Einleitung

1 Einleitung

Vera Kapeller & Johannes Huemer

1.1 Problemstellung Das Untersuchungsgebiet – die Grenzregion Nordburgenland- Im Projekt RegioGoes (Regionale Poten ale im Grenzgebiet Bra slava – entspricht jeweils zu einem Teil den Stadtregionen Österreich-Slowakei), das sich mit den Auswirkungen dieser von Wien und Bra slava (oder auch der Region Wien-Bra sla- Entwicklungen vor allem im Bereich der Wohnbauentwicklung va). Es zählt zu jenen Gebieten Europas mit einer beträchtlichen auseinandersetzt, werden daher wich ge Fragen gestellt: Wie Wachstumsdynamik sowohl im Hinblick auf die Wirtscha s- als wirken sich diese dynamischen und manchmal gegensätzlichen auch die Bevölkerungsentwicklung. Die Prognosen für die de- Entwicklungen auf die tradi onellen ländlichen Siedlungs- und mographische Entwicklung im Bezirk deuten Wohnbaustrukturen sowie die Lebensweise im Nordburgenland darauf hin, dass die Bevölkerungszahl hier bis 2050 sehr dy- aus? Welche Konsequenzen haben das Bevölkerungswachstum namisch anwachsen wird (vgl. Diagramm 2, S. 17). Insgesamt einerseits und die Alterung der Bevölkerung andererseits für die wird für die gesamte österreichischen Ostregion (Wien, Wien- aktuelle und zukün ige Wohnbautä gkeit? Wie kann man dem Umland und Nordburgenland) bis 2030 ein erhebliches Bevöl- Ortskern zu einer Wiederbelebung durch neue Funk onen und kerungswachstum prognos ziert (FASSMANN, GÖRGL, HELBICH Wohnkonzepte verhelfen? Wie können neue Ideen für das Zu- o.J.: 67 ff .). Dieses wird im Nordburgenland laut den genannten sammenleben in den Ortskernen zu einem sozialen und gene- Prognosen vor allem auf die Abwanderung aus den großen Me- ra onsgerechten Miteinander beitragen? Welche innova ven tropolen Wien und Bra slava zurückzuführen sein (EBENDA). Konzepte, Maßnahmen und Instrumentarien sowie welche Bau- Die Stadtregion Bra slava ist derzeit mit einer dynamischen und Wohnformen sind notwendig, um die vorhandenen Sied- Wohnsuburbanisierungswelle konfron ert. Am Ortsrand und lungsstrukturen im Einklang mit Umwelt und Ökologie sowie im Umland der slowakischen Metropole herrscht aktuell eine mit modernen energe schen Konzepten zeitgemäß zu entwi- überaus intensive Wohnbautä gkeit. Die Auslagerung des Woh- ckeln? Welche Bau- und Wohnformen sollten in dieser wertvol- nens und die Arbeitsmigra on haben die slowakisch-österrei- len Kulturlandscha zwischen der Donau und dem Neusiedler chische Grenze bereits überschri en. Die demographische und See mit ihren zahlreichen landscha lich einmaligen Kleinregi- wirtscha liche Entwicklung im angrenzenden Nordburgenland onen (etwa mit dem Welterbe Fertő-Neusiedler See) errichtet präsen ert sich diffi ziler. Neben den Gemeinden mit einer dyna- werden? Welche Probleme, aber auch zusätzliche Chancen und mischen Wachstumsstruktur, Bevölkerung, Handel, Wirtscha Herausforderungen bringen die neuen Entwicklungen für die und Wohnbautä gkeit betreff end und vor allem im Norden des Grenzregion mit sich? Bezirks liegend, befi nden sich hier auch Orte mit strukturellen Problemen, wie etwa solche mit hohen Anteilen an älteren Be- völkerungsgruppen und problema scher Wirtscha sstruktur (z.B. Seewinkel). 1.2 Aufgaben und Ziele Beiden Untersuchungsgebieten jenseits der Grenze Nordburgenland-Bra slava ist dabei gemeinsam, dass die re- Die Aufgaben und Ziele des Projekts RegioGoes liegen daher in zente Bautä gkeit für Industrie-, Handel und Wohnzwecke vor einer Analyse der siedlungs- und wohnbauspezifi schen Entwick- allem am Ortsrand sta indet, was zu einer Flächenversiegelung lungspoten ale des Grenzgebietes Bra slava und Nordburgen- und einem hohen Verkehrsau ommen führt. Es handelt sich land und der auf dieser Grundlage basierenden Entwicklung also um Entwicklungen, die bereits von amerikanischen und eu- von Handlungsvorschlägen für die Planungspraxis. Wich ge As- ropäischen Groß- und Mi elstädten her bekannt sind. Die Orts- pekte sind des Weiteren die Förderung der A rak vität dieser kerne vieler Gemeinden im Nordburgenland weisen allerdings Region, die Stärkung des baukulturellen Erbes und die Entwick- hohe Leerstandsraten aus, da die Neubauinteressenten, u.a. lung der iden tätss enden Strukturen, welche die Lebens- viele junge Familien, das Wohnen am Ortsrand bevorzugen. Die und Wohnqualität erhöhen können. Diese Ziele sollen in beste- Wohnungen im Ortskern bleiben somit unbewohnt, die Klein- henden Strukturen und auf Baulandentwicklungsfl ächen durch geschä e und Gasthäuser im Zentrum haben geschlossen und energe sch und ökologisch op mierte Wohnformen umgesetzt sta dessen fahren die Kunden zu den großen Einkaufsmärkten werden. Die Aufwertung und analy sche Darstellung des bau- am Ortsrand. Aufgrund der fehlenden öff entlichen Verkehrsinf- kulturellen Poten als in dieser Grenzregion stellen wich ge Zie- rastruktur ist das Auto unentbehrlich geworden. le des Projekts dar.

