<<

11. AUGUST 2016 DIE ZEIT No 34 Sündenböcke: Die Anhänger Fethullah Gülens werden als Islamisten verteufelt 37 FEUILLETON Seite 48

Kafkas letzter Prozess Ein Urteil ist gefallen: Max Brods Nachlass bleibt in Israel

»Wenn Sie mich fragen, sind die Wörter Ge- rechtigkeit und Anstand aus dem Lexikon gestrichen worden«, sagte Eva Hoffe, 82, als sie am 27. Juni auf die Anhörung wartete, die das Schicksal ihres wertvollsten Besitzes be- siegeln würde: der geheimen Papiere, die Max Brod 1939 von Prag nach Palästina ge- rettet und ihrer Mutter übergeben hatte. Was hat Jahrzehntelang lagen sie versteckt in einer Wohnung in Tel Aviv und in Banktresoren in Israel und der Schweiz. Diese Woche beendete Israels Oberstes Ge- richt den neun Jahre dauernden Rechtsstreit dieser darum. Mit einem 21 Seiten langen Urteil wiesen die Richter Hoffes Berufung ab und gaben der Vor instanz recht. Hoffe darf die Pa- piere nicht an das Deutsche Literaturarchiv Marbach verkaufen, wie sie es vorhatte, son- dern muss Brods literarischen Nachlass der Mann Israelischen Nationalbibliothek übergeben. Dazu gehören seine Tagebücher und Briefe, Manuskripte, die ihm Franz Kafka zu Lebzeiten überlassen hat, sowie jene, die Brod nach dem Tod des Freundes von seinem Schreibtisch getan? genommen hat. Sie sehe in diesem Urteil eher den »Willen zur Beschlagnahme als zur Recht- sprechung«, sagte Hoffe. Sie habe gehofft, das Oberste Gericht werde ein Urteil aufheben, das Der amerikanische Internetaktivist Jacob Appelbaum soll in Mitstreiterinnen Wer sind sexuell missbraucht Franz Kafkas legitime Erben? haben. Die Vorwürfe spalten die Szene »Brods letztem Willen widerspricht« und die Privatsphäre ihrer Familie miss achte. VON CHRISTIAN FUCHS Ob die Dokumente den geheimnisvolls- UND LARS WEISBROD ten Dichter des 20. Jahrhunderts in einem neuen Licht dastehen lassen, weiß noch nie- mand. Aber selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, zeigt das Gerichtsurteil, wie belas- Jacob Appelbaum – gegen ihn tauchten im Juni auf einer anonymen Website schwerwiegende Vorwürfe auf tet das Verhältnis Israels zur jüdischen Kultur vor der Staatsgründung ist. Indem es die Frage in den Mittelpunkt rückte, wem Kafka as Jahr 2016 ist erst wenige ben. Jacob R. Appelbaum ist deshalb in der Öffent- dass nicht einvernehmlicher Sex mit einem Freund Doch es gibt auch die andere Seite, auf der jene gehört, wer seine wahren Erben sind, hat das Stunden alt, als die Orgie in lichkeit heute nur noch eines: ein Sexualverbrecher. eine Vergewaltigung ist.« sich versammeln, die in Appelbaum das eigentliche Urteil deutlich gemacht, auf welch unter- der Berliner Altbauwohnung Anfang Juni erklärt das Anonymisierungsnetz- Ist Appelbaum ein Sexualverbrecher? Der juristi- Opfer sehen. Das Opfer rachsüchtiger Radikalfe- schiedliche Weise die Vergangenheit Israel von Jacob Appelbaum am werk , die mächtigste Waffe im Kampf gegen sche Ausdruck für das, was er mit der Person na- ministinnen, die im politisch korrekten Wahn jeden und Deutschland belastet. Prenzlauer Berg richtig los- Geheimdienste und staatliche Überwachung, dass mens River gemacht haben soll, lautet »sexueller kleinen Fehltritt zum Verbrechen aufblasen, die Bei einer Anhörung betonte Meir Heller, geht. Im Wohnzimmer hat Appelbaum zurückgetreten sei. Er war bis dahin der Missbrauch widerstandsunfähiger Personen«. Das Unschuldsvermutung missachten und – jenseits der der Anwalt der Nationalbibliothek, deren jemand das Sofa ausgeklappt, führende Entwickler des Tor-Projekts – vor allem wird als Vergewaltigung bestraft. In Deutschland Justiz – Pranger-Internetseiten betreiben. Wofür Vorrang als Ort für die Nachlässe Brods und zweiD Paare haben dort gleichzeitig Sex. Manche der aber die Galionsfigur der Software, die nicht nur die steht darauf nach Paragraf 179 Strafgesetzbuch eine sich beide Seiten erstaunlicherweise kaum interes- Kafkas. Er er innerte die Richter daran, dass Gäste haben zuvor, auf einer anderen Feier, bereits Infrastruktur für das bildet, was Darknet genannt Freiheitsstrafe zwischen zwei und fünfzehn Jahren. sieren, ist die Frage, welcher der Vorwürfe auf der Kafkas Schwestern – und Max Brods einziger die synthetische Partydroge MDMA eingeworfen, wird. Weltweit vertrauen Menschen auf die Tor- Außerdem könnte ein mit Freiheitsstrafe über drei Website denn überhaupt nachweisbar ist. Welche Bruder, der Kafka gut kannte – von den die euphorisiert und das Nähebedürfnis verstärkt. Technik, wenn Informationen geheim bleiben müs- Jahren bestrafter Ausländer seine Details zutreffen, welche nicht. Deutschen ermordet wurden. Shmulik Cas- Ein drittes Paar ist im Schlafzimmer zugange. In sen, sie um ihr Leben