Deutscher – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11581

Klaus-Dieter Gröhler (A) noch einmal 6 Millionen Euro mehr gebraucht werden, Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In- (C) und hat eine lange Liste vorgelegt . nern: Der Kollege Claus hat vorhin gesagt, jede Festlegung Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich auf „keine neue Staatsverschuldung“ behindere eine le- möchte mit einem Zitat beginnen – vielleicht erinnern bendige Parlamentsdebatte . Dem will ich ausdrücklich Sie sich –: widersprechen, weil ich glaube, eine lebendige Parla- Jeder weiß, dass die Zuwanderung bei vielen Men- mentsdebatte und eine lebendige Debatte in den Haus- schen starke Emotionen auslöst – gute und weniger haltsberatungen, Herr Kollege, entstehen gerade dann, gute . Gerade deswegen müssen wir darüber mög- wenn man Deckungsvorschläge machen muss, wenn man lichst offen sprechen, möglichst unaufgeregt und re- eben nicht immer noch eine Million und noch eine Milli- alistisch. Häufig bleibt zu vieles unausgesprochen. on oben draufsattelt, sondern wenn man schaut: „Was ist . . Wir müssen überall in der Gesellschaft über Zu- notwendiger als das andere?“, wenn man Schwerpunkte wanderung und Zusammenleben in Deutschland re- setzt und sich auch ein bisschen mit dem Geld, das man den – über die Chancen und über die Probleme . Und hat, bescheiden kann . Dann kann man nämlich wirklich wir müssen handeln – und zwar ohne Angst und politisch debattieren . ohne Träumereien . Erfolgreich können wir nur dann handeln, wenn wir zwei Haltungen überwinden, die Zu Ihrem Vorwurf von vorhin, wir würden uns, nur zu weit verbreitet sind: Wir müssen Unsicherheit weil die Parteivorsitzenden sagen: „Wir wollen keine und Angst überwinden, die manchmal zu Fremden- neuen Schulden machen“, fügen, sage ich Ihnen: Es ist feindschaft, zu Hass und Gewalt führen . Wir müs- Unionsgrundgen, dass wir keine neuen Schulden machen sen eine falsch verstandene Ausländerfreundlichkeit wollen . Das muss uns kein Parteivorsitzender sagen, son- überwinden, die so tut, als gebe es überhaupt keine dern jeder Einzelne in unserer Fraktion ist davon völlig Probleme und Konflikte, wenn Menschen unter- überzeugt; ich glaube, inzwischen sind es auch die Kol- schiedlicher Herkunft zusammenleben . legen unseres sozialdemokratischen Koalitionspartners . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Eine letzte Bemerkung, Herr Bundesminister, die et- ordneten der SPD) was kritischer ausfällt . Ich habe mir einmal Ihre Ausga- ben für Öffentlichkeitsarbeit angeschaut . Während Ihr Das sagte Johannes Rau, der Altpräsident, in einer Rede – Vorgänger im Jahr 2013 mit 155 000 Euro auskam, kam einige haben sie gehört – zehn Jahre nach der deutschen es bei Ihnen zu einer Steigerung um 519 Prozent . Ich will Einheit . nur sagen: Das ist ein Thema, dem ich mich im Bericht- Heute bringe ich den Haushalt des BMI, des Bundes- (B) erstattergespräch sicherlich noch einmal ein ganz klein ministeriums des Innern, für das kommende Jahr ein . (D) wenig widmen werde . Ich möchte meine Rede mit dem Thema beginnen: In (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE welcher Haltung führen wir diese Debatte? Überall wird GRÜNEN]: Wegen der Vorratsdatenspeiche- diskutiert . Die einen schauen vor allem auf die überwäl- rung!) tigende Hilfsbereitschaft der Deutschen . Die anderen schauen vor allem auf die steigende Zahl von Anschlä- Dafür mag es gute Gründe geben; das will ich gar nicht gen, auf Hass und Gewalt . in Abrede stellen . ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE NEN]: Man muss auf beides schauen!) GRÜNEN]: Das ist alles wegen eurer Vorrats- datenspeicherung!) Dazwischen gibt es viele, die sich nicht äußern – oder nicht öffentlich . Viele denken an ihre eigene Geschich- Aber ich würde ganz gerne eine Begründung hören und te von Flucht und Vertreibung und fragen: Was ist da- erfahren, ob das denn tatsächlich so üppig ausfallen muss . ran vergleichbar? Aber auch: Was nicht? Viele fragen: Wie soll das weitergehen? Gibt es eine Grenze unserer Sonst, glaube ich, ist das ein guter Entwurf der Bun- Aufnahmefähigkeit oder -bereitschaft? Wie wird sich desregierung, sowohl zu diesem Einzelplan als auch zu das Gesicht unseres Landes im Lichte dieser Entwick- den anderen . Ich freue mich auf die Beratung . lung ändern? Welche Chancen bietet die Aufnahme von Herzlichen Dank . Flüchtlingen unserem Land? Wie bringen wir die unter- schiedlichen Religionen friedlich zusammen? Ja, wie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- bleibt es überhaupt friedlich? ordneten der SPD) Das alles sind berechtigte Fragen; das sind wichtige Vizepräsident : Fragen für alle Menschen in unserem Land, und darüber Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- müssen wir miteinander diskutieren . Dazu gehören Streit und Auseinandersetzung genauso wie Einheit, Unterstüt- ministeriums des Innern, Einzelplan 06 . zung und Zusammenhalt . Ich erteile für die Bundesregierung das Wort Bundes- Bitte leugnen wir nicht die großen Herausforderun- minister Dr . Thomas de Maizière . gen, die nach der freundlichen Aufnahme im Alltag von (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- morgen und übermorgen anstehen . Aber bitte erliegen ordneten der SPD) wir auch nicht der Versuchung, das Problem so groß zu 11582 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015

Bundesminister Dr . Thomas de Maizière (A) beschreiben – das können wir Deutschen immer am al- Für mich ist wichtig – ohne dass ich jetzt die Ein- (C) lerbesten: ein Problem groß zu beschreiben –, dass alle, zelheiten referiere –, dass wir über ein paar Grundsätze die zuhören, schon den Mut verlieren, an Lösungen über- sprechen, die hinter diesen Maßnahmen stehen: haupt erst zu arbeiten . Einer dieser Grundsätze ist, dass wir zwischen den Keine Angst und keine Träumereien: Ja, das könnte Menschen unterscheiden, die zu uns kommen . Wir un- eine Haltung sein, die wir brauchen . Ich persönlich füge terscheiden zwischen jenen, die wegen Krieg und Ver- hinzu: Wir haben auf dem Evangelischen Kirchentag in folgung Aussicht auf Asyl haben, und denen, die keine das wunderbare Lied Vertraut den neuen Wegen Chance auf eine Zukunft in Deutschland haben . gesungen . Ja, das sollten wir tun, ob wir mitsingen kön- Viele Menschen brauchen Schutz vor Krieg und Ver- nen oder nicht . treibung . Wir werden diese Menschen – es werden viele Hunderttausend sein – aufnehmen und ihnen helfen, sich Meine Damen und Herren, bei alledem, über das wir bei uns zu integrieren . Aber auch hier muss ich diesen diskutieren und streiten, sollten wir in ein paar Überzeu- und allen Beteiligten sagen: Bitte etwas Geduld! All das gungen einig sein: geht nicht über Nacht . Erstens . Wer in diesem Land lebt, hat andere Men- Viele Antragsteller haben aber auch keine Perspekti- schen zu respektieren und deren Leben und Würde zu ve, in Deutschland zu bleiben . Sie werden unser Land achten . verlassen müssen . Beides gehört zusammen, und beides (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) hat Folgen . Wer aus einem sicheren Land kommt, der soll wäh- Wer in dieses Land kommt, hat ein Recht darauf, anstän- rend des Asylverfahrens anders behandelt werden kön- dig behandelt und respektiert zu werden . nen als jemand aus einem Kriegsgebiet, zum Beispiel in (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben müssen und gar NEN]: Das Leben ist zu schützen!) nicht erst auf die Kommunen verteilt werden, damit sein Verfahren schnell bearbeitet werden kann . Wer das nicht akzeptiert, wer Hass verbreitet, wer Straf- taten begeht und dazu aufruft, der kann weder Verständ- Wer nach einem abgeschlossenen Asylverfahren aus- nis noch Toleranz erwarten . reisen muss, der soll weniger Leistungen bekommen als jemand, der dauerhaft hierbleiben darf . Ich glaube, auch Zweitens . Wer in unser Land kommt, hat ebenfalls an- das ist ein wichtiger, allerdings neuer Grundsatz, den wir dere Menschen zu respektieren und unsere Gesetze zu Sonntag beschlossen haben . achten . Das gilt auch für den Fall einer Verteilung inner- (B) (Beifall bei der CDU/CSU) (D) halb Europas oder auch nur innerhalb Deutschlands – ich sage das nicht ohne Grund –, und das gilt für den Fall Diese Unterscheidung ist die Voraussetzung für eine der Anerkennung einer Bleibeperspektive in Deutsch- breite Akzeptanz des Grundrechts auf Asyl in unserer land genauso wie bei unserer Entscheidung, unser Land Bevölkerung . Sie ist notwendig für die Erhaltung der wieder verlassen zu müssen . Auch dann erwarten wir die Aufnahmekapazitäten in unserem Land . Achtung unserer Gesetze . Auf Dauer kann ein Land wie Deutschland 800 000 Drittens . Deutschland leistet seinen Beitrag – auch Flüchtlinge im Jahr nicht aufnehmen und integrieren . Auch das ist Teil einer offenen Diskussion . Wir werden aus humanitärer Überzeugung –, aber niemand in Europa also versuchen müssen, die Zahl der zu uns kommenden und darüber hinaus soll glauben, dass unser Land allein Flüchtlinge zu senken . Wir werden dafür unsere Außen- diese Aufgabe schultern wird oder auch nur will . und Entwicklungspolitik stärker auf die Bekämpfung Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen und der Fluchtursachen in den wichtigsten Herkunftsländern Wochen haben wir im Innenministerium wesentliche Tei- konzentrieren müssen: national genauso wie auf der Ebe- le des Konzeptes erarbeitet, das der Koalitionsausschuss ne der Europäischen Union . am Sonntag beschlossen hat . Ich will jetzt nicht über jede Beim Treffen der europäischen Innenminister am einzelne dieser Maßnahmen referieren; ich gehe davon nächsten Montag werde ich dafür eintreten, dass Eu- aus, dass sie im Wesentlichen bekannt sind . ropa endlich zu einem gemeinsamen Vorgehen findet. Dazu gehört die unverzügliche und schnelle Einrich- Als Innenminister freue ich mich natürlich besonders tung der Hotspots, und dazu gehört die faire Verteilung über die Entscheidung, dass die Bundespolizei 3 000 schutzbedürftiger Flüchtlinge innerhalb der Europäi- neue Stellen bekommt . schen Union . Ich sage auch: Wenn es zu einer solchen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Verteilung kommt, heißt Verteilung auch Verteilung . Wir werden nicht den Asylbewerbern, die nach Deutschland Das ist eine großartige Antwort auf die Leistungen der kommen, obwohl sie auf ein anderes Land verteilt wur- Bundespolizei, eine notwendige Antwort auf die Belas- den, bei uns Asylbewerberleistungen geben, sondern sie tung der Bundespolizei und ein gutes Signal an die Län- an das Land verweisen, in das sie verteilt worden sind . der, Gleiches oder Ähnliches zu tun . Sonst macht Verteilung nämlich überhaupt keinen Sinn . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Meine Damen und Herren, wir werden jetzt all dies ordneten der SPD) und noch viel mehr mit den Ländern verhandeln . Wir Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11583