9 Einleitung

Diese Aufgaben werden anhand mehrerer Forschungsschwer- für eine Nutzung der langgestreckten Grundstücke im Orts- punkte behandelt: Untersuchungen über die Entwicklung der kern dar (EBENDA). Ergänzend beschä igt sich ein Pilotprojekt Siedlungs-, Bau- und Wohnformen in der Grenzregion sowie „Kleininterven on im öff entlichen Raum“ mit der Gestaltung Analysen der demographischen Daten bilden die Grundlage für des Dorfplatzes unmi elbar vor dem sogenannten „Dor aus“. die Entwicklung neuer Wohnbaukonzepte. Die Interpreta on All diese Ansätze versuchen, Handlungsvorschläge für eine neue sta s scher Daten, die Analyse des vorhandenen Wohnbaube- Planungspraxis zu bieten, die das Ortszentrum wieder an seinen stands, umfangreiche Untersuchungen am Baubestand vor Ort ursprünglichen Ort rückt: in den Mi elpunkt! sowie Experteninterviews wurden in diesem Zusammenhang durchgeführt. Die nun vorliegende Publika on präsen ert die Ergebnisse dieser Arbeiten. Darüber hinaus wurden bemerkens- werte Denkmäler der Baukultur in einem weiteren Forschungs- 1.3 Der Stand der Forschung schwerpunkt dokumen ert und ebenfalls in einer eigenen Pub- lika on vorgestellt (KAPELLER & ROMAKO 2015). Das Untersuchungsgebiet ist ein Teil der Region Wien-Bra sla- Das Ziel des Projekts RegioGoes ist es, realis sche Al- va. Die beiden Hauptstädte Wien und Bra slava, nur 60 km von- terna ven zu den aktuell ablaufenden Wachstumstrends am einander en ernt, befi nden sich im Zentrum der „Europa Regi- Ortsrand durch eine Steigerung der A rak vität, Funk onali- on Mi e/Centrope“. Der österreichische Teil dieses Raums – die tät und der sozialen Kohäsion in den Ortskernen zu fi nden. Auf Ostregion – steht seit Jahrzehnten durch ÖROK und seit 1978 dieser Grundlage wurden neue Funk onen für alte Baustruktu- durch die PGO (Planungsgemeinscha Ost, gegründet 1978 als ren – also entleerte Ortskerne und nicht genützte Bausubstan- gemeinsame Organisa on der Länder , Niederöster- zen – sowie neue Wohnmodelle für diverse Alters- und soziale reich und Wien zur Organisa on und Koordina on raumrele- Gruppen entwickelt. In den nordburgenländischen Orten geht vanter Ak vitäten) im Zentrum des Forschungsinteresses (vgl. es unter anderem darum, die aktuellen Wachstumstrends am Berichte-Veröff entlichungen der Planungsgemeinscha Ost Ortsrand einerseits und den häufi g untergenutzten Gebäude- (PGO) 1981 ff .). Von besonderer Wich gkeit etwa ist es hier, die bestand im Ortskern andererseits zu hinterfragen. Auf dieser Studie „Atlas der wachsenden Stadtregion“ zu erwähnen, die im Grundlage wurden in Zusammenarbeit mit Architekturstuden- Rahmen des Projekts „Strategien für die räumliche Entwicklung ten aus Wien und Bra slava sowie der Gemeinde ar- der Ostregion“ entstanden ist, und welche die demographi- chitektonische Entwürfe erarbeitet, welche in der Wanderaus- schen, sozioökonomischen und siedlungsspezifi schen Analysen stellung „Neue Funk onen für alte Baustrukturen“ zu sehen der Autoren H. Fassmann, P. Görgl und M. Helbich beinhaltet. sind. Diese Ausstellung wurde in Zusammenarbeit zwischen der Es gibt allerdings nur wenige Forschungsprojekte, die Österreichischen Akademie der Wissenscha en, der Slowaki- sich bisher mit dem gemeinsamen Raum Wien-Bra slava be- schen Technischen Universität Bra slava, der Technischen Uni- schä igten, und das vor allem im Hinblick auf raumplanerische, versität Wien, der Gemeinde Zurndorf und dem Regionalma- architektonische und soziale Analysen. Eine der ersten Arbeiten nagement Burgenland organisiert (KAPELLER & HUEMER 2015). war der für die OECD Review 2003 durch die Abteilung MA 18 Die Vernetzung der Wissenscha mit diversen Akteuren aus der (Stadtentwicklung und Stadtplanung) in Zusammenarbeit mit Praxis spielte dabei eine wich ge Rolle. dem ÖIR und dem slowakischen Ins tut Aurex im Jahr 2003 ver- Studierende der Architektur an der Technischen Univer- fasste Bericht „Region Wien-Bra slava“, der sich u.a. mit den ge- sität Wien und der Technischen Universität Bra slava beschäf- meinsamen Stärken und Schwächen sowie den Strategien und gten sich in ihren Entwurfsarbeiten mit der Nachnutzung alter Maßnahmen für die territoriale Entwicklung auseinandersetzte Baustrukturen im Ortskern am Beispiel der Gemeinde Zurndorf. (SCHREMMER 2003). Die Haup hemen waren hier die wirt- Konkret handelt es sich um architektonische Entwürfe für das scha liche und die Bevölkerungsentwicklung, der Arbeitsmarkt sogenannte „Dor aus“. Am Beispiel dieses, sich im Gemein- und die Bildungsbasis der Region. debesitz befi ndlichen, typischen langgestreckten Grundstücks Auch in dem von der Österreichischen Industriellenver- wurden Fragen zum Umgang mit Baulücken, alter und neuer einigung (INDUSTRIELLENVEREINIGUNG 2006) in Zusammen- Bausubstanz, der Anbindung an vorhandene Strukturen sowie arbeit mit den slowakischen Partnern erstellten Konzept „Twin zur innenörtlichen Vernetzung exemplarisch untersucht. Zent- City Wien-Bra slava“ sollten vor allem die wirtscha lichen raler Bestandteil der Aufgabe war es des Weiteren, den zentra- Kompetenzen der beiden Hauptstädte und der umgebenden len Dorfplatz als einen öff entlichen, mul funk onalen Raum zu Regionen gestärkt werden und diesen durch ein gemeinsames entwerfen. Vorgehen und abges mmte Planungen eine Vorreiterrolle in Die Arbeiten zeigen beispielha verschiedenste Entwick- punkto grenzüberschreitender Zusammenarbeit übertragen lungspoten ale und Visionen für die in der Region typischen werden (INDUSTRIELLENVEREINIGUNG 2010). Die Grundidee Ortskernstrukturen und stellen unterschiedliche Möglichkeiten dahinter stellte das Zusammenwachsen der beiden Zentren zu

10 Einleitung

einer Wirtscha sregion dar. Insbesondere die zum Teil unter- 2014–2020 zu erarbeiten. Dabei ging es im Wesentlichen um schiedliche wirtscha liche Ausrichtung der beiden Städte und folgende Themenschwerpunkte: Standort und Wirtscha , Ar- der Umlandsräume spiegelt die erhebliche Diversität der Ge- beitsmarkt und Bildung, Mobilität und Umwelt, Tourismus und samtregion wider. Ein weiterer wich ger Aspekt besteht in der Freizeit, Forschung und Innova on sowie Soziales und Gesund- Forderung nach einem Ausbau der bereits sehr guten Verkehrs- heit. Au auend auf einer SWOT-Analyse wurden innerhalb der verbindungen zu einem interna onalen Verkehrsknotenpunkt. einzelnen Themenschwerpunkte Maßnahmen und Handlungs- Etliche Punkte aus dem Posi onspapier wurden seit dem Jahr empfehlungen abgeleitet und eigene Poten albereiche für 2005 bereits umgesetzt, etwa der Ausbau des Autobahnnetzes die Zukun erarbeitet. Diese Arbeit stellt einen ausführlichen (die Spange Ki see-Bra slava, die Schnellstraße S1 um Wien, Überblick über die wesentlichen Arbeitsfelder der Region dar die Nordautobahn A5) sowie der Neubau des Wiener Haupt- und besitzt als fundierte Grundlage für die Weiterentwicklung bahnhofs. einzelner Empfehlungen einen besonderen Stellenwert. Durch das ETZ-Programm SK-AT 2007–2013 (Europäische Vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) in Koope- Territoriale Zusammenarbeit – Programm zur grenzüberschrei- ra on mit dem Centrum pre rozvoj regiónov a aplikovaného výs- tenden Zusammenarbeit SK-AT 2007–2013) wurden im Grenz- kumu (CRR) wurde in den Jahren 2010 bis 2012 das ETZ-Projekt gebiet von Österreich und Slowakei hauptsächlich Projekte aus „TwinRegion. Wissenskoopera on in der Metropolregion Wien- den Bereichen Wirtscha , Technologie, Umwelt- und Wasser- Bra slava“ durchgeführt. Dabei geht es vorwiegend um die Er- wirtscha , Verkehr, Schulwesen sowie Gemeindeinfrastruktur fassung von diversen Möglichkeiten für eine Intensivierung der gefördert. Die Poten al- und Netzwerkanalyse im Rahmen des Beziehungen zwischen den beiden Stadtregionen (ZENTRUM Projekts RECOM SK-AT etwa verfolgte das Ziel, die vorhandenen FÜR VERWALTUNGSFORSCHUNG 2012). Poten ale im ETZ-Programmgebiet Slowakei-Österreich (SK-AT Im Bereich Raumplanung, Architektur und Wohnbau- 2007–2013) zu analysieren, um eine Verbesserung der grenz- entwicklung sind zwei grenzüberschreitende Arbeiten hervor- überschreitenden Zusammenarbeit zu erzielen und wesentliche zuheben, die sich mit den städ schen Bau- und Wohnstruktu- Inhalte und Schwerpunkte für die zukün ige Programmperiode ren in Wien und Bra slava beschä igen. Erstens das noch im

