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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Entomologie heute

Jahr/Year: 2012

Band/Volume: 24

Autor(en)/Author(s): Roweck Hartmut

Artikel/Article: Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge – Lebensraumveränderungen, „Klimawandel“ oder mangelndes Wissen? Recent Faunistic Changes in Northern Europe Shown for – Shifting Habitats, “Climatic Change” or Lacking Knowledge? 3-20 Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge 3

Entomologie heute 24 (2012): 3-20

Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge – Lebensraumveränderungen, „Klimawandel“ oder mangelndes Wissen?

Recent Faunistic Changes in Northern Europe Shown for Lepidoptera – Shifting Habitats, “Climatic Change” or Lacking Knowledge?

HARTMUT ROWECK

Zusammenfassung: Eine Auswertung der Roten Listen des skandinavischen Raums belegt auch für den vergleichsweise dünn besiedelten Norden den Landnutzungswandel als Hauptverursacher für den derzeitigen Artenrückgang. Dieser hat bereits großräumig zu monotonen Forsten, als Folge von Entwässerungen zu Mineralisierungsprozessen in vielen Mooren sowie regional zu strukturarmen Agrarlandschaften geführt. Ferner begünstigen äolische N-Einträge kulturfolgende Arten zu Lasten oft konkurrenzschwacher Spezialisten in Fauna und Flora. Auffallende Ausnahmen bilden hier die Organismengemeinschaften Phosphor-limitierter Kalklandschaften und militärischer Übungsgelände in landwirtschaftlichen Ungunsträumen. Zu erwartende temperaturbedingte Effekte im Kontext klimatischer Veränderungen (insbesondere Lebenszyklus und Arealdynamik der Arten betreffend) werden an Beispielen vor allem anhand der (Mikro)Lepidopteren-Fauna diskutiert.

Schlüsselwörter: Biodiversität, Nordeuropa, Lepidoptera

Summary: An evaluation of north European Red Lists of Endangered Species indicates changing land use systems as main cause for the recent decline of species, even in the sparsely populated northern countries. These changes led to monotonous forests, drained peat bogs with ongoing mineralization processes on a large-scale as well as an increase of agrarian landscapes lacking structur- ing elements. Additionally, aeolian N-depositions favour wide spread synanthropic plant and species, on the expense of specialized species, which are often week competitors. Communities of phosphorous limited lime stone sites as well as military training areas not in contact with (or surrounded by) intensive land use are remarkable exceptions. Expected effects of climatic change related to temperature (notably concerning species’ life histories and distribution) are discussed. Microlepidoptera mentioned in the text are pictured in colour.

Keywords: biodiversity, northern Europe, Lepidoptera

1. Einleitung halb von Schutzgebieten sind beispielsweise Naturwälder nur noch kleinfl ächig, zumeist Die Vorstellung, die vergleichsweise dünn an schwer nutzbaren Sonderstandorten zu besiedelten nordeuropäischen Länder mit fi nden, und selbst im hohen Norden Skan- ihrem Gewässerreichtum und hohen Wald- dinaviens fällt es schwer, Moorkomplexe anteilen wären von den Folgen des modernen ohne die Reste (und Folgen) früherer Melio- Landnutzungswandels für Fauna und Flora ration zu fi nden. Schließlich haben sowohl noch weitgehend verschont geblieben, ist aus die Wettbewerbsbedingungen globalisierter mitteleuropäischer Perspektive zwar verbrei- Agrarmärkte als auch der EU-Beitritt von tet, aber längst nicht mehr zutreffend. Außer- Finnland und Schweden 1995 bereits regional

