch so: »Jede Menge. Spielen steht für ein respektvolles Miteinander, für Gleichheit, Fairness und Dialog. Spielen verbindet, statt auszugrenzen. Spielen steht für genau die menschlichen Werte, die aktuell bedroht sind.«516 Die Bloggerin Simone Schaal führt das noch weiter aus:

»Viele tausend Brettspieler aus aller Welt treffen sich jedes Jahr zur SPIEL in Essen, um 4 Tage lang gemeinsam zu spielen. Wir lernen dabei so viele neue Menschen kennen. Unterschiedliche Sprachen, Hautfarben, Handicaps sind dabei völlig unwichtig. Es zählt nur Fairness und das gemeinsame Erlebnis am Spieltisch. Spielen verbindet und macht Fremde zu Freunden! Auch wenn wir oft unserer Leidenschaft wegen belächelt werden: Für uns Brettspieler sind Werte wie Chancengleichheit, Respekt vor dem Einzelnen, Fairness und ein konstruktives Miteinander selbstverständlich. Ohne sie wären wir keine leidenschaftlichen Spieler, keine oft belächelten

511 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 512 Das Spiel wird als Nanogame bezeichnet auf Grund der wenigen Regeln, der geringen Komplexität und Spieldauer und des äußerst wenigen Materials. 513 Vgl. hierzu u.a. Hunter & Cron: Steal This Game – Unterstützt Ludicreations. [YouTube], veröffentlicht am 17.10.2016. Abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=clNRbiTxmCU; (Zugriff 15.07.2020). 514 Vgl. Steal This Game: David Turczi. Erstveröffentlichung auf Englisch 2016 von LudiCrations. Kichstarter-Kampange abrufbar unter https://www.kickstarter.com/projects/ludicreations/steal-this-game?lang=de; (Zugriff am 15.07.2020). 515 Vgl. Udo Bartsch: Spielend für Toleranz. Rezensionen für Millionen 2018. Abrufbar unter https://rezensionen-fuer- millionen.blogspot.com/2018/10/spielend-fur-toleranz.html; (Zugriff am 15.07.2020). 516 Ebda. 114

Geeks, die Holzklötzchen über ein Spielbrett schieben und dabei großen Spaß haben, denn ohne diese Werte ist unser Hobby gar nicht möglich.«517

Erwin Glonnegger schreibt in seinem Spiele-Buch: »Im Gegensatz zum Leben sind wir im Spiel wirklich alle gleich. Weder Herkunft, Vermögen, Erziehung, Alter, Veranlagung oder Talent noch Beeinflussung können den Fall des Würfels bestimmen.«518 Dem Brettspiel wird hier eine egalisierende Tendenz zugeschrieben. Willkommen sind alle, die bereit sind sich auf die ludische Sphäre einzulassen. Ob dies auch für die Skatrunde am Stammtisch gilt, muss an dieser Stelle leider offenbleiben, ich halte das aber zumindest für fraglich. Dabei ähneln sich Skatrunde und Brettspielgruppe in ihrer Erscheinung geradezu. Als ich die Frage nach dem Unterschied im Gruppeninterview stelle, verblüfft mich die Antwort – versuchte sich die Gruppe doch einerseits deutlich von der Skatrunde abzugrenzen und beschrieben sie auf der anderen Seite dabei sich selbst und ihr Spielverhalten:

»Sophie: Aber die Skatrunde, sie sind ja auch, glaub ich, zusammen um beieinander zu sein und was miteinander zu machen. Also ich könnte das mittlerweile gar nicht mehr, weil mir das zu langweilig wäre. Aber zum Beispiel bei mir in der Familie war das immer so, dass wir Rommé gespielt haben. Also für mich was das immer deprimierend, weil ich bei Rommé immer verloren habe. Aber da haben wir das auch gemacht, um irgendwie in der Familie was zusammen zu machen. Man unterhält sich, isst zusammen und hat halt einfach einen so ein gemeinsames Gefühl irgendwie, Also das ist bei der Skatrunde auch so, die haben jemanden, wo sie hinkommen können, da ist eine Gemeinsamkeit, weil alle Skat mögen.

Mia: Die haben halt ihren Grund, wenn man es so nimmt – einen Grund sich zu treffen. […]

Richard: Und wahrscheinlich ist nicht mal Skat das wichtigste an dem Ganzen. Bei uns ist das ja auch, das Zusammensein ist super wichtig. Aber ich weiß jetzt nicht, wie man das prozentual aufschichten kann, das Zusammensein, zusammen Essen, Quatschen und das Spielen.«519

Die häufigste Antwort meiner Gewährspersonen auf die Frage, weshalb sie spielen, bezieht sich auf eben jenen sozialen Aspekt. Zwar geht es bei den Treffen klar ums Spielen, denn ohne dies würden die Treffen nicht zustande kommen, aber die direkte zwischenmenschliche Interaktion wird als bestimmender Faktor betont. Dabei spielen, wie schon kurz erwähnt, andere Themen bei diesen Treffen kaum eine Rolle. Weder werden aktuelle gesellschaftliche Themen erörtert noch viel über Alltag oder persönliche Themen gesprochen. Ein anderes Narrativ der Community bezieht sich auf eine Aussage, welche Platon in den Mund gelegt wird. Sie lautet sinngemäß, dass ein Mensch bei einer Stunde Spiel besser kennen gelernt werden kann als bei einem Gespräch in einem Jahr. Dabei ist mit dem Kennenlernen nicht faktenbezogenes Wissen über das Leben der Person gemeint, sondern eher Charakterzüge und Persönlichkeit. Denn wie schon im Kapitel vier gezeigt, werden dabei echte Emotionen gelebt und geteilt.

6.5. EGALISIERUNG UND PARTIZIPATION

Das sozialkulturelle Selbstbild der Brettspiel-Community wird noch von einem weiteren Faktor bestimmt, der schon angesprochenen anscheinend egalisierenden Wirkung des Spiels. Grundlage dafür stellt vor allem das Narrativ, dass alle Personen der Community »ja auch nur« Spieler*innen seien. Dieses Narrativ wird dabei nicht nur auf die Konsument*innen angewendet, sondern auch auf Multiplikator*innen wie YouTuber*innen und Blogger*innen und auf Autor*innen, Verlagsmitarbeiter*innen und Händler*innen übertragen. Wer sich mit

517 Simone Schaal: Brettspieler Initiative: Spielend für Toleranz. Familienspiele – die besten Gesellschatsspiele für die ganze Familie o.J. Abrufbar unter https://die-besten-familienspiele-gesellschaftsspiele.de/spielend-fuer-toleranz/, (Zugriff am 15.07.2020). 518 Glonnegger: Das Spiele-Buch, S. 6. 519 Auszug aus dem Gruppeninterview vom 03.08.2018. 115