Bundesminister Dr . Thomas de Maizière (A) hoffen, dass wir dann Ende September ein Gesetzespa- zu Ende geht und wir dann gute Arbeit geleistet haben, (C) ket zusammen haben . Wir hoffen, dass wir dieses Geset- wenn wir sagen können: Wir haben eine Aufgabe gelöst zespaket dann sehr schnell in den Deutschen Bundestag und dabei auch Vorschriften beachtet . einbringen . Ich möchte den Bundestag schon jetzt bitten, Was die Flüchtlingskrise anbelangt: Das Wort „Krise“ dieses Gesetzespaket so gründlich wie möglich, aber kommt aus dem Griechischen und hat zwei Bedeutungen, auch so schnell wie möglich so zu beraten, dass wir noch Chance und Risiko. – Die Chinesen kennen das; bei ih- im Oktober die zweite und dritte Lesung durchführen nen gibt es dafür auch einen Ausdruck .– Wir betrachten können . Die Bundeskanzlerin hat es schon gesagt: Wenn gerne die Risiken . Das Thema „Standarderleichterung“ es uns in zwei oder drei Wochen gelingt, durch Gesetz- ist nur ein Beispiel . Es gibt aber viele andere Aspekte, gebung Banken zu retten, dann sollten wir uns auch hier zum Beispiel die Integration von qualifizierten Asylbe- anstrengen, die Verfahren so durchzuführen, dass wir das werbern und Flüchtlingen in unseren Arbeitsmarkt . Da in einem Gesetzespaket im Oktober zu Ende beraten . liegen – gerade für junge Menschen und junge Famili- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) en – Chancen . Wenn es uns gelänge, das Thema „Flücht- lingskrise“ nicht nur unter dem Gesichtspunkt nicht zu Trotz der Sorge wegen des Themas Flüchtlinge müs- leugnenderRisiken – Johannes Rau hat gesagt: „Und wir sen und werden wir natürlich auch die anderen Aufgaben müssen handeln – und zwar ohne Angst und ohne Träu- erfüllen . Ich nenne aus Zeitgründen nur ganz wenige: die mereien“ –, sondern auch unter dem Blickwinkel der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kri- Chancen zu diskutieren, wenn wir eine Mentalität entwi- minalität, der Kampf gegen den Wohnungseinbruch, die ckeln würden, nicht nur darauf zu schauen, ob wir auch Digitalisierung unserer Gesellschaft mit all den Heraus- die Vorschriften einhalten, sondern eine Aufgabe zu lö- forderungen, die dazugehören . Der versuchte Anschlag sen, dann läge in dem, was vor uns steht, eine verdammt im Schnellzug Thalys in Frankreich hat uns allen vor Au- große Chance . Wir sollten sie nutzen . gen geführt, dass es beim Terrorismus keine Pause gibt, auch wenn wir vielleicht gerade von dem Flüchtlingspro- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) blem absorbiert sein könnten . Zur Sicherheit gehören auch der Cyberraum und das Vizepräsident Peter Hintze: Internet . Das haben wir hier im Bundestag und auch Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge- anderswo in den letzten Monaten erfahren müssen . Die ordneten , Fraktion Die Linke . Fragen rund um die Informationstechnik erfordern eine (Beifall bei der LINKEN) stärkere zentrale Koordinierung . Wir bündeln viele die- ser Aufgaben im Bundesinnenministerium ab 1 .Oktober (DIE LINKE): (B) unter einem eigens dafür zuständigen Staatssekretär . Jan Korte (D) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle diese Themen finden im vorgelegten Haushalt Ich will gleich daran anknüpfen, glaube aber, dass das ihre erforderliche und angemessene Berücksichtigung . Einerseits-andererseits in der Situation, in der wir uns Ich bitte neben der Konzentration auf das Flüchtlingsthe- befinden, leider nicht mehr angemessen ist. Im Herbst ma auch dazu um eine umfassende gute, gründliche und 2015 erleben wir ein mehrfach gespaltenes Land . Herr konstruktive Beratung . Innenminister, Sie haben zwei Vorgänge angesprochen . Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf das Auf der einen Seite gab es eine großartige Welle von So- Flüchtlingsthema zurückkommen und das mit der Fra- lidarität mit Flüchtlingen und Mitmenschlichkeit – man ge verbinden, wie wir an das Thema herangehen . Ich kann auch „Nächstenliebe“ sagen . Ich denke dabei an will das am Beispiel der Standarderleichterung tun . München, Saalfeld oder meinen Wahlkreis, wo Sportver- Das klingt so technisch . Wir hatten nach der deutschen eine Lauftraining für Flüchtlinge organisieren . Auf der Einheit ein schreckliches Wortungetüm . Das hieß – Sie anderen Seite ist es aber so, dass jeden Tag eine Unter- werden sich erinnern – Verkehrswegeplanungsbeschleu- kunft angezündet und abgefackelt wird und dass es in nigungsgesetz . Das kam ziemlich technisch daher, aber den sozialen Medien geradezu Vernichtungsphantasien es war eine Schlüsselvoraussetzung für den Aufbau der nachzulesen gibt . Infrastruktur in den ostdeutschen Ländern . Das, was wir Es gibt – das haben Sie, wie heute schon viele Redner, jetzt „Standarderleichterungsgesetz“ oder „Standard- erwähnt – das Bild des kleinen Aylan Kurdi, das uns alle beschleunigungsgesetz“ nennen, kommt auch ziemlich mehr als bewegt hat . Jedoch gibt es eine genauso schlim- technisch daher . Sie werden sich noch wundern, wie vie- me Fortsetzung . Jeden Tag ertrinken Flüchtlinge im Mit- le Paragrafen wir da anfassen: im Bauplanungsrecht, im telmeer, Frauen, Kinder und Männer . Es geht einfach so Immissionsschutz, in der Energieeinsparverordnung und, weiter . Und Sie weigern sich, endlich die richtige Ant- und, und . wort zu geben, nämlich legale und sichere Einreisewege zu erlauben . Das wäre eine Antwort der Menschlichkeit . Was steckt dahinter? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Dahinter steckt gerade angesichts der Flüchtlingskrise – neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ich nenne es jetzt einmal so –, die wir vor uns haben, Folgendes: Manche glauben, das Leben sei dann gut ab- In dieser Woche ist es, glaube ich, in der Tat für alle geschlossen oder ein Tag gut zu Ende geführt, wenn wir hier im Hause von entscheidender Bedeutung, sich zu uns einig sind, dass wir Vorschriften eingehalten haben . entscheiden, wo man steht . Sag mir, wo du stehst? Das Ich glaube das nicht . Ich glaube, dass ein Tag dann gut ist in dieser Woche die entscheidende Frage, die Sie be- 11584 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015

Jan Korte (A) antworten müssen, vor allem Sie, liebe Freunde von der Herr Maaßen erstattet Anzeige wegen Landesverrat . Ich (C) CSU . Denn es gibt im etablierten Politikbetrieb – ich will sage – Sie haben das auch schon auf Anfragen der Grü- es einmal zuspitzen – zwei Möglichkeiten: Entweder ma- nen und der Linken eingeräumt -: Natürlich wussten das chen Sie es wie die Landesregierung in Thüringen, die BMI und das Kanzleramt, was dort abläuft und was ge- versucht, auch in der etablierten Politik eine Willkom- plant worden ist . Präsident Maaßen, mit dem ich mich menskultur zu leben, bei der selbst der Ministerpräsident oft und gerne streite, ist ein sehr, sehr deutscher Beam- die Flüchtlinge am Bahnhof begrüßt . Oder Sie machen es ter, und bei solch einem schwerwiegenden Vorgang ist es wie Teile der CSU . Ich will das mit Zitaten belegen . Ihr schlicht nicht zu glauben, dass der oberste Dienstherr und Generalsekretär Scheuer – ich darf zitieren – sagt: das Kanzleramt das nicht wussten und nicht involviert waren . Dazu kam von Ihnen hier und auch vorher nichts . Der massenhafte Zustrom von Flüchtlingen nur Es ist das Mindeste, sich dafür zu entschuldigen und die nach Deutschland muss gestoppt werden . Landesverratsbestimmungen dahin zu befördern, wohin , der bayerische Ministerpräsident, sie gehören, nämlich auf den Müllhaufen der Geschichte sagt: (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Wir sind nicht das Sozialamt für den Balkan . NIS 90/DIE GRÜNEN) Und der bayerische Innenminister Herrmann, der ja Es läuft in der Innenpolitik in der Tat sehr viel schief . gerade als besonders kompetenter Integrationsexperte Ich habe leider nur wenig Redezeit . aufgefallen ist, sagt zu der richtigen Entscheidung der Bundesregierung, die Flüchtlinge aus Ungarn einreisen (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Gott sei zu lassen, dass dies – Zitat – „ein völlig falsches Signal Dank!) innerhalb Europas“ sei . Sie müssen sich entscheiden, ob Man könnte noch so viel sagen, nämlich dass ausgerech- Sie weiter rumzündeln oder bei denen stehen wollen, die net in dieser Situation das Bundesamt für Verfassungs- Solidarität und Nächstenliebe großschreiben . Das ist die schutz erneut 20 Millionen Euro mehr bekommt . In zwei entscheidende Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen . Jahren bekommt es 45 Millionen Euro mehr . Dabei ist es (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- weiter intransparent . Wir können leider nicht im Detail NIS 90/DIE GRÜNEN) miteinander diskutieren, an welchen Stellen wir es für sinnvoll und an welchen Stellen wir es für unsinnig hal- In diesem Zusammenhang – auch weil Sie, Kollege ten; denn es wird weiter alles unter Verschluss gehalten. Spahn, gerade anwesend sind; das richtet sich aber auch an die Kollegin Schröder und an meine alte Bekannte, Der Einzelplan 06 ist ein in Zahlen gegossenes Do- – sage ich: Diejenigen, die im Kern aus kument einer grundsätzlich verkehrten Richtung in der (B) Unterkünften für Menschen Krematorien machen wol- Innenpolitik . Schalten Sie um auf mehr Solidarität, mehr (D) len, auch nur ansatzweise mit denen in eine Reihe zu Grundrechte und mehr Datenschutz! Denn das führt stellen, die sich davorstellen, um dies zu verhindern, die zu einer offeneren Gesellschaft, und die brauchen wir . elendige Gleichsetzung von links und rechts muss sofort Wann, wenn nicht jetzt? aufhören . Dafür ist im Übrigen auch eine Entschuldigung Vielen Dank . fällig, um das klar zu sagen . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) NIS 90/DIE GRÜNEN) Aber in der Innenpolitik läuft es insgesamt nicht gut . Vizepräsident Peter Hintze: Sie können sich das nicht vorstellen; Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge- ordneten Eva Högl, SPD-Fraktion . (Zurufe von der CDU/CSU: Nein!) (Beifall bei der SPD) aber ich will versuchen, nachzuweisen, dass es auch sonst in der Innenpolitik nicht gut läuft . Dr. Eva Högl (SPD): Wir hatten die NSA-Affäre . Was heißt, wir hatten? Sie Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- läuft Tag für Tag weiter . Aufklärung durch die Bundes- be Kollegen! Auch ich möchte mit einem Zitat beginnen, regierung und den Innenminister: Völlige Fehlanzeige! mit einem schönen Satz, wie ich finde: „Politisch Ver- Handyüberwachung, Wirtschaftsspionage und die Bei- folgte genießen Asylrecht “. Das ist Artikel 16 a unseres hilfe der deutschen Dienste: Auch das war folgenlos . Es Grundgesetzes, und dieser Satz ist für uns alle ein Be- geht alles so weiter . kenntnis . Er drückt die Werte aus, denen wir uns verbun- Dann gab es im Sommer einen der größten Knaller den fühlen und die wichtig für uns sind . Er ist für uns in Ihrer Amtszeit . Wenn kritische Journalisten erfreuli- auch eine Verpflichtung, danach zu handeln. Er drückt cherweise darüber berichten, was Sie uns nicht sagen – das Recht unseres Rechtsstaats aus und ist Ausdruck un- weder dem Parlament noch der Öffentlichkeit –, dass serer tief empfundenen Humanität und Menschlichkeit . nämlich die Überwachungsinfrastruktur in einem kaum (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten noch fassbaren Ausmaß immer weiter ausgebaut wird, der CDU/CSU) dann wird beim Bundesamt für Verfassungsschutz durch seinen Präsidenten die ganz große Keule herausgeholt, Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, freue ich übrigens ein Relikt aus den 50er- und 60er-Jahren, und mich sehr, dass wir im Deutschen Bundestag eine sehr Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11585

Dr . Eva Högl (A) große Einigkeit – ich hoffe sogar, Einstimmigkeit – ha- und zwar in Gesamteuropa; das gehört zur Wahrheit. Wir (C) ben, angesichts der aktuellen Debatte diesen Artikel 16 a brauchen legale Wege nach Europa, wenn wir diese Bil- Grundgesetz so zu lassen, wie er ist . der nicht länger ertragen und die Menschen nicht in den (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Tod schicken wollen . Das ist unser Grundrecht auf Asyl, unsere Verpflichtung (Beifall bei der SPD und der LINKEN) und unser Ausdruck von Werten und von Menschlichkeit . Herr Minister, Europa wird sich darüber Gedanken Ich freue mich über diese Einigkeit, weil wir Anfang der machen müssen, wie es die Außengrenzen sichern und 90er-Jahre eine ganz andere Debatte hatten, und hoffe gleichzeitig die Innengrenzen weiterhin transparent hal- sehr, dass es dabei bleibt . ten und das Schengen-System erhalten kann . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich sage noch etwas, was mir nicht leicht über die Lip- der CDU/CSU) pen geht, was aber zur Wahrheit gehört . Wir wissen ganz Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letz- genau, dass nicht alle Menschen, die verfolgt werden und ten Wochen und Monaten und vor allem am letzten Wo- auf der Flucht sind, zu uns kommen können . Nicht alle chenende gesehen, dass viele Bürgerinnen und Bürger in können kommen, und nicht alle können wir so herzlich unserem Land diesen Satz mit Leben füllen, indem sie willkommen heißen, wie wir das in den letzten Wochen Flüchtlinge willkommen heißen . Überall dort, wo die und Monaten getan haben . Nicht alle Menschen können Flüchtlinge ankommen und wo sie untergebracht werden bleiben . Auch darüber müssen wir uns sehr sorgfältig müssen, stehen Menschen hilfreich zur Seite, spenden Gedanken machen . Deswegen halte ich es für unbedingt Geld und Sachmittel, verteilen Essen und Trinken und erforderlich – das ist für mich eine der wichtigsten For- helfen dort, wo sie können . Das ist ein wirklich tolles zi- derungen bei den Diskussionen über die Maßnahmen, die vilgesellschaftliches Engagement . Es ist an dieser Stelle wir demnächst beschließen und ergreifen werden –, die mehr als angebracht, dafür ganz herzlich Dankeschön zu Asylverfahren zu beschleunigen . sagen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) der CDU/CSU) Wir sagen Danke allen ehrenamtlichen Helferinnen und Die Menschen müssen schnell eine Antwort darauf be- Helfern . Ich möchte aber auch ausdrücklich all denjeni- kommen, ob sie hier bleiben dürfen oder ob sie unser Land gen Danke sagen, die mit hoher Professionalität helfen . wieder verlassen müssen, ob sie hier Schutz bekommen Ich meine damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des oder nicht . Für diejenigen, die hier Schutz bekommen (B) Technischen Hilfswerks, des Deutschen Roten Kreuzes, und denen wir hier Frieden und eine Perspektive geben, (D) der Kirchen, der Sozialeinrichtungen und der Wohlfahrts- müssen wir mehr und schneller etwas tun, wenn es um verbände sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ihre Integration geht . Diese Menschen dürfen wir nicht öffentlichen Dienstes, auf die sonst viel geschimpft wird, vertrösten und ihnen sagen: Geduldet euch! – Sie haben die uns aber mit ihrem Engagement und ihrer Hilfe für zu Recht darauf hingewiesen, Herr Minister, dass das Flüchtlinge Anlass geben, stolz zu sein . Auch dafür herz- nicht von heute auf morgen geht . Aber auch hier müssen lichen Dank! wir schneller und besser werden, sodass die betreffenden (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Menschen eine Perspektive bekommen . Wir alle, die wir heute in erster Lesung über den Haus- Wir stehen vor einer großen Herausforderung . Aber halt sowie über Flucht und Migration diskutieren, wissen, ich sage heute genauso deutlich: Wir sind nicht überfor- dass wir weiterhin damit werden umgehen müssen, dass dert . Wir schaffen das in Deutschland . Menschen ihre Heimat verlassen und zu uns kommen . (Beifall bei der SPD) Sie fliehen vor Krieg, Terror und Gewalt und suchen bei uns Frieden und Schutz sowie eine Perspektive für sich Wir können das mit einer gemeinsamen gewaltigen und ihre Familien. Ja, Menschen fliehen auch vor Hunger Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen und Armut . Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf schaffen . Auch in Europa ist eine gemeinsame Kraftan- der Flucht . Diese Zahl können wir kaum erfassen . Diese strengung notwendig . Wir legen in der heutigen Debatte Zahl wird hoch bleiben . Ja, wir werden hier in Deutsch- dafür die Grundlagen . Der Haushalt, über den wir in ers- land viele dieser Menschen aufnehmen und ihnen eine ter Lesung beraten, ist schon jetzt Makulatur . Wir werden Perspektive geben . in den nächsten Tagen und Wochen darüber diskutieren, an welchen Stellen wir mehr Mittel brauchen und wie wir Wenn wir nicht wollen, dass Menschen im Mittel- aufstocken . Aber wir bringen nun ein gutes Paket auf den meer ertrinken, dass sie in Lkws ersticken und dass sie Weg . Ich begrüße ausdrücklich die Beschlüsse des Koa- auf Schlepper angewiesen sind – auch diejenigen, die bei litionsausschusses von Sonntagabend . Ich halte das für uns eine Bleibeperspektive haben, sind auf solche Wege ein hervorragendes Papier . Auf sieben Seiten steht viel bislang angewiesen, zum Beispiel die Syrerinnen und Richtiges und Wichtiges . Für mich stellt dieses Papier Syrer genauso wie die Menschen aus Afghanistan, die eine gute Grundlage für die weitere Diskussion und die zu fast 100 Prozent bei uns Asylrecht bekommen –, und vor uns liegende gewaltige Kraftanstrengung dar . wenn wir die entsprechenden Bilder nicht länger ertra- gen können, dann müssen wir so ehrlich sein, zuzugeben, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass wir eine völlig andere Asylpolitik betreiben müssen, der CDU/CSU) 11586 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015

