Harmonia Mundi Magazin Opera Seria
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�������������� ������� René Jacobs V/2009 VON EN HL O F P M E W. A. MOZART (1756-1791) Idomeneo (Dramma per musica in drei Akten) Richard Croft (Idomeneo) – Bernarda Fink (Idamante) – Sunhae Im (Ilia) – Alexandrina Pendatchanska (Elettra) – Kenneth Tarver (Arbace) u. a. – RIAS Kammerchor – Freiburger Barockorchester, Leitung: René Jacobs HMC 902036.8 (M03) CD Tipp Klassik verpflichtet. Idomeneo – ein janusköpfiges Werk Auszüge aus einem Interview von Henning Bey mit René Jacobs Du hast ja als Partitur die neueste schlechte Schauspieler waren, und daß dies wollte, sondern wegen äußerer Revision der NMA [Neue Mozart- z. B. ihr langer Dialog, wo der Sohn Umstände. Darum will ich die natür- Ausgabe] vorliegen, die es im Druck den Vater und der Vater den Sohn lich auch machen. noch gar nicht gibt. Was kann man erkennt, von ihnen nicht adäquat da denn Neues erwarten, wenn man dargestellt wurde. Obwohl er wirk- Siehst Du den Idomeneo in einer das jetzt mit Dir und dem Orchester lich alles davon bereits vertont hatte. gewissen Tradition? Nikolaus hört? Du führst alles auf, was Mozart Darum kürzte er den Dialog, obwohl Harnoncourt hat ja erst kürzlich in seinem Autograph notiert hat, er gerne alles gehabt hätte. Aber die den Idomeneo in Graz inszeniert und also auch das, was er später gestri- Voraussetzung dafür ist natürlich, dirigiert und gesagt, für ihn wäre chen oder überklebt hat. daß die Sänger diese Rezitative nicht diese Oper eine Tragédie lyrique eintönig absingen, sondern daß sie und keine italienische Opera seria? Ich habe für mich selber die Striche, Theater machen. Damit ist nicht nur Ist das für Dich auch so eine aus- die Mozart für die Münchner das Gestische gemeint; obwohl das schließliche Sache, daß man hier Uraufführung in seiner Partitur wohl auch sehr schlecht bei den bei- sagen muss ‚entweder-oder’? vorgenommen hat, und die man den war, denn Mozart sagte „Der Raaf kennt, in zwei Gruppen eingeteilt. [Sänger des Idomeneo] singt come una Nein, nein. Das ist mir ein wenig Die erste Gruppe sind Striche, die statua“, also wie eine Statue. Nötig zu sophistisch. Die Heidelberger er sich sehr früh, also bereits in der sind aber Farben in der Stimme, so Musikwissenschaftlerin Silke Leopold Komponierphase, vorgenommen und daß auch ein Blinder in den Tönen die hat einmal geschrieben, daß Idomeneo genau überlegt hat. Eigentlich gibt es Gesten sieht. ein „janusköpfiges Werk“ sei. Das ist sogar drei Gruppen, zählt man noch Und diese ganzen Striche wollen wir sehr gut gesagt, finde ich. Nach rechts die Gruppe der Striche hinzu, die er daher trotzdem machen. Ich habe extra schaut der Kopf in die Zukunft mit gar nicht erst komponiert hat. Aber Sänger ausgewählt, die das können, Erwartung und Liebe, und nach links, die können wir nicht machen, da sie obwohl das auch für sie schwierig sein in die Vergangenheit, mit Erinnerung nur in seinem Kopf existierten. wird, in den nun längeren Rezitativen und Liebe. Es gibt hier sehr moder- Die letzte Gruppe sind die Striche den Bogen zu halten. […] ne Musik, in bestimmten Momenten im Autograph, vor allem in den Um zu verstehen, warum Mozart am sogar moderner als in allen anderen Rezitativen, wo er alles schwarz Ende noch einiges gestrichen hat, Mozart-Opern. Aber es gibt andere gemacht, also ausgekreuzt hat, so ist es wichtig zu wissen, daß sein Musik im