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NOV.16

Jubiläum EINSCHLAUFEN Betrifft: Wo waren wir eigentlich gestern? Impressum Nº 09.16 Manchmal beginnt es einfach so. Mit einem leich- aber eben doch in ganz langen Sätzen, deren Sinn DER MUSIKZEITUNG LOOP 19. JAHRGANG ten Zittern im linken Handgelenk. Einem Ziehen sich einem beim Abhören nicht mehr erschliessen hinter der Netzhaut. Einer kaum wahrnehmba- wird. Geplaudere, das einen womöglich belustigt, P.S./LOOP Verlag ren Rötung am Knöchel. Keine drastischen Zei- möglicherweise verblüfft, vermutlich aber eher Langstrasse 64, 8004 Zürich chen des Zerfalls, sondern eher subtile Signale für befremdet. Denn da schwingt die kumulierte Ver- Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 den Anbruch einer neuen Zeit. Das Alltagsproto- gangenheit mit, die sich nicht mehr bloss in einer www.loopzeitung.ch koll beginnt sich zu verändern – erst unmerklich, chronologischen Abfolge von Ereignissen äussert, dann zunehmend deutlicher. Genussgifte, Vita- sondern als sentimentaler Setzkasten, in dessen Verlag, Layout: Thierry Frochaux mine, Arzneimittel müssen nun wesentlich sorg- kleinen Abteilen man seine eigene Erbärmlich- [email protected] fältiger in Einklang miteinander gebracht wer- keit erkennt. Und beim Betrachten nicht umhin den, die exzessiven Phasen in ein vernünftigeres kommt, verlegen zu schmunzeln. Administration, Inserate: Manfred Müller Verhältnis zum kontemplativen Rest der eigenen Was ist in solchen Situationen zu tun? Nun, man [email protected] Existenz. Kein grosser Aufwand, zugegeben, aber könnte in einen gewissen Aktionismus verfallen, allmählich wird es zur Belastung, die Tücken des sich eine Outdoor-Ausrüstung zulegen, ein schwe- Redaktion: Philippe Amrein (amp), biologischen Alters mit der unverändert lockeren res Motorrad, einen Sportwagen aus Zuffenhau- Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe Geisteshaltung zu synchronisieren. sen. Oder – die ist günstiger zu haben und deutlich Aufhören ist keine Option. Nie gewesen. Denn nachhaltiger – eine gewisse Gelassenheit. Den Din- Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Reto Aschwanden Aufhören würde einer Kapitulation gleichkom- gen gegenüber, den Ereignissen und Gegebenhei- (ash), Yves Baer (yba), Thomas Bohnet (tb), Pascal men, deren Vermeidung bereits in jungen Jahren ten. Oder eben der Zeit, die ja gemäss einer eher Cames (cam), Chrigel Fisch, Christian Gasser (cg), auf die ewige No-Go-Liste gesetzt wurde, ganz antiken Definition nichts anderes ist als die Anzahl Michael Gasser (mig), Hanspeter Künzler, Tony oben. Mit dickem Filzstift. Und doppelt unter- der Unterschiede gemäss vorher und nachher. Lauber (tl), Mathias Menzl, Sam Mumenthaler, strichen. Eine frühe Lebensmaxime auf vergil- Wir haben das getan. Unser Ohr in den Wind Philipp Niederberger, Christian Pauli, bendem Papier. Aber eben auch eine schriftlich gehalten. Um zu hören, was aus den vergange- Patrick Principe, Adrian Schräder (räd), fixierte Form der Selbstvergewisserung, an die nen Jahrzehnten nachhallt. Die vielen Echos, die Miriam Suter, André P. Tschan, Hanna Widmer man sich halten konnte und auch gehalten hat. sich wie ein beruhigender Schleier über die eige- Dann jedoch sitzt man wieder vor einem leeren ne Vergangenheit legen. Es ist alles noch da, klar Druck: Tagblatt Print, St. Gallen Blatt. Einem frischen Word-Dokument. Einem und deutlich. Und unter diesem Schleier erken- Mikrofon mit angekoppeltem HD-Recorder, auf nen wir das Leben, das wir geführt haben, als Das nächste LOOP erscheint am 07.12.2016 dem zwei Terabytes leeren Speichers schlum- wir noch jung und dumm, beschwerdefrei und mern, in die man den gesammelten Kummer der blauäugig waren. Jetzt sind wir halt alt. Na und? Titelbild: The Monsters Gegenwart diktieren könnte. Leise modulierend, Guido Geburtstagskind

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, 8004 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] ROCK & RÄUBERPISTOLEN Zehn Jahre Mars Bar – das muss gefeiert werden. Zwischen Gentrifizerung und Langstrassentumult steht das Lokal seit einer Dekade wie ein Fels in der Brandung. Eine gute Gelegenheit, Gastgeber Rolle auf ein Bier zu treffen.

Rolle, sag mal, wie sieht es denn so aus mit: …der ungesitteten Kundschaft? Eine Palette an Anekdoten könnte ich jetzt nicht gleich auf- fahren. Was mir geblieben ist, sind die beiden Schauspieler, die bis um ein Uhr nachts an der Bar Wodka gebechert haben – und sich dann, als es ans Zahlen ging, wirklich nicht mehr dran erinnern konnten, so viel getrunken zu haben. Wir konnten sie dann überzeugen, dass es tatsäch- lich ziemlich viel war – das Tellerwaschen ist ihnen erspart geblieben. Und einmal gab es eine ganz passable Kneipen- schlägerei mit zwei Koks-Dealern, die sich auf der Strasse vis-à-vis mit zwei Stammgästen in die Haare geraten wa- rolle ren. Es brauchte die vereinten Kräfte von Gästen und Per- sonal, um sie wieder vor die Tür zu stellen. Legendär, wie Barkeeper Andreas einem der Dealer von hinten den Stuhl … dem Rauchverbot? entrissen hat, bevor der Typ den jemandem über den Kopf Mit dem Rauchverbot hat sich die Struktur der Bar extrem ziehen konnte. Im Nachhinein eine amüsante Räuberpisto- verändert. Davor wars definitiv entspannter: Da sassen ein- le. Aber das war schon das Wildeste. fach alle in einem Raum und qualmten. Jetzt läuft dir stän- dig einer vor der Nase durch, was ja nicht weiter schlimm …der Kundschaft ganz allgemein? ist, aber trotzdem ist es hektischer. Um vier, wenn wir auf- Sonntag bis Donnerstag trinken viele Stammkunden ihr machen, füllt sich meist zuerst das Fumoir. Vorne kommen Bier. Viele kennen wir, und sie kennen sich untereinander. die Leute eher so gegen sieben bis elf. Danach wirds vorne Auch am Freitag hats viele Stammgäste, zudem noch das oft leer, und im Fumoir ist noch Party bis eins. Ausgangspublikum, aber eher die Stadtleute, die wissen, wohin sie wollen. Am Samstag sinds meist eher Leute von …der Gentrifizierung? ausserhalb, die zufällig hier landen, weil wir halt Lang- Kennen wir auch. Ich habe in den letzten Jahren Fotos strasse sind. Dann hast du Wodka-Red-Bull-Bestellungen gemacht von der Neufrankengasse, und da ist einiges an oder Leute, die mit Kreditkarte zahlen wollen und solchen Veränderung zusammengekommen. Schon allein mal der Kram. Drum haben wir früher am Samstag die Konzerte Tessinerkeller, der vor ein paar Jahren verschwunden und gemacht, um unser eigenes Publikum hier zu haben. durch das Mehrfamilienhaus ersetzt worden ist, macht viel aus. Der Tessinerkeller war früher ja mal die Räuberhöhle, …der Polizei? ein legendärer Absturzspunten für Prostituierte, Clochards Die ist nicht oft da. Da gabs mal eine Zeit, als Alain (alter und Arbeiter, die dort ihre Sorgen wegtranken oder sonst- Zürcher Punkadel, Anm. d. Red.) mit The Seniles gespielt was zu begiessen hatten. Anfangs kamen noch öfters älte- oder Platten aufgelegt hat. Da standen dann irgendwann re Herren vorbei und erzählten davon, wie sie früher dort garantiert die Bullen da. Keine Ahnung, wie der das schafft, drüben verkehrten. aber er ist so einer, der könnte sogar ein Gedicht vorlesen, und kurz darauf steht die Polizei auf der Schwelle. Ansons- … den nächsten 10 Jahren? ten gibts da nicht viel zu reklamieren. Klar, die Sache mit Ich mache weiter, selbstverständlich, mehr oder weniger so den Konzerten hat sich ziemlich verändert. Vor einigen wie gehabt. Also an drei Abenden hinter der Theke stehen, Jahren haben über der Mars Bar noch Junkies und Alkis den Rest der Zeit Büro, Bilder aufhängen, Sachen organi- gehaust, und die hatten andere Sorgen als ein bisschen Bass sieren… Zu tun gibt es immer was. Ich hoffe, ich werde und Schlagzeug von unten. Da war Rambazamba bis um auch weiterhin ein so grossartiges Team haben wie jetzt ge- elf – und keinen hats gekümmert. Aber seit drei Jahren sind rade! Auf dieser Seite der Strasse wird sich wohl nicht viel die Nachbarn oben nicht mehr ganz die gleichen Gestalten ändern bis das Tram dann in zehn Jahren kommt – oder wie vor fünf, also läuft das inzwischen ziemlich gesittet ab: auch nicht. Werden wir sehen. Vom Programm her bleibt Start um halb neun, Schluss um 10, dann sind alle zufrie- es ähnlich: Lecker Bier, lecker Wein, lecker Schnäppschen, den. Insgesamt eher eine kastrierte Sache, aber den Leuten, ab und zu Konzerte und natürlich Live-Übertragungen von die kommen, machts Spass. Beim Booking orientiere ich allen wichtigen Fussballspielen. mich eher an lokalen Bands. Zur Hälfte sind das Punk- Protokoll Hanna Widmer rockbands, die ich teilweise noch aus Wohlgroth-Zeiten her kenne, dann aber auch Indie-Postrockbands, oft in Zu- Jubiläumsprogramm: 29.10., The Lombego Surfers (live); 30.10., Lesung sammenarbeit mit Manu von Ikarus Records. Stephan Poertner; 1.11., Föteliabig; 3.11., Zayk (live). www.marsbar.ch SZENE

Atlantis_2016_Version_3_Atlantis_2016 26.01.16 18:18 Seite 1 www.elbertin.ch

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ANTONIONI NOVEMBER 2016 DAS PLÜSCHROTE JUWEL die mit einigen riskanten Navel-Gastspielen für mich zu den ber Hip-Hop neben Afro- Man ist nicht alle Tage im Osten, Highlights meiner «grossartigen Manager-Karriere» zählen. Freak-Sounds, wüstenzerti- Dieser Novemberabend in der damaligen Fanatorium- fiziertem Rock, Dancehall, doch wenn man mal in der Gegend ist, Reihe war eine seltene Ehre für mich. Leider hab ich das Techno, Italo-Porn-Funk, Monatsplakat nicht mehr, es war nämlich das allererste des Fussball-Boogie, japanisch- besucht man das Palace in St. Gallen. Palace – und mein Name drauf! Ist das schon zehn Jahre er Psychedelic-Kamikaze her? Oder: erst? Wenn ich mich nicht täusche, brachte ich und lokaler Newcomer- Nun feiert der Club seinen zehnten Damian Hohl vom Palace an jenem Abend auch das or- Nerd-Musik funktioniert. ange Palace-Brothers-T-Shirt mit, das ich bei Will Oldhams Kaschemme – kasch im- Geburtstag. Zeit für eine Festrede. erster CH-Tour (1994, wiederum in der Kaserne Basel) ab- mer!, sage ich gerne. Ein gestaubt hatte. Irgendwie hängt alles zusammen. Und falls wildes Programm, abseits Geburtstag, feiern, immer gut! Zum Beispiel letztes Jahr im nicht, klebt man es einfach zusammen und sagt: so! von Kulturmanagement- Sommer: «A One Night Stand – 20 Jahre Fischer & Fisch»- Will Oldham besuchte als Bonnie «Prince» Billy das Palace Einerlei und bunten Stan- Party in der Kaserne Basel (Frank Fischer und ich waren später leibhaftig, in Fleisch und Blut und Bart. Eine Menge dort-Marketing-Slogans. das Kaserne-Musikbüro 1995–2001). «20» war natürlich ausserordentlicher Bands hat über die Jahre das Palace so Genauso wie im Palace gemoppelt, da wir schon lange nichts mehr in der Kaserne hell erleuchtet, dass es auch in Basel noch als starkes Glim- St.Gallen. machen. Egal, feiern, immer gut. War diese Party nun ein- men wahrgenommen worden ist: Wire, Sleaford Mods, Und jetzt grüsst der Ost- fach ein Blick zurück? Auch. Ein Blick nach vorne: nope. Grizzly Bear, Animal Collective, Mirel Wagner, Tallest schweizer Basler das Ein Blick tief in die Arschspalte dieser einen Nacht? Genau! Man On Earth, Daniel Johnston, Guz, Göldin & Bit-Tuner, plüschrote St. Galler Club- Es ist bei Jubiläen nicht wirklich sinnvoll, sich die alten Young Fathers, Acid Arab, Bombino, The XX, Silver Jews, Juwel und seine Macherin- Knochen mit Nostalgiecreme einzureiben. Besser, man haut The Notwist, Shabazz Palaces… puh! Ein stil- und wert- nen und Macher. Lasst euch die frische Nacht einfach durch den Shredder und schaut, volles Musikprogramm, das ganz weit vorne ist in der mit- nicht auf die Torte spucken! dass es allen gut geht dabei; vor, auf, neben und hinter teleuropäischen Club-Landschaft: Weiss das der gemeine Chrigel Fisch der Bühne. So geschehen bei diesem schönen «One Night St. Galler eigentlich? Stand» zu Basel vor einem Jahr. Und sicher auch eine gute Meine beiden liebsten Clubs ausserhalb Basels pflegen Dieser Text erschien in der Oktober- Idee für zehn Jahre Palace. Den echten und hochaktiven schon einige Jahre eine enge Freund- und Komplizenschaft: ausgabe des Ostschweizer Kultur- Musik-Conaisseurs dieses einzigartigen Clubs wünsche ich das Palace und das Bad Bonn samt Kilbi in Düdingen. In magazins «Saiten». eine formidable Feier ohne Verfalldatum! einer erneuten Novembernacht, 2014, verbrachte ich an der Übrigens spielte an dieser gut geölten Party in der Kaserne «Kilbi an der Grenze» im Palace eine wundersame Nacht, Die Feierlichkeiten gehen weiter. auch Jari Antti (Navel) ein paar . Jari war – und so als ich Courtney Barnett erstmals live auf der Bühne erlebte. Am 4. November geniesst die kriege ich endlich den Dreh zur Achse Basel–St. Gallen – Und mich sofort verliebte in diese slackige Frohnatur mit Gruppe Ja, Panik Gastrecht, die schon am 9. November 2006 an der «Townes Van Zandt»- den entwaffnenden Songs, von der ich zuvor noch nie ge- wie das Palace den 10. Geburtstag Hommage im Palace mit Coversongs des texanischen Folk- hört hatte. feiert. Sie stellt ihr Buch «Futur II» Poeten auf der Bühne zu hören. Dazu las Marcel Elsener Basel–St.Gallen. Im Zug mittlerweile eine schnelle Achse. vor – und es kündigt sich ein aus- einen biografischen Text, ich spielte ein paar Townes-Plat- Trotzdem ist man nicht alle Tage im Osten. Einen Club wie gelassener Abend an, «inklusive ten, und später lief ein Konzertfilm ab VHS-Kassette. Jede das Palace würde ich mir in Basel wünschen – ein so offenes Karaoke, Dia- und Videoshow, Menge Bier ging in uns den üblichen Weg. Dies war der Publikum ebenso. Natürlich läuft auch viel in meiner Stadt. Rauch, Schnaps und anderen Got- Beginn einer schönen Verbindung zu den Palace-Machern, Zum Beispiel seit zwei Jahren in der Kaschemme, wo der- teslästerungen». the monsters (1989)