Abb. 1: Bauen im Nordburgenland

11 Einleitung

Rahmen des INTERREG IIIA-Programms durchgeführte Projekt tema sch nach Themenschwerpunkten gegliedert. Daher wird „Pla enbausiedlungen. Erneuerung des baukulturellen Erbes in hier auf die das Untersuchungsgebiet betreff enden Rahmenbe- Wien und Bra slava“, welches sich umfassend mit dem Phäno- dingungen nicht näher eingegangen, sondern lediglich auf die men der Pla enbausiedlungen unter Miteinbeziehung bautech- umfassende Darstellung in der „Harmonisierten Informa ons- nischer, architektonischer, gestalterischer, sozialer und umwelt- basis“ verwiesen (ADAMCOVÁ 2011, SCHAFFER 2011b ). bezogener Aspekte auseinandersetzte (KAPELLER 2009). Auf- Sozial- und kulturwissenscha liche, bautechnische und bauend auf diesen Ergebnissen wurde ein umfassendes Konzept architektonische Analysen sowie die volkskundliche Wohnbau- für die Sanierung eines Wohnhauses in der Pla enbausiedlung forschung zur gegenwär gen Bau- und Siedlungskultur sind in Bra slava-Petržalka erstellt. der neueren Literatur für das Nordburgenland und die angren- Ein weiteres Projekt, nämlich „CIDEP – Siedlungsformen zenden Stad eile Bra slavas nur noch selten vertreten. Die für die Stadterweiterung“, wurde zwischen 2009 und 2011 im Ansätze um die Erhaltung der alten Bausubstanz und die bau- Rahmen des ETZ-Programms zur grenzüberschreitenden Zu- lich ansprechende Neugestaltung der nordburgenländischen sammenarbeit Slowakei-Österreich 2007–2013 durchgeführt. Ortscha en haben mit dem mehr oder weniger nostalgischen, Als Projektpartner fungierten hierbei die MA 18 Wien und der aber auch sehr verständnisvollen und funk onal ausgerichte- Magistrat der Stadt Bra slava (vgl. MA 18 2011a, MA18 2011b). ten Blick von Roland Rainer im Sinne des Regionalismus in den Das Ziel hierbei bestand in der Iden fi zierung und klaren Defi ni- 1960er Jahren zu tun. In den 1970er und 1980er Jahren waren on von Siedlungstypen, die in der kün igen Stadterweiterung es vor allem Wolfgang Komzak sowie die Architekten Wolfgang Verwendung fi nden können. Die Typen wurden in einem ein- Kaitna, Rüdiger Reichel und Kurt Smetana, die sich durch ihre heitlichen Standard textlich, grafi sch und anhand von Kennzah- konkreten Vorschläge um das Ortsbild und die Althaussanierung len beschrieben und können als wich ge Informa onsquelle für bemühten – die Letztgenannten vor allem im Nordburgenland, die Arbeit in der Stadtplanung verwendet werden. in Mörbisch und Donnerskirchen. Einen umfassenden Über- Für unser Untersuchungsgebiet, das sich hauptsächlich blick über die tradi onelle Bau- und Wohnkultur im Burgen- in einem ländlichen bzw. kleinstäd schen Raum befi ndet, der land (so auch im Norden des Bundeslandes) und deren Wandel mit den Auswirkungen der großstäd schen Expansion in das mit Analysen und Beispielen zu baulichen, sozioökonomischen Umland konfron ert wird, ist allerdings diese hauptsächlich für und kulturellen Veränderungen der ländlichen Architektur in den städ schen Bereich bes mmte Typologie nicht geeignet, da der 2. Häl e des 20. Jahrhunderts stellte im Jahr 1993 Vera hier mehrgeschossige urbane Mehrfamilienhäuser dominieren. Mayer zusammen. Durch die Aufnahme des Kulturlandscha Mit der Landscha und vor allem mit dem Wasserhaus- Fertő-Neusiedler See in die UNESCO-Welterbeliste im Jahr 2001 halt im Grenzgebiet Bra slava und Burgenland setzt sich das wurde das Bauen in diesem Gebiet wieder thema siert. Der Projekt „BAUM – Bra slava Umland Management“ auseinan- Verein Welterbe Fertő-Neusiedler See hat im Jahr 2011 einen der. Auch dieses Projekt ist im Rahmen des EU-Programms zur informa ven Katalog „Kriterien für das Bauen im Welterbe“ he- grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Slowakei-Österreich rausgebracht. Auf die zahlreichen Tä gkeiten der offi ziellen Lan- 2007–2013 entstanden und wurde in den Jahren zwischen 2011 desstellen sowie diverser Ini a ven (etwa Dorferneuerung) und und 2015 durchgeführt. Dabei geht es sowohl auf slowakischer Vereine, die sich mit dem Siedlungsraum und den Bauformen in wie auch auf österreichischer Seite vorwiegend um eine koor- der Region beschä igen, kann hier nicht eingegangen werden. dinierte Vorgangsweise bei der Raumentwicklung von Bra sla- In der neuesten Zeit zeigen auch Hochschulen zunehmend Inte- va mit den benachbarten Gemeinden und Ortsteilen. Auf der resse am Thema der neuen Architektur für ländliche Siedlungen Grundlage einer gemeinsam erstellten sogenannten „Harmoni- (Pálff y 2014). sierten Informa onsbasis“ soll am Ende des Projekts eine auf- Die vorgelegte Studie „Aktuelle und zukün ige Wohn- einander abges mmte städtebauliche Entwicklungsstudie für bauentwicklung im Grenzgebiet Nordburgenland und Bra sla- die Region entwickelt werden (ADAMCOVÁ 2011, SCHAFFER va“ stellt einen umfassenden Überblick über die Problema k 2011b). Dabei wurden sowohl für die Region Bra slava als auch und mögliche Lösungsansätze dar. Sie tut dies in der Hoff nung, für die österreichischen Grenzgemeinden alle relevanten Unter- allen an der burgenländischen Baukultur Interessierten Anre- lagen, Studien, Rahmenbedingungen usw. gesammelt und sys- gungen und Ideen vermi eln zu können.