Idomeneo, die wiederum in daß niemand mehr die ursprüngliche Auftraggeber Graf Seeau ihm auch die Vergangenheit guckt. Beide sind Lesart entziffern konnte – obwohl man Kürzungen befohlen hatte, weil die mit der gleichen Liebe und dem glei- selbst diese Striche mit Mühe lesen Oper um 18 Uhr anfangen und um chen Einfallsreichtum komponiert. kann, aber das macht natürlich keinen 22 Uhr enden sollte, denn danach gab Das ist immer personenabhängig. Sinn. Alle anderen Striche, und das es einen Ball. Also nicht das Ballett aus Der alte Idomeneo singt natürlich in sind jetzt sehr viele, sind unter Druck Idomeneo, sondern ein Society-Ball. einem älteren Stil, der fast schon an zustandegekommen: Zum einen fand Und das ist tödlich gewesen, weil dem den Barock erinnert. Wie übrigens Mozart, daß sein Idomeneo und einiges zum Opfer fiel, z. B. Elettras auch Arbace. In diesem Sinne haben sein Idamante [also die Sänger] sehr Wahnsinnsarie – nicht weil Mozart wir dann durchaus Musik aus der 2 harmonia mundi magazin Opera seria. Ein anderes Beispiel ist Idomeneos letzte Arie Torna la pace – der Frieden kommt wieder –, wo er nicht mehr an die Zukunft denken muss, da er nicht mehr König ist. Für ihn ist also keine Zukunftsmusik mehr drin, und er singt in einem Stil wie in den letzten Opern von Hasse. So ist das mit dieser Oper, Mozart ist 25, er hat zwei Jahre lang keine Oper komponiert, es ist die Zeit des „Sturm und Drang“, und er will nun zeigen, daß er nicht nur Stile imitieren, sondern sie auch noch dazu besser komponieren kann. Der andere, den er imitie- ren und übertreffen will, ist Gluck. Die tragédie lyrique „via Gluck“ findet sich hier in den Chören und in der großen Menge an orchester- begleiteten Rezitativen. Überbieten will er Gluck beispielsweise in einer Elettra-Arie, die in einen Sturmchor übergeht – ohne daß die Arie auf- hört. Man hört nicht genau, wo die Arie aufhört und der Chor anfängt, denn es geht hier vom Sturm in Elettras Seele direkt in den Sturm in der Natur. Und der dritte Stil in Mozarts Oper ist der moder- ne Stil, verkörpert durch moderne Charaktere, wie etwa Ilia, die die modernste Musik bekommen, eine moderne Musik, die wir z. B. in der Entführung aus dem Serail wiederfin- den. Etwa beim einzigen Duett der Liebenden im 3. Akt, wo man ein Thema hört, das in der Entführung in Belmontes Arie Oh wie ängstlich, oh wie feurig erklingt. René Jacobs Fotos: Eric Larrayadieu bereits erschienen: „Es gibt sie noch, die Auf- N N VO nahmen, die man braucht.“ E HL O F P M E WELT AM SONNTAG W. A. MOZART La Clemenza di Tito des Mark Padmore (Tito) – Bernarda Fink (Sesto) – „Ein„Ein Höhepunkt des AlexandrinaAlexandrina PendatchanskaPendatchanska (Vitellia)(Vitellia) – SunhaeSunhae ImIm (Servilia)(Servilia) – Mozartjahres“Mozartjahres“ Marie-Claude Chappuis (Annio) – Sergio Foresti (Publio) – DIE ZEIT RIAS Kammerchor – Freiburger Barockorchester, Leitung: René Jacobs „Ein Kabinettstück sonder gleichen“ HMC 801923.4 (T02) BAYERISCHER RUNDFUNK Erlebnis“ „Ein„Ein echtes Erlebnis“ HESSISCHERE RUNDFUNK harmonia mundi magazin 3 Kriminalistisches Notenpuzzle G. F. HÄNDEL (1685-1759) 12 Solosonaten op. 1 Academy of Ancient Music, Leitung: Richard Egarr HMU 907465.6 (P02) CD Tipp Klassik verpflichtet. Georg Philipp Telemann lernte John Walsh in London erschienen ist. sogar das Notenstechen, um die Beide Ausgaben sind zu großen Teilen Fehlerlosigkeit von Kompositionen, von den gleichen Druckplatten