Entomologie heute 24 (2012) 4 HARTMUT ROWECK zu ausgesprochen strukturarmen Agrarland- (im Extremfall zwei) Referenzzeitpunkten schaften geführt. ein Trend abgeleitet werden soll, insbeson- Auf die hier ebenfalls zu behandelnden dere bei Arten mit langjährigen Populati- Folgen des klimatischen Wandels für die onsschwankungen. Ließen sich Arealverän- frei lebenden Organismen konnte, dank derungen auf einer sehr langen Zeitschiene eines dichten Beobachternetzes in den betrachten, würden wir eine Art „Pulsieren“, nordeuropäischen Ländern (allen voran in eine fast amöbenartige Veränderung ihrer Großbritannien), schon früh mit konkreten Ränder erkennen – recht dynamisch bei Beispielen hingewiesen werden. Als Daten- den Generalisten und eher zurückhaltend quellen für diesen Beitrag dienen: bei vielen Spezialisten –, aber auf jeden Fall 1. Die Roten Listen der betroffenen Länder fi ele auf, dass sie beständiger Veränderung (GÄRDENFORS 2010; KÅLÅS et al. 2010; unterliegen. Die Gefahr, bei der Interpre- RASSI et al. 2010). Diese mittlerweile in tation solcher Veränderungen Opfer von einem fünfjährigen Turnus fortgeschrie- Analogieschlüssen zu werden, ist groß, weil benen Verzeichnisse enthalten in ihren eben viele Ursachen für diese Dynamik auswertenden Teilen oft ausführliche verantwortlich sein können. Allerdings ist Angaben zu den anzunehmenden Ur- die Fülle der Freiland- und Laborbefunde sachen der dokumentierten Verände- mittlerweile so groß, dass, zumindest für rungen in den Lebensgemeinschaften einen Teil der zuwandernden südlichen und geben zugleich Hinweise auf Wis- und südöstlichen Arten, ein unmittelbarer senslücken, insbesondere bei bislang nur Zusammenhang zwischen ihrem Auftreten wenig beachteten Organismengruppen. und wärmeren Sommern, milderen Wintern 2. Viele Fachveröffentlichungen zum The- und verlängerten Vegetationsperioden wohl ma „Klimawandel“, die in den letzten nicht mehr bestritten werden kann (SPARKS ca. 15 Jahren erschienen sind, was wenig et al. 2005; GONZÁLEZ-MEGÍAS et al. 2008; verwundert, wenn man die derzeitigen PERSSON 2009; FRONZEK et al. 2012). Förderrichtlinien der Geldgeber im Be- reich Umweltforschung studiert (DBU, 2. Tiefgreifender Wandel der Wälder UBA, EU-Förderprogramme). 3. Die umfangreiche faunistische Literatur Die Themen Lebensraumveränderungen unserer nordeuropäischen Nachbarn – und Klimawandel sind so eng miteinan- aktuelle Faunenlisten, aber auch solche der verknüpft, dass bei vielen Arten eine aus weiter zurückliegenden Zeiträumen, getrennte Behandlung wenig sinnvoll er- die sich als Grundlage für Vergleiche scheint. anbieten (LARSEN 1916; LIENIG 1846; Vergleicht man unsere mitteleuropäischen NOLCKEN 1870; NORDSTRÖM et al. 1969; Kulturlandschaften mit denen im hohen PALM 1982, 1986, 1989 u. a.) Norden, so trifft man, selbst vor Ort, nicht Bei Letzterem fällt auf, dass Meldungen selten auf die Sichtweise, dort würden über Neufunde grundsätzlich einen grö- auch heute noch großräumig weitgehend ßeren Raum in der faunistischen Literatur naturnahe Ökosysteme das Landschaftsbild einnehmen als die viel schwieriger zu erstel- bestimmen. Dem ist aber leider bereits seit lenden Verlustbilanzen. Wie will man auch Jahrzehnten nicht mehr so, wie sich am Bei- glaubhaft belegen, dass eine Art in einem spiel der Wälder deutlich bei einem „virtuel- Bezugsraum tatsächlich verschollen oder gar len Rundfl ug“ mit Hilfe von Internet-Luft- „ausgestorben“ ist. Aber selbst wenn alte bildern (z. B. Google maps) erkennen lässt. Datensätze vorliegen, bleibt die Gefahr von Erhebliche Teile der borealen Waldfl ächen Fehleinschätzungen, wenn aus nur wenigen unterliegen einer forstlichen Nutzung, die Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge 5 mit intensivem Maschineneinsatz und Kahl- Eupithecia gelidata genannt, wobei die drei schlagtechnik heute selbst vor den wenigen Erstgenannten erst in jüngster Vergangenheit Resten historisch alter Waldbestände nicht regional deutliche Bestandesverluste erfahren. Halt macht. Folglich stehen Quellbiotope Xanthorhoe annotinata mag als typisches Bei- für die waldgebundene Biodiversität ebenso spiel für so eine Verliererart gelten. Sie lebt in auf den Verlustlisten wie anspruchsvolle meist nur kleinen Populationen und mit einer Zeigerarten solcher Systeme. Dass gerade vergleichsweise kurzen Flugzeit (Ende Mai/ in den nordeuropäischen Ländern (unter Anfang Juni) in feuchten Kiefernwäldern und Einschluss Großbritanniens) ein Großteil an Moorrändern mit Beständen von Blau- unseres Wissens über solche Indikatorarten beeren (Vaccinium myrtillus), und soweit wir erforscht und deutlich früher als im mitteleu- wissen, reagieren die Larven empfi ndlich auf ropäischen Raum publiziert wurde (Literatur Änderungen im Wasserhaushalt. Ein breiteres bei NITARE 2006; ROWECK 2010), hat den Spektrum an Lebensräumen besiedelt Rheu- Rückgang solcher Quellbiotope leider kaum maptera subhastata, für die große Populations- bis gar nicht aufhalten können. schwankungen belegt sind. Im hohen Norden Als nur ein markantes Beispiel seien der noch einer der häufi gen Spanner, schmelzen Eulenfalter umovii und seine Haupt- derzeit die Bestände weiter südlich vielerorts nahrungspfl anze, die Flechte Alectoria sar- fast restlos zusammen. mentosa, genannt. Letztere gilt seit langem Der Spanner Malacodea regelaria besiedelt dich- als Signalart für Wälder mit einer langen te, sehr oft historisch alte Fichtenwälder. Sein Bestockungskontinuität. Beide Arten verlas- Nachweis verlangt einiges an Geduld, zumal sen derzeit großräumig den Norden dort, wo die Tiere den Kronenraum nur zögerlich ver- die alten borealen Nadelwälder monotonen lassen und auf Anhieb habituell Trichopteryx Nadelholzplantagen weichen. Quellbiotope carpinata ähneln; sie fl iegen allerdings gemäch- mit einer langen, ungestörten Entwicklung licher und jahreszeitlich meist etwas früher. fehlen heute bereits über weite Strecken, Der kürzlich verstorbene Senior der nordi- und wo Monokulturen lückenlos aneinander schen Schmetterlingskunde INGVAR SVENSSON schließen ist anzunehmen, dass sie zusätzlich verbrachte in seinen letzten 30 Lebensjahren Ausbreitungsbarrieren für viele weniger jedes Frühjahr einige Tage in einem Reservat mobile Arten aus den unterschiedlichsten in Schonen auf der erfolglosen Suche nach Organismengruppen darstellen. dieser dort früher nachgewiesenen Art. Fragt VIIDALEPP & MIKKOLA (2007) berichten über man nach den anzunehmenden Ursachen für Arealverschiebungen borealer Arten im ihren Rückgang, sehen viele Entomologen südlichen Finnland und in den baltischen auch bei dieser Art einen Zusammenhang Ländern. Neben einem „Umzug nach Nor- mit den zunehmend milden Wintern, aber den“ konnte für ein ganzes Set von Arten ein niemand weiß es genau. deutlicher regionaler Rückgang belegt wer- Immerhin fällt auf, dass mehrere Arten den. Die Hauptverlierer können zwei Stand- mit brachypteren Weibchen (wie Malacodea ortkomplexen zugeordnet werden: Zum regelaria, Macaria loricaria oder Lycia lapponaria) einen sind es auch hier die historisch alten nicht selten nach dem ersten kalten Winter Waldstandorte und zum anderen Hoch- und wieder an Orten notiert werden, an denen sie Niedermoore mit weitgehend ungestörtem früher regelmäßig vorkamen, zwischenzeit- Wasser- und Nährstoffhaushalt. lich aber nicht nachweisbar waren. Als Bei- Als Beispiele für die erste Gruppe seien aus spiel aus der Gruppe der Wickler sei Epinotia dieser Studie Xanthorhoe annotinata, Entephria gimmerthaliana genannt (s. Abb. 1.10); früher caesiata, Macaria loricaria, Chloroclysta miata, in weiten Teilen des Nordens als „nicht Malacodea regelaria, Rheumaptera subhastata und selten“ angesehen, nahm die Art vor allem