DIE BAND AUS BERN des Plattenspielers immer wieder aus der Rille gesprungen, reinkommt, geht auf ein The Monsters feiern Jubiläum. Und wenn die Leute getanzt haben.» Um dieses Problem zu um- Gemeinschaftskonto und gehen, wurden also kurzerhand The Monsters gegründet. wird zum Bezahlen der an- bauen ihr eigenes Universum auch «Und der, der am lautesten schreien konnte, wurde zum fallenden Kosten verwen- Sänger erkoren – also ich.» det. Wenn Ende des Jahres nach drei Jahrzehnten Bandgeschichte Doch bald schon war das besetzte Haus zu klein für die noch etwas übrig ist, gibt Combo. Also wurden Kontakte zu Gleichgesinnten in an- es eine kleine Gratifikation. munter weiter aus. Ein Besuch in Bern deren Städten geknüpft und erste Auswärts-Auftritte absol- «Wir sind ein Männerclub, viert. Erst in der Schweiz, kurze Zeit später dann im be- der aus Freunden besteht», – und ein paar Erinnerungen. nachbarten Ausland. «Für Schweizer Bands war das eher erklärt Beat-Man. «Das ist ungewöhnlich zu jener Zeit», erinnert sich Beat-Man. «Aber mehr als eine Band. Wir Echt jetzt? Eine Krawatte? Beat-Man grinst und erklärt sei- für uns war das ganz normal. Deutschland, Frankreich, treffen uns einmal pro Wo- ne verblüffend korrekte Garderobe: «Wenn ich heute ster- Holland, Belgien – von dort kamen die Anfragen, also ha- che, plaudern über Frauen ben würde und dabei schlecht gekleidet wäre – das könnte ben wir dort gespielt.» Die Fangemeinde wuchs, und nach und so, dann trinken wir ich mir nie verzeihen.» Er sitzt in der Ecke seines Platten- ein paar Jahren kamen dann auch Anfragen aus entfernten Bier und machen Musik.» ladens in der Berner Altstadt, der ebenso stilsicher positi- Ecken der Welt. Die Fans in Übersee und im Fernen Osten Es gibt gemeinsame Ur- oniert ist wie sein Betreiber, denn das Kellerlokal befindet jubelten der Band zu und spornten sie zu neuen Höchstleis- laube und sogar ein Weih- sich nicht nur an der Münstergasse, sondern dortselbst un- tungen an. «Als die Anfrage aus Japan kam, dachten wir: nachtsessen. ter dem Restaurant Harmonie. Das Monster und der Wohl- Die wollen uns, also gehen wir nun dort hin und räumen ab Für nächstes Jahr stehen klang – für diese Kombination müssten sie in den Büros – die hauen wir alle weg!», erzählt Beat-Man. «Dann kam wieder Konzertreisen durch von Google Maps eigentlich einen Apéro organisieren und das erste Konzert. Es gab vier Vorgruppen, und natürlich Nord- und Südamerika auf ein paar High-Fives austauschen. Gerade jetzt, denn dieser haben wir uns deren Auftritte angeschaut. Bereits bei der dem Programm, und es lau- Tage begehen The Monsters ihr 30-Jahr-Jubiläum. Mit dem ersten Band blieb uns die Spucke weg. Die Musiker waren fen auch Verhandlungen für neuen «M», einer Tribute-Compilation, der Obsku- technisch auf der Höhe, ultraperfekt, und die Leute sind Gastspiele in Israel und Pa- ritäten-Sammlung «The Jungle Noise Recordings» und ein abgegangen. Da hatten wir natürlich die Hosen voll – und lästina. Die Monsters-Ge- paar feinen Konzertauftritten. mussten bei unserem Auftritt dann alles geben.» schichte geht weiter, noch Drei Jahrzehnte im Zeichen des ungebremsten, ungestü- ganz lange. «Wenn wir das men, unangepassten Reindreschens. Schreien, schwitzen, MÄNNERCLUB MIT GEMEINSCHAFTSKONTO Glück haben, dass wir im- schütteln – ohne Rücksicht auf irgendwelche Verluste. Drei mer noch gnadenlos gradli- Jahrzehnte auf Achse, unterwegs zwischen Kellerclubs in Im Verlauf der Jahrzehnte kam es bei The Monsters immer nig sein können und immer der Provinz, historischen Rock’n’Roll-Lokalen und Kon- mal wieder zu Besetzungswechsel. Man veröffentlichte un- noch Leute zu unseren Kon- zerthallen in Südamerika und Japan. Es ist eine Karriere, ablässig und in allen Formaten neues Material und legte zerten kommen, bleiben wie sie keine andere Schweizer Band hingelegt hat. Auf eine sich auch schicke Anzüge und – eben – Krawatten zu («Da- wir natürlich dran», hält derart nonchalante Art und Weise, dass bereits das Wort mit mehr Frauen zu unseren Konzerten kommen», wie der Beat-Man abschliessend «Karriere» nur ein simpler Behelfsbegriff bleibt. Bandleader erklärt). Zudem erfand man das Clonedrum – fest. Doch zuerst wird nun ein Schlagzeug, an dem zwei Drummer sitzen, die sich die gefeiert. Laut, wild – und AUFBRUCH IN KEHRSATZ Basstrommel teilen. So lässt sich das Instrument platzspa- fesch gekleidet. rend transportieren, und man kann auf der Bühne ordent- Die Geschichte der Band begann Mitte der Achtzigerjahre lich Lärm produzieren. Philippe Amrein in der Berner Vorortgemeinde Kehrsatz. Dort gab es ein be- Dass die vier Musiker trotz gefeierten Auftritten in aller setztes Haus, in dem wilde Partys veranstaltet wurden. «Es Welt nicht abgehoben oder implodiert sind, hat mit der Live: 4.11., Reitschule, Bern; war ein Holzhaus», präzisiert Beat-Man, «also ist die Nadel grund soliden Organisation der Band zu tun. Das Geld, das 5.11., Helsinki, Zürich. ME & THE MONSTERS Wie es soweit gekommen ist? So genau mag ich mich nicht Der Sammleralbtraum mehr erinnern. Auf eine diffuse Art interessiert an etwas ganz anderem, geriet ich in den frühen 80er-Jahren in Zu- Für Sammler und Archivare, wie ich einer bin, sind der sammenrottungen von schwarz gekleideten Menschen in geschätzte Reverend und seine Monsters eine echte Her- dunklen Kellern. Irgendeinmal stolperte ich daselbst über ausforderung. Gefühlte 100 Vinyl-Platten (in der Realität Slogans wie «Primitive Rock’n’Roll Trash». Wenn das kein dürften es wohl weit mehr sein) gibt es von Berns lautestem Signal ist: Ausbruch! Umbruch! Aufbruch! Im betulichen Export – ganz zu schweigen von all den tollen Scherben Bern hatten die Monsters das Zeug, einen aus dem kul- auf Beat-Mans Voodoo Rhythm Label, mit denen man jede turellen Kerker zu scheuchen. So gesehen: Die Monsters, Party ruinieren kann. Die erste Monsters-Single «Night- diese lokalen Kings des wahrhaftigen, ungekünstelten mare» von 1988, damals noch auf dem Label des legen- Rock’n’Rolls, haben mich mit meiner Heimatstadt ver- dären Berner Plattenladens söhnt. Record Junkie erschienen, Und heute, eine Handvoll wird man mit etwas Samm- Jahrzehnte später, nehme lerglück noch irgendwo ich «Youth Against Na- auftreiben. Doch was ist ture» aus dem Regal, die- mit all den obskuren Re- se geile Monsters-Scheibe leases aus Schweden, USA, aus dem Jahre 1995, mit Italien, England, Deutsch- der mindblowing und fie- land, Japan und wer weiss sen Coverart von Darren nicht wo, die als Singles, Merinuk. Ich lege das rote EPs, auf Sampler und als Vinyl auf den Plattenspie- ultra-limitiere Ausgaben ler. Wumm. Wenn auch nie- erschienen sind? Das Vinyl- mand – auch die Monsters Revival war für die Mons- nicht – vor Geschmacks- ters nie ein Thema, denn in verirrungen und plötzli- ihrer Aficionado-Szene war cher Ideenarmut gefeit ist: Vinyl nie tot. Der Fantasie, Das ist ein grossARTiges den eigentlichen schwer Gesamtkunstwerk, auch verkäuflichen Lärm mit zwanzig Jahre später. Titeln wie «Last Sick Surf Heute findet die Jugend- Flick» und «Blutbad in revolte im Darknet statt. der Safaribar» standesge- Punk ist ein Lifestyle-Fea- mäss zu verpacken, waren ture. Und wir sitzen daheim (und sind) keine Gren- hinter dem Ofen und liken zen gesetzt. Aufklappbare unsere Bubble. Die Jugend Covers mit «Stand Up»- muss sich immer wieder Figuren, Mini-Platten mit selbst erfinden. Es gibt da fünf Zentimeter Durchmes- keinen Anspruch auf Wahr- ser, allerlei Beilagen vom heit, schon gar nicht, wenn Puzzle bis zum Kartenspiel man sesshaft geworden ist. oder eine Platte, zu der Wenn ich an die Monsters man sich auch noch gleich denke, bin ich versucht zu eine Reverend-Beat-Man- sagen: Aufrichtigkeit. Das Puppe im Holzsarg kauf- Wort gefällt mir nicht. Aber te, machen die Beat-Man/ es passt zu den Monsters. Monsters-Diskografie zum Sammler-Eldorado. Aller- Christian Pauli dings nicht selten auch zum «Nightmare»: Denn gewisse Platten erschienen in bloss zweistelligen Auflagen, und die Chance, je eine komplette Beat-Man-Sammlung zu haben, ist gleich Null. Selbst der «Ganz ungedure» Meister selbst hat längst die Übersicht verloren. Was solls. Vorfreude herrscht! Von der neuen Monsters LP erscheint Als ich Beat-Man zum ersten Mal getroffen habe, wuss- eine Version mit Lego-Figuren. te ich bereits, was er über mich denkt. Mein Freund hatte Sam Mumenthaler kurz zuvor einen Dokumentarfilm über ihn gedreht, und während dieser Zeit muss irgendwie ein Foto von mir auf- getaucht sein – wohl auf dem Handy meines Freundes. Damals trug ich eine Pixiefrisur, die ich superschön fand, Ausbruch! Umbruch! Aufbruch! Beat-Man allerdings zur Aussage veranlasste, ich sähe aus wie ein Junge. Ich fand das irgendwie lustig und liess Vermutlich wäre mein – halbbatziger – Bruch mit dem Bil- mich nicht davon abschrecken, einige Monate danach in dungsbürgertum ein anderer gewesen. Vermutlich wäre ich die heiligen Hallen des Voodoo-Rhythm-Büros im Berner heute nicht da an dieser etwas ungemütlichen Leerstelle Wankdorffeld zu stapfen, das wenig später für eine kurze, zwischen primitiver Veräusserung und hochgestochenem aber umwerfend schöne Zeit zu meinem Arbeitsplatz und Anspruch. Vermutlich wäre mein Leben ein etwas anderes – ohne dass das beabsichtigt war – zu einer Art Denkstätte geworden, wären mir nicht Reverend Beat-Man und seine Monsters über den Weg gelaufen. bitte umblättern SZENE

Das Musikfestival der Dampfzentrale Bern

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Die Heiterkeit freitag, 6. januar 20.30 uhr konzert SURPRISE ACT Weyes Blood Samiyam freitag, 13. januar 20.30 uhr satire Tomaga SIMON ENZLER freitag, 20. januar 20.30 uhr satire