Dr . Eva Högl (A) Neben Aufnahme, Unterbringung und gesundheitlicher Mir ist ein weiterer Aspekt sehr wichtig: Wenn wir für (C) Versorgung der Flüchtlinge halte ich – wie bereits ange- Vielfalt, Toleranz und unsere Demokratie werben wollen, deutet – kürzere und schnellere Verfahren für erforder- dann müssen wir mehr in Prävention, in unsere Demo- lich . Deswegen ist es wichtig, dass wir die Mittel für das kratie, in das, was unsere Demokratie ausmacht, inves- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weiter auf- tieren, und dann müssen wir auch sämtliche Projekte, stocken . Wir werden noch mehr Entscheiderinnen und Programme und Träger, die die Demokratie befördern, Entscheider brauchen, vermutlich sogar noch mehr, als besser und konsequenter ausstatten . Auch beim Haushalt wir bereits beschlossen haben . Auch ich habe keine Glas- der Bundeszentrale für politische Bildung kann vielleicht kugel; aber es ist absehbar, dass noch mehr Menschen eine Schippe draufgelegt werden; denn auch sie leistet kommen, und diese Menschen brauchen eine schnelle viel für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft . Entscheidung . (Beifall bei der SPD) Ich begrüße ausdrücklich, dass die SPD-Forderung Ich freue mich, wenn wir hier große Einigkeit haben, aufgenommen wurde, bei der Bundespolizei ganz kräf- und ich freue mich auf die weiteren Debatten . Ich denke, tig aufzustocken, nämlich um 3 000 Stellen . Das ist eine wir haben hiermit eine gute Grundlage für die weitere richtige und wichtige Entscheidung . Die Bundespolizei braucht unsere Unterstützung . Sie leistet gute Arbeit und Diskussion über Flüchtlinge und Einwanderung gelegt . kann auch hier einen ganz wichtigen Beitrag leisten . Mit Herzlichen Dank . diesen 3 000 Stellen legen wir dafür eine gute Grundlage . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich habe es schon angedeutet: Wir müssen noch mehr tun für die Integration derjenigen in den Arbeitsmarkt, Vizepräsident Peter Hintze: die bleiben können, und auch für die Sprachförderung . Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge- Ich möchte zu einem Punkt kommen, der mir in dieser ordneten , Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grü- Debatte ebenfalls sehr wichtig ist . Ich sagte schon: Nicht nen . alle können kommen; nicht alle können bleiben. Aber wir müssen uns hier im Deutschen Bundestag weiter darüber Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): unterhalten, dass viele Menschen zu uns kommen, die Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und vor Hunger, wirtschaftlicher Not und Armut fliehen, die Herren! Beim Thema Flüchtlinge ist gerade Einigkeit für sich und ihre Familien eine Perspektive wollen und beschworen worden . Bei aller vorhandenen Einigkeit die nicht politisch verfolgt sind, aber trotzdem in unserer über die Bereitschaft, Flüchtlinge gut aufzunehmen und Gesellschaft, in unserem Land eine Perspektive bekom- zu versorgen, möchte ich doch einmal darauf hinweisen, (B) men können. Darüber müssen wir uns verständigen; auch dass wir nicht vergessen dürfen, dass wir uns bei dieser (D) das gehört zur Politik für Flüchtlinge und zum Thema Aufgabe – wir Grünen werden uns daran beteiligen, und Einwanderung . Ich wünsche mir, dass dies der Auftakt wir werden lösungsorientiert mitarbeiten – aber auch dar- zu einer Debatte darüber ist, wem wir über diejenigen auf verlassen können wollen, dass sie gut gemanagt wird . hinaus, die ohnehin kommen, eine Perspektive geben . Es reicht nicht, wenn wir uns hier zurufen: Wir schaffen Denn wir können unseren Wohlstand, die Lebensquali- das . – Das ist eine gute Botschaft an die Gesellschaft . tät unserer Gesellschaft nur sichern, wenn wir Einwan- Wenn ich mir aber die Zahlen anschaue, die verdeutli- derung haben . Einwanderung ist essenziell erforderlich chen, was in den letzten Monaten geschehen ist und was für unsere Gesellschaft . Zu uns kommen viele Menschen, versäumt wurde, dann muss ich ganz klar feststellen: auch solche, die nicht politisch verfolgt sind, die quali- Dass wir uns gegenseitig „Wir schaffen das“ zurufen, fiziert sind, die hoch motiviert sind, die lernen wollen, darf nicht das Einzige sein, was wir tun . Man muss auch die unsere Sprache sprechen wollen, die sich in unsere nachweisen, dass man die Herausforderung bewältigen Gesellschaft integrieren wollen, die arbeiten wollen, die kann und die Aufgabe professionell managt . ein neues Leben suchen und eine neue Perspektive . Auch sie sollten wir herzlich willkommen heißen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte noch eine Bemerkung zum Thema „Rechts- Herr Minister, ich muss schon sagen, dass ich ein biss- extremismus und Hass“ machen. Das ist natürlich die chen erschüttert bin, nachdem ich mir angeschaut habe, Kehrseite dessen, worüber wir zuletzt gesprochen haben . was im letzten Jahr eigentlich passiert ist . Wir haben Was die Willkommenskultur angeht, haben wir jetzt eine vor einem Jahr bei den Haushaltsberatungen 350 neue ganz andere Situation als Anfang der 90er-Jahre . Aber Stellen für das BAMF – Bundesamt für Migration und während wir über unsere Willkommenskultur sprechen, Flüchtlinge – bewilligt . Während der Beratungen zum brennen Unterkünfte für Flüchtlinge, werden Anschläge Nachtragshaushalt am 8 .Mai ist zum ersten Mal von verübt . Deswegen brauchen wir – das ist heute schon ge- Regierungsseite verkündet worden: Wir brauchen 2 000 sagt worden; ich erwähne es noch einmal – ein konse- zusätzliche Stellen im BAMF, 1 000 in 2015, 1 000 in quentes Vorgehen . Notwendig sind sofortige Aktivitäten 2016 .– Ich habe nachgefragt und habe vor knapp zwei der Polizei, der Staatsanwaltschaft . Wir müssen auch in Wochen, am 26 . August, aus Ihrem Haus die Antwort er- diesem Bereich die Mittel aufstocken, damit wir Hass- halten: 161 von den 750 zusätzlichen Stellen haben Sie und Gewalttätern keinen Platz einräumen . Dafür ist in besetzt, bezogen auf die erste 1 000er-Tranche, und nur unserer Gesellschaft kein Raum . Auch da müssen wir 35 von 200 Stellen für Entscheider, 16 Prozent, sind dort konsequent handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen . besetzt .– Mit diesem Management werden wir der Her- Das gehört zur Wahrheit hinzu . ausforderung nicht gerecht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11587