Entomologie heute 24 (2012) 6 HARTMUT ROWECK in den baltischen Staaten seit Beginn der oft noch nach Jahrhunderten sichtbar. 1990er Jahre drastisch ab, tauchte aber nach So sind z. B. viele Trollblumenwiesen im dem Extremwinter 2009/10 dort sowie im nördlichen Skandinavien Zeugen früherer südlichen Norwegen wieder in Anzahl auf. Kultivierungsversuche in Niedermooren. Verlängerte Diapausen, die ein Überliegen Der augenfällige, z. T. noch immer groß- sehr kurzer Klimaschwankungen erlauben, fl ächig stattfi ndende Abbau von Torf in sind für viele nordisch-alpine Arten eine Hochmooren, insbesondere für gärtnerische vorteilhafte Strategie; leider mangelt es be- Zwecke, ist also nicht allein für den Rück- züglich vieler Arten an harten Daten. Auf gang der Lebensgemeinschaften ungestörter gesicherte Beispiele für das Thema Diapause Moorreste verantwortlich, so widersinnig wird im Folgenden im Zusammenhang mit gerade diese, den sich selbst verstärken- zu erwartenden temperaturbedingten An- den Prozess der Klimaerwärmung enorm passungen noch eingegangen. beschleunigende Nutzungsform uns heute auch erscheinen mag. 3. Tiefgreifender Wandel der Moore Die Studie von VIIDALEPP & MIKKOLA (2007) nennt beispielhaft einige Opfer dieser an- Sieht man von Verlandungsniedermooren thropogenen Lebensraumveränderungen in im Randbereich stehender Gewässer und Mooren unter den Tagfaltern: So kam Boloria kleinfl ächigen Hoch- und Übergangsmoo- freija in den 1930er Jahren in baltischen Moo- ren ab, so verläuft die Suche nach größeren ren noch in individuenreichen Populationen ungestörten Moorkomplexen heute oft vor und ist heute dort vielerorts nicht mehr ebenso erfolglos wie die nach Urwäldern auffi ndbar. Noch deutlicher ist der Rückgang i. e. S. bei Boloria frigga, die im betrachteten Gebiet Diese Aussage mag überraschen, erlebt der heute nur noch in wenigen ungestörten Nordlandreisende doch ein großräumiges Moorkomplexen zu fi nden ist. Mosaik aus Wäldern (Forsten) und mit Sumpf- und Moorpfl anzen überzogenen 4. Düstere Zukunftsperspektiven für abfl usslosen Senken. Selbst auf den zweiten nordische Arten Blick nicht immer auf Anhieb zu entdecken ist der Umstand, dass praktisch alle Torfl a- Der Climatic Risk Atlas of European gerstätten Spuren früherer Nutzungen bzw. Butterfl ies (SETTELE et al. 2010) zeigt als Nutzungsversuche zeigen. Im nacheiszeit- „klimatische Nischen“ Landschaftsräume, lich sehr steinigen Skandinavien konzentrier- die aufgrund klimatischer Gegebenheiten te sich der Landbau außerhalb der Küsten für eine Besiedlung durch bestimmte Arten praktisch von Anfang an auf entwässerbare potenziell geeignet sind. Unterlegt man die Torfl agerstätten und Seeufer. Bei genauerem Daten einer mittleren Szenarienrechnung, Hinsehen, z. B. bei Luftbildauswertungen, die von einem allmählichen Temperaturan- fallen gradlinig verlaufende Reste ehemali- stieg auf 3,1 °C bis 2080 ausgeht, so sind ger Grabensysteme oder, aus jüngerer Zeit, die Zukunftsperspektiven der genannten Gebäudereste zur damaligen Bergung von Tagfalter nicht besonders vielversprechend: Heu und Streu auf. Diese Nutzungen sind Bei Boloria frigga gehen deutlich mehr Ni- vor allem in dünn besiedelten Gebieten fast schenräume verloren als potenziell neu überall längst wieder aufgegeben und die hinzukommen. Die Falter fl iegen zwar auch Moore befi nden sich hier zumeist in einer auf nassen Fjällheiden, hauptsächlich aber in ungelenkten Entwicklung. Allerdings blei- offenen Sphagnum-Mooren mit ungestörtem ben die Folgen der Mineralisierungsschübe Wasserhaushalt. Hier ist ein Fortbestand durch die stattgefundenen Entwässerungen überlebensfähiger Populationen ohne Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge 7 einen Biotopwechsel schwer vorstellbar. Einstellen geeigneter klimatischer Rahmen- Noch drastischer könnte der Bestandes- bedingungen Arten des submediterranen Rückgang bei der schon sehr zeitig im Jahr Faunenelementes die Südseite des Harzes fl iegenden Boloria freija verlaufen, für die erreichen werden, hängt von vielen Faktoren ein Ausweichen in Ersatzlebensräume als ab. WILSON et al. (2007) berichten von einem unwahrscheinlich angenommen wird. Langzeit-Monitoring in Zentralspanien, In vielen Fällen fügen sich die bekannten wo das klimabedingte Bergauf-Ausweichen Fundorte in den Rahmen der „aktuellen kli- schon heute seine Grenzen fi ndet und die matischen Nische“ und zeigen damit zugleich, wenigen nachrückenden Generalisten aus wie gut das Modell solche Nischenräume wie- dem umgebenden Tiefl and diese Verluste dergeben kann. Das Verhältnis von Räumen, nicht mal zahlenmäßig ausgleichen können. die im Zuge der klimatischen Änderungen wahrscheinlich verloren gehen, zu solchen, 5. Faunenwandel im fi nnischen Kainuu die potenziell für eine Neubesiedlung geeig- net scheinen, ist allerdings selbst bei weniger Über 1000 Mitglieder zählt die sehr umfang- anspruchsvollen Arten kaum ausgeglichen, d. reich Daten sammelnde Lepidopterologische h. Lebensraumverluste dominieren das anzu- Gesellschaft in Finnland mit über 200 seit nehmende Geschehen. Bei Oeneis jutta wird ein den 1990er Jahren regelmäßig betriebenen Ausweichen in höhere Lagen noch unterstellt, Lichtfallen des „Nocturnal Monitoring in Grenzen ebenfalls auch bei Erebia embla Projects“. Die Ergebnisse passen zu denen (SETTELE et al. 2010). von PÖYRY et al. (2009), die in Zusammenar- Hier ist allerdings festzuhalten, dass für hoch- beit mit dem Finnischen Meteorologischen montane und alpine Arten ein „Ausweichen Institut die anzunehmende Verschiebung nach oben“ nur begrenzt möglich ist und phänologischer Zonen, gemittelt aus 19 sich viele arktisch-alpine Lebensraumtypen unterschiedlichen Modellrechnungen für die unter veränderten Klimabedingungen quasi kommenden 30 Jahre, vergleichsweise hoch aufl ösen (FRANCO et al. 2006). Was die er- aufgelöst haben. So konnten ITÄMIES et al. wähnten Modellierungen ebenfalls deutlich (2011) für Cryptocala chardinyi eine deutliche zeigen, ist ein allmähliches Verschieben der Verschiebung des Arealrandes nach Norden globalen Vegetationsgürtel, z. B. ein deutlicher nachweisen, für Dasypolia templi (beides Eu- Wandel der boreo-nemoralen Übergangszone lenfalter) zusätzlich das Zurückweichen vom hin zu Klimabedingungen des Atlantikums, südlichen Arealrand. während submediterrane Klimaverhältnisse Die Autoren haben für einen Teilbereich, möglicherweise bis 2080 den Südrand der die Provinz Kainuu im Osten Finnlands, die Norddeutschen Tiefebene erreichen. Dabei Neunachweise aus 23 Untersuchungsjahren darf nicht vergessen werden, dass sich hier bezogen auf Lebensraumtypen analysiert. nicht einfach „ein wenig die Klimazonen ver- Demnach fanden die meisten Veränderun- schieben“, sondern dass unter dem Regime gen im Kulturland statt, gefolgt von Laub- der heutigen äolischen Stickstofffrachten jede wäldern und deren Saumbiotopen; als relativ derartige Veränderung mit einem Wandel konstant erwiesen sich hingegen Heiden und verbunden ist – ein Wandel, weg von den Xerotherm-Standorte. vielen trophischen Relikten früherer Land- nutzungen, den „Hungerkünstlern“ unserer 6. Große Wissenslücken bei den Roten Listen, hin zu fl exibleren, weniger „Kleinschmetterlingen“ anspruchsvollen Allerweltsarten. Dieses Nachwandern braucht außerdem seine Bei den sogenannten Kleinschmetterlingen Zeit. Ob und gegebenenfalls wann nach dem ist die Datenlage schon deshalb weniger