fürchten oder sie Zensur um- Aufenthaltsgenehmigung verlie- Ist Appelbaum tatsächlich ein souto, der vom Gericht bestellte Nachlassver- Appelbaums Bett oder auf dem Sofa soll später ein gehen wollen. Schutz der Anonymität im Tor-Netz- ren. Appelbaum bestreitet Rivers Vergewaltiger? War River wirk- walter Esther Hoffes, sagte, die Schoah hänge Verbrechen passiert sein. werk finden etwa iranische Dissidenten oder Anschuldigungen vehement. Der Fall lich bewusstlos? »wie eine Wolke über dem Gerichtssaal«. Im Wohnzimmer haben sich ein paar Leute auf Whistleblower wie der ehemalige NSA-Mitarbeiter Um zu verstehen, was wirk- Die Abkürzung Tor steht für Neben ethischen und juristischen Fragen dem Boden niedergelassen, alle sind angezogen. Sie . Sie kommunizieren dort uner- lich geschehen sein könnte, muss Appelbaum The Onion Router, übersetzt – etwa nach dem Unterschied zwischen Be- haben die Musik laut gestellt, damit das Stöhnen kannt. man in diesem Fall auf Details bedeutet das in etwa »Der Zwie- sitzer und Sachwalter – tritt durch das Urteil der anderen weniger stört. Eine junge Journalistin Kurz nach der kargen Mitteilung taucht eine achten, die Decknamen den bel-Verteiler«. Der Name soll auch die Ambivalenz Israels gegenüber der Jacob Appelbaum gehört hat es sich auf dem Schoß eines Mannes bequem Website auf – jacobappelbaum.net. Dahinter ver- Klarnamen zuordnen. Man muss umschreiben, wie die Tor-Tech- Kultur der Diaspora hervor. Einerseits steht mit Edward Snowden und gemacht, er massiert ihren Rücken. Gegenüber sitzt birgt sich aber keineswegs die Seite von Appel- nicht nur die drei Tage nach Sil- nik mehrere Schichten um einen der jüdische Staat für die Bewältigung der zu den eine junge Amerikanerin, sie hat die anderen erst baum. Diese ist geschaltet von Menschen, die vester rekonstruieren, an denen Datenstrom legt, jede einzeln Diaspora. Dem liegt die Vorstellung zugrun- prominentesten Anti- vor ein paar Tagen kennengelernt und wirkt, als sich als seine Opfer sehen. Wer die Website be- River bei Appelbaum zu Hause und anders verschlüsselt. So weiß de, dass ein Jude nur in Israel wirklich Jude Überwachungs-Aktivisten. fühle sie sich unwohl auf dieser Party – das wird sucht, sieht Fotos von Appelbaum: Er posiert in war. Auch was an den Tagen zu- am Ende keiner, nicht einmal die sein und wieder in die Geschichte eintreten Im Juni wurde er von fast später einer sagen, der dabei war. Sie spricht wenig, bunten Anzügen, als sei er der Joker aus den Bat- vor passierte, muss man erzählen. NSA, wer die Daten sendet und kann. Bis heute motiviert dieses alte zionisti- allen seinen Aufgaben und hört aber freundlich zu. Meist redet ohnehin der man-Filmen, und mit Mikrofon in der Hand ei- Genauso wie die Ereignisse, die wer sie empfängt. Und wie die sche Motiv manche israelische Haltung. Positionen entbunden, als Gastgeber, um den herum die Gruppe sich versam- nen Vortrag vor den Fans haltend. Hier melde erst durch Appelbaums Rücktritt Schichten dieser Zwiebel nur Zugleich demonstriert die Gerichtsent- auf einer Website melt hat: Der Amerikaner Jacob »Jake« Appelbaum, sich ein Kollektiv von Personen zu Wort, schrei- ins Rollen kamen. schwer voneinander zu lösen scheidung Israels Stolz auf die »kulturellen anonyme Anschuldigun- 33 Jahre alt, Spezialist für Computersicherheit und ben die anonymen Seitenverantwortlichen, die Nicht alle Fälle auf der Opfer- sind, so entblättert sich auch der Werte« der Diaspora, wie es David Blumen- gen gegen ihn auftauchten. ein Rockstar der weltweiten Hackerszene. Sein sämtlich von Jacob Appelbaum »sexuell, emotio- Website sind von beachtlicher Fall Appelbaum erst in langer berg, der Direktor der Nationalbibliothek, Mehrere Personen Name wird in einem Atemzug genannt mit der Elite nal und körperlich« missbraucht worden seien. juristischer Relevanz. Eine Frau, Recherche. Hinter den Vorwür- ausdrückte. »Es ist ein Festtag für jede kul- berichten, dass Appelbaum der digitalen Dissidenten, Edward Snowden oder Über jedem der Appelbaum-Fotos steht der die sich »Sam« nennt, erzählt fen steckt nicht nur eine Ge- turinteressierte Person, in Israel und anders- sie sexuell belästigt habe. Julian Assange. Für viele sind diese Männer Erlöser- Deckname eines mutmaßlichen Opfers. Folgendes: Sie habe eine Affäre schichte, sondern gleich mehrere: wo«, sagte Blumenberg. »Das Oberste Ge- Eine Frau spricht von einer figuren. Appelbaums Silvestergäste, etwa zwanzig, Dort berichtet unter anderem eine Frau, die sich mit Appelbaum gehabt und ihn Die erste handelt vom Feldzug richt hat die Nationalbibliothek gebeten, Vergewaltigung – sind Programmierer, Hacker, Aktivisten aus aller »Forest« nennt. Sie erzählt, wie