Anja Hajduk (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sie in der Innenausschusssitzung am 2 . September, die (C) [SPD]: Die Stellen waren ja eigens einberufen worden war, um über das Thema zum 1 . Juli erst frei!) „Übergriffe auf Asylbewerberunterkünfte“ zu sprechen, zu den wesentlichen Fragen meiner Fraktionskollegen Herr Minister, es ist nicht einfach, diese Sache anzu- dazu, was vorgefallen ist, wie Sie das erfassen, um was gehen . Das ist überhaupt nicht unser Vorwurf . Aber ich für Straftatbestände es sich handelt, gesagt haben: Ich kann nicht erkennen, dass mit dem nötigen Nachdruck kann Ihnen dazu keine Auskunft geben .– Auch das halte daran gearbeitet wird . Ich redete von den ersten 1 000 ich für ein Missmanagement bei der Sicherheitsaufgabe Stellen . Was die zweiten 1 000 Stellen angeht, haben Sie und der Problematik, die wir alle gerade mit Betroffen- nur 300 im Regierungsentwurf ausgebracht . Das heißt, heit zu gewärtigen habe, dass es nämlich Übergriffe gibt die zweiten 1 000 Stellen werden überhaupt erst ab dem auf Asylbewerber und auf diejenigen, die sich für diese 1 . Januar 2016 ins Ausschreibungsverfahren gebracht . engagieren, auch für deren richtige Unterbringung . Sie Die ersten 1 000 und die zweiten 1 000 Stellen, diese haben auch eine Verantwortung, gegenüber dem Parla- Personalaufstockung für das BAMF, haben Sie kalkuliert bezogen auf einen Stand von 450 000 Flüchtlingen in ment auskunftsfähig zu sein, wie die Sicherheitssituation diesem Jahr . Wir wissen jetzt, dass es 800 000 sein wer- aussieht . den . Ich kann nicht erkennen, dass Sie personell die Auf- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nahme und die Bearbeitung der Anträge dieser Flüchtlin- ge im Griff haben . Ich glaube, wir alle müssen uns ganz Ich komme zum Schluss . Herr Minister, Sie haben andere Maßnahmen überlegen, wie wir das wirklich be- gesagt: Lassen Sie uns über die Haltung reden . Darauf wältigen wollen, will ich gerne zurückkommen . Ich bin jetzt sehr kritisch gewesen . Sie haben darauf hingewiesen, wir sollten an (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) das Lied denken, das beim Kirchentag viel und gern ge- damit das Vertrauen der Bevölkerung darauf, dass wir sungen wird: Vertraut den neuen Wegen . Wissen Sie, wie nicht nur den Willen haben und Mittel im Haushalt da- das Lied weitergeht? „… weil Leben heißt: sich regen“ . für einstellen, sondern das auch managen, bleibt . Wenn Bitte machen Sie mehr, und managen Sie das besser . Nur ich mir das jetzt ansehe, muss ich wirklich sagen: Herr so behalten wir das Vertrauen und die Stimmung in der de Maizière, ich bin ein bisschen entsetzt darüber, wie Bevölkerung für diese Aufgabe . schlecht wir in diesem September 2015 vorbereitet sind . Schönen Dank . Das Ganze hat auch den Hintergrund, dass der Leiter (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gesagt hat: Wir schaffen es wirklich, die Anträge schneller zu Vizepräsident Peter Hintze: (B) bearbeiten . Er sagt: Da liegen 250 000 Anträge auf Hal- (D) Nächster Redner ist der Abgeordnete , de . 200 000 arbeiten wir bis zum Ende des Jahres ab .– CDU/CSU-Fraktion . Das alles basiert doch noch auf der Prognose von 450 000 Flüchtlingen – und das bei der Stellenbesetzungskultur, (Beifall bei der CDU/CSU) die ich gerade vorgetragen habe! Wenn das so weitergeht, dann haben wir in einem halben Jahr und in einem Jahr Thomas Strobl () (CDU/CSU): immer noch denselben Mangel in der Bearbeitungssitu- Herr Präsident Hintze! Verehrte Kolleginnen und Kol- ation . Vor diesem Hintergrund möchten Sie auch verste- legen! In diesem Sommer ist der syrische Bürgerkrieg hen, dass wir nicht das Vertrauen haben, dass wir, wenn endgültig nach Deutschland gekommen . Wer geglaubt gesagt wird: „Wir beschleunigen die Verfahren, indem hat, der Nahe Osten sei weit weg und Deutschland könne wir sichere Herkunftsländer festlegen“, unsere Konzent- sich trotz seiner Stärke aus der Weltpolitik heraushalten ration und unsere Power an der richtigen Stelle einsetzen, und zurückziehen, ist eines Besseren belehrt worden . wenn es darum geht, was eigentlich zu tun ist . Hunderttausende fliehen aus den Krisengebieten und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben sich auf den Weg nach Europa, nach Deutschland gemacht . In ihren Zug reihen sich Tausende Flüchtlinge Ich hätte mir gewünscht, dass der Leiter des Bundes- aus Afrika und den Balkanstaaten ein, die in ihren Län- amts für Migration und Flüchtlinge sich im August nicht dern keine Zukunft mehr für sich sehen . Auf der Flucht darüber ausgelassen hätte, welche Geldleistungen ange- spielt sich täglich Dramatisches ab . Der Schrecken hat messen sind und ob man Taschengeld streichen kann . Er eine Chiffre bekommen: Ein kleines Kind liegt tot am hätte zusehen sollen, wie er, was wir seit Monaten wis- türkischen Strand, mit dem Gesicht im Sand . sen, viel mehr Hilfe bekommt, um die Aufgabe in seinem Amt zu bewältigen . Sie haben Verantwortung dafür, dass Wer angesichts solcher Bilder kein Mitgefühl, keine er das begreift und dass er das macht . Scham, keine Trauer empfindet, der hat kein Herz. Wer aber Mitleid und Gefühl allein zum Maßstab politischen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Handelns macht, der vergisst seinen Verstand und wird, und bei der LINKEN) was weit schlimmer ist, in letzter Konsequenz zerstören, Letzter Punkt . Wir reden hier auch über Sicherheit und was wir alle miteinander erhalten und bewahren wollen, Sicherheitspolitik . Wir Grünen sind bereit, die wirklich nämlich ein Zufluchtsort für Menschen zu sein, die ver- hohen Aufstockungen beim Personal im Sicherheitsbe- folgt werden, die um ihr Leben fürchten, die aus einem reich wohlwollend zu prüfen und da mitzugehen . Aber, brutalen Bürgerkrieg in Syrien flüchten müssen, die vor Herr Minister, es ist für uns wirklich inakzeptabel, dass Gewalt, Folter und Tod aus dem nördlichen Irak fliehen 11588 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) müssen . Ja, für diese Menschen wollen wir in Deutsch- erhöhen und sich noch stärker an den Kosten beteiligen (C) land auch in Zukunft ein offenes Herz haben und sie mit wird . Wir werden nicht Millionen, sondern wir werden offenen Armen empfangen . Milliarden mobilisieren . Im Bundeshaushalt 2016 wer- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- den wir die Ansätze um 3 Milliarden Euro erhöhen und ordneten der SPD) Ländern und Kommunen weitere 3 Milliarden Euro zur Verfügung stellen . Das ist richtig so . Was ist zu tun? In Europa erleben wir derzeit das Ge- genteil von dem, was eigentlich getan werden müsste . Den Ländern indessen müssen wir aber auch sagen: Wir erleben nicht die Konzentration der großen euro- Am Ende der Verhandlungen kann nicht allein mehr Geld päischen Kraft, sondern viel kleinlichen nationalstaatli- vom Bund stehen, sondern das Ergebnis muss ein umfas- chen Egoismus . Mit Vorsatz wird jeden Tag europäisches sender Maßnahmenkatalog sein . Recht tausendfach gebrochen, und man ist froh, dass Dazu muss erstens eine Verkürzung der Verfahren man selber nicht die Belastungen tragen muss, die mit beim BAMF selbstverständlich gehören . Deswegen ha- der Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen und ben wir für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Zuwanderern verbunden ist . Man ist froh, dass der große im letzten und in diesem Jahr bereits die Schaffung von Nachbar Deutschland diese Lasten schultert . 1 650 neuen Stellen beschlossen . Zurzeit nimmt Deutschland 40 Prozent aller Flücht- (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: linge auf, also fast so viele wie alle anderen Staaten in Darauf können Sie sich doch angesichts der der Europäischen Union zusammen. Ich finde, das muss Entwicklung nicht ausruhen!) im Deutschen Bundestag einmal sehr klar gesagt werden: Wir stellen uns europäische Solidarität nicht so vor, dass Wir werden dieses Amt 2016 mit bis zu 1 000 zusätz- sich in Europa 2, 3 Länder der Flüchtlingsproblematik lichen neuen Stellen ausstatten . Frau Kollegin Hajduk, annehmen und sich 25 andere Länder einen schlanken wenn es mehr Stellen sein müssen, dann werden wir uns Fuß machen . Das können wir nicht akzeptieren, und das mit dieser Frage auch aufgeschlossen befassen . werden wir auch nicht akzeptieren . Unser Ziel muss es sein, die Asylverfahren nicht in (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Monaten, sondern in Wochen zu entscheiden . Wir sind sehr weit von europäischer Solidarität entfernt (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: und brauchen doch dringend eine gemeinsame europäi- Sie haben anscheinend die Herausforderungen sche Asylpolitik . Auf diese zielt die Initiative der deut- noch gar nicht verarbeitet!) schen Bundeskanzlerin und des französischen Staat- (B) spräsidenten . Das unterstützen wir, wie wir auch die In manchen Nachbarstaaten werden sie in Tagen ent- (D) Bemühungen und Initiativen des Bundesinnenministers schieden . Niemand bestreitet, dass das Rechtsstaaten Thomas de Maizière unterstützen . Wir brauchen gemein- sind . Die Länder müssen dann allerdings auch für rasche same Aufnahmezentren in den europäischen Grenzstaa- Gerichtsverfahren sorgen, und sie müssen Ausreisever- ten . Deutschland muss und wird mit aller Kraft dort ein- pflichtungen konsequent durchsetzen. Hier erwarten wir steigen, mit Personal und mit Geld . nicht nur Absichtsbekundungen der Bundesländer, Wir brauchen in Europa eine gemeinsame Definition (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE von sicheren Herkunftsländern . GRÜNEN]: Das ist total neben dem Thema!) (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) sondern quotierte Zusagen für eine Aufstockung des Per- sonals bei den Ausländerbehörden und den Verwaltungs- Was ist denn das für eine Lage – das sind unsere Nach- gerichten . barländer –, wenn in Frankreich ein Balkanstaat ein si- cheres Herkunftsland ist, wenn in Österreich ein Balkan- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) staat ein sicheres Herkunftsland ist, in Deutschland das aber nicht der Fall ist? Wir müssen zweitens genau unterscheiden zwischen denen, die unseres Schutzes bedürfen, und denen, die Wir brauchen eine gemeinsame faire Verteilung der letztlich einen Asylantrag in Deutschland stellen, weil Flüchtlinge in Europa . Ich persönlich füge hinzu: Wir sie in ihren Heimatländern keine wirtschaftliche Zukunft brauchen auch ein einheitliches soziales Niveau für die sehen . Letztes gilt insbesondere für die Menschen vom Flüchtlinge in Europa . Ich will ausdrücklich sagen: Der westlichen Balkan, deren Schutzquote gegen null ten- französische Staatspräsident beteiligt sich an dieser Ini- diert . Mögen ihre Motive für eine Reise nach Deutsch- tiative in einer Situation, in der auf ihm durch die Stärke land menschlich sehr nachvollziehbar sein, wir müs- des rechtsextremen radikalen Front National ein außer- sen ihnen klar und deutlich sagen: Eine wirtschaftliche gewöhnlicher Druck lastet. Ich finde, dafür gebührt dem Notlage ist kein Asylgrund . Einwanderung erfolgt in französischen Staatspräsidenten große Anerkennung . Deutschland nicht über das Asylrecht . Das ist ein klarer Was brauchen wir in Deutschland? Grundsatz, über den wir uns eigentlich hier verständigen können müssten . Wir werden die Herausforderungen nur mit einer ge- meinsamen nationalen Kraftanstrengung meistern kön- (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE nen . Die Bundeskanzlerin hat den Ministerpräsidenten im GRÜNEN]: Machen Sie einmal einen Vor- Juni zugesagt, dass der Bund seine bisherigen Leistungen schlag für ein Einwanderungsgesetz!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11589

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) Nur wer an diesen beiden Grundsätzen festhält, wird Vizepräsidentin : (C) die Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung langfristig Das Wort hat die Kollegin für die Fraktion sichern . Nur wer die Aufnahmebereitschaft in der Bevöl- Die Linke . kerung sichert, wird das Grundrecht auf Asyl und zentra- le Errungenschaften der Europäischen Union dauerhaft (Beifall bei der LINKEN) und uneingeschränkt bewahren können . Ulla Jelpke (DIE LINKE): Weil wir den Schutzbedürftigen auch in Zukunft Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Schutz gewähren wollen, werden wir Zehntausende ab- möchte mich zunächst einmal der Kollegin Högl an- weisen und zurückführen müssen, nicht aus Hartherzig- schließen, weil auch ich der Meinung bin, dass eigentlich keit, sondern aus Einsicht in die Grenzen unserer Mög- das ganze Haus dankbar sein muss über das großartige lichkeiten und von dem Willen bestimmt, auch in Zukunft Beispiel der Solidarität mit den Flüchtlingen. Ich finde den tatsächlich Schutzbedürftigen hier eine Heimstatt zu es unglaublich, dass sich mitten in der Nacht in Dort- geben . mund Hunderte Menschen aufmachen und die Flücht- (Beifall bei der CDU/CSU) linge freundlich empfangen . Deswegen sage ich auch im Namen meiner Fraktion: Herzlichen Dank! Wir müssen drittens genau prüfen, welche Auswir- kungen bestimmte Regelungen im Ausland haben . In (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem der Phase der Erstaufnahme erhält eine Familie mit zwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kindern zusätzlich zu allen Sachleistungen 400 Euro im Es ist aber richtig: Auf der anderen Seite haben wir Monat . In der Kommune wächst dieser Betrag auf über auch ein ganz anderes, ein hässliches Gesicht . Die Ge- 1000 Euro an . Für Menschen aus den Ländern des west- walttaten gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte sind lichen Balkans ist das sehr viel Geld . in die Höhe geschnellt . Tagtäglich erleben wir in diesem ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Land Hetze, Anschläge und Aufmärsche von NPD, Pegi- NEN]: Aber nicht hier!) da und rassistischem Mob . Das sind die hässlichen Sei- ten; aber auch auf das Gerede, das Sie, Kollege Strobl, Nicht nur der Chef des Bundesamtes für Migration und und auch Sie, Herr Minister, heute wieder über den an- Flüchtlinge, sondern viele, die sich im Kosovo ausken- geblich massenhaften Asylmissbrauch veranstalten, trifft nen, sagen uns, dass allein das schon ein Anreiz ist, das zu . Ich möchte einmal darauf zurückkommen . Sie ha- die Reise nach Deutschland anzutreten . Ihre Kollegin ben den Westbalkan angesprochen . Da wird im Grunde etwa, die von Migration, vom Balkan, genommen pauschal einer ganzen Flüchtlingsgruppe das von Osteuropa wirklich etwas versteht, hat in der Frank­ Recht abgesprochen, dass deren Asylanträge unvoreinge- (B) furter Allgemeinen Zeitung berichtet, dass unsere Zah- nommen geprüft werden . Das kann meines Erachtens so (D) lungen es vielen Familien aus dem Balkan gestatten – ich nicht gehen . zitiere –, „Geld für die Zeit nach der Rückkehr anzuspa- ren“. Ich glaube nicht, dass das im Sinne des Erfinders Ich will ein paar Beispiele bringen: Im Juni waren 28 ist . Deswegen führt am Beschluss des Koalitionsaus- Prozent der Flüchtlinge aus dem Westbalkan, nämlich schusses vom Sonntag kein Weg vorbei: Wir brauchen 3 611 Menschen, Roma . Selbst die EU-Kommission bzw . mehr Sachleistungen und weniger Bargeld . EU-Kommissare berichten in ihren Unterlagen, dass die- se Menschen extremer sozialer Ausgrenzung, rassistisch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) motivierter Gewalt – auch durch staatliche Institutionen Meine sehr verehrten Damen und Herren, all das, was – ausgesetzt sind . Sie tun hier aber einfach so, als wenn ich angesprochen habe, betrifft nicht nur den Haushalt all diese Leute vor allen Dingen auf den Arbeitsmarkt des Bundesinnenministers, den wir heute debattieren, wollten, und diskriminieren diese Menschen dadurch, und all das wird uns nicht Monate, sondern wahrschein- dass Sie ihnen im Grunde genommen das Recht abspre- lich Jahre beschäftigen . Die Flüchtlingsfrage ist zur chen, hier Asyl zu beantragen . Deswegen sage ich ganz größten politischen Aufgabe unserer Zeit geworden . Wir eindeutig: Das Asylrecht darf nicht ausgehöhlt werden . werden sie vor allem dann lösen können, wenn wir an ei- Die Linke wird jedenfalls bei der geplanten Form der nem Strang ziehen, wenn wir sie nicht zuallererst als ein Aushöhlung nicht mitmachen . Feld parteipolitischer Profilierung betrachten. Schauen wir uns doch einmal um: 43 Prozent der Flücht- (Widerspruch bei Abgeordneten des BÜND- linge aus dem Kosovo wurden dort im vergangenen Jahr NISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . André Hahn anerkannt . In Frankreich sind 20 Prozent der Flüchtlinge [DIE LINKE]: Was war das denn gerade?) aus Bosnien-Herzegowina ebenfalls anerkannt worden . Dies sage ich, um hier nur wenige Beispiele zu nennen . Die heutige Debatte könnte ein guter Ansatz sein für Wir verlangen hier ganz klar von Ihnen eine klare Prü- die Debatten in den nächsten Wochen, in diesem und im fung jedes einzelnen Asylantrags statt pauschaler Verur- nächsten Monat, dass wir eher das uns miteinander Ver- teilungen von Flüchtlingsgruppen, die aus dem Westbal- bindende als das uns voneinander Trennende herausar- kan kommen . beiten . (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank fürs Zuhören . Meine Damen und Herren, zu den Vorschlägen der (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Koalition, die gestern vorgelegt wurden, nachdem im ordneten der SPD) Mittelmeer bereits über 2 000 Menschen ums Leben ge- 11590 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015