Details:Sweet www.palace.sg Baboo KNUTH & TUCEK rössli stäfa kulturkarussell www.kulturkarussell.ch 1, 8712 stäfa, bahnhofstrasse An einem der legendären Sonntagskonzerte in der Boa Lu- Schallplatte verewigt hatte. ME & THE MONSTERS zern dann endlich der erste Live-Eindruck. «Ach, die Band Aber Psychobilly aus Bern? hab ich schon mal gesehen, ich bleib zu Hause», hört man Brauchte ich das? Ehrlich wurde. Das muss Schicksal sein, dachte ich mir damals, ja oft, aber nie im Zusammenhang mit Beat-Man und seinen gesagt, die Single liess mich nicht umsonst schrieb ich eine der ersten Musikkritiken treuen Bandmitgliedern – da ist es genau umgekehrt. Ob sie etwas ratlos und kühl zu- meines Lebens über die Monsters. nun mit einer Wrestling-Show Chaos anrichten, vor einem rück. Beat-Man hat mir in unserer gemeinsamen Zeit als work mitgeschleppten Kirchen-Bühnen-Bild predigen oder das Wenig später aber sah ich buddys beigebracht, dass es sich wirklich lohnt, für seine Clone-Drum erfinden – es bleibt immer spannend, kreativ The Monsters live – und Träume «ganz ungedure» zu gehen. Zu kämpfen, ohne zu und höchst unterhaltsam. Und auch die Musik befindet sich ich musste Pfifu Recht ge- jammern. Er liess mich während meiner Arbeitszeit neue in stetem Wandel und liefert immer wieder neue Lieblingshits ben: Beat-Man hatte etwas, Platten hören, wenn ich fürs Loop eine Kritik darüber sch- wie soeben «Happy People Make Me Sick». das den meisten Schweizer reiben sollte, und versuchte immer wieder, mir einzutrich- An ihren Konzerten sieht man Gesichter, die man sonst nie Rocksängern und anderen tern, nicht vor dem Computer zu essen, weil das nämlich an Garage-Punk-Konzerten sieht. Und ihre Platten stehen in Entertainern abgeht. Man «uhuere ungsung» ist. Und auch wenn unsere Zusammen- Sammlungen, die man nicht mal geschenkt haben möchte. kann es Präsenz nennen, arbeit nur von kurzer Dauer war: Ich habe mich selten in Sie haben es geschafft – wie vor Ihnen in den 90ern schon Charisma, Magnetismus, einem Anstellungsverhältnis so geschätzt gefühlt, so her- The Cramps –, auch wenn sie davon als Band nicht leben eine unbedingte Leiden- ausgefordert, und selten ein solch tiefgründiges Vertrauen können. Aber noch wichtiger: Sie haben es geschafft, dass schaft und natürlich Stil, gespürt wie während den Monaten im Wankdorffeld. sie auch unglaubliche dreissig Jahre später nicht einfach sen- Stil, Stil. Er war er selber, au- Danke, mon amour! timentale Jugenderinnerungen wecken, sondern garantiert thentisch, und doch schon Miriam Suter immer wieder Stoff für neue Erinnerungen liefern. Und eben damals überhöht zu einer auch immer wieder ein neues Publikum ansprechen können. Kunstfigur. Grösser und Sie ziehen ihr Ding durch, erfüllen ihre Mission auch in stür- echter als das Leben, man mischen Zeiten und bleiben dabei immer aktuell. Für dieses konnte nicht anders, als ihm Unantastbares Vermächtnis bereits heute unantastbare Vermächtnis sagt man gerne wie- gebannt zuzuschauen und der einmal herzlich: Messi, messi, mess, messi! zuzuhören. Beat-Man war, Die alte Geschichte vom älteren Bruder eines Klassenkol- Philipp Niederberger auch wenn ihn ausser einer legen… Und so hing die erste LP der Monsters dann an Handvoll Bernerinnen und meiner Zimmerwand und beschützte mich gar vor einem Berner noch niemand kann- Mädchen, das als Präsent die neuste Kuschelrock-CD mit- te, ein echter Star. Beat-Man brachte. Ein Tape der Monsters-Scheibe lief dann auch im Im Bus nach Bümpliz und ich lebten damals offen- Rekorder, wenn es in die Badi ging. Aber um andere Tol- sichtlich in einem ähnlichen len zu sehen oder mitzubekommen, wann mal ein Kon- «Aber der Sänger», reagierte mein alter Kumpel Pfifu auf Stadtteil, und so begegneten zert stattfindet, dafür fehlte das gute Internet, und selbst meine skeptische Miene, «der Sänger hat was.» Ich stand wir uns regelmässig im Bus im grünen Haufen wusste der mit der Frisur aus Bern nur im Berner Plattenladen Record Junkie, dessen Inhaber Pfi- Richtung Bümpliz. Jedes vage Bescheid. Immerhin waren die anderen Platten dann fu soeben die erste Single von The Monsters veröffentlicht Mal war ich stolz, in Beglei- auch im Vertrieb eines Stanser Mailorders zu haben. Oder hatte. Es muss im Herbst 1988 gewesen sein; ich war kurz tung eines Stars gesehen zu bei Voodoo Rhythm: Sowohl die Kataloge – anfangs noch zuvor nach einem zweijährigen Aufenthalt in Paris zurück- werden. Dass er mittlerweile mit Schreibmaschine getippt und mit Zeichnungen ergänzt gekehrt und war frischgebackener Moderator und Redaktor tatsächlich ein Weltstar ist, – als auch das Label haben immer ein Ohr offen für Mu- von «Sounds!» auf DRS3 (heute SRF3). Einerseits freute ich hat niemanden überrascht, sik auch ausserhalb der Genre-Grenzen, schätzen jeglichen mich, dass Peppe, mit dem ich zuvor in einer Kellerband der seine Anfänge miterlebt DIY-Stil und präsentieren immer wieder freudige Entde- gespielt hatte, die verständlicher- und glücklicherweise nie hat. ckungen. aus ihrem muffigen Keller aufgestiegen war, sich auf einer Christian Gasser

the monsters Patrick Principe VIER JAHRZENTE PUNK hatte sich in den Köpfen eingenistet. So gesehen war der Punk hatte einen Vater, viele Onkel und Nährboden für Punk unterschwellig bereits vorhanden und eine Revolte nur eine Frage der Zeit. Was es hierfür noch eigentlich keine Mütter. Und er wirkt brauchte, waren kreative Personen wie Malcolm McLaren als Manager der Sex Pistols, die mittels Musik, Styling und auch 40 Jahre nach dem musikalischen Medienmanipulation diese auflehnenden Kräfte zu bündeln wussten. Um gleichermassen Frustrationen und Sehnsüchte Urknall weiter. der gelangweilten und unzufriedenen Jugend schnellstmög- lich zu bedienen, musste das Ganze ohne seriöse musika- Nach vier Jahrzenten ist Punk nun reichlich er- oder be- lische Vorkenntnisse auskommen. Genau diese Absage an gründet. Und trotzdem widersinnig. Per Konsensus waren langjährige Ausbildungen begründete ab 1976 die proto- The Damned aus England die ersten, welche am 22. Ok- plasmische Schweizer Punkszene und befriedigte den Trieb tober 1976 mit der Single «New Rose» und der expliziten nach rauen Klängen und Texten. Die Zürcher Nasal Boys, Bezeichnung «Punk Rock» den Grundstein für diese Stilbe- Kleenex, TNT, Bellevue oder die Genfer Slam, Bastards, zeichnung legten. Nichts entsteht aus einem Vakuum. Und Jack & The Rippers, Technycolor und Yodler Killers, die auf der Suche nach dem ursprünglichen Heft das weiter- Berner Glueams und Grauzone, oder Crazy aus Luzern ver- gereicht wurde findet man: Eddie Cochran, der die Teen- mochten in der Folge weltweite Anerkennung zu finden. ager-Tristesse in seinem «Summertime Blues» von 1958 anprangerte, MC5 und Iggy Pop & The Stooges, die den DAS KLISCHEE EINES KLISCHEES Zeitgeist der rebellischen späten 60er-Jahre in infernalisch laute Songs umsetzten, oder die Ramones, welche ab 1974 Für Punk sucht man in den Anfängen vergebens nach einer die Reduktion auf paar wenige, dafür umso schneller ge- spezifischen Geschlechts-, Alters-, Klassen-, Intellekt- oder spielte Akkorde betrieben. Allen gemeinsam war – auch bei Politik-bezogenen Motivation. Genauso wenig wie Uni- den von Aficionados gehuldigten und weniger bekannten formierung oder grossstädtische Entfremdung als soziale Wegbereitern – die musikalische Eigenständigkeit und vor Kriegserklärung. Im Gegenteil, das Urbane wurde ja als allem Kompromisslosigkeit. Leit- und Lustmotiv geradezu verinnerlicht. Dies manifes- Wenn man also für Punk eine kontinuierliche und kumu- tierte sich in Form von beispielsloser kreativer Eigendyna- lative kulturelle Chronologie ableiten will, dann beginnt mik und Szenenheterogenität sowie einer Flut von neuen alles mit dem Übervater Rock’n’Roll der 50er-Jahre. Von mentalen und annektierten Freiräumen. Omnipräsent und da an leisteten ungestüme Jungs – Frauen waren markant unerlässlich war der Geist des «Do It Yourself» (DIY). Als untervertreten – die notwendige Aufbauarbeit für den musi- Antrieb und Attitüde für Lebensstrategien, die grundlegend kalischen und sozialen Urknall im Punk-Hitzesommer von auf Lifestyle-Anleitungen, Gesellschaftszwänge oder die 1976. Gleichzeitig geschehen in London, New York, Zürich Trend-Industrie (vor allem während der Disco-Ära) verzich- und Genf. Und nur 20 Jahre nach dem Erstling von Elvis teten. Nach den ersten Jahren wurde aber auch aus Punk Presley (60-Jahr-Jubiläum). Sowie 10 Jahre (50-Jahr-Jubi- ein globaler Markenartikel, mit dem zwangsläufig damit läum) nach den Meilensteinen von Jimi Hendrix, welcher einhergehenden Revolutions-Kannibalismus. Zudem etab- mit seiner ersten Single «Hey Joe» dem Hard Rock Tür und lierte sich eine Uniformierung mit Lederjacke, Nieten und Tor öffnete, oder den 13th Floor Elevators, die mit ihrem Kampfstiefel, zusammen mit der nihilistischen politischen 1966er-Debüt den Psychedelic Rock definierten. Der Glam Radikalisierung. Dies führte 1980 in der Schweiz zu offe- Rock der 70er-Jahre war mitunter ein weiterer Patenonkel nem Konflikt zwischen individuellem (autonomen) Frei- für Punk. Was aber 1976 daherkam, war schlichtweg schrä- raumbedürfnis und bürgerlichem Kulturkonformismus, ger, härter, dreckiger, kaputter und oft auch witziger als alles besser bekannt als die Jugendunruhen. zuvor. Zudem dilettantisch gespielt, mit purer Absicht und «Hey Johnny, what are you rebelling against?», wurde Mar- totaler Lust am Unvermögen. lon Brando aka Johnny Strabler, Anführer des Black Rebel Motorcycle Clubs, im Kultfilm «The Wild One» von 1953, IT’S IN YOUR HEAD gefragt. «Whadda you got?», antwortete er lakonisch. Die- se verklärte «Harte Jungs»-Gleichgültigkeit oder -Willkür Punk beginnt im Kopf und krallt sich dort ein Leben lang steht aber in völligem Kontrast zu einem Grundanliegen des fest. Es bedarf nur einer simplen Initialzündung, wie der- Punk: dem selbstständigen persönlichen Aufwand, seinen jenigen am 4. Juni 1976 in der Lesser Free Trade Hall in eigenen und komplett individualistischen Ausdruck zu kre- Manchester; bezeichnenderweise auch der Ort, an dem Bob ieren. Und heutzutage kann man munter kommerziell ver- Dylan 1966 bekanntermassen von einem Zuhörer als «Ju- fügbare Szenekluften und Stilidentitäten jeglicher Couleur das» beschimpft wurde. An diesem Abend spielten die Sex in lokalen Warenhäusern kaufen. Individualität reduziert Pistols das, was seither als «Konzert, das die Welt verän- sich auf einen «originellen» T-Shirt-Slogan. Tolerierte kli- derte» bezeichnet wird. Musikalisch eine eher dürftige Dar- scheehafte Punk- und Provokations-Ästhetik ist mit einem bietung vor einem sehr spärlichen Publikum von 34 bis 42 Preisetikett versehen. Entsprechend beliebige Accessoire- Leuten, je nach Überlieferung. Wer die Band damals (wirk- Massenware, die von naiver Rebellen-Romantik nur so lich) sah, dem wurden aber die Hirnwindungen komplett strotzt, ab der Stange, für alle Teenager von 13 bis 93. neu gepolt. Und dank einiger dieser Zuschauer und der mu- Von diesen Klischees liessen sich ja auch schon die Ur-Punks sikalischen Aufbruchstimmung, die sich rapide verbreitete, verleiten, zum Teil etwas unwissentlich. So auch von der entstanden allein in Manchester Ikonen wie The Smiths, überhöhten Rock’n’Roll-Loser-Attitüde oder all dem Leder Buzzcocks, Magazine, Joy Division, The Fall sowie das ge- von Fetish Wear und Biker Look. Zudem eine Gestaltung, wichtige Factory-Plattenlabel und der legendäre Haçienda die Elemente des Dadaismus (vor allem Collage), Pop Art Club. und der Situationisten referenzierte. Es waren im Grunde Punk war generell aber auch ein Reflex gegen das grössen- nur bizarre Kombinationen, welche die mitunter (oberfläch- wahnsinnige und nicht länger (er)tragbare Musikbusiness liche) selbstgemachte Frische verliehen, den Zeitgeist reflek- der 70er-Jahre. Widerwille gegenüber dem Spezialisten- tierten oder den damals gewünschten Schockeffekt erzielten. tum von Prog-Rock-Bands und den Hard-Rock-Exzessen Vor diesem Hintergrund sind auch die Erstwerke von Peter John Bolleten