Brettspielen beschäftigt, ist vorrangig Spieler*in und erst im zweiten Schritt wird eine weitere Funktion in der Gruppe erfüllt. Dies wird verstärkt durch die ebenfalls schon angesprochene suggerierte oder gefühlte Nähe. Diese Nähe entsteht durch verschiedene Bedingungen. Wie schon gezeigt, findet Brettspiel meist in einem privaten Umfeld statt. Hinzu kommen eine geringe öffentliche Aufmerksamkeit und das gesellschaftliche Bild des Brettspiels, welches auf der einen Seite von Gemeinschaft, auf der anderen Seite aber auch von Unproduktivität geprägt ist. Diese Unproduktivität mag es auch sein, weshalb Brettspiel wenig professionalisiert zu sein scheint – viel weniger als es andere Spielformen wie digitales Spiel oder Sportspiel sind. Weil Spiel also eine wenig professionalisierte, private und kollektivierende Tätigkeit ist, entsteht eine äußerst geringe Distanz zwischen den verschiedenen Akteuer*innen. Wie im Abschnitt über Multiplikator*innen schon gezeigt, wird eine gewisse Nähe auch erwartet. Diese Nähe geht soweit, dass viele Multiplikator*innen nicht nur über Brettspiele fachsimpeln, sondern auch einen Einblick in private Bereiche geben. Hunter & Cron beispielsweise spielen mit ihren Kindern Spiele auf dem Kanal, u.a. um damit auch den Kinderspiel-Sektor abzudecken oder um Eltern Spiele zu zeigen, die mit Kindern gemeinsam gespielt werden können. Der YouTuber Stephan Gust, der besser bekannt ist als Boardgame Digger und seine Partnerin, die teilweise auch auf dem Kanal zu sehen war, haben in einem Video gegenüber der Community sogar ihre Trennung bekanntgegeben.520 Ein persönlicher Bezug und das Gefühl, nah an den Multiplikator*innen dran zu sein, scheint wichtig. Das passt gut ins Selbstbild, denn die meisten YouTuber*innen oder Blogger*innen verstehen sich ohnehin nur als Spieler*innen, die gern über ihr Hobby reden oder schreiben – und der einzige Unterschied ist dabei die Reichweite ihrer jeweiligen Plattform. Sie sehen sich nicht als Expert*innen, sondern als Teil einer großen Community von Spieler*innen und ihre Texte und Videos als Beitrag zum Diskurs darüber - eine journalistische Qualifikation bringen dabei die wenigsten mit. Wichtig erscheint das Reden über das Spielen. Bei allen Spieleabenden, die ich während des Forschungsprozesses begleitet habe, nahm vor, während und nach dem Spielen das Reden über das Spielen einen wichtigen Raum ein. Das Maß, an dem dabei eine Person gemessen wird, das habe ich bereits mehrfach erwähnt, wird dabei durch die Art, Vielfalt und Anzahl an Spielen bestimmt, die diese Person kennt, gespielt hat und über die er oder sie reden kann. Ob dies persönlich, über einen Text oder ein Video geschieht und welche Reichweite diese Person hat, spielt dabei eine sehr untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist, ob das Wissen und die Person an sich für authentisch gehalten wird. Diese Authentizität betont Gust im Panelgespräch auf der Spiel 2019: Es sei ihm wichtig authentisch zu sein und das würden ihm die Leute, die ihn auf Veranstaltungen treffen, auch bestätigen521. Nach Gust ist diese Authentizität auch wichtig und würde die Vielfalt der verschiedenen Angebote nur fördern, da sich jede*r Konsument*in sich das passende Format heraussuchen kann. Problem sei nur, so Gust, »dass die Leute, in Form von Kommentaren unter Videos, glauben mitreden zu können«.522 Er vergleicht dies mit dem Fernsehangebot und meint, dort würde er auch keinen Brief schreiben, wenn ihm das Angebot nicht passen würde.523 Dass es auch beim linearen Angebot der Rundfunkanstalten so etwas wie Zuschauer*innenbriefe gibt und diese Möglichkeit seine Meinung über das Programm kundzutun ausgiebig genutzt wird, scheint Gust dabei nicht bewusst zu sein. Hinzu kommt, dass mit YouTube als Zweikanalmedium, wie schon gezeigt, der Austausch zwischen Produzent*innen und Rezipient*innen viel direkter funktioniert und genau darauf ausgelegt ist. »Die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung des Cyberspace ist«, so Lackner, »ein

520 Vgl. Boardgame Digger: Kanal Update – Der Abschied – Brettspiele – Boardgame Digger. [YouTube], veröffentlicht am 24.04.2020. Abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=wd6fCmC8JHE&feature=youtu.be&fbclid=IwAR20XMQ30n YP_PKMGrHuO1PBOrl8C198IppRSdK1IespoBq1IJb0nchRFCc; (Zugriff am 15.07.2020). 521 Spiel_Messe: SPIEL ‘19 Panel / YouTube, Podcast und Co – Die digitale Welt der analogen Spiele / Essen 2019. [YouTube]; veröffentlicht am 08.11.2019, hier ab Min. 18:30. Abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?time_continue=110&v=zspp_388RGA&feature=emb_title; (Zugriff am 15.07.2020). 522 Ebda.; ab Min 19:28. 523 Ebda.; ab Min. 19:39. 116 wesentliches Novum der neuen Technik und stellt einen entscheidenden Unterschied zu den herkömmlichen Medien dar.«524 Dabei sind, wie Erik bemerkt hat, die kritischen Kommentare unter Brettspielvideos auffallend gering. Thematisiert werden darin fehlender regelmäßiger Content bei gleichzeitiger Kritik an einer Kommerzialisierung und die schon angesprochene Distinktion durch die Darstellung der eigenen Kompetenz der Kommentierenden, die durch die Nennung von Spieletiteln belegt werden soll. Lackner deutet an, dass sich bei neuen Medien das Verhältnis der Kommunikation in Richtung der Konsument*innen verschiebt. Bezugnehmend auf Britta Neitzel meint er, dass sich beim Computerspiel die Rollen von Zuschauenden und Handelnden vermischen.525 Die Antwort auf Gusts Kommentar beim Panel folgt auch prompt. Der Moderator versucht eine Überleitung zu Daniel Wüllner, der neben einem eigenen Blog auch für die Sozialen Medien bei der Süddeutschen Zeitung zuständig ist. Wüllner hält es für wichtig, dass auf Kommentare, egal ob auf Zeitungsartikel oder auf Videos zu Spielen geantwortet wird, denn die Kommentator*innen seien ja diejenigen, die den Content letztlich lesen oder schauen. Dies sei, so Wüllner, der Community-Gedanke, der beim Spiel interessant werde.526 Gerade Spieler*innen verstehen sich dabei oft nicht nur als reine Konsument*innen. Sie wollen partizipieren und mitreden. Dies mag auch daran liegen, dass das Medium Spiel ohnehin ein partizipatives Medium ist. So meint Lackner: »Während TV-Serien und Radioprogramme oft ›nebenbei‹ konsumiert werden, fordern Spiele die ganze Aufmerksamkeit der KonsumentInnen.«527 Die Teilhabe durch Kommentare unter Artikeln oder Videos ist nun sicher keine Brettspiel-eigene Partizipationsform, sondern findet sich auch in anderen Bereichen. Spezifisch sind aber die damit einhergehenden Nähe- und Egalisierungsnarrative. An manchen Stellen werden diese allerdings gebrochen, was wiederum zu Irritationen führt, wie der Kommentar von Gust belegt. Dass die Konsument*innen des Multiplikator*innen-Contents sich kritisch äußern, wird von ihm als Affront gesehen. Florian Aengenendt, der den YouTube-Kanal Get on Board betreibt, veröffentlichte am 21.05.2020 zu diesem Thema ein Video.528 Darin kritisiert er den Umgangston einiger Kommentare. Er betont in dem Video, dass er eben kein Experte sei, sondern den Kanal lediglich aus Spaß mache und dass er überrascht sei, dass er dafür kritisiert werde, wenn er zum Teil Spiele nicht kenne oder nennen würde. Als Beispiel: Am 04.09.2019 veröffentlicht Aengenendt ein Video mit dem Titel »Die Top 10 Besten Brettspiele aller Zeiten«.529 In diesem Video stellt er zehn Spiele vor, die, so wohl die allgemeine Erwartung, seiner Meinung nach ausgesprochen gut und eben für ihn die besten Spiele seien. Die meisten Kommentare unter dem Video sind wie gewohnt positiv und beinhalten entweder Lob und Dank für das Video oder Anmerkungen darüber, wie die Kommentierenden die Spiele selbst finden oder welche sie hineingenommen hätten. Ein Kommentar hebt sich dabei allerdings ab, in dem ein User folgendes schreibt:

»Inhaltlich kann ich DEINE Auswahl nachvollziehen, allerdings nur, wenn man den Beitrag nennt ›MEINE BESTEN SPIELE SEIT 2005‹ und nicht ›Die besten Spiele aller Zeiten‹, denn es fehlen die zeitlosen Klassiker wie ›Cosmic Encounter‹, ›1830‹, ›Junta‹, ›Britannia‹, ›Advanced Civilization‹, ›‹, ›Brass‹. Da hilft noch nicht einmal die Ausrede Deiner Jugend, denn diese Spiele werden immer wieder neu aufgelegt, auch derzeit. Es gibt noch weitere wie Roads & Boats, Indonesia, Imperial, Bus, Funkenschlag, Kreml - nur muss man sie eben kennen. Also wie geschrieben ›die besten‹ und ›aller Zeiten‹ ist euphemistisch.«530

524 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 101. 525 Vgl. Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 143f. 526 Spiel_Messe: SPIEL ‘19 Panel, ab Min. 20:00. 527 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 238. 528 Vgl. Get on Board: WAS MAL GESAGT WERDEN MUSSTE! [YouTube], veröffentlicht am 21.05.2020. Abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?time_continue=228&v=fGaJxdAMNBo&feature=emb_title; (Zugriff am 15.07.2020). 529 Vgl. Get on Board: Die Top 10 Besten Brettspiele aller Zeiten. [YouTube], veröffentlicht am 04.09.2019. Abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=5OZmzzbwGq8&t=1s; (Zugriff am 15.07.2020). 530 Ebda., in den Kommentaren. Die hier erwähnten Spiele sind: Cosmic Encounter: Bill Eberle u.a. Erstveröffentlichung auf Englisch 1977 bei Eon. 117