sie sich gezwungen einmal zu Hause besucht. Er einer Gruppe von Aktivisten ge- Brods Nachlass nach Möglichkeit an die Appelbaum bestreitet das. Welt. Sie verbindet eine Mission: Sie nutzen Ver- sah, Appelbaums aufdringliche Avancen abzuwei- habe nackt in der Badewanne gen ihren ehemaligen Helden. Öffentlichkeit zu bringen. Sie wird dem Fol- Manche beteiligten schlüsselungstechnik, um gegen den verhassten sen. Als sie davon ausgegangen sei, zwischen ihnen gelegen und sie zu sich ins Wasser Die anderen handeln von einer ge leisten und diese kulturellen Werte erhal- Personen arbeiten für das Überwachungsstaat zu kämpfen. sei alles freundschaftlich geklärt, übernachtet sie in gezogen (»kind of pulled me«, wie verschworenen Gemeinschaft, in ten, indem sie sowohl dafür sorgt, dass sie im Tor-Projekt, für das Hier in der Berliner Szene ist Appelbaum ein Appelbaums Wohnung und schläft neben ihm im sie schreibt, also »auf eine Art der man auf Menschen trifft, die Land bleiben, als auch sie dem breiten Pu bli- Appelbaum in leitender Guru, seit er 2013 aus den USA geflohen ist, weil er Bett. Irgendwann wacht Forest auf, der schlafende gezogen«). Anschließend habe er anders leben. Extremer, an- kum zugänglich macht.« Jerusalem versteht Position tätig war. sich dort von den Geheimdiensten verfolgt fühlte. Appelbaum, so gibt sie an, habe ihre Hose geöffnet sie »nicht einvernehmlich gewa- spruchsvoller. Man erfährt von sich als rechtmäßiger Erbe und als Heimat In dieser Silvesternacht erzählt er von einer Reise in und seine Finger in ihren Slip gesteckt. Sie habe ver- schen«. Sam begreift diesen Vor- Gruppensex, Polyamorie, Trans- von Kulturprodukten der jüdischen Diaspo- den Irak, von mathematischen Formeln, die er sich sucht, ihn zu wecken, er habe sich dann umgedreht. fall mittlerweile als hässliche gendern und queeren Hackern. ra; Israel ist, anders gesagt, das Ende einer eintätowieren lassen will. Er zeigt den Gästen eine Als Forest ihn später wütend anspricht, habe Appel- Überrumpelung. Andere Opfer berichten anonym, Von Menschen, die nicht nur den Überwachungs- Geschichte, die anderswo begann. Skulptur, einen Journalistenpreis, der ihm vor zwei baum sich lapidar entschuldigt: Er habe geträumt, Appelbaum habe sie unerlaubt auf den Mund ge- staat hassen, sondern jede Ordnung. Von libertären Gehören also Kafkas Schriften zur deut- Jahren verliehen wurde. Er hatte für den Spiegel mit seine damalige Verlobte liege neben ihm. küsst. Einmal soll er einem Freund eine »aggressive Aktivisten, aber auch von Menschen, die jede Form schen Literatur oder zu dem Staat, der sich als aufgedeckt, wie die NSA das Handy der Kanzlerin Dort berichtet auch eine gewisse »River« – hin- Schultermassage« gegeben haben. Die Website zählt von Sex ausprobieren. Die angebliche Freiheit mo- Repräsentant und Erfüllung jüdischer Kultur abhörte. Der Preis trägt den Namen des Journalis- ter dem Namen verbirgt sich jene Frau, die in der viele kleinere Verfehlungen auf, auch Appelbaums derner, grenzenloser, emanzipierter Amourösität begreift? Oder befindet sich sein Werk jen- ten Henri Nannen, über dessen Nazi-Vergangenheit Silvesternacht mit der Journalistin und Appelbaum verbale Grobheiten und dumme Zoten, aber sie geht einher mit Verrat, Tristesse, Machtspielen und seits jeden nationalen Kanons, »mehr eigenen Appelbaum sich empört. Ob er die Skulptur nicht Sex hatte. Von River stammt der gravierendste Vor- birgt eben auch diesen Vorwurf eines schweren Ver- beeindruckender Gefühlskälte. Gesetzen der Bewegung folgend«, um seine mit Blut beschmieren sollte, fragt er in die Runde, wurf: Appelbaum soll sie bedrängt haben, mit ihm brechens. Beginnen wir mit dem, was einige Tage vor der Formulierung zu gebrauchen? mit dem Blut jüdischer Aktivisten, mit seinem ei- zu schlafen. Seine Freunde hätten den Übergriff be- Die Wirkung ist durchschlagend: Nachdem Ap- angeblichen Tat geschah, am 26. Dezember, dem Die Jerusalemer Richter mögen zu ihrem genen Blut. Oder mit Menstruationsblut, sagt die obachtet. Sie selbst habe klargemacht, dass sie nicht pelbaum Tor verlassen hat, erklären ihn auch andere Abend vor dem Chaos Communication Congress Urteil gekommen sein, aber der Prozess um Journalistin. Leider habe sie gerade ihre Tage nicht. wolle. Auf Anweisung von Appelbaum habe einer Organisationen zur Persona non grata. Die renom- in Hamburg. Der »Congress«, wie ihn alle nennen, Kafkas Erbe – in Israel wie in Deutschland – Aber das sei doch, sagt Appelbaum, in anderer Hin- der Freunde sie angefasst. River schreibt, sie habe mierte Freedom of the Press Foundation trennt ist weltweit das wichtigste Treffen der Szene. Man dauert an. BENJAMIN BALINT sicht vorteilhaft. Wenig