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Masarykova univerzita Filozofická fakulta

Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky

Magisterská diplomová práce

2018 Bc. Tereza Mlatečková Masarykova univerzita Filozofická fakulta

Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky

Učitelství německého jazyka a literatury pro střední školy

Bc. Tereza Mlatečková

Paul Celan als ein bedeutender deutschsprachiger Lyriker der Nachkriegszeit. Sein Leben und Werk Magisterská diplomová práce

Vedoucí práce: doc. Mgr. Aleš Urválek, Ph.D.

2018

Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich das vorliegende Diplomarbeit selbstständig ausgearbeitet habe und dass ich nur die angeführte Literatur verwendet habe.

Brno, den 29. November 2018 Bc. Tereza Mlatečková

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei meinem Betreuer, Herrn doc. Mgr. Aleš Urválek, Ph.D., für seine nützlichen Ratschläge und Zeit, die er mir beim Verfassen dieser Arbeit gewidmet hat, bedanken. Mein riesiger Dank gilt meiner Familie, insbesondere meinen Eltern und meiner Schwester, für ihre bedingungslose Unterstützung während meines Lebensweges.

INHALT

1 EINLEITUNG ...... 1 2 PAUL CELANS LEBEN ...... 3 2.1 Die frühen Jahre ...... 3 2.1.1 Eine inspirierende Gegend ...... 3 2.1.2 Bukowina – ein historischer Überblick ...... 3 2.1.3 „Klein-Wien“ Czernowitz ...... 4 2.1.4 Leo und Friederike Antschel ...... 6 2.1.5 Celans Schulbildung und seine erste Begegnungen mit der Poesie ...... 7 2.1.6 Erste groβe Reise Celans ...... 9 2.2 Jahre großer Veränderungen ...... 11 2.2.1 Die russische und deutsche Okkupation ...... 11 2.2.2 Celans Lyrik nach 1942 ...... 13 2.2.3 Entstehung der ...... 14 2.2.4 Bukurester Jahre ...... 15 2.3 Fruchtbare Jahre Celans Schreibens ...... 18 2.3.1 Wiener doppeltes Buchdebüt ...... 18 2.3.2 Erste Jahre des Pariser Exils ...... 20 2.3.3 Celans Eintritt in die literarische Öffentlichkeit ...... 21 2.3.4 Das Jahr 1960 und Claire-Goll-Affäre ...... 25 2.3.5 Die Jahre nach 1960 ...... 27 2.3.6 Celans israelische Erfahrung ...... 30 2.3.7 Celans letzte Lebensmonate ...... 31 3 PAUL CELANS WERK ...... 34 3.1 Zur Dichtung Paul Celans ...... 34 3.2 Das Frühwerk ...... 36 3.2.1 Winter (1942) ...... 36 3.3 (1948) ...... 38 3.3.1 Nähe der Gräber (1944) ...... 39 3.4 Mohn und Gedächtnis (1952) ...... 40 3.4.1 Espenbaum (1945) ...... 40 3.4.2 Die Todesfuge (1945) ...... 41

3.5 Von Schwelle zu Schwelle (1955) ...... 45 3.6 (1959) ...... 46 3.6.1 Köln, am Hof (1957) ...... 47 3.7 (1963) ...... 48 3.7.1 Psalm (1961) ...... 48 3.8 (1965) ...... 50 3.8.1 In Prag (1963) ...... 50 3.9 (1968) ...... 52 3.9.1 Fadensonnen (1965) ...... 52 3.10 Zyklus „Eingedunkelt“ (1968) ...... 53 3.11 (1970) ...... 54 3.11.1 Todtnauberg (1967) ...... 54 3.12 (1976) ...... 57 3.12.1 Du liegst (1967)...... 57 3 DAS ARBEITSBLATT ENTWURF ...... 59 4 ZUSAMMENFASSUNG ...... 65 5 LITERATURVERZEICHNIS ...... 67 5.1 Primäre Quellen ...... 67 5.2 Sekundäre Quellen ...... 67 5.3 Online-Quellen ...... 69 5.4 Bilderverzeichnis ...... 70

1 Einleitung

Ohne Zweifel gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der deutschen Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Dichter rumänischer Herkunft ist berühmt als Dichter des Dunklen, der im Trauma der Schoah gefangen war. Sein Gedicht Die Todesfuge zählt mit Recht zu den bedeutendsten deutschen Gedichten des 20. Jahrhunderts. Auch mit weiteren Gedichten gewinnt er Interesse der Leser. Diese Diplomarbeit ist, wie der Titel berreits verrät, in zwei Hauptteile gegliedert. Der erste Teil „Paul Celans Leben“ umfasst drei Kapitel. Erstes Kapitel widme ich die einst blühende Kulturlandschaft Bukowina und Paul Celans Geburtsort, wo er die ersten achtzehn Jahre seines Lebens verbrachte. Ich stelle seine Eltern vor und beschäftige mich mit seiner Schulbildung sowie seinen ersten Begegnungen mit der Poesie. Ich erwähne auch Celans erste groβe Reise seines bisherigen Lebens, das heißt die Reise nach Frankreich, in dessen Hauptstadt zweiundzwanzig Jahre verbringen sollte. Im zweiten Kapitel beschreibe ich die tragischen historischen Ereignisse, die einen Bruch im Leben wie im Dichten des jungen Pauls markierten. Ich befasse mich mit der Entstehung des weltberühmt gewordenen Gedichts Todesfuge und mit den Umständen, die zur Namensänderung zu Paul Celan führten. An das zweite Kapitel, das ich „Jahre groβer Veränderungen“ genannt habe, knüpft das Kapitel „Fruchtbare Jahre Celans Schreibens“ an. Dieses Kapitel schildert die ewige Suche des Dichters nach Sprache und Heimat. Man kann hier von seiner Übersiedlung nach Wien erfahren, wo er zwar schon 1948 ein doppeltes Buchdebüt hatte, aber dennoch blieb für weitere vier Jahre unbekannt. Ich beschreibe Celans ersten schwierigen Jahre des Pariser Exils und die bemerkenswerte Lesung vor der gewichtigen Gruppe 47, die seinen literarischen Durchbruch initiierte. Man findet hier Informationen über sein gesamtes literarisches Werk; auch Informationen über sein persönliches Leben werden nicht vernachlässigt. Ich vergesse nicht die Umstände zu erwähnen, die zur regelrechten Plagiatsaffäre führten, die am Ende katastrophale Folgen hatte. Im zweiten Teil dieser Arbeit konzentriere ich mich auf die Analyse Celans Weks und Interpretation ausgewählter Gedichte. Insgesamt habe ich zehn Gedichte aus

1 verschiedenen Zeiträumen und Gedichtsammlungen gewählt, die mich personell beeindruckt haben. Den Schlußteil meiner Diplomaarbeit bildet konkreter Vorschlag für ein Arbeitsblatt, das auf das „Jahrhundertgedicht“ Die Todesfuge, wie es ein deutscher Literatur- und Kulturwissenschaftler Wolfgang Emmerich bezeichnet, bezogen ist. Dieses Arbeitsblatt kann man im Fremdsprachenunterricht benutzen. Als Ziel der vorliegenden Arbeit setze ich mich, ausführliche Kenntnisse über Celans Leben zu gewinnen und daraus resultierende Möglichkeit, Celans Dichtung zu verstehen und seine Gedichte richtig interpretieren zu können. Eine freie Interpretation von Celans Gedichten finde ich unmöglich.

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2 Paul Celans Leben

2.1 Die frühen Jahre

2.1.1 Eine inspirierende Gegend

Paul Celan wurde am 23. November 1920 als Paul Pessach Antschel in Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina, geboren. Hier verbrachte er eine inspirierte Jugend, gleich wie andere jüdische Dichter und Künstler. „Landschaft, die mich erfand“ – mit diesen Worten begann in Czernowitz geborene Lyrikerin Rose Ausländer ihr Gedicht Bukowina II.1 Ähnlich „erfunden“ sahen sich von der Gegend alle anderen jüdischen Dichter deutscher Sprache, die hier geboren wurden und in ihr aufwuchsen. Mit der Bukowina sind die Namen der Schriftsteller wie Stammvater der Czernowitzer Literatur Karl Emil Franzos, Isaac Schreyer, Celans Mentor und väterlicher Freund Alfred Margul-Sperber, Moses Rosenkranz, Klara Blum, Alfred Kittner oder aus der nachfolgenden Generation Celans seine zeitweiligen Mitschüler Alfred Gong und Immanuel Weiβglas sowie Celans Groβcousine Selma Meerbaum-Eisinger verbunden. Man sollte nicht vergessen, auch nichtjüdische Autoren zu erwähnen – die Lyriker Georg Drozdowski und Elisabeth Axmann sowie Gregor von Rezzori.

2.1.2 Bukowina – ein historischer Überblick

In der Vergangenheit war die Bukowina ein Durchgangsland zwischen Galizien und Siebenbürgen mit Grenzen zur Moldau und Bessarabien, heute is sie auf die Ukraine und Rumänien aufgeteilt. Ihre Bedeutung besteht hauptsächlich in der kulturellen Pluralität. Zum besseren Verständnis möchte ich die historische Entwicklung des Gebietes darstellen. Im Mittelalter wurde es von Slawen besiedelt. Die erste jüdische Besiedlung erfolgte im 13. Jahrhundert, aus dem Ende des 14. Jahrhunderts stammte die erste urkundliche Erwähnung. Von 1514 herrschten dort die Türken, von denen die

1 AUSLÄNDER, Rose. Gesammelte Gedichte. Köln: Literarischer Verlag Braun. 1977. S. 353.

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Bukowina der österreichischen Monarchie im Jahr 1775 vertraglich übertragen wurde. Als Teil der Habsburger Monarchie gehörte sie zu Galizien. Die Zeit zwischen 1849 und 1918 war die bedeutendste Etappe in der Geschichte der Bukowina, denn sie Kronland der Habsburger Monarchie war. Nach dem ersten Weltkrieg gehörte die Bukowina zu Rumänien, allerdings galt Deutsch hier bis 1924 als Amtssprache. Der 28. Juni 1940 war der Tag, an dem die Rote Armee in die Nordbukowina einrückte. Es begannen die Deportationen von Juden. Ein Jahr später ging es zur Besetzung durch die faschistischen rumänischen Truppen. In der Hauptstadt Czernowitz wurde ein Ghetto errichtet und es folgten massive Deportationen von Juden in die Konzentrationslager. Czernowitz und die Nordbukowina wurden 1944 wieder sowjetisch besetzt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Bukowina geteilt – das Gebiet wurde endgültig Bestandteil der Ukrainischen Sowjetrepublik, während die Südbukowina bei Rumänien blieb.

2.1.3 „Klein-Wien“ Czernowitz

Eine deutsch-jüdisch geprägte Kultur der Bukowina und ihrer Hauptstadt Czernowitz war bemerkenswert lebendig für etwa 150 Jahre bis zu den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts, wenn es zur Deportation und nachfolgender Ermordung von sieben Achtel der ziemlich 100 000 Juden aus der nördlichen Teil kam. In Czernowitz spielte die jüdische Bevölkerung eine bedeutende Rolle. Die Juden wurden vom Kaiser Franz Joseph I. im Jahr 1867 vollständig rechtlich gleichgestellt, was den gesellschaftlichen Aufschwung ermöglichte. In der Bukowina stellten sie nach den Rumänen und Ukrainern mit 15 Prozent die drittgröβte Volksgruppe (sogar über 40 Prozent der Bevölkerung in Czernowitz). Der Fakt, dass sie damit fast doppelt so zahlreich wie die Volksdeutschen waren, brachte sie in die Rolle des Wien nahestehenden eigentlichen „Staatsvolkes“. Diese Situation war in der Donaumonarchie einmalig. Seit der Jahrhundertwende unterscheidet Emmerich zwei deutsche Kulturen, und zwar eine ländliche, rückwärtsgewandte, heimattümelnde Kultur der Volksdeutschen

4 und die zunehmend urbane, an Wien orientierte, mehr intelektuelle Kultur der Czernowitzer deutschsprechenden Juden.2 Deutschsprechende Juden waren Triebfeder der kapitalistischen Entwicklung. Sie waren sowohl Fabrikbesitzer, wohlhabende Kaufleute und Gewerbetreibende als auch Träger der staatlichen Verwaltung, des Gerichts- und Schulwesens. Auch das jüdische kulturelle Leben blühte hier. Die Gegend, in der „Menschen und Bücher lebten“, wie Celan in seiner Bremer Rede3 erinnerte, wurde in ihrer goldenen Ära (von 1867) bis zum Ersten Weltkrieg „Klein-Wien“ genannt. So sah Czernowitz der österreichische Publizist Georg Heinzen:

„Czernowitz, das waren Sonntage, die mit Schubert begannen und mit Pistolenduellen endeten. Czernowitz, auf halbem Weg gelegen zwischen Kiew und Bukarest, Krakau und Odessa, war die heimliche Hauptstadt Europas, in der die Metzgertöchter Koloratur sangen und die Fiaker über Karl Kraus stritten. Wo die Bürgersteige mit Rosensträußen gefegt wurden und es mehr Buchhandlungen gab als Bäckereien. Czernowitz, das war ein immerwährender intellektueller Diskurs, der jeden Morgen eine neue ästhetische Theorie erfand, die am Abend schon wieder verworfen war. Wo die Hunde die Namen olympischer Götter trugen und die Hühner Hölderlin- Verse in den Boden kratzten.. Czernowitz, das war ein Vergnügungsdampfer, der mit ukrainischer Mannschaft, deutschen Offizieren und jüdischen Passagieren unter österreichischer Flagge zwischen West und Ost kreuzte.“4

Bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts konnte vom Antisemitismus kaum die Rede sein, der dann zu florieren begann, um in blutigen Pogromen und Synagogenbränden, inszeniert von russischen Truppen, im ersten Weltkrieg zu kulminieren. Obwohl die k. u. k. Monarchie unterging und Bukowina Landesteil des Königreichs Rumänien wurde, bewahrte die Provinz den Abglanz der „goldenen Jahre“ und das Deutsche blieb Umgangssprache. Der deutsch-jüdische Bevölkerungsanteil verlor zwar an politischem und wirtschaftlichem Kapital, aber versuchte den Verlust durch maximale Investition von kulturellem Kapital auszugleichen. Czernowitz war weiterhin eine vielsprachige multikulturelle Stadt. Es gab hier unter anderem christliche und nichtchristliche Gotteshäuser, wo sich die der Nationen

2 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 24. 3 ALLEMANN, B., REICHERT, S. Paul Celan. Gesammelte Werke in fünf Bänden. Dritter Band. Gedichte III. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 1986. S. 185. 4 HEINZEN, Georg. Czernowitz. In: Rheinischer Merkur. 1. Februar 1991. S. 18-19.

5 der Ukrainer, der Rumänen, der Deutschen, der Juden und der Polen gesellten. Diese Gebäude, zumal die Synagogen, werden heute nicht im ursprünglichen Sinne benutzt – sie dienen als Kinos, Lagerhäuser und Tanzsäle. Bis zum Jahr 1940/41 war Czernowitz eine hochkultivierte, europäische Stadt, in der die deutsch-jüdische Symbiose für ein Jahrhundert gelungen war.5

2.1.4 Leo und Friederike Antschel

Paul Celan war ein Einzelkind. Seine Eltern waren Kleinbürger, die nicht zur deutsch-jüdischen intelektuellen Elite von Czernowitz gehörten. Sie lebten in bescheidenen Verhältnissen. Die Vorfahren waren gläubige Juden. Der Vater Leo Antschel-Teitler, der aus einem Dorf bez Czernowitz kam, war orthodox aufgewachsen. Als Bautechniker konnte er nach Kriegsende keine Arbeit in seinem Beruf finden, weshalb war er tätig im Brennstoffhandel. Weil er über keinerlei Kapital verfügte, wurde er Makler bzw. Vertreter einiger gröβerer Holzhandelsfirmen. Chalfen charakterisiert Leo ausgesprochen autoritär:

„Pauls Vater übte im Hause strenge Zucht. Er war klein gütiger Mensch, er stellte hohe Ansprüche an seinen Sohn, bestrafte ihn, schlug ihn oft für jedes kindliche Vergehen. ... Paul war ein sehr empfindsames Kind und litt wohl sehr unter der väterlichen Strenge.“6

Nach dem Tod des Vaters gibt es nur wenige Gedichte, die den Tod ansprechen. Es sind Schwarze Flocken, Mit Äxten spielend, Der Gast und Andenken. Celans Mutter Friederike, genannt Fritzi, stammte aus Sadagora, einem Zentrum des Chassidismus nicht weit von Czernowitz. Ihre Eltern waren auch orthodoxe Juden, doch liberaler als die Antschel-Teitlers. Aus diesem Grund wurde in ihrem Haus ein besseres Deutsch gesprochen als Bild Nr. 1: Die Mutter Friederike

5 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 20-27. 6 CHALFEN, Israel. Paul Celan: Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt am Main: Insel- Verlag. 1979. S. 36.

6 in dem von Celans Groβeltern von Vaters Seite. Nach der Volksschule besuchte sie Handelskurse, arbeitete in einem kaufmännischen Büro und als Kinderpflegerin. Trotz ihres begrenzten schulischen Bildungsstandes war sie auβergewöhnlich belesen. Durch sie drang Deutsch an Celans Ohr:

„Besonders gern las sie die deutschen Klassiker, und in späteren Jahren wetteiferte sie mit ihrem Sohn Paul im Zitieren ihrer geliebten Autoren.“7

Er wuchs in mehrsprachiger Umgebung auf – daneben andere Sprachen und Dialekte sprachen die Menschen der Bukowina ukrainisch, rumänisch, hochdeutsch, schwäbisch und jiddisch. Zu Hause hörte er Deutsch, in der Schule lernte er flieβend Rumänisch. Das Deutsche, die Muttersprache, war die Sprache, in der er aufging.8 9

2.1.5 Celans Schulbildung und seine erste Begegnungen mit der Poesie

„Ich war sechs Jahre alt und konnte Das Lied von der Glocke aufsagen ... Wer weiβ, ob nicht der Eindruck, den das auf meine Zuhörer machte, alles Weitere ausgelöst hat...“10

Celan ging zunächst in den deutschsprachigen Meisler-Kindergarten, anschlieβend wurde er in die teure Grundschule aufgenommen. Im Jahr darauf, 1927, wurde Celan aus finanziellen Gründen und auf Wunsch des zionistisch gesinnten Vaters auf eine hebräische Volksschule, die Ssafa Iwrija, geschickt. In den drei Jahren, in denen Paul diese Schule besuchte, wurden Zionismus und hebräischer Unterricht groβgeschrieben.11 Nach Bestehen der Aufnahmeprüfung im Jahr 1930 besuchte er ein rumänisches Staatsgymnasium. Auch danach musste er weiter Hebräisch lernen, allerdings bei einem Hauslehrer. Neu hinzu kam das Französische. Bei einem Wettbewerb erlangte er gemeinsam mit der Freundin Malzia Kahwe den ersten Preis. Seine Leistungen waren auch in anderen Fächern (z. B. Pflanzen- und Tierkunde) so gut, dass er zum Primus aufrückte.

7 CHALFEN, Israel. Paul Celan: Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt am Main: Insel- Verlag. 1979. S. 31. 8 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 27-28. 9 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 26-28. 10 Ebd. S. 28. 11 Ebd. S. 29.