An diesem Kommentar lässt sich einiges zeigen. Die Kritik des Users, dass der Titel des Videos zu allgemein gefasst sei und besser als persönliche Meinung gekennzeichnet würde, scheint hier nur vorgeschoben, scheint die Kritik doch vor allem auf die Auswahl selbst gerichtet zu sein. Als Argumente gegen die Auswahl werden dann zeitliche Eingrenzung und Spieletitel herangezogen. Der User stellt also die Kompetenz des Multiplikators in Frage, in dem er fehlende Kenntnis über eine Spieleepoche und »wichtige« Spieletitel hervorhebt. Hieran zeigt sich das schon beschriebene Muster, dass die Authentizität als Spieler*in vom Wissen über Spiele bestimmt wird. Dass die Auswahl des kommentierenden Users auch nur eine individuelle Meinung darstellt, ist dabei nebensächlich, da diese Kritik keine eigentlich inhaltliche Kritik darstellt, sondern auf die Kompetenz des Multiplikators abzielt. Multiplikator*innen wird also nicht per se eine Kompetenz zugesprochen, weil sie viel über Brettspiele reden, sondern werden in ihrer Kompetenz hinterfragt, denn schließlich sind sie auch nur Spieler*innen, die über das Spielen reden. Dabei wird das Reden nicht als Einweg- Informations-Vermittlung gesehen, sondern ist Teil eines wechselseitigen Austausches über Spiel, der eben jenem Egalisierungsgedanken folgt. Zu Irritation führt es, wenn diese Egalisierung gebrochen wird. Wer regelmäßig Content veröffentlichen will, sei es in Text- oder Videoform, der verbringt damit viel Zeit und, wie schon in Kapitel 4 besprochen, es ist damit, gerade bei der Videoproduktion, auch eine gewisse Form an finanziellem Aufwand von Nöten, denn die Technik für hochwertigen Content kostet Geld. Daher versuchen viele Multiplikator*innen diese Kosten gegenzufinanzieren. »Finanzielles Interesse« und privates Hobby werden aber in der Community oft als Widerspruch wahrgenommen. Aufrufe zur finanziellen Unterstützung oder Content, der speziell für Förderer*innen erstellt wird, geraten deswegen in die Kritik, welche sich auch in Kommentaren unter einigen Videos äußert. Diesen Umstand spricht auch Elias im Interview an:

»Und in den Kommentaren dazu gibt es jetzt halt total viele Leute, die das kritisieren und die halt sagen: Hey, bei Hunter und Cron geht es jetzt nur noch ums Geldmachen und so, und das ist jetzt überhaupt nicht mehr Hobby. Ich muss halt sagen, dass ich das irgendwie, also ich finde das irgendwie komisch. Also es gibt auch ganz viele, die darauf antworten und sagen: Das ist irgendwie eine komische Erwartungshaltung zu sagen, die sollen hier ganz viel Content produzieren, ich guck hier jeden Tag, und die sollen hier mal Videos machen und wieso passiert hier nichts und die sich über die Qualität der Videos beschweren und wieso sie dieses und dieses und jenes Spiel noch nicht rezensieren. Und die auf der anderen Seite erwarten, dass das alles ehrenamtlich passiert.«531

Nun sind kritische Kommentare unter Internetangeboten nichts Außergewöhnliches. Der Umgangston und vor allem die Möglichkeit im Netz jeglichen Kommentar anonym zu äußern

1830. Railways & Robber Barons: Francis Tresham. Erstveröffentlichung auf Englisch 1986 bei The Game Co. Junta: Eric Goldberg u.a. Erstveröffentlichung auf Englisch 1978 bei Alderac Entertainment Group. Britannia: Lewis Pulsipher. Erstveröffentlichung auf Englisch 1986 bei The Avalon Hill Game Co. Advanced Civilisation: Lauren Benerd u.a. Erstveröffentlichung auf Englisch 1991 bei The Avalon Hill Game Co. Hierbei handelt es sich streng genommen um eine veränderte Neufassung des 1980 erschienenen Spiels Civilisation. Vgl. Civilisation: Francis Tresham. Erstveröffentlichung auf Englisch 1980 bei Hartland Trefoil Ltd. El Grande: Wolfgang Kramer/Richard Ulrich. Erstveröffentlichung auf Deutsch 1995 bei Hans im Glück. Brass. Lancashire: Martin Wallace. Erstveröffentlichung auf Deutsch und Englisch 2007 bei Warfrog Games. Roads & Boats: Jeroen Doumen/Joris Wiersinga. Erstveröffentlichung vermutlich in mehreren Sprachen 1999 bei Splotter Spleen. Indonesia: Jeroen Doumen/Joris Wiersinga. Erstveröffentlichung vermutlich in mehreren Sprachen 2005 bei Splotter Spellen. Imperial: Mac Gerdts. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2006 bei PD-Verlag. Bus: Jeroen Doumen/Joris Wiersinga. Erstveröffentlichung vermutlich in mehreren Sprachen 1999 bei Splotter Spellen. Funkenschlag: Friedemann Friese. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2001 bei PeKa. Kreml: Urs Hostetter. Erstveröffentlichung auf Deutsch 1986 bei Fata Morgana. 531 Interview mit Elias vom 06.09.2018. 118 ist ein viel diskutiertes Thema. Auffällig anders sind aber die Inhalte, die nicht wie bei anderen Themen häufig sinnfreier Natur sind, sondern sich beim Brettspiel an zumindest vermeintlich sachlichem Argumenten orientiert. Durch die Nähe, die innerhalb der Community herrscht oder die mit dem Thema Brettspiel verbunden wird, und durch die Privatheit des Themas wird diese Kritik aber deutlich sensibler aufgenommen. Dies liegt auch an der geringen Größe der Community, die viel weniger Anonymität suggeriert als andere Interessenskreise. Eine starke Nähe zeigt sich nämlich nicht nur in einer Kommunikation zwischen Multiplikator*innen und Konsument*innen, sondern auch zwischen den verschiedenen Multiplikator*innen. Diese sind stark untereinander vernetzt und einige übernehmen gleich mehrere Rollen bzw. Funktionen im Feld. Der Betreiber des Berliner Spielecafés ist auch Gründer eines kleinen Spieleverlages, der sich wiederum mit den YouTubern Hunter & Cron ein Büro teilt. Jens Junge, dessen Spieleseminar ich im Zuge dieser Forschung besuchte, traf ich auch auf der Spiel des Jahres-Verleihung 2018 auf der er in journalistischer Funktion der Zeitschrift spielebox war, bei der er als junger Mann eine Ausbildung zum Verlagskaufmann gemacht hatte. Mit Martin Klein und Julia Zerlik finden sich in der Jury des Spiel des Jahres zwei Blogger*innen bzw. YouTuber*innen und Udo Bartsch, ebenfalls Mitglied der Jury, ist sowohl Autor der Zeitschrift spielebox als auch Chefredakteur der SPIEL DOCH!.532 Trotz wachsender Umsatzzahlen ist die Community recht klein und es scheint, als würde die partizipative Eigenschaft des Brettspielens sich auf die Community übertragen. Auch die Berlin Brettspiel Con ist für das Partizipative ein gutes Beispiel. Dort wird die meiste Arbeit von freiwilligen Helfer*innen geleistet. Zwar ist die Organisation in den Händen von festangestelltem Personal – die Umsetzung vor Ort (Aufbau, Umsetzung und Abbau) werden aber von hilfsbereiten Spieleenthusiast*innen übernommen – ohne die eine derartige Veranstaltung nicht durchführbar wäre. Teilhabe scheint wichtig zu sein. Das Netz der Aktuer*innen ist engmaschig und wer sich über das reine Spielen im heimischen Wohnzimmer mit dem Thema beschäftigt, kann sich schnell mit anderen Akteur*innen vernetzen bzw. kommt mit diesen in Kontakt. Über das Verhältnis von Produzent*innen und Konsument*innen bei populären Medien schreibt Lackner folgendes:

»Das Verhältnis von ProduzentInnen und KonsumentInnen ist in der Fernseh-, Film-, und Medientheorie ein entscheidender Faktor. Geht es doch dabei um die Vorstellung, RezipientInnen am Vermittlungsprozess aktiv zu beteiligen. Abgesehen von den unterschiedlichen Möglichkeiten der Aneignungsmodelle und den ihnen innewohnenden unterschiedlichen Varianten der Lesarten eines Medienproduktes, bleibt den KonsumentInnen aber ein beschränkter Rezeptionsspielraum. Bei einem Film besteht für die KonsumentInnen in der Regel kaum ein Feedbackprozess direkt hin zu den ProduzentInnen. Kommunikation ist abseits von Foren und eventuellen Leserinnenbriefen selten möglich. Ähnlich verhält es sich mit kommerziellen Computerspielen. Auch hier findet kaum ein Kontakt mit den ProduzenInnen statt.«533