Entomologie heute 24 (2012) 8 HARTMUT ROWECK solide, weil sich nur vergleichsweise wenige über Finnland in den skandinavischen Raum Entomologen mit den hierzu zählenden einwandert oder die schon seit 1993 über Artengruppen befassen. Sind unsere Kennt- Schweden zugewanderte Gespinstmotte nisse über die Verbreitung und Lebens- Argyresthia trifasciata, die mittlerweile regional raumansprüche der Pyraliden (Zünsler) an Beständen von Scheinzypresse, Lebens- und Tortriciden (Wickler) dank bebilder- baum oder Wacholder im Siedlungsraum in ter Bestimmungsliteratur noch halbwegs individuenreichen Populationen lebt (Abb. befriedigend, sinken die Kenntnisse mit 1.2, 1.6). zunehmender Kleinheit der Arten, deren Zu einer größeren Gruppe von Arten, die sichere Ansprache, viel häufi ger als bei den etwa seit den 1960er Jahren fast überall stark Großschmetterlingen, eine Präparation zurückgehen bzw. weiträumig nicht mehr der Genitalarmaturen verlangt. Fragt man auffi ndbar sind, gehören z. B. der Wickler Experten nach gesicherten Fällen von Klein- Eucosma scorzonerana und die Palpenmotte schmetterlingen, die sich derzeit im Norden Gnorimoschema streliciella (Abb. 1.12, 1.9). ausbreiten bzw. einen deutlichen Bestands- Kann für den Wickler noch ein regionaler rückgang zeigen, so fallen ihnen zunächst Rückgang seiner Hauptnahrungspfl anze, mehr Zuwanderer als seltener werdende der Schwarzwurzel (Scorzonera humilis), an- Arten ein. Oft sind es erst die landesweiten geführt werden, bleibt der Rückgang der Auswertungen der Artenbestände im Rah- Palpenmotte, deren Larven sich am Kat- men der Aktualisierungen von Faunenlisten, zenpfötchen (Antennaria dioica) entwickeln, die bei vielen Arten Fragezeichen setzen, rätselhaft. Ebenso unerklärlich erscheint der deren Vorkommen bislang als gesichert galt. Rückgang von Altenia perspersella (ebenfalls Als Neubürger fallen, dank gezielter Nach- eine Palpenmotte, s. Abb. 1.8), deren Lar- suche, zumeist solche Arten auf, die sich ven an der Krähenbeere (Empetrum nigrum), auch in anderen Landschaftsräumen auf einer der häufi gsten Pfl anzen nordischer dem Vormarsch befi nden, z. Zu den Arten Zwergstrauchheiden, leben. Die Art wird mit auffallend rückläufi gen Bestandsent- seit etwa 1990 weiträumig (so aus Lettland) wicklungen zählen auch hier einerseits als nicht mehr auffi ndbar gemeldet. weniger mobile oder vergleichsweise eng Schließlich seien noch zwei synanthrop eingenischte Arten, andererseits aber auch lebende Arten genannt, die trotz reichlich solche, deren Lebensraumansprüche aus vorhandener Nahrungs- und Lebensraumres- unserer Sicht vielerorts erfüllt sind und wo sourcen auf vielen Verlustlisten des Nordens Gründe für ihr Seltenwerden nicht unmit- stehen. Der Zünsler Pyralis lienigialis (Abb. telbar erkennbar sind. Die Gracillariiden 1.13) entwickelt sich vermutlich an Heu, Phyllonorycter issikii an Winterlinde und Phyl- Getreideresten etc., jedenfalls stammen die lonorycter platani an Platane (Abb. 1.3, 12.4) meisten Funde aus landwirtschaftlichen sind im Siedlungsraum seit einigen Jahren in Gebäuden bzw. aus deren unmittelbarem rascher Ausbreitung begriffen. Das gilt auch Umfeld. Seit den 1990er Jahren gilt die Art für die sich in Pappelblättern entwickelnde im Baltikum und Südschweden als sehr selten Phyllonorycter comparellus, die erst seit 2009 und ist weiträumig verschollen. Ähnlich steht

Abb. 1: Die im Text erwähnten „Kleinschmetterlinge“ in systematischer Anordnung. Fig. 1: Microlepidoptera mentioned in the text in systematical order (see above). 1.1 Trichophaga tapetzella, 1.2 Phyllonorycter comparellus, 1.3 Phyllonorycter issikii 1.4 Phyllonorycter platani, 1.5 Cameraria ohridella, 1.6 Argyresthia trifasciata, 1.7 Coleophora alticolella, 1.8 Altenia perspersella, 1.9 Gnorimoschema streliciella, 1.10 Epinotia gimmerthaliana, 1.11 Eucosma scorzonerana, 1.12 Cydia strobilella, 1.13 Pyralis lienigialis Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge 9

Entomologie heute 24 (2012) 10 HARTMUT ROWECK es um die nördlich von Dänemark in jünge- Habitatbezug der in dieser Liste als gefährdet rer Zeit nicht mehr nachgewiesene Tineide aufgeführten Schmetterlingsarten. Jeweils Trichophaga tapetzella (= „Tapetenmotte“), bei etwa ¼ der Arten lassen sich den Wäldern, uns häufi g in Tierbauten, Gewöllen, Nistkä- felsigen und alpinen Habitaten, Küsten- und sten und dergleichen (Abb. 1.1), ohne dass Feuchtbiotopen sowie Acker- und Grün- sich Veränderungen der Lebensbedingungen landfl ächen im Kulturland zuordnen. konstatieren ließen. Diese wenigen Beispiele Bezogen auf alle in der Roten Liste Norwe- mögen illustrieren, wie groß unsere Kennt- gens berücksichtigten Organismengruppen nislücken bezüglich der spezifi schen Lebens- fällt in Abbildung 3 die starke Gewichtung raumansprüche sehr vieler Arten noch sind. des Faktors „Änderung der Landnutzung“ auf. Unterstellt man, dass der Ursachen- 7. Landnutzungswandel als Hauptver- komplex „Stoffeinträge“ ebenfalls zu einem ursacher erheblichen Teil modernen Landnutzungs- verfahren zuzuordnen ist, vollzieht sich der Hinweise darauf, was neben den weitgrei- Artenwandel, soweit bekannt, selbst im dünn fenden Veränderungen in Wald- und Moor- besiedelten Norwegen zu einem erheblichen ökosystemen hinter diesem auffallenden Teil im Kulturland. Artenwandel stehen mag, ergeben sich aus Der Klimafaktor macht sich bezogen auf den Auswertungen der „Roten Listen“ des Norwegen mit seiner enormen Nord-/ Nordens, für die hier beispielhaft die norwe- Süd-Ausdehnung überregional noch wenig gische herangezogen wird (NORSK RØDLISTE bemerkbar; hier dürften regionale Bilanzen FOR ARTER 2010). Abbildung 2 zeigt den zu deutlicheren Ergebnissen ähnlich denen