12 Einleitung

1.4 Charakteris k des Untersuchungsgebietes

1.4.1 Geographische Lage Das Untersuchungsgebiet liegt inmi en von „Centrope“, der Central European Region, einer der dynamischsten Lebensräu- me in Europa, mit etwas über sechseinhalb Millionen Einwoh- nern (CENTROPE 2012: 4). Es befi ndet sich im Dreiländereck Österreich – Slowakei – Ungarn (vgl. Abb. 3). Zum Untersu- chungsraum zählen auf der slowakischen Seite die grenznahen Stad eile der Hauptstadt Bra slava (Devínska Nová Ves, Devín, Karlova Ves, Petržalka, Jarovce, Rusovce und Čunovo), auf der österreichischen Seite der Bezirk Neusiedl am See mit insge- samt 27 Gemeinden (vgl. Abb. 4). Im Osten grenzt das Unter- suchungsgebiet an Ungarn, im Nordwesten an das Bundesland Niederösterreich. Als Teil des ungarischen Komitats Wieselburg/ Moson war der burgenländische Teil bis 1921 mit der Geschich- te dieses Komitats eng verbunden, die zu Bra slava gehörenden Orte befanden sich im Komitat Pressburg/Poszony. Am Westu- Abb. 3: Lage des Untersuchungsbiets fer des Neusiedler Sees sind die burgenländischen Gemeinden des Bezirks Eisenstadt-Umgebung die Nachbarn.

Abb. 2: Satellitenbild des Untersuchungsraums

Abb. 4: Darstellung des Untersuchungsgebiets

March D2

Devínska Nová Ves Bra slava Richtung Trnava Ɵ D1

Devín

Donau

Petržalka Niederösterrreich KiƩsee A6 Jarovce

Pama A4 Rusovce Richtung Wien A6 uŸovo

Leitha Neudorf GaƩendorf Deutsch-Jahrndorf Zurndorf

Jois Winden 1.4.2 Kulturlandscha und Natur Neusiedl am See Das Untersuchungsgebiet ist geprägt von einer Vielzahl an un- Burgenland A4 Richtung Budapest terschiedlichen Naturräumen und bildet sozusagen den Schni - punkt dreier Großlandscha en: den Karpaten, den Alpen und Mönchhof dem Pannonischen Tiefl and. Umgeben von mehreren Natur- Podersdorf Ungarn schutzgebieten bzw. selbst Teil von diesen, stellt das Gebiet Neusiedler See eine „grüne Lunge“ für die gesamte Region dar. Zudem bildet St. Andrä am dieser Raum mehr oder weniger das Herz des Leitbildes „Grü- Zicksee ne Mi e“, ein Konzept aus dem Jahr 2004 für die Entwicklung eines Biosphärengebietes in der Centrope-Region, entstanden Untersuchungsgebiet Landesgrenze im Rahmen des EU-Projektes JORDES+ (REGIONAL CONSULTING Wallern Staatsgrenze Bahnlinie 2004). Dabei bilden im Norden des Untersuchungsgebiets die Gemeindestraße Landes-, Bundesstraße Autobahn durch den Grenzfl uss March gespeisten Auen, das sogenannte Siedlungskörper Landscha sschutzgebiet Záhorská Nížina, welches seit 1988 als Gewässer 0 2 10 km ein solches defi niert ist, die natürliche Begrenzung des Betrach- Kartengrundlage: Land Burgenland / BEV tungsraums. Fertöd

13 Einleitung

Im Bereich der Einmündung der March in die Donau reicht der östlichste Rand des Na onalparks Donau-Auen am Fuße von Devín in das Untersuchungsgebiet. Weiter die Donau entlang fl ussabwärts erstrecken sich mehrere kleinere Landscha s- schutzgebiete wie Dunajské luhy zwischen der Ortscha Ru- Abb. 5: Donau mit Schü nsel bei Čunovo, Bra slava sovce und dem Donaustrom oder Ostrovné lúčky nördlich des Ortes Čunovo. Diese sind gegenwär g auch die jüngsten Schutz- gebiete, wurden 1998 unter Schutz gestellt und gehört zu den Natura-2000-Gebieten (DANUBEPARKS 2015). Abb. 6: Zurndorf, Leithaauen Ein weiteres, aber bedeutend kleineres Naturmerkmal im Untersuchungsgebiet ist der Donaunebenfl uss , der zu- dem die natürliche Grenze im Nordwesten zwischen den beiden Bundesländern Burgenland und Niederösterreich bildet. Die Leitha begleitend entstand eine kleinräumige, aber interessan- te Flusslandscha zwischen Bruckneudorf und der Staatsgrenze Österreich-Ungarn bei Nickelsdorf. Zudem war der Fluss auch zur Energiegewinnung nicht unwesentlich. Dies bezeugen noch immer zahlreiche Mühlen entlang der Leitha. Neuerdings wer- den aber auch die natürlichen Reize dieser Flusslandscha für diverse Freizeitak vitäten entdeckt, wie beispielsweise für das Befahren des Flusses mit Kanu-Booten (vgl. EU-Projekt Kanu- Leitha, www.kanu-leitha.eu). Im südlichen Teil des Untersuchungsgebiets liegt der 1993 gegründete Na onalpark „Neusiedler See-Seewinkel“. Der Neusiedler See ist der westlichste Steppensee Europas mit ei- ner Gesam läche von rund 320 km², davon allein nimmt mit mehr als der Häl e der ca. 178 km² große Schilfgürtel ein, der damit auch der zweitgrößte zusammenhängende Schil estand Europas ist (PGO & MA18, 2008: 74). Der Neusiedler See mit seinem Schilfgürtel stellt neben dem Fischfang einen wich gen tradi onellen Wirtscha sfaktor dar, wobei nicht einmal 10% be- Abb. 7: Neusiedler See, Schil rocknung wirtscha et werden (ORF 2015). Hier liegt womöglich noch ein großes wirtscha liches Poten al. Die Strohdächer waren noch Mi e des vergangenen Jahrhunderts ein Symbol für die bäuer- liche Architektur des Nordburgenlandes, heute wird dieser öko- logisch wertvolle Baustoff ins Ausland – u.a. nach Holland und China expor ert. Manche Architekten versuchen dennoch, die- ses tradi onelle Baumaterial auch im Nordburgenland wieder- zubeleben (im Jahr 2005 wurde etwa das Passivhaus in Zurndorf geplant vom Architekten Mar n Rührnschopf mit dem Öster- reichischen Solarpreis 2005 ausgezeichnet (EUROSOLAR 2005).