später verschwindet er mit wiederholt geäußert, dass sie das nicht wünsche. Ir- sich von ihm, die Hackergruppe Cult of the Dead kommt aber nicht bloß der Vorträge wegen. Hier ihr im Schlafzimmer. Die schweigsame Amerikane- gendwann, so River weiter, sei sie bewusstlos gewor- Cow verstößt ihn, der »«, feiert die Hackercommunity den Jahresabschluss, Aus dem Englischen von Marie Schmidt rin liegt dort bereits im Bett. Die drei haben Sex den – ob aufgrund von Alkohol oder Drogen, lässt den er in mitgegründet hat, erteilt mit Alkohol, Drogen und Sex. Am Vorabend des miteinander. Mit diesem Abend und zwei weiteren, sie offen. Als sie wieder zu sich gekommen sei, habe ihm Hausverbot. Unbekannte sprühen an die Congresses sitzt Appelbaum zusammen mit ande- Der Autor Benjamin Balint lebt in Jerusalem die Appelbaum mit der Amerikanerin verbringt, ist sie bemerkt, dass Appelbaum den Geschlechtsver- Hauswand seiner Wohnung: »Ein Vergewaltiger ren in der Lobby des Radisson-Hotels, das direkt und arbeitet an einem Buch über den Prozess sein gesellschaftlicher Untergang besiegelt. Die kehr an ihr vollziehe. Die anderen hätten zugesehen. wohnt hier!«. Auf Deutsch und Englisch, dazu Pfei- um Kafkas und Brods Nachlässe, das nächstes

Fotos: Jens Gyarmaty/Visum [M]; Fremson/Redux/laif (o.); KPA/HIP/United Archives (r.) Archives KPA/HIP/United (o.); [M]; Fremson/Redux/laif Jens Gyarmaty/Visum Fotos: Amerikanerin wird später schwere Vorwürfe erhe- River schreibt: »Ich wusste bis vor Kurzem nicht, le, die auf Fenster seiner Wohnung zeigen sollen. Fortsetzung auf S. 38 Jahr in den USA bei W. W. Norton erscheint 38 FEUILLETON 11. AUGUST 2016 DIE ZEIT No 34

Ein Milieu der Angst Fortsetzung von S. 37 vorwürfen in der Botschaft Ecuadors in London einlässt? Gäste sagen: Appelbaum habe allen vor- fest. Auf Nachfrage teilt man dort mit: WikiLeaks her deutlich gemacht, dass das eine »sexy time par- neben dem Kongresszentrum liegt. Appelbaum soll lägen keine Beschwerden gegen Appelbaum vor. ty« sein würde, bei ihm zu Hause. In der Silvester- sturzbetrunken gewesen sein. Er bestellt im Restau- Man habe alle Mitarbeiterinnen gefragt, ob sie se- nacht will ein Zeuge beobachtet haben, wie River rant und an der Bar Aperol Spritz, zehn oder zwölf, xuelle Gewalt durch Appelbaum erlebt hätten. Bei MDMA in der Hand hatte. Auch Appelbaum vielleicht noch mehr. In der Lobby des Hotels spie- keiner sei das der Fall gewesen. stand in dieser Nacht unter Drogen. Die Journalis- len sich zwei Szenen ab, die zeigen, wie unzuverläs- Unterdessen findet beim Tor-Projekt eine Mit- tin, die am Neujahrsmorgen gegen 10 Uhr die sig Menschen wahrnehmen, was Appelbaum tut. arbeiter-Rochade statt. Am 13. Juli wird der gesam- Wohnung Richtung Flughafen verlässt, versichert, Und sie zeigen, dass Appelbaum ein impulsiver te Aufsichtsrat ausgetauscht. Außerdem verliert das River habe vergleichsweise nüchtern gewirkt und Mensch ist, getrieben, vulgär. Auch arrogant, herab- Netzwerk den Tor-Veteranen Lucky Green, einen sei in der Nacht und am Morgen zu keinem Zeit- lassend und übergriffig. Menschen aus der Bewe- langjährigen Unterstützer, der nicht mehr mittragen punkt bewusstlos gewesen. Alles, was zwischen den gung beschreiben ihn als »sexuell experimentier- will, wie man Appelbaum behandelt. Der Experte dreien passierte, sei einvernehmlich geschehen. freudig«. Als einen, der meist auch bekommt, was er war für die sogenannte Bridge-Authority verant- will. »Ich habe erlebt, wie er über die Gefühle ande- wortlich, ein technisches Werkzeug, mit dem auch rst am Nachmittag des 1. Januar gegen rer hinweggeht«, sagt einer, der ihn gut kennt, »und Menschen in Ländern wie China trotz Internetzen- 17 Uhr wachen die restlichen Gäste wie er übertrieben hartnäckig versucht, von anderen sur auf Tor zugreifen können. Tor baut inzwischen Appelbaums auf, die es nicht nach Hau- die Erlaubnis einzuholen, etwas zu tun, was sie nicht eine neue Bridge-Authority auf, verantwortlich für Ese geschafft haben. Auch River gehört tun wollten.