Abb. 2: Verteilung der bedrohten Arten in den Haupthabitattypen der Roten Liste Norwegens (Daten aus KÅLÅS et al. 2010). Fig. 2: Distribution of threatened species in the main habitate types of the Norwegian Red list for Species (woodland, bedrock and scree, coast, semi-natural grassland, wetland, arable land, arctic and alpine habitats) (KÅLÅS et al. 2010). Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge 11

Abb. 3: Hauptfaktoren für den Rückgang der Artenvielfalt in Norwegen, bezogen auf alle in der Roten Liste berücksichtigten Organismengruppen (nach KÅLÅS et al. 2010: Norwegian Red List for Species). Fig. 3: Major threats assumed to be responsible for the decline of species in Norway in relation to all species considered in the Norwegian Red List for Species (landuse changes, pollution, climatic change, harvesting, alien species, other and unknown reasons) (KÅLÅS et al. 2010). in Finnland führen. Mit welchem Gewicht immer kleiner werdende Flächen sind hier dagegen landwirtschaftliche Nutzungsän- als hauptverantwortlich zu sehen. derungen im Einzelnen am Artenrückgang beteiligt sind, zeigt Abbildung 4. Wie prak- 8. Konstante Lebensgemeinschaften tisch überall im europäischen Kulturland an P-Mangelstandorten steht die Aufgabe traditioneller Grünland- nutzungsformen (extensive Beweidung, Allerdings stehen, auch in Nordeuropa, ne- einschürige Mahd etc.) an vorderster Stelle ben den vielen Verlustbilanzen einige wenige (s. hierzu auch EKSTAM & FORSHED 1992). Berichte, die eine erstaunliche Kons tanz in Weder die mittlerweile praktisch den gan- den Artengarnituren melden. So hat MAGNUS zen Norden prägende Silagewirtschaft im PERSSON 30 Jahre lang in einem Grünland- Grünland noch der Aufsitzrasenmäher komplex am Krankesjön in Südschweden im Umfeld nur noch für Freizeitzwecke Tagfalter und Widderchen erfasst und fi ndet genutzter ehemaliger Hofstellen können konstante Verhältnisse, eher sogar eine leichte extensive Mahd oder Beweidung so erset- Zunahme von 35 Arten in den 1980ern auf zen, dass die ursprüngliche Artenvielfalt 38 Arten heute (PERSSON 2010). Dieser Befund erhalten bleibt. Noch vor wenigen Jahren scheint zunächst in einem Widerspruch zu weit verbreitete Arten magerer Grün- zahlreichen anderen Untersuchungen (auch landstandorte wie der Eulenfalter Hadena aus dem südschwedischen Umland dieser confusa oder der Streifenspanner Phibalapte- Studie) zu stehen, die deutlich negative Trends ryx virgata zeigen derzeit auch im Norden dokumentieren. Es gibt aber auch aus anderen rückläufi ge Bestandeszahlen. Nutzungs- Landschaftsräumen Meldungen über Lokalitä- intensivierungen, äolische Düngung und ten mit vergleichsweise konstanten Zönosen.

Entomologie heute 24 (2012) 12 HARTMUT ROWECK

Abb. 4: Einfl uss von landwirtschaftlichen Nutzungsänderungen (oben) und Schadstoffen (unten) auf den Rückgang aller in der Roten Liste Norwegens berücksichtigten Organismengruppen (aus KÅLÅS et al. 2010). Fig. 4: Changing agriculture (above: cultivation/land drainage, discontinued grazing, discontinued haymaking, discontinued burning of heather) and various kinds of pollution (below: terrestrial fertilisation, aquatic fertilisation, biocides, organic pollutants, inorganic pollutants, acid precipitation) as responsible factors for the decline of species in Norway (from KÅLÅS et al. 2010).

Einerseits handelt es sich hier (wie am Kran- steingebirgen Nordeuropas sowie auf kesjön) oft um militärische Übungsgelände einigen baltischen Inseln. Auch von dort mit ausgedehnten Offenlandkomplexen auf werden, wo immer traditionelle Nutzungen sandigen Böden, die eingetragene Nähr- fortbestehen, nur wenig geänderte Lebens- stoffe zumindest teilweise wieder durch gemeinschaften gemeldet, mit einer sehr Auswaschung verlieren und die sehr oft seit auffallenden Häufung sonst seltener Tier- der Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzungen und Pfl anzenarten. keine P-Düngung mehr erfahren haben. Pflanzenverfügbaren Stickstoff gibt es Andererseits gibt es P-Mangelstandorte, heute kostenlos aus der Luft, wenn auch im auch ohne Militär, in den wenigen Kalk- skandinavischen Raum mit abnehmender Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge 13