Beim Brettspiel zeigt sich dies anders, erinnere ich doch an meine Ausführungen zum Treffen mit Spieleautor*innen oder an meine eigene Erfahrung beim Testen der Prototypen im Spielecafé. So ist es auch nicht verwunderlich, dass einige meiner Gewährspersonen eigene Spieleideen im Kopf haben, die sie schon immer mal umsetzen wollten. Wer über Spiele nachdenkt und redet, der macht sich auch Gedanken über deren Aufbau, und es liegt wohl nahe dann auch über eine eigene Umsetzung nachzudenken. Das zeigt ein Beispiel: 2016 kam das von dem US-Amerikaner Stegmaier entwickelte Spiel Scythe auf dem Markt. Das Spielkonzept begeisterte schon vor der Veröffentlichung viele Spieler*innen und schaffte es über die Crowdfoundingplattform Kickstarter 1.800.000 US-Dollar zu akquirieren.534 Nach der Veröffentlichung erlangte das Spiel eine große Beliebtheit und eine treue Fangemeinde. Für die Branche bzw. Community nicht unüblich, aber in dem Maße doch nochmal besonders,

532 Sowohl spielbox als auch Spiel Doch! sind beim Verlag Nostheide angesiedelt. 533 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 143. 534 Vgl. Jamey Stegmaier: Scythe. Kickstarter, letzte Änderung 2019. Abrufbar unter https://www.kickstarter.com/projects/jameystegmaier/scythe?lang=de; (Zugriff am 15.07.2020). 119 pflegte Stegmaier über soziale Netzwerke einen engen Kontakt zur Spieler*innengemeinschaft. Über Facebook-Gruppen und Foren tauschten sich Spieler*innen über einzelne Partien oder Regeldetailfragen aus – gelegentlich beteiligte sich Stegmaier selbst an diesen Unterhaltungen oder gab bei Fragen Auskunft. Irgendwann postete der Deutsche Kai Starck eine Idee zu einer Erweiterung auf Facebook in einer entsprechenden Gruppe und wurde wenig später von Stegmaier gebeten ihm eine Mail zu schreiben. Ihm gefiel die Idee so gut, dass er sie mit Starck zusammen umsetzen wollte. 2017 erschien die entsprechende Erweiterung »Scythe – The Wind Gambit«.535 Dass aus einem Fanprojekt eine Kooperation mit dem Autor des Spiels entsteht, ist sicher eine Ausnahme, illustriert aber gut den niederschwelligen Austausch und das Näheverhältnis innerhalb des Feldes. Zudem zeigt dieser Umstand einen weiteren Aspekt der Partizipation im Brettspiel. Das Medium wird nicht einfach als fertiges Produkt verstanden, sondern bietet Ansätze zur Mitgestaltung. So ist es keineswegs unüblich, dass viele Spielerunden Hausregeln zu einzelnen Spielen entwickeln, die das Spiel für sie spannender, runder oder unterhaltsamer machen. Dieses Phänomen ist auch recht stark bei digitalen Spielen. So stellt Lackner fest:

»Ähnliches kann man in der Community der ComputerspielerInnen beobachten. Beispielgebend dafür ist die ›Mod‹- bzw. ›Modder‹-Szene. Für eine nicht geringe Anzahl von Computerspielen werden von den Spielfirmen Programmcodes freigegeben und Hilfsprogramme zur Verfügung gestellt, die HobbyprogrammiererInnen erlauben, die gekauften Computerspiele zu bearbeiten bzw. völlig neue Spielinhalte zu entwickeln.«536

Und etwas später schreibt er: »Kaum ein mediales Produkt erfährt eine ähnliche aktive Aneignung, wie Computerspiele es tun.«537 Auch wenn Lackner offenlässt, ob auch andere Medien eine derart aktive Aneignung erfahren, erwähnt er (obwohl naheliegend) das Brettspiel nicht explizit. Dabei funktioniert die Aneignung viel direkter und mit weniger Aufwand als beim digitalen Spiel. Bedarf es bei Video- und Computerspielen oft externer Programme oder gar spezieller Anwendungskenntnisse, ist beim Brettspiel eine Idee völlig ausreichend – zudem kann diese ebenso schnell rückgängig gemacht werden, wie sie eingeführt wurde. Die Hürden zur Partizipation und Aneignung des Mediums sind also deutlich geringer. Zudem sind die Aneignungsmöglichkeiten vielfältiger, dazu müssen noch nicht einmal die Regeln verändert werden. Manche Spieler*innen, die ein bestimmtes Spiel sehr häufig spielen, passen dieses gern an die eigenen Wünsche an, indem sie vorhandene Figuren bemalen, Material durch zusätzlich erwerbbares Zusatzmaterial verschönern (beispielsweise Inlays aus Holz), oder fertigen sogar eigene Komponenten an, wie eine Kollegin in der Forschungssupervision über einen Bekannten erzählte. Dieser kaufte sich extra einen 3D-Drucker um damit Komponenten für Spiele zu drucken, die im Spiel beispielsweise nur mit Karten oder Plättchen dargestellt wurden. Sie war begeistert davon, was Spieler*innen alles tun würden, um die Spiele selbstständig aufzuwerten. Ich möchte an dieser Stelle noch an ein Zitat Huizingas zum Thema Regeln erinnern:

»Jedes Spiel hat seine eigenen Regeln. Sie bestimmen, was innerhalb der zeitweiligen Welt, die es herausgetrennt hat, gelten soll. Die Regeln eines Spiels sind unbedingt bindend und dulden keinen Zweifel. […] Gegenüber den Regeln eines Spiels ist kein Skeptizismus möglich.«538

Dies scheint auf den ersten Blick im Gegensatz zu der individuellen Veränderung der Regeln zu stehen. Das Verändern der Ursprungsregeln und der damit verbundene

535 Vgl. Dirk Huesmann: Starck gemacht – Interview mit Kai Starck über die neue Scythe Erweiterung. Würfelmagier 2017. Abrufbar unter https://www.wuerfelmagier.de/starck-gemacht-interview-mit-kai-starck-ueber-die-neue-scythe-erweiterung/: (Zugriff am 15.07.2020) – Scythe. The Wind Gambit: Kai Starck/Jamey Stegmaier. Erstveröffentlichung auf Englisch bei Stonemaier Games. 536 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 110. 537 Lackner: Computerspiel und Lebenswelt, S. 242. 538 Huizinga: Homo Ludens, S. 20. 120

Partizipationsaspekt stehen aber Huizingas Definition allerdings nicht entgegen. Denn auf eine Veränderung der Regeln lassen sich alle Beteiligten vor Spielbeginn ein – das unterscheidet Hausregeln bei Brettspielen beispielsweise vom Cheaten bei digitalen Spielen.

6.6. PRÄDIKATISIERUNG UND ETTIKETTIERUNG

Ich habe besprochen, dass die Kompetenz und Authentizität von Spieler*innen über die Spiele definiert wird, die sie kennen und spielen. Auch wenn mir in der Forschung Aussagen begegneten, dass jeder doch spielen soll, was er mag, schließlich sind die Geschmäcker verschieden, unterliegen die Spiele einer stetigen Bewertung. Das meint auch Erik: »Und teilweise hast du schon Leute, die sagen: das ist ein gutes Spiel oder das ist kein gutes Spiel. Es gibt halt total oft Bewertungen von Spielen, so Vorurteile. Ich sag halt immer Hauptsache, die Leute haben Spaß und dann können sie spielen, was sie wollen.«539 Generell äußert sich Erik sehr kritisch darüber, wenn Spiele abgewertet werden, da es viel auf die eigene Präferenz ankomme, welches Spiel eine Person toll findet. Zwar stellt er klar, dass er sich in Rezensionen eine kritische Auseinandersetzung mit Spielen wünscht, aber dass er ablehnende Haltungen aus der Community gegenüber einzelnen Spielen (die nicht in den Kanon von guten Spielen fallen) fehl am Platz findet.540 Rezensionen spielen bei der Bewertung dabei eine entscheidende Rolle. Hiernach richten Konsument*innen zum Teil ihre Kaufentscheidung, aber eben nicht nur. In unserem Gespräch bestimmt Elias verschiedene Funktionen von Rezensionen:

»Es gibt sozusagen drei Zielgruppen einer Rezension: Die erste sind Leute, die sich darüber informieren wollen, ob das Spiel gut oder schlecht ist und ob es etwas für sie ist. Dann gibt es die, die das Spiel schon kennen, die die Rezension lesen, ehrlich gesagt, geht mir das so - ich lese hier meistens keine Rezensionen von Spielen, die ich noch nicht kenne, sondern immer die, die ich kenne und gucke, ob die das genauso sehen wie ich. Und die dritten Adressaten sind die Autoren selbst, oder die Verleger, Redakteure.«541

Neben der offensichtlichen Funktion, eine Kaufentscheidung für Konsument*innen zu »unterstützen«, dienen Rezensionen nach Elias also vor allem der Überprüfung und dem Vergleich der eigenen Einschätzung bzw. sie tragen zum Markt- und Bedeutungswert des Spieles bei. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein. Viele meiner Gewährspersonen zogen Rezensionen, meist von YouTuber*innen, heran um damit die eigene Spielerfahrung und Meinung zu untermauern oder um den Meinungen der Multiplikator*innen explizit zu widersprechen. Es besteht offenbar ein Bedarf daran, die Einschätzung anderer zu kennen und mit der eigenen Einschätzung zu vergleichen. Einer der wichtigsten Faktoren bei dieser Prädikatisierung stellen Spielepreise dar. Die wohl bekannteste Ehrung in der Brettspielbranche ist die Spiel des Jahres-Verleihung und der damit einhergehende Titel. Zum ersten Mal wurde der Titel 1979 verliehen. Das Logo hat sich bis heute kaum verändert und trägt zum Wiedererkennungswert des Preises bei. Neben dem Hauptpreis Spiel des Jahres, werden zudem noch das Kinderspiel des Jahres und das Kennerspiel des Jahres gekürt. Wie alle Brettspielpreise ist auch der Spiel des Jahres-Preis ein undotierter Preis – die Auszeichnung hat aber einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Marktwert der Spiele und der dahinterstehenden Unternehmen, wie beispielsweise die Westfälischen Nachrichten schreiben:

»Seit 1978 ist der Verein Spiel des Jahres auf der Suche nach diesen echten Klassikern. Dass die Auszeichnung seither sogar die Aktienkurse der Hersteller beeinflusst, wie der Verein auf seiner Webseite schreibt, hatten die Initiatoren damals nicht gedacht. […] Ein Spiel, das seine Verpackung mit dem bekannten Logo schmücken

539 Auszug aus dem Interview mit Erik vom 14.08.2018. 540 Vgl. Interview mit Erik vom 14.08.2018. 541 Auszug aus dem Interview mit Elias vom 06.09.2018. 121 darf, verkauft sich etwa 150 000 bis 200 000 Mal, sagt Hermann Hutter, Vorsitzender des Branchenverbands. Das ist rund zehnmal mehr als ein durchschnittlich erfolgreiches Brettspiel.«542

Aber auch Kritik an diesen Preisen findet sich, so wird auf dem Blog Life Is A Dice beklagt, dass zu Gunsten einer besseren Vermarktung die Kategorien aufgeweicht würden:

»In den letzten Jahren nehme ich jedoch einen besorgniserregenden Trend wahr. Selbst die Spiele im Kennerbereich werden immer seichter. Mit den heute nominierten Titeln ›Ganz schön Clever‹ sowie den ›Quacksalbern von Quedlinburg‹ von Wolfgang Warsch finden sich gleich zwei Kandidaten in der Nominiertenauswahl wieder, welche sicherlich auch Platz bei den Familienspielen gefunden hätten. Auf jedenfall keine Spiele, welche ich als komplexe Kennerspiele für Fortgeschrittene bezeichnet hätte. Mit ein wenig Mut mehr hätte die Jury in diesem Jahr eine fantastische Auswahl präsentieren können. Seien es Der Krieg der Knöpfe oder Calimala (beide Blackfire), Photosynthesis (Blue Orange), Das Tiefe Land (Feuerland Spiele) oder ein 13 Tage (Frosted Games) – alles Titel, welche mit etwas mehr Mut und dem berühmten Arsch in der Hose einem Abwärtstrend in Sachen Komplexität Einhalt hätten gebieten können und durchaus für erfahrene Spieler interessant sind.«543

Die Begründung folgt bedingt verständnisvoll:

»Ich habe durchaus auch ein Verständnis dafür warum die Jury so urteilt wie sie urteilt und warum die Verlage handeln wie sie handeln. […] Gerade als großer Verlag will man diese großen Käufergruppen natürlich auch bedienen – vornehmlich dadurch, indem man niedrigschwelligere Angebote schafft. Statt Impulse zu setzen bedient man hier die Wünsche. Alles legitim und sicherlich komplett im Interesse der Verlage und der neuzugewinnenden Konsumenten. Aber nicht mehr im Sinne eines großen Teils der eingefleischten Spielerschaft, welche sich in den Kennerspielen-des-Jahres-Nominées langsam nicht mehr wiederzufinden scheint.«544

Mit dem Titel dieses Beitrags »Wer ist eigentlich dieser Kennerspiel des Jahres von dem alle reden?« stellt der Autor auch gleich die Frage, wer die Community vertritt bzw. wie sie sich zusammensetzt. Der Vorteil solcher Preise, so der Blogeintrag weiter, sei es, dass die Preise »[…] selbst kleinere Verlage in den Blickpunkt der bundesweiten bis weltweiten Presse bringen können.«545 Die Wirkung der Preise wird auch von anderer Seite kritisiert. Als ich 2018 die Verleihung des Kinderspiels des Jahres per Live-Übertragung auf Facebook verfolgte, fielen mir die kritischen Kommentare eines Users auf. Als ich ihn daraufhin anschrieb und ihn um ein Gespräch bat, gab er sich als Händler zu erkennen und stimmte einem telefonischen Interview zu. Seine Kritik richtete sich vor allem an das Kinderspiel des Jahres und weniger an die