7

Er war von Kind auf ein leidenschaftlicher Leser. Seine Tante Berta Antschel aus Wien schickte ihm Märchenbücher, dann las er Abenteuer- und Indianerbücher bis zum Fundus der klassischen deutschen Literatur, aber auch jiddischer Literatur. Nach der Bar Mizwa 1933 gab er das Hebräische auf. Für den jungen Paul bedeutete dieser Tag die Befreiung von der Verpflichtung, sich den religiösen Geboten unterwerfen zu müssen. Er hat nie mehr aktiv an einem Gottesdienst teilgenommen. Bald darauf begann Celan, sich politische Ideen zu eigen zu machen. Mit anderen Schülern, die linksorientiert waren, trat er aus dem zionistischen Jugendbund „Davidia“ aus. Er trat einer überwiegend aus Juden bestehenden suspekten antifaschistischen Jugendgruppe bei. Sie gaben eine Zeitschrift, für die sie eigene Beiträge schrieben und marxistische Texte aus dem Deutschen ins Rumänische übersetzten. Man las und druckte Karl Marx, Karl Kautsky, Rosa Luxemburg, Graf Kropotkin und Gustav Landauer. In diesen Jahren fand Celan Freunde, die für ihn in seinem Leben wichtig blieben – Wiener Vetter Paul Schafler, sein Studienkollege in Tours Manuel Singer und vor allem ein Klassenkamerad Gustav Chomed und Erich Einhorn. Aufgrund des wachsenden Antisemitismus verlieβ Paul 1935 das rumänische Gymnasium und ging ans Ukrainische Gymnasium:

„Ja, was den Antisemitismus in unserer Schule betrifft, da könnte ich ein 300 Seiten starkes Buch darüber schreiben.“12

Die Mehrzahl der Schüler hier war jüdisch. Auch hier war die Unterrichtssprache generell Rumänisch, als Fremdsprachen hinzu kamen Latein und, im letzten Schuljahr, Englisch. Der Deutschunterricht hatte für die deutsch- muttersprachigen Schüler eine herausgehobene Stellung, also konnte Paul eine umfassende literarische Bildung erwerben. Er las die Klassiker Goethe und Schiller und auch Heine, Trakl, Hölderlin, Nietzsche, Verlaine, Rimbaud, später Hofmannsthal und Kafka. Er liebte vor allem Rilke. Ein wichtiger Ort der Beschäftigung mit Dichtung waren Lesezirkel, wo er, oft in der freien Natur, Gedichte rezitierte.

12 COLIN, A., KITTNER, A. Versunkene Dichtung aus der Bukowina: Eine Anthologie deutschprachiger Lyrik. München: Fink Verlag. 1994. S. 355.

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Bereits 1937 lernte er Edith Horowitz kennen. Ihr Vater war Germanist und besaβ eine groβe Bibliothek mit klassischer und moderner deutschprachiger Literatur. Hier begegnete erstmals den Werken von Schriftstellern oben erwähnt.13 Mit fünfzehn oder sechzehn Jahren begann Paul, Lyrik zu schreiben, die die melancholische Stimmung romantischer und symbolistischer Gedichte verströmt. Es sind gereimte, melodische Strophen, die Titel wie Klage, Wunsch, Sommernacht, Dämmerung, Les Adieux und Clair de Lune tragen. Das früheste bekannte Gedicht wurde von ihm selbst auf den Muttertag 1938 datiert, es handelt sich um ein Sonett an die Mutter.14 Bild Nr. 2: Der sechzehnjährige Paul Mit seinem Schulfreund Immanuel Weiβglas verfaβten sie Gedichte über dieselben Themen. Sie versuchten sich auch an deutschen Versionen von Apollinaire, Éluard, Shakespeare, Yeats, Housman, Sergej Jessenin und dem rumänischen Autor Tudor Arghezi.15

2.1.6 Erste groβe Reise Celans

Nach dem Abitur 1938 ging Paul nach Frankreich an die Universität von Tours. Dass er studieren sollte, war vorzugsweise der Wunsch seiner Eltern, die den Arztberuf favorisierten. Dieser Beruf galt für einen rumänischen Juden als der aussichtsreichste Beruf.16 Am 9. November 1938, an einem Datum von weltgeschichtlicher Bedeutung, brach er nach Frankreich auf, um in Tours Vorbereitungskurse für das Medizinstudium abzuschließen. Sein Schnellzug erreichte Berlin unmittelbar nach der

13 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 31-34. 14 Celans frühe Gedichte sind gesammelt in: Paul Celan: Gedichte 1938-1944, Transkription der Handschrift, mit einem Vorwort von Ruth Kraft, Frankfurt am Main 1985, und: Paul Celan: Das Frühwerk, herausgegeben von Barbara Wiedemann, Frankfurt am Main 1989. 15 BAUMANN, Gerhart. Dank an die Sprache: Erinnerung an Immanuel Weiβglas. Neue Zürcher Zeitung. 2. / 3. Februar 1980. S. 68. 16 CHALFEN, Israel. Paul Celan: Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt am Main: Insel- Verlag. 1979. S. 77.

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„Reichskristallnacht“, den ersten von den Nazis geschürten Judenpogrom. Diesen Augenblick schilderte er im Gedicht La Contrescarpe:

Über Krakau bist du gekommen, am Anhalter Bahnhof floß deinen Blicken ein Rauch zu, der war schon von morgen. [GW 1:283]

Bald danach besuchte er seinen Onkel Bruno Schrager in Paris, der ihm den Montmartre und den Montparnasse zeigte. Nach einiger Tage, in denen er die Metropole genoβ, musste er nach Tours weiterreisen. Hier gewann er neue Freunde, vor allem den 1933 nach Palästina emigrierten Jude Eliyahu Pinter. Immer noch las Paul deutsche Literatur, aber auch die aktuelle französische: Marcel Proust, Romain Rolland und André Gide, Louis-Ferdinand Céline, Julien Green und Albert Camus. In den Osterferien 1939 fand die lange geplante Visite bei Tante Berta Antschel in London statt, die im März 1938 von dem nazistisch besetzten Wien aus nach England geflohen war. Hier erlebte er zum ersten Mal Shakespeare-Aufführungen in englischer Sprache. Im Juni 1939 beendete er das erste Studienjahr mit den Prüfungen in Physik, Chemie und Biologie. Mit dem Plan, sein Studium in Tours im Herbst fortzusetzen, fuhr er nach Czernowitz zurück. Die Rückkehr nach Frankreich verhinderte ihm der Deutschlands Überfall auf Polen, der Beginn des zweiten Weltkriegs. In Czernowitz begann er, Romanische Philologie zu studieren. Gemäβ dem Hitler-Stalin-Pakt besetzte die Rote Armee am Ende Juni 1940 die nördliche Bukowina und Czernowitz. Die Einführung der Amtssprache Russisch und die Anpassung des Bildungswesens an das sowjetische folgten. Pauls Studium wurde behindert. „Jetzt bin ich Trozkist“, sagte er.17 Damals lernte er Ruth Lackner kennen, die als Schauspielerin am neuen jiddischen Theater beschäftigt war. Sie standen sich sehr nahe aber nach Chalfens Vermutung stand ihnen die starke Mutterbindung im Wege.18

17 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 36. 18 Chalfen führte sechs Gespräche mit Ruth Lackner.

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Aus den Jahren 1938 – 1940/41 datiert eine gröβere Zahl erhaltener Gedichte, die von der Bukowiner Lyrik der vergangenen zwei, drei Jahrzente beeinflusst sind. In seiner Dichtung erliegt das private Gefühl dem Ansturm des politischen Umbruchs (Finsternis); in dem ersten Jahr der Okkupation schrieb er Verse voller Kummer und Todesahnung, aber im Geist der deutschen Romantik (Notturno).19

2.2 Jahre großer Veränderungen

2.2.1 Die russische und deutsche Okkupation

Bis zum 13. Juni 1941 wurden die Juden in Ruhe gelassen, jedoch in einer Nacht wurden ca. 3800 Nordbukowiner (darunter zwei Drittel Juden) nach Sibirien deportiert. Einige Freunde Pauls entweder flohen mit den Russen in die Sowjetunion (unter ihnen waren die beiden besten Freunde des jungen Pauls, Gustav Chomed und Erich Einhorn, und auch Malzia Kahwe) oder sie wurden in die sowjetische Armee gepresst. Der Schicksal der Juden in der Bukowina entschied sich mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion am 21. Juni. Rumänien unter General Antonescu erklärte der Sowjetunion schon am nächsten Tag den Krieg und wurde zum Verbündeten der Deutschen. Anfang Juli begann die rumänisch-deutsche Schrekkensherrschaft, eine Kette von Akten des Terrors. Die Aufgabe der Einsatzgruppe D, einer Spezialeinheit aus SS und SD, war die Liquidierung der jüdischen Bevölkerung. Bis zum 29. August wurden weitere 3106 Juden und 34 Kommunisten ermordet. Diejenige, die überlebt haben, mussten den Judenstern tragen und Zwangsarbeit leisten. Am 11. Oktober wurde im alten Judenviertel ein Ghetto errichtet, was die zweite Phase des Terrors gegen die Czernowitzer Juden auslöste. 45000 Menschen wurden für die schubweise Deportation bereitgehalten, etwa 15000 Bleibeerlaubnisse wurden ausgestellt für diejenigen, die für wichtige Arbeiten in der Stadt gebraucht wurden. Tausende der übrigen wurden im Lauf des Herbstes deportiert nach Transnistrien, in Lager zwischen den Flüssen Dnjestr und Bug.

19 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 32-37.

11

Pauls Familie entging der nächsten Welle von Deportationen, denn sie eine Aufenthaltsbewilligung des wohlwollenden Czernowitzer Bürgermeisters Traian Popovici erhielt. Die „Popovici-Autorisation“ wurde nutzlos, als der rumänische Militärgouverneur der Bukowina im Juni 1942 wiederum begann, die Juden zu deportieren. Jetzt war auch die Familie Antschel gefährdet und Paul wollte seine Eltern überreden, über das Wochenende ein Versteck aufzusuchen. Seine Freundin Ruth Lackner besorgte für ihn ein Versteck in einer Kosmetikfabrik. Seine Mutter resignierte und so kam er an einem Montag Ende Juni in die elterliche Wohnung zurück, wo er sah, dass seine Eltern verschwunden waren. Paul entkam der möglichen Deportation – er war im Arbeitslager Tabăresti interniert und von Juli 1942 bis zum Februar 1944 arbeitete er bei verschiedenen Zwangsarbeiterkommandos im Straβenbau. Im Spätherbst 1942 erhielt Paul im Arbeitslager von seiner Mutter die Nachricht vom Tod des Vaters. Bis heute ist es nicht klar, ob der Vater an Typhus starb oder erschossen wurde. Pauls Mutter wurde jedenfalls im anschlieβenden Winter durch Genickschuss umgebracht. Im ab April 1944 wieder sowjetisch regierten Czernowitz war Paul als Arzthelfer in der psychiatrischen Klinik angestellt.20 Von Kiew, wohin er einmal einen Krankentransport zu begleiten hatte, schrieb er am 1. Juli an seinen Freund Erich Einhorn:

„Lieber Erich, ich bin für zwei Tage in Kiew (auf Kommandirowka) und freue mich auf die Gelegenheit, Dir einen Brief zu schreiben, der Dich rasch erreicht. Deine Eltern sind gesund, Erich, ich habe mit ihnen gesprochen, bevor ich hergekommen bin. Das ist sehr viel, Erich, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie viel. Meine Eltern sind von den Deutschen erschossen worden. In Krasnopolka am Bug. Erich, ach Erich. Viel ist zu erzählen. Du hast so viel gesehen. Ich habe nur Demütigungen erlebt und Leere, unendliche Leere. Vielleicht kannst Du nachhause kommen. [...] Ich umarme Dich, Erich, Dein alter Paul“21

20 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 42-46. 21 Ebd. S. 46.

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2.2.2 Celans Lyrik nach 1942

Der Tod der Mutter war das entscheidende Ereignis, das sein literarisches Schaffen erheblich beeinflusste. Wie viele andere Juden litt Celan am so genannten Überlebens-Schuld Syndrom. Er fühlte sich schuldig, dass er im Gegensatz zu den anderen Juden den Holocaust überlebt hatte. Das prägende Datum Celands Dichtung, das einen Bruch in seinem Leben markierte, ist der 20. Januar. Am 20. Januar 1942 wurde die Ausrottung der Juden von den Nazis auf der Wannsee-Konferenz in Berlin planmäβig organisiert.

„Vielleicht darf man sagen, daß jedem Gedicht sein ‚20. Jänner‘ eingeschrieben bleibt? Vielleicht ist das neue an den Gedichten, die heute geschrieben werden, gerade dies: daß hier am deutlichsten versucht wird, solcher Daten eingedenk zu bleiben? – Aber schreiben wir uns nicht alle von solchen Daten her? Und welchen Daten schreiben wir uns zu?“22

Pauls frühe Lyrik war primär Liebeslyrik, obwohl der Tod schon ein wichtiges Motiv war. Innerhalb seiner Zwangsarbeit schrieb er regelmäβig Gedichte, während er gleichzeitig Shakespeare-Sonette, Verlaine, Yeats, Housman und andere Dichter übersetzte. Mindestens 75 Gedichte haben sich aus dieser Periode erhalten. Die Hauptmerkmale dieser Lyrik sind Melancholie, Heimweh und Sehnsucht nach der Geliebten. Mit der Ermordung seiner Eltern wurde die so geliebte Muttersprache zur Mördersprache. Das Gedicht Nähe der Gräber spricht die Mutter an, wie die meisten Gedichte seit 1943, implizit oder explizit – Winter, Schwarze Flocken, Espenbaum. In den Jahren 1948 bis 1959 folgten unter anderen Die Hand voller Stunden, So bist du denn geworden, Der Reisekamerad, Sie kämmt ihr Haar, Vor einer Kerze und Wolfsbohne.23 Das Gedicht Schwarze Flocken, dass ursprünglich Mutter hieβ, erinnert den Augenblick, da Paul einen Brief mit der Nachricht vom Tod seines Vaters von der Mutter erhielt. Es geht von der Gegenwart über die Vergangenheit zur jüdischen Frühzeit zurück und erwähnt nur dieses eine Mal den Vater. Neben Schwarze Flocken sprechen Pauls Vater die Gedichte Mit Äxten spielend, Der Gast und Andenken an.24

22 GW, III, S. 196. 23 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 47-49. 24 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 43-45.

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2.2.3 Entstehung der Todesfuge

Es gibt widersprüchliche Angaben zur Entstehung Pauls berühmtesten Gedichts. Bukowiner Freunde erinnern sich an eine Ausarbeitung in Czernowitz 1944. Paul selbst nannte 1945 als Entstehungsjahr, damit ist aber wohl das Datum der endgültigen Fertigstellung gemeint. Paul kehrte nach der Entlassung aus dem Zwangsarbeitslager Anfang 1944 nach Czernowitz zurück, wo im Herbst erste Entwürfe zum Gedicht entstanden. Als sicher gilt, dass der Text im Frühjahr 1945 in Bukarest seine definitive Gestalt bekommen hat. Zwei Jahre später, im Mai 1947, erschien es unter dem Titel Tangoul mortii (Todestango) in rumänischer Übersetzung seines Freundes Petre Solomon in der Zeitschrift Contemporanul. Es war Celans erste Veröffentlichung. Im Jahr 1948 wurde das Gedicht in seiner ersten Gedichtsammlung Der Sand aus den Urnen zum ersten Mal im Originaltext abgedruckt. Weil Celan die ohnehin kleine Auflage einstampfen ließ, konnte es zu einer nenneswerten Wirkung allerdings nicht kommen. Erst die Wiederaufnahme des Textes in die Sammlung Mohn und Gedächtnis im Jahre 1952 machte das Gedicht einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. In der Dichtung der Autoren in der Bukowina und besonders in Czernowitz treten ähnliche, wenn nicht die gleichen Bilder auf. Man spricht über das „Czernowitzer Metapherngeflecht“ – einige ältere Dichter entwickelten und entwarfen ein Reservoir von Bildern, Metaphern und Figuren, die als Vorbild vor den jüngeren übernommen Bild Nr. 3: Contemporanul, 2. Mai 1947 wurden.25 Ganz ähnliche Oxymora-Wendungen wie die Eingangschiffre „Schwarze Milch der Frühe“ in der Todesfuge finden sich nicht nur bei den Bukowiner Dichterkollegen

25 Vgl. BUCK, Theo. Paul Celans Todesfuge. In: Interpretationen. Gedichte von Paul Celan. Stuttgart: Reclam Philipp Jun. Verlag. 2002. S. 12-15.

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Isaac Schreyer, Rose Ausländer und Alfred Margul-Sperber, sondern auch bei Georg Trakl, Arthur Rimbaud, Jean Paul und im Alten Testament (Klagelieder Jeremias). Unter anderem in diesem Kontext tauchten dann auch jene von Claire Goll lancierten Plagiatsvorwürfe auf, die Pauls Leben spätestens ab 1960 vergifteten. Schlieβlich wurde im Februar 1970 in Bukarest das Gedicht Er von Immanuel Weiβglas veröffentlicht (geschrieben wurde es im Jahr 1944), in dem es auch einen „deutschen Meister“ gibt, der „mit Schlangen“ spielt und dem chorischen „wir“ des Gedichts befiehlt, „Gräber in die Luft“ zu „heben“, während andere „fiedeln“ und tanzen. Die Rede ist auch von „Gretchens Haar“ in „Deutschland“. Paul und Immanuel kannten sich aus dem rumänischen Gymnasium in Czernowitz, ein Jahr waren sie in Parallelklassen. Ihr großes Interesse für Lyrik war ihnen gemeninsam. Nach dem Krieg trafen sie sich in Czernowitz wieder und Immanuel erzählte ihm seine Erlebnisse im Lager, was zur Bildung des ähnlichen Wortmaterials, das sie für ihre Gedichte verwendeten, führen konnte.26 Zur Entstehung der Todesfuge berichtete Weiβglas:

„Im Bereich der Dichtung kommt es – mag auch der Umriß einer Metapher von einem Gebilde ins andere herüberleuchten – immer nur auf Gewinn und Verlust im rein Künstlerischen an. Und die ,Todesfuge‘ ist tief verankert im lyrischen Bewußtsein unserer Zeit. Parallelismen bezeugen keineswegs irgendeine Priorität. Ein kameradschaftlicher ,Kontrapunkt‘ verband oft, ,zwei wortbesessene Freunde‘ in gemeinsamer Bemühung um das Gedicht. [...] Es kam so: wir sprachen Verse vor uns hin, die zu Gedichten gerannen. In einer solchen geistigen Nacht suchten uns die Bilder heim.“27

2.2.4 Bukurester Jahre

Im Herbst 1944 schrieb Paul als Student der Anglistik an der ukrainisch- russischen Universität Czernowitz ein. Zugleich arbeitete er als Übersetzer für lokale Zeitungen. Ende April 1945 entschied er sich, seine Heimat zu verlassen. Mit einem russischen Militär-Kraftwagen von Czernowitz nach Bukarest überschritt er eine

26 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 51-53. 27 BAUMANN, Gerhart. Dank an die Sprache: Erinnerung an Immanuel Weiβglas. Neue Zürcher Zeitung. 2. / 3. Februar 1980. S. 68.