Menge nach Norden, so dass Phosphor in strengen Schutzstatus versehen, mal gelten vielen Ökosystemen zum Schlüsselfaktor sie als ungepfl egtes, im gegenwärtigen Zu- für die Steuerung des Konkurrenzgesche- stand nicht subventionswürdiges Grünland. hens in der Vegetation wird (WASSEN et al. Ungezählte Kilometer reich strukturierter 2005). Wird der Phosphor auf kalkreichen „Wald-Offenland-Übergangsbereiche“ sind Böden als Calciumphosphat gebunden, ist so regional durch quasi verordnete Maßnah- seine Verfügbarkeit stark eingeschränkt und men verlorengegangen, weshalb viele an sol- es entsteht Lebensraum für viele konkur- che Übergänge gebundene Arten gegenüber renzschwache Arten, die an überdüngten den Roten Listen von 2005 neu als „poten- Kulturbiotopen kaum eine Chance haben, ziell gefährdet“ aufgenommen wurden. Zu sich gegen schnellwüchsige Allerweltsarten den Opfern solcher Maßnahmen gehören durchzusetzen. Sieht man von solchen, oft beispielsweise Kreuzdorn-nutzende Spanner nur kleinfl ächigen Landschaftsräumen mit wie Triphosa dubitata, oder die Philereme- „trophischen Reliktarten“ ab, gilt mittler- Arten. Nicht, dass kein Kreuzdorn mehr zu weile auch für weite Teile Nordeuropas, fi nden wäre, aber das den nordischen Kul- dass die modernen Landnutzungssysteme turraum bislang so prägende, kleinräumige extrem ungünstig für den Fortbestand der und gradientenreiche Landschaftsmosaik Arten- und Lebensraumdiversität sind. mit den besonderen mikroklimatischen Be- dingungen halboffener Waldweiden wird 9. Habitatverluste als Folge von Aufl a- vielerorts zusehends seltener. gen für Agrarsubventionen 10. Der Temperatur-Faktor: Was ist von In den alten Mitgliedsstaaten der EU haben höheren Wärmesummen zu erwarten? wir uns daran gewöhnt, dass sich Agrar- subventionen auf die Nettonutzflächen BALE et al. (2002) und MUSOLIN (2007) beziehen. In Schweden (EU-Beitritt 1995) zeigen auf, für welche wärmeabhängigen führte allein diese Regelung regional zu ei- physiologischen Prozesse der Insekten nem enormen Strukturverlust im ländlichen Änderungen im Rahmen des klimatischen Raum. Plötzlich waren maximale Zahlen Wandels zu erwarten sind. Für die schon tolerierbarer Bäume, Hecken und anderer jetzt beobachtbaren und einige der noch zu ungenutzter Strukturen im Grünland pro erwartenden Effekte im Folgenden einige Flächeneinheit vorgeschrieben (ArtDa- Beispiele. tabanken Sverige http://www.slu.se/). Wer von Fördergeldern abhängt (und wer in der 10.1. Dauer des Lebenszyklus und Landwirtschaft tut das nicht?), wurde quasi Anzahl Generationen pro Jahr zu einer „Flurbereinigung“ gezwungen, zu einem Landschaftsumbau, dem in manchen Im Beobachtungszeitraum des „Nocturnal Gebieten ein Großteil der alten Bäume Moth Monitorings“ (s. o.) fiel auf, dass weichen musste. Dass die so abgewerteten die Zahl der Arten mit einer zweiten Ge- Strukturen außerhalb des Grünlandes auch neration pro Jahr beständig zunahm. Der in Schweden zum Teil unter Pauschal- Rotgebänderte Blütenspanner Gymnoscelis schutz stehen (Baumreihen, Feldgehöl- rufi fasciata fl iegt beispielsweise auch in Finn- ze …), bekräftigt nicht gerade den Eindruck land mittlerweile fast regelmäßig mit drei klarer Zielvorstellungen im hoheitlichen Generationen pro Jahr. Spekuliert wird in Naturschutz: Mal werden die traditionel- der Literatur auch darüber, ob, besonders im len Laubwiesen als „Hotspots nordischer kühlen Norden, ein wärmeres Mikroklima Biodiversität“ herausgestellt und mit einem zu einem spürbar rascheren und effektiveren

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Zellulose-Aufschluss führt und sich auch entwicklung von P. armoricanus eine wichti- deshalb Entwicklungszyklen verkürzen ge Rolle spielen. In der südschwedischen (ROTH & LINDROTH1995). Provinz Schonen wurde beobachtet, dass bereits wenige Jahre mit anhaltend trocken- 10.2. Arealdynamik und Metapopulati- warmen Vegetationsperioden zu zahlreichen onsverbund Neubesiedlungen führen können (ÖCKINGER 2007). Noch unbesiedelte, aufgrund ihrer Die derzeitigen Arealverschiebungen sind Struktur und Vegetationszusammensetzung im Grundsatz vermutlich denen nicht als potenzielle Lebensräume eingestufte unähnlich, die das nacheiszeitliche Wie- Flächen hatten mehrheitlich ein kühleres derbesiedlungsgeschehen bestimmt haben Standortklima als die besiedelten. Beide und die für besonders immobile Taxa noch Nahrungspfl anzen, und in der Folge auch immer nicht abgeschlossen sind. Damals P. armoricanus, verschwinden außerdem rasch wie heute führt der so genannte Gründer- nach Aufdüngung bzw. bei nachlassender effekt zu genetisch verarmten Außenposten Beweidung; so gesehen sind diese Arten in im Verbund der Populationen – nur dass vielen Fällen auch Opfer von kulturbeding- heute die Ausbreitungsvorgänge in fragmen- ten Lebensraumveränderungen. tierteren Landschaften mit einem höchst DAVIES et al. (2006) berichten, dass Hesperia wahrscheinlich deutlich eingeschränkteren comma in Südengland noch vor ca. 20 Jahren Genfl uss ablaufen (HILL et al. 2011). Der ausschließlich Südhänge und kurzrasige Mangel an Individuenüberschuss produzie- Biotope besiedelte, während man Tiere renden größerfl ächigen „Quellbiotopen“, dieser Art neuerdings dort auch an Nord- die neue, noch instabile Pionierpopulationen hängen sowie in höherwüchsigem Grasland bei rückläufigen Bestandsentwicklungen fi ndet, wo es bisher wegen der zusätzlichen quasi mit „Nachschub“ versorgen können Temperaturabsenkung durch die nächtliche (= Metapopulationsverbund), dürfte erheb- Verdunstungskälte für die ersten Stadien lichen Einfl uss auf den Ausbreitungserfolg dieser Art einfach zu kalt war. haben. Heute wie damals eilen viele Tiere Die fantastische Datengrundlage der Briten und Pfl anzen gewissermaßen den Folgen (die ihre Feldbiologen eher unterstützen als sich beständig ändernder Umweltbedingun- behindern und deshalb über eine sehr reiche gen hinterher. Wird es wärmer, folgen nicht Ausbeute an soliden Vergleichsdatensätzen nur Ausbreitungsschritte nach Norden und verfügen) erlaubte einem Autorenkollektiv in höhere Lagen, sondern jetzt können z. B. um RACHAEL HICKLING (HICKLING et al. bislang mikroklimatisch ungeeignete Bio- 2006) zu überprüfen, ob auch in anderen tope im alten Verbreitungsgebiet besiedelt systematischen Gruppen vergleichbare werden. Solche Prozesse konnten in den klimabedingte Reaktionen erkennbar sind. vergangenen Jahren mehrfach in Nord- Bei 16 systematischen Gruppen, von den westeuropa belegt werden. Diplopoden und Weberknechten bis zu den Der Zweibrütige Würfel-Dickkopffalter Wirbeltieren, lässt sich praktisch überall ein (Pyrgus armoricanus) besiedelt in Südschwe- gleichgerichteter Trend registrieren: Alle den steppenartige Halbtrockenrasen. Seine ziehen, unterschiedlich schnell, versteht sich, Raupen leben dort am Echten Mädesüß nach Norden und zu höheren Lagen hin um, (Filipendula vulgaris) und Sonnenröschen und quer durchs Tier- und Pfl anzenreich (Helianthemum nummularium), die beide we- zeigte sich auch hier, dass den Generalisten sentlich weiter nordwärts vorkommen als dieser Umzug deutlich besser gelingt als dem der Falter, weshalb angenommen wird, dass großen Heer der weniger anpassungsfreudi- mikroklimatische Faktoren bei der Larval- gen Spezialisten. Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge 15