Ulla Jelpke (A) kommen sind, und angesichts der Gewalt an den Gren- Zuwanderung eben nicht Zuwanderung in unsere Sozial- (C) zen in Europa und der grausamen Bilder, wie in Ungarn, systeme heißt . In der Tat werden die Wirtschaft und die Montenegro und in anderen Ländern mit Flüchtlingen Sozialsysteme sogar gestärkt . Deshalb denke ich: Egal ob umgegangen wurde, muss man wirklich sagen: Dieses Menschen aus Angst vor Verfolgung, Krieg, Hunger oder Papier mit den von Ihnen gemachten Vorschlägen ist ei- Armut fliehen, es muss darum gehen, Fluchtursachen zu gentlich mehr als kläglich . beseitigen . Das bedeutet die Beendigung von Kriegen insbesondere im Mittleren und Nahen Osten . Es bedeutet Zu den 3 Milliarden Euro, die jetzt den Ländern und Kommunen zur Verfügung stehen, kann ich Ihnen jetzt aber auch, die Fluchtursachen, die jeden Tag neu geschaf- schon sagen: Das wird viel zu wenig sein . Wir brauchen fen werden, zu beseitigen . Ich schaue in die Türkei, wo endlich eine gesetzliche Regelung, dass Bund und Län- Erdogan Krieg gegen die Kurden führt . Was höre ich von der gleichermaßen für die Unterkunft der Flüchtlinge der Bundesregierung dazu? Nichts . Im Gegenteil, man aufkommen müssen . Das bedeutet zum Beispiel, von schweigt . Ich schaue nach Frankreich, wo man verstärkt Anfang an bundesweit die Kosten für die Flüchtlings- Luftangriffe gegen Syrien fliegen will. Auch hier passiert aufnahme zu übernehmen und den Kommunen das zu nichts . Solange die Fluchtursachen nicht bekämpft wer- überlassen, was wichtig ist, nämlich die Integration von den, werden die Flüchtlinge hierherkommen, und weitere Anfang an, also Sprachunterricht, Eingliederung in den werden hierherkommen . Deswegen sage ich: Machen Sie Arbeitsmarkt und die Dinge, die nötig sind, damit die endlich etwas gegen die Fluchtursachen, reden Sie nicht Menschen hier schnell wirklich ankommen . nur darüber . Hören Sie auf, Länder wie die Türkei oder andere Länder mit Waffen zu füttern . Es hat lange genug gedauert, bis Sie überhaupt re- agiert haben . Gestern hat die Bundeskanzlerin gesagt: Vizepräsidentin Petra Pau: Wir waren schnell beim Retten der Banken, jetzt müs- sen wir schnell beim Retten von Flüchtlingen sein . – Ich Kollegin Jelpke, achten Sie bitte auf die Zeit . meine, dass es viel zu viele Monate gedauert hat, bis hier wirklich etwas geschehen ist . Ulla Jelpke (DIE LINKE): Das ist die einzige Lösung, die wirklich hilft: dass Fakt ist jedenfalls: Im Moment werden viele in rie- Menschen in ihren Herkunftsländern bleiben können und sigen Sammelunterkünften untergebracht, Lager werden ihr Leben dort perspektivisch aufbauen können . schnell hergerichtet . Wir wollen verhindern, dass solche Notlösungen zu Dauerlösungen werden . Deswegen muss Danke . ganz schnell etwas passieren, damit die Flüchtlinge auf (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Luise einen entsprechenden bezahlbaren Wohnraum verteilt Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (B) werden und auch zu Freunden und Familienangehörigen (D) gehen können . Insbesondere was die Stigmatisierung durch solche Massenlager angeht und diese befördert, Vizepräsidentin Petra Pau: muss etwas passieren . Der Kollege Burkhard Lischka hat für die SPD-Frak- tion das Wort . Die Koalition hat hier unter anderem eingebracht, dass kein Bargeld, sondern Sachleistungen vergeben werden . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Das ist hier heute auch noch einmal gesagt worden . Ich der CDU/CSU) halte das für den reinsten Populismus, denn sparen lässt sich damit nicht wirklich . Burkhard Lischka (SPD): (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) manchmal Rekorde, die möchte man eigentlich nicht er- zielen . Wenn in diesem Jahr bis zu 800 000 Menschen Der bürokratische Aufwand für die Ausgabe von Sach- zu uns kommen, zu uns kommen müssen, weil sie vor leistungen wird – dies ist von den Kommunen immer Krieg, Tod, Elend und Vertreibung fliehen, dann ist das wieder gesagt worden – viel höher und viel teurer sein . ein solcher Rekord . Als „Allzeithoch“ wird das in diesen Deshalb wird man hier nicht sparen . Ausgerechnet beim Tagen sehr gerne in unseren Zeitungen beschrieben . Aber Taschengeld wollen Sie sparen . Das, was man damit es ist eben kein Hochdruckgebiet auf der Wetterkarte, das gerade noch erledigen kann, gehört zu den elementaren mit dem Sommer 2015 wieder abzieht . Der Umgang mit Grundbedürfnissen, nämlich Telefonate führen, Busfahr- Flüchtlingen – das wissen wir alle – wird uns viele, viele karten kaufen oder vielleicht auch einmal irgendwo einen Jahre beschäftigen und auch herausfordern . Das Ganze Kaffee trinken . Ausgerechnet hier wollen Sie Sachleis- ist nicht nur eine Herausforderung, sondern eine wirkli- tungen vergeben. Ich finde, das treibt Flüchtlinge wirk- che Herkulesaufgabe, die vor uns liegt, die wir meistern lich in die Isolation und verhindert jede Teilhabe am öf- können – ja! –, bei der wir aber auch scheitern können . fentlichen Leben . Deswegen werden wir solche Attacken auf die Menschenwürde der Flüchtlinge auf gar keinen Viele Menschen in unserem Land wissen das schon Fall mitmachen . längst . Sie engagieren sich oftmals bis an die Grenze der Erschöpfung dafür, dass uns diese Aufgabe gelingt – (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- durch die Vermittlung und Aufnahme in Unterkünf- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ten, Verpflegung, Spielsachen, Betreuung von Kindern, Meine Damen und Herren, Zuwanderung muss eine Deutschunterricht oder ganz einfach durch Zuspruch und Bereicherung sein . Es ist durch Studien erwiesen, dass Begegnung . Sie sorgen dafür, dass Kinder wieder lachen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11591

Burkhard Lischka (A) können, dass Menschen, die zum Teil alles verloren ha- Kriterium ist Verfolgung, nicht wirtschaftliche Not . Dass (C) ben, wieder Hoffnung schöpfen . Diese vielen Menschen jemand zu uns kommt, weil er in seiner Heimat keine sind derzeit die Helden des Alltags . Sie geben unserem wirtschaftliche und persönliche Perspektive sieht, ist ver- Land gerade in diesen Tagen ein menschliches Gesicht, ständlich und übrigens auch kein Verbrechen, aber es ist und dafür kann man nicht oft genug Danke sagen . eben kein Asylgrund. Ich finde, das ist keine unmenschli- che oder zynische Einstellung . (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- In einem Kommentar, den ich vor einigen Tagen gele- geordneten der LINKEN) sen habe, wurde nicht ganz zu Unrecht die Situation, in der wir uns derzeit befinden, verglichen mit einem Arzt, Aber ich weiß auch: Schon dieser letzte Satz des Dan- der zu einem Massenunfall mit vielen Verletzten geru- kes wird dafür ausreichen, dass ich gleich nach dieser fen wird . Wenn sich dieser Arzt zuerst um die Schwer- Debatte in meinem Büro mit einem Stapel böser E-Mails verletzten kümmert, dann ist das nicht unmenschlich, konfrontiert werde - sondern durchaus verantwortungsbewusst . Deshalb, lie- (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- be Kolleginnen und Kollegen, werden wir einigen, die NEN]: Hassmails! – Dr . Eva Högl [SPD]: Wir nicht vor Verfolgung fliehen, ehrlich sagen müssen: Das alle!) Asylverfahren ist der falsche Weg, um nach Deutschland zu kommen . Selbst wenn wir alle hier unser Bestes ge- E-Mails, die teilweise so widerwärtig sind, dass es mir ben, werden wir nicht allen gerecht werden können . Wir manchmal schwerfällt, meine Sprache wiederzufinden. sollten das sagen, ohne Ressentiments und Vorurteile zu Ja, es macht mich sprachlos, wenn Tag für Tag vor deut- schüren; denn jemand ist ja kein Unmensch, wenn er schen Flüchtlingsunterkünften traumatisierte Menschen für sich und seine Familie eine neue Lebensperspektive ankommen, die oft nur ihr nacktes Leben retten konnten, sucht. Er ist übrigens auch kein Betrüger, ich finde, auch und dort auf Glatzköpfe und sogenannte Wutbürger tref- kein Asylbetrüger . fen, die die ankommenden Busse mit Steinen bewerfen und skandieren: Weg mit dem Dreckspack! – In solchen (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Momenten bin ich sprachlos und schäme mich . Aber ich der Abg . Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE weiß: Ja, es gibt dieses hässliche Gesicht in unserem GRÜNEN]) Land, aber dieses Gesicht steht nicht für unser Deutsch- Insofern bin ich über manchen Debattenbeitrag der letz- land im Sommer 2015 . ten Wochen irritiert . Es kommt jetzt aber auch darauf an, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nicht jeden frommen Wunsch als problemlose Realität zu der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND- verkaufen . NISSES 90/DIE GRÜNEN) (B) Wir alle wissen: Es gibt viele Schrauben, an denen jetzt (D) Wenn es um Not und Mitmenschlichkeit geht, dann ste- gedreht werden muss, und manche Schrauben sind sehr hen die Menschen hier in übergroßer Mehrheit zusam- schwergängig . Das A und O wird jetzt sein, für schnelle men . Auch das haben wir am letzten Wochenende erlebt, Asylverfahren zu sorgen . Davon hängt alles andere ab, und das hat Deutschland oft bewiesen . So wird es auch bis hinunter zu den Kommunen . Hier ist der Bund und diesmal sein . sonst niemand gefordert . Richtig ist aber auch, dass diese Zuschriften, die wir (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES ja alle kennen, zeigen, wie weit sich einige Teile dieser 90/DIE GRÜNEN) Gesellschaft voneinander entfernt haben, wie wenig Wenn 60 000 Menschen derzeit länger als ein Jahr auf Grundkonsens es gibt zwischen denen, die eine unein- eine Erstentscheidung in ihrem Asylverfahren warten, geschränkte Solidarität mit Flüchtlingen fordern, und anderen, die meinen, es wären eh schon viel zu viele . Es (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE wird auch eine der Hauptaufgaben der Politik in diesen GRÜNEN]: Problembeschreibung kennen wir Tagen sein, immer wieder für den Grundkonsens, für den schon!) gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land zu ar- 12 000 Menschen länger als zwei Jahre, und wir 265 000 beiten . Denn das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass unerledigte Asylanträge haben, dann müssen wir jetzt al- wir diese Herausforderung meistern und das überhaupt les dafür tun, dass sich das ändert, und zwar auch mit schaffen können . diesem Bundeshaushalt . Ja, wir können das schaffen . Aber die bittere Wahrheit ist (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE auch: Wir wollen keine Zäune errichten wie andere und GRÜNEN]: Was tun Sie denn?) nicht so tun, als wenn uns der Rest der Welt nichts angin- ge, aber wir können auch nicht so tun, als seien unsere Ich glaube, da werden die 2 000 Neueinstellungen, die Möglichkeiten unbegrenzt . Die Motive der Menschen, wir uns bis zum Frühjahr vorgenommen haben, nicht rei- die zu uns kommen, sind allesamt ehrenwert, aber nicht chen . Denn das bedeutet, dass wir bis zum Jahresende allen Verzweifelten werden wir Arbeit, Sicherheit und 1 000 Entscheider beim Bundesamt für Migration und Zukunft geben können . Der Politik fällt in diesen Tagen Flüchtlinge haben . Schafft ein Entscheider im Durch- auch die Aufgabe zu, die Grenze zwischen Möglichem schnitt 500 Fälle, dann macht das bei 1 000 Entscheidern und Unmöglichem zu ziehen . Da ist „Flüchtling“ in die- 500 000 Fälle im Jahr . Man muss keine weiterführende sem Zusammenhang ein völkerrechtlich klar definierter Schule besucht haben, um zu erkennen: 800 000 Asylan- Begriff, genauso wie das Grundrecht auf Asyl . Das klare träge in diesem Jahr plus 265 000 Altfälle – das kann mit 11592 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015

Burkhard Lischka (A) 1 000 Entscheidern mehr nicht funktionieren . Da müs- Was wir derzeit in Deutschland erleben – das gilt (C) sen wir mehr tun . Wir müssen jetzt einen entscheidenden insbesondere für die Bilder von den Bahnhöfen in die- Schritt nach vorn gehen, sonst bleibt vieles andere, was ser Republik –, macht Hoffnung . Mit dieser Hilfsbereit- wir anpacken, nur Stückwerk . schaft, aber auch den richtigen politischen Maßnahmen wird Deutschland in den kommenden Jahren nicht nur Stückwerk würden wir auch abliefern, wenn wir uns vielen Menschen Schutz bieten können, sondern für viele nicht mit allen Kräften darum kümmern würden, die auch dauerhaft ein neues Zuhause werden können . Das Menschen, die zu uns kommen und bei uns bleiben, ab höchste Gut, das wir derzeit haben, sind diese unglaubli- dem ersten Tag zu integrieren und ihnen beim Erlernen che Hilfsbereitschaft, der Mut und das Engagement von unserer nicht einfachen Sprache zu helfen . Wenn die Zu- Menschen in Deutschland. Ihnen gilt unser Dank; denn gewanderten auf eigenen Beinen stehen können, wenn sie waren dort zur Stelle, wo der Staat versagt hat oder ihre Kinder zur Schule gehen, wenn ihre Kinder einen politische Mühlen zu langsam gemahlen haben . Job haben, dann würden alle Seiten davon profitieren in einem Land, dem in den nächsten 30 Jahren ein Drittel (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) seiner Fachkräfte verloren geht . Dann wäre das, was wir Die Hilfsbereitschaft der Menschen hängt maßgeblich jetzt erleben, nicht nur eine Herausforderung, sondern davon ab, was jetzt politisch passiert . Sie hängt davon eine echte Chance für unser Land . Aber auch dafür müs- ab, ob wir es schaffen, Maßnahmen auf den Tisch zu le- sen wir jetzt mit diesem Haushalt die Weichen stellen gen, die den derzeitigen Ausnahmezustand beenden . Hier und nicht erst morgen und übermorgen . müssen wir tatsächlich über Inhalte streiten . Am Samstag Herr Minister, Sie werden die SPD an Ihrer Seite ha- hatte die Bundesregierung noch mit einer großzügigen ben, wenn es darum geht, in Europa Tacheles zu reden . Geste mehreren Tausend am Budapester Hauptbahnhof Dieses Europa wird eines Tages in den Geschichtsbü- festsitzenden Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland chern auch daran gemessen werden, wie es mit seinen erlaubt, und schon am Sonntag präsentierte die Große Flüchtlingen umgegangen ist . Da muss man im Augen- Koalition einen Beschluss, der unter anderem zahlreiche blick leider den Eindruck gewinnen, wir lebten in einer restriktive Maßnahmen enthält . Maßnahmen zur Verein- Union der Egoisten, und einige Regierungschefs sind fachung von Asylverfahren findet man in dem Papier derzeit dabei, Hochverrat an unseren gemeinsamen Wer- nicht . Darin sehen wir, die grüne Fraktion, aber den we- ten zu verüben . Die Friedensnobelpreisträgerin EU hat sentlichen Schlüssel . Frau Kollegin Högl, im Gegensatz im Augenblick viel zu verlieren, vor allen Dingen ihre zur SPD haben wir definiert, wie die Vereinfachung und Glaubwürdigkeit und ihre menschliche Orientierung . Beschleunigung von Asylverfahren gelingen kann . Der Beschluss vom Sonntag zeigt, dass man in vie- (B) „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, das ist der (D) erste und der allerwichtigste Satz unseres Grundgeset- len Punkten hinter die Vereinbarungen der vergangenen zes – ohne Vorbehalt . Da ist nicht zu lesen: Es sei denn, Jahre zurückfallen will. Die Residenzpflicht soll wieder es sind zu viele Menschen . – Insoweit stehen wir vor ei- ausgeweitet werden und das Sachleistungsprinzip wieder ner großen Bewährungsprobe . Scheitern dürfen wir dabei eingeführt werden . Ich frage mich: Warum eigentlich? Das Sachleistungsprinzip ist nicht nur diskriminierend, nicht . sondern es verursacht auch einen enormen bürokrati- Danke . schen Aufwand, genauso wie die Residenzpflicht, die sich im Übrigen aus der geplanten Verlängerung des Ver- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) bleibs in den Erstaufnahmeeinrichtungen ergibt . Dieser enorme bürokratische Aufwand ist das Letzte, was wir Vizepräsidentin Petra Pau: jetzt gebrauchen können . Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Kollegin Luise Amtsberg das Wort . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum Vorschlag des Innenministers, den Verbleib in Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der Erstaufnahmeeinrichtung auf sechs Monate zu ver- Diese Haushaltsdebatte – im Besonderen die Debatte längern: Wieso halten Sie sich eigentlich mit solchen über den Etat des Innenministeriums – ist nicht nur eine Vorschlägen auf, obwohl Sie wissen, dass es in der jet- Debatte über Zahlen, und ich bin froh, dass sie auch in zigen Situation überhaupt nicht möglich ist, Flüchtlinge den vergangenen Minuten nicht so geführt wurde . Wir so lange in zentralen Aufnahmeeinrichtungen zu halten? als Parlament müssen mit diesem Haushalt eine Antwort Es ist doch eher so, dass wir die Flüchtlinge schnell auf darauf geben, wie wir mit dieser historischen Aufgabe, die Kommunen verteilen, weil die Kapazitäten in den dieser nationalen Verantwortung und Herausforderung Erstaufnahmeeinrichtungen fehlen . Daran werden auch umgehen . Diese historische Aufgabe ist eben nicht die 150 000 Erstaufnahmeplätze nichts ändern . Statt die Län- schwarze Null, sondern die Versorgung und Aufnahme der damit in eine schwierige Situation zu bringen, sollte der Fokus des Innenministers endlich auf der Entlastung von Hunderttausenden Schutzbedürftigen in Deutsch- des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge liegen . land, von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung ge- Das fällt in Ihre Zuständigkeit . Der Bearbeitungsstau von flohen sind. mittlerweile über einer Viertelmillion Anträgen kann nur (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durch Verfahrungserleichterungen beseitigt werden . Ich sowie bei Abgeordneten der LINKEN) frage mich: Warum verwenden Sie so viel Kraft darauf, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11593