« Aber er frage um Erlaubnis. Andere das Projekt: Isis Lovecruft alias Forest. dazu. Die, die ihr an jenem Tag begeg- »Dichter berichten, er habe sich ihnen gegenüber respektvoll Alison Macrina alias Sam wurde die Leitung des nen, erinnern sich an eine sehr ruhige, freundliche verhalten. Vielleicht wird aus der juristischen Klar- »Community Teams« übertragen, nachdem die und ausgeglichene Person. Einer, der sich Sorgen heit, mit der das Sexuelle in der Szene geregelt wird, Vorwürfe bei Tor bekannt geworden waren. Schon machte, in der Silvesternacht zu viel aus seinem dem Wunsch nach ausdrücklichem consent, schnell seit Ende 2015 sitzt sie außerdem im »Community Intimleben preisgegeben zu haben, erzählt, dass Grobheit, wenn einer wie Appelbaum auf andere Council«. Beide Gremien sind auch für den Um- River ihn getröstet habe. Am frühen Abend fahren einredet. Und vielleicht ist es Appelbaums zwiespäl- gang mit sexueller Belästigung von Mitarbeitern er, River, Appelbaum und einige Freunde in das tiger Ruf in Kombination mit allerhand Ausfällen, zuständig. In die internen Ermittlungen gegen Ap- Berliner Spa Vabali am Hauptbahnhof. was es vielen Menschen leicht machte, die Vergewal- pelbaum soll sie eng eingebunden sein. Auf der Tor- Ähnlich wie im Fall der Russin mit dem Pseudo- tigungsvorwürfe sofort zu glauben, als sie im Juni Website wird Macrina plötzlich als herausgehobene nym Alice verschmelzen wohl auch in Rivers Ge- aufkamen. Person des Tor-Projekts gelistet, im März stand an schichte diverse Abende, Situationen, Menschen der Eine der vielen Frauen, mit denen Appelbaum in dieser Stelle noch Appelbaums Name. So ist wahr miteinander. Geschehnisse sind eingeflossen, die wechselnden Konstellationen Sex hat, ist eine junge geworden, was sich River in ihrer Anschuldigung nach der Rückkehr aus dem Spa und am Abend des Russin, die für den Congress nach Hamburg gereist wünschte: Appelbaum solle nicht weiter Führer 2. Januar stattgefunden haben müssen. River be- ist. Sie trinken zusammen in der Lobby. Irgend- dieser Gemeinschaft sein, führen sollten vielmehr all hauptet, sie habe zusammen mit anderen auf Appel- wann, die beiden stehen vor den Toiletten, küsst die »edlen und mitfühlenden Menschen«, welche baums Couch einen Film geschaut, Dritte sollen sie Appelbaum die Frau so heftig, dass ihre Lippe blu- die Vorwürfe gegen ihn öffentlich machten. Macri- dabei gegen ihren Willen berührt haben. An einem tet. In der Lobby wartet noch eine andere Freundin na sagt dazu, sie habe nie eine Position bekleidet, die Abend schauen River und Appelbaum tatsächlich Appelbaums an der Bar, eine Studentin aus Deutsch- Appelbaum zuvor innehatte, noch seine Aufgaben zusammen mit Freunden Gaspar Noés Film Love, land. Ihr geht es an diesem Abend nicht gut, sie setzt übernommen. Dass sie bei Tor inzwischen mehr am anderen Abend die US-Spionage-Serie The sich auf Appelbaums Schoß. Die beiden küssen Verantwortung trage, sei Folge ihres bewiesenen En- . Von den fünf Gästen, die anwesend wa- Neuzeit« sich, fassen einander an. Irgendwann fällt der Stu- gagements über die letzten Jahre. In keiner Weise ren, kann die ZEIT drei sprechen. Einer erinnert dentin auf, dass sie ihre Tasche verloren hat, nervös korreliere das mit den Ereignissen um Appelbaum. sich, dass River auf der Couch tatsächlich gesagt schaut sie sich in der Lobby um. Als sie sich später Appelbaum war innerhalb des Tor-Projekts im- haben könnte: »Nicht vor allen anderen.« Es sei aber von Appelbaum verabschiedet, schubst sie ihn im mer umstritten. Er programmierte kaum, war eher spielerisch gemeint gewesen, danach sei nichts wei- Spaß weg. Ein Mann tritt hinzu: Ob Appelbaum sie für die Außendarstellung zuständig – stand auf ter passiert. Kein Zeuge will an diesen Abenden belästige? Nein, sagt die Studentin. Der Mann Bühnen, bekam den Applaus. Andere verrichteten Appelbaum und River beim Sex beobachtet haben. schiebt sich trotzdem zwischen sie und Appelbaum die Arbeit im Stillen, heißt es voller Neid. Appel- Einer der Anwesenden erinnert sich bloß, dass je- Ein Gespräch mit Haftbefehl und Xatar, die im und redet auf ihn ein. baum hat bei Tor teilweise knapp 100 000 Dollar mand, als River und Appelbaum nackt unter einer deutschen Gangsta-Rap als besonders glaubwürdig gelten. Sechs Monate später, Appelbaum gilt nun als Decke kuschelten, geraunt hätte: »Darf ich mitma- Vergewaltiger, geben drei Augenzeugen aus der chen?« Mit zwei der Anwesenden beendet Tor im Beide blicken auf eine kriminelle Vergangenheit zurück. Lobby dem US-Techblog Gizmodo ein Interview, Juli die Zusammenarbeit, ihnen wird »unangemes- Nun haben sie sich für ein Album zusammengetan darunter auch jener Mann, der auf Appelbaum senes Verhalten« vorgeworfen. einredete. Die drei erzählen, Appelbaum habe da- Mehrere Freunde Appelbaums sagen, sie hätten mals versucht, eine Frau gewaltsam zu küssen, und River selber gefragt, ob es ihr gut gehe, einer wartete sie am Po und den Brüsten begrapscht. Die Frau dazu sogar einen ungestörten Moment ab, als Ap- sei offensichtlich in Not gewesen und habe ständig pelbaum den Raum verlassen hatte. Sie habe die nach ihrer Tasche gesucht. Die Studentin stellt in Frage jedes Mal bejaht. Auch seien nach dem Exzess einem Statement richtig, was passiert ist. »Ich der Silvesternacht keine Drogen mehr konsumiert wundere mich über die