the lurkers

Fischli für Kleenex, die Fo- ren, künstlerischen und inhaltlichen Wert auf. Hierfür wird sich beanspruchen und ihm einen bürgerlichen und «wert- tografien von Pietro Mattio- die Tatsache ausgeblendet, möglicherweise in komplettem konservativen» Stempel aufdrücken wollen. Die sprich- li, die literarischen Anfänge Unwissen, dass Punk selber ja eigentlich auch nicht mehr als wörtliche „kandierte Kirsche auf dem Kuchen“ für diesen von Paul Ott («Punk Ru- ein Klischee eines Klischees war/ist! Um Malcom McLaren alarmierenden Trend bot Doris Leuthard – Schweizer Bun- les») und Bob Fischer («Pin zu zitieren: «The great rock’n’roll swindle... ha ha ha.» desrätin der Christlichdemokratischen Volkspartei –, als sie Up»), die ersten Filme von an einem AC/DC-Konzert mit Lederjacke und kleinen roten René Uhlmann sowie die STOSSKRAFT GEGEN ALLMACHTEN Teufelshörnern posierte. Ein völliger Verstoss gegen ein es- musikalischen und media- sentielles Grundprinzip des Rock’n’Roll: der direkte Kon- len Ursprünge von Stephan Punk ist faktisch unzerstörbar. Er hat Rockmusik für immer flikt zwischen jungen Unzufriedenen und der Bourgeoisie. Eicher (Noise Boys, Grau- aus der elitären Sackgasse der 70er-Jahre befreit und demo- Schon seit den 50ern der Fall, muss er notwendigerweise zone), Yello und weiteren kratisiert. Auch zwingende gesellschaftliche Veränderungen auch in Zukunft und für immer so bleiben. Schweizer Künstlern zu (mit-)initiiert, dank eines Zweifrontenkriegs gegen das Bür- So gesehen erfüllt Punk seine Rolle weiterhin mit Bravour, sehen. gertum und die zum Teil noch spiessigeren 68er-Hippies. aufgeteilt in viele Sub-Kategorien (77er, Old School, Hard- Nebst den Kaufhäusern Vielleicht ein Pyrrhussieg in Anbetracht dessen, dass Punk core, Nu Punk etc.). Denn er bleibt eine szenenspezifische rangeln aber mittlerweile nun ein weltweiter und trendiger Markenbegriff geworden Stosskraft gegen konservative kulturelle und gesellschaftli- auch Museen und Galerien ist. Seltsam, denn eigentlich wurde er 1976 von der grossen che Allmachten. Und nebst all den aktiven alten und jungen um Punk-Artefakte. Sogar Masse ja gar nicht wahrgenommen. Vor allem hier in der Bands sind die unzähligen individuellen und nachhaltigen Studiengänge, welche Ideo- Schweiz nicht. Diejenigen, die Punk tatsächlich schon zu Aktivitäten unabhängiger Plattenlabels, Vertriebe, Print- logien des Punks oder DIY Anfangszeiten bemerkten, zog es entweder den Ärmel voll- oder Blog-Texter ein weiterer Beweis für die Langlebigkeit aufgreifen, analysieren und ends rein, oder sie sahen ihn ihm ein eitriges Furunkel am des Punk. Zahllose Bestrebungen ihn totzusagen haben sich lehren werden an Kunst- bürgerlichen Wohlstandsgesäss, das man dringend wieder deshalb immer als verfrüht erwiesen. Und er bleibt nach hochschulen angeboten. Pa- entfernen musste. 40 Jahren noch immer die eigentliche Antithese zum etab- radoxerweisest dies vermut- Die kakophonische Geräuschkulisse und der DIY-Sammel- lierten Musikbusiness und der allgemeinen Konsumgesell- lich der grösste Insiderwitz aufruf zum ultimativen Befreiungsschlag aus der (jugend-) schaft. So oder so kann man keine Ideen umbringen oder unter all den Ehemaligen. kulturellen Wüste hierzulande erfolgte erst mit dem mas- deren Ausbreitung verhindern, wenn sie mal in den Köpfen Vielleicht auch die bis dato sentauglicheren und breiter verankerten Post-Punk der der Menschen sind. Somit bewahrheitet sich auch die viel- grösste Provokation und 80er-Jahre. Er war professioneller, suchte/fand institutio- zitierte Plattitüde zum Schluss: einmal Punk, immer Punk... zugleich das eigentliche Ver- nelle Förderung und verinnerlichte ein weniger ausgepräg- mächtnis. Denn nun drückt tes Konsummisstrauen. Der Post-Punk war somit nachhal- André P. Tschan man all dem, was einst tiger als der total kurzfristig ausgerichtete und schnell zum wertlos war und auch ab- verglühen gedachte Punk der Anfangsjahre. Trotzdem ist 40 Years of Punk live: The Lurkers & Vorwärts. 16.11., Hirscheneck, sichtlich sein wollte/sollte, Punk 2016 wichtiger als je zuvor. Vor allem wenn Proleten- Basel; 17.11., Eldorado, Biel; 18.11., Grabenhalle, St. Gallen; einen (imaginären) monetä- musiker wie Gölä oder Chris von Rohr den Rock’n’Roll für 19.11., Galvanik, Zug. www.swisspunk.ch Damit Zürich Samstag 29.10. 20Uhr20 ORKESTA MENDOZA Montag 31.10. 20Uhr20 nicht nur zwei RICHMOND FONTAINE + TH. HOFFMANN Samstag 05.11. 20Uhr20 KING PEPE & LE REX Meinungen Montag 07.11. 20Uhr20 PINK PEDRAZZI & THE BIG EASY Samstag 12.11. 20Uhr20 DER MACHATSCHEK kennt. Sonntag 13.11. 18Uhr18 / 20Uhr20 HORA’BAND + SILBEREN Dienstag 15.11. 20Uhr20 LES FILLES DE ILLIGHADAD Samstag 19.11. 20Uhr20 NADJA ZELA Sonntag 20.11. 20Uhr20 AMPARO SANCHEZ Montag 21.11. 20Uhr20 DÜDE DÜRST – BACK TO THE GROOVE pszeitung.ch Gessner-Allee 11 - 8001 Zurigo Isola INFO + TICKETS AUF: www.ellokal.ch Fr 4.11. ALARMSTUFE BLAU, RHABARBER, MOUSTACHE BOYS (CH) SA 5.11. PANDOUR (F), BUVETTE (CH) DO 10.11. MARK WYNN (UK) DO 17.11 THE KVB (UK) FR 18.11. DIE HÖCHSTE EISENBAHN (D), NAIMA HUSSEINI (D) SA 26.11. Inserat im LOOP vom 28.10.16 ANTHONY B & THE HOUSE OD RIDDIM BAND (JAM/AUT) Konzerte 28.10.16. - 8.12.16 IG Rote Fabrik Seestrasse 395 www.garedelion.ch Silostrasse 10 8038 Zürich LieferscheinGARE LS 3 Mona t Mois 9500 Wil Ta g Datu m Mont h Jo ur Date Da y Date

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Do 17.11.16 Clubraum 20:00 Woo-Hah! WITH YOU! A-F-R-O & MARCO POLO Dj TenzKing LOOPZEITUNG.CH Vorverkauf:www.starticket.ch SÜFFIGES COMEBACK Obschon die Monkees am TV-Reissbrett entstanden sind, haben ihre Songs überdauert. Vor 50 Jahren schaffte es ihr «Last Train to Clarksville» an die Spitze der US-Charts, nun kehren sie mit dem Album «Good Times!» zurück.

«Madness!» hiess der Titel des Inserats, das am 8. Sep- tember 1965 in «Variety» erschien, dem Branchenblatt der US-Unterhaltungsindustrie: Für eine neue TV-Serie wurden «Folk & Roll-Musiker» gesucht, die wild und zwischen 17 bis 21 Jahre alt sein sollten. Der Hintergrund: Den beiden Fernsehproduzenten und schwebte eine Serie über eine imaginäre Rock- band, , vor, die verrückte Abenteuer erlebt – und darüber immer wieder mal ins Singen gerät. Als Vorbild galt Richard Lesters Beatles-Komödie «Help!», die wenige Monate zuvor in den Kinos zu sehen war. Auf die Anzeige meldete sich auch Stephen Stills, der im Folgejahr Buffalo Springfield gründen sollte. «Ich erk- lärte den Produzenten, dass ich nicht so sehr an der Show, sondern am Schreiben der Songs interessiert bin, weil da liegt die Kohle.» Als man sich nicht handelseinig wurde, schlug Stills einen seiner Kumpels vor: den Gitarristen Pete Tork. Dieser wurde unter Vertrag genommen – ebenso wie Schlagzeuger und Sänger , Gitarrist und der britische Frontmann und Perkussionist Pete Tork. Dass die vier ihre Instrumente selbst spielen, war allerdings nicht geplant. IN ALLER STILLE BEGRABEN the monkees

Die erste Folge von The Monkees flimmerte vor 50 Jahren, der Kinofilm «Head» floppte, worauf sich erst Pete Tork, Tage, in denen alle ums am 12. September 1966, über den Bildschirm und präsen- dann Michael Nesmith dazu entschlossen, die Band zu ver- Mikro stehen müssen, sind tierte eine Band, die eine Prinzessin vor ihrem bösen On- lassen. 1970 wurde diese in aller Stille begraben. Ganz ver- längst passé», so Dolenz), kel rettet, im – einem umgebauten Pontiac gessen gingen die Monkees zwar nie, doch erst als MTV kann sich das Resultat GTO – herumdüst und Songs wie «Take a Giant Step» von Mitte der 80er-Jahre ihre knapp 60 TV-Episoden erneut mehr als hören lassen. Die Gerry Goffin und zum Besten gibt. Nicht bloss ausstrahlte, war die Band reif für einen Comebackversuch. 13 Songs wirken zwar eher die Serie entpuppte sich als Hit, sondern auch die Musik: abgeklärt als enthusiast- Mit der Single «Last Train to Clarksville» aus der Feder PROMINENTE SCHÜTZENHILFE isch, dafür eingespielt und von Tommy Boyce und Bobby Hart feierte das Quartett im mit feinem Sixties-Groove. November 1966 in den USA seine erste Nummer 1. Rasch Tatsächlich traten die Monkees 1987 wieder an, allerd- Insbesondere «Birth of An kam der Wunsch auf, dass The Monkees mit ihrem ersten ings ohne Michael Nesmith. Doch das Album, «Pool It!», Accidental Hipster» von gleichnamigen Album live auftreten, das sich 78 Wochen geriet derart schal und einfallslos, dass das Trio mitsamt Nesmith, Paul Weller und lang in den Billboard-Charts hielt. Dies dank zündenden Platte postwendend wieder in der Versenkung verschwand. Noel Gallagher versteht Ideen, süffigem Pop und ein paar sacht psychedelischen Bis 1996, als The Monkees – dieses Mal komplett – mit zu bestechen und vereinigt Einwürfen. «Justus!» zwölf ordentliche, wenngleich nicht sonderlich Indie-Rock und ironische Obschon die Monkees auf dem Debüt nur für den Gesang überraschende Tracks ablieferten. Wahrhaftig in die Gänge Einwürfe mit feinen Har- verantwortlich waren und alles andere Studiomusikern gekommen ist die Band erst wieder 2016, anlässlich ihres monien. Als Highlights überlassen mussten, nahmen sie das Angebot an. Die ersten 50-jährigen Jubiläums. In einem Interview mit dem Rolling entpuppen sich auch die Konzerte zeigten, dass die vier nicht unbedingt Virtuosen Stone erzählte Pete Tork, dass die verbliebenen drei – Davy Sunshine-Pop-Perle «You waren, aber: Die Formation arbeitete gut zusammen, und Jones erlag 2012 einem Herzinfarkt – eigens nach jüngeren Bring The Sunshine» sowie sie schafft es, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Bei den Songwritern, die Fans der Monkees sind, Ausschau ge- die melancholische Piano- Kritikern fanden die Monkees zunächst keinen Anklang, halten hätten. In der Hoffnung, dass ihnen diese Songs auf Ballade «I Know What I schliesslich seien sie keine echte Band, hiess es. Für ihre den Leib schreiben. Know». Mehr als genügend dritte Platte, «Headquarters» (1967), gelang es der Gruppe, Die Suche war erfolgreich. Sowohl XTC-Mastermind Andy Grund und Anlass, um sich gegen , den Musikverantwortlichen der Partridge als auch Fountains of Wayne-Frontmann Adam den Monkees einen Happy Serie durchzusetzen, und das musikalische Heft selbst in Schlesinger sagten etwa zu. Letzterer erklärte sich sogar Birthday zu wünschen. die Hand zu nehmen. Durchaus mit Erfolg wie die weiteren bereit, das neue Album mit dem Titel «Good Times!» zu Hits «» oder «» produzieren: «Ich wollte den Sound keineswegs updaten, Michael Gasser bewiesen. Doch 1968 begann das Konstrukt nach und nach sondern bloss möglichst gut klingen lassen.» Und obschon The Monkees: «Good Times!» auseinanderzufallen. Die TV-Show wurde abgesetzt, und die drei Monkees nie zeitgleich im Studio standen («Die (Rhino/Warner) DIE NEUEN PLATTEN

Brandt Brauer Bleu Roi Shovels Madeleine Frick Building a Beginning Of Inner Citys & Ropes Peyroux Joy (Jajulin Records/TBA) (PlusPlus/Irascible) Little Seeds Secular Hymns (!K7/Warner) (New West Records/MV) (Impulse) Es ist sicher nicht einfach, Gehauchte Worte im wei- In der Philharmonie oder Jamie Lidell zu sein. Der ten Hallraum setzen den Cary Ann Hearst und Mi- Auf «Secular Hymns» prä- dem Berliner Technoschup- englische Sänger – aufge- Ton für den ersten Long- chael Trent, das Ehepaar sentiert Madeleine Peyro- pen Berghain: das in Berlin wachsen in der englischen player von Bleu Roi. Die aus South Carolina, pfle- ux, begleitet von Gitarrist/ ansässige Trio kann wohl Provinz und inzwischen, Songs der Basler bewegen gen eine härtere, rockigere Sänger Jon Herington und an beiden Örtlichkeiten lo- nach Stationen in Berlin sich getragen durch einsa- Variante des Americana. Bassist/Sänger Barak Mori, cker spielen. Die klassisch und New York, schon seit me Synthie-Landschaften. Auf ihrem fünften Album akustische Coverversionen, ausgebildeten Musiker einigen Jahren in Nashville Menschliche Wärme bringt «Little Seeds» teilen sie sich verpackt in eine bezaubern- Daniel Brandt, Jan Brau- wohnhaft – hat ein Luxus- die Stimme von Bandlea- wieder die Arbeit an akus- de Mischung aus Funk, er und Paul Frick haben problem, das ihm bislang derin Jennifer Jans rein. tischer und elektrischer Blues und Jazz. Das in einer 2008 zusammengefunden, die ganz grosse Karriere ver- Zwar ist ihr Vortrag von Gitarre und dem Schlag- mittelalterlichen Kirche in um unter Verwendung un- baut hat: Er kann einfach zu distanzierter Präzision, zeug. Das Duo liebt es, England live aufgenommene konventioneller Kombina- viel. Das zeigt sich auch auf doch das berührt mehr sich in Gesangsharmonien Album klingt, als sitze man tionen von Instrumenten seinem siebten Soloalbum als die Umarmungsgesten zu vereinigen und jeweils in der ersten Reihe. Was und eigenwilligen Arran- «Building a Beginning». anderer Sängerinnen. Da den Satz des andern zu be- Peyroux und ihre Begleiter gements Dancemusik zu Dieses klingt wie der leise, ist jemand weit weg, und enden. Das vermittelt stets aufführen, geht unter die spielen. Also, wenn man andächtige Nachfolger von doch fühlt dieser Mensch Hoffnung, auch wenn sie Haut. Wie die subtilen Ge- so will, mit echten Instru- «Jim» von 2008 – jenem dieselbe Traurigkeit wie von einem blutigen Bank- sangsharmonien des Wes- menten im weitesten Sin- Album, auf dem Lidell, der ich. Eine Anfängerin ist überfall singen wie im tern-Swing-Titels «Got You ne Techno zu spielen. Das schon immer ein Technik- Jennifer Jans nicht. Schon lärmenden Blues «Buffalo on My Mind». Tom Waits’ führte 2010 zum gefeierten Geek war und mit der For- vor zwei Jahren (und heu- Nickel». Oder wenn sie in «Tango Till They’re Sore» Debütalbum «You Make mation Super Collider und er wieder) war Bleu Roi «BWYR» Bezug nehmen verpasst die kanadische Sän- Me Real». Nach interes- wilden Elektronik-Experi- für den Basler Musikpreis auf das rassistisch moti- gerin eine ironische Sinnlich- santen Liveshows und zwei menten ins Musikgeschäft nominiert. Entstanden ist vierte Massaker in einer keit, die an Marlene Diet- weiteren Alben folgt nun einstieg, für einmal nur auf «Of Inner Citys» unter an- Kirche ihrer Heimatstadt rich denken lässt. Trotz den «Joy». Spannend wie die seine Stimme und klassi- derem in New York und Charleston, das 2015 neun minimalistischen Arrange- Vorgänger, geht das nun sches Songwriting vertrau- Göteborg. Diese Internati- Menschen das Leben kos- ments überrascht Pey roux, weiter in Richtung kompo- te. «Building a Beginning» onalität widerspiegelt sich tete. Der treibende Folk- indem sie uns beispielswei- nierter und erinnert stellt so etwas wie den in den Songs, die vom Un- Rock von «The Last Band» se eine delikate, sanft kö- gelegentlich an experimen- schüchternen Zwillingsbru- terwegssein und Heimatge- oder das ruhigere «Johnny chelnde Version von Allen telle Rockbands und an der dieses dar. Es fühlen erzählen, von Sehn- Come Outside» mit einem Toussaints «Everything I Do Kollegen wie The Notwist. ist klingt zum Teil wie in sucht und Verlorenheit. Im Mundharmonika-Part Gonh Be Funky» beschert. Neu ist, dass das Trio erst- einer kleinen Kapelle aufge- Begleitschreiben ist vom zollen The Band Respekt, Noch besser gefallen mir mals ein komplettes Al- nommen, soulig und erdig «Nordischen Klang» die während andere Balladen traditionell interpretierte bum unter Einbezug des im Klang, der Elektronik- Rede, als Referenz werden eher zu den schwächeren Nummern wie Sister Ro- Sängers Beaver Sheppard Spleen tritt nur fast unmerk- Sigur Ros oder Bon Iver ge- Stücken des Albums ge- setta Tharpes «Shout Sister komponiert hat. Da we- lich zum Vorschein. Sein in- führt. Unsereiner fühlt sich hören. Insgesamt aber ist Shout» oder die eindring- hen dann auch gerne mal neres Stimmungsbarometer zudem angenehm ans 4AD- «Little Seeds» das bisher liche Version von Townes die Post-Punk-Achtziger steht auf Rhythm and Blues, Kollektiv This Mortal Coil überzeugendste und üp- Van Zandts «The Highway durch Songs wie «Oblivi- auf Gospelanleihen, auf lei- erinnert und legt Bleu Roi pigste Album des Paares. Kind». Herausragend auch ous» oder «Holy Night». sem Kummer und sanfter, den Melancholikern unter Stephen Fosters «Hard Andere Tracks wie «Crazy schimmernder Euphorie. Er der Leserschaft ans Herz. anz. Times Come Again No Chicken» sind eher im Jazz pendelt zwischen völliger More». Eine Bestandesauf- verhaftet, der vertrackte innerer Zufriedenheit und ash. nahme der Prüfungen und Dancefloor macht sich bei Aufbruchstimmung und Stolpersteine, die das Leben «Away from My Body» nagenden Zweifeln und Na- Live: 4.11., Gare de Lion, Wil; bereithält und ein perfektes breit. Zu entdecken sind ckenschlägen. 5.11., Kiff, Aarau; 11.11., Kugl, Vehikel für Peyrouxs volle, zehn Exkursionen in Wel- St. Gallen; 1.12., La Catrina, leicht angerauhte Stimme. ten, die vermeintlich nicht räd. Zürich; 9.12., Kaserne, Basel; Ein Instrument, dessen Aus- zusammenpassen. 17.12., Neubad, Luzern druckskraft seit Beginn ihrer Karriere stetig gereift ist. tb. tl. DIE NEUEN PLATTEN