Luise Amtsberg (A) sich an Nationalitäten mit niedrigen Schutzquoten ab- sonalkapazitäten in irgendeiner Form handlungsfähig zu (C) zuarbeiten, obwohl es bei Nationalitäten mit besonders bleiben . Meine Kollegin Anja Hajduk hat das beschrie- hohen Schutzquoten so viel Raum für Hilfe durch büro- ben . Das ist derzeit nicht absehbar . Da müssen wir drin- kratische Erleichterungen gibt? Syrien 100 Prozent, Af- gend aktiv werden . ghanistan 78,4 Prozent, Irak 99,7 Prozent – es dauert zu Herzlichen Dank . lange, wenn Asylsuchende aus diesen Ländern im Durch- schnitt 11 bis 18 Monate auf eine Entscheidung warten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN müssen . Hierauf sollte der Fokus liegen . sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr . André Berghegger für Um ein bisschen konkreter zu werden: Es ist Ressour- die CDU/CSU-Fraktion . cenverschwendung, wenn man alle Asylanträge von an- erkannten Flüchtlingen nach drei Jahren erneut überprüft . (Beifall bei der CDU/CSU) Im zweiten Quartal dieses Jahres kam es zur Einleitung von über 3 000 Widerrufsverfahren, über 500 davon ge- Dr. André Berghegger (CDU/CSU): gen anerkannte Syrer . Diese Widerrufsprüfungen binden Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- unnötige Kapazitäten im Bundesamt und verunsichern nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir bera- anerkannte Flüchtlinge . Das ist doch völliger Quatsch . ten hier den Regierungsentwurf 2016 für den Bereich des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundesministeriums des Innern und seiner Behörden . Der sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Bereich hat ein Gesamtvolumen von 6,8 Milliarden Euro . Das ist eine Steigerung von gut 520 Millionen Euro im Meine Fraktion ist der Auffassung, dass, um tatsäch- Vergleich zum letzten Jahr . Es werden deutliche Schwer- lich einen Anreiz zur Beschleunigung der Verfahren zu punkte in diesem Bereich gesetzt . Aus meiner Sicht sind setzen, nach einem Jahr ein Schnitt gemacht werden soll- es zwei Schwerpunkte, die wir vernehmen können, und te, dass für Asylverfahren, die nicht innerhalb eines Jah- zwar die Stärkung der Terrorismusbekämpfung und der res beschieden werden, quasi eine Altfallregelung gelten Bereich des Asylverfahrens und der Integration . sollte . Das würde das BAMF wieder voll arbeitsfähig machen und überlange Verfahren endlich beenden . Aber Zum ersten Bereich, der Stärkung der Terrorismusbe- solche Vorschläge bleiben Sie in Ihrem Papier leider Got- kämpfung . Über 4 Milliarden Euro – das sind gut zwei tes schuldig . Drittel des Etats – werden in den Sicherheitsbereich ein- gebracht und dort verwendet . Das sind insbesondere die (B) Bedauerlicherweise findet sich auch kein Wort im Ko- Bereiche der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes, (D) alitionsbeschluss zur Zukunft des Dublin-Verfahrens – des THW, des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und auch ein wesentlicher Punkt, und das, obwohl die Bun- Katastrophenhilfe und des Bundesamtes für Sicherheit in deskanzlerin gerade gestern noch der Presse verkündet der Informationstechnik . Die Bedrohungslage durch den hat, dass die derzeitige europäische Flüchtlingspolitik internationalen Terrorismus stellt unsere Sicherheitsbe- komplett gescheitert ist . Im Übrigen sehen wir das schon hörden vor große Herausforderungen . Da nenne ich ins- seit vielen Jahren so und stimmen ihr da ausdrücklich zu . besondere das Bundeskriminalamt als Zentralstelle für Allerdings liegt der Schlüssel auch hier in der Verkür- die deutschen Polizeibehörden und als zuständige Be- zung von Verfahren . Wir Grünen wollen, dass die Dub- hörde für die internationale Zusammenarbeit . Hier wer- lin-Überstellungen neben Syrern auch für andere Staats- den nach derzeitigem Stand zusätzlich 200 Stellen und angehörige ausgesetzt werden . Denn wie wollen Sie bitte 12 Millionen Euro als Sachmittel hinzugegeben . schön erklären, dass man Syrer nicht nach Ungarn, Itali- en oder Bulgarien abschieben darf, eritreische oder ira- Nennen möchte ich auch die Bundespolizei, die nach kische Flüchtlinge aber schon? Das macht keinen Sinn, dem Stand des Regierungsentwurfs zusätzlich 350 Stel- len und 26 Millionen Euro an Sachmitteln bekommt . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Insbesondere hat sie die Aufgabe, die kritischen Infra- und bei der LINKEN) strukturen wie Bahn und Flughäfen zu schützen . Nicht zumal es um die Abschiebung in ein Land geht, das vergessen wollen wir das Bundesamt für Verfassungs- Flüchtlinge interniert, kriminalisiert und demnächst mit schutz . Notstandsgesetzen und drakonischen Strafen bei illegaler Seit zwei Jahren hat sich insbesondere der Konflikt Einreise reagiert . in Syrien zum Anziehungspunkt für gewaltbereite Isla- Deshalb appelliere ich namens meiner Fraktion an Sie, misten aus ganz Europa und damit auch aus Deutschland die regierungstragenden Fraktionen, vor allen Dingen in entwickelt . Die Ausreise nach Syrien sowie die Rück- den Gesprächen mit den Ländern diese Vorschläge of- kehr stellen besondere Gefahrenlagen für die Sicherheit fen zu prüfen, vielleicht auch zu konkretisieren und zu in Deutschland dar . Über 700 Islamisten aus Deutschland übernehmen; denn das würde tatsächlich helfen, dem sind in Richtung Syrien und in den Irak gewandert . Rund BAMF wieder die Kapazitäten zu geben, die es braucht, ein Drittel dieser gereisten Personen ist zurzeit wieder in um Asylverfahren schnell zu bearbeiten, und auch in der Deutschland, davon rund 50 Personen, die sich aktiv an Perspektive – wir müssen davon ausgehen, dass in den bewaffnetem Widerstand beteiligt haben . Damit ist die nächsten Jahren ähnlich viele Menschen nach Deutsch- Gefahr von dschihadistisch motivierten Gewalttaten im land kommen und Schutz suchen – mit den jetzigen Per- Bundesgebiet jederzeit so, dass sie sich konkretisieren 11594 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015

Dr . André Berghegger (A) kann . Deswegen denke ich, dass der Aufwuchs in diesen wir bei diesen gestiegenen Anforderungen ausgewiesene (C) beiden Bereichen dieses Einzelplans, so wie ich es gera- Stellen weiterhin schnellstmöglich besetzen können, um de beschrieben habe, gut und richtig ist und dass diese dieser Aufgabe effektiv nachgehen zu können . Darüber Schwerpunktsetzung stimmt . werden wir während des Haushaltplanverfahrens, denke ich, im Detail diskutieren . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Diese Entwicklung ist aus meiner Sicht auch ein Beleg Der weitere Schwerpunkt „Asylverfahren und Integra- dafür, dass es gut ist, den Haushalt auf Sicht zu fahren, tion“ – wir haben es heute in vielen Beiträgen gehört – ist nicht vorschnell Spielräume nachhaltig zu verplanen, ein äußerst emotionaler Bereich . In den letzten Wochen sondern Freiräume zu erarbeiten, um flexibel auf genau haben wir ständig Bilder von leidgeplagten Menschen solche Situationen zu reagieren, wie wir sie jetzt vorfin- vor Augen, die auf der Flucht vor Krieg und Elend alles den . verloren haben und nach Sicherheit suchen und sich des- Ich glaube, man kann es nur immer wieder betonen: wegen auf nach Europa gemacht haben . Die Menschen in Deutschland begegnen den Flücht- Ich habe neulich gelesen, dass Kinderfotos uns die lingen mit einer überwältigenden Hilfsbereitschaft und Wahrheit in all ihrer Emotionalität und Bandbreite näher- Solidarität . Ich habe das Bild vom Wochenende vor Au- bringen sollen; das ist richtig. Zwei Bilder haben sich bei gen: Spalier stehende Menschen in München, wo am mir besonders eingeprägt . Eines ist heute schon mehrfach Wochenende Tausende am Bahnhof angekommen sind . erwähnt worden . Das ist das Bild des kleinen syrischen Das stimmt mich und, ich denke, uns alle zuversichtlich . Jungen, der leblos an die türkische Küste gespült worden Dieses große Engagement gemeinsam mit unserer wirt- ist . Das ist eine Bandbreite der Skala . Das andere Bild schaftlichen Stärke in unserem Land ist der Grund da- zeigt das lachende kleine Mädchen mit den schwarzen für, dass wir die Herausforderung selbstbewusst angehen Locken, das sich freut, in Deutschland zu sein, das sich können und dass wir sie auch stemmen können . aufs Lernen freut, weil es Ärztin werden will . Diese Bil- Die größte Belastung entsteht natürlich bei den Kom- der berühren uns alle, und es kommen täglich neue hinzu . munen . Die Aufgabe können wir lösen, aber wir können Trotz aller Emotionen – da schließe ich an die Aus- sie nur gesamtgesellschaftlich lösen, Staat und Zivilge- sagen von Thomas Strobl an – brauchen wir, glaube ich, sellschaft gemeinsam . Für dieses große Engagement, die – ich will es einmal so formulieren – richtige Balance teilweise über die Belastungsgrenze hinweg – Frau Högl, zwischen Herz und Verstand, um dieser Aufgabe gerecht hier möchte ich gerne an das anknüpfen, was Sie gesagt zu werden, um diese Herausforderung der Asyl- und haben –, egal ob haupt- oder ehrenamtlich, möchte ich an dieser Stelle allen Menschen danken, die sich da einge- (B) Flüchtlingspolitik zu lösen . Das wird die größte Heraus- (D) forderung, der wir uns gegenübersehen . Ich glaube auch, setzt haben . Danke für dieses Engagement! dass sich die Denkweise dieser Unterscheidung mehr und (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) mehr in der Bevölkerung verbreitet . Wir sind ein weltoffenes, tolerantes und solidarisches Diese Herausforderung wird Auswirkungen auf viele Land . Darauf können wir stolz sein . Deshalb gibt es bei Bereiche des Haushaltes haben. Wir sollten die finan- uns auch keinerlei Toleranz für diese empörenden Vor- ziellen Spielräume, die wir dieses Jahr haben, für die- gänge der Extremisten und radikalen Gewalttäter in der se Aufgabe nutzen . Das wird schwierig genug, und das letzten Zeit . erfordert Disziplin . Aber wir können das schaffen und dennoch die langfristigen Haushaltsziele einhalten, als (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) da sind: ein ausgeglichener Haushalt, eine Steigerung der Im Gegenteil: Wir werden das staatliche und das ehren- Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung und amtliche Engagement im Bereich der Flüchtlingsarbeit in im Bereich der Bildung . Andere Wünsche sollten sich Zukunft weiter verstärken und verstetigen . Wir müssen hier zurücknehmen und unterordnen . aber auch die Behördenstrukturen und die Verfahren in Die Situation rund um die Flüchtlinge zeigt aus mei- den Fokus nehmen und auf ein dauerhaft hohes Niveau ner Sicht ein Weiteres: Der Haushalt von einem Jahr, so anpassen und nicht dauerhaft nur improvisieren . Das gilt wie wir es systematisch kennen, ist manchmal viel zu für den Bund ebenso wie für die Länder. Ich finde, es langfristig gedacht . Er kann mit den Entwicklungen in ist ein wichtiges Signal, was der Koalitionsausschuss am der Realität gar nicht Schritt halten . Bei Aufstellung des Wochenende beraten und beschlossen hat . Frau Jelpke, Entwurfs des Haushaltsplans ging die Prognose noch – natürlich kann man sagen, dass 3 Milliarden Euro zu we- wir haben es gehört – von 400 000, 450 000 Flüchtlingen nig sind, aber ich möchte eines anmerken: Lassen Sie uns aus . Das ist erst einige Wochen her . Im August prognos- nicht in einen Wettbewerb der Überbietung gehen, wel- tizierte der Innenminister dann die Ankunft von 800 000 che Zahl richtig ist . Ich glaube, wir sollten erst die Auf- Flüchtlingen in diesem Jahr . gabe beschreiben, an der Lösung arbeiten und uns dann gemeinsam um die Finanzierung kümmern . Natürlich hat das Auswirkungen . Es hat Auswirkun- gen auf Stellen und Sachmittel . Ich knüpfe da an Frau (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Uns geht es auch Hajduk an . Natürlich hat das einen weiteren Schritt zur mehr um die grundsätzliche Struktur: Bund Folge . Die Beschlusslage hier bei uns im Hohen Haus ist und Länder! – Thomas Strobl (Heilbronn) das eine, aber die Beschlüsse müssen umgesetzt werden . [CDU/CSU]: Das ist die richtige Reihenfolge, Wir müssen uns in nächster Zeit darüber unterhalten, wie ja!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11595