stark verzerrte Darstellung worden, kaum Alkohol. Höchstens ein Joint. Kei- meiner Erlebnisse«, schreibt sie. ner der insgesamt acht Augenzeugen jener drei Den Machern der Opfer-Website jacobappel- Nächte und zwei Tage im Januar erinnert sich da- baum.net unterlief derselbe Fehler: Eine frühe Ver- ran, dass River je bewusstlos gewesen sei. Auch Sex sion der Website enthielt den Fall »Alice«. Der Text gegen ihren Willen will keiner bemerkt haben. DIE ZEIT: Xatar und Haftbefehl, wir sprechen ZEIT: Lassen Sie uns über Musik reden. Haft- war nur kurz online. Obwohl Zeitpunkt und Ort Wohl am Morgen des 3. Januar verlässt River Ap- mit zwei Schwergewichten des deutschen Hip- befehl, was mögen Sie an dem Sound Ihres geändert wurden, passt diese Geschichte haar- pelbaums Wohnung. Kurz darauf trifft Macrina Hops, mit zwei Königen des deutschen Gangs- Kollegen Xatar? Xatar, wo liegt Ihrer Meinung scharf zu den Ereignissen beim Congress: Appel- alias Sam ein, vermutlich jener Besuch, bei dem es ta-Rap: Wie würden Sie sich dem ZEIT-Leser, nach das große Talent des Rappers Haftbefehl? baum küsst Alice so heftig, dass ihre Lippe blutet. zum »Badewannenfall« kommt. der vielleicht nicht viel von deutschem Hip- Xatar: In Deutschland hatte sich mit Bushido Als Appelbaums russische Freundin den Text im Noch Tage später postet River, sie freue sich auf Hop versteht, mit ein paar Sätzen vorstellen? ein Schema von Rap etabliert – alle haben ver- Netz entdeckt, ist sie schockiert. Sie fordert die eine weitere Reise, um den Spaß zu wiederholen, Xatar: Wir sind das künstlerische Ergebnis der sucht, das nachzumachen. Haftbefehl hat in Verantwortlichen der Website auf, ihn sofort aus den sie gehabt habe – sie meint: in Hamburg und Kehrseite vom Wohlstand in diesem System. den Rap einen neuen Flow, eine neue Rhyth- dem Netz zu nehmen. Sie will nicht für eine Kam- Berlin. Am 19. Januar schreibt River Appelbaum Haftbefehl: Hallo. Schönen guten Tag. Ich bin mik des Sprechgesangs gebracht, alle wollten pagne eingespannt werden, die sie ablehnt. »Ich eine E-Mail, es geht um Kryptografie. Sie verab- der Aykut Anhan, ich komme aus Offenbach. mit tiefer Stimme rappen, seine Stimme war bin kein Opfer von Jake Appelbaum«, sagt sie der Appelbaum im Jahr 2007, als er schiedet sich mit: »Hugs«, Umarmungen. Spätestens ZEIT: Ist Ihnen der Begriff Gangsta-Rap ange- hoch. Das andere Ding war die Sprache. Haft- ZEIT. Sie habe Freunden im Vertrauen von dem für eine Porno-Website arbeitete Mitte Mai steht River in Verbindung mit Lovecruft, nehm, oder verwenden Sie lieber den neutrale- befehl hat den Slang ins Game gebracht. heftigen Kuss berichtet. Nicht bloß sei diese Ge- einer der vermuteten Website-Schöpferinnen. Auf ren Begriff des Straßen-Rap? Haftbefehl: Xatar war der erste Streetrapper, schichte jetzt ohne ihr Einverständnis auf der Seite Nachfrage will sich River nicht äußern. Xatar: Gangsta-Rap ist okay. der ausländische Wörter in den deutschen Rap benutzt worden – sie sei auch »stark manipuliert«. Die Internetaktivisten, die so mutig gegen Über- ZEIT: Haftbefehl, Sie haben Erfahrung als gebracht hat, Arabisch, Türkisch, Kurdisch, Ita- Jahresgehalt bezogen, eine freie Programmiererin wachung kämpfen, bekriegen sich inzwischen ge- Drogendealer. Xatar, Sie saßen in den USA, im lienisch. Ich habe mit dem neuen Slang dann napp vierzehn Tage nachdem die Web- wie Lovecruft (Forest) nur einen Bruchteil davon. genseitig. Zu den wöchentlichen Stammtischtreffen Irak und wegen eines Raubüberfalls in Deutsch- richtig übertrieben. Noch vor fünf Jahren ha- site online ging, veröffentlichen zwei Seit Monaten schwelt überdies ein schwerer Kon- in Berlin erscheinen einige aus dem Anti-Appel- land fünf Jahre im Gefängnis. Geht Ihnen der ben mich nur die Leute in Frankfurt verstan- Frauen Blogeinträge und bekennen flikt um die politische Ausrichtung von Tor: Inwie- baum-Lager jetzt nicht mehr. Wohngemeinschaften Kult um Ihre kriminelle Vergangenheit manch- den. Frankfurt ist sehr multikulti. Verstehst du, Ksich dazu, hinter den Decknamen Sam fern sind Geldgeber wie das US-Außenministerium zerfallen. Sogar auf Liebesbeziehungen innerhalb mal auf die Nerven? wenn ein Hipster neben uns sitzt, dann versteht und Forest zu stehen. Als Forest (der akzeptabel? Appelbaum hatte sich immer gegen zu der Szene lassen sich manche Hacker nicht mehr Haftbefehl: Alles kommt, wie es kommen er kein Wort. Obwohl wir deutsch reden. der schlafende Appelbaum in den Slip gegriffen viel Regierungsnähe, zu viel Professionalität ge- ein, aus Angst, sie könnten falsch beschuldigt wer- muss. Jeder hat sein Schicksal. Xatar: Mittlerweile reden die Kanaken in Ber- haben soll) gibt sich eine