542 dpa: Branchenverband: Brettspiele sind wieder im Trend. Abrufbar unter https://www.wz.de/ratgeber/familie-und- jugend/branchenverband-brettspiele-sind-wieder-im-trend_aid-26816623 [Zugriff am 10.10.2020]. 543 Life is a dice: Wer ist eigentlich dieser Kennerspiel des Jahres. Life is a dice 2019. Abrufbar unter http://life-is-a-dice.de/wer-ist- eigentlich-dieser-kennerspiel-des-jahres-von-dem-alle-reden; (letzter Zugriff am 10.11.2019, zeitweise nicht erreichbar). Die hier erwähnten Spiele sind: Ganz schön Clever: Wolfgang Warsch. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2018 bei Schmidt Spiele. Quacksalber von Quedlinburg: Wolfgang Warsch. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2018 bei Schmidt Spiele. Der Krieg der Knöpfe: Andreas Steding. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2018 bei ADC Blackfire Entertainment GmbH. Calimala: Fabio Lopiano. Deutsche Erstveröffentlichung auf Deutsch und Englisch 2017 bei ADC Blackfire Entertainment GmbH. Photosynthesis: Hjalmar Hach. Erstveröffentlichung auf Englisch 2017 bei Blue Orange (EU). Das Tiefe Land: Andrea Boekhoff. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2018 bei Feuerland Spiele. 13 Tage. Die Kubakrise 1962: Asger Harding Granerud/Daniel Skjold Pedersen. Erstveröffentlichung auf English bei Jolly Roger Games. 544 Ebda. 545 Ebda. 122 anderen Kategorien. Er meinte, dass im allgemein bei 0-14 Jahren von einem Kind gesprochen werde und vor allem ältere Leute, wie seine Oma, ebenso eine (breite) Vorstellung von Kindern haben. Ein Kinderspiel könne aber so eine Spanne und die verschiedenen Entwicklungsstufen eines Kindes, sowie individuelle Bedürfnisse gar nicht abdecken. Daher sei eine so allgemeine Kategorie eine Art Irreführung der Kunden. Kinderspiele bedürfen immer einer fachgerechten Beratung, welche allerdings Zeit und damit Geld kosten würde. Ein Fachhändler könne und werde darauf achten, für welches Alter das Spiel geeignet sei und ob es beispielsweise auch mit älteren oder jüngeren Geschwistern gespielt werden könne. Der Kinderspiel des Jahres-Preis würde auf solche Dinge nicht achten, der Endverbraucher würde sich aber auf das Siegel verlassen und davon ausgehen, es sei ein generell gutes Spiel für Kinder. Er ist der Meinung dieser Preis würde das Brettspielen für viele Kinder verderben. Ich solle mir vorstellen, ich würde mehrfach meinen Kindern ein Kinderspiel des Jahres schenken, da ich mich auf dieses bekannte Siegel verlasse – wenn diese Spiele aber evtl. gar nicht geeignet seien und damit keinen Spaß machen, dann verderbe es den Kindern den generellen Spaß am Spielen. Sein Fazit lautet daher: Es kann kein Kinderspiel des Jahres geben. Dies sei viel zu pauschalisiert. Als weitere Kritik an dem Preis bzw. an allen Preisen nennt er die marktorientierte Entscheidung. Er meint, dass die Jury aus etwa 300 Spielen eine Empfehlungsliste macht und dann drei davon nominiert und das, wo ca. 3000-4000 Spiele pro Jahr erscheinen würden. (Die Zahl ist durchaus richtig, andere Quellen nennen bis zu 5000 – zu beachten ist, dass nicht alle davon Kinderspiele sind). Seine Kritik sei, dass nicht alle Spiele berücksichtig werden, sondern vor allem solche von Verlagen mit einer gewissen Marktpräsenz. Der Verein hätte schließlich ein Interesse daran, sein Siegel auf einem Spiel zu haben, das eine gewisse Auflage hat. Zudem führen die Preise dazu, dass die entsprechenden Siegerspiele auch in Läden großer Ketten wie Müller, SpieleMax, Galeria Kaufhof usw., angeboten würden, die die Spiele zu einzelhandels-unfreundlichen Preisen anbieten könnten. Die Gewinnmarge sei für kleinere Geschäfte einfach zu gering. Eine gute Spieleberatung dauere zwischen 10-15 Minuten, dazu kommt die Schulung des Personals und das zur Beratung gehörende breite Angebot an Spielen., Das lasse ein derartiges Preisniveau nicht zu – daher würde er in seinem Laden die Preisträger generell nicht anbieten. Zudem würde die Jury nicht darauf achten, wie Verlage durch Arbeitsbedingungen und Umgang mit Händlern der Spielelandschaft schaden würden. Dies sollte in die Entscheidungsfindung mit einfließen. All diese Argumente, so der Händler, würden aber nicht bedeuten, dass die prämierten Spiele nicht gut seien. Er sagt selbst, dass die meisten davon wirklich gute Spiele seien, aber wenn damit dann auch ein Verlag ausgezeichnet werde, der durch Rabattstaffeln nach Stückzahlen den Fachhändlern schade, dann habe er kein Verständnis dafür.546 Während meines Aufenthaltes im Spielecafé redete ich mit dem Betreiber über das Thema, erzählte ihm von dem Gespräch mit dem Händler und fragte ihn nach seiner Meinung dazu. Er erzählte mir, dass er die Kommentare auch gelesen habe und sich dachte »endlich spricht es mal jemand aus.« Er sehe es auch so, dass die Spiele des Jahres für den Handel verbrannt seien. Die landen dann bei Real, Thalia und anderen Ketten, die das als Lockgeschäft mitnehmen, aber daran nichts verdienen würden. Für den Einzelhandel seien die Preise einfach nicht machbar. Ich frage ihn, ob er den Preis also zweischneidig sehen würde, da ja dieses Jahr auch ein Spiel seines Verlages auf der erweiterten Empfehlungsliste stehe und er meinte, dass dies zum Erfolg nichts beigetragen und sich finanziell nicht bemerkbar gemacht habe. Auch darüber, ob es bei der Preisvergabe eine Rolle spielen sollte, wer die Spiele macht und vertreibt, redeten wir, aber er meinte, er fände es gerade gut, dass dies eben nicht miteinfließt. Die Jury, von deren Mitgliedern er viele persönlich kenne, wolle gute Spiele prämiieren, denen gehe es nicht um das Drumherum, sondern darum, ob das Spiel gut sei. Obwohl es schon zwei, drei Mal vorgekommen sei, dass er sich gefragt habe, ob die Entscheidung durch äußere Dinge beeinflusst war. So habe es schon mal den Anschein

546 Forschungstagebuch vom 13.06.20.18. 123 gehabt, dass ein Spiel gerade deswegen nicht gewonnen hatte, weil der Verlag kurz vor dem Verkauf stand. Der Gedanke lag nahe, dass der Spiel des Jahres-Verein mit einer Verleihung keine Auswirkung auf den Verkaufsakt nehmen wollte, denn eine Prämierung hätte Auswirkungen auf den Preis haben können.547 Inwieweit dies zutrifft, lässt sich nicht belegen, allein aber, dass dies als Möglichkeit formuliert wird, zeigt den Einfluss, den entsprechende Preisverleihungen haben können. Schon eine Nominierung reicht dazu oft aus, denn diese wird ebenfalls als Prädikat auf die Schachteln der entsprechenden Spiele gedruckt. An dieser Stelle sei zu betonen, dass es sich bei der Plakette Spiel des Jahres um eine Lizenz handelt. Wer dies also auf dem Spiel angeben möchte, muss dafür eine Lizenzgebühr entrichten.548 Der Spiel des Jahres-Preis ist sicher mit Abstand der bekannteste und wohl auch international bedeutendste Preis. Daneben existieren mittlerweile viele weitere Preise, vor allem im deutschsprachigen Raum. Dazu gehören u.a. der InnoSpiel vom Friedrich Merz Verlag, der auch die Messe SPIEL in Essen organisiert, oder der Deutsche Spielepreis, bei dem es sich im Gegensatz zu den anderen beiden nicht um einen Jurypreis, sondern um einen Communitypreis handelt – wo also die Nominierungen und Abstimmungen durch eine Wahl stattfinden. Daneben finden sich auch immer mehr Prädikate, die von YouTuber*innen und Blogger*innen vergeben werden, wie den Dice Tower Awards vom US-Blog Dice Tower549, dem Beeple Award von Beeple, einem Blogger-Netzwerk550 oder der Auszeichnung »Besonders Empfehlenswert« von Hunter & Cron551 um nur einige zu nennen. Von vielen Verlagen werden diese Auszeichnungen auf die Spieleverpackungen gedruckt. Im positiven Sinne, und auch so von den Preisgebern sicher intendiert, kann dies als Kaufempfehlung für Konsument*innen gedeutet werden. Es lassen sich daran aber noch andere Dinge erkennen. Zum einen gipfelt die ohnehin in der Community vorhandene Beurteilung und Einteilung von Spielen in dieser Anhäufung von Prädikatisierungen und zum anderen zeigt sich hier nochmal der Einfluss, den Multiplikatoren auf den Markt und das Kaufverhalten haben können.

547 Forschungstagebuch vom 19.06.2018. 548 Vgl. Spiel des Jahres: FAQ. Häufig gestellte Fragen. Abrufbar unter https://www.spiel-des-jahres.de/faq/; (Zugriff am 16.07.2020). 549 Vgl. The Dice Tower: The Dice Tower Awards. Abrufbar unter https://www.dicetower.com/content/dice-tower-awards; (Zugriff am 16.07.2020). 550 Vgl. Beeple: Beeple Award. Abrufbar unter https://beeple.de/category/beeple-award/; (Zugriff am 16.07.2020). 551 Vgl. Hunter & Cron: Prädikat »Besonders Empfehlenswert«. Abrufbar unter https://hunterundcron.de/praedikatbesonders/; (Zugriff am 07.07.2020). 124