14 Einleitung

Im Dezember 2001 wurde der grenzüberschreitende Na onal- park Fertőd-Neusiedler See (ca. 1/5 der Fläche liegt auf unga- rischem Staatsgebiet) zum UNESCO-Welterbe erklärt. Eben- so dazu zählen die großen Salzlacken im Seewinkel sowie die Abb. 8: , Blick auf das Leithagebirge angrenzenden Mäh-, Hutweide- und Feuchtwiesenfl ächen (Hanság). Einen Teil der südlichen Staatsgrenzen zwischen Öster- reich und Ungarn bildet der künstlich angelegte, im Jahr 1909 fer ggestellte Einserkanal. Dieser dient vor allem zur Regulie- Abb. 9: Neusiedler See rung des abfl usslosen Neusiedler Sees sowie zur Entwässerung der angrenzenden Sumpfwiesen. Neben den zuvor genannten, wassernahen Schutzgebie- ten mit ihren einzigar gen Fluss- und Seelandscha en sind es geografi sch und topografi sch wich ge Bergke en, welche das Untersuchungsgebiet im Norden und Nordwesten abgrenzen. Für die Stadtentwicklungsrichtung von Bra slava sind die west- lichen Ausläufer der Kleinen Karpaten im Norden der Stadt von großer Bedeutung. Ähnlich wie bei der Stadt Wien der westliche Wienerwald lassen die ansteigenden Hänge dieses Gebirgszu- ges eine nördliche Ausweitung der Stadt nicht bzw. kaum zu. Dies nicht nur wegen der Topografi e, sondern vielmehr wegen des Landscha sschutzgebietes, das seit dem Jahr 1976 be- steht (CHKO MALÉ KARPATY 2015). Im Nordwesten erstreckt sich das Leithagebirge, welches seit Jahrhunderten sowohl die geographische als auch die administra ve Grenze zwischen Ös- terreich und Ungarn und seit 1921 auch jene zwischen Nieder- österreich und Burgenland gebildet hat. Zwischen den beiden Enden dieser Gebirgszüge fl ießt zum einen die Donau, zum an- deren spannt sich hier die Pannonische Tiefebene auf, ein Teil davon ist die Parndorfer Pla e. Abb. 10: Parndorfer Pla e mit Windrädern Durch diese topografi sche Forma on entsteht ein ge- wisser Düseneff ekt, wodurch die Ebene besonders windbegüns- g ist. Diese besondere Eigenscha wird seit gut einem Jahr- zehnt genutzt, und so wird durch eine Vielzahl an Windrädern Strom erzeugt.

15 Einleitung

1.4.3 Bevölkerung und Bevölkerungsdynamik im Untersuchungsgebiet Bevölkerung Insgesamt leben zirka 216.000 Menschen im Untersuchungsge- Was die Altersstruktur anbelangt, so lässt sich bei einem Ver- biet, davon dreiviertel allein auf slowakischem Gebiet, was vor gleich des slowakischen Untersuchungsgebiets – Devínska Nová allem aber auf die Lage der größten mi eleuropäischen Pla en- Ves, Devín, Jarovce und Rusovce – mit den nordburgenländi- bausiedlung in Petržalka mit über 105.000 Einwohnern zurück- schen Gemeinden ein deutliches Gefälle feststellen. Im slowa- zuführen ist. Petržalka zählt somit fast doppelt so viele Bewoh- kischen Teil ist der Anteil der Bevölkerung von 16 bis 59 Jahre ner wie der gesamte nordburgenländische Bezirk Neusiedl am wesentlich höher als im Nordburgenland, ausgenommen die dy- See (vgl. Tabelle 1 u. Diagramm 1). namisch wachsenden Orte, wie z.B. Neusiedl am See, Parndorf und Bruckneudorf. Die hohe Präsenz der Bevölkerung über 60 Jahre ist da- bei im Bezirk Neusiedl am See besonders auff allend. Dies soll- te eigentlich Konsequenzen für die Wohnbau- und Sozialpoli k Tabelle 1: Wohnbevölkerung 2011, absolut nach sich ziehen. Dennoch liegt die Bevölkerungsvorausschät- zung für den Bezirk Neusiedl am See sehr hoch. Wohnbevölkerung 2011, absolut SK - Stadt Bra slava 413.192 SK - Untersuchungsgebiet 160.493 SK - Petržalka 105.842 SK - Devínska Nová Ves 15.612 A - Bezirk Neusiedl am See 55.337 A - Neusiedl am See, Stadt 7.123 SK-AT - Regiogoes-Untersuchungsgebiet 215.830

Diagramm 1: Wohnbevölkerung 2011 – gesamtes Projektgebiet

BraƟslava 413.192 Projektgebiet SK Gesamt 160.493 Rusovce Petrǎalka 105.842 Karlova Ves Jarovce ƵŶŽǀŽ Devínska Nová Ves Devín Bezirk Neusiedl a. See Zurndorf Winden a. See Weiden a. See Wallern i. Bgld. Tadten St. Andrä a. Zicksee Potzneusiedl Parndorf Pamhagen Pama Nickelsdorf Neusiedl a. See Neudorf Mönchhof KiƩsee Illmitz Halbturn Gols 'ĂƩĞndorf Frauenkirchen Edelstal Bruckneudorf Apetlon Andau 010.00020.00030.000 40.000 50.000 60.000 70.000 80.000 90.000 100.000 Bewohneranzahl 'ƌĂĮŬ͗/^ZͬPt QuellĞ͗^taƟƐƟk , Slowakische Daten Österreichische Daten StaƟƐƟcal Kĸce of the Slovak Republic

16 Einleitung

Karte 1: Anteil der Bevölkerung bis 15 Jahre im Untersuchungsgebiet Im Vergleich des Bezirks mit dem Burgenland, Niederösterreich BA-NB, 2012, in Prozent und Gesamtösterreich wird in ersterem die Bevölkerungszahl bis 2050 sehr dynamisch ansteigen, was vor allem auf den Zu- zug aus den benachbarten Regionen, der Slowakei, Ungarn und

ĞǀşŶƐŬĂ Niederösterreich, zurückzuführen sein wird. EŽǀĄsĞƐ ƌĂƟƐůĂǀĂ

ĞǀşŶ <ĂƌůŽǀĂ Ves Bevölkerungsvorausschätzung Bezirk Neusiedl am See,

WĞƚƌǎĂůŬĂ Burgenland und Österreich 2015–2050 130 EŝĞĚĞƌƂƐƚĞƌƌƌĞŝĐŚ Edelstal KiƩsee :ĂƌŽǀĐĞ

PŽtz- Pama ZƵƐŽǀĐĞ neusiedl ƵŶŽǀŽ 120 GaƩĞnĚŽrĨ NeudŽrĨ DeutsĐŚ BruĐŬneuĚŽrĨ ParnĚŽrĨ JaŚrndŽrĨ