15 politische und auch persönliche Grenze. Er lieβ nicht nur die physische Heimat zurück, sondern auch die Mutter und den Vater, die Kindheit und Jugend. Mit ein paar Lieblingsbüchern, etwas Geld, das er von der Zwangsarbeit verdient hatte, und seinen Gedichtmanuskripten brach er mit einigen Gefährten in die rumänische Hauptstadt auf. Nach der Ankunft in Bukarest zeigte Paul die in Czernowitz entstandenen Gedichte dem Dichter und Freund Alfred Margul-Sperber, der sehr begeistert war. Paul fand Arbeit bei dem neuen Verlag Cartea Rusa („Das russische Buch“), wo er Manuskripte lektorierte und russische Literatur ins Rumänische übersetzte: die Skizzen Tschechows, Lermontows Roman Ein Held unserer Zeit und das Theaterstück Die russische Frage von Konstantin Simonow. Diese Bücher waren seine ersten Publikationen (signiert unterschiedlich als Paul Aurel, Paul Ancel, A. Pavel) und wurden gut aufgenommen. Paul war nicht wenig stolz auf sie. „Wenn doch meine Mutter dieses Buch hätte sehen können!“ sagte er zu der Lermontow-Übersetzung: „Ich glaube, sie zweifelte manchmal an meinen Fähigkeiten.“28 Sein erstes Gedicht nach der Umsiedlung, Ein Lied in der Wüste, datiert von 1945. „In der Wüste“ ist die Übersetzung des hebräischen Bamidbar, des Titels des 4. Buches Mose: „Und der Herr redete mit Mose in der Wüste Sinai.“29 Wie dieses Gedicht haben auch seine anderen deutschen Gedichte aus dieser Zeit einen apokalyptischen Einschlag. Harmonika beginnt mit: „Der Eiswind hängt über die Steppe des Galgenlicht deiner Wimpern.“30 Seine Gedichte zeichneten ein neuer, unverkennbar surrealistischer Ton aus. Paul hatte direkten Umgang mit führenden rumänischen Surrealisten wie Gherasim Luca und Paul Păun. Surrealismus war für ihn immer mehr als nur eine Schreibtechnik, er war fasziniert von dem genuin politischen, revolutionären Impuls: seinem Nonkonformismus, seiner Nähe zu einem freiheitlichen, undogmatischen Sozialismus. Damit war der Surrealismus auch ein Gegner des Stalinismus.31 Im Rumänischen wurde er immer heimischer durch das Übersetzen aus dem Russischen und dem Deutschen und durch den Kontakt mit der Umgangssprache. Ins

28 CHALFEN, Israel. Paul Celan: Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt am Main: Insel- Verlag. 1979. S. 147. Chalfen schreibt diese Bemerkung Gesprächen mit Ruth Lackner zu. 29 GW I, S. 11. 30 GW III, S. 34. 31 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 70-72.

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Rumänische übersetzte er vier kurzen Parabeln Kafkas: Vor dem Gesetz, Der Ausflug ins Gebirge, Eine kaiserliche Botschaft und Der Fahrgast. Wie schon im Kapitel 2. 2. 3 erwähnt wurde, druckte am 2. Mai 1947 die Zeitschrift Contemporanul die Todesfuge unter dem Titel Tangoul morţii, erstmalig mit dem Namen „Paul Celan“. Noch im gleichen Monat, empfohlen von Margul-Sperber, erschienen in der Zeitschrift Agora die ersten drei Gedichte in deutscher Sprache, auch unter dem neuen Autornamen: Das Gastmahl, Das Geheimnis der Farne, Ein wasserfarbenes Wild.32 Namenswechsel war nicht nur beruflich, sondern auch psychologisch motiviert. „Ancel“ schmeckte zu sehr nach der Alten Welt für einen modernen Autor. Die gute Idee des Anagramms „Celan“ kam schlieβlich von Alfred Margul-Sperbers Frau Jessika. Vermutlich erinnerte sich Celan bei dieser Wahl an den Franziskanermönch Thomas von Celano (Celans Verehrung für den heiligen Franz war groß, was das Gedicht Assisi und wohl auch die Namenswahl für den bald nach Geburt gestorbenen ersten Sohn François zeigt) oder an die lateinischen Wörter „tolonarius“ (althochdeutsch „zolonari“ für „Zöllner“), „celare“ (verbergen), „caelare“ (ziselieren, mit dem Grabstichel arbeiten). Man kann auch die Verbindung zu dem von Paul mehrfach gebrauchtem Wort „schilpen“, resp. „tschilpen“ (mit der Nebenbedeutung „in Holz oder Stein graben“) sehen.33 Die Bukarester Jahre (von April 1945 bis Dezember 1947) waren nicht ganz und gar Wüstenjahre. In dieser Übergangszeit verdiente Paul Geld, um nach Wien übersiedeln zu können. Es waren relativ glückliche Jahre. Nach den Entbehrungen der Kriegszeit konnte man auf Besserung hoffen. Paul liebte die Geselligkeit der Bohemiens, er konnte lachen, sich amüsieren und glücklich sein. Er genoβ die Liebe – an Ruth Lackner Stelle traten neue Lieben, wie Rosa Leibovici, Lia Fingerhut (von Paul „Gioia“ gennant; sie ertränkte sich 1961, Celan gedenkt ihrer in dem Gedicht Aschenglorie), und die Schauspielerin Corina (Ciuci) Markovici.34 Ab Oktober 1947 war der Surrealismus in Rumänien offiziell verboten, am 30. Dezember wurde König Mihail I. zur Abdankung gezwungen und die sozialistische Volksrepublik Rumänien ausgerufen. Als Autor deutscher Sprache im Zeichen des

32 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 66. 33 Ebd. S. 68. 34 Ebd. S. 61.

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Sozialistischen Realismus hatte Celan dort keine Zukunft und weil er sich nicht jagen lassen wollte, verlieβ er das Land.

2.3 Fruchtbare Jahre Celans Schreibens

2.3.1 Wiener doppeltes Buchdebüt

Celans Übersiedlung nach Wien war „eine furchtbar schwere Reise“.35 Die rumänischen Behörden machten systematisch Jagd auf Flüchtlinge angesichts der hohen Zahl von ihnen. Viele wurden verhaftet oder erschossen beim Versuch, die Grenze nach Ungarn zu überschreiten. Doch schaffte es Paul – mit Hilfe bezahlter ungarischer Fluchthelfer. Für alle Czernowitzer war Wien die Sehnsucht. Es war die Stadt groβer Musik und Literatur, von Hugo von Hofmannsthal und Karl Kraus, von Sigmund Freud und Arthur Schnitzler und anderen Geistesheroen, von denen die meisten Juden waren. Paul konnte hier seine Erfahrungen mit dem alltäglichen Antisemitismus unter einstigen Staatsbürgern des Groβdeutschen Reiches machen. Am Anfang der Wiener Monate standen ermutigende Erlebnisse. Otto Basil, Lyriker und Herausgeber der Zeitschrift Plan, der vom Expressionismus und Surrealismus geprägt wurde und dazu ein mutiger Gegner der Nazis war, veröffentlichte Pauls 17 Gedichte im Februar 1948 dank einem Empfehlungsbrief von Alfred Margul- Sperber:

„Sein Werk erscheint mir unter allen Äuβerungen der jüngsten deutschen Dichtergeneration die eigenartigste und unverwechselbarste.“36

Freilich war es in der Folge der Währungsreform vom Jahresende 1947 das letzte Heft der verdienten Zeitschrift. Pauls weiterer Förderer war surrealistischer Maler Edgar Jené, in dessen Atelier am Althanplatz er sogar zeitweise wohnte. Paul fand den Anschluβ an die Wiener Szene surrealistischer Maler und Literaten. Im Rahmen einer surrealistischen Ausstellung der Agathon-Galerie las er surrealistische Lyrik, darunter auch eigene Gedichte.

35 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 81. 36 Ebd. S. 81.

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Es kam zu einem zweiten Debüt Celans im deutsprachigen Raum. Margul- Sperber hatte auch an Max Rychner, den rennomierten Feuilletonchef der Tat in Zürich, geschrieben. Am 7. Februar 1948 stellte er einen unbekannten Jungautor mit folgender Falschmeldung vor:

„Paul Celan ist ein junger Rumäne, der, in einem Dorf rumänischer Sprache aufwachsend, durch merkwürdige Fügung Deutsch erlernt hat und in unsere Dichtung hineingezogen wurde. Auf eigene, auffalend schöne Weise hat er seine Stimme in ihrem Chor erhoben, in dem ursprünglich fremden Element wiedergeboren als ein Dichter.“37

Zu einem lebendigen und bunten literarischen Leben gehörte der einstige Mitschüler Pauls Alfred Gong, der vermutlich Ende 1942 aus einem Lager fliehen hatte. In Wien lebte er bis zu seiner Auswanderung nach New York im Jahre 1951 als Journalist, Hauslehrer und Dramaturg. Auch er schrieb Gedichte, die Paul auf Bitten Gongs regelrecht korrigierte. Die erhaltene Handschrift dieser Texte (entstandenen zwischen 1941 und 1945) mit Pauls Verbesserungsvorschlägen ist ein bedeutendes Dokument. Die Lyrikbände Gras und Omega und Manifest Alpha, die er in den USA herausbrachte, zeigen Gong als den nach Paul begabtesten Lyriker dieser Generation aus der Bukowina. In Wien schloss Paul viele Freundschaften, von denen die wichtigsten mit Ingeborg Bachmann, Klaus und Nani Demus, Milo Dor und Reinhard Federmann waren. Diese Wiener Freunde unterstützen nicht nur seine dichterische Anfänge in Deutschland maβgeblich, sondern betreuten auch seine ersten beiden eigenständigen Publikationen in deutscher Sprache. Mit Ingeborg Bachmann, die in Wien Philosophie studierte, verband Paul neben der Dichtung ein Liebesverhältnis. In ihren vielen Texten finden sich Widmungen, Anspielungen und Zitate auf die Werke des jeweils anderen. Das Gedicht In Ägypten entstand Anfang 1949 und ist in dem Widmungsexemplar von Mohn und Gedächtnis mit dem Kürzel f.D. (für Dich) versehen – wie noch 22 weitere Gedichte. In Ägypten war der Beginn eines umfassenden literarischen Dialogs und Briefwechsels zwischen den beiden Autoren, der bis zu ihrem Tod andauerte. Im August 1948, als Celan Wien schon verlassen hatte, erschien der Katalog zu einer Ausstellung des befreundeten Malers Edgar Jené im Verlag der Agathon-Galerie, der neben einer Vorbemerkung Basils auch einen umfangreichen Essay Celans mit dem Titel: Edgar Jené und der Traum vom Traume enthielt. Im Monat darauf kam in dem

37 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 82.

19 kleinen Verlag A. Sexl in Wien in einer Auflage von 500 Exemplaren sein erster Gedichtband Der Sand aus den Urnen heraus. Er vereinigte 48 Gedichte von den früher 40er Jahren bis in das Jahr 1948 hinein. Aufgrund zahlreicher Druckfehler lieβ er diesen aber schon kurz nach seinem Erscheinen aus dem Verkehr ziehen. Der bedeutendste Lyriker der Nachkriegszeit hatte zwar schon 1948 ein doppeltes Buchdebüt, aber dennoch blieb für weitere vier Jahre unbekannt.38

2.3.2 Erste Jahre des Pariser Exils

Als Celan nach Paris ging, wurde nichts einfacher. Zunächst war er ein wahrhaftiger Niemand: staatenlos, besitzlos, arbeitslos, namenlos. Als ein deutscher Verlag im September 1948 seinen neuen Gedichtband ablehnte, war Paul deprimiert und hatte das Gefühl, „mit dem Himmel und seinen Abgründen zu ringen.“39 Das Jahr 1949 nannte er „ein Schatten- und Dunkeljahr“.40 Zwischen 1948 und 1952 schrieb er nicht mehr als sieben oder acht publizierbare Gedichte pro Jahr. 1949/50 erschienen ein paar Gedichte in der Zeitschrift Die Wandlung, die Aphorismenfolge Gegenlicht in Rychners Die Tat in Zürich, eigene Gedichte und Übersetzungen von Texten Bretons, Aimé Cesaires und anderen im Heft Surrealistische Publikationen. Das war alles. Er verdiente Geld als Fabrikarbeiter, Dolmetscher und Übersetzer, auβerdem gab er privaten Sprachunterricht in Deutsch und Französisch. Er studierte Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft und im Juli 1950 schloβ er sein Studium mit dem Erwerb der Licence ès-Lettres erfolgreich ab. Er lieβ sich auf eine literarische und menschliche Beziehung mit dem Ehepaar Yvan und Claire Goll ein, die am Ende katastrophale Folgen haben sollte. Der dreißig Jahre ältere elsässische Jude , der dem Surrealismus verpflichtet war, hatte Joyce ins Deutsche übersetzt und sich dichterisch mit Themen wie Einsamkeit oder Ruhelosigkeit der Juden befaβt. Seit den 20er Jahren hatte er hauptsächlich französisch, später in den USA auch englisch gedichtet. Er litt längerem

38 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 68-81. 39 SARS, Paul. Ein solcher Ausgangspunkt. In: Christoph Jamme und Otto Pöggeler hrg., Der glühende Leertext. Annäherungen an Paul Celans Dichtung. München: Wilhelm Fink. 1993. S. 23 f. 40 Celans Brief an Ruth Lackner, 2. Dezember 1949, In: CHALFEN, Israel. Paul Celan: Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt am Main: Insel-Verlag. 1979. S. 155.

20 an schwer Leukämie und Celan besuchte ihn regelmäβig im Amerikanischen Hospital von Paris bis zu seinem Tod am 27. Februar 1950. Er schenkte ihm ein Exemplar von Der Sand aus den Urnen und klagte, dass er sich als Dichter miβverstanden fühle.41 Goll fand Gefallen an Celan und seiner Dichtung. Kurz vor seinem Tod begann Goll wieder, auf Deutsch zu schreiben. Er arbeitete an einer Sammlung von Gedichten, die seine Frau nach seinem Tod unter dem Titel Traumkraut veröffentlichte, sowie an einem zweiten deutschprachigen Zyklus Neila. Er bat Celan, Golls französischen Gedichte aus dem Band Élégie d’Ihpétonga suivi de Masques de cendre ins Deutsche zu übersetzen. Goll äuβerte den Wunch, Celan möge diese Übersetzungsarbeit nach seinem Tod fortsetzen. Als er seiner Krankheit erlag, waren seine Witwe und Celan (mit ihm andere junge Dichter wie Klaus Demus) in Trauer vereint. Später, um die Jahreswende 1951/52, behauptete Claire, dass er die noch unübersetzten französischen Gedichte zu „celanisch“ übersetzte. Danach haben die beiden sich nie mehr gesehen.42

2.3.3 Celans Eintritt in die literarische Öffentlichkeit

Im April 1952 verfaβte Celan das Gedicht Zähle die Mandeln, das seinen nächsten Lyrikband abschlieβen sollte. Mit „Mandeln“, die als eine Chiffre für die toten Juden gelten, verbinden sich bei dem Dichter auch Erinnerungen an seine im Lager getötete Mutter, an ihre Augen und auch Augen aller Juden. Kurz nach der Niederschrift dieses Gedichtes reiste er nach Deutschland und besuchte auf Betreiben Ingeborg Bachmanns und seiner österreichischen Freunde ein Treffen der Gruppe 47 in Niendorf an der Ostsee im Mai desselben Jahres.43 Den Anstoβ hatte Milo Dor in einem Brief an den „Gruppenchef“ Hans Werner Richter gegeben und Bachmann wiederholte Dors Bitte, Celan einzuladen:

„einen Freund aus Paris, der sei sehr arm, unbekannt wie sie selbst, schreibe aber sehr gute Gedichte, bessere als sie selbst [...] Sein Name ist: Paul Celan“. 44

41 GOLL, Claire. Unbekanntes über Paul Celan. Im Baubudenpoet 5 (März/April 1960). S. 115 f. 42 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 82-86. 43 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 96-98. 44 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 91.

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Charakteristische Merkmale dieser Gruppierung von Schriftstellern waren Antifaschismus und linke Weltanschauung, also man konnte vermuten, dass Celan unter Gleichgesinnte und Vertraute kam. Aber die Eingeladenen hatten in frühen Jahren dieselbe Biographie: sie waren meist über Jahre Soldaten der Deutschen Wehrmacht gewesen und die meisten von ihnen hätten die Sätze des späten Deserteurs Alfred Andersch unterschrieben: „Die junge Generation stand für eine falsche Sache. Aber sie stand.“45 Ihre kollektive Kriegserinnerung war aus einer völlig anderen Welt als der Celans.46 Er las Ein Lied in der Wüste, In Ägypten, Zähle die Mandeln sowie die praktisch noch unbekannte Todesfuge. Ein triumphaler Erfolg war die Lesung eindeutig nicht. Die Reaktionen waren zurückhaltend bis ablehnend:

„Als Celan zum ersten Mal auftrat“, so erinnert sich Walter Jens, „da sagte man: ,Das kann doch kaum jemand hören!ՙ, er las sehr pathetisch. Wir haben darüber gelacht. ,Der liest ja wie Goebbels!ՙ sagte einer. Er wurde ausgelacht. [...] Die Todesfuge war ja ein Reinfall in der Gruppe! Das war eine völlig andere Welt, da kamen die Neorealisten nicht mit, die sozusagen mit diesem Programm großgeworden waren.“47

Obwohl blieb er mit der Todesfuge missverstanden, initiierte der kränkende Auftritt seinen literarischen Durchbruch. Er wurde von Ernst Schnabel zu einer Lesung beim Rundfunk in Hamburg eingeladen und der Cheflektor der Deutschen Verlags- Anstalt in Stuttgart Willi A. Koch bot ihm einen Vertrag für einen Gedichtband an. Im Herbst 1952 erschien Mohn und Gedächtnis, der Gedichte aus dem Zeitraum von 1944/45 bis 1952 enthielt. Solche Lesereisen wurden danach regelmäβig bis zu seinem Tod unternommen. In ihrem Rahmen führte er Gespräche mit Kollegen und Verlagen, traf Freunde (das Ehepaar Lenz und Peter Härtling in Stuttgart; und auch Rolf Schroers, Paul Schälluck und Heinrich Böll), diskutierte zum Beispiel in Würzburg und Westberlin mit Studierenden. Überhaupt war Stuttgart, nicht nur als Ort seines Verlages, für Celan bis Mitte der 50er Jahre die wichtigste Stadt in Deutschland. Es kam doch auch in Paris während der 50er Jahre vermehrt zu Kontakten mit französischen und deutschen Kollegen (u.a. Wolfgang Bächler, Günter Grass, Karl Krolow). Da die Beziehungen zu französischen Schriftstellern sich nicht selten aus

45 SCHROERS, Rolf: „Gruppe 47“ und die deutsche Nachkriegsliteratur. In: Merkur 19 (1965), S. 453. 46 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 91-92. 47 Ebd. S. 92. Celan zitiert diesen Vorgang auch selbst in einem Brief an K. Demus.