7. Schlussbemerkung und Ausblick

Die Absicht dieser Arbeit lag darin die Forschungslücke zum Gegenstand Brettspiel durch einen Einblick in die Lebenswelt der Spieler*innen ein wenig zu schließen. Zudem liefert die vorliegende Arbeit Hintergründe zum Brettspielmarkt und zeigt Beziehungen zwischen Community und Branchenakteur*innen. Dazu habe ich nach einer kurzen Abgrenzung der Begrifflichkeiten und einem Rückblick in die Geschichte des Mediums gezeigt, welche spieltheoretischen Aspekte das Phänomen Brettspiel begleiten. Dies sollte dabei helfen einen Einblick in die Praxis Brettspiel zu erhalten. Das Spiel stellt also eine klar abgegrenzte und überschaubare Ordnung dar, auf die sich die Spielenden einigen und in einer bewussten, selbstbestimmten Entscheidung einlassen. Dieser so entstandene Raum kann als ludische Sphäre beschrieben werden, in der die Teilnehmenden durch referenzielle, aber aktive Handlungen sanktionsfreie Lebens- und Rollenerfahrungen sammeln, die in der »realen« Welt nicht gemacht werden können. Im Spiel können die Spielenden sich ausprobieren, Fehler machen, daraus lernen und die daraus gewonnene Erkenntnis in einer Wiederholung umsetzen. Dabei geraten die Spielenden oft in einen Flow, in dem sie sich trotz hoher kognitiver und emotionaler Beanspruchung in einem Zustand der Balance befinden. Während des Spiels erhalten sie klare und interpretationsfreie Rückmeldungen und erfahren so eine Selbstwirksamkeit, die im realen Leben selten erfahren werden kann. Ein Erlebnis innerhalb der ludischen Sphäre ist somit ein bewältigbarer Akt im Vergleich zu den komplexen und oft unübersichtlichen Regeln der modernen Gesellschaft. Das ludische Erleben zieht die Spielenden dabei tief in den Bann und wird als lustvoll und intensiv empfunden und mit einem leidenschaftlichen Ernst statt gleichgültiger Albernheit verfolgt. Die Sozialkultur des Brettspiels ist von Nähe- und Egalitätsnarrativen durchzogen und zeigt sich in partizipativen und kollektivierenden Handlungen. Beim Brettspiel handelt es sich also um eine soziale Praktik des Aktivwerdens, sowohl im tatsächlichen Akt des Spielens als auch in der Auseinandersetzung mit dem Medium und den dazugehörigen Akteur*innen. Das Spiel darf dabei nicht rein als leichte Freizeitbeschäftigung missdeutet werden, sondern muss als in einen gesellschaftlichen Diskurs eingebettetes populärkulturelles Medium verstanden werden. Dabei findet das Brettspiel bisher noch immer kaum Beachtung in der wissenschaftlichen Rezeption. Im gesellschaftlichen Diskurs hingegen erhält das Brettspiel vor allem positive Zuschreibungen und wird wie ein Schild ins Feld geführt, der der Digitalisierung trotzt. Mit Etiketten von Tradition und Gemeinschaft wird das Brettspiel als Beleg für ein Digital Detox hergenommen, das sich bei genauerer Betrachtung als Mythos entpuppt. Denn der Erfolg analoger Spiele stellt keinen Gegentrend zum Digitalen dar. Vielmehr profitiert das analoge Spiel erheblich von digitalen Medien, die maßgeblich am Erfolg des oft »totgeglaubten« Mediums Brettspiel beteiligt sind. Mit der neugewonnenen Aufmerksamkeit versucht die Brettspiel-Community das Brettspiel als Medium und als ernstzunehmende Erwachsenenbeschäftigung neu zu positionieren. Es wird in den Fokus einer Kulturdebatte gerückt und dies erzielt erste Erfolge in Sachen gesellschaftlicher Anerkennung. Die positiven Zuschreibungen und Narrative zum Brettspiel sind für diesen Prozess äußerst förderlich. Dabei ist Brettspiel aber nicht nur die gemeinschaftsfördernde, inklusive und partizipative Nische, als die es gern darstellt wird, sondern ist zunehmend auch von marktwirtschaftlichen Interessen und Mechanismen durchzogen. Durch Prädikatisierungs- und Eventisierungstendenzen, sowie der Wirkung einflussreicher Multiplikatoren verliert das Brettspiel seine kindliche Unschuld und hält Einzug in die populäre Massenkultur. Und diese, so Maase, sei »[…] kein folgenloses Spiel in einer sozialen Nische ohne weitere Auswirkungen.«552 Erst die Verknüpfung der Betrachtung von Brettspielen als populärkulturelles Medium und als ludische Praxis lässt Rückschlüsse auf seine Wirkungsweisen und seine Faszinationskraft zu.

552 Maase: Was macht Populärkultur politisch?, S. 13. 125

Mein explorativer Ausflug ins Feld kann zwar nur einen kleinen Blick in das breite Feld des analogen Spiels bieten, trägt aber hoffentlich zum besseren Verständnis des Phänomens bei. Ich bin überzeugt, dass die Betrachtung ludischer Erscheinungen mehr und mehr in das wissenschaftliche Interesse rücken wird. Das sieht auch der Soziologe Waldemar Vogelsang so:

»Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass uns nach dem Agrar- und Industriezeitalter jetzt das Erlebniszeitalter bevorsteht. Bereits ein flüchtiger Blick in den Freizeitbereich zeigt: Der Abenteuer- und Erlebnismarkt explodiert geradezu. […] Waren diese Außeralltäglichkeitserfahrungen in früheren Zeiten aber noch ›Inseln im Leben‹, also von einer gewissen Seltenheit gekennzeichnet, so werden sie in der Gegenwart zum zentralen Verhaltenstypus.«553

Diese Arbeit stellt dabei mehr Grundlagen- als Tiefenforschung dar. An viele der hier gesammelten Erkenntnisse ließe sich anknüpfen und in verschiedene Richtungen weiterforschen. Dabei wäre es vor allem interessant anzuschauen, wie versucht wird dem Spiel innewohnenden Mechanismen für gesellschaftliche, pädagogische oder wirtschaftliche Interessen nutzbar zu machen und wie sich so eine scheinbar »unproduktive« Tätigkeit in unsere neoliberale Gegenwart einfügt.

553 Waldemar Vogelsang: LAN-Partys: Die Eventisierung eines jugendkulturellen Erlebnisraums. In Andras Hepp/Marco Höhn/Waldemar Vogelsang (Hg.): Populäre Events. Medienevents, Spieleevents, Spaßevents. Wiesbaden 20102. S. 173-212, hier S. 173. 126

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9. Ludografie

13 Tage. Die Kubakrise 1962: Asger Harding Granerud/Daniel Skjold Pedersen. Erstveröffentlichung auf Englis bei Jolly Roger Games als 13 Days. The Cuba Missle Crisis.

1830. Railways & Robber Barons: Francis Tresham. Erstveröffentlichung auf Englisch 1986 bei The Avalon Hill Game Co.

Advanced Civilisation: Lauren Benerd u.a. Erstveröffentlichung auf Englisch 1991 bei The Avalon Hill Game Co.

AquaSphere: Stefan Feld. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2014 bei Hall Games.

Atmosfear. The DVD Board Game: o.A. Erstveröffentlichung auf Englisch 2003 bei A Couple 'A Cowboys.

Blood Rage: Eric M. Lang. Erstveröffentlichung auf Englisch 2015 bei Cool Mini Or Not.

Brass. Lancashire: Martin Wallace. Erstveröffentlichung in Deutsch und Englisch 2007 bei Warfrog Games.

Britannia: Lewis Pulsipher. Erstveröffentlichung auf Englisch 1986 bei The Avalon Hill Game Co.

Bunter Würfel FN 311

Bus: Jeroen Doumen/Joris Wiersinga. Erstveröffentlichung vermutlich in mehreren Sprachen 1999 bei Splotter Spellen.

Calimala: Fabio Lopiano. Erstveröffentlichung auf Deutsch und Englisch 2017 bei ADC Blackfire Entertainment GmbH.

Carcassonne: Klaus-Jürgen Wrede. Erstveröffentlichung auf Deutsche 2000 bei Hans im Glück Verlag.

Cards Against Humanity: Josh Dillon u.a. Erstveröffentlichung in Englisch 2009 im Eigenverlag.

Catan Universe. Entwickler: United Soft Media Verlag GmbH. Publisher: United Soft Media Verlag GmbH. Erstveröffentlichung 2017 für PC, Mac, iOS und Android.

Charterstone: Jamey Stegmaier. Erstveröffentlichung in mehreren Sprachen 2017 bei Stonemaier Games. Deutsche Fassung bei Feuerland Spiele.

Charterstone: Recharge Pack: Jamey Stegmaier. Erstveröffentlichung in mehreren Sprachen 2017 bei Stonemaier Games. Deutsche Fassung bei Feuerland Spiele.

Civilisation: Francis Tresham. Erstveröffentlichung auf Englisch 1980 bei Hartland Trefoil Ltd.

Cluedo: Anthony Ernest Prat und Elva Pratt. Erstveröffentlichung auf Englisch 1948/49; Deutsche Erstausgabe 1959 als Wer ist Meisterdedektiv?.

Codenames: Vlaada Chvátil. Erstveröffentlichung in mehreren Sprachen 2015 bei Czech Games.

Cosmic Encounter: Bill Eberle u.a. Erstveröffentlichung auf Englisch 1977 bei Eon.

Crossing the Line. Aachen 1944: Dirk Blennemann. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2019 bei Furor Teutonicus Games.

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Das Tiefe Land: Andrea Boekhoff. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2018 bei Feuerland Spiele.

Der bunte Würfel: Marianne Dreschel. Erstveröffentlichung auf Deutsche 1959 bei VEB Druck und Verpackung Dresden.

Der Krieg der Knöpfe: Andreas Steding. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2018 bei ADC Blackfire Entertainment GmbH.

Die Siedler von Caran: Klaus Teuber. Erstveröffentlichung auf Deutsch von 1995 bei Kosmos.

Ein Fest für Odin: Uwe Rosenberg. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2016 bei Feuerland Spiele.

