Die Museen von Gigon/Guyer –

Studien zur schweizerischen Museumsbaukunst von 1989 bis 2008

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

vorgelegt von

Katharina Schumann aus Offenburg

WS 2013/2014

Erstgutacher/in: Prof. Dr. Heinfried Wischermann

Zweitgutachter/in: Prof. Dr. Wolfgang Stopfel

Vorsitzende/r des Promotionsausschusses der Gemeinsamen Kommission der Philologischen, Philosophischen und Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät: Prof. Dr. Bernd Kortmann

Datum der Fachprüfung im Promotionsfach: 23.06.2014

Danksagung

Mein Dank gilt Prof. Dr. Heinfried Wischermann für die Betreuung der Arbeit und seine intensive fachliche Unterstützung. Seine Lehre und sein Engagement für das Fach Kunstgeschichte haben mein Studium geprägt und bereichert. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Wolfgang Stopfel, der das Zweitgutachten erstellt hat.

Herzlich bedanke ich mich bei Annette Gigon für ihre Offenheit meinem Forschungsvorhaben gegenüber. Ihre Bereitschaft zu Interviews und die Erlaubnis Archivmaterialien einzusehen und zu veröffentlichen hat die vorliegende Arbeit sehr unterstützt.

Bedanken möchte ich mich ebenfalls bei den Museen und Institutionen, die mir den Zugang zu ihren Gebäuden und Archiven ermöglicht sowie Fotos für die Publikation der Arbeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben: das Büro Gigon/Guyer, die Galerie Henze & Ketterer in Wichtrach/Bern, der Espace de l`Art Concret in Mouans-Sartoux, das Kirchner Museum Davos, das Kunstmuseum Appenzell, das Kunstmuseum Basel, das Kunstmuseum Winterthur, das Museum und Park Kalkriese, die Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ Winterthur, das Schaulager Münchenstein/Basel, das Schmuckmuseum Pforzheim und das Zentrum Paul Klee in Bern.

Aus meinem persönlichen Kreis bedanke ich mich bei Dr. Meike Leyde für die fachlichen Diskussionen und den freundschaftlichen Austausch sowie bei allen, die zum Abschluss der Arbeit beigetragen und Zeit für Korrekturhilfe aufgebracht haben.

Danken möchte ich meinem Partner, der den Weg der Forschungen mitgegangen ist und mich darin unermüdlich bestärkt hat.

Abschließend danke ich meinen Eltern, die mein Studium und damit meine Dissertation erst ermöglicht haben. Ihnen widme ich diese Arbeit.

Katharina Schumann Die Museen von Gigon/Guyer – Studien zur schweizerischen Museumsbaukunst von 1989 bis 2008

Inhaltsverzeichnis

A. Dokumentation ...... 1

I. Literaturbericht und Aufgabenstellung ...... 1 II. Die Entwicklung der Museumsarchitektur in der Schweiz bis 1989 im Überblick ...... 12 III. Gigon/Guyer ...... 14 IV. Katalog der Museums- und Ausstellungsbauten ...... 16 1. Kirchner Museum Davos/Graubünden (1989, 1990-92) ...... 16 a) Literaturbericht ...... 16 b) Quellenbericht ...... 23 ba) Bildquellen ...... 23 bb) Textquellen ...... 25 c) Vorgeschichte ...... 26 d) Baubeschreibung ...... 27 da) Gesamtanlage ...... 27 db) Grundriss...... 28 dc) Aufriss ...... 29 dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume ...... 30 e) Planungs- und Baugeschichte ...... 31 2. Erweiterung Kunstmuseum Winterthur/Zürich (1993, 1994-95) ...... 35 a) Literaturbericht ...... 35 b) Quellenbericht ...... 39 ba) Bildquellen ...... 39 bb) Textquellen ...... 40 c) Vorgeschichte ...... 41 d) Baubeschreibung ...... 43 da) Gesamtanlage ...... 43 db) Grundriss...... 43 dc) Aufriss ...... 44 dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume ...... 45 e) Planungs- und Baugeschichte ...... 45

I

3. Erweiterung Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“, Winterthur/Zürich (1993, 1995-98) ...... 51 a) Literaturbericht ...... 51 b) Quellenbericht ...... 53 ba) Bildquellen ...... 53 bb) Textquellen ...... 54 c) Vorgeschichte ...... 55 d) Baubeschreibung ...... 56 da) Gesamtanlage ...... 56 db) Grundriss...... 56 dc) Aufriss ...... 57 dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume ...... 58 e) Planungs- und Baugeschichte ...... 59 4. Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell/Appenzell Innerrhoden (1996-98) ...... 64 a) Literaturbericht ...... 64 b) Quellenbericht ...... 69 ba) Bildquellen ...... 69 bb) Textquellen ...... 70 c) Vorgeschichte ...... 71 d) Baubeschreibung ...... 71 da) Gesamtanlage ...... 71 db) Grundriss...... 72 dc) Aufriss ...... 73 dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume ...... 74 e) Planungs-und Baugeschichte ...... 75 5. Museum und Park Kalkriese, Bramsche/Niedersachsen (1998, 1999-2002) ...... 78 a) Literaturbericht ...... 78 b) Quellenbericht ...... 82 ba) Bildquellen ...... 82 bb) Textquellen ...... 83 c) Vorgeschichte ...... 83 d) Beschreibung ...... 84 da) Gesamtanlage ...... 84 db) Konzeptionelle Idee ...... 85 II

dc) Beschreibung der Architekturen ...... 86 (1) Museum ...... 86 (1.1) Lage ...... 86 (1.2) Grundriss ...... 87 (1.3) Aufriss ...... 87 (1.4) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume ...... 89 (2) Pavillons ...... 89 (2.1) Pavillon ʺSehenʺ ...... 90 (2.2) Pavillon ʺHörenʺ ...... 90 (2.3) Pavillon ʺVerstehenʺ ...... 90 e) Planungs- und Baugeschichte ...... 91 6. Galerielager Henze & Ketterer, Wichtrach/Bern (2002-04) ...... 95 a) Literaturbericht ...... 95 b) Quellenbericht ...... 96 ba) Bildquellen ...... 96 bb) Textquellen ...... 97 c) Vorgeschichte ...... 97 d) Baubeschreibung ...... 98 da) Gesamtanlage ...... 98 db) Grundriss...... 98 dc) Aufriss ...... 99 dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume ...... 100 e) Planungs- und Baugeschichte ...... 100 7. Espace de l `art concret – Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux/Alpes- Maritimes (1999, 2001-03) ...... 105 a) Literaturbericht ...... 105 b) Quellenbericht ...... 108 ba) Bildquellen ...... 108 bb) Textquellen ...... 109 bc) Vorgeschichte ...... 110 d) Beschreibung ...... 111 da) Gesamtanlage ...... 111 db) Grundriss...... 112 dc) Aufriss ...... 112 dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume ...... 113

III

e) Planungs- und Baugeschichte ...... 114

B. Kunstgeschichtliche Fragen ...... 118

I. Typen- und motivgeschichtliche Fragen ...... 118 1. Industriearchitektur und Museumsbau ...... 118 2. Der monolithische Museumsbau ...... 129 3. Museumsbau auf Stützen ...... 141 4. Additives Kubenmuseum mit zentraler Erschließungshalle ...... 149 5. Museumsgelände mit Satellitenbauten ...... 153 6. Museum mit Turm ...... 158 7. Erweiterungsbauten – Pavillon-Typ, unterirdische Erweiterung und additiver Anbau ...... 168 8. Grundriss ...... 180 a) Parallele Raumfolgen mit längs- und querverbindenden Türdurchgängen ...... 180 b) Konzentrisch gruppierte Ausstellungsräume um eine zentrale Verteilerzone...... 187 c) Offener Raum mit flexibler Ausstellungsarchitektur...... 192 d) Spiralförmiger Gebäudeaufbau mit auskragenden Räumen ...... 194 9. Außenhaut ...... 201 a) „All-Over“ ...... 202 b) Künstliche Patina ...... 205 c) Sichtbarmachung des geschichteten Fassadenaufbaus ...... 209 d) Farbe ...... 212 10. Eingangssituation ...... 215 a) Eingang ...... 215 b) Eingangshalle ...... 217 11. Wegführung ...... 218 12. Ausstellungsraumformen ...... 221 a) Anlehnung an Galerieräume des 19. Jh.s ...... 221 b) „White Cube“ – der weiße Ausstellungsraum ...... 224 c) ʺRohbau und Ausbauʺ – Gegensatz zwischen Ausstellungssälen und Verkehrszone ...... 228 d) Ausstellungsräume mit Wohnraumatmosphäre ...... 230 13. Belichtung ...... 232 a) Oberlichthäuser mit Seitenlicht ...... 232 b) Sheddach ...... 233 c) Seitenlicht ...... 234 IV

d) Seitenlicht und „Dunkelmuseum“ ...... 235 14. Fenster ...... 237 a) Fenster und Fassade ...... 237 b) "Kastenfenster" und querrechteckiges "Kastenfenster"...... 239 II. Materialgeschichtliche Fragen ...... 242 1. Beton ...... 242 2. Glas ...... 246 3. Metall ...... 250 4. ʺArme Materialienʺ ...... 255 5. Den Gesamtbau umfassende Materialkonzepte ...... 261 III. Inhaltliche und funktionale Aspekte...... 264 1. Monographisches Museum ...... 264 2. ʺMuseum auf Zeitʺ – der ephemere Museumsbau ...... 269 3. ʺSchaffung eines Ortesʺ – Museumsarchitektur als Visualisierung eines immateriellen Ausstellungsthemas ...... 275 4. Das Galerielager Wichtrach als Ausstellungs- und Nutzbau ...... 281

C. Ideengeschichtliche Fragen ...... 283

I. Die Museen von Gigon/Guyer als Ausdruck der Vorstellung von Museumsarchitektur als neutraler Hülle für die Kunst ...... 283 II. Die Anpassung eines Baus an den Genius loci als ʺVerortungʺ durch Motiv-, Material- und Farbwahl ...... 287 III. Die ʺDNA der Aufgabeʺ als Ausgangspunkt des Entwurfs ...... 293

D. Katalog der Entwürfe aus Wettbewerben für Museen und Ausstellungsbauten ...... 297

1. Diözesanmuseum Kolumba, Köln (1997) ...... 297 2. Erweiterung Kunsthaus, Aarau/Aargau (1997) ...... 298 3. Kunsthalle Adolf Würth, Schwäbisch-Hall (1997) ...... 299 4. Kunstmuseum Vaduz/Liechtenstein (1997) ...... 299 5. Donaumuseum Linz (1998) ...... 300 6. Museum of World Culture, Göteborg (1998) ...... 300 7. Nelson-Atkins Museum, Kansas City/Missouri (1999) ...... 301 8. Verkehrshaus Luzern, Halle für Straßenverkehr (1999, 2005-09) ...... 301 9. Museum für Kunst und Design, Ingolstadt (2000) ...... 302 10. Umbau und Erweiterung Kunstmuseum Basel (2001, 2004-07) ...... 303 11. Erweiterung Museum Rietberg, Zürich (2002) ...... 304

V

12. „Expo“-Installation, Yverdon-les-Bains/Waadt und spätere Erweiterung der Halle für Luft- und Raumfahrt im Verkehrshaus der Schweiz, Luzern (2002) ...... 305 13. Nationalparkzentrum Zernez/Graubünden/Schweiz (2002) ...... 306 14. Wettbewerb „Sanierung und Erweiterung Schweizerisches Landesmuseum“, Zürich (2002) ...... 306 15. New Museum of Contemporary Art, New York (2003) ...... 307 16. Erweiterung Museum of Art, Tel Aviv (2003) ...... 308 17. Casa de la Historia, La Coruña/Galicien (2003) ...... 308 18. Museum Ritter Sport, Waldenbuch (2003) ...... 309 19. Westfälisches Landesmuseum, Münster (2005) ...... 311 20. Orange County Museum of Art, Los Angeles (2006) ...... 312 21. Kunst(zeug)haus, Rapperswil-Jona/St. Gallen (2006) ...... 313 22. Erweiterung Museum Folkwang, Essen (2007) ...... 313 23. Erweiterung Kunsthaus, Zürich (2008) ...... 314 24. Erweiterung Städel Museum, Frankfurt (2008) ...... 315 25. Munch Museum und Stenersen Museum, Oslo (2008-09) ...... 316

E. Quellen- und Literaturverzeichnis ...... 317

1. Quellen ...... 317 2. Interviews ...... 321 3. Literatur ...... 321 4. Internetrecherche ...... 365

Abbildungen

VI

A. Dokumentation I. Literaturbericht und Aufgabenstellung

Die Architekten Annette Gigon und Mike Guyer schufen viele Museen und Bauten zur Präsentation und Aufbewahrung von Kunst. Bereits das erste fertiggestellte Projekt des 1989 in Zürich gegründeten Büros, das Kirchner Museum Davos (1989, 1990-92), sorgte aufgrund seiner eigenständigen und herausragenden Architektursprache für große Aufmerksamkeit und machte Gigon/Guyer schlagartig im In- und Ausland bekannt. Auf das Kirchner Museum folgten weitere Bauten für die Kunst, denen weniger immer wiederkehrende Motive oder ein einheitlicher, erkennbarer Stil zugrunde lagen als das Verständnis von Museumsarchitektur als dienender, neutraler Hülle für die Kunst und als Ort der Wahrnehmung. Die Museen von Gigon/Guyer unterschieden sich damit wesentlich von den Positionen anderer Museumsarchitekten zur selben Zeit, die im musealen Gründungs- und Neubauboom der 1990er und 2000er Jahre in westlichen Industrienationen, aber auch als Prestige-Projekte in aufstrebenden, an Wohlstand und Industrialisierung anknüpfenden „take- off-countries“ weltweit gebaut wurden. Vorherrschend waren Museen, deren Architektur sich mit inszenatorischer Wucht vor die eigentliche Funktion des Gebäudes drängten und deren Architekten die Bauaufgabe dazu benutzten, Architektur als l`art pour l`art zu schaffen. Über die Museumsbauten von Gigon/Guyer wurde viel publiziert. Die Qualität der Veröffentlichungen weist ein breites Spektrum auf. Aufschlussreich sind die Schriften der Architekten selbst, Interviews, Ausstellungskataloge, einzelne Artikel in Fachzeitschriften und die wenigen monografischen Beiträge. Der weitaus größere Teil der Publikationen besteht aus beschreibenden Kurzartikeln in Architekturzeitschriften, die, einer Zeitungsmeldung gleich, ein fertiggestelltes Gebäude der Fachwelt vorstellen sollten, oder aus Bildbänden, die sich an ein breites Publikum wenden. Diese im allgemeinen Publikationsbetrieb über aktuelle Architektur entstehenden Artikel sind wichtige Multiplikatoren des aktuellen Bauschaffens. Zu einem wissenschaftlichen Diskurs tragen sie jedoch wenig bei. Ihre erste Ausstellung erhielten Gigon/Guyer 1993 in der Architekturgalerie Luzern. Die Aufmerksamkeit, die dem Bau des Kirchner Museums in der Fachwelt zuteil wurde, ist

1 am zugehörigen Katalog Werkstoff zu sehen.1 Das Museum nahm den größten Teil des Katalogs ein. Den Auftakt bildete ein Aufsatz des an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) lehrenden Architekten Arthur Rüegg.2 Ihm gelang es, den Museumsbau treffend zu charakterisieren. Er wies auf Motive und Stilphänomene hin und benannte architekturhistorische Ursprünge. Auch wenn er mögliche Vorbilder und Vordenker aufgrund der Kürze des Beitrages nur andiskutierte, hob er sich damit bereits im ersten Aufsatz zu einem Museum von Gigon/Guyer von den nachfolgenden Beiträgen anderer Autoren ab. Auf Rüeggs Aufsatz folgte ein kurzer Text von Bernhard Bürgi über die Innenräume. Er bezog Stellung zu der vieldiskutierten Frage der Eignung des Gebäudes zur Ausstellung des Expressionisten Kirchner.3 1994 wurde im Centre PasquArt in Biel eine Ausstellung zu Museumsarchitektur in der Schweiz gezeigt.4 Der Katalog ist die einzige monografische Publikation zu aktuellen Museen in der Schweiz. Erwähnt wurden das Kirchner Museum und die Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur, die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Entwurfsstadium befand. 1995 erschien im Themenheft Magie der Werkstoffe 2 der Zeitschrift Daidalos ein Interview von Annette Gigon und Mike Guyer durch Matthias Bräm.5 In Anknüpfung an die Ausstellung Werkstoffe äusserten sich die Architekten über Materialverwendung und damit verbundene konzeptuelle Ideen bei ihren bis dahin fertiggestellten Werken. Eine weitere aus den Veröffentlichungen zu Gigon/Guyer hervortretende Schrift war die Begleitpublikation zu einem Konstruktionsseminar an der ETH Zürich von Arthur Rüegg, Jürg Rehsteiner und Toni Wirth.6 In ihr wurden die unterschiedlichen Möglichkeiten des Fassadenaufbaus und der Formulierung der Fensteröffnungen anhand von Gigon/Guyer- Bauten aufgezeigt. Rüegg wies als erster Autor auf werkübergreifende Motive bei Gigon/Guyer hin. So bemerkte er die Verwendung von ʺarmen Materialienʺ, die realisierte

1 Architekturgalerie Luzern: Werkstoff – Annette Gigon – Mike Guyer (Kat. Architekturgalerie Luzern), Luzern 1995. 2 Arthur Rüegg: Abstrakt – vertraut – Zur Architektur des Kirchner Museums, in: Werkstoff – Annette Gigon – Mike Guyer (Kat. Architekturgalerie Luzern), Luzern 1995 (1. Aufl. 1993), 5-8. 3 Bernhard Bürgi: Kontrapositionen, in: Werkstoff – Annette Gigon – Mike Guyer (Kat. Architekturgalerie Luzern), Luzern 1995 (1. Aufl. 1993), 9-10. 4 Centre PasquArt Biel: Schweizer Kunstmuseen – Musées d`art en Suisse – Bauten und Projekte – Réalisation et projets (Kat. Centre PasquArt Biel), Biel 1994, 32-33, 34-35. 5 Matthias Bräm: Annette Gigon und Mike Guyer im Gespräch mit Matthias Bräm – Die Grammatik der Werkstoffe, in: Daidalos – Magie der Werkstoffe 2 [Sondernummer] (1995) 48-55. Das Gespräch wurde 2001 in Auszügen noch einmal publiziert: Matthias Bräm: Annette Gigon und Mike Guyer im Gespräch mit Matthias Bräm, in: Sturm der Ruhe – What is Architecture? (Kat. Architekturzentrum Wien), Salzburg 2001, 119-128. 6 Arthur Rüegg/Jürg Rehsteiner/Toni Wirth: Fenster – Fassade (Seminarpublikation Abteilung Architektur ETH Zürich), Buchs 1998. 2