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Celans übersetzerischer Tätigkeit ergaben, arbeitete er 1953/54 an Übertragungen von Georges Simenon, Jean Cayrol und René Char. Im Juli 1954 kam es zum ersten Treffen mit René Char, was Beginn einer intensiven Zusammenarbeit bis zu Celans Tod markierte.48 Das Jahr 1952 war von großer Bedeutung auch aus persönlichen Gründen. Vor Weihnachten heiratete Paul die Malerin und Graphikerin Gisèle de Lestrange. Im Oktober 1953 wurde ihr Sohn François geboren, der aber wenige Tage nach seiner Geburt starb. Das Gedicht Grabschrift für François, das von diesem Verlust spricht, ist das einzige Gedicht, das Paul mit dem Datum seiner Entstehung drucken lieβ. Im Juni 1955 wurde der Sohn Claude François Eric geboren. Im gleichen Sommer wurde Paul auch endlich als Franzose eingebürgert. Er war ein begeisterter, liebevoller Vater. Ab 1957 wohnten die Celans im schönen Trocadéro-Viertel und ab 1962 verfügte die Familie über ein altes Bauernhaus in Moisville in der Normandie, das ein wichtiger Rückzugsort für Celans Schreiben war.49 Betroffen von der Beachtung, die Mohn und Gedächtnis fand, richtete Claire Goll im August 1953 einen „Offenen Brief“ an diverse deutsche Kritiker, Schriftsteller und Verleger und mitteilte, Celans Gedichtband sei eine Imitation von ihres Mannes 1951 erschienenem Nachlaßband Traumkraut.50 Zum Beweis führte sie einige sogenannte „Parallelstellen“ an. Ihre Behauptungen erwiesen sich als haltlos, denn in einigen Fällen die inkriminierten Stellen bei Celan älteren Datums als jene bei Goll waren.51 Kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes Eric erschien der Gedichtband Von Schwelle zu Schwelle mit der Widmung „Für Gisèle“. Der Sammelband war das erste Buch, das ganz aus Paris erwachsen war und es birgt die Spur von Erinnerungen und Begegnungen. Die Gedichte Grabschrift für François, Assisi, Vor einer Kerze, Mit wechselndem Schlüssel, Andenken, Welchen der Steine du hebst, In memoriam Paul Éluard, Schibboleth, Sprich auch Du antworten auf den Erstgeborenen, auf Franz von

48 MAY, Markus – GOSSENS, Peter – LEHMANN, Jürgen. Celan Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart – Weimar: J.B. Metzler Verlag. 2008. S. 12. I Grundlagen. 49 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 90. 50 DÖHL, Reinhard, „Geschichte und Kritik eines Angriffs: Zu den Behauptungen gegen Paul Celan“, Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Jahrbuch 1960, 1961, S. 101-132. Marie Luise Kaschnitz, Ingeborg Bachmann und Klaus Demus, „Entgegnung“, Neue Rundschau 71 (1960), S. 547-549, bezieht sich auf den Brief Claire Golls. 51 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 107.

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Assisi, Parmenides, seine Mutter, seinen Vater, einen kommunistischen Surrealisten, politische Unterjochung, seine frühesten deutschen Kritiker.52 Ende November 1956 vertrat Paul den erkrankten Guido Meister als Lektor für Deutsche Sprache an der École normale supérieure Saint Cloud, ab Oktober 1959 trat er dann eine Stelle an der ENS Rue d’Ulm an, die er bis zu seinem Tod 1970 innehatte.53 Ein groβer Teil der 50er Jahre war für Celan auch mit Übersetzungsarbeiten ausgefüllt. Im Lauf seines Lebens hat er Texte von 43 Autoren aus sieben Sprachen übersetzt und wirkte als Grenzgänger zwischen deutscher, jüdischer, romanischer, slawischer und angelsächsischer Kultur und Literatur.54 Eine wichtige Erfahrung war der politische Eklat um den film Nuit et Brouillard (Nacht und Nebel) von Alain Resnais über die NS-Vernichtungslager, dessen Filmtext von Jean Cayrol Celan 1955/56 ins Deutsche übertragen hatte. Der deutsche Botschafter in Paris Adolf Georg von Maltzan protestierte im Auftrage des Auswärtigen Amtes gegen die beabsichtigte Einreichung des Filmes im Wettbewerb zu den Festspielen in Cannes. Dieser Protest wurde damit begründet, dass dadurch „Haβ gegen das deutsche Volk in seiner Gesamtheit“ erzeugt werde.55 Trotz Proteste fügte sich die französische Regierung dem deutschen Ansinnen und ordnete an, den Film aus dem Programm zu nehmen. In diesen Jahren fand Celan auch Anerkennung und Bewunderung. Als Ausdruck der wachsenden Wertschätzung verlieh 1956 der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Celan seinen Kulturpreis und vor allem am 26. Januar 1958 folgte der Literaturpreis der Freien und Hansestadt Bremen.56 1959 wechselte Celan zum S. Fischer Verlag, wo im gleichen Jahr der dritte Gedichtband Sprachgitter erschien, der vom „schönen Gedicht“ zu der „Poetik der „graueren Sprache“ gelangte.57 Ein neuer Aspekt in Celans poetologischen Reflexionen tritt ausdrücklich an: die Offenheit. Seinen neuen Lyrikband eröffnet bis dahin längstes Gedicht mit keinem Titel, das unter seinem ersten Wort „Stimmen“ bekannt ist. Von

52 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 119. 53 MAY, Markus – GOSSENS, Peter – LEHMANN, Jürgen. Celan Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart – Weimar: J.B. Metzler Verlag. 2008. S. 13. I Grundlagen. 54 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 112. 55 Ebd. S. 107. 56 Ebd. S. 108. 57 Ebd. S. 98.

24 allen Gedichtbänden Celans ist Sprachgitter der schmalste.58 Viele der Gedichte dieses Bandes, sowie auch wichtige theoretische Äuβerungen wie die Antwort auf eine Umfrage der Librairie Flinker belegen, dass er sich immer mehr mit dem deutschen Literaturbetrieb und seinen Repräsentanten auseinandersetzte. Zwischen Mai und Juli 1959 unternahmen die Celans eine ausgedehnte Reise durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. In ihrem Verlauf kam es zu Begegnungen mit Milo Dor, Nani und Klaus Demus, Ludwig von Ficker und Günter Grass. Eine Reminiszenz daran ist die Prosaskizze Gespräch im Gebirg.59 Celan lebte in Frankreich, aber Deutschland kam ihm nahe. Es wurde ihm bald zur „Angstlandschaft“ und sobald er die Grenze zur Bundesrepublik überschritt, wurde er ein anderer, wirkte angespannt und unfrei. Diese Ängste stammten offenbar aus der Tatsache, dass viele ehemalige Nazitäter ein Jahr nach der Beendung des Entnazifizierungsprogramms in den öffentlichen Dienst zurückkehren konnten. Dementsprechend hatten sie den Einfluss auf die Verwaltung, Bildung und Rechtsprechung.60

2.3.4 Das Jahr 1960 und Claire-Goll-Affäre

Im April 1960 brachte die kleine Münchner Literaturzeitschrift Baubudenpoet einen Brief Claire Golls und mit dem Artikel „Unbekanntes über Paul Celan“ beschuldigte sie den Autor explizit des Diebstahls am Werk ihres Mannes. Obendrein verunglimpfte sie ihn charakterlich, gipfelnd im Hinweis auf „seine traurige Legende, die er so tragisch zu schildern wusste“ – „die Eltern von den Nazis getötet, heimatlos, ein großer, unverstandener Dichter“.61 Claire Goll behauptete, Paul habe eine Vielzahl von poetischen Metaphern von ihrem Mann übernommen, so auch die „Schwarze Milch der Frühe“ aus der Todesfuge. Am 1. Februar 1942 veröffentlichte Yvan Goll in der französischen Zeitung Die Stimme Frankreichs das Gedicht Die Aschenhütte mit folgenden Versen:

58 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 136. 59 MAY, Markus – GOSSENS, Peter – LEHMANN, Jürgen. Celan Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart – Weimar: J.B. Metzler Verlag. 2008. S. 13. 60 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 105-106. 61 GOLL, Claire: Unbekanntes über Paul Celan. In: Baubudenpoet, Heft 3, München, Dezember 1959, S. 63.

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Schwarze Milch des Elends Wir trinken dich Auf dem Weg ins Schlachthaus Milch der Finsternis (...)

Diese Zeitung wurde über ganz Europa von Fliegern abgeworfen, so laut Claire sollte das Gedicht auf diese Weise durch einen Zufall in Celans Hände gekommen sein oder er las sie als er 1945 mit den Amerikanern nach Paris kam.62 Im November haben diese weitreichenden Vorwürfe ohne Überprüfung die Welt und Christ und Welt übernommen und die „Plagiatsaffäre“ erreichte ihren Höhepunkt. Paul Celans Ruf als einer der bedeutendsten deutschprachigen Lyriker nach 1945 stand plötzlich in Frage. Er hatte die besten Fürsprecher, die ihn vorbehaltlos verteidigten – von Ingeborg Bachmann, Klaus Demus, Marie Luise Kaschnitz, Peter Szondi (dieser publizierte in der Neuen Zürcher Zeitung eine philologische Widerlegung der Plagiatsvorwürfe) bis hin zu Rolf Schroers, Walter Jens und Hans Magnus Enzensberger. Auf Anregung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung wurde ein Gutachten von Reinhard Döhl erstellt, dass man „die Vorwürfe Frau Golls entschieden zurückweisen“ müsse.63 Sogar Rainer K. Abel, der die Plagiatsthese in mehrere Feuilletons lanciert hatte, widerrief seine Behauptungen und entschuldigte sich bei Celan. Die Verletzungen des Menschen und Autors Paul Celan führten zu einer bleibenden Beschädigung seiner Psyche und seines Lebenwilles. Er reagierte nicht immer souverän, misstraute vielen Menschen ohne Grund, wähnte sich verraten und am Ende brach sogar mit engen Freunden (das wichtigste Beispiel ist seine Freundschaft mit Klaus Demus). Die Verleihung des Büchner-Preises von der Darmstädter Akademie im Oktober 1960 deutete er als Alibi, um ihn hernach umso besser heruntermachen zu können.64

62 GUTU, George. Paul Celan – zwischen Intertextualität und Plagiat oder interreferentielle Kreativität. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. [online]. © INST 1997- 2018. [zit. 2. 8. 2018]. Verfügbar unter: http://www.inst.at/trans/15Nr/03_6/gutu15.htm. 63 DIE GOLL-AFFÄRE – Auslöschung auf Raten. In: Cicero. MAGAZIN FÜR POLITISCHE KULTUR. [online]. © Cicero 2018. [zit. 2. 8. 2018]. Verfügbar unter: https://www.cicero.de/kultur/ausloeschung-auf-raten/47087. 64 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 118.

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Das Jahr 1960 brachte die erste Begegnung mit eine Generation älterer im Mai in Zürich, mit der er über 15 Jahre hinweg, von 1954 bis 1969, in Briefkontakt stand. Beide waren Opfer des deutschen Antisemitismus, beide lebten auβerhalb Deutschlands und waren nach 1945 Auβenseiter des deutschen Literaturbetriebs, beide verfassten Gedichte. Pauls Gedicht Zürich, Zum Storchen spricht durch die Widmung „Für Nelly Sachs“ von ihrer schwierigen Begegnung, die allerdings tragische Folgen hatte. Paul warnte sie im Gespräch vor einem neu aufkeimenden Antisemitismus und rief alte Verfolgungsängste in ihr wach. Als sie nach Stockholm zurückkam, verschlechterte sich ihr psychischer Zustand rapide und sie wurde im August in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Als Celan besorgt die lange Bahnreise nach Stockholm machte, erkannte sie ihn nicht oder sie wollte ihn nicht empfangen. Doch kam es dann in den folgenden Tagen zu mehreren Begegnungen in der Klinik. Nach seiner Rückkehr nach Paris suchte er den so verehrten Martin Buber in seinem Hotel auf. Er war tief enttäuscht, weil Buber kein offenes Ohr für seine Nöte hatte und den Deutschen gegenüber, so wie Nelly Sachs, eine versöhnliche Einstellung vertrat. Nelly Sachs blieb für drei Jahre in der Psychiatrie. Zwar wurde der Briefwechsel wiederaufgenommen, aber Entfremdung auf Celans Seite überwog. Diese Ereignisse und die daraus resultierende Bitterkeit spiegelten sich im Titel seines nächsten Gedichtbandes Die Niemandrose (1963) wider, wo die Negativität höchst präsent wird. Die sprachliche Ausweitung der Negativität durch die Verwendung der Begriffe „Niemand“ und „Nichts“ im vor allem religiösen Kontext ist zugleich verbunden mit Provokation.65

2.3.5 Die Jahre nach 1960

Innerhalb von acht Jahren wurde Paul Celan zu einem berühmten und hoch angesehenem Lyriker. Mit der Verleihung des Georg-Büchner-Preises im Herbst 1960 war der Gipfel erreicht. Ausdruck dessen war die ihm 1960 offenstehende Poetikdozentur an der Universität Frankfurt am Main, die erwogene Wahl in die Westberliner Akademie der Künste 1962/63, ein ihm 1964/65 vom S. Fischer Verlag

65 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 113-118, S. 121-122.

27 angebotenes Gastlektorat sowei ein Stipendium der Ford-Foundation für Berlin – alle diesen attraktiven Angebote lehnte er ab. Wegen seiner Erfahrungen wollte er nicht mehr in Deutschland leben aber in Paris fühlte er sich fremd. Die ältesten und fernsten Beziehungen werden plötzlich wieder zu den nächsten: die zu den Czernowitzer und Bukarester Freunden, wie zum Beispiel Erich Einhorn, Alfred Margul-Sperber und Petre Solomon.66 Er setzte seine reichliche Übersetzungstätigkeit fort. 1961 arbeitete er an einer Reihe von Dickinson-Gedichten, um danach zu den Sonetten Shakespears zurückkehren. Er übersetzte Gedichte vor allem aus dem Französischen, aber auch aus dem Rumänischen, Russischen, Portugiesischen, Italienischen, Englischen und Hebräischen. Zwei Bände der Gesammelten Werke mit insgesamt über 1500 Seiten enthalten Übersetzungen von 42 Lyrikerinnen und Lyrikern, dazu das Drama von Picasso und Resnais’ Dokumentarfilm über Auschwitz. Um Weihnachten 1962 machte Paul eine ziemlich schwere Depression durch, aber Ende Januar konnte er die Arbeit an der École wieder aufnehmen. Die Krankheit kam von der Verbitterung über die deutsche Literaturindustrie, die Ängsten durch die Plagiatsaffäre und von dem her, was 20 Jahre zuvor geschehen war.67 Trotz anhaltender Verstörungen der geschilderten Art waren die Jahre von 1963 bis 1965 eine dichterisch produktive Phase. Der gröβte Teil des Bandes Atemwende entstand, bis sich Celan im Mai 1965 wieder für Wochen in eine psychiatrische Klinik begeben musste. Den Band konnte er jedoch im September beenden. In der Klinik las er die Stücke Shakespeares und schrieb das einzige Gedicht, dem er einen englischen Titel gab: Give the Word – dieses sagt der umnachtete König Lear auf der Heide zu Edgar (Akt 4, Szene 6), um das Losungswort zu fordern. Der Titel verzichtet auf das Deutsche zugunsten umnachteter Sprache.68 Seine neue Sammlung Atemwende, die 1967 im Suhrkamp Verlag erschien, nimmt einen bedeutenden Platz in Paul Celans Werk an. Das Motto „Reite für die Treue“ aus dem 45. Psalm in der Übersetzung Martin Bubers und das Datum 23. November 1965 schrieb er an seinem Geburtstag über eine Liste von Gedichten.69

66 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 123-124. 67 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 260-263. 68 Ebd. S. 291-292. 69 Ebd. S. 294.

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„Reite für die Treue“ konnte auch bedeuten „reite für den Glauben“, wie Deutschordensritter und Kreuzritter. Im ständigen Bezug auf das Werk Georg Büchners, aber auch auf Pascal, Mallarmé, Landauer, Kafka und den russischen Philosophen Lew Shestow hatte der Autor eine explizite Kritik an der Kunst vorgetragen und ihr die Dichtung entgegengesetzt.70 Am 23. September 1965 erschien eines der bedeutendsten Zeugnisse der künstlerischen Affinität zwischen Gisèle und Paul – die bibliophile, mit acht Radierungen von Gisèle ausgestattete Ausgabe des Zyklus’ Atemkristall. Im April 1966 eröffnete das Pariser Goethe-Institut eine Ausstellung, die Celans Gedichte mit dem graphischen Zyklus seiner Frau unter dem gemeinsamen Titel vereinte. Noch im selben Jahr erschien ein bibliophiler Druck dieser Gedichte und Radierungen. Zwei Jahre später entstand ein zweiter Zyklus, publiziert 1969 in der gleichen Ausstattung wie Atemkristall unter dem Titel Schwarzmaut, dessen Gedichte aus dem Zyklus später in den Band Lichtzwang eingingen. Dieses gemeinsame Buch zeigt, dass die enge Beziehung zwischen Celan und seiner Frau auch nach seinem Auszug aus der Familienwohnung im November 1967 nicht aufhörte.71 Zwischen November 1965 und Juni 1966 musste Paul sich durchgehend auf psychiatrischen Stationen bei und in Paris aufhalten, wo die Behandlungen massiv waren. Psychopharmaka und Elektroschocks spielte eine entscheidende Rolle. In diesen Jahren entstand der Gedichtzyklus mit dem sprechenden Titel Eingedunkelt. Etwa ein halbes Jahr später musste er sich aufgrund einer schweren psychischen Krise erneut in eine Klinik begeben. Danach kehrte er nicht in die Familienwohnung zurück, denn er nicht nur für sich selbst, sondern auch für Frau und Sohn zu einer groβen Belastung und manchmal sogar Gefahr wurde. Zwischen Klinikaufenthalten übte Paul seine Beruf als Lektor für deutsche Sprache und Literatur und er unternahm Lese- und Besuchsreisen nach Deutschland und anderswohin. Während dieser Zeit las er intesiv und versuchte, seine Situation künstlerisch zu verarbeiten.72 Juli 1967 begegnete er den Philosopher Martin Heidegger, den Mann, der unter Hitler 1933 / 34 Rektor der Universität Freiburg war, der 1935 die „innere Wahrheit und Gröβe“ des Nationalsozialismus erklärte, der noch 1936 seine Briefe mit „Heil Hitler“

70 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 129. 71 Ebd. S. 134-135. 72 Ebd. S. 137-138.

29 unterzeichnete, der seine Studenten mit Hitlergruβ grüβen lieβ und ein Parteiabzeichen trug. Sie kamen aus zwei Welten: der Jude und der Nazi, der Dichter und der Denker, das Opfer und der Täter. Nach der Begegnung schrieb Celan das Gedicht Todtnauberg.73 Heidegger reagierte darauf mit einem Brief vom 30. Januar 1968 und dem Gedicht Vorwort. Diesen Brief nennt John Felstiner nichtssagend, weil er nur konventionelle Dankesfloskeln enthielt. Vielleicht sagt der Brief auch alles. Heidegger gibt es mit einer immunen Wendung zu verstehen, er habe Celans „Ermunterung“ und „Mahnung“ durchaus bemerkt.74

2.3.6 Celans israelische Erfahrung

Im Jahr 1969 unternahm Paul auf eine Einladung des Verbandes hebräischer Schriftsteller eine Reise nach Israel. Jerusalem trat als entscheidender Ort seines Lebens. In den ersten Wochen seines Aufenthalts erlebte er die positiven Erfahrungen. Er sah Verwandte und Jugendfreunde wieder und traf sich mit Bukowiner Landsleuten. Am 8. Oktober las er seine Gedichte in Jerusalem und bewegte tief das Publikum. Seine Lesung in Tel Aviv am folgenden Tag irritierte ihn dann allerdings beträchtlich. Er fühlte sich sehr vereinsamt dabei. Es war ihm klar, dass die unbezwingbare Fremdheit sein Schicksal war. Er erkannte, dass er nicht zu den Menschen aus seiner Heimat gehörte. Israel, vor allem Jerusalem, schenkte Paul eine zweifache Erfahrung: das Wiedersehen mit seiner aus Czernowitz stammenden Jugendfreundin Ilana Shmueli. Ihre Begegnung wurde eine Liebe. Nach seiner Rückkehr nach Paris am 17. Oktober schrieb er bis in den Dezember hinein 19 Gedichte. Diese Gedichte kreisen um die Erfahrung Jerusalems und seine Begegnung mit Ilana und sie bilden den zweiten von drei Abschnitten im letzten Lyrikband Zeitgehöft, veröffentlicht 1976 aus dem Nachlaβ. Ilana Shmueli nennte die Jerusalem-Gedichte „ein ganz eigenes, Celansches Hohelied.“75

73 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 312. 74 ASSHEUER, Thomas. Die Schlieren im Auge der Sprache. In: ZEIT ONLINE. [online]. 13. Februar 1998. [zit. 14. 8. 2018]. Verfügbar unter: https://www.zeit.de/1998/08/Die_Schlieren_im_Auge_der_Sprache/seite-2. 75 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 157.