Jagwar Ma Beth Hart Avec Wallis Bird Julia Jacklin Every Now & Then Fire on the Floor What If We Never Home Don’t Let the Kids (Mom & Pop) Provogue/MV) Forget (Caroline/Universal) Win (Earcandy) (Transgressive) Liest man über Jagwar Ma, Was Beth Hart auszeichnet, Mit ihrem letzten Album so sind die Referenzen zu ist ihre völlige Hingabe an Bei dem Namen des Projek- «Architect» zelebrierte «Coming of Age» hiess Primal Screams Überalbum einen Song. Ihre Leiden- tes ist man als frankophiler Wallis Bird ausgiebig Elek- eine Single der Australierin «Screamadelica» aus dem schaft. Wie die kaliforni- Mensch ja erst mal skep- troparty. Jetzt, zweieinhalb Julia Jacklin. Dieses The- Jahr 1991 nie weit. Ähnlich sche Sängerin bereits auf tisch. Wer nennt sich schon Jahre später, ist ihre Fei- ma, das Älterwerden und wie die Briten in den 90ern ihren zwei Alben mit Joe «Avec»? Wenn man die erlaune weiter zur Stelle, die Suche nach einem Platz schaffen es die Australier, Bonamassa angedeutet Songwriterin dahinter dann doch Priorität geniesst un- im Leben, zieht sich durch klassisches Songwriting mit hat, kann sie auch subtiler. allerdings erstmals hört, terdessen die Liebe. Auf das ganze Debütalbum Dance-Music zu verknüp- Unter ihrer rauen Schale sind gleich alle Zweifel ver- «Home», der fünften Platte der 25-Jährigen. Mit einer fen. So kommt Balearic pocht, wen wunderts, ein flogen. Die junge oberöster- der in Berlin lebenden Irin, Mischung aus Alternative- House mit Pop und Rock empfindsames Herz. Klar reichische Songwriterin hat hat sie ihr Coming-Out Country, Indie-Folk und zusammen, ohne dass es enthält «Fire on the Floor» jedenfalls die Musikszene und gibt Intimes preis. Statt nostalgischem Sixties-Rock bemüht, peinlich oder ein- auch einige deftige Blues- in ihrem Land als 20 jähri- an Clubsounds ergötzen wandelt Jacklin dabei auf fach schlecht klingt. Die rocker – das Titelstück ge quasi im Sturm erobert. sich die elf Songs an eklek- den Spuren von Sharon Symbiose wirkt organisch über eine amour fou oder So laufen ihre Songs auf tischem Pop, der von Expe- van Etten oder Angel Ol- und nicht gesucht und zieht «Love Gangster». Sonst dem hippen Radiosender rimentierlust und elektri- sen. Ihr rauchiger Gesang einen sofort in den Bann. legt die 42-Jährige eher FM4, die vorab schon er- schen Gitarren durchsetzt vermittelt dabei stets das Da, wo ähnliche Versuche die verletzliche Seite ihrer schienene Single «Granny» ist. In «The Deep Reveal» Gefühl, dass sie schon eini- oft hölzern und sperrig wir- musikalischen Persönlich- hatte rasch über 2 Millio- operiert die 34-Jährige mit ges mehr erlebt hat, als ihr ken, sind Jagwar Ma ein- keit offen. Einen Song wie nen Plays auf Spotify. Auch Loops, mehreren Gesang- Alter vermuten liesse. In ih- fach nur sanft und wattig. «Coca Cola» bringt sie auf dem Debüt ist dieser schichten und R’n’B, in ren Texten zeigt sie sich als Wie aus einem Guss. Sie verträumt rüber. Mit «Let’s Track herausragend. Ein «Oh Dreams Oh Memory» gewitzte und pointierte Er- mäandern vom schweiss- Get Together» stemmt sie wundervoller kleiner Indie- wirft sie sich in einen Strom zählerin, wenn sie in «Hay triefenden Live-Club zum eine Soulnummer im pep- Pop-Song mit dieser zarten, aus Klatschrhythmen und Plain» ankündigt, sich für trockeneisgeschwängerten pigen Motown-Groove. leicht rauchigen Stimme gluckernden Beats. Der den einen aufzusparen, nur Underground-Club in einer «Jazzman» ist eine dezen- und dem hübschen Cho- Hauptharst der Tracks, um dann anzufügen: «That Leichtigkeit, die ihresglei- te, swingende Jazznum- rus. Der Rest der allesamt die ohne Schlagzeug und truck driver on the Western chen sucht. Eine wunder- mer. «Picture in a Frame», minimalistisch und fein (fast) ohne Bass auskom- Distributer who caught me bare Reise durch Raum die eindringlichste Balla- arrangierten Songs kann men, dreht sich jedoch ums changing, sorry babe he und Zeit, die niemals enden de des Albums, widmet sich ebenfalls hören lassen. Amouröse. Bird offenbart saw everything.» Oder sich sollte. Definitiv eine der Hart ihrem verstorbenen Dass Avec mit Country auf- ihre Glücksgefühle und in «Small Talk» vorstellt, interessanteren Bands zur Freund Michael Stevens. gewachsen ist, den ihre El- konstatiert im Titelstück, dass Catherine Deneu- Zeit. Im Roadsong «No Place tern gehört haben, entdeckt dass sie ihrer Partnerin ve ihre Mutter und Zach Like Home» sehnt sie sich man an manchen Stellen. gleich auf ewig bekommen Braff ihr Vater sei: «You men. nach häuslichem Glück, Taylor Swift war wohl ein wird, während sie in «Con- look just like my dad, back «Baby Shot Me Down» frühes Vorbild, was aller- trol», einem Schmettersong when I thought I had the flirtet mit Salsa, «Good dings nicht so stark auf die zwischen Florence Welch best one.» Auch wenn sich Day to Cry» zitiert Lorrai- eigenen Songs abgefärbt und (tatsächlich) Bonnie Julia Jacklin auf ihrem De- ne Ellisons «Stay With Me hat. Viel eher erinnert das Tyler, bilanziert: «I don’t büt gerne eher unauffällig Baby». Noch ein Wort zu an die derzeitigen Indie- want to control you / That gibt, ist ihr vielsprechendes Produzent Oliver Leiber: Lieblinge Daughter. Kurz: is not what I mean / Cos at Talent nicht zu überhören. Mit den Gitarristen Mi- ein sehr schönes Debüt und the heart of it / You own chael Landau, Dean Parks eine echte Herbstplatte. what I need.» Die Singer/ anz. und Waddy Wachtel, Bas- Songwriterin glänzt, weil sist Brian Allen, Drummer tb. sie trotzige Balladen ge- Rick Marotta, Pianist Jim neriert und diese ebenso Cox und Ivan Neville (Or- unberechenbar wie einneh- gel) stellte er Beth Hart die mend aufbereitet. idealen Studiocracks zur Seite. mig.

tl. DIE NEUEN PLATTEN Sound Surprisen Punk fiel in Frankreich auf fruchtbaren Boden. 1975 ver- öffentlichte Serge Gainsbourg «Rock Around the Bunker», ein provokantes Konzeptalbum rund um das dritte Reich, und spielte mit Nazi-Insignien wie wenig später die Londo- ner Punks. Zum anderen wurden The Stooges und Velvet Underground in keinem anderen Land so hingebungsvoll verehrt wie in Frankreich. Und inspirierten nicht die Situa- Donny Tobi Gmür Manuel tionisten den intellektuellen Überbau und visuellen Auftritt McCaslin Winterthur Stahlberger der britischen Punks? Und französische Literaten wie Ar- Beyond Now (Eigenvertrieb) Kristalltunnel thur Rimbaud, Paul Verlaine, Alfred Jarry oder André Bre- (Motema) (Irascible) ton die amerikanische Szene? So war es naheliegend, dass «Glaubed a d’Liebi ond a Malcolm McLaren nach dem Scheitern der Sex-Pistols-Ver- Für den New Yorker Saxo- FC Lozärn», wünscht sich Wenn man auf Youtube träge mit EMI und A&M bei den Franzosen von Barclay fonisten Donny McCaslin Tobi Gmür im Booklet «Haslifüx» und «Gang- offenes Gehör fand (ehe Virgin kam). Bei der Gelegenheit war die Kooperation mit seines Soloalbums «Win- bang im Usgang» eingibt, verordnete er seinen Schützlingen einen Urlaub an der Sei- David Bowie auf «Black- terthur». Eine fast nicht dann erscheint nichts. Weil ne (mit zwei Konzerten im September 1976). Nicht zu ver- star» ein Glücksfall. Sie zu erfüllende Forderung das war in den Neunzi- gessen, dass das erste Punk-Festival überhaupt im August erschliesst seinem agilen des Innerschweizers. Nach gern, als die Band Haslifüx 1976 in Mont-de-Marsan stattfand. Quartett (Drummer Mark «Sincerely, T. Gmür» aus einen Gröhl-Hit gelandet Dass ab 1975 in Frankreich eine eigenständige und viel- Guiliana, Bassist Tim Le- dem letzten Jahr widmet hatte, ehe die Formation fältige Punk-Szene entstand, gehört allerdings noch zu den febvre, Pianist Jason Lind- sich der Mitbegründer der mehr und der Sänger ein relativ gut gehüteten Geheimnissen. Umso begrüssens- ner) ein breiteres Publikum. Luzerner Kultband Mo- neuer Bob Dylan werden werter ist, dass endlich auch ausserhalb Frankreichs ein Kühn und überzeugend thers Pride jetzt bereits zum wollte. «I ha ehrlich gseit kompetent kuratierter Sampler diesen Aufbruch verdich- erforscht die Band Schnitt- zweiten Mal dem Mund- d’Haslifüx am Afang besser tet: «Les Punks: The French Connection» (Soul Jazz Re- stellen zwischen Jazz, Rock, artgenre. Der 43-Jährige gfunde», berichtet Manuel cords) versammelt 19 Songs, die deutlich machen, dass die Hip-Hop und elektronischer ist erneut leiser geworden, Stahlberger nun in einem französische Szene kein Abklatsch von London oder New Musik. «Beyond Now» ent- wie die neun Songs dar- seiner neuen Lieder, die York war. Grob kann man drei Schulen unterscheiden: Die hält fünf McCaslin-Kompo- legen. Er hält Rückschau einmal mehr liebevoll und Stooges und die Liebe zum echten Rock’n’Roll sind hörbar sitionen, dazu vier Covers und zeigt sich besinnlich, melancholisch und sehr bei Les Fantômes (die «I Wanna Be Your Dog» covern), – zwei von Bowie «A Small aber nicht nur: Der Opener genau den gewöhnlichen bei Angel Face, Guilty Razors und den leidenschaftlichen Plot of Land» und «Wars- «Stephanie ufem Riiserad», (Schweizer) Alltag beob- Dogs. Auch das geniale «Euthanasie» der viel zu kurzle- zawa», sowie Mute Maths eine Ode an die Jugend- achten. Denn: Wie waren bigen Les Olivensteins basiert auf einem stoogesken Riff, «Remain» und Deadmau5s liebe, spürt der Romantik eigentlich die Familienferien doch zum Klassiker wurde dieser Song dank des fiesen «Coelacanth 1». «Shake von einst nach und scheut in Schweden? Eher schwie- Texts, den Gilles Tandy mit kaum zu übertreffender Hys- Loose» ist ein Beispiel da- sich nicht, kurz ins Schun- rig, gleich wie die Situation, terie und Häme aus sich hinauspresste. Eine andere Schule für, was diese Band alles keln zu verfallen. Nicht wenn man auf der öffent- sind die Cold-Wave-Experimentalisten wie der sympathi- kann. Ein kantiger Track, minder intim wirken Lie- lichen Toilette sitzt – und sche Weirdo Charles de Goal, die bizarroiden A3 Dans Le akzentuiert von dahinja- der wie «Kaderschtufe 2 zwei Personen draussen die WC oder das Techno-Duo Kas Product (mit der wunder- gendem Schlagzeug, Synth- (Oder so)», eine treibende Kolumne des WC-Insassen baren Sängerin Mona Soyoc) aus Nancy. Ein dritter An- Akkorden und einer funky Kumpel-Hommage, oder kritisieren, der sich als Aus- satz geht eher in Richtung spröden und unterkühlten Pops, Basslinie, während das Sax wie «Nömm det abe», das weg eine Bombe im Lava- wie ihn etwa Marie et les Garçons aus Lyon zelebrierten. zwischen knappen, repeti- um düstere Gedankengän- bo herbeiwünscht. Der St. Auffällig ist, dass sich französische und englische Texte die tiven Motiven und feuriger ge kreist und nach nur peu Galler changiert zwischen Waage halten. Letzteres war allerdings keine Anbiederung, Improvisation schwankt. à peu verdautem Seelen- gemütlicher Wandergitar- sondern in erster Linie eine Abgrenzung zur einheimischen Gastsänger Jeff Taylor ori- schmerz klingt. Gmür pen- re und LoFi-Keyboards, Popszene, deren Sprache seit jeher die französische war. entiert sich in «A Small delt zwischen perlendem die ein schönes Mass an Fehlen Bands in diesem Reigen? Ja. Es hätte noch gut Platz Plot of Land» an Bowies Sixties-Beat, verschlepptem Klaustrophobie verströ- gehabt etwa für Stinky Toys oder Starshooter, um nur zwei kühler Grazie, doch drückt Rock und ausgesuchten men. Die meisten Lieder, die prominente Namen zu nennen. das Quartett dem Song klar Americana-Einwürfen. Es auf der zweiten Soloplatte Überragt werden alle Bands jedoch von Métal Urbain (und seinen Stempel auf. McCas- ist ein Stelldichein liebko- «Kristalltunnel» zu hören dem Ableger Metal Boys), der einzigen Band, die über lins Ballade «Glory» strahlt sender Melodien, träfer sind, hat Manuel Stahlber- Frankreich hinaus zur Legende wurde. Ihre zweite Single viel Lebensfreude aus. Und Texte und Abgeklärtheit. ger auch in seinem immer «Paris Maquis» (1978) war immerhin die erste Veröffent- «Warszawa» passt gut zu Besonders schön manifes- noch aktuellen Bühnenpro- lichung von Rough Trade Records. Métal Urbain waren McCaslins bebendem, emo- tiert sich dieser Befund bei gramm «Neues aus dem an Wut, Bosheit und Aggressivität nicht zu übertreffen; die tionalen Coltrane-Sound, «Wenig nome chöönt», das Kopf» untergebracht. Die- Gitarre kreischte ungeschlachte Riff, der Synthesizer heulte während Guiliana den Elvin sich an den 2007 verstorbe- ses ist grossartig, gleich wie und jaulte scheinbar unkontrolliert, der Sänger wütete und Jones gibt. Das ist zugleich nen Musiker Thomas Hös- dieses Album, das ganz zum tobte, und zusammengehalten wurde das Chaos durch eine erhebend, düster und ver- li erinnert und von Mani Schluss, als einige Midlife- wuchtig-hysterische Drum-Machine. Das war Punk mit führerisch. Das Titelstück Matter’scher Qualität ist. Krisen verhandelt werden, den Mitteln von Post Punk, ein paar Jahre zu früh, und ist eine Mini-Suite und win- mit der Tonspur von Bit- heute noch so einmalig wie damals. det sich durch luftige, oft in- mig. Tuner den «Crystal Dance» nige thematische Bilder. nahe an den Abgrund tanzt. Christian Gasser tl. bs. DIE NEUEN PLATTEN