Vielfalt des Fassadenaufbaus und der Öffnungen und eine Tendenz zur „Synthese von teils gegenläufigen Parametern“7, d.h. zum Gleichklang von scheinbar gegensätzlichen Motiven.8 Im Katalog einer Ausstellung in der Architectural Association in London wurden 1998 die zu diesem Zeitpunkt fertiggestellten Bauten in Davos und Winterthur erwähnt: das Kirchner Museum als Beispiel für die Verwendung von Beton als „main spacedefining material“9 und die Erweiterung in Winterthur im Zusammenhang mit dem Thema der sichtbar belassenen Fassadenschichten.10 Das Museum in Davos und die Erweiterung in Winterthur wurden 1999 in einen japanischen Führer zu moderner Architektur in Europa aufgenommen.11 Ebenfalls zwei Bauten, das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, in Appenzell und die Sammlung Oskar Reinhart (SOR) in Winterthur, wurden 1999 von Margit Ulama in einem Artikel besprochen. Sie sah in den Museen von Gigon/Guyer „richtungsweisende Zeichen“, die „sich von den großen rhetorischen Gesten der Museumsarchitektur der 80er Jahre“ distanzieren und die „über die vielfach durchgespielte Box, deren Oberfläche auf unterschiedliche Weise differenziert wird“12, hinausgehen. Dieselben Bauten kamen zudem in den Bildband mit der Auswahl 40 Architects under 40, der keine weiterführenden Diskussionsansätze brachte.13 2000 erschien die erste monographische Publikation zu Gigon/Guyer, die von Christoph Bürkle veröffentlicht wurde.14 Sie bestand aus einem Katalog der bis 2000 fertiggestellten Bauten, der Beschreibungen der Architekten selbst enthielt. Ergänzt wurde der Katalog durch drei Aufsätze. Christoph Bürkle schrieb über die Museen und ging dabei vor allem auf die Idee der dienenden Hülle ein, für die er als Vorbild Alfred Lichtwark und Künstler wie Donald Judd nannte.15 Zudem wies er auf Vorgänger dieser Haltung in der schweizerischen Museumslandschaft wie das Kunsthaus Zürich oder den Ausstellungsbau in Glarus hin.16 Martin Steinmann beschrieb Stilphänomene im Werk von Gigon/Guyer und verwies in Zusammenhang mit der Erweiterung in Winterthur auf die Verwendung

7 Arthur Rüegg: Fenster – Fassade, in: Arthur Rüegg/Jürg Rehsteiner/Toni Wirth (Hrsg.): Fenster – Fassade (Seminarpublikation Departement Architektur ETH Zürich), Buchs 1998, 9 [Rüegg 19981]. 8 Rüegg 19981, 5, 6, 9. 9 Peter Allison: Substantial and light, in: Beyond the minimal – Current practices 1 (Kat. Architectural Association London), London 1998, 14-33, 20. 10 Allison 1998, 20ff. 11 Masayuki Fuchigami: Europe – The Contemporary Architecture Guide 2, Tokyo 1999, 264-265, 270-271. 12 Margit Ulama: Minimalistische Expressivität, in: Architektur Aktuell 224/225 (1999) 54-63, 60. 13 Jessica Cargill Thompson: 40 Architects under 40, Köln 2000, 294-301, 306-307. 14 Christoph Bürkle: Gigon/Guyer Architekten – Arbeiten 1989 bis 2000, Zürich 2000 [Bürkle 20001]. 15 Christoph Bürkle: Sorgsamst einfach, sorgfältigst leer, in: Christoph Bürkle (Hrsg.): Gigon/Guyer Architekten – Arbeiten 1989 bis 2000, Zürich 2000, 100-111, 100ff. [Bürkle 20002]. 16 Bürkle 20002, 102. 3 gewöhnlicher Materialien, ohne dieses Thema in einen weiteren Kontext einzuordnen.17 Max Wechsler diskutierte verschiedene Themen wie die Nähe der Architektur zur Kunst oder die Verwendung des Materials Glas in Anlehnung an Bruno Tauts „Alpine Architekturen“ oder die künstliche Patinierung an der SOR.18 Seine Verweise in die Architekturgeschichte waren fundiert, eine strukturierte chronologische Untersuchung war sein Aufsatz jedoch nicht.19 Im selben Jahr erschien eine weitere monografische Publikation: eine dem Büro Gigon/Guyer gewidmete Ausgabe der spanischen Zeitschrift El Croquis.20 Sie beinhaltete ein Interview von Hubertus Adam und Wilfried Wang, einen einführenden Aufsatz von Wilfried Wang und einen Katalog der Bauten bis 2000, der sich vor allem durch seine qualitätvollen Fotografien auszeichnete.21 Das Interview hielt wesentliche Aussagen der Architekten zu Themen wie Gestaltfindung, Ideen und Konzeptionen, Materialität, Fassadenbehandlung und den Begriffen des Monoliths und des „All-Over“ fest.22 Wilfried Wang diskutierte den Stilbegriff des Minimalismus vor dem Hintergrund der Arbeiten von Gigon/Guyer, wobei er feststellte, dass sich in den Bauten eine „synthesis of […] paradoxical qualities“ zeige, die nur unter dem abgewandelten Begriff „variegated minimal“23 zusammengefasst werden könne. Ein Vortrag, den Annette Gigon und Mike Guyer an der Universität Michigan im Rahmen der Charles and Ray Eames Lectures hielten, wurde 2000 veröffentlicht.24 Inhaltlich für die vorliegende Arbeit von geringerer Bedeutung war die Erwähnung des Museums Liner und der SOR in einer Monografie zur Gartenarchitektur im öffentlichen Raum von Dieter Kienast.25 2001 erschien ein Ausstellungskatalog des Centre Culturel Suisse in Paris über aktuelle Architektur in der Schweiz.26 Darin erhielt das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, einen kurzen Katalogbeitrag, das Kirchner Museum wurde wegen seines

17 Martin Steinmann: Vermutungen zur Architektur von Gigon/Guyer, in: Christoph Bürkle (Hrsg.): Gigon/Guyer Architekten – Arbeiten 1989 bis 2000, Zürich 2000, 214-227, 221. 18 Max Wechsler: Schönheit darf sein – Architektur als visuelles Ereignis, in: Christoph Bürkle (Hrsg.): Gigon/Guyer Architekten – Arbeiten 1989 bis 2000, Zürich 2000, 360-370, 360, 363, 364. 19 Wechsler 2000, 362-365. 20 Themenheft: Annette Gigon – Mike Guyer – 1989-2000 – The variegated minimal – minimalismo multicolor, in: El Croquis 102 (2000). 21 Hubertus Adam/Wilfried Wang: A conversation with Annette Gigon and Mike Guyer – Normality and irritation – A paradox, in: El Croquis 102 (2000) 6-23; Wilfried Wang: Annette Gigon – Mike Guyer – 1989- 2000 – The variegated minimal, in: El Croquis 102 (2000) 24-35. 22 Adam/Wang 2000, 6-23. 23 Wang 2000, 24-35, 27. 24 Annette Gigon/Mike Guyer: Gigon/Guyer – The Charles and Ray Eames Lectures (Michigan Architecture Papers 8), Michigan 2000. 25 Dieter Kienast: Aussenräume – Open Spaces, Basel 2000, 226-229, 254. 26 Centre Culturel Suisse Paris/Jacques Lucan: Matière d`Art – Architecture contemporaine en Suisse – A matter of Art – Contemporary Architecture in Switzerland (Kat. Centre Culturel Suisse Paris), Basel 2001, 86-89, 126, 135. 4 klaren Grundrisses und die Erweiterung in Winterthur wegen ihrer Verwendung ʺgewöhnlicherʺ Materialien abgebildet, jedoch nicht besprochen. Ein Vortrag von Annette Gigon, in dem sie über die Museen in Davos, Winterthur, Appenzell und Kalkriese sprach, wurde 2001 gedruckt.27 Ihre Ausführungen veranschaulichten konzeptionelle Ideen zu Grund- und Aufrissbildung und den verwendeten Materialien. Einen weiteren Vortrag hielt die Architektin auf einer Tagung über den Wandel des Museumswesens im Musée d`Art et d`Histoire Genf, in dem sie ebenfalls auf die konzeptionellen Ideen der Museen einging.28 Anlässlich einer Ausstellung über Arne Jacobsen im Louisiana Museum in Humblebaek/Dänemark erschien die Publikation Gigon/Guyer: seen by Kjeld Vindum, in der neben Fotos von Gebäuden von Gigon/Guyer auch ein Gespräch mit Arthur Rüegg und dem Architekten und Redakteur Kjeld Vindum abgedruckt wurde.29 Kjeld Vindum knüpfte Verbindungen zwischen Gigon/Guyer und Arne Jacobsen – die Nähe zu Landschaft, Klima und Wetter – und nannte stilistische Merkmale wie die Beschreibung der Bauten als „rock- face-like“ oder „cloud-like“30. Annette Gigon bekräftigte seine Ansätze, bemerkte jedoch, dass Arne Jacobsen ihr nicht als direktes Vorbild diente, schon allein aufgrund der spärlichen Publikation seines Werks im deutschsprachigen Raum. Weitere Themen waren die Betonung der Fensterrahmungen und regionale Bezüge. Eine zweite Publikation im Zusammenhang mit der Schau im Louisiana Museum war der Ausstellungskatalog, in dem Christoffer Harlang über verschiedene Bauten von Gigon/Guyer, u.a. über das Kirchner Museum, die Erweiterung in Winterthur und das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, schrieb.31 Er versuchte ebenfalls, Zusammenhänge zu Arne Jacobsen aufzuzeigen, zitierte eine Aussage von Gigon/Guyer aus den Charles and Ray Eames Lectures („the main theme of architecture is always the same – it is its use“32) und betonte „refreshing sobriety, calmness and […] poetic strength“33 sowie der Dialog mit den ausgestellten Werken seien die Charakteristika ihrer Museen.34

27 Annette Gigon: Concepts into matter – Matter into architecture, in: Architecture in the year zero – Alvar Aalto Symposium Jyväskylä Finland, Helsinki 2001, 82-97. 28 Annette Gigon: Construire pour l`art, in: Musées en mutation – Actes du colloque international tenu au Musée d`art et d`histoire de Genève, Genf 2002, 39-52 [Gigon 20021]. 29 Annette Gigon/Mike Guyer/Kjeld Vindum: Gigon/Guyer seen by Kjeld Vindum – On the occasion of the exhibition Arne Jacobsen Absolutely Modern at Louisiana Museum of Modern Art, Verona 2002. 30 Gigon/Guyer/Vindum 2002, ohne Paginierung. 31 Christoffer Harlang: In a silent way – The Architects Gigon/Guyer, Switzerland, in: Louisiana Museum of Modern Art (Hrsg.): Arne Jacobsen – Absolutely Modern (Kat. Louisiana Museum of Modern Art Humblebaek), Esbjerg 2002, 82-85. 32 Harlang 2002, 82. 33 Harlang 2002, 83. 34 Harlang 2002, 84. 5

Annette Gigon fasste 2002 wiederholt in einer Aufsatzsammlung zur Kunst des Ausstellens ihre Auffassung angemessener Museumsräume am Beispiel des Kirchner Museums, der Erweiterung Winterthur, des Museums Liner, der SOR und des Museums und Parks Kalkriese zusammen.35 Hervorgehoben wurden wiederum die Suche nach einer projektbezogenen optimalen Raumlösung und die Haltung einer zurücktretenden, nicht in Konkurrenz zu den ausgestellten Werken stehenden Architektur. In der Reihe De aedibus veröffentlichte Hans Wirz 2004 einen Band über Entwürfe von Gigon/Guyer. Für den Bereich der Museumsarchitektur waren im Katalog der Entwurf für die Erweiterung des Kunstmuseums Basel, die „Expo“-Installation für Yverdon-les-Bains und eine Erweiterung des Verkehrshauses Luzern, der Anbau an das Museum Rietberg in Zürich, das Nationalparkzentrum Zernez, der Entwurf für das Museum of Contemporary Art in New York und die Casa de la Historia in La Coruña vertreten.36 Ein einleitender Text von Hubertus Adam stellte die Entwürfe vor.37 2006 verfasste Verena Schindler einen Artikel über die Farbverwendung und Zusammenarbeit mit Künstlern im Werk von Gigon/Guyer, der in der chinesischen Zeitschrift Shijie-jianzhu - World Architecture veröffentlicht wurde.38 Die Autorin würdigte die vielschichtigen Funktionen von Farbe an den Bauten von Gigon/Guyer, auf die Museen kam sie dabei nicht zu sprechen.39 Eine kurze Vorstellung des Büros Gigon/Guyer erschien ebenfalls 2006 in der japanischen Architecture & Urbanism.40 Sie ist in Wir-Form verfasst und scheint daher von den Architekten selbst zu stammen. Eine wissenschaftlich nicht relevante Erwähnung des Museums Liner und des Galerielagers Wichtrach in einem Architekturführer folgte 2007.41 Eine ungewöhnliche Verknüpfung zwischen Kochen und Architektur versuchte die Publikation Der Architekt, der Koch und der gute Geschmack, die ein Gespräch von Petra Hagen Hodgson mit Annette Gigon beinhaltete.42 Die ungewöhnliche Themenstellung führte zu aufschlussreichen Äusserungen vor allem über den Einsatz von Materialien. Die

35 Annette Gigon: Zugunsten der Wahrnehmung, in: Hans Dieter Huber/Hubert Locher/Karin Schulte (Hrsg.): Kunst des Ausstellens – Beiträge – Statements – Diskussionen, Ostfildern-Ruit 2002, 115-128 [Gigon 20022]. 36 Heinz Wirz: Projekte Gigon/Guyer (De aedibus 7), Luzern 2004, 18f., 26f., 38f., 42f., 52f, 58f. 37 Hubertus Adam: Transformationen, Filiationen – Einblicke in das Ideenlabor von Gigon/Guyer, in: Projekte Gigon/Guyer (De Aedibus 7), Luzern 2004, 8-13 [Adam 20043]. 38 Verena M. Schindler: Surface – Architecture`s expanded field, in: Shijie-jianzhu – WA – World Architecture 12 (2006) 26-29. 39 Schindler 2006, 27f. 40 A.A.: Annette Gigon/Mike Guyer Architects – Zürich – Switzerland, in: A & U – Architecture & Urbanism 424 (2006) 138-140. 41 Joachim Fischer: Architektur neue Schweiz, Berlin 2007, 86, 128. 42 Petra Hagen Hodgson: Werkstoffe – Farbstoffe – Annette Gigon im Gespräch mit Petra Hagen Hodgson, in: Petra Hagen Hodgson/Rolf Toyka (Hrsg.): Der Architekt, der Koch und der gute Geschmack, Basel 2007, 38-49. 6 konzeptuellen Ideen und die unterschiedliche praktische Verwendung der Baustoffe, die sich immer aus der individuellen Bauaufgabe ergab, wurden am Beispiel des Kirchner Museums, der SOR, der Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur und des Archäologischen Museums Kalkriese thematisiert.43 Die Ausführungen von Annette Gigon über den Ortsbezug werden im Kapitel C. II. zitiert.44 Eine weitere El Croquis-Ausgabe über Gigon/Guyer erschien 2008.45 Entsprechend zum Heft aus dem Jahr 2000 wurden die späteren Bauten und Projekte in kurzen Beschreibungen vorgestellt. Neben dem Katalogteil beinhaltet der Band ein weiteres Gespräch der Architekten mit Hubertus Adam und Stanislaus von Moos.46 Gegenstand des Gesprächs waren das Wachstum ihres Büros, Entwurfsprozesse und die Arbeitsweise bei der Entwicklung von Projekten, die Zusammenarbeit mit Künstlern und der Beitrag von Gigon/Guyer zu städebaulichen Veränderungen in Zürich. Eingegangen wurde dabei vor allem auf die zu dieser Zeit im Bau befindlichen Wohn- und Bürobauten wie den zentralen Auftrag des Büroturms Prime Tower in Zürich. Für die vorliegende Arbeit weniger relevante Erwähnungen gab es 2008 und 2009 in einem Atlas of 21th Century World Architecture (Sammlung Albers-Honegger und Galerielager) und einem Bildband zu aktueller Architektur in der Schweiz (Kirchner und Liner Museum).47 2010 erschien erneut ein Interview mit Annette Gigon und Mike Guyer von Christoph Bürkle. Für die vorliegende Arbeit sind die Aussagen über Farbanwendung und über ihre Herangehensweise an eine Bauaufgabe informativ: Für jeden Entwurf solle ein eigenes Konzept, die „DNA“48 der Aufgabe, gefunden werden. Christoph Baumberger diskutierte im selben Jahr in einem Aufsatz den Funktionsbegriff am Beispiel von Museen. Er zählte „Teilfunktionen“49 von Museen auf und

43 Hagen Hodgson 2007, 39ff. 44 Hagen Hodgson 2007, 40. 45 Themenheft: Gigon/Guyer – 2001-2008 – The everyday and its reinvention – reiventar lo cotidiano, in: El Croquis 143 (2008). 46 Hubertus Adam/Stanislaus von Moos: A conversation with Annette Gigon and Mike Guyer – Shifting between extremes, in: El Croquis 143 (2008) 6-23. 47 Hamish Muir: The Phaidon Atlas of 21th Century World Architecture, London 2008, 367, 451; Gianluca Gelmini: Architettura Contemporanea – Svizzera, Mailand 2009, 34-35, 62-63. 48 Christoph Bürkle: Gigon/Guyer – Wege zur Architektur, in: Archithese 6 (2010) 94-99. Das Interview wurde 2011 noch einmal publiziert: Christoph Bürkle: Gigon/Guyer – Wege zur Architektur, in: Marc Angelil/Jørg Himmelreich (Hrsg.): Architekturdialoge - Positionen – Projekte – Visionen – Architecture Dialogues – Positions – Concepts – Visions, Zürich 2011, 222-239. 49 Christoph Baumberger: Kunst aktiviert Kunst – Ein Framework für eine funktionale Analyse der Museumsarchitektur, in: Jakob Steinbrenner/Julian Nida-Rümelin (Hrsg.): Kontextarchitektur (Kunst und Philosophie 2), Ostfildern-Ruit [2010], 49-76; online publiziert mit abweichender Paginierung: http://www.envphil.ethz.ch/people/baumc/publications/Baumberger_Kunst_aktiviert_Kunst_fin.ohne_Bilder.pdf [Stand 16. August 2013]. 7 ging auf die Frage des Verhältnisses von Kunstwerk und Ausstellungsraum ein. Das Kirchner Museum nannte er als Beispiel für neutrale Räume.50 Zudem schrieb er über „symbolische Funktionen“51, womit er eine Verbildlichung eines mit dem Museumsbau verknüpften Themas meinte. Die symbolische Funktion der Sheds des Museums Liner sei etwa ein Verweis auf Industriearchitektur.52 Sein Artikel war ein interessanter Beitrag, obwohl er nicht chronologisch und strukturiert vorging und auch nicht auf die Frage einging, wann, wie und warum sich der Funktionsbegriff im Verlauf der Architekturgeschichte wandelte.53 Ein weiteres Interview mit Anntte Gigon und Mike Guyer wurde 2010 im schweizer Immobilien-Magazin Bilanz Homes publiziert. Die Architekten sprachen darin über die Vielfalt der von ihnen realisierten Bauten und betonten, sie hätten sich nie bewusst einem „Bürostil“54 verschrieben. Meike Leyde publizierte 2011 ihre Dissertation über die Museen von Wim Quist. Sie erwähnte mehrere Bauten von Gigon/Guyer: das Kirchner Museum und die Erweiterung in Winterthur als Beispiele für weiße, neutrale Ausstellungskuben und das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, unter dem Aspekt der „edlen Kunst Garage“55, die sie durch die Verbindung von Industriearchitektur-Motiven und hochwertigen Materialien verwirklicht sah. Zudem untersuchte sie die Einfärbung von Beton durch Zuschlagstoffe und erwähnte dabei die Erweiterung der SOR.56 Ihre Ausführungen zu Beton in der Museumsarchitektur werden in Kapitel B. II. 1. aufgeführt.57 2011 veröffentlichte Niklas Singstedt ein Gespräch mit Annette Gigon in der Zeitschrift des Architekturmuseums Stockholm.58 Thematisiert wurden wieder ihre Arbeitsweise und die Idee eines auf das Wesentliche reduzierten Ausstellungsraums. Eine weitere Monografie über die Bauten und Entwürfe der Jahre 2001 bis 2011 mit kommentierenden Aufsätzen und einem Katalogteil, dieses Mal von den Architekten selbst geschrieben, erschien 2012.59 Gerhard Mack verfasste einen einführenden Aufsatz zu den