ZurndŽrĨ

Winden JŽis Neusiedl am See am See 110 NiĐŬelsdŽrĨ

Weiden Einwohnerindex (2011=100) Burgenland am See GŽls MönĐŚŚŽĨ Neusiedl > 69 – 74 am See 100 Halbturn > 65 – 69 2015 2020 2025 203020302035 2040 2045 2050 2050 Ungarn Jahr PŽdersĚŽrĨam See > 62 – 65 FrauenkirĐŚen Österreich Burgenland Bezirk Neusiedl am See Grafik: ISR/ÖAW > 59 – 62 Quelle: Statistik Austria, ÖROK St.Andrä am ZŝĐksee 56 – 59 Diagramm 2: Bevölkerungsvorausschätzung Bezirk Neusiedl am See, Andau Illmitz Bundesland Burgenland und Österreich 2015–2050 Tadten Staatsgrenze ApetlŽn Wallern im Gewässer Burgen- land 00105 km PamŚagen Bearbeitung:Bearbeitung: IISRS / ÖAW GeGeŽdaten:daten: BEVBEV Datenquelle:Datenquelle: StaStaƟsƟk Austria, N ^^ƚĂƟƐƟĐĂůKĸĐĞŽĨƚŚĞ^ZƚĂƟƐƟĐĂůKĸĐĞ

Karte 2: Anteil der Bevölkerung 16 bis 59 Jahre im Karte 3: Anteil der Bevölkerung ab 60 Jahre im Untersuchungsgebiet Untersuchungsgebiet BA-NB, 2012, in Prozent BA-NB, 2012, in Prozent

ĞǀşŶƐŬĂ ĞǀşŶƐŬĂ EŽǀĄsĞƐ EŽǀĄsĞƐ ƌĂƟƐůĂǀĂ ƌĂƟƐůĂǀĂ

ĞǀşŶ ĞǀşŶ <ĂƌůŽǀĂ <ĂƌůŽǀĂ Ves Ves

WĞƚƌǎĂůŬĂ WĞƚƌǎĂůŬĂ EŝĞĚĞƌƂƐƚĞƌƌƌĞŝĐŚ Edelstal EŝĞĚĞƌƂƐƚĞƌƌƌĞŝĐŚ Edelstal KiƩsee KiƩsee :ĂƌŽǀĐĞ :ĂƌŽǀĐĞ

Pama PŽtz- Pama ZƵƐŽǀĐĞ PŽtz- ZƵƐŽǀĐĞ neusiedl ƵŶŽǀŽ neusiedl ƵŶŽǀŽ GaƩĞnĚŽrĨ GaƩĞnĚŽrĨ NeudŽrĨ DeutsĐŚ NeudŽrĨ DeutsĐŚ BruĐŬneuĚŽrĨ ParnĚŽrĨ JaŚrndŽrĨ BruĐŬneuĚŽrĨ ParnĚŽrĨ JaŚrndŽrĨ

ZurndŽrĨ ZurndŽrĨ Neusiedl Winden JŽis Neusiedl Winden JŽis am See am See am See am See NiĐŬelsdŽrĨ NiĐŬelsdŽrĨ Weiden Weiden Burgenland am See Burgenland am See GŽls MönĐŚŚŽĨ GŽls MönĐŚŚŽĨ Neusiedl Neusiedl > 28 – 32 am See am See

Halbturn > 17 – 19 Halbturn > 24 – 28 Ungarn Ungarn > 15 – 17 > 20 – 24 PŽdersĚŽrĨam See FrauenkirĐŚen PŽdersĚŽrĨam See FrauenkirĐŚen > 13 – 15 > 16 – 20 St.Andrä St.Andrä am ZŝĐksee 11 – 13 am ZŝĐksee 12 – 16 Andau Andau Illmitz Bundesland Illmitz Bundesland Tadten Staatsgrenze Tadten Staatsgrenze ApetlŽn Wallern im Gewässer ApetlŽn Wallern im Gewässer Burgen- Burgen- land 00105 km land 00105 km PamŚagen PamŚagen Bearbeitung:Bearbeitung: IISRS / ÖAW BBearbeitung:earbeitung: IISRSR / ÖAW GeGeŽdaten:daten: BBEVEV GeGeŽdaten:daten: BEVBEV Datenquelle:Datenquelle: StaStaƟsƟk Austria, DDatenquelle:atenquelle: StaStaƟsƟk Austria, N ^^ƚĂƟƐƟĐĂůKĸĐĞŽĨƚŚĞ^ZƚĂƟƐƟĐĂůKĸĐĞ N ^^ƚĂƟƐƟĐĂůKĸĐĞŽĨƚŚĞ^ZƚĂƟƐƟĐĂůKĸĐĞŽ

17 Einleitung

Ungleiche Partner – Bevölkerungsdichte im Dauersiedlungs- 1.4.4 Beschä igte nach Sektoren im raum 2008 Nordburgenland Völlig anders verhält es sich bei einem Vergleich der fl ächen- mäßigen Rela onen: Von den insgesamt 1.181 km² nimmt der Ein wich ger Hinweis auf die Urbanität bzw. Ruralität von Ge- burgenländische Bezirk fast 90 Prozent ein, lediglich 143 km² meinden ist auch der Anteil der Beschä igten nach Sektoren. verbleiben auf slowakischer Seite. Allein dies zeigt bereits die Der Anteil der Beschä igten in Arbeitsstä en 2011 weist für das deutlichen Unterschiede, mit denen man hier konfron ert ist: Nordburgenland für alle drei Wirtscha ssektoren beträchtliche ein stark urban geprägtes Gefüge jenseits der slowakischen Spannweiten auf. Bei den Beschä igten in Arbeitsstä en aller Grenze, ein sehr ländliches im burgenländischen Teil des Unter- Sektoren ist die Gemeinde Neusiedl am See mit 4.308 Perso- suchungsgebietes. nen vor Parndorf mit 3.148 Personen führend. Edelstal weist mit Die Bevölkerungsdichte im Dauersiedlungsraum (der 95 Beschä igten in Arbeitsstä en der drei Wirtscha ssektoren Dauersiedlungsraum umfasst den für Landwirtscha , Siedlung die wenigsten auf. Im gesamten Bezirk Neusiedl am See sind 15 und Verkehrsanlagen verfügbaren Raum; er besteht aus einem Prozent der Beschä igten in Arbeitsstä en des primären, 18 Siedlungsraum und aus einem besiedelbaren Raum (STATISTIK Prozent im sekundären und 67 Prozent im ter ären Sektor tä g. AUSTRIA 2014). Der Bezirk Neusiedl am See wies 2008 einen Betrachtet man nun den Anteil der Beschä igten in Ar- Maximalwert von 215 Einwohnern pro km² in der Gemeinde beitsstä en des primären Sektors an allen Beschä igten, dann Neusiedl am See und einen Minimalwert von 22 Einwohnern zeigt sich, dass der Anteil im Seewinkel mit Ausnahme von Frau- pro km² in Deutsch Jahrndorf auf. Der Durchschni für den Be- enkirchen rela v hoch ist. Tadten erreicht hier sogar einen Wert zirk Neusiedl am See beträgt 64 Einwohner pro km² Dauersied- von 60 Prozent. Umgekehrt gibt es aber auch Gemeinden, in lungsraum (vgl. auch S. 26). Grundsätzlich ist die Bevölkerungs- denen der Anteil sehr gering ist. In sechs Gemeinden beträgt dichte im Nordwesten am höchsten, denn – neben Neusiedl am dieser weniger als 10 Prozent, wobei er in Bruckneudorf sogar See – treten auch in Winden, Jois und Weiden (und im Norden nur ein Prozent ausmacht. Edelstal) Werte über 100 auf. Die Gemeinden im Nordosten hin- Höhere Anteile Beschä igter in Arbeitsstä en des se- gegen sind eher dünn besiedelt. kundären Sektors sind vorwiegend in Gemeinden im Norden Die stark wachsenden Gemeinden besitzen dabei eine vorhanden. In Potzneusiedl arbeitet knapp die Häl e aller Be- höhere Bevölkerungsdichte sowie höhere Anteile an Ledigen schä igten (42%) in Arbeitsstä en des sekundären Sektors, in und Geschiedenen, was sicherlich dem urbaneren Lebenss l Edelstal sind es 35 Prozent. Dies ist hier auf die Firma Coca-Cola, zuzuschreiben ist. welche ihre Zentrale nach Edelstal verlegt hat, zurückzuführen. Auch hier sind es wieder sechs Gemeinden, deren Anteile bei unter 10 Prozent liegen, wobei Bruckneudorf auch hier wieder den geringsten Wert (3%) aufweist.