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Celans in Israel erfahrene Erfüllung und geradezu euphorische Stimmung konnte nicht anhalten. Am 23. November, an seinem 49. Geburtstag, schrieb er an Shmueli:

„Ich fühle, ich weiβ, daβ die Kräfte, die ich in Jerusalem hatte, geschwunden sind [...] Bringst Du ein Wunder mit, bringt Dich ein Wunder mit?“76

Sie besuchte ihn dann kurz vor Weihnachten in Paris und war, mit Unterbrechungen, bis Anfang Februar 1970 viel mit Celan zusammen.77

2.3.7 Celans letzte Lebensmonate

Seit dem Jahr 1963 nehmen Celans Gedichte immer häufiger medizinische sowie körper- und krankheitsbezogene Termini in sich auf (Schläfenzange, Nervenzellen, Hirnberg, Hirnstamm, Hirntransplantat, Hirnmantel, Hirnsichel, Schläfenlappen, Gehörgang, Sehpurpur, Sehstamm, Herzstamm, Aortenbogen, Kranzarterien) und manifestieren damit auch seine Klinikerfahrungen. In den Vordergrund tritt vor allem ein Wort: Wahn. In den Bänden seit Atemwende begegnen ausschlieβlich die Komposita Wahnbrot, Wahndock, Wahnfahrt, wahnfeste, Wahngang, Wahngänger- Augen, Wahnsold, Wahnstiege, wahnwitzig-offen.78 Das Gedichtwerk aus den letzten Lebensjahren ist versammelt in den Bänden Lichtzwang, Schneepart und Zeitgehöft (aus dem Nachlaβ) und ist ein erschütterndes Zeugnis des tief verletzten und gezeichneten Autor-Ichs Paul Celan und zugleich ein Dokument des Widerstands. Im März 1970 reiste Celan ein letztes Mal nach Deutschland, wo er in Stuttgart neue Gedichte zur Tagung der Hölderlin-Gesellschaft las. Auf dieser Bild Nr. 4: Celan in Paris, 1970 Reise machte er verstärkt Erfahrungen der

76 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 157. 77 Ebd. S. 153-154, 157-158. 78 Ebd. S. 160.

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Unachtsamkeit und Gleichgültigkeit gegenüber seiner Dichtung, was ihn besonders bei Hölderlin-Gelehrten tief kränkte. Über Celans letzte Pariser Lebenswochen ist wenig bekannt. Er hielt weiter seine Lehrstunden ab, ein Seminar zu Erzählungen Kafkas und auch eine Übersetzungsübung zu Günter Grass’ Die Blechtrommel. Er telefonierte und traf sich wie gewöhnlich mit Gisèle, Eric und auch mit befreundeten Kollegen der Zeitschrift L’Éphémère wie Jean Daive und Jacques Dupin. Jacques rief er am 17. April an, als er von einer Vernissage seines graphischen und poetischen Werks in einer Bonner Galerie nach Paris zurückgekehrt war. Der Erstdruck von Celans Übersetzung von Dupins Gedichtzyklus La nuit grandissante erschien unter dem Titel Die Nacht gröβer und gröβer im Katalog zu dieser Ausstellung. Bei diesem Anruf Duphins schwieg Celan selbst, schlieβlich den Hörer aufgelegt. In der Nacht zum 20. April bemerkte Gisèle das Verschwinden ihres Mannes. Am 1. Mai wurde sein Leichnam bei Courbevoie aus der Seine geborgen. Am 12. Mai, dem Tag, an dem Nelly Sachs starb, wurde er auf dem kahlen Vorortfriedhof von Thiais beigesetzt. Auf demselben Friedhof war der gemeinsame Sohn François im Oktober 1953 bestattet worden.79 Celans Tod durch Ertrinken wird als Selbstmord erklärt. Es ist wahrscheinlich, dass er in der Nacht vom 19. auf den 20. April 1970 am Pont Mirabeau in die Seine gegangen ist. Er hatte seine karge Wohnung in geordnetem Zustand hinterlassen. Ein Abschiedsbrief fand sich nicht. Auf seinem Schreibtisch lag eine aufgeschlagene Hölderlin-Biographie an der von Clemens Brentano stammenden und von Celan angestrichenen Stelle:

„Manchmal wird dieser Genius dunkel und versinkt in den bittern Brunnen seines Herzens.“80

Vielleicht fühlte Celan sich zu allein, vielleicht fühlte er auch einen neuen Anfall seiner Krankheit kommen, eine neue Klinikhaft, neues Leiden von seinen Medikamenten, wovon er sich befreien musste. Im Februar hatte er über seinen Zustand an Ilana Shmueli geschrieben:

79 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 164-166. 80 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 363.

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„Die Ärzte haben da viel zu verantworten, jeder Tag ist eine Last, das was Du „meine eigene Gesudgheit“ nennst, kann es wohl nie geben, die Zerstörungen reichen bis in den Kern meiner Existenz ... Man hat mich zerheilt!“81

Viel wurde auch spekuliert, dass die Erstveröffentlichung von Immanuel Weiβglas’ Gedicht Er von 1944 in der Bukarester Zeitschrift Neue Literatur, in dem sich Motive der Todesfuge finden, Celan veranlasst haben, sich das Leben zu nehmen. Angesichts dieser Publikation wurde er erneut von der Sorge erfaβt, die alten Plagiatsanschuldigungen könnten sich in massiver Weise wiederholen.82

81 EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999. S. 159. 82 Ebd. S. 167.

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3 Paul Celans Werk

3.1 Zur Dichtung Paul Celans

Paul Celan gilt als der prominenteste Nachkriegsdichter der deutschen Sprache, der auf den späten Symbolismus, Expressionismus und Surrealismus zurückgriff. Celans schwierige Poesie voller Chiffren spiegelt seinen komplizierten Ursprung wider – dieser Dichter mit jüdischen Vorfahren wurde in Czernowitz geboren, wo viele verschiedene europäische Völker seit Jahrhunderten koexistierten. Unter ihnen lebte dort eine zahlreiche jüdische Minderheit, deren kommunizierende Sprache Hochdeutsch war. Auf dem Gebiet der Bukowina wurde eine einzigartige deutsche Schriftliteratur geschaffen. Celan verließ Czernowitz 1945 und nach einigen Jahren, die er in Bukarest und Wien verbracht hatte, wanderte er nach Paris aus, wo er sich schließlich niederließ. Nicht nur aus Tagebüchern und Korrespondenzen ist es mehr als offensichtlich, dass selbst Frankreich für Celan kein neues Zuhause wurde. Wenn man in Celans Poesie über dem Zuhause sprechen will, geht es um immer noch evoziertes Gefühl von seinem Verlust, irgendein Nicht-Zuhause, die Leere, die zurückblieb. Obwohl Celan in damals Rumänien geboren wurde, lebte er weniger als ein Jahr in Österreich und weigerte sich, in Deutschland zu leben, blieb als seine literarische Sprache seine Muttersprache, das Deutsche. Das Problem der Obdachlosigkeit, sowohl individuell als auch kollektiv, ist das zentrale Thema Celans Poesie. Celan ist der führende Vertreter von Dichtern und Dichterinnen jüdischer Herkunft, die trotz der erschreckenden Holocaust-Erfahrungen weiterhin versuchten, Gedichte zu schreiben, und überdies auf Deutsch, in der Mördersprache. Die Poesie der Bukowiner Autoren, die die Verfolgung der Juden und ihre Massenvernichtung thematisiert, versucht, das Unaussprechliche mit Hilfe des Verses zu benennen, oft wieder in der traditionellen poetischen Form – im Gegensatz zu der berühmten Aussage Philosophen Theodor W. Adorno: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“.83

83 ADORNO, Theodor W. Kulturkritik und Gesellschaft. In: Gesellschaftstheorie und Kulturkritik. Frankfurt a. M. 1975. S. 65.

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Celans literarische Anfänge sind geprägt von dem späten Symbolismus und den Traditionen, die durch kulturelle Einflüsse, insbesondere aus Wien, nach Czernowitz vermittelt wurden; gleichzeitig sind sie stark beeinflusst von dem Lesen deutscher Klassiker, von Friedrich Hölderlin über Georg Büchner bis Stefan Georg, und Georg Trakel. Offensichtlich handelt es sich um Poesie gesättigt mit Zitaten und Allusionen – diese Problematik wurde später für Celans Leben grundlegend (sogenannte Goll-Affäre). In Bukarest kam Celan in Kontakt mit dem Surrealismus, der sein späteres poetisches Werk bemerkenswert zeichnete. Celans Poesie erfuhr eine radikale Veränderung und in seinem berühmtesten Gedicht Todesfuge verließ er den klassischen gebundenen Vers. Seine erste Sammlung Der Sand aus den Urnen, die 1948 in Wien erschien, enthält immer noch Gedichte aus der Czernowitzer Zeit, für zahlreiche Fehler ließ er jedoch den Band einstampfen. Die erste offizielle Sammlung und zugleich der erste große Erfolg seiner Dichtung war die Sammlung Mohn und Gedächtnis, die 1952 in Stuttgart erschien, zur Zeit von Celans Pariser Emigration. Nach dieser Sammlung wurden während seines Lebens noch fünf andere Gedichtsammlungen veröffentlicht und in den 70er Jahren erschienen vier postum versammelte Anthologien der Nachlaßtexte. Alle Sammlungen wurden in Deutschland herausgegeben. Celans Dichtung erlebte bemerkenswerte Veränderungen bis zu ihrem Finale. Traditionell wird seine Poesie als hermetisch bezeichnet, aber Celan selbst verteidigte sich gegen eine solche Bezeichnung – seine Gedichte beziehen sich oft auf konkrete historische und politische Ereignisse. Der Eindruck der Unverständlichkeit wird durch radikale Arbeit mit der Sprache hervorgerufen, die sich in prägnanten Verkürzungen, der Bildung von Neologismen und der Mischung von Bedeutungen und Stilsschichten manifestiert. Das Ziel seiner Poesie war es, die poetische Sprache bis an die Grenze der Klarheit zu bringen und auf die Unmöglichkeit, einige Erfahrungen auszudrücken, hinzuweisen. Für das Verständnis Celans Werks dienen höchst aufschlußreiche Reden: die Bremer Ansprache anlässlich der Verleihung des Literaturpreises der Freien Hansestadt Bremen 1958 und, vor allem, die Rede mit dem Titel Der Meridian zur Verleihung des

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Büchner-Preises 1960, die, wie Hermann Korte schreibt, „zu den wenigen poetologischen Manifesten gehört, welche seit 1945 geschrieben wurden“.84 Häufige dichterische Korrespondenzen mit literarischen Freunden, von denen die meisten veröffentlicht wurden, verraten dann viel über die Hintergründe der einzelnen Gedichte. Vielleicht die größte und wertvolle Hilfe ist der ausführliche Kommentar von Barbara Wiedemann, erschienen 2003 im Suhrkamp Verlag.

3.2 Das Frühwerk

Paul Celans Frühwerk umfasst alle Gedichte, die in der Bukowina und in Bukarest entstanden. Die Entstehung dieser Gedichte ist also datiert zwischen den späten 30er Jahren und April 1945 bzw. zwischen April 1945 und Ende November 1947. Sie wurden von Celan nicht selbst veröffentlicht. Von den in Wien entstandenen Gedichten hat er möglicherweise alle publiziert. Ein groβer Teil der bis Mitte 1944 entstandenen Gedichte ist in einem Notizbuch für die Freundin Ruth Kraft enthalten, das unter dem Titel Gedichte 1938-1944 als Faksimilie und Transkription publiziert wurde.85

3.2.1 Winter (1942)

In den Gedichten von Paul Celan ist „Schnee“ fast immer ein Symbol des Todes. Die Metapher des Schnees verweist auf die Abwesenheit, die Leere, die Kälte, Leiden und Tod. Die kalte Winter des Jahres 1942 kostete Celans Mutter das Leben, als sie mit Tausenden Czernowitzer Juden nach Transnistrien deportiert wurde und unter dicken Schneedecke begraben lag. Unter diesem Eindruck wurde einige Vierzeiler mit dem Titel Winter geschrieben, die noch in der Bukowina entstanden sind:

ES FÄLLT NUN, MUTTER, Schnee in der Ukraine: Des Heilands Kranz aus tausend Körnchen Kummer. Von meinen Tränen hier erreicht dich keine.

84 KORTE, Hermann. Geschichte der deutschen Lyrik seit 1945. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag. 1989. S.91. 85 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 880.

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Von frühern Winken nur ein stolzer stummer . . .

Wir sterben schon: was schläfst du nicht, Baracke? Auch dieser Wind geht um wie ein Verscheuchter . . . Sind sie es denn, die frieren in der Schlacke – die Herzen F a h n e n und die Arme L e u c h t e r?

Ich blieb derselbe in den Finsternissen: erlöst das Linde und entblößt das Scharfe? Von meinen Sternen nur wehn noch zerrissen die Saiten einer überlauten Harfe . . .

Dran hängt zuweilen eine Rosenstunde. Verlöschend. Eine. Immer eine . . . Was wär es, Mutter: Wachstum oder Wunde – versänk ich mit im Schneewehn der Ukraine? [F 68]

In seiner Lyrik ist es zum ersten Mal, dass ein Ortsname, eine reale Gegend, figuriert. Das Reimwort „Ukraine“ erscheint in der ersten und in der letzten Zeile des Gedichts. Der „Kranz des Heilands“ ist nicht so sehr Pathos als Ironie – wie wenn eine christliche Ikone einem jüdischen Opfer zum Trost gereichen könnte. Und wo die Arme der Opfer „Leuchter“ sind, bewahrt dieses Wort auch den Sinn der im Buch Exodus von Gott befohlenen „Menora“. Bei der allgemeinen Verbreitung der Leidensgeschichte Jesu übersieht man leicht die Bitterkeit in diesem und anderen frühen Gedichten, die jüdisches Leiden gegen das Christentum setzen. Eine tiefverwurzelte jüdische Tradition is bedroht, wenn mit dem einzigen Enjambement des Gedichts „zerrissen / die Saiten einer überlauten Harfe“ wehen. Harfen tauchen oft in den frühen Gedichten auf, wo sie für die Vertreibung stehen. „An den Wassern zu Babel saβen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten“, beginnt der 137. Psalm: „Unsere Harfen hingen wir an die Weiden, die daselbst sind.“ In jener Zeit schrieb Celan den Chanson juive, später umbenannt in An den Wassern Babels. Das erste Wort ist bedeutsam: „Wieder an dunkelnden Teichen / murmelst du, Weide, gram“ (F 70). In dem Gedicht Winter übernehmen die zerrissenen Harfensaiten nicht so sehr Lobpreis oder Zorn aus den Psalmen als vielmehr Verzweiflung. Die letzte Frage des Gedichts wendet sich an Celans Mutter und zugleich sein künftiges Publikum.86

86 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 43.

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Das Andenken an die Mutter und an ihr tragisches Schicksal entsteht vor uns als eine Form der Bewahrung von etwas, das weder vergessen werden kann noch darf. Die Mutter wird auch als „Unverlorene“ bezeichnet, in der aus dem Jahr 1965 stammenden Version des Gedichts Wolfsbohne. Diese Evokation tritt in der ersten Linie im Celans Frühwerk auf, namentlich auch in einem anderen Gedicht Nähe der Gräber (1944). In diesem Gedicht stehen der Fluss Bug in Transnistria, die Felder mit den Mühlen, die Espen und Weiden als Zeugen des Schicksals, das die Mutter, die Celan in seiner Kindheit und Jugend die Beziehung zur deutschen Sprache und Literatur vermittelt hatte, erleiden musste. „Und duldest du, Mutter, wie einst, ach, daheim, / den leisen, den deutschen, den schmerzlichen Reim?“ Es fällt nun, Mutter, Schnee in der Ukraine steht übrigens in einem engen Zusammenhang mit einem anderen Gedicht aus derselben Zeit, Espenbaum (1945), das das Verschwinden der Mutter durch das direkte Ansprechen von Elementen aus der Natur thematisiert, um, im Kontrast dazu, das Bild der Mutter – die nicht alt werden durfte, die nicht heimkam und die für alle Brunnen weint – zu evozieren.87

3.3 Der Sand aus den Urnen (1948)

Im Oktober 1948 erschien Celans erster Gedichtband Der Sand aus den Urnen im Wiener Verlag A. Sexl. Es handelt sich um die erste Ausgabe von Gedichten Celans in Buchform. Man vernahm einen dunklen, nie gehörten Ton: seine Poesie erzählte von Verfolgung, Mord und Exil. Celan hat den Druck nicht selbst überwacht, sondern seinen Wiener Freund und Förderer, den Maler Edgar Jené, damit beauftragt. Dieser hat die Korrekturen zumindest nicht sehr sorgfältig vorgenommen, was die zahlreichen, zum Teil sinnentstellenden Druckfehler erklärt, derentwegen Celan das Buch aus dem Handel zurückgezogen hat.88 Von den 300 Exemplaren wurden nach Angabe des Verlags neun im Buchhandel verkauft. Die von Celan handschriftlich in verschiedene Handexemplare eingetragenen Textkorrekturen dürften aus der Zeitdirekt nach dem Erscheinen stammen. Die beiden Lithographien von Jené hat Celan später als geschmacklos bezeichet und aus allen

87 ENCARNACAO, Gilda: Fremde Nähe: das Dialogische als poetisches und poetologisches Prinzip bei Paul Celan. Würzburg: Königshausen u. Neumann. 2007. S. 16-17. 88 Dreizehn der insgesamt 48 Gedichte des Bandes enthielten Fehler.

38 seinen Exemplaren entfernt; ob er vor Druckbeginn wuβte, welche Bilder Jené dem Buch beigeben wollte, ist nicht bekannt.89

3.3.1 Nähe der Gräber (1944)

Kennt noch das Wasser des südlichen Bug, Mutter, die Welle, die Wunden dir schlug?

Weiß noch das Feld mit den Mühlen inmitten, wie leise dein Herz deine Engel gelitten?

Kann keine der Espen mehr, keine der Weiden, den Kummer dir nehmen, den Trost dir bereiten?

Und steigt nicht der Gott mit dem knospenden Stab den Hügel hinan und den Hügel hinab?