50 Baumberger [2010], 9 [Onlinepublikation]. 51 Baumberger [2010], 15 [Onlinepublikation]. 52 Baumberger [2010], 15 [Onlinepublikation]. 53 Zu diesem Thema vgl.: Ute Poerschke: Funktion als Gestaltungsbegriff – Eine Untersuchung des Funktionsbegriffs in architekturhistorischen Texten, Diss. Cottbus 2005; online publiziert: http://www.irb.fraunhofer.de/bauforschung/baufolit.jsp?s=Gestaltungsbegriff [Stand 16. August 2013]. 54 Mirko Beetschen: Mal laut – mal leis – Interview mit Annette Gigon und Mike Guyer, in: Bilanz Homes 4 (2010) 46-50, 50. 55 Meike Leyde: Die Museen von Wim Quist – Museumsarchitektur der Niederlande seit 1970 (Diss. Freiburg 2007), Berlin 2011, 71, 207. 56 Leyde 2011, 168. 57 Leyde 2011, 166f. 58 Niklas Singstedt: Att bygga är att förstå världen – Intervju Annette Gigon – Gigon/Guyer, in: Rum 1 (2011), 71-74; online publiziert ohne Paginierung: http://www.niklassingstedt.se/?p=261 [Stand 16. August 2013]. 59 Annette Gigon/Mike Guyer: Gigon/Guyer Architekten – Arbeiten 2001-2011, Baden 2012. 8

Ausstellungsbauten, in dem er verbindende Merkmale wie das Konzept der neutralen Ausstellungsräume, die Verwendung industrieller Materialien, die Behandlung der Fassaden, aber auch in der bisherigen Literatur noch nicht erwähnte Themen wie die Eingänge besprach.60 Aufgrund der Kürze des Artikels und der großen Anzahl besprochener Bauten und Motive blieb sein Beitrag ein Überblick. Singulär waren seine Feststellungen, die Museen von Gigon/Guyer hätten aufgrund ihres „selbstverständlichen, alltäglichen Ausdrucks“ den Charakter von „Pavillons“61, und sein Hinweis, dass einige Museen nach dem „Prinzip der Stadt aus Straßen, Plätzen und Häusern“62 entworfen seien (Entwurf Munch Museum und Stenersen Museum). Arthur Rüegg ergänzte die Publikation mit einem Beitrag über Um- und Anbauten, in dem er auf das Kirchner Museum einging und auch die „Begabung“ von Annette Gigon und Mike Guyer würdigte, bestehende Bauten einer „phänomenologischen Analyse“ zu unterziehen und „räumliche Potentiale“63 für Um- und Anbauten zu finden.64 Eine monographische Untersuchung des gesamten Werks oder nur der Museen von Gigon/Guyer liegt nicht vor. Die Monografien und die beiden Ausgaben von El Croquis bringen zwar ein chronologischer Werkkatalog, Entwicklungsstufen der Projekte und fallengelassene Entwurfsideen werden in ihnen jedoch nicht dokumentiert. Benannt wurden von den meisten Autoren zwar charakteristische Merkmale der Bauten von Gigon/Guyer, eine architekturhistorische Untersuchung der in den Museen verwirklichten Typen und Motive wurde bisher jedoch noch nicht versucht. Die von Arthur Rüegg, Christoph Bürkle, Max Wechsler, Kjeld Vindum, Christoffer Harlang und Gerhard Mack vorgebrachten Verweise auf

60 Gerhard Mack: Leichte Verschiebungen - Vorsichtige Öffnungen, in: Annette Gigon/Mike Guyer (Hrsg.): Gigon/Guyer Architekten – Arbeiten 2001-2011, Baden 2012, 13-33, 14, 16, 18. 61 Mack 2012, 15. 62 Mack 2012, 24. 63 Arthur Rüegg: Laut und leise – Zu einigen Umbauten von Gigon/Guyer, in: Annette Gigon/Mike Guyer (Hrsg.): Gigon/Guyer Architekten – Arbeiten 2001-2011, Baden 2012, 305-317, 308. 64 Folgende Publikationen waren nicht erhältlich oder unter den zugänglichen bibliografischen Angaben nicht auffindbar. Die bibliografischen Angaben konnten nicht verifiziert werden: A.A.: Kirchner Museum Davos – Annette Gigon + Mike Guyer, in: Architekten magasin 25 (1996) 6-7; Elena Cardani: Metafisico minimale, in: L`Arca 142 (1999) 36-41; A.A.: Museum Liner, in: IN-EX 1 (1999) 220-227; Charles Rattray/Graeme Hutton: Concepts and material associations in the work of Gigon/Guyer, in: Arq 1 (2000) 16-31; Sylvain Malfroy: Musée Kirchner, Lausanne 2000; A.A.: Museum Ingoldstadt, in: Arquitectura Viva 77 (2001) 26-30; A.A.: Museumserweiterung Winterthur, in: Architects`Edition 20 (2001) 70-71; A.A.: Parque museo Kalkriese, in: Arquitectura Viva 89 (2001) 78-84; A.A.: Baukultur – Präsentation der Preise in der Baukultur, Stuttgart 2003; A.A.: Schutzschild gegen das Vergessen, in: Steeldoc 3 (2005) 16-30; Rahel Hartmann Schweizer: An der Oberfläche, in: tec21 [Beilage zum Heft] 3/4 (2006) 8; A.A.: Tre progetti dello studio Gigon/Guyer, in: Metamorfosi – quaderni di architettura 63 (2006) 44-55; A.A.: Titel unbekannt [Galerielager Wichtrach], in: Interior Architecture of China (Januar 2008) 162-173; Peter Becker: Ort eines nationalen Mythos, in: Stahlreport (September 2010) 44-45; Antonio de Rossi/Roberto Dini: Architettura alpina contemporanea, in: Quaderni di cultura alpina [Nr. unbekannt] (2012) 39, 82, 91; Astrid Heinrich: Mit dem Kirchner Museum konnten wir ein neues Vokabular bewirken, in: Snowtimes [Nr. unbekannt] (2013) 50-52. 9

Vorbilder waren nur Ansätze einer Einordnung, die aufgrund ihrer nur vereinzelt genannten Vergleiche keine Rückschlüsse auf eine Entwicklungslinie zuliessen.65 Sehr verwunderlich ist es, dass es bisher keinen befriedigenden Überblick über die Museumsarchitektur der Schweiz gibt, in die die Bauten von Gigon/Guyer eingeordnet werden könnten. Der insgesamt 53 Seiten umfassende Katalog des Centre PaquArt kam über eine Zusammenstellung von Projektbeschreibungen nicht hinaus.66 Noch mehr erstaunt es, dass sogar, wie in Kapitel A. II. deutlich wird, die Museen der Schweiz des 19. und frühen 20. Jh.s bis auf ein kurzes Kapitel in der Kunstgeschichte der Schweiz von Adolf Reinle, ein Überblickswerk und einen Aufsatz von Marcus Casutt nicht ausreichend architekturhistorisch erforscht sind.67 Eine kurze Zusammenfassung zur Museumsarchitektur in der Schweiz bis 1989 mit Verweisen auf die vorhandene Sekundärliteratur folgt daher auf den Literaturbericht. Sie kann die Forschungslücke jedoch nicht schließen. In der vorliegenden Arbeit soll zunächst eine umfassende Dokumentation der fertiggestellten Museums- und Ausstellungsbauten und der Entwürfe aus Wettbewerben von Gigon/Guyer bis 2008 vorgelegt werden, die auch den Entwurfsprozess und verworfene Zwischenstadien mit einschließt.68 Behandelt werden das Kirchner Museum in Davos, die Erweiterungen des Kunstmuseums und der Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur, das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, in Appenzell, das Museum und Park Kalkriese bei Bramsche, das Galerielager Henze & Ketterer in Wichtrach/Bern und die Donation Albers-Honegger in Mouans-Sartoux/Alpes-Maritimes. In einem Katalog werden zudem Entwürfe aus Wettbewerben bis 2008 aufgeführt.69 Aufgrund der großzügigen Unterstützung durch die Architekten Annette Gigon und Mike Guyer konnte umfangreiches, bisher unveröffentlichtes Quellenmaterial wie Skizzen und Modelle im Archiv des Büros eingesehen und ausgewertet werden. Eine Auswahl des eingesehenen Quellenmaterials, der Skizzen und Modelle wird in der vorliegenden Arbeit gezeigt. In mehreren Gesprächen mit Annette Gigon erhielt die Verfasserin tiefergehende Informationen zu den Projekten. Auch in den Archiven der behandelten Museen selbst und in der Galerie Henze & Ketterer war es

65 Rüegg 1995, 5-7; Bürkle 20002, 100-102; Wechsler 2000, 362, 363, 364, 365; Gigon/Guyer/Vindum 2002, ohne Paginierung; Harlang 2002, 83, 85; Mack 2012, 13, 23. 66 PasquArt 1994. 67 Adolf Reinle: Kunstgeschichte der Schweiz 4 – Die Kunst des 19. Jarhunderts – Architektur – Malerei – Plastik, Frauenfeld 1962, 91-94; Niklaus Flüeler: Museen der Schweiz, Zürich 1981; Marcus Casutt: Bundesstaat – Bundesstadt und die Berner Museen – Zur Schweizer Museumsarchitektur 1820-1920, in: Georges-Bloch- Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich 5 (1998) 77-105. 68 Die Umbauten im Kunstmuseum Basel werden als Umstrukturierung von Bestandsgebäuden nicht als eigenständiger Museumsbau behandelt und im Zusammenhang mit den verworfenen Planungen zu einem Erweiterungspavillon in Kapitel D. 10. aufgeführt. 69 Nicht aufgenommen werden konnte der Entwurf für das Fuglsang Museum/Toreby/Dänemark (2005). Es waren keine ausreichenden Informationen erhältlich. 10 möglich, Quellen einzusehen. Aus der großen Zahl der Quellen werden die relevanten Beispiele im Katalog der behandelten Bauten beschrieben und abgebildet. In den Literaturberichten zu den untersuchten Bauten wird auf offene Fragen hingewiesen. Auf der Grundlage dieser detaillierten Forschungsberichte und meiner Dokumentationen der Bauwerke werden im Teil B der Arbeit charakteristische Merkmale der Museen von Gigon/Guyer typen- und motivgeschichtlich untersucht. Aus der Vielzahl der möglichen Fragestellungen wurden die Aspekte ausgewählt, die zum Verständnis des vielfältigen und motivisch nicht leicht fassbaren Museums-Oeuvres der Züricher Architekten beitragen. Mehrere Typen und Motive berühren hochaktuelle Themen des Architekturschaffens: Hierzu gehören die monolithische Architektur, die Frage nach der Behandlung und Funktion der Außenhaut und die künstliche Patinierung. Als museumsspezifische Punkte werden u.a. die Nähe zur Industriearchitektur, die Funktionen von Türmen im Museumsbau, Fragen des Grundrisses und der Wegführung sowie Konzepte der Raumausstattung und Belichtung diskutiert und der Versuch einer Einordnung unternommen. Die differenzierte Materialverwendung im Werk von Annette Gigon und Mike Guyer machte eine materialgeschichtliche Untersuchung in Teil B. II. unverzichtbar. Auch hier wird ein bisher kaum behandeltes Thema vorgestellt: die Verwendung ʺarmer Materialienʺ in der Museumsarchitektur. Inhaltliche und funktionale Fragen – wie der ephemere Museumsbau – werden in Kapitel B. III. kunsthistorisch untersucht. Zum Verständnis des abstrahierten Konzepts des Museums und Parks Kalkriese trägt die Untersuchung zur Visualisierung von Inhalten in der Museumsarchitektur bei. Abschließend folgt eine Diskussion der ideengeschichtlichen Fragestellungen, die den behandelten Bauten zugrunde liegen. Ausgewählt wurden Ideen, die auf möglichst mehrere Museen und Entwürfe zutreffen und damit zentrale Konzepte im Oeuvre von Gigon/Guyer sind. Der Umfang der Arbeit zwang dazu, einige Punkte unberücksichtigt zu lassen. Nicht in die Untersuchung einbezogen werden konnten die nach 2008 vollendeten Museen und Entwürfe des Büros Gigon/Guyer. Auch Aspekte wie vertikal organisierte Museen und stilgeschichtliche Fragen nach einer ʺtextilen Architekturʺ sowie eine Diskussion des Schlagworts Minimalismus wurden nicht behandelt.

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II. Die Entwicklung der Museumsarchitektur in der Schweiz bis 1989 im Überblick

Ausgangspunkt des Museumswesens in der Schweiz waren bürgerliche, nicht fürstliche Kunst- und Kuriositätensammlungen des 16. und beginnenden 17. Jh.s.70 Die bemerkenswerteste war die des Basilius Amerbach (1534-91), die mit ihrem durch die Nachlässe des Erasmus von Rotterdam (um 1466-1536) u.a. gewachsenen Bestand an Bildern, Grafiken, Münzen und Naturalien den Grundstock für die städtischen Sammlungen Basels bildete. 1661 kaufte die Stadt Basel die Sammlung Amerbach und machte sie bereits 1671 zusammen mit der Bibliothek der Universität öffentlich zugänglich.71 Kleinere Kunstkammern mit unterschiedlichen Sammlungsprovenienzen entstanden im Anschluss an Bibliotheken (Beispiele in Bern, Genf, Winterthur), in die auch aus den reformierten Kirchen entfernte Ausstattung aufgenommen wurde.72 Mit der Entdeckung der Alpen als Natur- und Forschungsraum (ab der 2. H. des 17. Jh.s) und der Aufklärung erlebten die Naturaliensammlungen im 18. Jh. eine Blütezeit.73 Im Bereich der Kunst blieben private, eher kleine Sammlungen und später lokale Kunstvereine bestimmend.74 Das erste öffentliche Kunstmuseum entstand mit dem Musée Rath (1824, Samuel Vaucher) in Genf, 1841 folgte das Musée Arlaud in Lausanne/Waadt (1836-39, Louis Wenger).75 Beide Bauten sind repäsentative Museen mit mittenbetonten Fassaden, wobei das Musée Rath mit seiner Tempelportikus in Kolossalordnung weitaus monumentaler ausfiel. In der Deutschschweiz wurde 1877 das erste Kunstmuseum in St. Gallen (Johann Christoph Kunkler) gegründet, das eine in Zonen aufgeteilte, eher zurückhaltend dekorierte Neo-Renaissance-Fassade erhielt].76

70 Literatur zur Museumsarchitektur in der Schweiz: Florens Deuchler: Sammler – Sammlungen und Museen, in: Niklaus Flüeler (Hrsg.): Museen der Schweiz, Zürich 1981, 8-37, 12, 14; Bernhard Zumthor: Museumsbauten und Museumsarchitektur – Schweizerische Museumsarchitektur oder Architektur der Schweizer Museen?, in: Niklaus Flüeler (Hrsg.): Museen der Schweiz, Zürich 1981, 38-62; Centre PasquArt Biel 1994; Lutz Windhöfel: Tradition und Moderne im Museumsbau, in: Schweizerische Technische Zeitschrift 2 (1996) 41-43; Christoph Bürkle: Kunst im Bau – Die Entstehung einer elementaren Tradition, in: Archithese 5 (1998) 14-17; Casutt 1998, 77-105. 71 Deuchler (1981, 12, 13) nennt weitere bürgerliche Kunst-, Naturalien- und Raritätenkabinette der Schweiz. 72 Deuchler 1981, 14f. 73 Deuchler 1981, 16. S. auch: Simona Boscani Leoni: Wissenschaft – Berge – Ideologien – Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) und die frühneuzeitliche Naturforschung, Basel 2010. 74 Deuchler 1981, 19f. 75 Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte: Kunstführer durch die Schweiz 2, Zürich 19765, 113; Erik Forssman: Das klassische Museum, in: Architektenkammer Baden-Württemberg Kammerbezirk Freiburg – Kunstwissenschaftliche Gesellschaft Freiburg (Hrsg.): Neue Museumsarchitektur (Freiburger Manuskripte 1), Freiburg 1986, 45; Casutt 1998, 80. 76 Reinle 1962, 92; Deuchler 1981, 22; Internetseite http://www.stadt.sg.ch/home/freizeit-tourismus/kultur- unterhaltung/museen-ausstellungen.html [Stand 5. Oktober 2013]. 12

Wesentlichen Einfluss nahmen auch die Künstlergesellschaften, die zum Austausch und zur Organisation von Ausstellungen entstanden: 1787 in Zürich, 1812 in Basel und 1813 in Bern.77 Eine weitere große Rolle in der Entwicklung der Museumslandschaft kam Stiftungen und Mäzenen zu. So entstand 1877-1884 beispielsweise das Musée Ariana in Genf durch eine Schenkung von Gustave Revilliod, der auch die Pläne für das Gebäude lieferte.78 1892-98 wurde das Schweizerische Landesmuseum Zürich (Gustav Gull) als zentrales kulturhistorisches Museum des jungen Nationalstaats eingerichtet. Wie in anderen europäischen Ländern der Zeit verbildlichte es heraufbeschworene ʺnationale Wurzelnʺ durch einen burgenhaften Neo-Rennaissance-Stil in Kombination mit einem agglommerierten Grundriss.79 Anklänge an den Jugendstil und eine asymmetrische Hauptfassade zeigte das Kunsthaus in Zürich (1907-10, Karl Moser, Hans Curjel), das bereits gut belichtete, zurückhaltend weiße Ausstellungssäle besaß.80 Traditioneller fiel das Kunstmuseum in Winterthur (1911-16, Robert Rittmeister, Walter Furrer) mit seiner ebenfalls nicht symmetrischen Anlage nach Galerieschema und einem gemäßigten Mix unterschiedlicher Stilrichtungen an den Fassaden aus.81 Das Kunstmuseum Basel (1930-34, Paul Bonatz, Rudolf Christ) wurde auf einem Eckgrundstück ebenfalls als eigentlich klassische Galerieanlage um zwei Innenhöfe realisiert.82 In der Nachkriegszeit folgten das einfach angelegte, aber klare Kunsthaus Glarus (1950/52, Hans Leuzinger) und das Aargauer Kunsthaus (1957-59, Loepfe, Hänni, Hänggli) in Aarau mit seinem schlichten Rechteckkörper mit Satteldach.83 Überregional beachtenswert war das unterirdische nach dem Prinzip des „Dunkelmuseums“ angelegte Musée International d`Horlogerie (1972-74, Pierre Zoelly, Georges-J. Haefeli) in La-Chaux-de-Fonds [Abb. 245].84