Tor-Programmiererin mit wehrt. Er wollte radikaler Kritiker bleiben. den. Projekte sind ins Stocken geraten, berichten Xatar: Der Mensch ist seine Vergangenheit, ich lin, in Köln, in Frankfurt alle so. dem Künstlernamen Isis Agora Lovecruft zu er- All das mag dem Hass den Boden bereitet haben, Tor-Insider. Das gegenseitige Vertrauen, wichtigste bin meine Vergangenheit. ZEIT: Gibt es eine Botschaft an die deutsche kennen – eine junge Amerikanerin, die in Berlin beantwortet aber nicht die Frage, ob Appelbaum ein Ressource der Aktivisten, ist zerstört. »Bei der NSA ZEIT: Besonders im Hip-Hop ist der Begriff Hip-Hop-Community, die von Der Holland lebt. Lovecruft ist keine Informatikerin, sie hat Vergewaltiger ist oder sich sonst strafbar gemacht haben garantiert die Sektkorken geknallt«, sagt eine der Authentizität wichtig. Gibt Ihnen Ihre Ver- Job ausgeht? Physik und Literaturwissenschaft studiert, ihre hat. Das Tor-Projekt gibt am 27. Juli nach internen Tor-Mitarbeiterin. »Monatelang ist Tor jetzt mit gangenheit eine andere Tiefe, einen anderen Haftbefehl: Unsere Botschaft war, alle Kollabo- Schwerpunkte: Hochenergiephysik und Feministi- Untersuchungen eine Pressemitteilung heraus: Ap- sich selbst beschäftigt. Wir machen uns gerade alle Bass, eine andere Glaubwürdigkeit? rationsalben, die es bisher gab, wegzuficken, sche Kritische Theorie. pelbaum habe mehrfach »unerwünschtes sexuell gegenseitig kaputt, obwohl wir doch alle für das Haftbefehl: Natürlich ist das so. und ich glaube, das haben wir auch geschafft. Sam ist ebenfalls Amerikanerin: Alison Macrina, aggressives« Verhalten gezeigt. Kein Wort zu River, Gleiche kämpfen.« Xatar: Wir sind das, was wir sind. Die anderen ZEIT: Es ist auffällig, dass das Album nicht be- Leiterin eines Projekts, das Tor in Bibliotheken zu- kein Wort dazu, ob sie »bewusstlos« war. Auch auf Vielleicht war aber schon vorher etwas kaputt. versuchen vielleicht, so zu sein wie wir. Dafür sonders hart klingt. Es herrscht eine helle, ge- gänglich machen soll (sie ist die Frau mit dem »Ba- mehrfache Nachfrage äußert Tor sich nicht weiter. Viele aus der Szene sprechen von den hehren Idea- können wir nichts. löste, entspannte Stimmung. Was ist los? Geht dewannenerlebnis«). Viel spricht dafür, dass es auch Appelbaum hingegen ist die Frage nicht egal. len, die sie vertreten – Freiheit, Gleichheit, Einver- ZEIT: Sie beide sind, vor allem mit dem jeweils es Ihnen so gut? die beiden waren, die die Website mit den Anschul- »Zu keinem Zeitpunkt«, sagt er im Interview mit nehmlichkeit. Die Kryptogemeinschaft pflegt die letzten Album, richtiggehende Lieblinge des Haftbefehl: Der Sound ist sehr hell, die Beats digungen aufgesetzt haben. Lovecruft selbst erklärte der ZEIT, »hatte ich Sex mit jemandem, der be- Parolen der Hippies und 68er, erweitert um mathe- Feuilletons und der linksliberalen Boheme der sind hittig. Wir haben die Produzenten angeru- in ihrem Blog, schon seit einem halben Jahr Aussa- wusstlos war; noch hatte ich Sex mit jemandem, der matische Formeln und Programmiersprachen. Aber deutschen Großstädte geworden. Wie erklären fen und gesagt: Macht helle Beats, die knallen. gen von Appelbaum-Opfern zu sammeln. Sie ist in irgendeiner Weise zu berauscht war, um zuzu- genau wie einst in den linken Kommunen blitzt Sie sich das? ZEIT: Es heißt immer, dass der deutsche Gangs- auch jene Freundin, der die russische Aktivistin stimmen.« Bis heute ermittelt kein Kriminalbeam- auch heute eiskalter Machtwille hinter den großen Haftbefehl: Feuilleton? Was ist das noch mal? ta-Rap natürlich von den amerikanischen Vor- Alice von der blutenden Lippe berichtet hat. ter, kein Staatsanwalt gegen ihn. Es gibt nur die Worten auf. Die Hackerszene gleicht, was Sex, ZEIT: Das Feuilleton ist der Kulturteil der gro- bildern, von N.W.A., Tupac und Notorious Es könnte sein, dass sich das, was Lovecruft und anonymen Anschuldigungen im Internet. Warum Macht und Drama angeht, einer hormongeladenen ßen Zeitungen. Sie unterhalten sich gerade mit B.I.G., beeinflusst ist. Aber stimmt das über- Macrina als Forest und Sam schildern, so zugetragen hat das Opfer die Behörden nicht eingeschaltet? amerikanischen Studentenverbindung. Nur hat hier dem Feuilleton der ZEIT. haupt? Würden Sie da ganz andere Namen hat. Freunde von Appelbaum beschuldigen die bei- Warum haben Lovecruft und Macrina den angeb- die Paranoia längst um sich gegriffen. Sie schlafen Haftbefehl: Ach so. Keine Ahnung. Wahr- nennen? den allerdings, entscheidende Details ausgelassen zu lichen Täter nicht angezeigt? Halten sie vom miteinander und trauen einander alles Böse zu. Un- scheinlich bin ich einfach ein cooler Typ. Haftbefehl: B.I.G. hat uns sehr