Karte 5: Anteil der Beschä igten in Arbeitsstä en des primären Karte 4: Bevölkerungsdichte im Untersuchungsraum, Einwohner pro Sektors an allen Beschä igten 2011, in Prozent, und km² 2011, absolut Beschä igte nach Sektoren 2011

ƌĂƟƐůĂǀĂ

ĞƐĐŚćŌŝŐƚĞŶĂĐŚ^ĞŬƚŽƌƐϮϬϭϭ

EŝĞĚĞƌƂƐƚĞƌƌƌĞŝĐŚ

ĞǀƂůŬĞƌƵŶŐƐĚŝĐŚƚĞ͕ Primärer Sektor ŝŶǁŽŚŶĞƌƉƌŽŬŵϸϮϬϭϭ͕ĂďƐŽůƵƚ Sekundärer Sektor

3.690 dĞƌƟćƌĞƌ^ĞŬƚŽƌ

2.964 ŶƚĞŝůĚĞƌĞƐĐŚćŌŝŐƚĞŶŝŶ Burgenland ƌďĞŝƚƐƐƚćƩĞŶĚĞƐƉƌŝŵćƌĞŶ Sektors 2011, in Prozent 645 60

> 90 – 125 Ungarn > 30 – 44

> 50 – 90 > 20 – 30 22 – 50 > 10 – 20 hŶƚĞƌƐƵĐŚƵŶŐƐͲ gebiet Bundesland 1 – 10 Staatsgrenze Gewässer 0105 km 0105 km

Bearbeitung: ISR / ÖAW Bearbeitung: ISR / ÖAW GeŽdaten: BEV Geodaten: BEV Datenquelle: StaƟsƟk Austria, N Datenquelle: StaƟsƟk Austria N ^ƚĂƟƐƟĐĂůKĸĐĞŽĨƚŚĞ^Z

18 Einleitung

Der Anteil der Beschä igten in Arbeitsstä en des ter ären Sek- 1.4.5 Flächennutzung im Nordburgenland tors liegt in sämtlichen Gemeinden über 30 Prozent. Nachdem die Beschä igtenanteile im primären und sekundären Sektor in Die Fokussierung von großen Teilen des Seewinkels auf land- Bruckneudorf erstaunlich gering sind, ist die Präsenz des ter ä- wirtscha liche Nutzung spiegelt sich auch in der Darstellung der ren Sektors umso größer und beträgt sogar 96 Prozent. Neusiedl Flächennutzung aus dem Jahr 2009 wider und deckt sich größ- am See kommt hier auf einen ebenfalls hohen Wert von 85 Pro- tenteils mit der Sta s k der Beschä igten (vgl. Diagramm 4). zent. Insgesamt lässt sich ein vom Nordwesten nach Südosten So beträgt beispielsweise die Flächennutzung für Land- hin reichendes Gefälle erkennen. wirtscha in den Gemeinden Tadten und Wallern im Burgen- Für die Slowakei stehen leider keine vergleichbaren Da- land über 90% der gesamten Gemeindefl äche. Aber auch in ten zur Verfügung. Der Vergleich des Anteils der Bevölkerung mit den Orten Pamhagen, Andau und Sankt Andrä am Zicksee lie- ter ären Bildungsabschlüssen an der Gesamtbevölkerung 2011 gen die Anteile landwirtscha lich genutzter Flächen bei jeweils zwischen slowakischen und nordburgenländischen Gemeinden über 75%. In Tadten etwa beträgt der Anteil der Beschä igten zeigt überzeugend den hohen Anteil der Bevölkerung mit ter- im primären Sektor 60%, in Wallern, Andau, St. Andrä am Zick- ären Bildungsabschlüssen in der Slowakei, der hier nämlich see, Apetlon und auch Halbturn bewegt sich der Anteil zwischen zwischen 20 bis 38 Prozent liegt, während im Bezirk Neusiedl 30% und 44% (Diagramm 3 u. Diagramm 4). am See die Bezirkshauptstadt den höchsten Anteil (zwischen 10 Diese Gemeinden entwickeln sich neben der klassischen Land- und 20 Prozent) aufweist. Den geringsten Wert (zwischen 3 und wirtscha zu stark auf Gemüseanbau spezialisierten Orten, in 5 Prozent) weisen die landwirtscha lich geprägten Gemeinden denen die Saisonarbeit sehr dominierend ist. des Seewinkels, also Pamhagen, Wallern, Tadten und Andau, Der Anteil der Weingärten an der Gemeindefl äche zeigt auf. Überraschenderweise befi ndet sich auch Parndorf in dieser die Verbreitung des Weinbaus sehr überzeugend. Während im Kategorie, was bedeutet, dass viele der Angestellten im Outlet nördlichen Teil des Bezirks die Feld- und Milchwirtscha sowie Parndorf über keine abgeschlossene Ausbildung verfügen. die Pferdezucht dominieren, ist der höchste Anteil an Weingar-

Diagramm 3: Beschä igte in Arbeitsstä en nach Sektoren 2011

Bezirk Neusiedl am See

Andau Apetlon Bruckneudorf Deutsch Jahrndorf Edelstal Frauenkirchen GaƩendorf Gols Halbturn Illmitz Jois <ŝƩsee Mönchhof Neudorf Neusiedl am See Nickelsdorf Pama Pamhagen Parndorf Podersdorf am See Potzneusiedl Sankt Andrä am Zicksee Tadten Weiden am See Winden am See Zurndorf 0% 20% 40% 60% 80% 100%

BeschäŌigte in ArbeitsstäƩen Primärer Sektor 2011 BeschäŌigte in ArbeitsstäƩen Sekundärer Sektor 2011 BeschäŌigte in ArbeitsstäƩen Grafik: ISR/ÖAW TerƟärer Sektor 2011 Quelle: Statistik Austria