10.3. Kolonisation und Extinktion Mooren mit offenen Wasserfl ächen oder großen Sphagnum- oder Polytrichum strictum- Das anfänglich oft individuenreiche Auf- Bulten. Zerfallen diese nach Änderungen treten einer Art in einem neu besiedelten im Wasserhaushalt oder in späten Sukzes- Landschaftsraum ist noch kein Garant für sionsstadien, nimmt die Populationsdichte ihre erfolgreiche Etablierung, denn der der Falter meistens rasch ab. Ansiedlungserfolg lässt sich oft erst nach Selbst bei manchen prominenten Vertre- Jahrzehnten beurteilen, wenn ein Neubürger tern unserer Tagfalter, deren ökologische in die Nahrungsnetze und das Konkurrenz- Ansprüche bislang als gut bekannt galten, gefüge vor Ort integriert ist. Das wohl pro- stehen wir bisweilen vor einem Rätsel: Die minenteste Beispiel der vergangenen Jahre Bestände des Schwarzen Apollo (Parnassius für eine anfänglich sehr individuenreiche mnemosyne) gehen im westskandinavischen Ansiedlung dürfte die Kastanienminier- Raum seit vielen Jahren deutlich zurück, motte (Cameraria ohridella) sein (Abb. 1.5). wohingegen einige Populationen in den Während ihr Siegeszug im Norden derzeit baltischen Ländern derzeit deutliche Be- noch ungebremst zu verlaufen scheint, gibt standszunahmen erfahren. An larvalen es aus dem mitteleuropäischen Raum bereits Nahrungspfl anzen mangelt es beiderseits Meldungen über Bestandsabnahmen und der Ostsee nicht, und auch die Palette der regional zunehmende Parasitierungsraten genutzten Biotope gibt keine erklärenden durch weit verbreitete polyphage Vertreter Hinweise auf Rückgang hier und Zunahme der Ichneumonoidea und Chalcidoidea dort. In Südschweden wurde in jüngerer Zeit (Schlupf- und Erzwespen) (GRABENWEGER & mit überschaubarem Erfolg in einem Ar- LETHMAYER 1999), die offenbar den Umgang tenhilfsprogramm versucht, lokalen Popu- mit der neuen Nahrungsressource zunächst lationsresten neue Saumstrukturen mit den lernen müssen. wichtigsten Nahrungspfl anzen der Imagines Zu den Verlierern fast einer jeden Verän- anzubieten (im Gebiet die Pechnelke, Lychnis derung gehören die in aller Regel wenig viscaria); die Populationen in den baltischen fl exiblen „konservativen Relikte“ früherer Ländern entwickeln sich prächtig auch ohne Gunstphasen, die ihre Spezialbiotope nur derartige Hilfen (BRATTSTRÖM et al. 2007). selten verlassen (TURLURE et al. 2010). „Progressive Relikte“ tun dies, sobald sich 10.4. Bedeutung verlängerter Diapausen z. B. die unmittelbare Umgebung zu ihren Gunsten ändert; die konservativen warten Nun kann ein warmer Sommer zwar einen gewissermaßen auf die nächste Warm- oder Schritt nach Norden bzw. in höhere Lagen Eiszeit und stehen deshalb auch auf den auslösen, bleibt aber in vielen Fällen ohne Verlustlisten des Klimawandels. Hierzu dauerhaften Erfolg, weil sich entweder zählen z. B. Arten, die nacheiszeitlich nur in „normalen“ Jahren die klimatischen an kühlfeuchten Standorten, so in Mooren, Standortfaktoren wieder ändern oder weil Schluchten oder an schattigen Nordhängen, keine überlebensfähigen Populationsgrößen überdauern konnten, hier in immer kleiner erreicht werden konnten. Gelingt es aller- werdenden Populationen gefangen sind und dings einem Teil der Ankömmlinge, neue, kaum noch auf Genfl uss hoffen dürfen. kürzere Ungunstphasen in einer Diapause Der an die Moosbeere (Vaccinium oxycoccus) zu überstehen, können selbst klimatische gebundene Hochmoor-Perlmutterfalter Anomalien den Ausbreitungsprozess stark (Boloria aquilonaris) ist so eine ausbreitungs- befl ügeln. schwache Reliktart. Die Larvalentwicklung Hierzu ein Beispiel aus dem Süden: Der verläuft im Norden am erfolgreichsten in Pinienprozessionsspinner (Thaumetopoea