77 Deuchler 1981, 23. 78 Reinle 1962, 92; Deuchler 1981, 26; Internetseite http://www.ville- ge.ch/ariana/index.php?content=1.2.1.1.1.1.&id_eve=1265&langue=frs [Stand 5. Oktober 2013]. 79 Bernward Deneke/Rainer Kahsnitz: Das kunst- und kulturgeschichtliche Museum im 19. Jahrhundert – Vorträge des Symposions im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts 39), Passau 1977, 186; Zumthor 1981, 38-62, 40; vgl.: Barbara Miller Lane: National Romanticism and Modern Architecture in and the Scandinavian Countries, Cambridge 2000. 80 Achim Preiß: Das Museum und seine Architektur – Wilhelm Kreis und der Museumsbau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Habil. Wuppertal 1992), Bonn 1992, 159-165. 81 Zumthor 1981, 39; Preiß 1992, 156, 161. 82 Preiß 1992, 309-320. 83 Zumthor 1981, 60; Hannelore Schubert: Moderner Museumsbau – Deutschland – Österreich – Schweiz, Stuttgart 1986, 37; Internetseite http://www.aarauinfo.ch/en/03_art_and_culture/01_museums/aargauerkunsthaus _en.php. 84 Zumthor 1981, 61; Catherine Cardinal/François Mercier: Musées d`Horlogerie La Chaux-de-Fonds – Le Locle (Museen der Schweiz), Zürich 1993. 13

Die Diskussion um die dienende Haltung der Museumsarchitektur wurde bereits bei der Planung des Kunstmuseums Bern (1981-83) angestossen, das vom Büro Atelier 5 in Zusammenarbeit mit dem Künstler und Theoretiker Rémy Zaugg entworfen wurde.85 Prägend für die jüngere schweizer Museumsarchitektur wurde auch der An- und Umbau einer ehemaligen Papierfabrik zum Museum für Gegenwartskunst (1978-80, Wilfrid und Katharina Steib) in Basel, der sich durch sein eigenständiges, aber dennoch zurückhaltendes Verhältnis zum Altbau auszeichnet.86 Wie bereits Alain Tschumi 1995 bemerkte, können keine Gemeinsamkeiten für die Museen der Schweiz festgestellt werden.87 Die kantonale Struktur und Kulturhoheit, die sprachliche Vielfalt und die demokratischen Entscheidungswege in der Schweiz begünstigen eine dezentrale, vielfältige Museumslandschaft aus Institutionen mit eher moderater Größe. Einen signifikanten Einfluss übte der Künstler Rémy Zaugg mit seinen Vorstellungen eines idealen Museums aus. Seine Äußerungen wurden vorbildhaft für die eben erwähnte Erweiterung des Kunstmuseums Berns, für Arbeiten von Herzog & de Meuron und die Museen von Gigon/Guyer (s. Kapitel C. I.).88

III. Gigon/Guyer

Annette Gigon (*1959, Herisau/Appenzell Ausserrhoden) studierte Architektur bis 1984 an der ETH Zürich [Abb. 1].89 Von 1984 bis 1985 arbeitete sie im Architekturbüro Marbach & Rüegg in Zürich und 1985-88 bei Herzog & de Meuron in Basel.90 Sie ist verheiratet und lebt in Zürich. Mike Guyer (* 1958, Columbus/Ohio) schloss sein Studium an der ETH Zürich ebenfalls 1984 ab und war anschließend im Architekturbüro OMA von Rem Koolhaas in Rotterdam tätig [Abb. 2]. 1987-88 hatte er zudem eine Assistenz am Lehrstuhl von Hans Kollhoff an der ETH Zürich inne. Mike Guyer ist ebenfalls verheiratet und lebt mit seiner Familie in Zürich.91

85 Herbert Fecker: Entwicklungslinien im Bau von Museen, in: Architektenkammer Baden-Württemberg Kammerbezirk Freiburg/Kunstwissenschaftliche Gesellschaft Freiburg (Hrsg.): Neue Museumsarchitektur (Freiburger Manuskripte 1), Freiburg 1986, 77-166, 155; Bürkle 1998, 16; Friedrich Achleitner: Atelier 5, Basel 2000, 84-85. 86 Wilfrid Steib: Das Museum für Gegenwartskunst im Basler St. Albantal, in: Architektenkammer Baden- Württemberg Kammerbezirk Freiburg – Kunstwissenschaftliche Gesellschaft Freiburg (Hrsg.): Neue Museumsarchitektur (Freiburger Manuskripte 1), Freiburg 1986, 167-187, 167; Centre PasquArt Biel 1994, 48- 49; Paul von Naredi-Rainer: Entwurfsatlas Museumsbau, Basel 2004, 61. 87 Centre PasquArt Biel 1994, 8. 88 Eva Schmidt: Kooperationen im Werden – Herzog & de Meuron und Rémy Zaugg, in: Florian Matzner (Hrsg.): Public Art – Kunst im öffentlichen Raum, Ostfildern-Ruit 2001, 231-236. 89 Gigon/Guyer 2012, 603. 90 Rüegg/Rehsteiner/Wirth 1998, 51; Bürkle 20001, 384. 91 Gigon/Guyer 2012, 603. 14

Seit 1989 leiten Annette Gigon und Mike Guyer ein gemeinsames Büro in Zürich unter dem Namen Gigon/Guyer Architekten.92 Aktuell beschäftigt das Büro rund 40 Architekten.93 Gigon/Guyer wurden bereits durch das erste gemeinsame Projekt, das 1992 fertiggestellte Kirchner Museum Davos, international bekannt. Es folgten verschiedene weitere Museen und Entwürfe, die bis 2008 in der vorliegenden Arbeit vorgestellt werden. Neben Gebäuden für Kunst findet sich im Werk von Gigon/Guyer eine Vielzahl an Projekten, die nicht nur prestigeträchtige Bauaufgaben oder Solitärbauten umfassen. Weitere Aufgaben, denen sich Gigon/Guyer widmeten sind Einfamilienhäuser, Wohnungsbau, Verkehrsbauten wie das Stellwerk Zürich (1996, 1997-99), der Ausbau eines Hörsaals der Universität Zürich (1996, 1999-2002), Ausbildungswerkstätten für gesundheitlich beinträchtigte Menschen (Appisberg, 1998, 1999-2002) und Bürogebäude.94 Ein spektakulärer Auftrag war das höchste Gebäude der Schweiz, der 2011 fertiggestellte Prime Tower in Zürich.95 Beide Architekten sind auch in der Lehre tätig. 2001/2002 arbeiteten sie als Gastdozenten an der École Polytechnique Féderale Lausanne (EPF), 2008 bzw. 2009 an der ETH Zürich. Seit 2012 haben Annette Gigon und Mike Guyer ordentliche Professuren für Architektur und Konstruktion an der ETH Zürich.96 Das Büro Gigon/Guyer erhielt verschiedene Preise: Für das Kirchner Museum erhielt es 1995 die Auszeichnung „Bauen in den Bergen“ des Orts Sexten/Südtirol. Die Erweiterung in Winterthur und das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, erreichten die finale Auswahl des Mies van der Rohe Awards (1997 und 1999). Das Museum in Kalkriese bekam 2001 den Weser-Ems-Preis für Architektur, 2002 den Deutschen Stahlbaupreis und 2003 den BDA-Preis Niedersachsen des Bundes Deutscher Architekten. Weitere Erfolge waren 2009 ein International Fellowship des Royal Institute of British Architects und 2012 die Verleihung des Tageslicht-Awards der Velux-Stiftung für das Kirchner Museum.97 Einzelausstellungen zu Gigon/Guyer fanden 1993 in der Architekturgalerie Luzern, 2004 im Architekturforum Zürich, 2011 an der ETH Zürich und 2012 in der Architektur Galerie Berlin statt.98 In breiterem Kontext waren Arbeiten von Gigon/Guyer u.a. 1994 im Centre PasquArt in Biel (Schweizer Museen), 1995 im Museum of Modern Art, New York

92 Gigon/Guyer 2012, 603. 93 Internetseite http://www.gigon-guyer.ch/pic/buero/Gigon_Guyer_Dok_D_21MB.pdf [Stand 31. August 2013]. 94 Bürkle 20001, 188-205; Gigon/Guyer 2012, 320ff., 258f. Werkverzeichnis s. Gigon/Guyer 2012, 589-601. 95 Gigon/Guyer 2012, 208ff. 96 Gigon/Guyer 2012, 603. 97 Gigon/Guyer 2012, 606; Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 98 Gigon/Guyer 2012, 607. 15

(Light Construction), 1999 im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt (Die neue Sammlung: Schenkungen und Akquisitionen 1995-1999) vertreten. Weitere folgten 2002 im Louisiana Museum (Arne Jacobsen – Absolutely Modern), 2003 in Schanghai (Work in Progress – Contemporary Architecture in Switzerland) und 2004 auf der Architektur-Biennale in Peking und Venedig sowie 2005 im Haus Konstruktiv, Zürich (Utopie réalisée).99

IV. Katalog der Museums- und Ausstellungsbauten 1. Kirchner Museum Davos/Graubünden (1989, 1990-92) a) Literaturbericht

Die erste Resonanz auf das Kirchner Museum erfolgte in schweizerischen und deutschen Zeitschriften. Nach Fertigstellung der beiden Museen in Winterthur und Appenzell folgten auch ausländische Rezensionen. Die erste Publikation zum Entwurf des Kirchner Museums wurde während dessen Bauzeit 1991 in der Zeitschrift des Instituts für Architektur der Universität Genf veröffentlicht.100 Dorothée Huber stellte das Projekt vor und ging auf die Anlehnung an Rémy Zaugg in der Konzeption der Ausstellungsräume ein.101 Im Jahr seiner Fertigstellung 1992 schrieb sie einen weiteren Beitrag in der selben Zeitschrift, der das vollendete Museum thematisierte.102 1992 erschienen zudem mehrere Artikel in deutschsprachigen Periodika, die den Bau der Fachwelt präsentierten. Benedikt Loderer zitierte die Meinung der Architekten, nach der ein ʺim Sinne Kirchnersʺ gebautes Museum in Konkurrenz zu seinem Werk getreten wäre und die „selbstinszenatorischen Museumsräume der neueren Zeit“ nicht ihre Aufgabe, „Orte für die Kunst zu sein“ 103 erfüllten. Zudem bemerkte er als erster das Vorbild der „ruhigen und neutralen Oberlichtsäle der Kunsthallen um die Jahrhundertwende“104. In der Schweizerischen Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte ging Christian Saehrendt auf inhaltliche Themen ein: etwa die Verbindung zwischen der Biographie von Ernst Ludwig Kirchner und dem Standort seines einzigen monographischen Museums.105 Zudem wies der Autor auf die Gefahr der thematischen „Erschöpfung“106 eines monographischen Museums hin. Es folgte ein Beitrag von Bruno Maurer, der eine Zusammenfassung der Informationen zur Gründung und zum

99 Gigon/Guyer 2012, 607. 100 Dorothée Huber: Une architecture de vide et de lumière, in: Faces – Journal d`Architectures 19 (1991) 16-18. 101 Huber 1991, 16f. 102 Dorothée Huber: De la neige sur le toit, in: Faces – Journal d`Architectures 26 (hiver 1992/1993) 15-19. 103 Benedikt Loderer: Der Schrein von Davos, in: Hochparterre 12 (1992) 14-15, 14. 104 Loderer 1992, 14-15, 14. 105 Saehrendt 1992, 349-354. 106 Saehrendt 1992, 351. 16

Wettbewerb.107 Er beschrieb das Museum erstmals systematisch und kritisierte die ʺanekdotischeʺ Verknüpfung des „kristallinen Äußeren“108 mit der alpinen Natur. Auch in der schweizerischen Zeitschrift Werk, Bauen + Wohnen wurde der Bau Ende des Jahres 1992 kommentiert.109 Walter Zschokke ging in seinem kurzen Text auf die Proportionen der Fassadenzonen, den Hüllencharakter der Außenhaut, die Gegensätzlichkeit der Ausstellungs- und Verteilerräume und die „ganzheitlich-gefühlsmäßige Stimmung“, die „wie eine Aura über dem ganzen Gebäude liegt“110, ein. Heinrich Helfenstein stellte das Museum 1992 im Sammlungskatalog des Kirchner Vereins Davos vor.111 Eine kurze Erwähnung fand der Bau zudem im Magazin Art.112 1993 wurde eine erste Ausstellung über die Arbeiten von Gigon/Guyer in der Architekturgalerie Luzern gezeigt.113 Eingeleitet wurde der Katalog Werkstoff durch Beiträge von Arthur Rüegg, Bernhard Bürgi und Hanns Freymut. Arthur Rüegg beschrieb einzelne Baumotive (Materialverwendung, Gebäudehülle, Schichtung der Fassaden), denen er Vergleichsbauten an die Seite stellte.114 Er war der erste und bisher einzige Autor, der Ansätze einer motivgeschichtlichen Einordnung vornahm, die jedoch aufgrund der Kürze des Beitrags nur erste Hinweise sein konnten. Auf ihn folgte ein Aufsatz von Bernhard Bürgi über das Gestaltungsmerkmal ʺGegensätzlichkeitʺ.115 Beachtung fand das Kirchner Museum 1993 auch im Jahrbuch für Licht und Architektur der damaligen Leiterin des Deutschen Architekturmuseums, Ingeborg Flagge.116 Zitiert wurde Hanns Freymuth vom Institut für Tageslichttechnik Stuttgart, der an der Planung der Davoser Oberlichtkonstruktion beteiligt war. Er ging auf die Voraussetzungen für die Belichtung der Ausstellungsräume im schneereichen Davos und die technischen Details der Oberlichthäuser ein.117 Weitere Veröffentlichungen waren von Arthur Rüegg in der italienischen Domus, in der er die Materialwirkung der Fassaden als „hard cristalline structure“118 beschrieb. Ein Zitat Bruno Tauts aus dessen „Alpiner Architektur“ verdeutlichte

107 Bruno Maurer: Kirchner in Davos – Ein Museum im Kurort, in: Bauwelt 47 (1992) 23-26. 108 Maurer 1992, 26. 109 Walter Zschokke: Kirchner-Museum Davos 1992, in: Werk, Bauen + Wohnen 12 (1992) 24-26. 110 Zschokke 1992, 26. 111 Heinrich Helfenstein: Zur Architektur des Museums, in: Kirchner Verein Davos/Ingeborg Henze- Ketterer/Wolfgang Henze (Hrsg.): Kirchner Museum Davos – Katalog der Sammlung 1, Davos 1992, 405-415. 112 Irene Meier: Statt einer Sprungschanze ein Haus für die Kunst, in: Art – Das Kunstmagazin 9 (1992) 13. 113 Die Ausstellung fand vom 25. September bis 24. Oktober in der Architekturgalerie Luzern statt. Architekturgalerie Luzern 1993. 114 Rüegg 1995, 5-8. 115 Bürgi 1993, 9f. 116 Ingeborg Flagge: Kirchner-Museum Davos, in: Jahrbuch für Licht und Architektur 1993, Berlin 1994, 82-86. 117 Flagge 1994, 83. 118 Arthur Rüegg: Museo Kirchner Davos, in: Domus – Monthly magazine of architecture, design, interiors, arts 748 (1993) 40-47, 44. 17 mögliche Parallelen: „white glass crystals, glittering in the hard frame“119. Ab 1993 erfolgten überregionale Meldungen. Ein rein beschreibender Text, der keine neuen Gesichtspunkte erörterte, erschien im norwegischen Nordisk Magasin for Arkitektur og Kunst.120 Rudolf Schmitz gab in der niederländischen Zeitschrift Archis detaillierte Informationen zur Entstehungsgeschichte wieder.121 1994 erschien in der Aufsatzsammlung Kunst im Bau eine von den Architekten selbst verfasste Beschreibung des Konzepts des Kirchner Museums.122 Wertvoll waren ihre Ausführungen über die Ausstellungsräume, die nicht Kirchners Werk entsprechen und damit vorgeben sollten, eine den Werken des Expressionisten gleichwertige Schöpfung zu sein.123 Ein Artikel, in dem die „Detaillierung der Außenhaut“124 und die in den Hintergrund tretenden Räume gelobt wurden, stammte von Hans Binder. 1995 erschien der Ausstellungskatalog Light Construction des Museum of Modern Art/New York, in dem phänomenologische Merkmale des Baumaterials Glas diskutiert wurden. Das Kirchner Museum beschrieb man als Beispiel eines Baus, bei dem die nicht- tragende, scheinbar funktionslose Hülle das Erscheinungsbild präge und die tragende Konstruktion dahinter zurückträte.125 Zentrale Merkmale seien die vier „prismatic galleries connected by a flowing circulation space“126, die diskrete Raumausstattung und die Belichtung durch „lanterns“127. Im selben Jahr erschien ein Artikel von Gerhard Mack, in dem er das Kirchner Museum mit dem gerade fertiggestellten Erweiterungsbau in Winterthur verglich.128 Er benannte technische Unterschiede zwischen dem dauerhaft geplanten Bau in Davos und dem Provisorium in Winterthur.129 Ebenfalls 1995 erhielt das Kirchner Museum den vom Südtiroler Kurort Sexten gestifteten Architekturpreis Neues Bauen in den Alpen.130 In der zugehörigen Publikation wurden der zurückhaltende Bau, der „unscharfe optische“ Schichtenaufbau der Fassaden und die „Folge“ von Ausstellungssälen „um einen

119 Rüegg 1993, 44. 120 Johannes Gachnang: To bygninger i Davos, in: Skala – Nordisk Magasin for Arkitektur og Kunst 29 (1993) 32-39. 121 Rudolf Schmitz: Een plaats voor de kunst – Het nieuwe Kirchner Museum in Davos, in: Archis 3 (1993) 50- 57. 122 Annette Gigon/Mike Guyer: Kirchner Museum Davos, in: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Kunst im Bau, Göttingen 1994, 100-105. 123 Gigon/Guyer 1994, 100. 124 Hans Binder: Gläserne Kuben – Kirchner Museum in Davos, in: Deutsche Bauzeitung 8 (1994) 64-69, 69. 125 Terence Riley: Light Construction (Kat. Museum of Modern Art New York), New York 1995, 20, 126-129. 126 Riley 1995, 126. 127 Riley 1995, 126. 128 Gerhard Mack: Mit Bekanntem Neues schaffen – Die Züricher Architekten Annette Gigon und Mike Guyer, in: Kunst Bulletin 11 (1995) 20-23, 22. 129 Mack 1995, 22. 130 Christoph Mayr Fingerle: Neues Bauen in den Alpen – Architekturpreis 1995 – Architettura contemporanea alpina, Basel 1997 (1. Aufl. 1995), 8-17. 18