Und duldest du, Mutter, wie einst, ach, daheim, den leisen, den deutschen, den schmerzlichen Reim? [GW 3:20]

Nähe der Gräber entstand in Czernowitz nach Celans Rückkehr aus Kiew. Anfang Juli 1944 war er in Kiew im Rahmen eines Arbeitseinsatzes als medizinische Hilfskraft in der Czernowitzer Psychiatrischen Klinik von Dr. Pinkas Mayer.90 Das Gedicht selbst ist noch, wie manches andere in dieser Zeit, gereimt. Abermals ist der Vers um das Wort „Mutter“ zentriert, wie in Winter. Das sentimentale „wie einst, ach, daheim“ drück die Sehnsucht Celans nach jenem Ort aus, wo er zum ersten Mal Lieder in der Muttersprache hörte, Lieder, deren Tonfall in diesen Zeilen widerklingt. Als die Muttersprache in den Dienst der Mörder seiner Mutter trat, fiel ein Bahrtuch auf sie. Die letzte Frage des Gedichts ist besiegelt mit einem Reim auf Deutsch und gegen das Deutsche.91

89 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S.581-582. 90 Ebd. S. 586. 91 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 50.

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3.4 Mohn und Gedächtnis (1952)

Kurz vor Weihnachten 1952 erschien Mohn und Gedächtnis als erster Gedichtband Celans in Deutschland bei der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart. Der Band stellt eine konsequente Weiterentwicklung des Vorgängerbandes Der Sand aus den Urnen, dessen 26 Gedichte Celan in den neuen Band übernommen hat. Dieser enthält insgesamt 56 Gedichte. Die Gedichte von Mohn und Gedächtnis zeugen von Celans Bemühungen um einen eigenständigen dichterischen Weg. Für seine Dichtung ist charakteristisch das Verfahren, mit verdeckten Zitaten und Anspielungen die dichterische Tradition im eigenen Gedicht zu vergegenwärtigen und traditionelle lyrische Vokabeln mit der Wirklichkeit des Dichters zu konfrontieren. In der entstandenen dialogischen Situation werden Worte wie „Auge“, „Hand“, „Herz“, „Nacht und Rose“ in einem neuen Kontext befragt und aktualisiert. Celan verwendet biblisches Vokabular (Ein Lied in der Wüste, Todesfuge, In Ägypten), verweist auf antike Mythen wie die Argonautensage (Das Gastmahl, Dunkles Aug im September) oder die Sage von Deukalion und Pyrrha (Spät und Tief), auf Märchen (Der Reisekamerad) oder auf Volks- und Kinderlieder (So bist du denn geworden, Die feste Burg).92

3.4.1 Espenbaum (1945)

Celan veröffentlichte Espenbaum allein 1948 dreimal, was die Bedeutung des Gedichts für ihn beweist. Es trägt autobiografische Züge. „Espenbaum“ ist ein poetisches Denkmal, das an Celans Mutter gerichtet ist. Das Gedicht arbeitet ohne Reim und beantwortet so die Frage des letzten Verses des Gedichts Nähe der Gräber: „Und duldest du, Mutter, wie einst, ach, daheim, / den leisen, den deutschen, den schmerzlichen Reim?“ Es setzt in seinem festen Versmaβ Naturgeschehen gegen Menschengeschehen:

Espenbaum, dein Laub blickt weiß ins Dunkel. Meiner Mutter Haar ward nimmer weiß.

92 MAY, Markus – GOSSENS, Peter – LEHMANN, Jürgen. Celan Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart – Weimar: J.B. Metzler Verlag. 2008. S. 60.

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Löwenzahn, so grün ist die Ukraine. Meine blonde Mutter kam nicht heim.

Regenwolke, säumst du an den Brunnen? Meine leise Mutter weint für alle.

Runder Stern, du schlingst die goldne Schleife. Meiner Mutter Herz ward wund von Blei.

Eichne Tür, wer hob dich aus den Angeln? Meine sanfte Mutter kann nicht kommen. [GW 3:40]

In dem Gedicht ist ein harter Kontrast zwischen der unverändert schönen, lebendigen Natur und der ermordeten Mutter, „wund von Blei“, formuliert. Jede Strophe kann in zwei unterschiedliche Bilder zergliedert werden. Auf der einen Ebene befindet sich das Natürliche und Weltliche, auf der anderen das Persönliche. Der einfache Aufbau des Gedichts und sein Natureingang, für das es Vorbilder im rumänischen Volkslied gibt, machen dem Leser das Verständnis leicht.93

3.4.2 Die Todesfuge (1945)

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts wir trinken und trinken wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends wir trinken und trinken Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr anderen spielt weiter zum Tanz auf

93 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 80.

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Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends wir trinken und trinken ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith [GW 1:41]

1944 kamen einige der nach Transnistrien deportierten Bukowiner nach Czernowitz zurück, darunter Pauls Klassenkameraden Immanuel Weißglas und Alfred Kittner. Diese Dichter haben mit ihren Familien die Umsiedlungen überlebt. Kittner glaubt, Paul Celan müsse „einen schweren, nie überwundenen psychischen Schock erlitten und sein Gewissen schwer belastet gefühlt haben. Es war der Gedanke, dass er vielleicht die Ermordung seiner Eltern im Lager hätte abwenden können, wenn er mit ihnen gegangen wäre. Dieses Schuldgefühl dürfte den ersten Anstoβ zu seiner späteren schweren psychischen Erkrankung gegeben haben, die schlieβlich zu seinem Freitod führte.“ Als Frucht jener Monate, da der Krieg endete, schrieb Paul ein Gedicht, das zum Inbegriff für Dichtung „nach Auschwitz“ wurde: Todesfuge. Kittner erinnert sich weiter:

„Im Spätfrühling 1944 war ich, aus dem Lager befreit, in [...] Czernowitz zurückgekehrt. Nicht lange danach dürfte es gewesen sein, dass er mit eines Vormittags [...] die kurz zuvor entstandene Todesfuge vorlas, die mir bei aller Bewunderung, die ich für sie empfand, allzu kunstvoll, zu vollendet dünkte, gemessen an den Schrecknissen, denen ich kaum entronnen war.“94

94 KITTNER, Alfred. „Erinnerungen an den jungen Paul Celan“. In: Zeitschrift für Kulturaustausch 32. 1982. N. 3, S. 218.

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Das Gedicht erschien im Mai 1947 unter dem Titel Tangoul mortii (Todestango) in rumänischer Übersetzung Celans Freundes Petre Solomon in der Zeitschrift Contemporanul. In Auschwitz spielte das Orchester Tangos, und anderswo gebrauchten Häftlinge die Bezeichnung “Todestango” für jede Art von Musik, die gespielt wurde, wenn die Deutschen eine Gruppe zur Erschieβung führten. So gab Celan seinem Gedicht erster Titel Todestango.95 In dem Gedicht hinterlassen verstörend ihre Spur die Musik, die Literatur, die Religion und die Lager selbst: das 1. Buch Mose, Bach, Wagner, Heinrich Heine, der Tango, besonders aber Fausts Gretchen („Margarete“) und die Jungfrau Sulamith aus dem Hohen Lied.96 Der gestalterischen Konzeption nach handelt es sich um eine Fuge. Die Fuge als selbständige Struktur in der Musik wurde seit dem 18. Jahrhundert zum Inbegriff der kontrapunktischen Kompositionstechnik. Die fugierte Präsentation stellt ein ebenso spannungsvolles wie artistisches Spiel dar, das von komplexen Wiederholungs-, Spiegelungs- und Projektionstechniken vornehmlich getragen ist. In der Todesfuge ist alles gewollt und geformt. Der sich über 36 Verse hinziehende Gesamttext besteht aus freirhythmischen, hauptsächlich daktylischen Langzeilen. An den Strophenanfängen mit der Zentralmetapher „Schwarze Milch der Frühe“ dominiert indes das trochäische Metrum. Das Gedicht schmücken Metaphern („Todesfuge“, „schwarze Milch der Frühe“), Allegorien („der Tod ist ein Meister aus Deutschland“), Oxymorona („schwarze Milch“), Anaphern („wir trinken“), Assonanz („wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken“) und Alliteration („er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau“).97 Das Oxymoron „schwarze Milch der Frühe“ ist die zentrale, leitmotivische Metapher, in der die Erwartung, dass das Substantiv „Milch“ ein gemeinhin positiv besetzter Begriff ist, durch das Adjektiv „schwarz“ aufgehoben wird und ins Gegenteil verkehrt. Die Milch ist hier kein Symbol für Leben, sondern wird zur Verderben bringenden „Milch des Todes“. Ähnlich steht die „Frühe“ nicht für eine Tageszeit,

95 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 57-58. 96 Ebd. S. 53. 97 BUCK, Theo. Paul Celans Todesfuge. In: Interpretationen. Gedichte von Paul Celan. Stuttgart: Reclam Philipp Jun. Verlag. 2002. S. 16-18.

43 sondern für die unbestimmte Zone zwischen Leben und Tod. Das Bild „Schwarze Milch der Frühe“ wird zum Sinnbild der Schoah.98 Die Todesfuge hat einen narrativen Charakter. Die zentrale lyrische Gestalt ist ein blauäugiger Mann, ein hochpositionierter Nationalsozialist, der in einem Konzentrationslager arbeitet. Wenn es dunkelt, schreibt er an seine geliebte Margarete, die goldenes Haar hat. Margarete ist die Verkörperung der idealen arischen Frau. Jedes Mal, wenn der Mann den Brief an Margarete fertigschrieb, ging er vor die Tür um seine untergebene Offiziere und die Juden zusammenzurufen. Die Juden mussten ihre eigene Gräber schaufeln. Diejenigen Gefangenen des Konzentrationslagers, die ein Musikinstrument beherrschten, mussten Musik machen, die verschiedenen Zwecken diente: um damit die anderen zu beruhigen, Tötungsaktionen mit Musik zu verfolgen oder nur um ihre Peiniger zu amüsieren. Wenn dem blauäugigen Mann die Arbeit der Inhaftierten zu langsam war, schlug er sie mit einem eisernen Stock nieder, schoss auf sie, oder ließ sie beim lebendigen Leibe im Verbrennungsofen einäschern. Der Blauäugige wird spielend mit den Schlangen, die Chiffren sind, dargestellt. Die Schlangen symbolisieren das Böse, eine gefährliche Macht und den Sündenfall. Der Mann steht im Gegensatz zu dem lyrischen Wir. Das „Wir“, das Kollektiv, ist einem Mann untergeordnet und hat kein Recht darauf, seine Stimme zu erheben. Im Kontrast stehen auch die Motive der Margarete mit dem goldenen und Sulamith mit dem aschenen Haar. Margarete symbolisiert alle deutschen Frauen, während Sulamith steht für alle jüdischen Opfer. Ihr Haar glänzt aber nicht – es ist mit Asche bedeckt, was eine Anspielung auf die Verbrennungen von Juden ist. Sulamith könnte aber auch Celans Mutter symbolisieren, was sehr wahrscheinlich ist, weil sich der Dichter mit ihrem Tod nie versöhnen konnte. Auch dieses Gedicht hat demnach einen autobiografischen Charakter. Es wurde zum Denkmal an alle, die diese furchtbare Erlebnisse teilten. Es ist eine Hymne an die Gefallenen und ebenso an die Opfer, die den Holocaust überlebten.99

98 BUCK, Theo. Paul Celans Todesfuge. In: Interpretationen. Gedichte von Paul Celan. Stuttgart: Reclam Philipp Jun. Verlag. 2002. S. 20-22. 99 SOLINA, Ema. Paul Celan – ein Versuch des Dichters, durch die Lyrik die Seele zu heilen. Osijek, 2012. Završni rad. Sveučilište Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku. Filozofski fakultet. Verfügbar auch unter: https://repozitorij.ffos.hr/islandora/object/ffos%3A1624/datastream/PDF/view.

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3.5 Von Schwelle zu Schwelle (1955)

Die in drei Zyklen (Sieben Rosen später, Mit wechselndem Schlüssel, Inselhin) nicht chronologisch angeordneten 47 Gedichte entstanden zwischen Mitte 1952 und Ende 1954. Der bei der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart verlegte Band ist Celans erstes Buch, das ganz in Paris entstanden ist. Die Gedichte hat Paul Celan seiner Frau Gisele gewidmet. Es handelt sich um den einzigen einer lebenden Person gewidmeten Gedichtband.100 Ähnlich wie in Mohn und Gedächtnis bleibt das Totengedächtnis bestimmend. Nicht nur hier ist „Schatten“ eines der am häufigsten gebrauchten Wörter, ob für sich stehend oder als Bestandteil eines Kompositums. Auf der Hand liegt, dass in diesem Terminus Tod, Leid und Trauer mitschwingen. Der Übergang zur mittleren Werkperiode der Gedichtbände Sprachgitter mit ihrer, wie Celan selbst es nannte, „graueren Sprache“, und Die Niemandsrose ist spürbar: ein Übergang von der reichen Musikalität der Langverse in den früheren Gedichten zu schärfer umrissenen Formen.101 Im ersten Zyklus Sieben Rosen später überwiegt die Liebesproblematik, was bereits mit dem Stichwort „Rosen“ als traditionellem Liebessymbol vorgegeben ist. In beiden weiteren Zyklen des Bandes ist die Liebe durch den Tod überschattet. In diesem Sinne ist Grabschrift für François, seinem verstorbenen Sohn gewidmet, Kristallisationspunkt des ganzen Bandes. Die Liebe erscheint nicht mehr als pure Glücksempfindung, sondern als ein widersprüchliches Gefühl, das zugleich Freude und Trauer in sich einschlieβt. Der persönliche Schmerz über den Tod seiner Eltern mit der leidvollen Erfahrung des Völkermords wird z. B. in Mit Äxten spielend oder Vor einer Kerze kombiniert. Im zweiten und dritten Zyklus nehmen religionsphilosophische (Aufs Auge gepfropft, Der uns die Stunden zählte, Assisi) und poetologische (Abend der Worte, Welchen der Steine du hebst, In memoriam Paul Eluards, Schibboleth, Sprich auch du, Mit zeitroten Lippen, Argumentum e silentio, Die Winzer) Akzente zu. Man kann hier Zitate oder Reminiszenzen aus den Werken von Parmenides, Franz von Assisi,

100 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 621-622. 101 SCHMITT, Axel. Wahr spricht, wer Schatten spricht. Paul Celans Gedichtband „Von Schwelle zu Schwelle“ im Rahmen der Bonner Celan-Ausgabe. In: literaturktitik. rezensionsforum. [online]. 2018. [zit. 11. 11. 2018]. Verfügbar unter: https://literaturkritik.de/id/9302.

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Hölderlin, Jean Paul, Nietzsche, Yoice, Yeats, Rilke, Martin Buber u. a. finden. Die meisten der Schlüsselbilder des Bandes beziehen sich hauptsächlich auf die Anatomie des Menschen sowie auf ursprüngliche Naturelemente und Naturerscheinungen.102

3.6 Sprachgitter (1959)

Die in sechs Zyklen nicht streng chronologisch angeordneten 33 Gedichte entstanden zwischen dem 6. 3. 1955 und dem 3. 11. 1958. Der Gedichtband ist der erste des Dichters, bei dem für jedes Gedicht Entstehungsdaten vorliegen; das ist wohl eine Folge von Claire Golls Plagiatvorwürfen, die seit 1954 in der bundesdeutschen Presse Wirkung zeigten. Sprachgitter ist der schmalste Band Celans; in dem Zeitraum scheinen besonders wenige Gedichte entstanden zu sein.103 Die Erfahrung der Vernichtung bestimmt Celans Schreibgegenwarten von den frühen Gedichtbänden an; sie führt zu einem bis dahin unbekannten In-Frage-Stellen der deutschen Sprache und Literatur. Exemplarisch lässt sich dies an diesem Gedichtband beobachten, der in viel höherem Maße als die beiden Vorläufer-Bände (Mohn und Gedächtnis, Von Schwelle zu Schwelle) aufgrund einer neuen, erstmals konsequent realisierten Sprach- und Dichtungskonzeption zu Unverständnis, Irritationen und offener Ablehnung geführt hat.104 Ingeborg Bachmann hat in ihrer letzten Frankfurter Poetik-Vorlesung vom 24. Februar 1960 kommentiert:

„Die Metaphern sind völlig verschwunden, die Worte haben jede Verkleidung, Verhüllung abgelegt, kein Wort fliegt mehr einem anderen zu, berauscht ein anderes. Nach einer schmerzlichen Wendung, einer äußerst harten Überprüfung der Bezüge von Wort und Welt, kommt es zu neuen Definitionen.“105

102 RYCHLO, Petro. Paul Celans Gedichtband „Von Schwelle zu Schwelle“. E-Reading.club. [online]. 2018. [zit. 13. 11. 2018]. Verfügbar unter: https://www.e- reading.club/chapter.php/1045245/98/Celan_-_Vid_poroga_do_poroga.html#n_8. 103 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 643. 104 SCHMITT, Axel. Ein Kommentarband kon-textualisiert Paul Celans „Sprachgitter“. In: literaturktitik. rezensionsforum. [online]. 2018. [zit. 11. 11. 2018]. Verfügbar unter: https://literaturkritik.de/id/9570. 105 BACHMANN, Ingeborg. Werke in 4 Bänden. München: R. Piper & Co Verlag. 1978, S. 215-216.

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3.6.1 Köln, am Hof (1957)

Herzzeit, es stehn die Geträumten für die Mitternachtsziffer.

Einiges sprach in die Stille, einiges schwieg, einiges ging seiner Wege. Verbannt und Verloren waren daheim.

Ihr Dome.

Ihr Dome ungesehn, ihr Ströme unbelauscht, ihr Uhren tief ins uns. [GW 1:177]

Celan pflegte von 1948 bis 1952 ein Liebesverhältnis zu der fünf Jahre jüngeren Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Nach einer Tagung in Wuppertal, auf der er Bachmann wiedergesehen hatte, war Celan am 14. 10. 1957 in Köln, wo er in einem Hotel in der Straβe „Am Hof“ in der Nähe von Dom und Rheinufer untergebracht war. Die Straβe führt vom erzbischöflichen Palast („Hof“) bis zum Rathausplatz; das Gebiet war im Mittelalter den Juden zugewiesen. Das Gedicht reagiert auf diese Liebesnacht. In der Zeit danach schickte Celan Bachmann fast jeden Tag ein neues Gedicht sowie glühende Liebesbriefe.106 Das Wortfeld „Zeit“ ist mit den Worten „Herzzeit“, „Mitternachtsziffer“, „Uhren“ dominant vertreten. Dies nahelegt eine Betrachtung der Zeitformen im Gedicht. Die Verslängen entwickeln sich in den ersten beiden Strophen gegensätzlich, während in den letzten beiden bleiben sie konstant. Die Tempora verhalten sich strophenweise: in der ersten Strophe „stehn die Geträumten“ im Präsens, die zweite Strophe ist im Präteritum gehalten, die dritte enthält keine Verben, die in irgendeiner Zeitform stehen könnten, die vierte Strophe umfasst nur die Partizipien „ungesehn“ und „unbelauscht“, deren Verwendung analog zu „tief in uns“ jedoch eher zu einer ebenfalls adjektivischen Lesart auffordert. Das Gedicht geht vom Gegenwärtigen über das Vergangene zum Zeitlosen. Im Vergleich zum menschlichen Erleben zeitlos beständig sind „Dome“, „Ströme“ und die „Uhren“ in den Menschen allerdings, während im

106 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 658.