Entomologie heute 24 (2012) 16 HARTMUT ROWECK pityocampa) entnadelt am Mittelmeer und in aus der Diapause locken, aber nie alle Vorderasien die Bestände diverser Kiefern- zugleich. Ein Teil der Population verharrt arten, seltener auch Lärchen. Die Larven sozusagen „sicherheitshalber“ in Wartepo- sind zwar winteraktiv, die Art gilt jedoch sition. Einige Tiere überliegen sogar bis zum als ausbreitungsbegrenzt durch episodische übernächsten Jahr und können so Ungunst- Temperaturstürze. Nun hat T. pityocampa in phasen, beispielsweise einem hohen Druck den Südalpen in den vergangenen 30 Jahren durch Parasiten, entgehen (RANDALL 1982, etwa 200 Höhenmeter dazu erobert, davon 1986). Ein ähnliches Verhalten zeigt der im Jahre 2003, dem vermutlich heißesten Wickler Cydia strobilella (Abb. 1.12), dessen Sommer der letzten 500 Jahre, allein 1/3 Larven sich in Fichtenzapfen entwickeln. Je- dieser Strecke. ANDREA BATTISTI hat diese der Sammler, der eingetragene Zapfen länger Ausbreitung verfolgt (BATTISTI et al. 2006) aufgehoben hat, weiß: Etwa eine Hälfte der und konnte im Experiment u. a. zeigen, Tiere schlüpft nach einer Überwinterung, dass die Flugbereitschaft der Weibchen stark die andere erst im Jahr darauf. temperaturabhängig ist, d. h. warme Nächte begünstigen deren Ausbreitung. Die auf 10.5. Verfügbarkeit von Wirtspfl anzen diesem Weg neu eroberten Höhenhabitate und Synchronisation der Entwick- können bei dieser Art nun deshalb auch lungsabläufe längerfristig gehalten werden, weil ein Teil der Puppen in einer 5-7-jährigen Diapause Bei der Verfügbarkeit geht es nicht nur verbringt und somit die Gründerpopulation, um das Vorkommen oder Fehlen larvaler zumindest während einiger Jahre, immer Nahrungspfl anzen, sondern auch um Än- wieder Nachschub erhält. derungen ihrer Vitalität, ihres phytophagen Ein mehrjähriges Raupenwachstum zählt Abwehrverhaltens und dergleichen. Viele auch zu den typischen Anpassungen an die Pfl anzen können dank ihres Beharrungs- kurzen Vegetationsperioden des Nordens, vermögens bei sich ändernden Standort- mithin auch ein Überwintern im Rau- verhältnissen zwar noch am Wuchsort penstadium. Als Rekordhalter unter den vorhanden sein, sind hier aber eben doch nordischen Schmetterlingsarten wird in der nicht mehr, oder nur sehr eingeschränkt, für Literatur oft die Lymantriide Gynaephora phytophage Organismen nutzbar. groenlandica genannt, mit einem unterstellten Wie zu erwarten belegen experimentelle Be- 14-jährigen Entwicklungszyklus; eine neuere funde, dass diejenigen Arten am wenigsten Untersuchung relativiert diesen Rekord al- von phänologischen Änderungen betroffen lerdings (MOREWOOD 1998) und macht aus sind, die keine sehr enge Synchronisation mit 14 nur noch ca. sieben Jahre mit fünf jeweils ihren Wirtspfl anzen zeigen. Folglich wird eine einjährigen Larvalstadien, eine immer noch Synchronisation der Entwicklungsabläufe beeindruckende Entwicklungszeit. umso bedeutsamer, je enger die Bindungen Auch kürzere Diapausen können große sind. Wie sehr der reproduktive Erfolg von Vorteile bringen. Gut untersucht ist z. B. einem jahreszeitlichen „Intaktbleiben“ mit den die Rolle der Diapause der Sackträgermotte larvalen Nahrungspfl anzen abhängen kann, Coleophora alticolella (Abb. 1.7), deren Raupen fällt besonders bei solchen Arten auf, die zu mit einer winterlichen Diapause an Binsen Massenvermehrung neigen und nicht nur in leben (BUTTERFIELD et al. 1999). Das Ende unseren Monokulturen, sondern auch in den dieser Ruhephase hängt von der Tageslänge relativ artenarmen Systemen extremer Klimate und dem Temperaturgeschehen ab; verän- entsprechende Spuren hinterlassen. dert man diese Parameter im Experiment, Im nördlichen Skandinavien haben sich, lassen sich jeweils unterschiedliche Anteile besonders stark im letzten Jahrzehnt, drei Zum Faunenwandel in Nordeuropa am Beispiel der Schmetterlinge 17

Spannerarten ausgebreitet, die in ganzen und zum anderen ist anzunehmen, dass vor Landstrichen die Moorbirken der subalpinen dem Hintergrund permanenter klimatischer Höhenstufe entblättern und bei anhalten- Änderungen solche Neujustierungen grund- dem Befall auch zum Absterben bringen sätzlich innerhalb weniger Generationen können. Bislang waren dies vor allem die möglich sein sollten. beiden zirkumpolar verbreiteten Spanner Operophtera brumata und Epirrita autumnata, 10.6. Anpassung der Entwicklungsab- die etwa einmal pro Dekade eine mehrjäh- läufe von Parasiten rige Massenentwicklung zeigen. 1997 trat im subarktischen Norwegen (JEPSEN et al. 2011) Temperaturänderungen führen natürlich erstmalig die eurasiatisch verbreitete Agriopis zu vielen Veränderungen in den Nahrungs- aurantiaria auf. Wie bei den zuvor genann- netzen und nicht alle Organismen können ten Spannern sind auch hier die Weibchen sich gleich schnell auf die neue Situation fl ugunfähig. Obwohl sich die Ausbreitung einstellen. KERSLAKE et al. (2009) fanden in also auf das Ballooning der jungen Larven Schottland bei Operophtera brumata entlang beschränkt, hat A. aurantiaria bereits 2004- eines Höhengradienten einen Parasitierungs- 2008 an einem Kahlfraß der Birken auf ca. grad durch Phobocampe neglecta (Ichneumoni- 10.000 km² erheblich mitgewirkt. dae) von 27 % in Meereshöhe, der bis auf Alle drei genannten Arten überwintern im 0 % in höheren Lagen zurückging. Sind Eistadium und ihre Raupen, die es auf das die Parasiten langsamer als ihre Wirte, sind junge Birkenlaub abgesehen haben, entwi- Massenentwicklungen auf Zeit eine ganz ckeln sich umso erfolgreicher, je besser sie natürliche Folge. mit dem Knospenaustrieb der Moorbirken Derzeit noch schwer absehbar sind die zu abgestimmt sind. Folglich können bereits erwartenden Folgen des CO2-Anstiegs. geringe phänologische Verschiebungen zu CO2 ist nicht nur in einem sich selbst auf- großen Veränderungen im Artengefüge schaukelnden Prozess der Erwärmung und führen. Untersuchungen aus Norwegen Freisetzung von Kohlenstoffquellen klima- (JEPSEN et al. 2011) zeigen, dass A. aurantiaria wirksam, sondern es beeinfl usst in vielen vom neuerdings früheren Knospenaustrieb Ökosystemen nachweislich die Produktivität der Birken im hohen Norden profitiert der Primärproduzenten. Daneben spielt es und dadurch einen klaren Entwicklungs- in der Insektenwelt bei vielen Feinabstim- vorsprung gegenüber den konkurrierenden mungen die Rolle des Taktgebers, so im Arten erhält. Auch O. brumata profi tiert im Zusammenspiel der Parasiten und Hyperpa- Norden vom früheren Knospenaustrieb der rasiten. Auch Schmetterlinge können selbst Birken (wenn auch weniger deutlich als A. geringste Konzentrationsschwankungen an aurantiaria), während von mitteleuropäischen Blattoberfl ächen erkennen und nutzen dies Beständen regional ein gegenläufi ger Trend z. B. bei der Eiablage oder zum Aufspüren und damit ein Zurückgehen der Bestände geeigneter Nahrungspfl anzen (ABRELL et berichtet wird. Hier wurde als Ursache al. 2005). die Vermutung geäußert, dass ein früherer Die hier beispielhaft genannten Effekte wer- Schlupftermin die bislang synchrone Ent- den nicht bei allen Arten zeitgleich sichtbar. wicklung von Pfl anze und Insekt aus dem Deutlicher ausgeprägt sind sie z. B. bei sich Takt bringt (VISSER & HOLLEMAN 2000). oberirdisch entwickelnden Arten als etwa Aber zum einen konnten BUSE & GOOD bei einigen Zünslerarten, deren erste Stadien (1996) experimentell zeigen, dass frühere geschützt im Bodenraum an Graswurzeln Schlupftermine durch verlängerte herbstli- leben. Bei solchen Arten beschränken sich che Diapausen ausgeglichen werden können, die Einfl üsse zunächst auf die Imagines und

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