Bewegungsraum“131 hervorgehoben.132 Gelungen war die Beschreibung der Ausstellungssäle als „Räume ohne Eigenschaften“, die, obwohl sie von allem „unnötigen Material befreit scheinen“, eine „wie von Stoff ausgeschlagene Wärme“133 entfalten würden. Die Vorgeschichte der Museumsgründung gab Gisela Kuoni ausführlich wieder.134 Auch in Spanien und in der Tschechei wurde das Museum rezensiert.135 Das Nebenthema der Schriftgestaltung behandelte ein weiterer Aufsatz.136 Mit der Fertigstellung des Museums Liner 1996 nahmen die Artikel in Zeitschriften und Überblickswerken weiter zu. Matthias Bräm charakterisierte das Museum zusammen mit dem Erweiterungsbau in Winterthur in der japanischen Zeitschrift Architecture & Urbanism.137 Nach diesem ersten Artikel wurden alle weiteren Museen von Gigon/Guyer in dieser renommierten japanischen Zeitschrift vorgestellt. Als Beispiel für „einfache Architektur“138 wurde es zusammen mit weiteren Bauten, wie z.B. dem Ausstellungshaus La Congiunta in Giornico von Peter Märkli, aufgeführt.139 Karin Gimmi ging kurz auf die ʺNeutralitätʺ der Architektur ein und bennante das Konzept als „künstlerisches Vakuum“140. Eine kurze Erwähnung mit Informationen zum Werdegang der Architekten druckte die schwedische Arkitektur 1997.141 1998 wurde das Kirchner Museum im Katalog der länderspezifischen Reihenausstellung des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt erwähnt.142 Der kurze Katalogeintrag stellte fest, es würde zu den Bauten gehören, die „mit eleganter Askese“ wie „bewußte Gegenentwürfe zu den in den achziger Jahren […] besonders beliebten postmodernen-narrativen Kunsttempeln“143 wirken. Die „kubisch-blockhafte

131 Mayr Fingerle 1995, 8, 12. 132 Mayr Fingerle 1995, 14. 133 Mayr Fingerle 1995, 14. 134 Gisela Kuoni: Museumsmärchen, in: Turicum – Vierteljahresschrift für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft 1 (1995) 16-25. 135 A.A.: Transparencia engañada – Museuo Ernst Ludwig Kirchner Davos, in: Arquitectura Viva 41 (1995) 46- 49; A.A.: Kirchnerovo muzeum v Davosu – Annette Gigon – Mike Guyer – Curych, in: 10. zlatý rez golden section léto (summer 1995) 42-45. 136 Lars Müller: Schriftgestaltung an zwei Bauten – Kirchner Museum und Restaurant Vinikus in Davos, in: Archithese 1 (1995) 32-33. 137 Matthias Bräm: Kirchner Museum Davos – Extension of the Winterthur Museum of Art, in: A & U – Architecture & Urbanism 307 (1996) 8-20. 138 Karin Gimmi: 12 Projekte, in: Bundesamt für Kultur (Hrsg.): Minimal Tradition – Max Bill und die einfache Architektur 1942-1996, Baden 1996, 57-111, 57. 139 Gimmi 1996, 100-103. 140 Gimmi 1996, 101. 141 A.A.: Gigon & Guyer – Kirchner Museum Davos, in: Arkitektur 5 (1997) 30-31. 142Sonja Anna Meseure: Kirchner Museum – Davos – Graubünden 1991-92, in: Architektur im 20. Jh. – Schweiz (Kat. Deutsches Architekturmuseum Frankfurt), Frankfurt 1998, 280. 143 Meseure 1998, 280. 19

Vereinfachung“144 des Baukörpers führte Sonja Meseure auf Mies van der Rohe zurück und benannte die Ausstellungssäle als „keineswegs neutral“145. Kenneth Frampton verfasste 1998 einen Aufsatz über aktuelles Bauen in der Schweiz, in dem er neben Bauten von Herzog & de Meuron und Peter Zumthor auch das Kirchner Museum besprach. Er gab vor allem Zitate von Annette Gigon und Mike Guyer wieder und thematisierte das neutrale, an Säle des 19. Jh.s angelehnte Raumkonzept, Analogien zu Industriearchitektur und die Materialverwendung, deren Direktheit eine „delicate balance“ zeige und „rigorous“ sei, „without descending into brutality“146. Victoria Newhouse führte das Kirchner Museum 1998 in ihrem Überblickswerk zur Museumsarchitektur als Beispiel eines monographischen Museums auf. Der „minimalistische“147 Bau zeige eine „raffinierte“148 Konstruktionstechnik und Materialverwendung und keine Verbindung zwischen Architektur und ausgestellter Kunst.149 Wie Arthur Rüegg 1993 im Katalog Werkstoff wies Newhouse auf die Frage hin, ob die kleinformatigen Gemälde und groben Holzskulpturen in den „sachlich-nüchternen Galerien“150 passend ausgestellt würden.151 Als eine der wenigen Autoren bezog Newhouse eine teilweise kritische Position zur Konzeption der Ausstellungssäle. In der 2000 erschienenen ersten Monografie des Büros Gigon/Guyer wurde das Kirchner Museum als frühester realisierter Bau an erster Stelle aufgeführt.152 In eigenen Worten erläuterten die Architekten ihre Idee von Museen als neutralen „Orten der Kunst“153 und beschrieben den Entwurf.154 Im Beitrag von Gigon/Guyer zu den Charles and Ray Eames Lectures an der Universität Michigan gaben die Architekten die Entstehungsgeschichte des Museums wieder und besprachen die Oberlichtkonstruktion, den Gegensatz zwischen Verkehrsflächen und Bildersälen, die Fassadenkonstruktion und die Materialwahl.155 Sie schlossen mit einem Hinweis auf die Parallele zwischen der Grundrissstruktur der zusammengefügten Kuben und

144 Meseure 1998, 280. 145 Meseure 1998, 280. 146 Kenneth Frampton: Minimal Moralia – Reflections on recent swiss german production: in: Scrope Nine – Cambridge Architecture Journal 9 (1998) 19-25, 23. 147 Victoria Newhouse: Wege zu einem neuen Museum – Museumsarchitektur im 20. Jahrhundert, Ostfildern/Ruit 1998, 87. 148 Newhouse 1998, 87. 149 Newhouse 1998, 87-89. 150 Newhouse 1998, 89. 151 Newhouse 1998, 88f. 152 Bürkle 20001, 12-27. 153 Bürkle 20001, 10. 154 Bürkle 20001, 12f. 155 Gigon/Guyer 2000, 14-25. 20 der „losen Siedlungsstruktur“156 des Ortes Davos.157 Im Jahr 2000 widmete zudem die spanische Zeitschrift El Croquis eine Ausgabe Gigon/Guyer, in der auch das Kirchner Museum vorgestellt wurde.158 Eingegangen wurde auf die Funktionsverteilung der Räume, Details der Raumausstattung und die Qualität der Belichtung. Christoph Allenspach publizierte 2002 einen chronologisch aufgebauten Überblick über Bauten des 19. und 20. Jh.s in der Schweiz. Das Kirchner Museum wurde in seinem kurzen Beitrag als Versuch, „neue innenräumliche Raumfiguren zu finden“159, den Bauten der Architekten Marcel Meili und Markus Peter an die Seite gestellt. Ein weiteres Charakteristikum sah er in der Verwendung von Materialien mit „wenig ästhetischer Qualität“, die erst „veredelt am Bau“ eine „starke Ausstrahlung“ und „wirkungsvolle Inszenierung“160 erfahren würden. Christoffer Harlang behandelte in seinem Katalogbeitrag zur Ausstellung Arne Jacobsen – Absolutely Modern im Louisiana Museum zunächst die in der Literatur wiederholt herausgestellten Merkmale des Davoser Baus.161 Neu war Harlangs These, das Kirchner Museum habe durch Material und Konstruktion seiner Fassaden eine eigene Ästhetik gefunden, die Vorbild für die Sammlung Goetz von Herzog & de Meuron und das Kunsthaus Bregenz von Peter Zumthor gewesen sei. In der ebenfalls 2002 erschienenen kleinen Monografie zur Museumsarchitektur von Frank Maier-Solgk 2002 wurde auch das Kirchner Museum vorgestellt.162 Einen weiteren Eintrag erhielt es 2004 als Beispiel einer „puristischen Architektursprache von zurückhaltender Strenge“163 im Entwurfsatlas Museumsbau von Paul von Naredi-Rainer. An ein breiteres Publikum gewandt war die Erwähnung in einem Architekturführer für den Kanton Graubünden.164 Einen sehr kurzen Zeitschriftenbeitrag erhielt es noch einmal 2008 wegen seines klaren Grundrisses.165 Als „verwandte Objekte“166 wurden ohne weiteren Kommentar das Museum La Congiunta, die Fondation Beyeler und das Schaulager Basel aufgeführt.

156 Gigon/Guyer 2000, 24. 157 Gigon/Guyer 2000, 14-25. 158 A.A.: Kirchner Museum Davos, in: El Croquis 102 (2000) 36-55 [A.A. 20003]. 159 Christoph Allenspach: Architektur in der Schweiz – Bauen im 19. und 20. Jahrhundert, Zürich 20022 (1. Aufl. 1998), 138. 160 Allenspach 2002, 143. 161 Harlang 2002, 83. 162 Maier-Solgk, Frank: Die neuen Museen, Köln 2002, 98-103. 163 Naredi-Rainer 2004, 170-171. 164 Köbi Gantenbein/Ariana Pradal/Jürg Ragettli u.a.: Bauen in Graubünden – Ein Führer zur zeitgenössischen Architektur, Zürich 2006, 84-85. 165 A.A.: Der wahre einfache Grundriss, in: Hochparterre 11 (2008) 83 [A.A. 20082]. 166 A.A. 20082, 83. 21

2012 besprach Irina Davidovici das Kirchner Museum in einem Überblick über Architektur in der Schweiz zwischen 1980 und 2000.167 Sie nahm dieselbe Position wie Christoffer Harlang 2002 ein und bemerkte Parallelen zu Herzog & de Meuron und Peter Zumthor.168 Durch seine opake Glasfassade und die Hervorhebung des Baus als „silent and unyielding object“169 habe das Kirchner Museum Motive der Sammlung Goetz und des Kunsthauses Bregenz vorweggenommen.170 Am Ende kam sie noch einmal auf Gemeinsamkeiten zu Herzog & de Meuron, Zumthor und Peter Märkli zurück, in denen sie eine Gegenposition zu den „over-expressive art spaces“171 von James Stirling und Richard Meier sah. Als Reaktion auf die Verleihung des Tageslicht-Awards an Gigon/Guyer erschien ein beschreibender Artikel über das Kirchner Museum und ein Interview mit den Architekten in der Hochparterre. Aus dem Urteil der Jury wurde zitiert der Bau sei ein „massgeschneidertes und zurückhaltendes Gefäss für Kirchners Werk“ und die klassische und dennoch innovative Oberlichtlösung sei „sowohl zentrale Entwurfsidee als auch architektonischer Ausdruck des Gebäudes“172. Aufgeführt wurde der Bau in Davos 2012 zudem in einem Ausstellungskatalog des schweizerischen Landesmuseums zum Postmodernismus in der Schweiz. Inge Beckel und Christof Kübler nannten ihn als Beispiel einer „Neuen Reduktion“173 und Antwort auf die üppigen, experimentierfreudigen Bauten der 80er Jahre. Zusammenfassend kann bemerkt werden, dass die bisher veröffentlichten Beiträge überwiegend beschreibend waren. Dabei handelte es sich häufig um Architekturbetrachtungen, die die Erscheinung des Museums wiedergaben. Die Merkmale, die immer wieder genannt wurden, sind die Belichtung, der Schichtenaufbau der Fassaden, der Gegensatz zwischen Ausstellungssälen und Verkehrzone und die zurückhaltenden Ausstellungsräume. Einige Autoren wiesen auf die Verwendung gewöhnlicher Materialien und die damit verbundenen verdeckten Anklänge an Industriearchitektur hin. Arthur Rüegg war in seinen Beiträgen 1993 und 1998 der einzige, der Einzelthemen wie die Materialverwendung, die Gebäudehülle und die Schichtung der Fassaden eingehender

167 Irina Davidovici: Forms of Practice – German-Swiss Architecture 1980-2000, Zürich 2012. 168 Davidovici 2012, 115. 169 Davidovici 2012, 115. 170 Vgl. Harlang 2002, 83. 171 Davidovici 2012, 128. 172 Axel Simon: Tageslicht-Award – Im Zauberlicht, in: Hochparterre [Beilage zum Heft] 3 (2012) 6-11; Roderick Hönig: Interview – Das Museum als Lichtgefäss, in: Hochparterre [Beilage zum Heft] 3 (2012) 12-13. 173 Inge Beckel/Christof Kübler: Postmodernismen in der Architektur, in: Postmodernism aus schweizer Sicht (Kat. Landesmuseum Zürich), Bern 2012, 43-54, 53. 22 besprach und darauf aufbauend den Ansatz einer Einordnung vornahm. Spätere Autoren beschränkten sich darauf, in ein bis zwei Sätzen auf Parallelen zu Herzog & de Meuron oder Peter Zumthor hinzuweisen, wobei sie jedoch nicht genauer auf verbindende Motive eingingen.174 Eine Einordnung des Kirchner Museums in den Kontext der Museumsarchitektur, sowohl für die Schweiz als auch im Allgemeinen, wurde noch nicht vorgelegt. In der vorliegenden Arbeit soll daher die fehlende architekturhistorische Zurückverfolgung der in der Literatur mehrfach erkannten Motive versucht werden. Kaum oder gar nicht diskutierte Merkmale – der Typ des additiven Kubenmuseums und der damit verbundene Grundriss, das „All-Over“, die Anlehnung an Galerieräume des 19. Jh.s und die konzeptuelle Verwendung des Materials Glas sowie die inhaltliche Ausrichtung als monographisches Museum – sollen im Teil B ebenfalls besprochen werden.

b) Quellenbericht ba) Bildquellen

Zum Kirchner Museum gibt es Skizzen, Modelle, Pläne und Fotografien des Bauverlaufs sowie der Eröffnungsfeierlichkeiten. 1) Viele Skizzen sind im Archiv des Büros Gigon/Guyer vorhanden.175 Bleistiftzeichnungen zeigen Ansichten des Museumsgebäudes am Hang mit Bergkulisse [Abb. 28]. Weitere Skizzen geben Fassadenansichten und Details der Fassadenkonstruktion wieder [Abb. 29]. Grundrissstudien verdeutlichen die Auseinandersetzung mit der Anordnung der Raumkuben.176 Die Materialität der Verkehrszone und ihre Gegensätzlichkeit zu den Ausstellungsräumen war ebenfalls mehrfach Gegenstand von Entwürfen [Abb. 31].177 Der in der Nacht beleuchtete Baukörper und die Oberlichtkonstruktion wurde ebenfalls gezeichnet [Abb. 30].178 Aufgrund ihrer großen Zahl werden die Skizzen nur in Auswahl abgebildet. 2) Pläne liegen im Archiv Gigon/Guyer vor. Auch sie können nicht alle abgebildet werden [Abb. 12-18].179

174 Harlang 2002, 83; Davidovici 2012, 115. 175 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen. 176 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen. 177 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen. 178 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen. 179 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen. 23

3) Die Wettbewerbsmodelle der Konkurrenten Meisser&Barandun sowie von Ernst Gisel konnten im Kirchner Museum Davos eingesehen werden [Abb. 40, 41].180 4) Gigon/Guyer fertigten im Entwurfs- und Planungsprozess verschiedene Modelle an, die im Kirchner Museum in Davos besichtigt werden konnten. a) Das erste Wettbewerbsmodell zeigt den Museumsbau auf einem Sockel aus Schichtholz, der die Hanglage des Grundstücks nachbildet [Abb. 32].181 Das Modell entspricht dem ausgeführten Bau. Grund- und Aufriss, der Schichtenaufbau der Fassade sowie die Materialität sind bereits projektiert. Die Eingangsrampe, der Museumsschriftzug und eine Andeutung des Glaskieses auf dem Dach fehlen noch. Die Innenräume sind nicht ausgestaltet. b) Das zweite Modell entstand ebenfalls im Wettbewerb und wurde im Erläuterungsbericht der Architekten abgebildet [Abb. 33]. Die Fassadengliederung des aufwendiger gefertigten Entwurfs weicht vom realisierten Gebäude ab. Am Modell werden die Fassaden durch senkrechte Profile gegliedert, horizontale Profile fehlen. Ausstellungsraum 4 ist abnehmbar. c) Ein Modell zeigt auch die Innenräume. Es ist besonders detailliert [Abb. 34, 35].182 Die Dächer der Ausstellungssäle sind mit Glaskies bestreut und einzeln abnehmbar, so dass man in die mit durchsichtigen Staubdecken überspannten Innenräume sehen kann. Die Säle haben Holzböden und auch der mehrschalige Wandaufbau mit gläserner Außenhaut und Innenwänden aus Gipsplatten und die in den Wänden versteckten Treppenaufgänge in die Oberlichthäuser sind wiedergegeben. d) Von großem Aufwand zeugt das etwa 1,50 m lange und 0,5 m hohe Lichtmodell des Ausstellungssaales 2, an dem die Belichtung der Ausstellungsräume getestet wurde [Abb. 36].183 Das Modell zeigt die Konstruktion der Oberlichthäuser mit ihren transluzenten Staubdecken, der Metallrahmenkonstruktion, der Verglasung der Seitenlichtfenster sowie der aufgehängten künstlichen Beleuchtung. e) Die Funktionsräume – Garderobe, Toiletten, Drucksachendepot in Verbindung mit dem Ausstellungsraum 1 sowie die Räume des Untergeschosses

180 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen. 181 Archiv Kirchner Museum, Davos: Modelle. 182 Archiv Kirchner Museum, Davos: Modelle. 183 Auskunft Mitarbeiterin Kirchner Museum Davos. 24

(Bibliothek, Depot, Büro, Stifterzimmer) – wurden in Arbeitsmodellen aus Sperrholz projektiert [Abb. 37-39]. 5) Der gesamte Bauverlauf wurde in unregelmäßigen Abständen durch Laienfotos dokumentiert.184 Die Fotografien werden nicht abgebildet.

bb) Textquellen

Es wurden verschiedene unveröffentlichte Textquellen verwendet. Im Archiv des Kirchner Museums war es nur möglich, einen Teil des archivierten Materials einzusehen. Umfangreiches Material zur Erstellung des Baus wie z. B. die Sitzungsprotokolle der Baukommission oder die Korrespondenz zwischen Baukommission und Architekten bzw. Bauunternehmen war nicht zugänglich. Hilfreich waren folgende Unterlagen: 1) Der Studienauftrag des Kirchner Vereins Davos vom 7. August 1989 beinhaltete das Programm des Wettbewerbs. Die Namen der Wettbewerbsteilnehmer und der Jury wurden genannt. In einem wenige Zeilen umfassenden Text wurden die Zielvorstellungen für das projektierte Museum formuliert.185 2) Der auf den 20. Oktober 1989 datierte Erläuterungsbericht beschrieb den Wettbewerbsbeitrag von Gigon/Guyer. Er umfasst fünf Seiten und dokumentiert das Konzept ihres Projekts.186 3) Der Bericht der Expertenkommission aus dem Oktober 1989 fasste den Verlauf des Wettbewerbs zusammen. Es werden Beurteilungskriterien genannt und die beiden Entwürfe von Ernst Gisel und Gigon/Guyer, die in die engere Auswahl kamen, einander gegenübergestellt. Aussagekräftig ist die Würdigung des Gewinnerprojektes von Gigon/Guyer durch die Jury.187 4) Etwa einen Monat nach Ende des Wettbewerbs legten die Architekten den Bauherrn eine detaillierte Dokumentation zum Wettbewerbsprojekt vor.188 Technische Fragen des Licht-, Klima- und Energiekonzepts, Baudaten und eine Kostenschätzung wurden vorgestellt. Die Dokumentation enthält kommentierte Querschnitte der

184 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. Der Urheber der Fotografien ist nicht bekannt. 185 Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos vom 7. August 1989. 186 Archiv Kirchner Museum, Davos: Ernst Ludwig Kirchner Museum Davos – Studienauftrag des Kirchner Vereins Davos – Bericht 20. Oktober 1989 – A. Gigon & M. Guyer Architekten. 187 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 188 Archiv Kirchner Museum, Davos: Dokumentation zum Wettbewerbsprojekt mit Kostenschätzung und Baubeschrieb – Projektstand 22. November 1989. 25