Christian G.Rag Y Los The Marcus Devendra Simon Ho Kjellvander Hermanos King Band Banhart Bruxelles A Village: Patchekos The Marcus King Ape in Pink Marble (Atomiumverlag) Natural Light Wacky Tobacky Band (Nonesuch/Warner) (Tapete Records/Irascible). (Gutfeeling Records) (Fantasy) Wenn immer möglich Der als ewiger Geheimtipp scheut Simon Hostettler Viel Aufsehen hat Christi- Vier Jahre nach dem letzten Wie kann man in diesem gehandelte Texaner wird alias Simon Ho das Ram- an Kjellvander mit seiner Werk «Pain Perdu» meldet Alter schon so reif klingen? diesen Status auch mit penlicht. Selbst bei seinem letzten Platte, «The Pit- sich das vielköpfige Carib- Das zweite Album der Mar- seinem zwölften Album Ho Orchestra überliess cher» (2013), nicht erregt. bean Trash Orchester aus cus King Band klingt nicht behalten, auch wenns un- er die Frontposition lie- Und das, obschon sich das München mit einem neuen, wie das Werk eines 20-jähri- gerecht ist. Der extrem aus- ber Shirley Grimes oder Werk als sorgsam zusam- ausgesprochen vielseitigen gen Talents. In seinen besten gebuffte Musiker machte der holländischen Singer/ mengefügtes Musikmosaik Werk zurück. Die Band ist Momenten klingt das Ganze zuletzt auf «Mala» (2013) Songwriterin Vera van der erwiesen hat, das den Ver- sozusagen das Mutterschiff ziemlich nach der Allman grosse stilistische Sprünge Poel. Nach seiner letzten gleich mit Genreklassikern der bunten Musikerfamilie Brothers Band. Was nicht von Folk zu Italo-Disco Veröffentlichung «Where wie Tim Buckleys «Lorca» rund um das bandeigene zuletzt an Produzent Warren und sang über Hildegard Were You Then?» (2012), (1970) oder David Ackles’ Label Gutfeeeling Records. Haynes liegt, der als Gitar- von Bingen. Soviel Schrul- einer Kollaboration mit der gleichnamigem Debüt von «Wacky Tobacky» strebt rist den Sound dieser Sou- ligkeit und Mut gibt es Avantgarde-Sängerin Shel- 1968 keineswegs scheu- wieder mehr in die Rich- thern-Rock-Institution lange aktuell nicht. Leider. «Ape ley Hirsch, wurde es etwas en muss. Auch das neue tung der rohen Frühphase mitgeprägt hat und Marcus in Pink Marble» ist ein stiller um den Berner. Jetzt Oeuvre des schwedischen der Band – so steht es im King eine spielerische Reife Album der leiseren Töne, meldet er sich mit «Bru- Singer/ bie- Info, und wenn man die jenseits seines jugendlichen des verträumten «la-la-la», xelles» zurück. Für das tet nicht etwa eingängige acht Tracks des siebten Alters bescheinigt. Ins Zen- des kauzigen Humors, der Album hat er sich mit Au- Kost, sondern intime Re- Albums hört, dann passt trum stellt er Kings feuriges fein gesponnenen Lieder, tor und Slam-Poet Michael flektionen über Liebe, Le- das ganz gut. Rau wildert Gitarrespiel, seinen emo- für die man ganz Ohr sein Fehr zusammengetan, der ben und Tod. Die Musik man wieder durch Cum- tionalen, nicht besonders kann oder die man wie sich auf den 13 Tracks als mutet dabei wie ein leicht bia, schrägen Bajuwaren- variablen Gesang sowie so- Easy Listening so nebenbei hinreissend rissiger Blues- aus der Art geschlagener Folk, Psychedelic-Rock, lide Songs. Der Youngster hört. Wer «Ape» einfach so sänger im Niemandsland Cousin der Tindersticks Krautrock, Neo-Punk und aus South Carolina führt abspielt, wird vielleicht mit zwischen Louis Armstrong an. Kjellvanders siebtes Al- No Wave. Ein Stück wie eine fünfköpfige Band an, den Füssen wippen, Lust und Tom Waits hervortut. bum, aufgezeichnet in einer die Coverversion «Human deren Präzision und Spiel- auf ein exotisches Mixge- Die Texte aus der Feder alten Kirche, schwelgt in Certainty» rockt heftigst, freude überzeugt. Packende tränk bekommen und seine von Christian Denzler un- Molltönen und klammert so als hätten die guten alten Gitarrenjams unterlegt sie Gedanken schweifen lassen terlegt Simon Ho mit swin- sich am Midtempo fest. Pere Ubu oder Blurt im Stu- mit pumpenden Stax-Soul- zum nächsten Urlaub. Ka- genden Popsounds, sachten Der 40-Jährige frönt er- dio vorbeigeschaut. Auf der Grooves, Bläsersätze und lifornien oder Brasilien? Jazzanleihen und Klängen, neut seiner Faszination für anderen Seite steht dann elektrisierende Orgelläufe Das sind die beiden Pole die er in seinem Brüsseler Barockes und setzt jedem das windschiefe Folk-Stück würzt sie mit New Orleans- des Albums, man hört ei- Alltag eingefangen hat. Das Ton nach, bis dieser in der «Sing Paquis». Die Hälfte Funk, gelegentlich driftet nen Singer/Songwriter, der Album lebt vom Aufein- Einsamkeit verhallt. «But der 8 Tracks sind übrigens sie in Jazz-Rock-Fusion ab. wieder mal über ein weites andertreffen von Fehrs wi- enough about me», singt er Coverversionen, wobei King nennt das Ganze «soul- Feld wandelt. Der Musi- derspenstiger Stimme und in «Dark Ain’t That Dark» Sänger und Gitarrist And- getränkter, psychedelischer ker spielt (mit) 60er-Jahre- Hos elegischen Soundland- und lässt wissen: «We are reas Stäbler und seine Crew Southern Rock». Nach ge- Pop, Bossanova, Disco und schaften, die mit aufreizen- all walking goodbyes». da grossen Geschmack mächlichem Start kommen Folk. Zwei Songs könnten der Langsamkeit am Hörer Sein samtener Bariton um- verraten. So gibt es «Paris die stärksten Momente erst auch in einer alternativen vorbeiziehen. Die Musik schlingt die Lyrics und ver- Paris» von Moondog oder gegen Schluss: Der ent- Disco gespielt werden, an erinnert an einen alten Lei- steht zu trösten. In der Ein- «Abba-Zaba» von Cap- spannten Country-Ballade anderer Stelle muss wohl erkasten: Sie kratzt und sicht, dass das Verderben tain Beefheart. «5 Bucks» «Guitar in My Hands» fol- das legendäre Yellow Ma- krächzt ein bisschen, schil- unaufhaltsam naht. Auf «A stammt aus der Feder des gen das jazzige Instrumental gic Orchestra seine Finger lert aber weiterhin kräftig. Village: Natural Light» fin- Bandkumpels Delaney Da- «Thespian Espionage» und im Spiel gehabt haben. De- Und weiss Geschichten zu den neun eloquente Songs vidson. Wieder mal eine der Southern-Rocker «Vir- vendra Banhart ist immer erzählen, die wahlweise zusammen, die ihre Hoff- herrliche Platte. ginia». Darin jubiliert War- noch einer der coolsten Ty- melancholisch, düster oder nungslosigkeit aus Ameri- ren Haynes’ Slidegitarre und pen überhaupt, wenn auch poetisch sind. «Bruxelles» cana, Blues und Indie-Rock tb. animiert die ganze Band zu zurzeit auf dem Entschleu- beweist, dass auch Zartes destillieren – und zwar aufs einem inspirierten Höhen- nigungsstreifen. von erheblicher Wucht sein Schönste. flug. kann. cam. mig. tl. mig. DIE NEUEN PLATTEN London Hotline Im Nachhinein finde ich es schon ein bisschen eigenartig, dass mich ausgerechnet bei Shirley Collins ein gewisses Übersättigungsgefühl ereilte betreffs «Legenden», die sich nach jahrelanger Stille/Vernachlässigung/Drogenumnebe- lung noch einmal aufgerappelt haben, um zurückzukeh- ren. Ein neues Album, hiess es, das erste seit 38 Jahren, ein kleines Wunder jedenfalls, denn wie ihre englisch-folkige Joyce Manor Hannah Peel Devon Allman Berufskollegin Linda Thompson hatte Collins seit langer Cody Awake But Always Ride or Die Zeit an sasmodischer Dysphonie gelitten, einer Nerven- (Epitaph) Dreaming (Ruf/MV) krankheit, die ihr das Singen – zumal das öffentliche Singen (My Own Pleasure) – praktisch unmöglich gemacht hatte. Jedenfalls schlug ich Auch wenn Pop-Punk 2014 verliess Devon All- die Einladung aus, die Frau, deren Name von der britischen nicht gerade angesagt ist: Hannah Peel hat viele Pro- man The Royal Southern Presse inzwischen immer mit dem Zusatz «die grosse alte Blink 182, Green Day und jekte. Bekannt wurde sie Brotherhood, um eige- Dame» begleitet wird, in ihrem Haus in Lewes nahe Brigh- Weezer schaffen es immer mit ihrer Rebox-Serie, für ne Visionen umzusetzen. ton zu besuchen. Der Grund, den ich angab, nämlich eine wieder, auf sich aufmerk- die sie Lochstreifen für «Ride or Die», das dritte akute Arbeitsüberhäufung, war nicht gelogen, aber wohl sam zu machen. Hinter eine Spieldose anfertigte Soloalbum des Sängers und auch nicht ganz zutreffend: im Notfall findet man auch den Mainstream-Vorreitern und damit 80er-Klassiker Gitarristen, ist sein bisher beim übelsten Deadline-Crash noch Zeit für ein Bier (nur gab und gibt es aber im- wie «Blue Monday» oder bestes. Hier legt Allman die zum Beispiel). Aber ich muss gestehen, dass mir das beim mer wieder Perlen, die es «Electricity» coverte. Dann ganze Palette seiner Einflüs- supercoolen Domino-Label erschienene Comeback-Album zu entdecken gilt. Waren komponierte sie «Mary se offen: Soul, Rock, Blues, «Lodestar» beim ersten Anhören nicht aus den Socken es früher Jawbreaker, Save Casio», ein Musical für Alternative Rock etc. Mit hob. Zu spröde die Stimme, dachte ich. Zu brachial urtüm- The Day oder The Get analoge Synthesizer und Produzent Tom Hambridge lich die Instrumentierung. Fast schon desperat, da nochmal Up Kids, so gehört heu- eine Brass-Band, sang für und einer sechsköpfigen musikalisches Gold suchen zu wollen, unkte ich und legte er Joyce Manor zu diesen Beyond The Wizards Sleeve Band spielte der 44-jährige den Stream zu den virtuellen Akten. Exponenten. Die Kalifor- und gehört zur Post-Rock- Allman-Spross (Sohn von Nun stehen in meiner Brit-Folk Sammlung mindestens vier nier haben ein Händchen Band The Magnetic North. Greg, Neffe von Derek) ein Alben, auf denen Shirley erste Stimme flötet, und die es für knackige, kurzweilige Auf ihrem zweiten Soloal- starkes Set von Songs über ungeachtet jeglicher Stilschubladen problemlos in die Lis- Emo-Pop-Punk-Songs, die bum setzt sich die Nordirin Schmerz, Sucht, Stürme, te meine 100 liebsten Alben aller Zeiten schaffen. Warum auf den Punkt kommen. wieder bevorzugt an elekt- Lust, Tod und Verlust ein. ich diese Frau nicht treffen wollte? Vielleicht auch aus dem Unaufgeregt versammelten ronische Geräte und das Pi- Darin offenbart sich ein Verdacht eines schlechten Gewissens heraus, dass ich zum sie so vor zwei Jahren mit ano, orientiert sich an den Mensch, der die Hoffnung Interview nur aus nostalgischen Motiven eingewilligt hät- ihrer Platte «Never Hung- Elektronik-Pionierinnen nicht aufgibt, seinen Platz te, und das wiederum hätte ich geschmack- und respektlos over Again» eine beacht- Daphne Oram und De- auf der Welt zu finden. Das gefunden. Blöderweise zwang mich dann die Bestellung liche Fangemeinde. Mit lia Derbyshire sowie Kate Album beginnt mit «Say einer Albumrezension von eine deutschen Publikation «Cody» geht es nun etwas Bush. Die Stimmung ist Your Prayers», ein Track, dazu, mich eingehender mit dem Album zu beschäftigen. gemütlicher zur Sache, die geprägt von der Demenzer- der an den muskelstrotzen- Auf dem Werk ist weit und breit keine trendige Elektro- Songs lassen die Rauheit krankung ihrer Grossmut- den Bluesrock der Seventies nik zu hören. Von zickiger Verträumtheit oder samtener der Vorgänger über weite ter und pendelt zwischen erinnert. «Find Ourselves» Weltklugheit, wie sie Hipster-Folkies gern auftischen, fehlt Strecken vermissen und Electronica, Dream Pop, vermählt groovenden Soul jede Spur. Shirley Collins war nie eine Nachtigall, eher eine wirken etwas zu poliert. Ambient und Irish-Folk- mit einem Hendrix-inspi- Krähe – und das ist nicht bös gemeint! –, wie sie düster auf Mit «Angel in the Snow» Einflüssen, zwischen Leich- rierten Gitarrensolo. Auch dem Baum hockt und die Wahrheit erzählt. So ist das auch und «Fake I.D.» setzen sie tigkeit und Drama. Ein «Galaxies» zündet und ist hier, wenn sie mit einer Stimme, die inzwischen an Mari- der neuen cheesiness so- Cover des Blue-Niles-Song ein grossartiges Beispiel anne Faithfull gemahnt, wieder so eine garstige Story aus gar zwei Kronen auf. Zum «Cars in the Garden», dafür, Bluesrock-Elemente fernen Zeiten zum Besten gibt, deren Aussage halt zeitlos Glück geben sie mit Songs gesungen im Duett mit clever aufzubereiten. Auf bleibt. Die aus Gitarren, Banjos, Dulcimers und ähnlichen wie «Last You Heard of Hayden Thorpe von Wild «Live from the Heart» akustischen Saiten bestehende Instrumentierung hat subtil Me» – der so gut ist, dass Beasts, setzt den schönen spielt Allman die Zwölfsai- das Experimentalmusikerduo Ossian Brown und Stephen er auch auf Weezers «Pin- Schlusspunkt dieser experi- tige und erwähnt deprimie- Thrower (aka Cyclobe) besorgt. Besonders im zehnminü- kerton» figurieren könn- mentierfreudigen Reise. rende Schlagzeilen in den tugen «Awake» kombinieren sie ihre Vorliebe für «Drone» te – oder «Eighteen», eine Medien, während das Talk- geschickt mit den melodischen Gepflogenheiten der engli- Teenie-Pop-Punk-Hymne anz. box-Gitarrensolo in «Lost» schen Tradition. Die Tempi sind getragen, wie es sich ge- wie aus dem Bilderbuch, perfekt zum Text über hört für Lieder, welche die Last düsterer Vergangenheiten gehörig Gegensteuer. Alles unerfüllte Träume passt. auf der Schulter tragen – bis gegen den Schluss hin, wo in allem aber trotzdem ein «Butterfly Girl» warnt vor sich die Stimmung lichtet. Und jetzt wurmt mich mein vor- gewaltiger Rückschritt zum einer Frau, welche verführt schnelles Urteil über dieses Album doch very, very much. Vorgänger. und hypnotisiert. Pumpen- Shirley, please forgive me. de Synthielinien prägen das men. ansprechende Cure-Cover Hanspeter Künzler von «A Night Like This».