El Grande: Wolfgang Kramer/Richard Ulrich. Erstveröffentlichung auf Deutsch 1995 bei Hans im Glück.

EXIT – Das Spiel: Inka Brand/Markus Brand. Erstveröffentlichung der Reihe auf Deutsch 2016 bei Kosmos.

Fallout. Entwickler: Black Isle Studios. Publisher: Interplay. Erstveröffentlichung 1997 für PC und Mac.

Fiese Freunde Fette Feten: Friedemann Friese/Marcel-André Kalusky. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2005. Neuauflage als Hunter & Cron-Edition 2018.

Fortnite. Entwickler: Epic Games. Publisher: Epic Games. Erstveröffentlichung 2017 für PlayStation, Xbox One und PC.

Funkenschlag: Friedemann Friese. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2001 bei PeKa.

Ganz schön Clever: Wolfgang Warsch. als Erstveröffentlichung auf Deutsch 2018 bei Schmidt Spiele.

Hase und Igel: David Parlett. Erstveröffentlichung auf Englisch 1974 bei Intellect Games als Hare and Tortoise.

Indonesia: Jeroen Doumen/Joris Wiersinga. Erstveröffentlichung vermutlich in verschiedenen Sprachen 2005 bei Splotter Spellen.

Imperial: Mac Gerdts. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2006 bei PD-Verlag.

Iron Harvest. Entwickler: King Art Games. Publisher: Deep Silver. Geplante Erstveröffentlichung 01.09.2020 für PC, PlayStation und Xbox.

Istanbul: Rüdiger Dorn. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2014 bei Pegasus Spiele.

Junta: Eric Goldberg u.a. Erstveröffentlichung auf Englisch 1978 bei Alderac Entertainment Group.

Kingdom Death Monster: Adam Poots. Erstveröffentlichung auf Englisch 2015 bei Kingdom Death.

Kreml: Urs Hostetter. Erstveröffentlichung auf Deutsch 1986 bei Fata Morgana.

Leo muss zum Friseur: Leo Colovini. Erstveröffentlichung auf Italienisch 2016 bei dV Giochi als Leo va dal barbiere.

Magic: The Gathering: Richard Garfield. Erstveröffentlichung auf verschiedenen Sprachen 1993 bei Wizards of the Coast.

Mensch ärgere dich nicht: Josef Friedrich Schmidt. Erstveröffentlichung auf Deutsch 1910 bei Schmidt Spiele.

Mincraft: Entrickler: Mojang Studios. Publisher: Mojang Studios. Erstveröffentlichung 2009 für den PC.

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Mombasa: Alexander Pfister. Erstveröffentlichung auf Deutsche 2015 bei eggertspiele.

Monopoly: Elisabeth Magie/Charles Darrow. Erstveröffentlichung auf Englisch 1935 bei Parker Brothers.

Mystik Vale: John D. Clair. Erstveröffentlichung auf Englisch 2016 bei Alderac Entertainment Group.

Pandamic Leagacy: Season 1: Rob Daviau/Matt Leacock. Erstveröffentlichung auf verschiedenen Sprachen 2015 bei Z-Man Games.

Phase 10: Kenneth Johnson. Erstveröffentlichung auf Englisch 1985 bei K&K International. Deutsche Erstausgabe 2001 bei Ravensburger.

Photosynthesis: Hjalmar Hach. Erstveröffentlichung auf Englisch 2017 bei Blue Orange (EU).

Quacksalber von Quedlinburg: Wolfgang Warsch. Erstveröffentlichung auf Deutsch 2018 bei Schmidt Spiele.

Risiko: Albert Lamorisse/Michael I. Levin. Erstveröffentlichung auf Französisch unter dem Titel La Conquête du Monde 1959 bei Miro Company.

Rising 5. Runes of Asteros: Gary Kim/Evan Song. Erstveröffentlichung auf Englische 2017 bei GARYKIMGAMES.

Rising Sun: Eric M. Lang. Erstveröffentlichung auf Englisch 2018 bei CMON Limited.

Roads & Boats: Jeroen Doumen/Joris Wiersinga. Erstveröffentlichung vermutlich in verschiedenen Sprachen 1999 bei Splotter Spleen.

Sagrada: Adrian Adamescu/Daryl Andrews. Erstveröffentlichung auf Englische 2017 bei Floodgate Games.

Scotland Yard: Manfred Burggraf u.a. Erstveröffentlichung auf Deutsche 1983 bei Ravensburger.

Scrabble: Alfred Mosher Butts. Erstveröffentlichung auf Englisch 1949 im Eigenverlag von James Brunot; zuvor in einer Vereinfachten Version bereits 1933 im Eigenverlag von Alfred Mosher Butts.

Scythe: Jamey Stegmaier. Erstveröffentlichung auf Englisch 2016 bei Stonemaier Games.

Scythe: Digital Edition. Entwickler: The Knights or Unity. Publisher: Asmodee Digital. Erstveröffentlichung 2018 für PC und Mac.

Scythe. The Wind Gambit: Kai Starck/Jamey Stegmaier. Erstveröffentlichung auf Englische bei Stonemaier Games.

Spiel des Lebens: Reuben Klamer. Erstveröffentlichung auf Englische als The Game of Life 1960 bei MB.

Star Wars: Imperial Assault: Justin Kemppainen/Corey Konieczka/Jonathan Ying. Erstveröffentlichung auf Englisch 2014 bei Fantasy Flight Games.

Star Wars. Rebellion: Corey Konieczka. Erstveröffentlichung auf Englisch 2016 bei Fantasy Flight Games.

Steal This Game: David Turczi. Erstveröffentlichung Englisch 2016 von LudiCrations.

Tabletop Simulator. Entwickler: Berserk Games. Publisher: Berserk Games. Erstveröffentlichung 2015 für PC und Mac.

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Tetris: Entrickler: Alexei Patschitnow. Publisher: Verschiedne. Erstveröffentlichung 1984 für den Elektronika-60- Rechner.

Terraforming Mars: Jacob Fryxelius. Erstveröffentlichung in verschiedenen Sprachen 2016 bei FryxGames und Stronghold Games.

T.I.M.E Stories: Peggy Chassenet/Manuel Rozoy. Erstveröffentlichung in mehreren Sprachen 2015 bei Space Cowboys.

The Landlords‘s Game: Elisabeth Magie; Erstveröffentlichung auf Englisch 1933 im Eigenverlag.

The Witcher 3: Wild Hunt. Entwickler: CD Projekt RED. Publisher: Bandai Namco Games. Erstveröffentlichung 2015 für PC, Xbox One, Playstation 4.

This War of Mine; The Board Game: Michal Oracz/Jakub Wiśniewski. Erstveröffentlichung in verschiedenen Sprachen 2018 bei Awaken Realms.

Trivial Pursuit: Scott Abbot/Chris Haney. Erstveröffentlichung auf Englisch 1981 bei Horn Abbot.

Uno: Merle Robbins. Erstveröffentlichung auf Englisch 1971 im Eigenverlag.

Villen des Wahnsinns: Corey Konieczka. Erstveröffentlichung auf Englisch 2011 bei Fantasy Flight Games als Mansion of Madness.

Villen des Wahnsinns. Zweite Edition: Nikki Valens. Erstveröffentlichung auf Englisch 2016 bei Fantasy Flight Games als Mansion of Madness. Second Editon.

Winter der Toten: Ein Spiel mit dem Schicksal: Jonathan Gilmour/Isaac Vega. Erstveröffentlichung auf Englische 2014 bei Plaid Hat Games als Dead of Winter: A Crossroads Games.

Wizard: Ken Fischer. Erstveröffentlichung auf Englisch 1984 bei Ken Firscher Enterprise Ltd.

World of Warcraft. Entwickler: Ion Hazzikostas. Publisher: Vivendi (bis 2008), Activision Blizzard (ab 2008). Erstveröffentlichung 2004 für PC und Mac.

X-COM. UFO Defense. Entwickler: Mythos Games. Publisher: MicroProse. Erstveröffentlichung 1994 für PC, PlayStation und Amiga.

XCOM. Das Brettspiel: Eric M. Lang. Erstveröffentlichung auf Englisch 2015 bei Fantasy Flight Games als XCOM. The Boardgame.

Yhatzee/Kniffel: Edwin S. Lowe. Erstveröffentlichung auf Englisch 1956 bei E.S.Lowe als Yhatzee.

Yu-Gi-Oh!: Big Bocca/Kazuki Takahashi. Erstveröffentlichung auf Japanisch 1999 bei Konami.

Zug um Zug: Alan R. Moon. Erstveröffentlichung auf mehreren Sprachen 2004 bei Days of Wonder.

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