Oberlichträume, Schemaschnitte, die den erwarteten Lichteinfall in die Ausstellungssäle zeigen, und Fotografien des Wettbewerbmodells. 5) Im Archiv des Kirchner Museums Davos konnte eine Sammlung von Zeitungsartikeln, teilweise ohne nähere Quellenangabe, eingesehen werden.189

c) Vorgeschichte

Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) reiste im Januar 1917 – „physisch und psychisch angeschlagen“190 – für wenige Wochen von Berlin in den Höhenkurort Davos.191 Seinen ersten Aufenthalt verbrachte er in einer Pension in Davos Platz. Der zweite folgte über den Sommer des Jahres 1917 auf der Stafelalp auf 1900 m Höhe. 1918 kehrte Kirchner nach Davos zurück. Bis 1923 lebte er im Nachbarort Frauenkirch in dem kleinen Bauernhaus „In den Lärchen“, danach bis zu seinem Freitod im Haus „Auf dem Wildboden“.192 Kirchner verbrachte 21 Jahre seines Lebens zunächst aus gesundheitlichen, später aus politischen Gründen in Davos.193 1962 kaufte der Berner Auktionator und Kirchner-Sammler Eberhard W. Kornfeld das Haus „Auf dem Wildboden“ und macht es mit beschränken Öffnungszeiten der Öffentlichkeit zugänglich.194 Das Engagement Kornfelds zielte darauf ab, die beiden ehemaligen Chalets Kirchners mit Arbeiten des Künstlers auszustatten, um so ein „lebendiges Bild von Kirchners Leben und Wirken in Davos“195 zu zeigen. Am 9. Januar 1982 wurde der Kirchner Verein in Davos gegründet. Anfang April 1982 entschied das Stimmvolk über die Errichtung einer Kirchner Stiftung, die am 1. Juli 1982 mit einer Schenkung von vier Werken Kirchners aus Gemeindebesitz und einem Kredit über 50.000 Franken zur Einrichtung eines ersten Museums im zweiten Obergeschoss des Postgebäudes von Davos Platz verwirklicht wurde.196 Am 1. Juli 1982 wurde die Stiftung gegründet. Das kleine Museum eröffnete am 15. Dezember 1982. Der Kirchner Verein wuchs weiter und erhielt Donationen von Privatleuten und Stiftungsratsmitgliedern. Der Betrieb des

189 Archiv Kirchner Museum, Davos: Pressespiegel. 190 Maurer 1992, 23. 191 Maurer 1992, 23; Saehrendt 1992, 351. 192 Maurer 1992, 23f.; Saehrendt 1992, 351. 193 Mayr Fingerle 1995, 8; Saehrendt 2003, 349f. 194 Maurer 1992, 24; Meier 1992, 13. 195Erdmann Neumeister: Ein Zweckbau für die Phantasie – Im Glasgehäuse – Das neue Ernst Ludwig Kirchner Museum in Davos, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (18. September 1992), in: Archiv Kirchner Museum, Davos: Pressespiegel. 196 Maurer 1992, 24; Saehrendt 1992, 350; Ohne Quellenangabe, in: Archiv Kirchner Museum, Davos: Pressespiegel. 26 ersten Kirchner Museums wurde ohne finanzielle Mittel der öffentlichen Hand, nur durch Selbstfinanzierung aus den Beiträgen der Vereinsmitglieder, den Eintrittsgeldern, Einnahmen aus Druckerzeugnissen und durch die Mitbenutzung der Infrastruktur des Kur- und Verkehrsvereins Davos getragen. Die Betreuung der Ausstellung übernahmen die sogenannten „Kirchner Frauen“, ehrenamtlich engagierte Damen aus Davos.197 Ab 1987 begann eine öffentliche Diskussion über einen eigenständigen Museumsbau. Die Einrichtung eines Kirchner Museums wurde durch eine Schenkung aus privater Hand angestoßen. Der Galerist, Kunsthändler und Verwalter des Kirchner-Nachlasses Roman Norbert Ketterer und die Familienstiftung der Familie Ketterer Benvenuta überließen der Ernst Ludwig Kirchner-Stiftung 400 Werke, 160 Skizzenbücher, eine Kunstbibliothek und persönliche Dokumente des Künstlers.198 Die Schenkung Ketterers war an die Bedingung geknüpft, ein adäquates Museum für die entstandene Sammlung zu errichten. Als sich herausstellte, dass der Ort Davos das Vorhaben nicht tragen konnte, übernahm die Familienstiftung Benvenuta die Baukosten. Für das Grundstück wurde ein Dauernutzungsversprechen mit der Gemeinde vereinbart.199

d) Baubeschreibung da) Gesamtanlage

Das Kirchner Museum Davos befindet sich am westlichen Ende des Kurortes im Ortsteil Platz an der Promenade, der wichtigsten Einfahrtsstraße in das Dorf und durch das Davoser Tal.200 Der Museumskomplex liegt am Hang in einer terrassenähnlichen Grünanlage, die sich an der Straße entlang erstreckt [Abb. 7]. Der Eingang ist zum Berg und zur Durchfahrtsstraße hin orientiert. Oberhalb des Museums liegt das Hotel Belvedere aus dem späten 19. Jh. Unterhalb des Museums liegen ein Parkplatz, das Eisstadion des Dorfes und in östlicher Richtung der Werkhof und das Sportzentrum Davos (1993-96 und 1997-99, Gigon/Guyer).201

197 Ohne Quellenangabe, in: Archiv Kirchner Museum, Davos: Pressespiegel. 198 Maurer 1992, 24; Ohne Quellenangabe, in: Archiv Kirchner Museum, Davos: Pressespiegel. 199 Sabine Weder-Arlitt: Das Museum für Kirchner – Wie ein Kristall in der Landschaft (7. September 1992), in: Archiv Kirchner Museum, Davos: Pressespiegel. 200 Maurer 1992, 24. 201 A.A. 20006, 153-162; Das Sportzentrum nennt sich heute „Davos Tourismus“. Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 27 db) Grundriss

Beim Kirchner Museum Davos sind sechs scheinbar lose in zwei Reihen angeordnete Raumkuben unterschiedlicher Größe durch eine gangartige Verkehrszone miteinander verbunden [Abb. 13, 14]. Es entsteht eine matrixartige Grundrissstruktur, die – vereinfacht betrachtet – in der Gesamtgestalt ein langgestrecktes Rechteck ergibt. Der Eingang liegt am westlichen Ende zur Promenade hin. Über eine flache Betonrampe und über einen Windfang gelangt man in das Foyer. Nach Eintritt steht der Besucher dem Empfangstresen gegenüber, der vor der Stirnwand des ersten Bildersaals positioniert ist. Rechts und links der Eingangsschleuse sind ein Drucksachendepot für den Shop und die im Grundriss quadratische Raumgruppe aus Garderobe mit Schließfächern, Toiletten und Lastenlift gelegen. Die vier großen, rechteckigen Ausstellungssäle liegen in zwei Reihen an der Außenmauer des Gebäudes. An den Langseiten des Museums liegen sich zwei gleich große Bildersäle parallel leicht versetzt gegenüber.202 An der östlichen Schmalseite befindet sich ein unmerklich kleinerer Saal, am westlichen Ende des Gebäudes ein kleinerer, zum Quadrat tendierender Ausstellungsraum, der weit über die Talfassade hinauskragt.203 Jeweils an einer Schmalseite eines jeden Ausstellungsraumes befinden sich versteckte, einläufige Treppenaufgänge in die Oberlichthäuser [Abb. 25]. Die Bildersäle werden durch eine in der Gebäudemitte liegende Verkehrszone erschlossen. Bereits im Grundriss ist der Kontrast zwischen Bildersälen und Verkehrszone sichtbar. Die Verkehrszone ist eine langrechteckige Fläche, die von den vier Ausstellungsräumen durchdrungen und beschnitten wird, so dass eine gangartige Verteilerzone entsteht [Abb. 13]. Das Untergeschoss ist aufgrund der Hanglage des Museums als Halbsouterrain angelegt.204 Die bergwärts orientierten Räume liegen unterirdisch. Sie beinhalten Funktionsräume, die kein Tageslicht brauchen. Von West nach Ost reihen sich ein Depotraum, der Warenlift mit seiner Technik, die Treppe zum Obergeschoss, der Video- und Didaktikraum, weitere Depoträume, der Schutzraum sowie Technikräume für Klima und Lüftung, Heizung und Heizöltank auf. Auf der Talseite des Gebäudes liegen an den Schmalseiten unbelichtete Räume (westlich: Bibliothek; östlich: Heiz- und Klimatechnik) im geschlossenen Betonsockel unterhalb der Ausstellungssäle 1 und 3. Belichtete Räume sind

202 Maurer 1992, 24. 203 Maurer 1992, 24; A.A. 20004, 42. 204 Die Veröffentlichung eines Plans des Untergeschosses war nicht möglich. 28 unter dem Saal 4 untergebracht. Hier folgen auf ein Besprechungszimmer (Stifterraum) vier Büros. Alle Räume werden durch drei gleich große, hochrechteckige Fenster belichtet, die nach außen die Talfassade strukturieren. Die Büros werden durch einen Gang erschlossen, auf dessen Rückseite sich vier weitere kleine Räume für Elektronik, Küche, Reinigung und Kopierer befinden. Da es im Untergeschoss neben den Büro-, Depot- und Technikräumen auch ein öffentlicher Raum gibt, wird der Zugang durch zwei Verteilerräume ermöglicht. Über die Treppe gelangt man zunächst in einen kleinen Vorraum, der Besucher in den Videoraum und Mitarbeiter in den für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen professionellen Bereich führt. Dieser wird über einen eigenen Verteilerraum erschlossen, der sich an den ersten anschließt.

dc) Aufriss

Das Kirchner Museum erhebt sich aus dem mit Rasen bepflanzten Untergrund auf einem um den gesamten Bau gezogenen Sockel aus Sichtbeton [Abb. 3-7]. Dieser verbreitert sich an den Schmalseiten und der zum Tal hin orientierten Fassade und fängt den Niveauunterschied des Grundstücks auf. An der Talfassade nimmt der Sockel die Höhe des als Halbsouterrain ausgebildeten Untergeschosses ein. Im mittleren Teil unter dem Ausstellungssaal 4 öffnen sich gereihte hochrechteckige Fenster mit tiefen Gewänden. An der Bergfassade bildet der Sockel in der Breite des Eingangs eine sanft ansteigende Rampe zum Hauptportal [Abb. 3, 5]. Der Museumsbau wird von einer gläsernen Hülle umschlossen. Reduziert betrachtet, besteht er aus zwei Teilen: einer eingeschossigen, flachen Verkehrzone, welche vier hoch aufsteigende Kuben der Bildersäle durchdringen und verbinden [Abb. 3, 4]. Die Fassaden der flachen Zwischenzone sind eingeschossig. Hochrechteckige Fensterbahnen, manche durchsichtig, manche opak, reihen sich. Drei Achsmaße wechseln sich über Eck oder in der Fassadenfläche ab. Die Glasfassaden werden nach oben zum Flachdach hin durch ein schwach in Erscheinung tretendes Metallprofil abgeschlossen [Abb. 4-7]. Die von außen gesehen containerartigen Ausstellungssäle haben eine dreizonige Gliederung [Abb. 6, 7]. An den flachen Betonsockel schließen die Fassaden der Ausstellungssäle an. Auf sie folgen die durch ein horizontales Metallprofil abgesetzten Oberlichtlaternen. Die Fassaden der Bildersäle sind mit matten, opaken Glasplatten in feinen Stahlrahmen verkleidet. Durch das milchig graugrüne Glas ist das dahinterliegende 29

Isoliermaterial zu erkennen [Abb. 7, 10]. Die Oberlichtlaternen bestehen aus geätzten Isoliergläsern, deren hochrechteckiges Format sich an die Fensterbahnen der Verkehrsflächen anlehnt. Sie schließen wie die Verkehrszonen mit einem dezenten Metallprofil ab. Die Dachflächen sind mit „glitzerndem Kies“205 aus recycelten Glasscherben gedeckt [Abb. 9, 11].

dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume

Betritt man das Kirchner Museum über den Haupteingang, gelangt man ins Foyer [Abb. 21, 22]. Rechts der Eingangsschleuse befindet sich ein kleiner Depotraum für Drucksachen. Links der Schleuse liegt der genannte Raumkubus mit Garderobe, Schließfächern, Toiletten und Warenaufzug. Der Raum hat eine von den restlichen Räumen abweichende Innenausstattung, seine Wände sind mit bakelisiertem Sperrholz in einem rotbrauen Farbton ausgekleidet. Die Verkehrsfläche des Museums nimmt Foyer, Kasse und den auf einen Büchertisch reduzierten Shop auf. Zudem dient sie als Ruhezone mit Sitzbänken und Ausblick auf die Alpen. Boden, Wände und Decke bestehen aus gegossenem Sichtbeton. An den Wänden sind Schalungsfugen und Bindelöcher sichtbar [Abb. 19, 21, 22]. Der Boden besteht aus gefugtem Gussbeton, der geglättet und imprägniert wurde.206 Durch die unterschiedliche Ausstattung der Verkehrszone und der Bildersäle entsteht ein starker Kontrast [Abb. 20, 21, 23]. Dem rohen Gebäudekern der Betonhalle stehen die hell erleuchteten und mit warmen Materialien und Farben ausgestatteten Bildersäle gegenüber. Die Durchgänge in die Ausstellungsräume bestehen aus in die Betonwände geschnittenen Öfnungen [Abb. 20]. Die vier Bildersäle haben eine einheitliche Ausstattung [Abb. 23, 24]. Nur der, vom Eingang des Museums aus gesehen, erste Bildersaal besitzt als Besonderheit ein bodentiefes Fenster in der östlichen Wand und dient optional als Vortrags- oder Versammlungsraum.207 In allen vier Räumen ist Eichenholzparkett verlegt. Die mit weißen Holz-Gips- Paneelen verkleideten Wände steigen ohne Fußleiste auf.208 Nach oben werden die Säle von einer den gesamten Raum überspannenden Lichtdecke abgeschlossen. Sie besteht aus geätzten Glasrechtecken, die von feinen Metallrahmen gefasst sind. Darüber befinden sich die

205 Rüegg/Rehsteiner/Wirth 1998, 11. 206 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 207 Rüegg/Rehsteiner/Wirth 1998, 16. 208 Maurer 1992, 24. 30

Oberlichthäuser als raumbreite Laternenaufbauten aus Stahlrahmenkonstruktion [Abb. 9, 26, 27]. Das Licht fällt durch die lateralen Fenster der Oberlichthäuser durch die mattierte Lichtdecke der Bildersäle. Der Lichteinfall in die Ausstellungssäle wird durch elektronisch gesteuerte Lamellenstoren reguliert [Abb. 26]. Durch die starke Streuung herrscht in den Ausstellungssälen ein diffus gleichmäßiges Licht, das eine meditative Stimmung erzeugt. Reicht das einfallende Licht nicht aus, kann in den Oberlichthäusern installiertes Kunstlicht eingeschaltet werden. Die Oberlichthäuser schließen mit einem Flachdach ab, das im Winter über mehrere Monate schneebedeckt ist. Durch die seitlichen Oberlichtfenster erhalten die Ausstellungsräume dennoch Tageslicht [Abb. 26].

e) Planungs- und Baugeschichte

Der Wettbewerb für das Kirchner Museum wurde am 7. August 1989 vom Kirchner Verein Davos ausgerichtet. Eingeladen wurden vier Architekturbüros: neben Gigon/Guyer Ernst Gisel aus Zürich und die Davoser Büros Christian Meisser/Georg Barandun und Urs Krähenbühl.209 Das Programm des Wettbewerbs wurde im Studienauftrag dokumentiert. Das Museum sollte „mit Rücksicht auf den Willen eines Schenkers im Laufe des Jahres 1991 fertiggestellt werden“210. Betont wurde, dass das Museum Ernst Ludwig Kirchner gewidmet sei und „ausschließlich Werke dieses Künstlers, solche seiner Schüler und anderer Expressionisten“211 ausstellen solle. Dabei müsse „Kirchners Werk im Vordergrund stehen“, die „gestalterischen Elemente“ sollten die „davoserischen Begebenheiten und die Berglandschaft miteinbeziehen“212. Eine zukünftige Erweiterung sollte möglich sein. Das Raumprogramm sollte drei Ausstellungsräume à 200 m2 und einen à 100 m2, zwei Büros, eine Bibliothek, Infrastrukturräume wie Garderobe, Kasse, Drucksachendepot, Toiletten und ein Kellergeschoss mit Depot, Werkstatt und Technikraum umfassen.213 Der Wettbewerb endete am 17. Oktober 1989 mit der Abgabe von „zum Verständnis nötigen Grundrissen“214, eines Erläuterungsberichts und „auf Wunsch der teilnehmenden

209 Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos, 7. August 1989; Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 210 Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos, 7. August 1989. 211 Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos, 7. August 1989. 212 Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos, 7. August 1989. 213 Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos, 7. August 1989. 214 Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos, 7. August 1989. 31

Architekten“215 eines oder mehrerer Modelle bei Bruno Gerber, dem Direktor des Kur- und Verkehrsverein Davos. Die Entscheidung über den Gewinner des Wettbewerbs traf eine aus drei Personenkreisen zusammengesetzte „Expertenkommission“216. Der „Fachkreis Davos“217 setzte sich aus den Ehepaaren Roman Norbert Ketterer, W. Henze und G. Ketterer sowie dem Landammann L. Schmid, dem Sammler und Auktionator Eberhard W. Kornfeld und dem Vorsitzenden des Kirchner Vereins Davos Bruno Gerber zusammen. Die „Kunstexperten“218 hießen Wolf-Dieter Dube, Werner Schmalenbach und Hans Christian von Tavel. Als „Fachexperten“219 wurden im Studienauftrag vom 7. August 1989 Peter Zumthor/Haldenstein und N. Morgenthaler/Herrenschwanden genannt. Im Bericht der Expertenkommission vom Oktober 1989 wurde Peter Zumthor durch den Züricher Architekten Eraldo Consolascio ersetzt.220 Die Expertenkommission trat am 19. und 20. Oktober 1989 in Davos zusammen. Am ersten Tag wurde die Vorgeschichte der Museumsgründung referiert. Es folgten eine Begehung des Baugeländes und ein Besuch von Kirchners erstem Wohnhaus „In den Lärchen“. Aus diesem „ersten Rundgang schälten sich in nicht gewichteter Reihenfolge [...] Beurteilungsmerkmale“221 heraus:

- Bedeutung und Repräsentation der Bauaufgabe „Museum“ – Ein „Kunstmuseum im Kurort“ - Das Öffentliche und das Private dieses spezifischen Ortes – das Museum als „Werkzeug“ der Begegnung zwischen Werk und Mensch, zwischen Mensch und Werk - Bezug zwischen Kirchner und dem Museumsgebäude – mit welchen Augen hätte Kirchner gesehen oder welches war das kulturelle Umfeld Kirchners? - Räumliche und erschließungsmäßige Lösung – wie wird im 20. Jh. ausgestellt? - Übergreifende Verknüpfung zwischen Gehbereich und Ausstellungsbereich und der daraus folgende architektonische Ausdruck - Lichtführung und Lichtqualität – hat das Licht eine architektonische Absicht oder stellt es ein freiwilliges Merkmal dar? - Etappierungs- und Realisierungsmöglichkeiten222