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Gegenteil „Herzzeit“ und „Geträumtes“ können als ebenso vorübergehend wie eine Uhrzeit, etwa Mitternacht, empfunden werden.107

3.7 Die Niemandsrose (1963)

Die in vier Zyklen nicht streng chronologisch angeordneten 53 Gedichte entstanden zwischen dem 5. März 1959 und Ende März 1963. In diese Zeit fällt eine für Celan und sein Leben entscheidende Affäre, die öffentliche Phase der Goll-Affäre.108 Der Gedichtband enthält nicht nur botanische Termini (zum Beispiel „zweihäusig“), sondern auch solche aus der Mineralogie, wie „erratisch“, „Jaspis“, „Achat“ oder „Amethyst“. In keinem anderen Gedichtband treten verhältnismäßig so viele jüdische Namen, Begriffe, Rituale und mythologische, mystische und theologische Kontexte auf. Die Gedichte sind dialogisch angelegt und beziehen sich auf Nelly Sachs und Ossip Mandelstam als Vertreter des westeuropäischen und osteuropäischen Judentums. Mandelstam galt auch die Widmung: Dem Andenken Ossip Mandestams.109

3.7.1 Psalm (1961)

Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm, niemand bespricht unseren Staub. Niemand.

Gelobt seist du, Niemand. Dir zulieb wollen wir blühn. Dir entgegen.

107 Interpretation: „Köln, Am Hof“. Zivilschein. Ziviles aus der Scheinzeit. [online]. 09. 10. 2014. [zit. 25. 10. 2018]. Verfügbar unter: https://zivilschein.wordpress.com/2014/10/09/interpretation-koln-am-hof/. 108 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 671. 109 WALZL, Verena. „Es war Erde in ihnen“. Zur Erdmetaphorik in Paul Celans Niemandrose. Graz, 15.07.2011. BACHELORARBEIT. Vorgelegt am Institut für Germanistik der Karl- Franzens- Universität. Verfügbar auch unter: https://www.academia.edu/5162447/_Es_war_Erde_in_ihnen_._Zur_Erdmetaphorik_in_Paul_C elans_Niemandrose.

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Ein Nichts waren wir, sind wir, werden wir bleiben, blühend: die Nichts-, die Niemandsrose.

Mit dem Griffel seelenhell, dem Staubfaden himmelswüst, der Krone rot vom Purpurwort, das wir sangen über, o über dem Dorn. [GW 1:225]

Obwohl Psalmen generell Gott loben, ist dieses Gedicht in eine nihilistische, blasphemistische Stimmung eingewickelt. Celan referiert sich auf das Heilige Buch in Bezug auf „zu Staub werden“, aber mit einem großen Unterschied – er leugnet die Existenz Gottes, Gott wird „Niemand“ genannt. Der Dichter verneint auch den Sinn des menschlichen Daseins. Wir, Menschen, sind „ein Nichts“ und das wird sich niemals ändern. Celan vergleicht den Menschen mit einer „Nichts-„ und „Niemandsrose“, die einem toten Gott entgegen blüht. Die letzte Strophe des Gedichts ist eine Chiffre, die man auf zwei Ebenen interpretieren kann. Erstens könnte sie sich auf das Leiden Jesus’ (Krone + Dornen = Dornenkrone) und auf Seine Worte „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ beziehen. Die Idee des Gottes würde so als einen nicht existierenden, bzw. passiven erhalten werden. Zweitens könnte Celan mit dem „Griffel“ und „Staubfaden“ als ein Symbol für einen Mann und eine Frau die Verbannung Adams und Evas aus Eden gemeint haben. Folglich könnte das Symbol des Dornes menschliche Selbstschuld und Qual chiffrieren.110

110 SOLINA, Ema. Paul Celan – ein Versuch des Dichters, durch die Lyrik die Seele zu heilen. Osijek, 2012. Završni rad. Sveučilište Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku. Filozofski fakultet. Verfügbar auch unter: https://repozitorij.ffos.hr/islandora/object/ffos%3A1624/datastream/PDF/view.

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3.8 Atemwende (1965)

Der bei Suhrkamp in Frankfurt am Main verlegte Band enthält 80 Gedichte, die zwischen September 1963 und Mitte September 1965 entstanden sind. Für einige Gedichte liegen Notizen und Entwürfe schon aus dem Entstehungszeitraum von der Niemandsrose vor. Der erste Zyklus erschien bereits am 23. 9. 1965 in Paris im Verlag Brunidor, zusammen mit acht Radierungen von Gisèle Celan-Lestrange, in einer bibliophilen Edition unter dem Titel Atemkristall. An Gisèle Celan-Lestrange schrieb Celan zu Atemwende:

„Es ist wirklich das Dichteste, was ich bisher geschrieben habe, auch das Umfassendste. Bei manchen Wendungen des Textes habe ich, ich muβ es gestehen, Stolz verspürt. – Ich habe schlieβlich das Manuskript in Zyklen eingeteilt – es muβte gelüftet werden –, die in der Ausdehnung zwar ungleich, doch ,in sich geschlossenʻ sind“, (8. 3. 1967)

und an seinen zwölfjährigen Sohn Eric:

„dieses Buch bedeutet in vielerlei Hinsicht, darunter, vor allem, im Hinblick auf seine Sprache, eine Wende (was seine Leser sicherlich mitbekommen werden)“. (4. 4. 1967)111

3.8.1 In Prag (1963)

Der halbe Tod, großgesäugt mit unserm Leben, lag aschenbildwahr um uns her –

auch wir tranken noch immer, seelenverkreuzt, zwei Degen, an Himmelssteine genäht, wortblutgeboren im Nachtbett,

größer und größer wuchsen wir durcheinander, es gab keinen Namen mehr für das, was uns trieb (einer der Wieviel- unddreißig war mein lebendiger Schatten,

111 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 718.

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der die Wahnstiege hochklomm zu dir?),

ein Turm, baute der Halbe sich ins Wohin, ein Hradschin aus lauter Goldmacher-Nein.

Knochen-Hebräisch, zu Sperma zermahlen, rann durch die Sanduhr, die wir durchschwammen, zwei Träume jetzt, läutend wider die Zeit, auf den Plätzen. [GW: 2,63]

Das Gedicht In Prag hat eine traumhafte Dimension, weil Celan diese Stadt, die für ihn noch wichtiger als Wien war, wahrscheinlich nie gesehen hat. Er spricht hier zu einem „Du“ – entweder einem anderen Schriftsteller (etwa zu Ingeborg Bachmann oder zu Rilke oder Kafka) oder zu dem alter ego des Dichters. In den ersten Versen spielt Celan an Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge von Rainer Maria Rilke an. Allerdings vor allem die Stadt in der Zeit der Regierung des Kaisers Rudolf II. wird in dem Gedicht geschildert. Seine Zeilen beginnen mit einer Umkehrung: der Tod ist ein feister Säugling, „großgesäugt mit unserm Leben“. Eine Landmarke zeigt sich auf halbem Wege, wenn der Dichter sich „einen der Wieviel- unddreißig [...]?“ nennt. Er kennt die jüdische Legende von den Sechsunddreiβig Gerechten, auf denen zu allen Zeiten die Menschheit ruht; vielleich aber zählen sie heute nach Millionen – unter ihnen auch „mein lebendiger Schatten, der die Wahnstiege hochklomm“. Hier mögen sich die geistigen Wellen des Dichters mit Kaiser Rudolf II. treffen, der dem Okkulten zuneigte. Er pflog einst mit Rabbi Löw in Prag eine geheime Unterredung und lieβ die Alchemistengasse unterhalb des Hradschin bauen, in der Kafka schrieb. Celans Prägung „Knochen-Hebräisch“ klingt nach dem Skelett, das an der Turmuhr des Prager Rathauses die Stunden zählt. Die tödliche Bedeutung von „Knochen-Hebräisch“ erfährt dann eine Verwandlung – nicht in Dünger wie in den Todeslagern, sondern „zu Sperma zermahlen“. Irgendwie mitgerissen von dem „Sperma“, nicht vom Sand in der Sanduhr, enden Celans Zeilen „läutend / wider die Zeit“.112

112 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 287.

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3.9 Fadensonnen (1968)

Die in fünf Zyklen weitgehend chronologisch angeordneten 105 Gedichte des Bandes Fadensonnen wurden zwischen dem 5. 9. 1965, gleichzeitig mit den letzten Gedichten von Atemwende, und dem 8. 6. 1967 niedergeschrieben. Es ist dies Celans umfangreichster Gedichtband. In den Entstehungszeitraum fallen auch die Gedichte von Eingedunkelt und deren Umkreis, die, wie alle zwischen Ende November 1965 und Anfang Juni 1966 in den Psychiatrischen Kliniken von Suresnes und Paris geschriebenen Gedichte, nicht in den Band aufgenommen wurden. Erschienen ist der Titel 1968 im Suhrkamp Verlag in Frankfurt am Main. Der Band markiert eine entscheidende Etappe hin zum Spätwerk. Die Rezeption erwies sich zunächst als stockend und wenig verständnisvoll. Celan selbst beurteilte das Werk als „etwas Randgängerisches“ und erklärte gegenüber Nelly Sachs, dass es ihm „unendlich schwer“ gefallen sei, es aus der Hand zu geben.113 114

3.9.1 Fadensonnen (1965)

FADENSONNEN über der grauschwarzen Ödnis. Ein baum- hoher Gedanke greift sich den Lichtton: es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen. [GW 2:26]

Das Gedicht besteht nur aus einer Strophe, die wiederum aus sieben Verszeilen aufgebaut ist. Es verfügt über einen freien Rhythmus. Durch den Neologismus „Fadensonnen“ wird bereits ein erster Kontrast deutlich: auf der einen Seite symbolisiert das Pluralwort „Sonnen“ eine Lichtfülle und die Metaphorik des Lichts steht für einen Neuanfang und für hoffnungsvolle Zeiten. Die Sonne ist gleichzeitig ein Symbol für das Leben und für Zuversicht. Spürbar wird ein starker Gegensatz durch die Voranstellung des Wortes „Faden“ an diese Lebensenergie. Das Licht kann sich nicht

113 MAY, Markus – GOSSENS, Peter – LEHMANN, Jürgen. Celan Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart – Weimar: J.B. Metzler Verlag. 2008. S. 99. 114 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 750.

52 allseitig ausbreiten, statt hängt es an Fäden. Die erste Verszeile ist mit der zweiten über ein Enjambement verbunden. Durch die Gegensätze zwischen „Sonnen“ und der „grauschwarzen Ödnis“ und zwischen „oben“ und „unten“ wird es auf die innere Gefangenschaft des Lyrischen Ichs hingewiesen, das sich in einer schlechten Lage befindet, aus der es allerdings entrinnen möchte. Die nächsten drei Verszeilen sind wiederum durch Enjambements miteinander verbunden. In ihnen erhebt sich „Ein baumhoher Gedanke“, der nach einem „Lichtton greift“. Ein Bezug zu der ersten Verszeile wird hergestellt, denn die Metaphorik des Lichts wird erneut aufgegriffen. Trotz der „Ödnis“ gibt es noch „Licht“ und die damit verbundene Hoffnung auf Besserung. Mittlerweile ist dieses Licht zu einem Ton geworden, dadurch kommt es zu einer Verstärkung der positiven Stimmung. Durch die Trennung der Verszeilen „Es sind noch Lieder zu singen“ und „jenseits der Menschen“ wird gezeigt, dass die Menschen noch nicht bereit sind, selbst nach dem Licht zu greifen, um ein neues Leben zu beginnen und die Schatten der Vergangenheit endgültig hinter sich zu lassen.115

3.10 Zyklus „Eingedunkelt“ (1968)

Der aus elf Gedichten bestehende fragmentarische Zyklus Eingedunkelt wurde erstmals 1968 innerhalb des Bandes der Bibliothek Suhrkamp mit dem Titel Aus aufgegebenen Werken veröffentlicht. Es handelt sich, wie Siegfried Unseld in seiner Vorbemerkung schreibt, um eine Sammlung „fragmentarischer Texte von Autoren des Suhrkamp Verlages, Texte, die ,aufgegebenʻ, also nicht weitergeschrieben, nicht vollendet oder nicht veröffentlicht wurden“. Die elf Gedichte entstanden zwischen dem 17. 3. und dem 19. 4. 1966. Die nicht chronologische Reihenfolge stammt von Celan. Er wählte die Gedichte selbst aus einer umfangreicheren Sammlung aus. Die Sammlung sollte ursprünglich Teil von Fadensonnen sein, in deren Entstehungszeit sie vollständig fällt (zwischen die Gedichte des ersten und die des zweiten Zyklus). Alle Gedichte von Eingedunkelt wie auch die aus dem Umkreis sind in der Psychiatrischen Universitätsklinik von Paris Sainte-Anne

115 BERGHOLZ, Anne. Gedichtsanalyse Paul Celan „Fadensonnen“. In: Wissen finden & publizieren. [online]. 2003. [zit. 3. 11. 2018]. Verfügbar unter: https://www.grin.com/document/108317.

53 entstanden, in der Celan seit Anfang Februar 1966 behandelt wurde. Nach einer Anfrage durch Siegfried Unseld vom 22. 1. 1968 schickte Celan am 29. 1. 1968 den Zyklus und bestimmte gleichzeitig den Titel. Celan schickte die meisten Gedichte des Zyklus und aus dessen Umkreis an Gisèle de Lestrange oder übergab sie ihr.116

3.11 Lichtzwang (1970)

Die in sechs Zyklen nicht streng chronologisch angeordneten 81 Gedichte des Bandes entstanden zwischen dem 9. 6. und dem 6. 12. 1967. Dieses halbe Jahr ist der kürzeste Zeitraum, in dem je ein Band Celans entstanden ist. Das Wort läβt an ein Gezwungenwerden vom Licht oder zum Licht denken. Es gemahnt an Zwangsarbeit und Zwangsumsiedlung und prägt ein Gegenteil zu „Zwangsverdunkelung“. Die klangvollen Gedichte aus der Niemandsrose liegen weit zurück.117 In Bezug auf Lichtzwang schrieb Celan an seinen Verleger Siegfried Unseld:

„Ich glaube, ich darf sagen, daβ ich mit diesem Buch ein Äuβerstes an menschlicher Erfahrung in dieser unserer Welt und in dieser unserer Zeit eingebracht habe, unverstummt und auf dem Wege zu Weiterem.“ (7. 4. 1970)118

3.11.1 Todtnauberg (1967)

Arnika, Augentrost, der Trunk aus dem Brunnen mit dem Sternwürfel drauf,

in der Hütte,

die in das Buch – wessen Namen nahms auf vor dem meinen? –, die in dies Buch geschriebene Zeile von

116 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 791. 117 FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: C.H.Beck. 1997. S. 315. 118 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 797.

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einer Hoffnung, heute, auf eines Denkenden kommendes Wort im Herzen,

Waldwasen, uneingeebnet, Orchis und Orchis, einzeln,

Krudes, später, im Fahren, deutlich,

der uns fährt, der Mensch, der’s mit anhört,

die halb- beschrittenen Knüppel- pfade im Hochmoor,

Feuchtes, viel. [GW 2:255f.]

Todtnauberg handelt nicht von irgendeinem Gespräch im Schwarzwald, es legt in seiner Knappheit Zeugnis ab von einem geschichtlichen Ereignis: der Begegnung zwischen dem wohl bedeutendsten Dichter, Paul Celan, und dem wohl bedeutendsten Denker der Zeit, Martin Heidegger. Gleichzeitig geht es um das Verhältnis des poetischen Werks Celans zum philosophischen Werk Heideggers, um die Nähe und den Abgrund zwischen ihnen. Das Gedicht thematisiert aber nicht die Geschichte, sondern die Landschaft. Todtnauberg ist der geographische Ort der Begegnung, wort-wörtlich aber der Berg der Toten, ein gewaltiger friedloser Friedhof. Dorthin führt das Gedicht.119

„Todtnauberg – das Gedicht einer epochalen Begegnung, das Beschwören einer Hoffnung, ein Bekenntnis, welches einen Welthorizont aufreißt, ein Gedicht, in dem Nähe und Ferne, Geist und Landschaft einander vielwertig zugeordnet sind, ein Gedicht, in dem sich Gelassenheit und Ungeduld begegnen.“120

Paul Celan hatte sich geschworen, nie mehr unter den Augen der Öffentlichkeit zu lesen. Nur Freiburg, diese Einladung nahm er noch an. Freiburg ist die Stadt Martin

119 GELLHAUS, Axel: Seit ein Gespräch wir sind. In: Interpretationen. Gedichte von Paul Celan. Stuttgart: Reclam Philipp Jun. Verlag. 2002. S. 162. 120 BAUMANN, Gerhart. Erinnerungen an Paul Celan. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 1986. S. 74.

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Heideggers. Der Tübinger Germanist Gerhart Baumann hatte eine Lesung im Freiburger Auditorium maximum vorbereitet und Celan las am 24. Juli 1967 vor mehr als tausend Zuhörern. Heidegger war als Ehrengast geladen, er hatte schriftlich auf die Einladung Baumanns geantwortet:

„Schon lange wünsche ich, Paul Celan kennenzulernen. Er steht am weitesten vorne und hält sich am meisten zurück. Ich kenne alles von ihm, weiß auch von der schweren Krise, aus der er sich selbst herausgeholt hat, soweit dies ein Mensch vermag. [...] Es wäre heilsam, Paul Celan auch den Schwarzwald zu zeigen.“121

Heidegger lud im Anschluβ an die Lesung Celan zu einem Ausflug nach Todtnauberg ein und schlug vor, ein Hochmoor anzusehen. Celan stimmte zu. In der Hütte trug sich er ins Gästebuch ein mit den Zeilen: „Ins Hüttenbuch, mit dem Blick auf den Brunnenstern, mit einer Hoffnung auf ein kommendes Wort im Herzen.“122 Eine Woche danach schrieb er das Gedicht Todtnauberg. Der Text des Gedichtes ist grammatisch kein vollständiger Satz. Es besteht aus sieben ungleichmäβig langen Versblöcken, die eher in Form von Stichworten ein Ereignis zu skizzieren scheinen, das Anlaβ zur Reflexion gegeben hat. Celan benennt die natürliche Welt – „Arnika“ hilft bei Blutergüssen, „Augentrost“ ist ein Balsam, den Celan aus seiner Jugend kannte. Die Wendung „Waldwasen, uneingeebnet“ evoziert eine hügelige Wiesenfläche, läβt an Gräberfelder denken, die von der Geschichte noch nicht eingeebnet sind. „Orchis“ ist der botanisch korrekte Name für das Knabenkraut, eine Orchideenart, keine Heilpflanze. Während der Dichter als Pilger kommt und aus Versöhnlichkeit trinkt, weckt Heideggers Brunnen eine Erinnerung an die Bukowina, das „Brunnenland“. Der Stern auf dem Brunnen und die Farbe der Arnika signalisieren den gelben Judenfleck. In der „Hütte“ klingt Hüttenfenster (1962) an. Gegenwärtig werden für Celan Dinge, die in der Vergangenheit gesagt oder getan wurden.123

121 SAFRANSKI, Rüdiger. Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit. München/Wien: Carl Hanser Verlag. 1994. S. 485. 122 Ebd., S. 486. 123 GELLHAUS, Axel: Seit ein Gespräch wir sind. In: Interpretationen. Gedichte von Paul Celan. Stuttgart: Reclam Philipp Jun. Verlag. 2002. S. 168-169.