ange- Richard Egarr die ihm besonders am Herzen lagen, fertigt worden; es ist jedoch unwahr- Foto: Marco Borggreve sicherzustellen. Händel selbst griff seit scheinlich, daß Walsh im Besitz von 1711 auf den Londoner Musikverleger Amsterdamer Druckplatten gewesen Im 18. Jahrhundert brachten Walsh zurück, wenn er sich seiner ist, da keinerlei Verbindungen zwi- Komponisten gern von ihnen selbst Sache sicher sein wollte. So auto- schen beiden Verlagshäusern nachweis- autorisierte gedruckte Ausgaben risierte er 1738 eine Ausgabe sei- bar sind. Die „Amsterdamer“ Ausgabe ihrer Werke in Umlauf, um schlech- ner Orgelkonzerte op. 4 bei Walsh, da war offensichtlich eine Fälschung von te Ausgaben ihrer Musik auf Grund „eine nicht autorisierte und fehlerhaf- Walsh, die unter dem Namen eines von fehlerhaften Abschriften aus te Ausgabe in Umlauf ist, die ohne nicht mehr existenten Konkurrenten dem Verkehr zu ziehen. In Zeiten das Wissen oder Einverständnis des den Markt für Kammermusik vor der Erfindung von Gema und Autors erschienen ist“. Händels sondieren sollte. Dieser Copyright waren solche Drucke Die Veröffentlichungsgeschichte von war ja in London hauptsächlich als mit Echtheitszertifikat das einzige Händels Opus 1 konfrontiert den Opernkomponisten bekannt, doch Mittel der Komponisten, sich vor Musikforscher allerdings mit einem offenbar glückte das Experiment, entstellenden „Raubkopien“ ihrer veritablen Puzzle. Von den zwölf denn die nächste Auflage erschien Werke zu schützen. Gelegentlich Sonaten der Sammlung existieren unter Walshs eigenem Namen. braucht man indes kriminalisti- zwei Ausgaben: eine des 1722 erlo- Eine Mitarbeit Händels an beiden schen Spürsinn, um die Echtheit schenen Amsterdamer Verlagshauses Ausgaben ist unwahrscheinlich, da von Notendrucken zu überprüfen. Roger und eine, die um 1732 bei sie sowohl untereinander Differenzen aufweisen und auch mit einigen über- lieferten Autographen der Werke mit der Academy of Ancient Music unter Richard Egarr bereits erschienen: nicht genau übereinstimmen. In der G. F. HÄNDEL Musikforschung hat dieser Umstand Concerti grossi op. 3 gelegentlich zu Zweifeln an der HMU 807415 (U01) Echtheit einzelner Teile der Solosonaten op. 1 geführt, Richard Egarr ist jedoch von der Authentizität dieser Musik überzeugt: „Nur zu gerne glaube ich, daß diese Musik von Händel ist. Und wenn nicht – welches Genie ist dann dafür verantwortlich?“, fragt er im Beiheft und liefert damit den besten „Präsentiert sich dabei voller Energie und Tatendrang in Grund, sich nicht durch kleinliche Bestform“ Zweifel vom Genuß dieser großarti- FONO FORUM „Ein wunderbar inspirierender gen Musik abhalten zu lassen. Höreindruck“ HESSISCHER RUNDFUNK 4 harmonia mundi magazin Kriminalistisches Notenpuzzle Erotische Dichtung in der Bibel Canticum canticorum, Lied der Lieder (bei Martin Luther das Hohelied): So lautet der Name eines der seltsamsten Bücher des Alten Song of Songs – Testaments, das nicht von Gott und Das Hohelied in der den Menschen, nicht von Sünde, Renaissance Strafe und Vergebung erzählt, Werke von Palestrina, Lasso, sondern in durchaus erotischem Victoria u. a. Tonfall von der Liebe zwischen zwei Menschen. Wie kommt ein solches Stile Antico Buch in die Bibel? Ein Rabbiner HMU 807489 (T01) des ersten nachchristlichen Jahrhun- N N VO LE derts ant wortete: „Ein Buch von H O F P M solcher Schönheit kann nur von E CD Tipp Gott kommen.“ Klassik verpflichtet.