Am zweiten Tag stellten die Architekten ihre Entwürfe persönlich vor.223 Nach einer ersten Entscheidungsrunde schieden die Projekte von Krähenbühl und Meisser/Barandun aus [Abb. 40].224

215 Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos, 7. August 1989. 216 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 217 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 218 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 219 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 220 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 221 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 222 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 223 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 224 Der Entwurf von U. Krähenbühl ist im Kirchner Museum nicht erhalten. Das Wettbewerbsmodell des Projekts von Christian Meisser und Georg Barandun wird im Archiv des Museums aufbewahrt. Es zeigt den 32

Im Bericht der Jury wurden die beiden verbliebenen Entwürfe von Gigon/Guyer und Gisel einander gegenübergestellt [Abb. 33, 41].225 Die Entscheidung scheint anhand stilistischer Kriterien gefällt worden zu sein.226 Betrachtet wurde die Beziehung zwischen dem Bauvolumen und der sowohl realen als auch der nicht fassbaren („in absentia“227) Umgebung. Gemeint zu sein scheint hier das raumgreifende Moment der beiden Museumsbauten. Des Weiteren wurde die Funktion des Lichts als Mittel der „Bewegungsführung“228 und als „Beleg der Maßverhältnisse“229 zwischen Grundfläche und Höhe des Raums beurteilt. Als letzter Punkt ergab eine Bewertung der Außenform, dass der Entwurf von Gigon/Guyer aus additiven Raumkuben bestehe, Gisels Projekt eine perspektivische und fluchtpunktartige Gesamtwirkung durch eine „kontinuierliche fortlaufende Linie“230 habe, die sich durch die langgestreckten Räume ergebe.231 Funktionale museologische Aspekte wie Grundrissaufteilung, Wegführung, Aufteilung des Gebäudes in Ausstellungs- und Funktionsbereiche sowie das Belichtungskonzept der Säle wurden im Expertenbericht nicht diskutiert. Der Wettbewerb wurde am 20. Oktober 1989 durch Abstimmung entschieden. Die Jury entschied sich einstimmig für den Entwurf von Gigon/Guyer, der abschließend in einer dreiseitigen Würdigung als qualitätsvollster Bau beschrieben wurde.232 In der „Beschreibung und Beurteilung“233 des Abschlussberichts wurde der Entwurf nicht vor dem Hintergrund funktionaler Aspekte bewertet, vielmehr wurden stilistische Merkmale umschrieben, wie der „radikale [...] Übergang“ des Gebäudeabschlusses „zum Himmel“, „die abstrakte Linie“ von Sockel und Dachabschluss oder die Qualität des „diffusen, reglosen und schattenlosen Lichtes“, das „die Grenzen der Räume unaufdringlich“234 mache. Des Weiteren wurden Besucherwahrnehmungen vorweggenommen: „Das Werk und der wahrnehmende Mensch“

Bau als eine langgestreckte, gangartige Verkehrszone, an die zwei große, gegeneinander verschobene, halbkreisförmige Baukörper angefügt sind. In dem bergwärts orientierten Halbrund sollte ein großer Ausstellungssaal mit lateralen Fensterbändern untergebracht werden. Der talseitige Halbrundbau sollte in Büroräume und einen viertelkreisförmigen Ausstellungssaal unterteilt werden. 225 Ernst Gisels Entwurf liegt nur noch als Modell im Kirchner Museum vor. Sein Projekt hat die Form eines „A“. Zwei zum Tal orientierte langgestreckte, schmalrechteckige Ausstellungssäle sind leicht schräggestellt an einen ebenfalls langrechteckigen Baukörper angeschoben. Die innere Aufteilung ist nicht nachvollziehbar, da das Modell überwiegend keine abnehmbaren Dächer besitzt. Pläne sind nicht erhalten. 226 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 227 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 228 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 229 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 230 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 231 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 232 Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos, 7. August 1989. 233 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 234 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 33 würden „[...] im gleichen Licht stehen“, durch die Parallelität von „Boden und Decke [...] zum und vom Werk begleitet“235. Auf dem Grundstück des heutigen Museums lagen vorher die Tennisplätze des Hotels Belvedere. In den 80er Jahren kaufte es die Gemeinde Davos und stellte es als Beitrag der Gemeinde Davos zum Museumsprojekt dem Kirchner Verein „für 100 Jahre zur Verfügung“236. Den ersten Spatenstich machten am 2. April 1991 Roman Norbert Ketterer und seine Frau Rosemarie Ketterer.237 Genaue Angaben zum Bauverlauf gibt es nicht. Anhand des Fotomaterials im Archiv des Kirchner Museums kann der Verlauf durch einzelne Eckdaten umrissen werden. Am 3. Mai 1991 wurde eine Zeitkapsel in die Fundamente einbetoniert.238 Ende Juni 1991 waren die tragenden Betonwände des Untergeschosses und die Bodenplatte des Erdgeschosses fertig, die Verschalungen für die tragenden Wände des Erdgeschosses waren teilweise aufgestellt.239 Erste Aufnahmen von fertigen Wänden der Ausstellungsräume liegen aus dem Juli 1991 vor.240 Auf den 24. und 26. Juli datierte Bilder zeigen die Montage der ersten Metallkonstruktionen für die Oberlichthäuser.241 Die Glasscherben wurden vom 21. bis 28. August 1991 auf den Dächern verteilt. Weitere Fotos vom 12., 18. und 19. September zeigen das Gebäude mit fertiggestellten Oberlichthäusern und dem "Glaskies" auf den Dächern.242 Das Aufrichtfest wurde am 27. September 1991 gefeiert.243 Im Oktober 1991 verkleidete man die Außenwände des Gebäudes mit den Glasscheiben.244 Aus dem Jahr 1992 liegen keinerlei Bilder vor. In diesem Jahr muss der Innenausbau durchgeführt worden sein. Die Eröffnung des Museums erfolgte am 4. September 1992.245

235 Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989. 236 Das Grundstück wurde um 1900 terrassiert, um eine Garten-Wandelbahn für die Hotelgäste zu schaffen. In den 1920er Jahren wurden Tennisplätze angelegt. Archiv Kirchner Museum, Davos: Ernst Ludwig Kirchner Museum Davos – Studienauftrag des Kirchner Vereins Davos – Bericht 20. Oktober 1989 – A. Gigon & M. Guyer Architekten; Reinhard Müller-Mehlis: Ursprüngliches Paradies – In Davos wurde das Ernst-Ludwig- Kirchner-Museum eröffnet, in: Münchner Merkur (9. September 1992). 237 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. 238 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. 239 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. 240 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. 241 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. 242 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. 243 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. 244 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. 245 Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv. 34

2. Erweiterung Kunstmuseum Winterthur/Zürich (1993, 1994-95) a) Literaturbericht

Die Erweiterung in Winterthur wurde vielfach publiziert. Zum ersten Mal erwähnt wurde sie 1994 mit einer kurzen Beschreibung und Fotos des Modells im Katalog des Centre PasqArt in Biel. Hingewiesen wurde auf die Gegensätzlichkeit eines Außenbaus aus kostengünstigen, demontierbaren Materialien und eines massiven, hochwertigen Innenausbaus.246 Die Fertigstellung des Anbaus nahm das Kunstmuseum Winterthur zum Anlass, einen Rückblick über die Geschichte des Hauses zu veröffentlichen. In mehreren Beiträgen wurde die Entstehungsgeschichte des Alt- und des Neubaus erzählt und die Dringlichkeit der Erweiterung betont.247 Direkt nach der Eröffnung schlug Arthur Rüegg einen zunächst kritischen Ton an. Er warf den „Publikationsplänen“ vor, sie würden mit „selbstbewußtem Understatement [...] keine Linie zuviel zeigen“248. Der Altbau von Rittmeister & Furrer und die „Liebewiese“ würden auf den Plänen gar nicht erst erscheinen, was von „einer Bezogenheit auf sich selbst“ spräche, die „Solitärbauten“ zu eigen sei, die „sich keinen Deut um den spezifischen Ort des Eingriffs kümmern“249. Den einfachen Grundriss führte er auf das knappe Budget des Provisoriums zurück.250 Sein kritisches Urteil relativierte er in der weiteren Betrachtung der Bauteile. Dabei wies er auf die Charakteristika der Grund- und Aufrissbildung hin. Er diskutierte die „dividierte Grundrissbildung, die Lage der damit verbundenen Wirkung der Türöffnungen, die Nähe des Ausstellungsbaus zu Industriearchitektur sowie die Materialverwendung“251. Treffend führte er aus, dass das Grundrissrechteck in Saalfolgen „dividiert“ wäre, im Gegensatz zum „addierten“252 Grundriss des Kirchner Museums in

246 Centre PasquArt 1994, 34-35. 247 Urs Widmer: Das Kunstmuseum Winterthur im Wandel der Jahrzehnte, in: Kunstmuseum Winterthur – Das Museumsgebäude von Rittmeister & Furrer – Der Erweiterungsbau von Gigon/Guyer, Winterthur 1995, 7- 12, 7; Dorothée Huber: Ein Museumsprovisorium, in: Kunstmuseum Winterthur – Das Museumsgebäude von Rittmeister & Furrer – Der Erweiterungsbau von Gigon/Guyer, Winterthur 1995, 23-27; Dieter Schwarz: Neue Räume für das Kunstmuseum Winterthur, in: Kunstmuseum Winterthur – Das Museumsgebäude von Rittmeister & Furrer – Der Erweiterungsbau von Gigon/Guyer, Winterthur 1995, 29-36, 29ff. 248 Arthur Rüegg: Permanenz und Vergänglichkeit, in: Archithese 1 (1996) 52-57, 52. 249 Rüegg 1996, 52. 250 Rüegg 1996, 52. 251 Rüegg 1996, 54f. 252 Rüegg 1996, 54. 35

Davos als Folge der platzsparenden und zurückhaltenden Konzeption des Anbaus.253 In seinem Artikel wurden erstmals Pläne veröffentlicht.254 Eine kurze Meldung zum Provisorium erschien zudem in der Zeitschrift des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverbandes SIA.255 Ende des Jahres veröffentlichte Gerhard Mack einen Aufsatz im Schweizer Kunst Bulletin. Zum Auftakt beschrieb er den Anbau als „Gebäude in der Schwebe zwischen Industriebau und Museum“256. Rudolf Schmitz verfasste 1996 einen Artikel zu industriearchitektur-nahen Museen, in dem er die Erweiterung in Winterthur als Beispiel aufführte.257 Er wies auf den „industrial way of building“ und die „corresponding materials“258 des temporären Anbaus hin, was er als eine Folge eines neuen Phänomens – einer Art produzierender Kultur-Industrie – ansah. Den Gebrauch der vorgefertigten Glaspaneele beschrieb er als „pragmatic“ und „analytical“259. Zudem bemerkte er die „pilotis“260 und den Schichtenaufbau der Fassaden. Ebenfalls 1996 ordnete Lutz Windhöfel den Erweiterungsbau in einem zwei Seiten umfassenden Artikel in der Schweizerischen Technischen Zeitschrift in die Entwicklung der Museumsarchitektur in der Schweiz ein. In der Erweiterung von Gigon/Guyer sah er ein „sich wandelndes Geschichtsverständnis“261. Nach den Umnutzungen und angepassten bzw. untergeordneten Umbauten und Erweiterungen von Basel und Bern sei in Winterthur der erste formal und materialmäßig eigenständige Anbau an einen Altbau realisiert worden.262 Wie bereits im Literaturbericht zum Kirchner Museum erwähnt, nahm Matthias Bräm die Fertigstellung des Erweiterungsbaus zum Anlass, den ersten Artikel zu Gigon/Guyer in der japanischen Zeitschrift Architecture & Urbanism zu publizieren, der die Architekten in der Folge zu "Stammgästen" in dieser Zeitschrift werden ließ.263 Weitere internationale Erwähnung fand die Erweiterung in Spanien und Frankreich.264

253 Rüegg 1996, 54. 254 Rüegg 1996, 54, 55. 255 A.A.: Zwei ungewöhnliche Glasbauten – Provisorium für Kunstmuseum Winterthur – Der neue Flughafen von Graz, in: SIA – Schweizer Ingenieur und Architekt 51/52 (1995) 24. 256 Mack 1995, 20. 257 Rudolf Schmitz: Kunstruimte en fabrieksgebouw – Nieuwe musea in Winterthur en Zürich – Art spaces and factory building, in: Archis 8 (1996) 36-41. 258 Schmitz 1996, 36. 259 Schmitz 1996, 37. 260 Schmitz 1996, 37. 261 Windhöfel 1996, 42. 262 Windhöfel 1996, 42. 263 Bräm 1996, 8. 264 A.A.: Oficio del arte – Ampliación del Museo de Winterthur, in: Aquitectura Viva 49 (1996) 78-81; A.A.: Le Provisoire Sublimé Winterthur – Suisse – Annette Gigon et Mike Guyer, in: Architecture intérieur créé 272 (1996) 48-61. 36

Als Wettbewerber beim Mies van der Rohe Award 1997 wurde das Provisorium zudem mit einem kurzen Text in den zugehörigen Katalog aufgenommen.265 Ein beschreibender Artikel erschien in der französischen Architecture & technices und der japanischen SD – Space – Design.266 1998 besprach Victoria Newhouse den Anbau als einen „im Stil renovierter Industriearchitektur gestalteten“267 Ausstellungsbau. Nach ihr verwendeten Gigon/Guyer „industriell vorgefertigte Teile in einer besonders innovativen Weise“268. Arthur Rüeggs bereits erwähnte Publikation Fenster – Fassade aus dem Jahr 1998 beinhaltete eine von den Architekten selbst verfasste Beschreibung.269 Die Architekten betonten in ihrem Beitrag das Ziel der Kostenminimierung und die daraus resultierenden Aufgaben und Probleme. Auf die Ausführungen der Architekten folgte eine Beschreibung des technischen Aufbaus der Fassaden und der Fenster durch Arthur Rüegg.270 Eine weitere fast identische Beschreibung der Architekten wurde 2000 bei Christoph Bürkle publiziert. In ihr wiesen sie vor allem auf die Einfachheit des Ausstellungsbaus hin.271 Betont wurde, dass die verwendeten Materialien der beschränkten Lebensdauer des Baus entsprechen sollten und daher „additive, rasch montier- und demontierbare, rezyklierbare“272 Komponenten verbaut wurden. Im Innenraum sollte nicht der Eindruck eines low-budget Provisoriums erweckt werden. Hier wurde Wert auf „gewohnte, dauerhafte und möglichst fugenlose“273 Werkstoffe gelegt. In der ebenfalls von Annette Gigon und Mike Guyer verfassten Publikation von 2000 zu dem Vortrag an der University of Michigan äußerten sie sich zu funktionalen und ideellen Zusammenhängen.274 Zum ersten Mal gingen sie auf die kostengünstig konzipierten Sheds ein, bei denen auf jegliche manuelle oder mechanische Lichtregulierung verzichtet werden musste.275 Den Konflikt zwischen kostengünstigem Provisorium und repräsentativem Ausstellungsgebäude nannten die Architekten „janus-like“276.

265 Fundació Mies van der Rohe/Diane Grey: 5th Mies van der Rohe Pavilion Award for European Architecture, Mailand 1997, 68-71. 266 A.A.: Force silencieuse – Extension du musée d`art, Winterthur, in: Architecture & technices 431 (Mai 1997) 50-53; A.A.: Extension of the Winterthur Museum of Art, in: SD – Space – Design 9710 (1993) 28-32. 267 Newhouse 1998, 110. 268 Newhouse 1998, 110. 269 Rüegg/Rehsteiner/Wirth 1998, 24-29. 270 Rüegg/Rehsteiner/Wirth 1998, 28-29. 271 Bürkle 20001, 80-99. 272 Bürkle 20001, 85. 273 Bürkle 20001, 85. 274 Gigon/Guyer 2000, 26. 275 Gigon/Guyer 2000, 30, 34. 276 Gigon/Guyer 2000, 30. 37

Im Beitrag zur Erweiterung Winterthur in der El Croquis wurde sehr ausführlich auf das janus-gesichtige Problem der scheinbaren Permanenz des Provisoriums eingegangen.277 Die qualitativ hochwertigen Farbabbildungen zeigten endlich auch Details wie die Passerelle.278 Im Literaturbericht zum Kirchner Museum Davos wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Erweiterungsbau 2002 in Christoph Allenspachs Überblick erwähnt wurde. Neben Davos führte er die Erweiterung als Beispiel für die Aufwertung von „armen Materialien“ an.279 In der im selben Jahr erschienen Museumsmonografie von Frank Maier-Solgk wurde die Erweiterung ebenfalls aufgeführt.280 Seine Beschreibung brachte nichts Neues, erneut betont wurde die Qualität des Baus als „kühler sachlicher Hintergrund für die Kunst“281. 2003 diskutierte Philip Ursprung Gemeinsamkeiten des Anbaus mit der ʺMinimal Artʺ, die er in der Verwendung industrieller Materialien und der Tendenz zu serieller Wiederholung sah.282 Fünf Jahre später bildete Geraldine Zschokke die Erweiterung in ihrem Artikel über Minimalismus in der Kunst, Architektur und Mode nur ab und verzichtete auf einen Verweis im Text.283 In einer Überschau von Projekten, an denen das Ingenieurbüro von Jürg Conzett, Gianfranco Bronzini und Patrick Gartmann beteiligt war, kam der Erweiterungsbau in Winterthur 2011 ebenfalls mit einer kurzen Projektbeschreibung vor.284 Der Literaturbericht zeigt, dass der Erweiterungsbau des Kunstmuseums Winterthur als zweiter realisierter Ausstellungsbau von Gigon/Guyer oft mit dem Kirchner Museum verglichen wurde. Neben den üblichen Beschreibungen enthielten die Beiträge häufig Vergleiche der beiden Bauten. Wie beim Kirchner Museum waren Arthur Rüeggs Beiträge differenzierter als die restlichen Publikationen. Er wies auch auf Unterschiede zwischen Davos und Winterthur in der Verwendung des Materials Glas und in der Grundrissbildung hin.285 Die Nähe zu Industriearchitektur wurde zwar von einigen Autoren besprochen, bis auf Victoria Newhouse erkannte darin jedoch kein Autor einen eigenen Typ oder führte

277 A.A. 200011, 60. 278 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009 ; A.A. 200011, 56-73. 279 Allenspach 2002, 143. 280 Maier-Solgk 2002, 237-247. 281 Maier-Solgk 2002, 240. 282 Philip Ursprung: Gigon/Guyer, in: Andreas Ruby/Ilka Ruby/Angeli Sachs u.a. (Hrsg.): Minimal Architecture, München 2003, 44-47, 44. 283 Geraldine Zschokke: Minimalismus – Wenn weniger dran ist, muss mehr drin sein, in: Designmagazin Inform 4 (2008) 8-12. 284 Jürg Conzett/Gianfranco Bronzini/Patrick Gartmann: Forme di strutture – forms of structures, Milano 2011, 48-51. 285 Rüegg 1996, 54f. 38