Dr . André Berghegger (A) Am Wochenende wurde im Koalitionsausschuss fest- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) gehalten – so verstehe ich es -: Alle, die zu uns kom- Das Wort hat die Kollegin Gabi Fograscher für die men, werden menschenwürdig behandelt . Alle, die zu SPD-Fraktion . uns kommen, werden menschenwürdig aufgenommen . Die, die einen Asylgrund haben, werden schnell auf die (Beifall bei der SPD) Kommunen verteilt, und die Integration soll frühestmög- lich – so wie Sie es beschrieben haben, Herr Lischka – (SPD): anfangen . Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie München am vergangenen Wochenende die Ankunft Wir haben in Deutschland einen Rechtsstaat, um den von Zehntausenden von Flüchtlingen bewältigt hat, war uns viele in der Welt beneiden . Ich bin aber der tiefen großartig und vorbildlich . Wir können dankbar sein für Überzeugung, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung, die Hilfsbereitschaft der vielen ehrenamtlichen und frei- die wir jetzt haben, auch davon abhängt, dass ein Rechts- willigen Helferinnen und Helfer . In diesen Dank möchte staat vollzogen wird . Deshalb müssen diejenigen ohne ich ausdrücklich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Asylgrund, so schwer es auch ist, schnell in ihre Heimat des öffentlichen Dienstes und der Verwaltung einbezie- zurückgeführt werden, so menschlich nachvollziehbar hen, die in diesen Tagen mehr als ihren Job machen . wirtschaftliche oder andere soziale Gründe auch sind . Unser Asylrecht bietet keinen geeigneten Weg hierfür . (Beifall im ganzen Hause) (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Richtig!) Diese Haltung der Menschen steht im krassen Gegen- satz zu den Äußerungen einiger aus der CSU . Ich appelliere an dieser Stelle an die Länder, ihrer Ver- antwortung nachzukommen und sich dort, höflich formu- (Jan Korte [DIE LINKE]: Oh ja, das ist liert, noch mehr zu engagieren . wahr!) Wir werden für Angehörige der Weltbalkanstaaten die Heute, kurz vor der Debatte, gegen 15 Uhr gab es eine Möglichkeit der Einwanderung insbesondere bei Vor- Tickermeldung mit dem Wortlaut: liegen eines Arbeitsvertrages oder eines Ausbildungs- Aus der CSU wird die Forderung laut, abgelehnte vertrages deutlich machen, um legale Einreisewege aus Asylbewerber auch in das Bürgerkriegsland Syrien der Heimat aufzuzeigen . Wir werden Fluchtursachen in abzuschieben . den Heimatländern stärker bekämpfen und natürlich die Solidarität anderer EU-Länder einfordern . Hierzu hat der (Jan Korte [DIE LINKE]: Straubinger!) Minister am Anfang ein umfassendes Maßnahmenpaket … …: „Nicht überall in Syrien (B) vorgestellt . Denn eines ist klar: Bei weltweit geschätzten (D) wird gekämpft . Aleppo ist nicht Damaskus .“ 60 Millionen Flüchtlingen geht es auf Dauer nicht, dass einige wenige Länder mit der Bewältigung dieser Ent- Straubinger – so heißt es in dieser Meldung weiter – kri- wicklung alleingelassen werden . tisierte die Aussage des SPD-Vorsitzenden Gabriel, der gesagt hat, dass Deutschland mit einer halben Million Neben der europäischen Solidarität müssen wir auf Flüchtlingen klarkomme . Für Straubinger ist dies „ein ein gemeinsames Asylsystem drängen, immer wieder falsches Signal nach draußen“ . Wert darauf legen und dafür werben . Wir werden schnell handeln, so wie es auch bei anderen Themen geschehen Herr Straubinger, geben Sie im Netz nur die Stichwor- ist und wie es beispielsweise Kardinal Marx angemerkt te „Aleppo“ und „Damaskus“ ein . Dann sehen Sie zer- hat . Den Zeitplan haben wir gehört: Wenn alles glatt störte und umkämpfte Städte . läuft und alle mitmachen, werden wir Mitte Oktober ein (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- großes Maßnahmenpaket beschlossen haben, in die Um- NEN]: Der soll da hinfahren! Dann weiß er, setzung gehen können und gute, nachhaltige Lösungen wovon er redet!) erarbeiten . Die CSU will abschieben, abschrecken, abschotten und (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . dann noch die Schuld der SPD zuweisen . So leisten Sie Burkhard Lischka [SPD]) keinen Beitrag zur Bewältigung der wahrhaft großen Zum Schluss kann ich sagen: Die Menschen in diesem Aufgabe, vor der wir stehen . Land erwarten von uns eine sachliche Debatte ohne par- (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem teipolitisches Klein-Klein . Der Regierungsentwurf für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) diesen Haushalt und die Beschlusslage im Koalitionsaus- schuss liefern hierfür eine gute Grundlage, eine Chance, Zum Haushalt: Der vorliegende Entwurf des Ein- diese gesellschaftliche Herausforderung anzugehen . Der zelplans 06 für 2016 sieht Ausgaben in Höhe von rund Wunsch ist eine möglichst große Zustimmung . Ich kann 6,8 Milliarden Euro vor . Das sind rund 8,2 Prozent mehr für die CDU/CSU-Fraktion sagen, dass wir sicherlich un- als 2015, und er enthält eben noch nicht das Maßnah- seren Beitrag dazu leisten werden . menpaket, das der Koalitionsausschuss am Wochenende beschlossen hat . Mehr Geld, mehr Personal und mehr Ich freue mich auf die anstehende Debatte und bedan- Flexibilität sind nötig, um die Aufnahme und die Inte- ke mich fürs freundliche Zuhören . gration der Flüchtlinge nicht nur kurzfristig bewältigen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) zu können . 11596 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015

Gabriele Fograscher (A) Schon seit Jahren steht die Bundespolizei am Rand Das Technische Hilfswerk ist im In- und Ausland im (C) der personellen und sachlichen Kapazitäten . Der Einsatz Einsatz . Die technische Ausstattung, der Fahrzeugbe- bei Großereignissen, der Kampf gegen die Alltagskri- stand und die Liegenschaften entsprechen noch immer minalität an Bahnhöfen und an Flughäfen und der Be- nicht den vielfältigen Aufgaben, die es zu bewältigen hat . förderungsstau im mittleren Polizeivollzugsdienst wa- Auch die vorgesehenen Kürzungen beim Bundesamt für ren in den vergangenen Jahren immer Themen in den Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe werden wir Haushaltsdebatten . Ich begrüße es ausdrücklich, dass in den Beratungen nochmals thematisieren . der Koalitionsausschuss am vergangenen Sonntag be- schlossen hat, in den kommenden drei Jahren zusätzliche Das BMI und seine nachgeordneten Behörden stehen 3 000 Stellen zu schaffen . Uns ist es wichtig, dass diese beim Thema „Integration und Innere Sicherheit“ vor gro- zusätzlichen Stellen nicht nur wegen der aktuellen Lage ßen Herausforderungen . Wir werden bei den Beratungen geschaffen werden, sondern langfristig erhalten bleiben . zum Bundeshaushalt und zum Nachtragshaushalt alles daransetzen, dass das BMI diesen Herausforderungen (Beifall bei der SPD) gerecht werden kann . Vor der Sommerpause haben wir die Reform des Bun- Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Menschen, desamtes für Verfassungsschutz beschlossen . Diese Kon- die nach Deutschland kommen, erhoffen sich Perspekti- sequenz aus dem NSU-Untersuchungsausschuss bildet ven, und sie wollen in Sicherheit leben . Perspektiven und sich jetzt im Haushaltsentwurf ab . Die Zusammenarbeit Sicherheit erwarten auch die Menschen hier in Deutsch- mit den Verfassungsschutzbehörden der Länder und die land . Diese Aufgabe, vor der wir stehen, beschrieb Analysekompetenz im Bereich Rechtsextremismus sol- Johannes Rau bereits 2000 in seiner Berliner Rede, aus len und werden sich durch diese Aufstockung der Mittel der auch Sie, Herr Innenminister, zitiert haben, treffend: verbessern . Wir brauchen eine neue Anstrengung für das Zu- Die Bundeszentrale für politische Bildung leistet ei- sammenleben aller Menschen in Deutschland – nen wesentlichen Beitrag zur Extremismusprävention. ohne Angst und ohne Träumereien . Sie hat im Bereich „Salafismus und Dschihadismus“ einen Aufgabenschwerpunkt gesetzt . Deshalb ist die im Ich danke für die Aufmerksamkeit . Haushaltsentwurf vorgesehene Kürzung der Mittel von (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten 6,8 Prozent kontraproduktiv . Sie muss im parlamentari- schen Verfahren korrigiert werden . der CDU/CSU)

(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Monika Vizepräsidentin Petra Pau: Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (B) Der Kollege Dr . hat für die CDU/ (D) Die Digitalisierung unserer Gesellschaft schreitet CSU-Fraktion das Wort . unaufhaltsam voran . Neben den positiven Seiten steigt (Beifall bei der CDU/CSU) auch die Gefährdung der digitalen Infrastruktur . Deshalb ist die Aufstockung der Mittel für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik um 11 Millionen Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Euro notwendig . Wie wichtig die Arbeit des BSI ist, ha- Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! ben wir hier im Deutschen Bundestag selbst erfahren, als Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, als Sie am Wochen- das Bundestagsnetz das Ziel eines Hackerangriffs war . ende die Bilder aus Ungarn und vom Münchener Haupt- Auch das Bundeskriminalamt braucht eine moderne bahnhof gesehen haben . Ich persönlich war hin- und und leistungsfähige Software- und IT-Ausstattung . Der hergerissen . Auf der einen Seite ging mir das Herz auf, vorliegende Entwurf hält für das BKA einen Aufwuchs als ich sah, mit welchem Engagement, mit welcher Hilfs- der Mittel für den Bereich „Software und Informations- bereitschaft zahlreiche Ehrenamtliche und Vertreter von technik“ um 3,7 Prozent bereit . Hilfsorganisationen den Menschen auf der Flucht und in Not sofort unkompliziert beigestanden sind . Die wachsende Cyberkriminalität auf der einen Seite und das zunehmende digitale Abwickeln von Geschäften Auf der anderen Seite ist mir auch bewusst, dass ge- und Behördenangelegenheiten auf der anderen Seite ma- nau diese Bilder dazu geeignet sind, falsche Hoffnungen chen das BSI und das BKA zu unverzichtbaren Behör- bei Abertausenden Menschen zu wecken, die ebenfalls den, die gut ausgestattet werden müssen . auf der Flucht sind und die vielleicht auch nach Deutsch- land kommen wollen . Es ist heute schon mehrmals ge- Datenschutz und Datensicherheit sind elementar für sagt worden: Wir können nicht alle aufnehmen . Wir kön- das Funktionieren der digitalen Welt . Die Datenschutz- nen auch nicht allen, die zu uns wollen, eine Perspektive beauftragte hat jetzt mit einer eigenen Behörde die not- für Integration in Deutschland bieten . wendige Unabhängigkeit, um öffentliche Stellen beraten und kontrollieren zu können . Um ihrem Auftrag gerecht Meine Damen und Herren, ich werde gleich darüber zu werden, ist eine angemessene personelle und sach- sprechen, was wir in unserem Haushalt alles an Maß- liche Ausstattung notwendig . Der Haushalt der Daten- nahmen stehen haben, um die aktuelle Krise in Deutsch- schutzbeauftragten ist von 9 Millionen Euro in 2013 auf land und in Europa zu bewältigen . Aber ich will eines 13,2 Millionen in 2016 gestiegen . Aber auch für die Zu- vorausschicken: Lösen können wir das Problem nicht in kunft gilt: Mit steigenden Aufgaben muss auch die Per- Deutschland und auch nicht in Europa . Die Lösung muss sonalausstattung mithalten . in den Herkunftsländern gefunden werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11597