tl. DIE NEUEN PLATTEN 45 Prince Sick Thoughts haben über drei Jahre eine LP und mehr als 15 Singles veröffentlicht – und nebenbei gabs auch noch vieles unter dem Namen DD Owen. Dass da auch mal ein Hit aus der Mittelmässigkeit ragt, liegt auf der Hand. An- fänglich als Jay-Reatard-Kopist gestartet, hat nun «18 and Free» (Total Punk) genau diese Klasse erreicht. Angepisster Kofelgschroa Various Artists Fai Baba und doch gleichgültiger, schneller Punk. Die Gitarrensolos Baaz Quiero Creedence Sad and Horny müssten eigentlich von Julien Fried kommen, der auch auf (Trikont) (Concord Picante) (A Tree In A Field/Irascible) der ersten Europa-Tour dabei war. Dass sie für «Choose Death» das beste Gitarrenriff der Welt von The Mad eins Spätestens seit den interna- Dieses Tributealbum zeigt, «Was wäre, wenn das zu eins klauen und mit einen neuen Refrain als eigenen tionalen Erfolgen der alter- wie inspirierend die Songs nächste Album für einmal Song verpacken, passt zum Image von «America’s shittiest nativen Blasmusik-Combo von Creedence Clearwa- nicht unbehauen, sondern teenager». La Brass Banda wissen ter Revival bis heute sind. rausgeputzt klänge: Würde Ach, du geliebte Andersartigkeit. Golden Rake Records wir, dass Alternatives aus Auch für Latinos. Hier aus Fai Baba, dem König schenkt der Welt «Magical Melodies». Eröffnet wird der der bayrischen Indie-Szene versammeln sich Rocker der Schweizer Alternativ- Reigen von Squeezy mit seinem Calypso «Calipso Dildo». auch den Weisswurstgra- und Popstars, darunter szene, dann ein richtiger Ein aufgrund der Lyrics in der Vergangenheit unveröffent- ben überwinden kann. Eine etablierte Acts wie Los Lo- Popstar?» Mit dieser Frage lichter Song von Wilmoth Houdini oder Joseph Spence? Band, die es auch hierzu- bos oder Spaniens Rock & beschlossen wir die Bespre- Oder doch eine aktuelle Aufnahme? Auf jeden Fall keine lande noch richtig zu entde- Roll-König Enrique Bunbu- chung von «The Savage Verballhornung in parodistischer Weise, der bereits beim cken gilt, sind Kofelgschroa ry, dessen düstere Version Dreamer». Nun zeigt sich zweiten Hören nicht mehr zu Ende gefolgt wird. Nein, aus Oberammergau, einem von «Corre por la Jungla» «Sad and Horny» tatsäch- hier schafft Hingebung einen Klassiker. Viele Einwanderer Ort, der den meisten al- («Run Through the Jun- lich zugänglicher als die Amerikas liessen ja ihren Ursprungsnamen hinter sich und lenfalls als Heimstatt der gle») die Party eröffnet. Ne- vier vorangegangen Alben entschieden sich für angepasste Namen und Vornamen. Passionsspiele bekannt ist. ben Doug Pettibones dre- des produktiven Zürchers. Ob Darin Raffaellis Vorfahren etwas mit Il Bacigalupo zu Aber was heisst schon ent- ckiger Slidegitarre enthält Songs wie die Single «No- tun haben? Oder doch Baci Galoopis? Wie auch immer, decken, sind die vier doch sie einen tollen Salsateil. body But You» klingen wie die Legende einmal nur mit Haunted-George-Tremolo- schon seit acht Jahren ak- Los Lonely Boys haben den der Soundtrack eines Road- Gitarre und Schuhschachtel- und Schellenring-Rhythmus. tiv. Mit Tuba, Trompete, Swamp-Blues von «Born on movies (und waren dem «Chicken Toes» ist dann eine weitere Geschichte, die man Akkordeon, Akustikgi- the Bayou» im Blut, «Fee- Vernehmen nach ursprüng- gerne jederzeit zitieren wird und sich so als Ausdruck im tarre, Orgel, Zither und lin’ Blue» mit Monterreys lich als Filmmusik geplant). Hipster-Slang dieser Welt festsetzen wird. Chris Santamarias Anderem spielt sich die Band of Bitches erinnert Nach wie vor gibt es ver- «I’m Just a Little Bit High» könnte auch Pookie von den Band auf «Baaz» durch ein eher an die Red Hot Chili trippte Stücke und verzerrt Poodles solo an der Gitarre sein, der von seinem Affen-Trip wunderliches Sammelsuri- Peppers. Ozomatli verwan- Ausuferndes wie «Can’t singt. Ob das Glockenspiel im Hintergrund nur Produkt um. Ob nun der kafkaeske deln «Bad Moon Rising» Get Over You». Alles in al- der eigenen Reise ist? Wildman Ronnie Roseman eröffnet Walzer «Käfer», das flotte in einen beschwingten Reg- lem aber hat man Fai Baba seinen Gitarrenfolk-Vortrag mit Eselslauten. «The Witches «Loopmaschine» oder das gae-, Cumbia- und Maria- selten so songorientiert, zu- on the Hill» nehmen Rache an dem bösen Mr. Wright, und melancholische «Pauline». chi-Schunkler. Bang Data weilen gar beatlesk erlebt. so wie dieser auf dem Hügel gefangen ist, ist auch der Song Herzstück ist der neun- verpassen der bilingualen Unterstützt wird er dabei auf immer gefangen im Gedächtnis. minütige Titeltrack, ein Version von «Fortunate von Domi Chansorn, ei- beeindruckender Sound- Son» die Hip-Hop- und nem der begnadetsten jun- Philipp Niederberger bastard aus Neo-Folk, Ba- Electro-Dröhnung. Der Ar- gen Musiker des Landes, juwarenrock und so etwas gentinier Andres Calamaro den man gern mehr unter wie Dub. «Baaz» bedeutet interpretiert «Long as I Can eigenem Namen erleben «Dreck», «Schmutz», mit See the Light» als Soultitel. würde. Was handkehrum mehreren Wendungen, und Eine bemerkenswerte Kol- schade wäre für jene, bei diese Vielseitigkeit bezie- laboration ist das Duett von denen er als Schlagzeuger hungsweise das Verschmel- ZZ Tops Billy Gibbons mit wirkt. Zuletzt sorgte er bei zen von alternativem Bay- La Marisol (von La Santa Evelinn Trouble für den ern-Folk mit Psychedelic Cecilia): «Green River» ver- Groove, nun trommelt er und Prog-Rock-Anflügen bindet Son, hart rockenden mit seinem ungemein ver- gehört zum Markenzeichen Boogie und den R&B von ständigen und variablen von Kofelgschroa. Neben Ike & Tina Turner. El Tri Spiel das Fundament unter den eigenwilligen Texten, liefern eine mitreissende, Fai Babas Songs. Da ha- versteht sich, gesungen tanzbare Tex-Mex-Fassung ben sich die Richtigen ge- auf Hochdeutsch oder von «Proud Mary» ab, funden, nämlich zwei der Bayrisch. Produziert hat während Diamante Electri- begabtesten (männlichen) übrigens kein Geringerer co aus Bogota «Up Around Schweizer Musiker ihrer als Micha Acher von The the Bend» neu erfinden – als Generation. Prognose: Die Notwist. schleichenden, neopsyche- werden Popstars. delischen Rocktrack. tb. ash. tl. MAN KANN

SICH VIELES RFV BASEL – POPFÖRDERUNG YOUR CHOICE UND MUSIKNETZWERK KAUFEN. ANNA ROSSINELLI DER REGION BASEL SEIT 1994 NEWSLETTER GEFÄLLIG? DEN BASLER BLEU ROI RFV.CH/NEWSLETTER POP-PREIS KLAUS JOHANN GROBE RFV-MITGLIEDER SIND IM VORTEIL: RFV.CH/MITGLIEDSCHAFT NICHT. SCHAMMASCH DER RFV BASEL VERLEIHT DEN BZBASEL.CH/POP-PREIS RFV.CH BASLER POP-PREIS 2016 THE LOMBEGO SURFERS O N L I N E V O T I N G: ALLE INFOS ZUM 8. BASLER POP-PREIS UND ZUR VERLEIHUNG AM 9. NOVEMBER 2016 IN DER KASERNE BASEL:

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seit 1998 nur gute Musik VOM AUTOR VON SICARIO ascot-elite.ch www.loopzeitung.ch AB 3. NOVEMBER IM KINO + NACHTSCHICHT

Komponieren mit C Duncan Schrauben mit Autechre

Die Eltern von Chris Duncan sind klassische Musiker, der 27-Jährige aus Seit einem knappen Vierteljahrhundert sind sie nun schon am Werk, die Glasgow hat selber einen Abschluss in Komposition am Royal Conserva- beiden Klangtüftler Rob Brown und Sean Booth. Stoisch schrauben die toire of Scotland und sagt: «Meine Herangehensweise an Pop ist dieselbe beiden Briten an ihren diversen Gerätschaften herum und erschaffen da- wie bei klassischer Musik: Ich beginne mit der Melodie, dann arbeite ich mit ein Gesamtkunstwerk aus Knirschen, Fiepen, Knarzen und Rauschen. verschiedene Wege aus, um sie zu strukturieren und zu harmonisieren.» Vieles bleibt dabei zufällig und vorläufig – genau so wie der Name, den sie Auf seinem Debüt «Architect» – zuhause produziert mit einem Budget von ihrem Duo einst verpasst haben. Das «Au» wollten sie unbedingt drinha- 50 Pfund – verband er dieses kompositorische Wissen mit elektronischen ben, der «techre»-Teil sei dann einfach beim ziellosen Herumtippen auf der Effekten und Verweisen auf den alten Folk der Insel. 2015 wurde der New- Computertastatur entstanden, wie Brown einst einem Interviewer erklärte. comer damit gleich für den Mercury-Preis nominiert. Ein Jahr später be- Ähnlich unmanieriert halten es die beiden auch mit den Titeln, die sie reits der Nachfolger «The Midnight Sun», der luftiger und weniger pastoral ihren Stücken geben. Auf dem aktuellen Album «Elseq 1-5» finden sich klingt, aber auch gut der Soundtrack zu einem SciFi-Thriller sein könnte beispielsweise Werke mit kryptischen Namen wie «Feed 1», «Foldfree Ca- und klanglich wiederum unglaublich fein strukturiert ist. Live tritt er mit sual» oder «c7b2». Dabei handelt es sich um Arbeitstitel, die dann – so Begleittrio in der Besetzung Gitarre, Bass, Keyboards, Schlagzeug auf. Das das Konzept dahinter – einfach beibehalten werden. Echte Anhaltspunkte erlaubt mehr rhythmischen Schwung und vierstimmige Gesangsharmonien, liefern diese Chiffren also kaum, aber es ist immer wieder ein grosser Spass, während C Duncans warme Leadstimme über allem schwebt. (anz) die zugehörigen Stücke zu hören. (amp)

31.10., Hafenkneipe, Zürich 2.11., Les Docks, Lausanne; 3.11., Rote Fabrik, Zürich