beeinflusst. Ich haben. So endet Sams Bericht etwa damit, dass sie Rechtsstaat nichts? Dieses System, schreibt Macri- zählig die Anekdoten, wer in der Szene wem schon Xatar: Das ist doch ganz einfach. Wir haben würde noch den französischen Hip-Hop dazu- aus der Badewanne springt und weint. Der Abend na in einem Blogeintrag, setze nur die Gewalt fort, einmal vorwarf, insgeheim für die verhasste Regie- viel Mist erlebt. Wir hatten eine toughe Kind- nehmen, die Afrikaner aus dem Senegal, aus sei in Wirklichkeit aber anders ausgegangen. Nach für Ankläger wie für Angeklagte. Lovecruft be- rung zu arbeiten. Auch die sicherste Verschlüsselung heit. Viele Menschen in Deutschland sitzen ihr dem Kongo. Man rapt dort auch mit viel Slang. einer längeren Aussprache habe Sam einvernehmli- zeichnet sich selbst als »Anarchistin«, wie viele aus bewahrt die Revolution nicht davor, die eigenen Leben lang nur vor dem Fernseher. Die erleben Xatar: Wir sind auch durch Pop beeinflusst. chen Sex mit Appelbaum gehabt. Macrina antwor- der Szene. Sie schreibt in ihrem Blog, sie wünsche, Kinder zu fressen. nichts. Ich glaube, dass wir von Seiten von Normale Musik, sage ich mal. Wir sind mit tet auf Nachfrage wütend, es sei »empörend und Appelbaum gehe ins Exil, nach Alaska oder Sibi- Nach langen Gesprächen in einem Hotel und Deutschland erzählen, von denen viele nichts MTV groß geworden. abartig«, dass man sie überhaupt danach frage. Es sei rien. »Ich will weder Jakes Geld, noch will ich ihn über verschlüsselte Chat-Programme schickt Appel- wissen. Wer in einer Bonzengegend oder in ei- Haftbefehl: Ich habe viel Michael Jackson ge- grundsätzlich unangemessen, Opfern von Über- ins Gefängnis bringen«, sagt sie auf Nachfrage. baum sein Statement. Er habe als Führungspersön- nem Dorf wohnt, der kriegt doch von den hört. 1995 habe ich angefangen, Rap zu hören, griffen andere sexuelle Begegnungen vorzuhalten »Ich will mit dem Rechtssystem überhaupt nichts lichkeit versagt. Bei Tor habe er keine strukturellen wahren Zuständen in diesem Land nichts mit. als Luniz mit I Got 5 On It und Kriss Kross mit und damit zu suggerieren, der Übergriff zähle nicht. zu tun haben. Ich will nur Jakes misshandelndes Veränderungen geschaffen, die Sexismus verhindert Haftbefehl: Merkst du das, Brudi? Wir werden Jump rauskam. Nachdem nicht mehr bloß von anonymen Vor- Verhalten stoppen.« hätten. Er habe viele Fehler begangen, Menschen hier gerade feuilletonisiert. ZEIT: Bitte noch mal genau schildern: Wie würfen die Rede ist, distanziert sich nach heftigem Anarchisten, die den Staat hassen, nehmen verletzt, dafür übernehme er die Verantwortung. ZEIT: Wie kam es jetzt dazu, dass Xatar und muss man sich den Vorgang des Texte-Schrei- internen Streit auch der in der internationalen Ha- einen Vergewaltigungsvorwurf in die eigenen »Ich habe die Privatsphäre von Menschen verletzt, Haftbefehl sich als Coup für das Album Der bens bei Ihnen vorstellen? ckerszene bedeutende deutsche Chaos Computer Hände. Und wo es normalerweise zu einem Straf- geschmacklose Witze gemacht und explizite Spra- Holland Job zusammengeschlossen haben? Xatar: Ich habe im Auto getextet, ich habe im Club von Appelbaum: Er sei nicht mehr willkom- verfahren kommt, herrscht jetzt das Gerücht. che in unangemessen Momenten benutzt.« Rivers Haftbefehl: 2008 haben wir uns kennengelernt, Knast getextet. Bei mir ist es so, dass ich einen men, twittert der CCC am 17. Juni. Damit haben Auch unerklärlich ist, warum Appelbaum, der Story aber sei eine »Fiktion«. beim Festival Rheinkultur in Bonn. Ich war vibe brauche, eine Atmosphäre, die mich catcht. ihn alle wichtigen Institutionen verstoßen – von sich nach eigenen Angaben einer Falschbeschul- Viele andere Gesprächspartner, Freunde und noch nicht so bekannt, hatte gerade angefangen Viele schreiben auf dem Handy, ich schreibe ganz wenigen Ausnahmen wie der Plattform Wiki- digung ausgesetzt sieht, nicht zur Polizei geht. Gegner gleichermaßen, wollten nicht zitiert werden. zu rappen. Dann ist er leider in den Knast ge- auf Papier. Leaks abgesehen, mit der er gelegentlich zusam- River war neu in der Szene. Sie kannte Appel- Aus Angst vor Vergeltung, sagen beide Seiten. kommen. Jetzt waren wir dann endlich so weit. Haftbefehl: Dein Ernst, Bruder? mengearbeitet hat. Deren prominentester Vertreter, baum und die anderen erst seit wenigen Tagen, Xatar: Ich kam vor 18 Monaten aus dem Knast Xatar: Es ist ein Ab-Fuck. Lassen Sie mich er-

Foto [M]: Lane Hartwell Foto Julian Assange, sitzt selbst wegen Vergewaltigungs- vom Congress. Wusste sie nicht, worauf sie sich Mitarbeit: Sebastian Mondial raus, und wir haben gleich die Deals gemacht. klären, wie es bei ihm, bei meinem Bruder