Dr . Reinhard Brandl (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- sen . Meine Damen und Herren, herzlichen Dank von die- (C) ordneten der SPD) ser Stelle aus . Wir befinden uns momentan gesamtstaatlich in ei- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) nem Notfallmodus . Die Zahl der Asylbewerber wächst Gleiches gilt für die Bürgermeister und Landräte, die exponentiell. Jede Prognose ist eine Verdoppelung der diese Aufgabe als das begreifen, was sie ist, nämlich vorhergehenden Prognose . Erst waren es 200 000, dann eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir profitieren als 400 000, jetzt 800 000 Menschen . Damit wir dieses Gesamtgesellschaft auch davon, dass wir in einem der Problem lösen, reicht es jetzt nicht, nur mehr Geld und stabilsten, wohlhabendsten und sichersten Länder der Personal bereitzustellen – das werden wir auch in den Welt wohnen dürfen . Meine Damen und Herren, dann kommenden Wochen tun –, sondern wir müssen auch an müssen wir auch damit umgehen, dass von uns für alle Strukturen, an Gesetze und Standards herangehen . Menschen, die nicht so wie wir hier leben können, eine Ich will Ihnen ein Beispiel nennen . Ich war letzte Wo- magnetische Anziehungskraft ausgeht . che mit einem Fall befasst, bei dem sich ein Landrat fast Meine Damen und Herren, ich habe es vorhin erwähnt: gezwungen sah, ein ehemaliges Kasernengebäude der Wir können nicht alle, die zu uns kommen, bei uns auf- Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zu be- nehmen . Das fairste Verfahren für alle Beteiligten ist es, schlagnahmen, weil er keine andere Möglichkeit mehr den Menschen, die zu uns kommen, frühzeitig mitzutei- gesehen hat, die ihm zugewiesenen Flüchtlinge unter- len, ob sie in unserem Land eine Perspektive haben, und, zubringen . Dank einer guten Kooperation mit der BImA wenn sie eine solche haben, ihnen schnellstmöglich In- konnte in letzter Minute eine Lösung gefunden werden . tegrationsangebote – zum Beispiel in Form von Sprach- Wir werden jetzt daran arbeiten, wie in solchen Fällen kursen – zu machen . Wenn sie keine Perspektive haben, die Kommunen bei den Herrichtungskosten unterstützt sollten wir ihnen das auch offen sagen, sie zur Ausreise werden . auffordern oder notfalls zurückführen . Aber das eigentliche Problem ist ein anderes . In dieses Gerade deshalb haben wir bereits in den letzten Jahren Gebäude sollte ursprünglich eine Hochschule einziehen . das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kontinu- Dieser Plan ist zumindest zeitlich verschoben worden . ierlich verstärkt . Wir haben es im letzten Jahr um 300 Das Problem ist auch, dass wenige Kilometer davon ent- Mitarbeiter und in diesem Jahr in einer ersten Tranche fernt an einer Bahnlinie Flächen zur Verfügung stehen, um 350 Mitarbeiter verstärkt, und in einer zweiten Tran- auf denen man Unterkünfte bauen und Asylbewerber che gab es eine Aufstockung um 750 Mitarbeiter . unterbringen wollte, aber dann waren sie zu nah an der Bahnlinie, und aus immissionsschutzrechtlichen Grün- (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (B) (D) den war es nicht möglich, dort Unterkünfte zu errichten . Aber Sie wissen mittlerweile selber, dass das nicht konzentriert genug angegangen wird!) Selbst wenn das möglich gewesen wäre, gab es noch eine andere Sache . Der Bürgermeister vor Ort sagte mir: Liebe Frau Kollegin Hajduk, Sie haben jetzt gerade den Wenn er jetzt hier etwas Massives, etwas Festes bauen Vorwurf gemacht, dass dort auch noch zu viele unbesetz- möchte und er sich dabei an die bei uns geltenden Bau- te Stellen vorhanden sind . Man muss aber natürlich sa- vorschriften und Vergabeverfahren hält, dann dauert das gen: 750 Stellen gelten seit dem 2 . Juli 2015 . Seitdem ist Ganze mindestens ein halbes Jahr, bevor er überhaupt der Nachtragshaushalt in Kraft . daran denken kann, einen Auftrag zu vergeben . Deswe- (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir in der Wir reden seit dem 8 . Mai von den 2 000!) nächsten Woche nicht nur mehr Geld und Personal be- reitstellen, sondern wir müssen insbesondere auch unsere Seitdem läuft auch die Besetzung, und ich bin zuversicht- Standards der Situation anpassen . lich, dass das Bundesamt bis Ende des Jahres all seine Stellen besetzt haben wird . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und dann reicht das, glauben Sie?) Aber trotzdem bin ich ein Stück weit zuversichtlich, dass wir die Situation meistern, weil ich in den letzten Wir merken es auch bei den Verfahren . In den letzten Wochen gesehen habe, welche Kraft in unserem Land Jahren wurden die Asylverfahren deutlich beschleunigt . steckt . Ich habe vorher die Ehrenamtlichen und die Hilfs- In 2014 hatten wir eine durchschnittliche Verfahrensdau- organisationen erwähnt . Aber was unsere Mitarbeiter auf er von 7,1 Monaten . Jetzt sind wir mittlerweile schon bei allen staatlichen Ebenen im Moment leisten, ist schier 5,3 Monaten . Bei Syrern sind es 3,9 Monate . unbeschreiblich . Ich möchte mich deswegen an dieser (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Stelle explizit bei den Mitarbeitern im Bund bedanken, NEN]: Herr Brandl, Sie können so nicht wei- vor allen Dingen bei denen im BAMF und in der Bun- termachen!) despolizei, bei den Mitarbeitern in den Ländern, aber vor allem auch bei den Mitarbeitern in den Kommunen, in Das Problem ist nur, dass die Anzahl der Flüchtlinge viel den Landkreisen, die vor Ort täglich damit befasst sind, schneller wächst, als dass wir in gleichem Tempo Perso- neue Unterkünfte zu organisieren, zu schauen, wie man nal seriös einstellen und qualifizieren können; denn wir Menschen unterbringen und ihnen unkompliziert helfen haben hohe Anforderungen an dieses Personal, was die kann . Es ist unglaublich, wie sie über sich hinauswach- Qualität ihrer Entscheidungen angeht . 11598 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015

Dr . Reinhard Brandl (A) (Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: So (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (C) ist das! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE ordneten der SPD) GRÜNEN]: Sie reiten ins Chaos, wenn Sie so Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bundes- weitermachen!) innenministers ist nicht der größte im Bundeshaushalt, Meine Damen und Herren, der Konflikt in der arabi- aber der Minister, sein Haus und der Haushalt werden schen Welt, insbesondere in Syrien, betrifft uns nicht nur einen entscheidenden Einfluss darauf haben, ob wir die in Bezug auf die Flüchtlinge, sondern es gibt im Moment aktuellen Krisen bewältigen . Herr Minister, unsere Un- auch die größte Gefährdung – es ist die größte überhaupt terstützung haben Sie dabei . in unserer Geschichte – durch islamistischen Terroris- Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . mus . Auch wenn das jetzt momentan in den Medien nicht so sehr präsent ist – die Anschläge in Paris und Belgien (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) sind erst wenige Monate her : Wir müssen uns auch, was die Sicherheitsbehörden anbelangt, auf diese Lage ein- Vizepräsidentin Petra Pau: stellen . Wir haben bei der Bundespolizei im letzten Jahr Das Wort hat der Kollege Matthias Schmidt für die für dieses Jahr bereits 400 Stellen genehmigt . Dann ka- SPD-Fraktion . men die Anschläge . Der Minister hat das Antiterrorpaket mit verhandelt . Danach gab es 350 weitere Stellen . Und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten jetzt, angesichts der Eskalation der Flüchtlingskrise, gab der CDU/CSU) es noch einmal 3 000 Stellen für die Bundespolizei . (Berlin) (SPD): Sehr geehrter Herr de Maizière, sehr geehrter Herr Matthias Schmidt Schäuble, vertreten heute durch , ich möchte Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten mich ganz herzlich bei BMI und BMF für den Schritt Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! bedanken, der am letzten Sonntag getan worden ist . Das Das wichtigste Thema dieser Debatte ist selbstverständ- ist ein starkes Signal für die innere Sicherheit in unserem lich die Flüchtlingspolitik . Ich möchte trotzdem meinen Land . Herzlichen Dank dafür . Schwerpunkt auf den Sport legen . Denn auch der Sport kann für Flüchtlinge eine Brücke in unsere Gesellschaft (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) bauen . Meine Damen und Herren, ich könnte noch über an- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dere Sicherheitsbehörden sprechen . Die Frau Kollegin der CDU/CSU) Fograscher hat vorhin angesprochen, dass das BSI groß- (B) (D) artige Leistungen bei der Bewältigung des Cyberangriffs Grundsätzlich, Herr Minister, hat es der Sport im gezeigt hat . Ich wüsste gar nicht, wie wir es ohne das BSI BMI-Haushalt nicht immer leicht, sich zu behaupten . geschafft hätten . Das galt nie für die Höhe des Haushaltsvolumens oder für die konkrete Sportförderung, aber politisch wurde der Der Präsident der Bundeshelfervereinigung des THW BMI-Haushalt immer von anderen Themen dominiert . hat mich explizit auch noch einmal gebeten, etwas zum Auch in diesen Haushaltsberatungen ist das sehr offen- THW zu sagen . Das mache ich – insbesondere auch im sichtlich . Flüchtlingspolitik ist das beherrschende The- Kontext der aktuellen Flüchtlingskrise – gern. Denn das ma, und das ist auch richtig und gut so . THW ist die Organisation, die wirklich überall hilft . Auf der einen Seite muss es dorthin, wo Flüchtlinge ankom- Gleichwohl, auch der Sport geht weiter . Hamburger men und kurzfristig in großem Maße schnell und unkom- Zeitungen fragen im Zusammenhang mit der aktuellen pliziert untergebracht werden müssen . Auf der anderen Debatte schon, ob in diese Zeiten überhaupt eine Olym- Seite gilt das aber auch für die Herkunftsländer . piabewerbung passt . Ich meine: Ja, unbedingt . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir – Kollege Gerster und Frau Hajduk waren auch dabei – waren in al-Zaatari, einem Flüchtlingslager in Der Sport leistet einen wichtigen Beitrag zur Integ- Jordanien mit über 80 000 Flüchtlingen, die dort unter- ration . Er kann ihn leisten . Nicht nur der Sport kann das gebracht sind . leisten – viele andere Bereiche der Gesellschaft können es auch –, und der Sport kann es schon gar nicht alleine (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: tun, aber er leistet einen wichtigen Beitrag . Er ermöglicht Die handeln ganz andere Zahlen! Genau!) Gemeinschaftserlebnisse, er lehrt Regeln, und er ist ge- Das deutsche THW baut dort Kläranlagen und trägt wöhnlich sehr fair . vor Ort massiv dazu bei, dass die Menschen dort blei- Dem Spitzensport, den wir fördern, kommt gemein- ben . Deswegen haben wir das THW schon im laufenden sam mit dem Breitensport eine enorme gesellschaftliche Jahr mit einem großen Liegenschaftsprogramm gestärkt . Bedeutung zu . In diesem Sinne hat das Bundesministeri- Überall in Deutschland werden im Moment Liegenschaf- um des Innern einen sehr guten Haushaltsentwurf vorge- ten renoviert und neu gebaut . Ich möchte mich bei Bun- legt, der auf hohem Niveau verbleibt, was angesichts der desminister de Maizière bedanken, der dem THW bereits Herausforderungen unserer Zeit wahrlich keine Selbst- im Regierungsentwurf 2 Millionen Euro mehr für Inves- verständlichkeit ist . titionen zur Verfügung gestellt und es auch bei den Ein- sparungen deutlich entlastet hat . (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 119 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 08 . September 2015 11599

Matthias Schmidt (Berlin) (A) Ich möchte einige Punkte positiv hervorheben . So ist Aufgabenstellung werden erheblich gekürzt . Aber all das (C) die Förderung für „Jugend trainiert für Olympia“ und sind Themen, die wir in den Ausschussberatungen be- „Jugend trainiert für Paralympics“, worüber wir im Par- handeln werden . lament sehr gestritten haben, fortgeschrieben worden . Sie bleibt erhalten . Es gibt Aufwuchs für wichtige Projekte Es gibt neben dem Haushalt in der Sportpolitik eine für Fair Play und im Kampf gegen Rechtsextremismus. wichtige Sache, die ich ganz kurz ansprechen möchte, Auch das ist ein sehr aktuelles Thema . Herr Minister . Der deutsche Sport steht vor einer Neu- ausrichtung der Spitzensportförderung . Dazu haben Sie Der Haushalt sorgt weiter dafür, dass Doping bekämpft ein Beratungsgremium aus jeweils drei Mitgliedern des werden kann, mit Zuschüssen an die WADA und an die BMI und des DOSB einberufen . Auch die SMK ist ver- NADA . Dazu passt auch unser Anti-Doping-Gesetz, das treten. Sieben Expertinnen und Experten runden dieses wir im Parlament noch beraten und beschließen werden . Gremium ab . Wir Abgeordnete sind nicht dabei . Aber Ich möchte zusätzlich sehr positiv erwähnen, dass die wir sind der Haushaltsgesetzgeber. Ich finde, Sie müssen Förderung bei IAT und FES, die beide für den Spitzen- schon versuchen, uns an den Tisch zu holen und unseren sport einen sehr wichtigen Beitrag leisten, auf hohem Sachverstand einzubeziehen . Ich möchte diese Gelegen- Niveau erhalten geblieben ist . Wenn es uns gelingt, der heit nutzen, diese Forderung noch einmal zu untermau- Sportwissenschaft ein wenig Konkurrenz einzuhauchen ern . Ich glaube, wir Sportpolitikerinnen und Sportpoliti- und dort zu neuen Ergebnissen zu kommen, dann ist das ker wären sehr froh, wenn wir dabei wären . auch nicht schlecht . Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten . Das Erste, einen schönen Abend . worüber man im Haushalt stolpert, Herr Minister, ist, dass bei der Olympiabewerbung für Hamburg eine Null (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten eingestellt ist . Wir hatten im Nachtragshaushalt 10 Mil- der CDU/CSU) lionen Euro für dieses Jahr und für die beiden folgenden Jahre beschlossen . Ich hatte erwartet, dass das im Haus- Vizepräsidentin Petra Pau: halt auch so fortgeschrieben wird . Das ist nicht der Fall . Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen Ich habe heute schon einmal mit Herrn Staatssekretär mir nicht vor . Schröder darüber diskutiert . Ich habe die Gründe nicht genau verstanden . Auch aus dem Schwerpunktpapier des Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- Einzelplans 06 geht das nicht eindeutig hervor . Aber da- ordnung . für gibt es auch noch die Ausschussberatungen, in denen Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- (B) wir dies beraten können . tages auf morgen, Mittwoch, den 9 . September 2015, 9 (D) Der Ansatz für den Behindertensport erfährt leider Uhr, ein . eine leichte Absenkung . Es handelt sich zwar nur um Ich wünsche Ihnen bis dahin alles Gute . Die Sitzung 7 000 Euro . Gleichwohl ist das ein falsches Signal, das ist geschlossen . wir an dieser für unsere Gesellschaft so wichtigen Stelle aussenden . Auch die Mittel für Verbände mit besonderer (Schluss: 18 .06 Uhr)