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3.12 Schneepart (1976)

Die 70 Gedichte dieser Gedichtsammlung entstanden zwischen dem 16. 12. 1967 und dem 18. 10. 1968. Der Titel des Bandes sowie Auswahl und streng chronologische Anordnung der Gedichte stammen von Celan selbst; eine groβe Zahl von in dieser Zeit entstandenen Gedichten wurde nicht aufgenommen. Schneepart ist der letzte Gedichtband, den Celan noch zum Druck vorbereitet hat, doch konnte er nicht mehr selbst Korrektur lesen. Es handelt sich um die erste Buchpublikation aus dem Nachlaβ im eigentlichen Sinn. Ein Faksimilie der Reinschrift für Gisèle Celan- Lestrange, auf der der Druck von 1971 weitgehend beruft, erschien 1976 (Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main). Die politischen Ereignisse jener Zeit haben darin ihre Spuren hinterlassen. Auch formal entwickelte Celan seine Dichtung weiter. Nun schrieb er in rascherer Folge als in den Jahren zuvor, oft zwei oder drei Gedichte am Tag. So bestand ein wesentlicher Teil seiner Arbeit an diesem Band in der Auswahl der Texte. In den Nachlassmappen finden sich neben den 70 darin aufgenommenen Gedichten weitere 57 (bereits veröffentlicht in den Gedichten aus dem Nachlaß), die nach und nach ausgesondert wurden.124

3.12.1 Du liegst (1967)

DU LIEGST im großen Gelausche, umbuscht, umflockt.

Geh du zur Spree, geh zur Havel, geh zu den Fleischerhaken, zu den roten Äppelstaken aus Schweden –

Es kommt der Tisch mit den Gaben, er biegt um ein Eden –

Der Mann ward zum Sieb, die Frau mußte schwimmen, die Sau, für sich, für keinen, für jeden –

Der Landwehrkanal wird nicht rauschen. Nichts

124 WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003. S. 830-831.

57

stockt. [GW 2:334]

Sein letztes bekanntgewordenes Gedicht, das sich aus fünf Strophen und vierzehn Versen unterschiedlicher Länge besteht, hat Paul Celan während seines einzigen längeren Besuchs in Westberlin im Jahr 1967 geschrieben.125 Er hielt sich vom 16. bis zum 29. Dezember als Gast der Akademie der Künste auf; Hauptanlass war seine öffentliche Akademie-Lesung am Abend des 18. Dezember. Celans letztes Manuskript Schneepart, in dem Du liegst an zweiter Stelle steht, entstand im Jahr, das seine Spuren in der Weltgeschichte und aufs deutlichste auch in den Gedichten hinterlassen hat: der Prager Frühling, die Ermordung Martin Luther Kings, die Pariser Maiunruhen, der Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag.126 Das Charakteristische des Gedichts besteht in der Überblendung zweier Wirklichkeitsbereiche: der Anspielung auf politische Gewalttaten (in Plötzensee, im Tiergarten) und der Anspielung auf Alt- und Neutestamentliches (adamitisches Paar, Weihnachtsfest mit Geburt und Heilserwartung). Geographische Namen (Spree, Havel, Landwehrkanal) evozieren die Stadtlandschaft Berlin und, damit verbunden, historisch- politische Daten, auf die der Text seinerseits durch Zitate hinweist. Einen Monat zuvor schrieb Celan:

„Am 18. Dezember lese ich in Berlin, wo ich über Weihnachten bleibe. Reisen, allen Rängen; aber auch: Vergegenwärtigungen, Wahrnehmungen – beides braucht das Gedicht.“127

125 Zum ersten Mal traf Celan am Morgen des 10. November 1938, mit dem Zug aus Czernowitz über Krakau kommend, für wenige Stunden in der Hauptstadt des Nationalsozialismus ein; er befand sich auf der Durchreise nach Tours zum Vorbereitungskurs seines Medizinstudiums. 126 BEYER, Marcel. Zu Paul Celans Gedicht „DU LIEGST…“ In: planet lyrik. [online]. 12. Mai 2015. [zit. 21. 11. 2018]. Verfügbar unter: http://www.planetlyrik.de/marcel-beyer-zu-paul- celans-gedicht-du-liegst/2015/05/. 127 SPEIER, Hans-Michael: Celans Berlin. In: Interpretationen. Gedichte von Paul Celan. Stuttgart: Reclam Philipp Jun. Verlag. 2002. S. 177.

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3 DAS ARBEITSBLATT ENTWURF

Paul Celan – Die Todesfuge

Vorbemerkung:

Paul Celan wurde als Paul Antschel am 23. November 1920 in Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina, damals Rumänien, heute Ukraine, geboren. Er wuchs als Einzelkind in einer deutschsprachigen jüdischen Familie, deren Mitglieder von den Nazis ermordet wurden. Celans wichtigste Bezugsperson in seinem Leben war seine Mutter, deren Tod sein literarisches Schaffen erheblich geprägt hat. Er litt am so genannten Überlebensschuld-Syndrom – er fühlte sich schuldig, dass er im Gegensatz zu den anderen Juden den Holocaust überlebt hatte. Celan gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker, der besonders durch das Gedicht „Die Todesfuge“ berühmt wurde. Dieses Gedicht entstand 1945 und thematisiert den Mord an den europäischen Juden durch die Nationalsozialisten. Celan starb am 20. April 1970 in Paris, er wählte den Freitod in der Seine.

1. Hör den Text und setz die fehlenden Wörter ein.

1 Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts wir trinken und trinken wir schaufeln ein 1. ______in den Lüften da liegt man nicht eng 5 Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er 2. ______seine Rüden herbei er pfeift seine Juden hervor läßt 3. ______ein Grab in der Erde er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

10 Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends wir trinken und trinken Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den 4. ______der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete 15 Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den 5. ______da liegt man nicht eng

59

Er ruft stecht tiefer ins 6. ______ihr einen ihr andern singet und spielt er greift nach dem 7. ______im Gurt er schwingts seine Augen sind blau stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr anderen spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts 20 wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends wir trinken und trinken ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland 25 er ruft streicht dunkler die 8. ______dann steigt ihr als Rauch in die Luft dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken 30 der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner 9. ______er trifft dich genau ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete er hetzt seine 10. ______auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

35 dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith

2. Auf welchem Hintergrund war das Gedicht geschrieben?

3. Erkennst du das Kompositionsprinzip im Gedicht wieder?

4. Vier Farben werden im Text erwähnt. In welchem Zusammenhang tauchen sie auf? Fülle die Tabelle vollständig aus.

60

FARBE ASSOZIATIONEN IM TEXT BEDEUTUNG

schwarz

golden

blau

aschen

5. Im Gedicht stehen zwei Stimmen einander gegenüber. Wer sind die Wir- Stimmen und was machen sie? Wer ist die Er-Stimme, was macht sie?

WIR-STIMMEN ER-STIMME

61

6. „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“ ist die Aussage Theodor W. Adornos, eines deutschen Philosophen. Was ist deine Meinung dazu? Diskutiert im Klassenplenum.

62

Lösung:

1. 1. Grab 2. pfeift 3. schaufeln 4. Schlangen 5. Lüften 6. Erdreich 7. Eisen 8. Geigen 9. Kugel 10. Rüden 2. Nach dem Angriff des Deutschen Reichs auf die Sowjetunion folgte der Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Bukowina. Es kam zu massivem Vorgehen gegen die ansässigen Juden, die in ein Ghetto getrieben und deportiert wurden. Celans Eltern wurden auch deportiert und ermordet. Celan selbst kam in ein Arbeitslager, wo er Zwangsarbeit im rumänischen Straßenbau leisten musste. 3. Das Gedicht ist mehrstimmig, die Motive wiederholen sich und der Aufbau variiert. 4.

FARBE ASSOZIATIONEN IM TEXT BEDEUTUNG Milch ist nahrhaft, weiβ und rein; das schwarze Milch der Oxymoron dunkel, Frühe wir trinken sie „schwarze Milch“ deprimierend, Tod, abends bedeutet also soviel schwarz Nacht, Ende, wir trinken sie mittags wie tödliche und morgens wir Trauer, Böse Nahrung, die trinken sie nachts ständige

Anwesenheit des Todes H.Heines Loreley kämmt auch ihr wertvoll, vornehm, goldenes Haar; es ist dein goldenes Haar golden Reichtum, Pracht, ein typisch deutsches Margarete Sonne Attribut der Margarete (Gretchen)

63

der Tod hat blaue Ferne, Weite, der Tod ist ein Meister Augen, die ihn als blau Kühle, Harmonie, aus Deutschland sein Auge ist blau Deutschen Himmel charakterisieren

das aschene Haar Sulamiths ist ein aschblond, dein aschenes Haar aschen Bild für die aschgrau, verbrannt Sulamith jüdischen Opfer der Shoa

5.

WIR-STIMMEN ER-STIMME

Lagerinsassen Lageraufseher

trinken schwarze Milch wohnt in einem Haus

schreibt, wenn es dunkelt, nach schaufeln ein Grab in den Lüften Deutschland

spielen auf nun zum Tanz spielt mit den Schlangen

stechen tiefer ins Erdreich pfeift seine Rüden herbei

spielen süβer den Tod pfeift seine Juden hervor

streichen dunkler die Geigen läβt schaufeln ein Grab

steigen als Rauch in die Luft befiehlt

greift nach dem Eisen im Gurt und haben ein Grab in den Wolken schwingt es

werden mit bleiernen Kugeln getroffen er trifft genau

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4 Zusammenfassung

Im Kapitel „Einleitung“ nahm ich mich vor, ausführliche Kenntnisse über Paul Celans Leben zu gewinnen, um seine Dichtung zu verstehen und seine Gedichte richtig interpretieren zu können. An dieser Stelle möchte ich beweisen, ob das Ziel meiner Diplomarbeit erreicht wurde. Im ersten Teil beschäftigte ich mich mit Celans Leben und mit den wichtigsten Momenten, die seine literarische Arbeit maßgeblich beeinflussten. Man konnte erfahren, dass der Tod seiner Mutter Celans literarisches Schaffen erheblich geprägt hat. Er litt am so genannten Überlebensschuld-Syndrom – er fühlte sich schuldig, dass er im Gegensatz zu den anderen Juden den Holocaust überlebt hatte. Celan ist berühmt als Dichter des Dunklen, der im Trauma der Schoah gefangen war. Anderes tragisches Ereignis, das einen Bruch im Dichten, aber hauptsächlich im Leben Celans markierte, war die von Claire Goll initiierte Plagiatsaffäre. Die Affäre hatte zur Folge, dass Celans Ruf als einer der bedeutendsten deutschprachigen Lyriker nach 1945 in Frage stand. Leider führten die Verletzungen des Menschen und Autors Paul Celan zu einer bleibenden Beschädigung seiner Psyche und seines Lebenwilles. Depressionen verfolgten ihn und im April 1970 beendete er sein Leben mit einem gewollten Sturz in die Seine. Im zweiten Teil meiner Arbeit beschrieb ich Hauptmerkmale Celans Dichtung und ich interpretierte zehn ausgewählte Gedichte, die mich personell beeindruckt haben. Auf Die Todesfuge ist dann konkreter Vorschlag für ein Arbeitsblatt bezogen, dass man im Deutschunterricht benutzen kann. Meiner Meinung nach ist Paul Celan ein schwer verstehbarer Dichter und eine freie Interpretation von seinen Gedichten wäre kaum möglich. Der Leser muss über bestimmte Kenntnisse über das Leben des Dichters verfügen, um seine Dichtung zu verstehen. Ich denke, dass es mir gelang, das Ziel dieser Diplomarbeit zu erreichen. Als ich Celans Biografien las, kam ich zu der Überzeugung, dass dieser Autor zu Lebzeiten nicht ausreichend geschätzt wurde. Die Reaktionen auf seine Lesung vor der gewichtigen Gruppe 47 waren ablehnend und mit der Todesfuge blieb er missverstanden. Das Gedicht wurde bisher literaturwissenschaftlich und politisch kontrovers diskutiert. Man kennt Celan vorwiegend als einen guten Dichter, aber er war auch ein überaus versierter Lyrikübersetzer. Er übersetzte Gedichte vor allem aus dem

65

Französischen, aber auch aus dem Rumänischen, Russischen, Portugiesischen, Italienischen, Englischen und Hebräischen. Zwei Bände der Gesammelten Werke mit insgesamt über 1500 Seiten enthalten Übersetzungen von 42 Lyrikerinnen und Lyrikern, dazu das Drama von Picasso und Resnais’ Dokumentarfilm über Auschwitz.

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5 Literaturverzeichnis

5.1 Primäre Quellen

EMMERICH, Wolfgang. Paul Celan. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1999.

FELSTINER, John. Paul Celan. Eine Biographie. München: Verlag C.H.Beck. 1997.

CELAN, Paul. Čené vločky. Přel. Radek Malý. Zlín: ARCHA. 2015.

CHALFEN, Israel. Paul Celan: Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt am Main: Insel-Verlag. 1979.

MALÝ, Radek. Domovem v jazyce. České čtení Paula Celana. Olomouc: Periplum. 2012.

MAY, Markus – GOSSENS, Peter – LEHMANN, Jürgen. Celan Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart – Weimar: J.B. Metzler Verlag. 2008.

RECLAM. Interpretationen. Gedichte von Paul Celan. Stuttgart: Reclam Philipp Jun. Verlag. 2002.

WIEDEMANN, Barbara. Paul Celan. Die Gedichte. Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 2003.

5.2 Sekundäre Quellen

ADORNO, Theodor W. Kulturkritik und Gesellschaft. In: Gesellschaftstheorie und Kulturkritik. Frankfurt a. M. 1975.

67

ALLEMANN, B., REICHERT, S. Paul Celan. Gesammelte Werke in fünf Bänden. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 1986-1992.

AUSLÄNDER, Rose. Gesammelte Gedichte. Köln: Literarischer Verlag Braun. 1977.

BACHMANN, Ingeborg. Werke in 4 Bänden. München: R. Piper & Co Verlag. 1978.

BAUMANN, Gerhart. Dank an die Sprache: Erinnerung an Immanuel Weiβglas. Neue Zürcher Zeitung. 2. / 3. Februar 1980.

COLIN, A., KITTNER, A. Versunkene Dichtung aus der Bukowina: Eine Anthologie deutschprachiger Lyrik. München: Fink Verlag. 1994.

DÖHL, Reinhard. Geschichte und Kritik eines Angriffs: Zu den Behauptungen gegen Paul Celan. In: Jahrbuch 1960 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Darmstadt: Lambert Schneider 1961.

ENCARNACAO, Gilda: Fremde Nähe: das Dialogische als poetisches und poetologisches Prinzip bei Paul Celan. Würzburg: Königshausen u. Neumann. 2007.

GOLL, Claire. Unbekanntes über Paul Celan. Im Baubudenpoet 5 (März/April 1960).

HEINZEN, Georg. Czernowitz. In: Rheinischer Merkur. 1. Februar 1991.

KITTNER, Alfred. Erinnerungen an den jungen Paul Celan. In: Zeitschrift für Kulturaustausch 32. 1982.

KORTE, Hermann. Geschichte der deutschen Lyrik seit 1945. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag. 1989.

SAFRANSKI, Rüdiger. Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit. München/Wien: Carl Hanser Verlag. 1994.

68

SARS, Paul. Ein solcher Ausgangspunkt. In: Christoph Jamme und Otto Pöggeler hrg., Der glühende Leertext. Annäherungen an Paul Celans Dichtung. München: Wilhelm Fink. 1993.

SCHROERS, Rolf. „Gruppe 47“ und die deutsche Nachkriegsliteratur. In: Merkur 19. 1965.

5.3 Online-Quellen

ASSHEUER, Thomas. Die Schlieren im Auge der Sprache. In: ZEIT ONLINE. [online]. 13. Februar 1998. [zit. 14. 8. 2018]. Verfügbar unter: https://www.zeit.de/1998/08/Die_Schlieren_im_Auge_der_Sprache/seite-2.

BERGHOLZ, Anne. Gedichtsanalyse Paul Celan „Fadensonnen“. In: Wissen finden & publizieren. [online]. 2003. [zit. 3. 11. 2018]. Verfügbar unter: https://www.grin.com/document/108317.

BEYER, Marcel. Zu Paul Celans Gedicht „DU LIEGST…“ In: planet lyrik. [online]. 12. Mai 2015. [zit. 21. 11. 2018]. Verfügbar unter: http://www.planetlyrik.de/marcel- beyer-zu-paul-celans-gedicht-du-liegst/2015/05/.

DIE GOLL-AFFÄRE – Auslöschung auf Raten. In: Cicero. MAGAZIN FÜR POLITISCHE KULTUR. [online]. © Cicero 2018. [zit. 2. 8. 2018]. Verfügbar unter: https://www.cicero.de/kultur/ausloeschung-auf-raten/47087.

GUTU, George. Paul Celan – zwischen Intertextualität und Plagiat oder interreferentielle Kreativität. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. [online]. © INST 1997-2018. [zit. 2. 8. 2018]. Verfügbar unter: http://www.inst.at/trans/15Nr/03_6/gutu15.htm.

Interpretation: „Köln, Am Hof“. Zivilschein. Ziviles aus der Scheinzeit. [online]. 09. 10. 2014. [zit. 25. 10. 2018]. Verfügbar unter: https://zivilschein.wordpress.com/2014/10/09/interpretation-koln-am-hof/.

69

RYCHLO, Petro. Paul Celans Gedichtband „Von Schwelle zu Schwelle“. E- Reading.club. [online]. 2018. [zit. 13. 11. 2018]. Verfügbar unter: https://www.e- reading.club/chapter.php/1045245/98/Celan_-_Vid_poroga_do_poroga.html#n_8.

SCHMITT, Axel. Ein Kommentarband kon-textualisiert Paul Celans „Sprachgitter“. In: literaturktitik. rezensionsforum. [online]. 2018. [zit. 11. 11. 2018]. Verfügbar unter: https://literaturkritik.de/id/9570.

SCHMITT, Axel. Wahr spricht, wer Schatten spricht. Paul Celans Gedichtband „Von Schwelle zu Schwelle“ im Rahmen der Bonner Celan-Ausgabe. In: literaturktitik. rezensionsforum. [online]. 2018. [zit. 11. 11. 2018]. Verfügbar unter: https://literaturkritik.de/id/9302.

SOLINA, Ema. Paul Celan – ein Versuch des Dichters, durch die Lyrik die Seele zu heilen. Osijek, 2012. Završni rad. Sveučilište Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku. Filozofski fakultet. Verfügbar auch unter: https://repozitorij.ffos.hr/islandora/object/ffos%3A1624/datastream/PDF/view.

WALZL, Verena. „Es war Erde in ihnen“. Zur Erdmetaphorik in Paul Celans Niemandrose. Graz, 15.07.2011. Bachelorarbeit. Vorgelegt am Institut für Germanistik der Karl-Franzens- Universität. Verfügbar auch unter: https://www.academia.edu/5162447/_Es_war_Erde_in_ihnen_._Zur_Erdmetaphorik_in _Paul_Celans_Niemandrose.

5.4 Bilderverzeichnis

Bild Nr. 1: Die Mutter Friederike...... 6

EMMERICH, 1999, 28

Bild Nr. 2: Der sechzehnjährige Paul...... 9

EMMERICH, 1999, 35

Bild Nr. 3: Contemporanul, 2. Mai 1947...... 14

70

EMMERICH, 1999, 67

Bild Nr. 4: Celan in Paris, 1970...... 31

EMMERICH, 1999, 165

71