19 Einleitung

1.4.6 Verkehr Das Untersuchungsgebiet liegt inmi en wich ger europäischer Verkehrskorridore. Der historische Kreuzungspunkt zwischen dem Donaufl uss und der römischen Bernsteinstraße markiert sozusagen den Beginn einer sich ste g entwickelnden Verkehrs- drehschreibe, sei es auf dem Wasser, in der Lu , auf dem Land oder der Schiene. Die Donau stellt einen äußerst wich gen Was- serverbindungsweg zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer dar. Im Rahmen des motorisierten Individualverkehrs (MIV) wurden vor allem nach der poli schen Wende im Jahr 1989 hochrangige Autobahnverbindungen geschaff en. Die Autobahn A4 als Verbindung Wien-Budapest wurde im Jahr 1994 eröff net, der Lückenschluss zu Bra slava erfolgte dann im Jahr 2006. Damit rückte aber der nördliche Teil des Burgenlan- des verkehrstechnisch wesentlich näher an die beiden Ballungs- räume Wien und Bra slava heran und ist seither ein Hochpoten- Abb. 12: Pamhagen, Gewächshäuser algebiet für die Ansiedlung von Industrie und Gewerbe wurde aber auch zunehmend interessant für die Wohnansiedelung.1

Abb. 11: „Verkehrsknotenpunkt“ Parndorf tenfl äche im südlichen Teil des Bezirks um den Neusiedler See,

March wobei die Gemeinde Gols den Spitzenwert von 35 Prozent auf- Entwicklungsraum D2 weist, lokalisiert. Für den slowakischen Teil des Untersuchungs- Untersuchungsgebiet Landesgrenze Devínska Staatsgrenze Nová Ves Bra slava Richtung Trnava gebiets liegen diesbezüglich keine vergleichbaren Daten vor. Bahnlinie Ɵ D1 Straße Autobahn Gewässer Devín Siedlungskörper Donau 0 2 10 km Kartengrundlage: Land Burgenland/BEV Niederösterrreich GraĮk: ISR/ÖAW Petržalka

Edelstal KiƩsee A6 Jarovce

Pama A4 Rusovce Richtung Wien Potzneusiedl A6 unovo

Leitha Neudorf GaƩendorf Bruckneudorf Deutsch-Jahrndorf Diagramm 4: Gemeinde fl ächennutzung 2009 Parndorf Zurndorf

Jois Ungarn Bezirk Neusiedl am See Winden Neusiedl am See Andau Nickelsdorf Apetlon Weiden am See Bruckneudorf Burgenland A4 Richtung Budapest Deutsch Jahrndorf Gols Edelstal Frauenkirchen 'ĂƩendorf Gols Eine weitere hochrangige Verkehrsverbindung auf der Schie- Halbturn Illmitz ne stellt die Ostbahn zwischen Wien und Budapest dar. Diese Jois KiƩsee durchquert das Untersuchungsgebiet im Bereich der Parndorfer Mönchhof Neudorf Pla e und besitzt bei Bruckneudorf/ einen Neusiedl am See überregionalen Haltepunkt. Diese Bahnlinie steht zudem auch Nickelsdorf Pama im Rahmen der Verordnung zu den Leitlinien für die Transeu- Pamhagen Parndorf ropäischen Verkehrsnetze (TEN-V Leitlinien) als übergeordne- Podersdorf am See Potzneusiedl te Verkehrsverbindung Paris-Budapest zur Diskussion (BMVIT Sankt Andrä am Zicksee 2014). Im Zuge des Falls des Eisernen Vorhanges wurde auch Tadten Wallern im Burgenland die bis 1945 bestehende Bahnverbindung zwischen Parndorf Weiden am See Winden am See und Bra slava wieder reak viert bzw. ausgebaut. Bestand nach Zurndorf dem 2. Weltkrieg noch ein Personenverkehr zwischen Parndorf 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Prozent und Ki see, so wurde der Betrieb im Jahr 1951 eingestellt. Erst Anfang 1998 und somit fast 50 Jahre später sollte auf dieser Baufläche Weingärten Gewässer Strecke wieder Personenverkehr sta inden (OEBB 1998). Die Landwirtschaftlich genutzte Flächen Wald Sonstige Gärten ste ge Verdichtung der Zugintervalle zeigt die Notwendigkeit, Grafik: ISR/ÖAW aber auch die Wich gkeit dieser Zugverbindung zwischen den Quelle: Statistik Austria beiden Hauptstädten Wien und Bra slava.

20 Einleitung

Abb. 13: Die Autobahn A4 zwischen Gols und Neusiedl am See

Im Gegensatz dazu ist die Kleinregion Seewinkel aufgrund ihrer Lage sowohl geografi sch als auch naturtechnisch benachteiligt. Die einzige Anbindung an ein hochrangiges Verkehrsnetz liegt im Norden. Im Osten und Süden begrenzt durch die österrei- chisch-ungarische Staatsgrenze bzw. im Westen vom Neusied- lersee ist einzig in Richtung Norden eine Anbindung möglich. Die dri e Bahnlinie ist die Neusiedler Seebahn. Diese fast in der Mi e des Seewinkels in Nord-Süd-Richtung führen- de Bahnlinie 731 verbindet Parndorf mit dem ungarischen Ort Fertöszentmiklós. Eine direkte Verbindung von Pamhagen nach Wien besteht fünfmal täglich. Im Vergleich dazu erreicht man vom Bahnhof Ki see in knapp einer Stunde Fahrzeit den Wie- ner Hauptbahnhof, und zwar an Werktagen 24-mal. Daher ist die Lage von Ki see an dieser Bahnhauptverbindung zwischen Wien und Bra slava eine äußerst vorteilha e.2

1) Wie wich g diese Anbindungen sind, zeigen folgende Vergleiche: Mit dem PKW benö gt man von der Gemeinde Andau im südöstlichen Seewinkel bis zum Autobahnanschluss Mönchhof über 20 Minuten (Routenplaner google-maps). Jene Gemeinden an den Autobahnanschlussstellen A4 (Parndorf, Neusiedl, Gols, Mönchhof, Nickelsdorf), aber auch jene auf der Parndorfer Pla e, wie beispielsweise Neudorf, Zurndorf, Ga endorf, Edelstal, Ki see (in der Nähe der A6) usw., haben den Vorteil einer verkehrstechnisch hochwer gen Anbindung an die A4 und A6. Während man von Pamhagen nach Wien, Stephansplatz ins- gesamt 70 Minuten benö gt (En ernung 92 km), erreicht man von Ki see den gleichen Zielort in 43 Minuten, d.h. man ist um 27 Minuten schneller, bei einer En ernung von 67 km.

2) Im Seewinkel erreicht man mit dem ÖBB-Postbus beispielsweise von der Hal- testelle Gemeindeamt Illmitz in 30 Minuten ohne Umsteigen den Hauptplatz in Neusiedl am See – und das 18-mal an einem Werktag (www.vor.at). Für den Weg Illmitz-Gemeindeamt zum Wiener Hauptbahnhof benö gt man mit einmaligem Umsteigen am Bahnhof Neusiedl am See knapp 90 Minuten, was 17-mal pro Werktag möglich ist (www.vor.at).

21 Bevölkerungs- und Siedlungsdynamik im Grenzgebiet Nordburgenland und Bra slava

22