Einhaken mit Silberen

Tanzen mit The Pyramids Wir lesen und staunen: «Die prächtige Karstlandschaft, die sich über dem Muotatal als silberner Rücken dahinzieht, hat diesem Quartett seinen Na- Sie waren in den frühen Siebzigerjahren Teil des Black Music Ensemble men gegeben. Genau wie diese Karrenfelder birgt auch die Musik von Sil- des Pianisten Cecil Taylor. Doch der Saxofonist Idris Ackamoor und seine beren ein inneres Höhlensystem, das nicht so leicht durchschaubar ist. Wie Pyramids-Gefährten und -Gefährtinnen verliessen alsbald das Kollektiv, aus der Tiefe steigen die Klänge auf. Schillernd, atmosphärisch, dunkel und reisten durch Afrika, spielten mit lokalen Musikern, sammelten Instru- doch klar ist die Musik. Fast plastisch öffnen sich die Räume: links, rechts, mente und kehrten später nach San Francisco zurück, um dort ihre offene oben, unten, vorn und hinten, Berg und Tal, fremd und vertraut.» Dann le- Tanzmusik in immer neuen Variationen aufzuführen. Dann war für drei gen wir den Pressetext weg und hören hinein in das Album «Blumenstein» Jahrzehnte Pause, ehe in diesem Sommer die wunderbare Platte «We Be (Zytglogge), dessen Lieder die Band auf der aktuellen Tournee präsentiert. All Africans» erschienen ist. Spirituell? Ja, schon, vor allem aber klingt die Es ist eine Reise durch eine anregende Rustikalität auf der Höhe der Zeit. Band kämpferisch und überraschend kompakt und vor allem: am Puls der Da dräut die bisweilen düster-mystische Stimme von Sängerin Barbara Black-Lives-Matter-Zeit. Wie Ackamoor denn seine Band einschätzt? «We Berger, die über einem grundehrlichen Klangteppich von Begleitmelodien are a band of the past playing in the present and living for the future – and schwebt, sich immer mal wieder einhakt, erneut entrückt und später schon we’re all over 60 years old!» In Luzern werden The Pyramids begleitet von wieder anderswo landet. Der schroff schillernde Charakter, der im Namen Lonnie Holley, der eine der unwahrscheinlichsten und traurigsten Biografi- anklingt, zieht sich diskret durch die 16 Lieder, die man sich vorab an- en überhaupt sein eigen nennt und nun, nach Jahren als Outsider-Künstler, hören kann. Der Rest wird dann auf der Bühne geklärt. Mit Kontrabass, einen unerhörten kosmischen Gospel singt. Diese Musik gefällt auch Bill Hackbrett, Schlagwerk und einem winzigen Harmonium orientalischer Callahan und Deerhunters Bradford Cox – und kann wortwörtlich Leben Herkunft. (amp) retten. Ein Wunder. (bs) 5.11., Kulturraum, Thalwil,; 13.11., El Lokal, Zürich; 5.11., Südpol, Luzern (mit Lonnie Holley); 6.11., Kaschemme, Basel 3.12., Pöstli-Stubete, Aeugstertal NACHTSCHICHT

Lieben mit Jessy Lanza Andromedanebeln mit Black Mountain

Die Liebe liegt auf dem Dancefloor. Wieder einmal. Aber ranschmeisse- «Kein Album für die Ewigkeit, aber doch von zeitloser Klasse.» So ur- risch oder cheap ist das nicht, wenn Jessy Lanza einen Shangaan-Electro- teilten wir über Black Mountains aktuelle Platte «IV». Dieses Verdikt gilt Beat vom südafrikanischen Priester Foster Manganyi ausleiht, diesen mit generell für diese Band. Die Kanadier spielen abgespaceten Rock, wie wir kickenden Snares und zwirbelnden Hi-Hats verschärft und beschleunigt ihn aus den 70ern kennen. Ihr Spektrum reicht von Led Zeppelin über Pink und singt: «Wenn du mich wirklich willst, boy, komm und finde meine Floyd zu Can, und weil sie sich nicht nur darauf verstehen, die Klänge von Liebe, my love.» Ansonsten: Geh weiter. So geht das im Track «It Me- damals nachzubilden, sondern auch Songs schreiben können, sind Black ans I Love You», der bereits im Titel eine Distanz zum imaginären Lover Mountain ernstzunehmende Anwärter auf den Titel Lieblingsretrorocker markiert – und im nervösen Tanz doch kurzzeitig alles Kühle vergisst. So der Saison. Stücke wie «Mother of the Suns» oder «Florian Saucer At- funktioniert das auch mit anderen Songs von «Oh No», ihrem zweiten tack» klingen, wie sie heissen. Da dürfen die Gitarren braten, die Key- Album, das ohne Zweifel zu den besten des Jahres zu zählen ist. Songs, die boards psychedelisieren und die Spannungsbögen ins Hymnische reichen. gross geschriebene Popmusik sind – und gleichzeitig mit den Konventionen Stephan McBean und Amber Webber haben ihr gesangliches Wechselspiel des Pop spielen. Hat Lanza, die in Hamilton, Ontario, und damit im Nie- perfektioniert, was die Songs noch ein Stück zugänglicher, poppiger, berau- mandsland zwischen Toronto und New York wohnhaft ist (gleich wie der schender macht. Anfang Woche ist für Berufstätige an sich kein optimaler befreundete Caribou und ihr musikalischer Partner Jeremy Greenspan vom Zeitpunkt für den Besuch eines Rockkonzerts – entweder man widersteht Electropop-Duo Junior Boys), nun wirklich mit «just say you love me» allenfalls einsetzender Enthemmung oder verflucht anderntags die eigene eines der billigeren Liebes-Ultimaten gestellt? Ja, klar, und genau so soll es Willensschwäche. Black Mountain freilich ist es zuzutrauen, dass sie ihr auch sein. So fantastisch. (bs) Publikum an einem trockenen Montag allein Kraft ihrer Musik in den An- dromedanebel tragen. (ash) 6.11., Palace, St. Gallen 7.11., Kaserne, Basel; 8.11., Nouveau Monde, Fribourg

Zwirbeln mit den Local Natives Jah 9 mit Ken Boothe

Manchmal kommt man nicht umhin, Bands mithilfe eines Sets von Re- Und schon wieder dürfen wir in Zürich eine lebende Legende begrüssen. ferenzgruppen zu charakterisieren. Im Fall der Local Natives sind es in Im Herbst seiner langen Karriere bereist Ken Boothe noch einmal Euro- der Regel Arcade Fire, Vampire Weekend und die Fleet Foxes, mit denen pa, um auch jüngeren ZuhörerInnen seine alten Hits zu präsentieren. Der die Band in einem Atemzug genannt wird. Wir haben es also mit Musik Mann aus Kingston debütierte in den späten Sechzigerjahren mit einer im Schnittmengenbereich von Fiebrigkeit, Gitarrengezwirbel und hymni- Rocksteady-Version von Sandy Shaws «Puppet on a String». Und auch schen Strukturen zu tun. Auf dem Debütalbum «Gorilla Manor» wirk- seinen weiteren Weg pflastern erfolgreiche Covers. Mit seiner weichen Reg- te das Ende der Nullerjahre alles noch etwas überdreht und war geprägt gae-Variante des Bread-Songs «Everything I Own» beispielsweise erreichte von jugendlichem Flausenwahn. Doch bereits auf dem von Aaron Dessner er 1974 den Spitzenplatz in den britischen Single-Charts. Später gründe- (The National) probierten Nachfolger kam es zu einer stilistischen Ver- te Boothe die Band Conscious Minds und erarbeitete sich den Ehrentitel dichtung und einer Neuausrichtung auf eher besinnliche Töne und einer «Mister Rocksteady», den er auch mit seinen 66 Jahren noch stolz trägt. anmutigeren Sanftheit im Ausdruck. Diese Verfeinerungen sind auch den Der zweite Star des Abends könnte vom Alter her eigentlich seine Tochter ausgedehnten Konzertreisen geschuldet, welche das Quintett aus Kalifor- sein: Jah9 ist 33-jährig und stammt aus der Montego-Bucht. Bevor sie sich nien um die halbe Welt und zu renommierten Festivals wie Glastonbury, der Musik widmete, absolvierte die junge Frau erst einmal ein Psychologie- Southside, Melt! oder Pukkelpop führten. Anfang September veröffentlich- Studium und beschäftigte sich anschliessend mit experimenteller Lyrik. ten die Local Natives schliesslich ihr drittes Album «Sunlit Youth», das Erst 2013 veröffentlichte sie ihr erstes Album «New Name». Vor allem ihr wiederum eine deutlich hörbare Weiterentwicklung markiert und mit dem eigenwilliger Gesangsstil sorgte für Aufhorchen, denn während ihre Band Stück «Fountain of Youth» eine veritable Hymne enthält. Referenzgrup- einen lockeren Dub-Teppich ausrollt, singt Frau Jah9 obendrauf jazzig pen braucht man da keine mehr beizuziehen. (amp) phrasierend dahin. Unaufgeregt und geradezu entspannt. (amp)

11.11., Rote Fabrik, Zürich 12.11., Rote Fabrik, Zürich; 16.11., Fri-Son, Fribourg NACHTSCHICHT

Singen mit Kevin Morby Freestylen mit A-F-R-O

Jetzt, wo die Alten an den Tod denken, vom Tod eingeholt werden oder Zwei Männer in einem Aufnahmestudio: Links ein gerade mal 17-Jäh- gar mit Literaturpreisen geehrt werden, ist es an der Zeit, nach jüngeren riger Pummelbär mit Wuschelfrisur, rechts der legendäre New Yorker Singer/Songwriter-Stimmen zu suchen. Und man wird da ziemlich rasch bei Rap-Aussenseiter R.A. the Rugged Man. Letzterer gibt den Zeremoni- Kevin Morby landen, der früher mit seiner Band The Babies noch fröhlich enmeister und holt Gegenstand um Gegenstand hervor und hält die zu- krawallierte und bei den lagerfeuernden Woods Bass spielte. Seit einiger fällig ausgewählten Objekte seinem Schützling hin, der diese umgehend Zeit ist der 28-Jährige in eigener Sache unterwegs , denn er hat ein «song in seinen Freestyle-Rap einbaut, den er gerade durch das Mikrofon jagt. book in my head». Das berichtet er im Titelstück seiner dritten Soloplatte So präsentierte sich A-F-R-O – das Akronym steht für All Flows Reach Out «Singing Saw», auf der neben Morby und der besungenen singenden Säge – vor zwei Jahren via Youtube der Weltöffentlichkeit. Verblüffung und Be- zuweilen auch ein spooky Chor, Bläser, Geisterorgeln, Streicher und die geisterung in der Hip-Hop-Gemeinde waren gross, und inzwischen hat der Gitarren mitwirken. Die Songs, die Morby auf dieser Platte versammelt, Clip die Klick-Millionengrenze erreicht. Es folgten erste Veröffentlichungen sind aus der Zeit gefallen, wirken zunächst altertümlich und erinnern, ja, in Eigenregie, ein Besuch in der Talkshow von Queen Latifah und bei Late- auch an Dylan. Wie schön das aber alles arrangiert ist! Und wie gut das ist, Night-Plauderer Jimmy Fallon, wo er den Freestyle-Stunt aus dem viralen dass diese Songs, die sich zuweilen in höhere Sphären verflüchtigen, nun Video wiederholte und souverän über die Gegenstände rappte, die ihm prä- auch live zu hören sind. (bs) sentiert wurden, ob nun Windel, Stöckelschuh, Ohrring oder Ananas. Mittlerweile ist Jamal Gutierrez 19 Jahre alt und hat sich mit dem Exil- 15.11., Bad Bonn, Düdingen (mit Meg Baird) Kanadier Marco Polo zusammengetan. Der Produzent, der bereits Grössen wie Pharoahe Monch, Masta Ace oder Canibus mit Beats versorgte, hat für A-F-R-O eine Klangkulisse gebaut, in der dieser zu weiteren irrwitzigen Sprints durch Wortgewitter ansetzt. Das ist – trotz der Jugendlichkeit des Protagonisten – herrlich old school und wirft immer wieder wunderbare Zeilen ab, die sich bestens als Slogans verwenden lassen. Oder als Ab- schluss einer Vorschau: «Go home and smoke spinach!» (amp)

17.11., Rote Fabrik, Zürich Saint Ghetto mit Richard Dawson

Es war einer der denkwürdigsten Konzertabende der jüngeren Vergangen- Ausrichten mit Sarah Jaffe heit, als Richard Dawson, dieser gnomhafte Nordengländer, durch den ländlichen Club stapfte, die Stimme erhob und mit seinen Geschichten zu Als Sarah Jaffe 2010 ihr erstes Album «Suburban Nature» veröffentlichte, Tränen rührte, ehe er seine Minigitarre einstöpselte und diese spielte, wie war sie eine im Folk verwurzelte Singer/Songwriterin mit akustischer Gi- ich es noch nie zuvor gehört hatte. Nun kehrt Dawson zurück und sucht tarre. Die Single «Clementine» war ein kleiner Indie-Hit, doch Jaffe fühlte die Französische Kirche in Bern heim. Allein für diesen Programmpunkt sich gefangen in einer Sackgasse: «Ich spielte die Songs, die ich zum Teil seit des Saint Ghetto Festivals der Dampfzentrale möchte man Programma- der High School sang.» Ein erster Ausweg tat sich auf, als ihr der Hip-Hop- tor Roger Ziegler herzen, doch es gibt noch viel mehr. Nämlich: die wohl Produzent S1 einen Beat zuschickte, sie einen Hook dazu komponierte, düstersten Gegenwartssounds des englischen Duos Raime, Mykki Blanco und das Resultat «Bad Guy» als Eröffnungstrack auf Eminems «Marshall und das heftige Album «MYKKI», oder, zum Austanzen, die Tracks der Matters LP2» landete. Im Studio von Midlake-Drummer McKenzie Smith DFA-Kanadierin Marie Davidson, die auf ihrem Soloalbum dem Dance- wechselte die Texanerin danach für ihr drittes Album «Don’t Disconnect» floor Adieu sagt. Und jenen, die sich nun Sorgen machen, dass Richard konsequent die musikalische Ausrichtung: Electropop, Achtziger-Einflüsse, Dawsons «Vile Stuff» doch nicht in eine Kirche passt, sei gesagt: Es gibt Synth-Noir und Radio-Kompatibilität statt Indie-Folk. Zuletzt arbeitete zunächst auch noch ein Kirchenorgelkonzert zu erleben, gespielt von der Jaffe erneut mit experimentellen Hip-Hoppern oder der Rapperin Sam Lao schillernden Musikerin Baby Dee. (bs) zusammen, und man darf gespannt sein, welche Richtung ihre nächsten Songs nehmen werden. (anz) 18./19.11., Dampfzentrale und Französische Kirche, Bern. www.dampfzentrale.ch 23.11., Kiff, Aarau; 24.11., Bogen F, Zürich SZENE          

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