Vergleichsbauten auf.286 Das Motiv der Stützen wurde erstaunlicherweise kaum erwähnt, obwohl es den Bau grundlegend prägt. Der Typ des Museums auf Stützen wurde nicht benannt und somit auch nicht achitekturhistorisch untersucht. Das Thema des Verhältnisses zwischen Alt- und Neubau wurde nur 1996 von Lutz Windhöfel in seinem drei Seiten umfassenden Artikel besprochen, der einen ersten Ansatz einer Einordnung darstellte, die jedoch noch vertieft werden kann.287 Besonders schwer wiegt, dass das hochaktuelle Thema der ephemeren Museumsarchitektur bisher nur als Tatsache benannt, aber sowohl im Generellen als auch für das Werk von Gigon/Guyer noch nicht besprochen wurde.

b) Quellenbericht ba) Bildquellen

Etliche Bildquellen geben Aufschluss über die Entwicklungsschritte der Erweiterung: 1) Die Projekte der sechs am Wettbewerb beteiligten Büros sind im Bericht der Beurteilungskommission mit einer Fotografie des eingereichten Modells und einem Lageplan aufgeführt.288 Dieser zeigt das Kunstmuseum im Grundriss und den entworfenen Anbau in Aufsicht auf das Dach. Der Grundriss des jeweiligen Erweiterungsvorschlags wird nicht gezeigt. Er kann nur indirekt durch die Erläuterungen erschlossen werden. 2) Von den sechs Wettbewerbsmodellen werden fünf im Archiv des Kunstmuseums aufbewahrt. Das Modell der Architekten Kreis, Schaad, Schaad aus Zürich fehlt [Abb. 53-59].289 3) Im Büro Gigon/Guyer wurden Pläne eingesehen, die verschiedene Entwicklungsstufen des Entwurfs dokumentieren [Abb. 60-65].290 4) Im Archiv des Büros Gigon/Guyer werden Handzeichnungen aus der Entwurfs- und Planungsphase aufbewahrt. Die Skizzen dokumentieren alle Entwicklungsstufen des Projektes [Abb. 66-69]. In Zusammenhang mit den persönlichen Erläuterungen der Architektin sind sie die wichtigsten Quellen.291

286 Newhouse 1998, 110. 287 Windhöfel 1996, 42f. 288 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 289 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Modelle. 290 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne – Museumsprovisorium Winterthur. 291 Archiv Gigon/Guyer, Zürich; Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 39

5) Die Baueingabe vom 29. März 1994 beinhaltet den endgültigen Entwurf, der der Baubehörde zur Bewilligung vorgelegt wurde; zudem einen Übersichtsplan, Grundrisse des Erdgeschosses mit den Parkplätzen, des ersten Obergeschosses, einen Grundriss, der das Niveau der Passerelle zeigt, Quer- und Längsschnitte und Ansichten aller Gebäudeseiten [Abb. 70-78].292

bb) Textquellen

Es konnten im Museum aufbewahrte Bauakten und Dokumente aus dem Archiv des Architektenbüros eingesehen werden. Verwendet wurden folgende Unterlagen: 1) Das Programm des am 27. September 1993 ausgeschriebenen Wettbewerbs, das die beteiligten Architekten, die Jurymitglieder sowie die Vorstellungen für den Projektauftrag nennt.293 2) Ein nicht weiter spezifiziertes Schreiben, in dem Fragen der Architekten zum Wettbewerbsprojekt und die Antworten festgehalten sind.294 3) Der Wettbewerbsentwurf wurde im Verlauf der Planung weiterentwickelt. Eine zweite abgeänderte Variante wurde erstellt, die auf den 11. Januar 1994 datiert ist.295 4) Zwei Schreiben des Kunstmuseums Winterthur vom 12. Juli 1993 und 16. August 1993, die Termine auflisten.296 5) Ein auf Dezember 1993 datierter Vorprüfungsbericht und zwei Protokolle von Vorprüfungsrundgängen mit Vertretern der Feuer- und Baupolizei, die Aufschluss geben über eine erste Bewertung duch die Wettbewerbskommission.297 6) Der Bericht der Beurteilungskommission, der nach der Entscheidung der Jury als Dokumentation des Wettbewerbverlaufs verfasst wurde. In ihm werden die Entscheidungskriterien der Jury festgehalten.298

292 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Baueingabe vom 29. März 1994. 293 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 294 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Projektauftrag Museumsprovisorium – Eingegangene Fragen und Antworten. 295 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Museumsprovisorium Winterthur – Wettbewerbsprojekt – 3. Dezember 1993. 296 Die Empfänger der Schreiben waren nicht ersichtlich. Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Schreiben des Kunstmuseums Winterthurs vom 12. Juli 1993: Museums Provisorium – Nächste Daten 1993; Schreiben des Kunstmuseums Winterthurs vom 16. August 1993: Museums Provisorium – Termine. 297 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Vorprüfungsbericht Dezember 1993; Schreiben des Kunstmuseums Winterthur vom 10. Dezember 1993: Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur; Schreiben des Kunstmuseums Winterthur vom 13. Dezember 1993: Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur. 40

7) Eine Liste von Daten der Bauarbeiten zwischen September 1993 bis November 1995, die eine Pressemitteilung vom 23. September 1994 festhält.299 8) Protokolle der Sitzungen der Baukommission, mit denen nachvollzogen werden kann, welche Details des Entwurfs von Gigon/Guyer überarbeitet wurden. Zitiert wird das Protokoll vom 17. März 1994.300 9) Protokolle von Besprechungen vor dem Stadtrat, die Änderungen des Ursprungsentwurfs verdeutlichten.301 10) Eine Pressemitteilung vom 31. März 1994, die den Verlauf der Planung nachvollziehbar macht.302 11) Drei Terminpläne der Planungs- und Bauarbeiten zeigen den Verlauf der Ausführung.303

c) Vorgeschichte

Der Kunstverein Winterthur wurde 1848 gegründet.304 Die ersten Kunstschauen wurden als „Schweizer Kunstausstellungen“305 in dem damals neu erbauten Knabenschulhaus, der heutigen Sammlung Oskar Reinhart am Stadtgarten, im Waaghaus an der Marktgasse 25, der heutigen Kunsthalle, oder im Stadthaus veranstaltet. Eine dauerhafte Ausstellung der Sammlung des Kunstvereins wurde in einzelnen Räumen des Waaghauses realisiert.306 1909 hatten der Bibliothekskonvent und der Kunstverein 425.000 Franken durch Stiftungen für ein Bibliotheks- und Museumsgebäude gesammelt. Am 15. Mai 1913 begann man mit der Erbauung des Kunstmuseums durch die Architekten Robert Rittmeister und Walter Furrer.307 Ende 1915 konnte der Bau fertiggestellt und am 2. Januar 1916 eingeweiht werden. Im Neubau wurden die Kunstsammlung und die Ausstellungsräume des Kunstvereins Winterthur, die Stadtbibliothek und die naturwissenschaftlichen Sammlungen untergebracht.

298 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 299 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Pressemitteilung: Museumserweiterung Liebewiese – Termine. 300 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Protokoll „Arbeitsgruppe Bau“ Nr. 5-17. März 1994. 301 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kurzprotokoll Stadtrat – 30. März 1994. 302 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Pressemitteilung: Bisherige Ereignisse – 31. März 1994. 303 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Provisorium Winterthur – Terminplan vom 2. März 1994; Terminplan Museumserweiterung Winterthur vom 28. November 1994; Museumsprovisorium Winterthur – Terminplan Herbst 1994. 304 Paolo Brändli: Geschichte des Kunstvereins Winterthur seit seiner Gründung 1848 (Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur 321), Winterthur 1990, 12. 305 Widmer 1995, 7. 306 Widmer 1995, 7. 307 Preiß 1992, 156, 161; Allenspach 2002, 47ff. 41

Die Bestände wuchsen über die Jahrzehnte an, erste Maßnahmen zur besseren Raumnutzung wurden in den 60er Jahren durchgeführt.308 1982 scheiterten Überlegungen aufgrund der Ablehnung durch die Stadtoberen, die naturwissenschaftliche Sammlung auszulagern.309 Erweiterungsmöglichkeiten durch einen Ausbau des bestehenden Gebäudes, durch Um- oder Neubauten in direkter Umgebung oder externe Lösungen wurden fortlaufend geprüft. Finanziell auf Dauer sinnvoll erschien nur eine an den Altbau direkt angeschlossene Erweiterung auf der „Liebewiese“.310 Im Februar 1982 wurde versucht, dieser Möglichkeit ein Gesicht zu geben, indem man einen offenen „Ideenwettbewerb“311 ausschrieb. 139 Projekte wurden eingereicht.312 Aufgrund städtebaulicher Bedenken wurde keiner der Vorschläge realisiert. Das Resultat aus dem Ideenwettbewerb war, dass eine der drei Institutionen des Kunstmuseums ausgelagert werden sollte. Dieser als „Museumskonzept 2000“313 bezeichnete und 1988 und 1989 ausgearbeitete Plan sah vor, die Naturwissenschaftliche Sammlung im Gewerbemuseum im Tösserhaus und in dessen Nachbargebäude in der Oberen Kirchgasse 6 neu einzurichten.314 Am 27. September 1992 wurde diese Möglichkeit per Volksentscheid abgelehnt.315

308 Widmer 1995, 8. 309 Widmer 1995, 10. 310 Widmer 1995, 10. 311 Widmer 1995, 10. 312 Der Ideenwettbewerb im Februar 1993 wird in der Literatur nur bei Widmer 1995, in einem anonymen Artikel in der Zeitschrift Aktuelles Bauen sowie in der Tagespresse erwähnt. Dort werden die drei ersten und das mit dem fünften Preis prämierte Projekt vorgestellt: 1. Long John (Peter Ch. Schaad, Zürich): Für diesen Entwurf hätte der Nordflügel des Altbaus abgerissen und durch einen halbrund abgeschlossenen Langbau, der sich parallel zur Lindstraße über die „Liebewiese“ erstreckt hätte, ersetzt werden müssen. Im Innern wäre der Langbau im Erdgeschoss in Räume für die naturwissenschaftliche Sammlung und darüber in eine dreigeschossige Bibliothek mit in der Mittelachse liegender Oberlichthalle unterteilt worden. 2. Xerox (Theo Hotz, Zürich): Dieser Entwurf zeigt eine trapezförmige Shedhalle, die sich an den A-förmigen Grundriss des Altbaus anschließt. Das Erdgeschoss sollte hier für eine nur durch Regale gegliederte Bibliothekshalle zur Verfügung stehen. Im 1. und 2. OG sollte das Kunstmuseum Ausstellungsraum in Form einer „großräumigen, gut belichteten und frei unterteilbaren Fläche“ erhalten. 3. Licht (Fischer Architekten, Zürich): Einen eigenständigen Weg beschritt das dritt-platzierte Projekt mit einem verglasten Lichthof im Altbau, der die naturwissenschaftliche Sammlung aufgenommen hätte. Ein durch eine breite „Kontaktzone“ an den Altbau angedockter „verglaster Skelettbau“ scheint nach dem abgebildeten Grundriss kleinteilige Räume für den Betrieb der Stadtbibliothek und eine große ungegliederte Halle als Lesesaal aufzunehmen. Neue Ausstellungsräume hätte das Kunstmuseum durch die Umnutzung des ehemaligen Bibliotheksmagazins im Altbau erhalten. 5. September (Karl Dudler, Buchen): Eine ebenfalls originäre Lösung zeigt dieser Vorschlag. Vorgesehen war hier ein Bibliotheksneubau auf der „Liebewiese“ und an der Ostseite des Neu- und Altbaus in regelmäßigen Abständen aufgereihte, dreigeschossige Würfelanbauten, die „trotz massiver Vorstöße und vielen zu kleinen Räumen einen wertvollen Beitrag zur Projektfindung“ darstellten. Widmer 1995, 10; A.A.: Pflicht und Kür, in: Aktuelles Bauen 1/2 (1984) 17-19 [A.A. 19844]; A.A.: Ausbau der Winterthurer Museumsbetriebe – Konzept für eine umfassende Präsentation der Kunstsammlungen, in: Neue Zürcher Zeitung (22. Dezember 1989). 313 Widmer 1995, 10. 314 Widmer 1995, 10; A.A. 1989. 315 Mack 1995, 20. 42

Aufgrund der schwierigen Raumsituation hielt der Kunstverein an seiner Idee fest. Am 14. April 1993 beschloss der Vorstand ein „Museumsprovisorium“316 auf der „Liebewiese“. Die städtischen Behörden stimmten einem Provisorium für 10 Jahre unter der Bedingung zu, dass die Parkplätze auf der „Liebewiese“ erhalten blieben.317 Um die Finanzierung unabhängig von der Stadt realisieren zu können, wurde am 11. Mai 1993 ein Fonds zum Sammeln von Schenkungsgeldern gegründet. Bereits am 12. Juli 1994 waren 4 Mio. Franken durch Stiftungen von Privatleuten, Unternehmen und Mitgliedern des Kunstvereins zusammengekommen, so dass der Baukredit in Höhe von 4,5 Mio. Franken bewilligt wurde. Ende 1994 deckte der Fonds den gesamten Kredit.318

d) Baubeschreibung da) Gesamtanlage

Der dreiflügelige Altbau des Kunstmuseums Winterthur hat im Gesamtgrundriss die Form eines „A“ [Abb. 79]. Er liegt nördlich der Altstadt, nahe dem Stadtgarten.319 Dem Museum gegenüber befindet sich eine Primarschule, in unmittelbarer Nähe stehen das Theater am Stadtgarten, das Stadthaus von Gottfried Semper und ein Gymnasium, in dem seit 1951 die Stiftung Oskar Reinhart untergebracht ist. In der Literatur wird die Bautengruppe als „Kulturforum“320 bezeichnet. Der Erweiterungsbau des Kunstmuseums wurde auf der ehemals mit einem Parkplatz bebauten „Liebewiese“ nördlich hinter dem Altbau errichtet [Abb. 42-45]. Eine etwa 2,5 m breite, geschlossene Passerelle verbindet ihn mit dem ersten Obergeschoss des Altbaus. Das ebene Gelände der „Liebewiese“ ist mit Rasen und Laubbäumen bepflanzt.

db) Grundriss

Die Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur hat einen langrechteckigen Gesamtgrundriss [Abb. 79]. Das Erdgeschoss der Parkgarage weist keinerlei Binnengliederung auf [Abb. 70]. In der Beletage wird das große Rechteck in drei Bahnen zu

316 Mack 1995, 20. 317 Mack 1995, 20. 318 Widmer 1995, 10. 319 Die trapezförmige Parzelle des Kunstmuseums und des Neubaus begrenzen im Süden die Museumsstraße, im Westen die Liebestraße, im Norden die St. Georgenstraße und im Osten die Lindstraße. Die Schauseite des Altbaus liegt an der Museumsstraße. 320 Rüegg 1996, 52. 43 je drei Rechteckräumen aufgeteilt. Die Raumfolgen sind durch versetzt liegende Durchgänge verbunden, die Reihen untereinander durch gegenüberliegende, fluchtende Öffnungen. Die zum Altbau hin orientierte südliche Schmalseite des Baus ist aus der dominanten Binnengliederung der Rechteckräume herausgenommen. Hier flankieren drei quadratische Kabinette und der Lastenaufzug den Eintritt der Passerelle [Abb. 79].

dc) Aufriss

Gigon/Guyer bauten in Winterthur eine zweigeschossige Shedhalle ohne hervorgehobene Schauseite [Abb. 42-45, 75-78]. Das Problem der zu erhaltenden Parkplätze wurde durch eine ebenerdige offene Garage gelöst, die als Unterbau der auf Pfeilern in Stahlkonstruktion ausgeführten Halle dient. Das Parkgeschoss wird durch im Abstand von wenigen Zentimetern aneinandergereihte Profilitglasbahnen geschlossen [Abb. 46]. Die Glasprofile sind semitransparent und scheinen leicht grünlich. Sie steigen von den betonierten Fundamenten ohne Sockel scheinbar aus dem Rasen hervor auf. Die breiten Einfahrtsöffnungen sind unverschlossen [Abb. 43]. Die Ausstellungsräume befinden sich im Obergeschoss, das ebenfalls durch schmale Glasbahnen verkleidet ist, die in Breite, Textur und Farbe mit denen des Unterbaus korrespondieren. Durch die leicht profilierten Glasbahnen hindurch sind die metallenen Isolierkassetten sichtbar. Sie geben der Fassade eine verschleierte Horizontalgliederung [Abb. 46]. Je ein großes, hochrechteckiges Fenster, das bis zum Fußboden der Ausstellungsräume reicht, befindet sich auf der Nord-, Ost- und Westseite des Gebäudes [Abb. 42-44]. Am Außenbau "öffnet" die Verglasung die Außenhaut auf der gesamten Höhe des Geschosses. Die innere Fensteröffnung nimmt nur etwa zwei Drittel der verglasten Fläche ein. Durch die äussere Scheibe werden ober- und unterhalb der Fensteröffnung die Isolierboxen aus Metall sichtbar, die am restlichen Bau durch die Profilitglasbahnen verschleiert sind [Abb. 46]. Die Verbindung zum Altbau wird auf Höhe seiner Beletage durch eine Passerelle hergestellt. Sie ist leicht aus der Mittelachse des Neubaus nach Westen versetzt und verbreitert sich trichterförmig zum Neubau [Abb. 45, 79]. Seitlich ist sie geschlossen und mit feuerverzinktem Blech verkleidet.321 Zwei Oberlichter belichten den Gang [Abb. 52]. An den Langseiten liegen zueinander versetzt am Ost- und Westende des Gebäudes metallene Feuertreppen.

321 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 44

Nach Norden gerichtete Sheds schließen die Erweiterungsbau nach oben hin ab [Abb. 44, 47]. Sie sind wie die Passerelle durch galvanisierte Bleche verkleidet, ihre Fensteröffnungen sind mit geätztem Glas versehen. Wegen des Kostendrucks wurden die Sheds nicht mit elektrischen Rollos oder regulierbarer Lichttechnik ausgestattet.322

dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume

Der Besucher betritt den Neubau über den Treppenkorridor der Passerelle. Wände, Decke und der Boden sind mit rotbraunen MDF-Platten belegt [Abb. 52]. Der Farbton der Innenausstattung erzeugt eine warme Atmosphäre und schwächt den Kontrast zwischen den mit Holzverkleidungen versehenen historischen Ausstellungssälen des Altbaus und den kühlen weißen Hallen des Neubaus ab. Alle Ausstellungsräume sind gleich ausgestattet. Sie besitzen einen grauen Ortbetonboden, weiß gestrichene Wände aus massiven Gipssteinen und in die Wände geschnittene unverkleidete Türdurchgänge [Abb. 48, 50, 51].323 Die neun großen Rechteckräume werden nach oben hin von den mit mattierter Verglasung versehenen Nordsheds abgeschlossen. Die drei kleinen Kabinette besitzen keine Fenster und werden nur durch in der Form eines Quadrats an der Decke befestigte Fluoreszenzröhren beleuchtet. Sie treten in ihrer Raumqualität hinter die großen Rechtecksäle zurück.

e) Planungs- und Baugeschichte

Der Kunstverein Winterthur veranstaltete Mitte September 1993 den Wettbewerb für das Erweiterungsprovisorium.324 Die Einladung ging an die Architekten Arnold Amsler/Winterthur, Otmar Gnädinger/Winterthur, Heinrich Irion/Winterthur, das Büro der Architekten Werner Kreis, Peter Schaad und Ulrich Schaad/Zürich, Gigon/Guyer/Zürich, und Joachim Mantel/Winterthur.325 Am 20. September 1993 fand eine Besprechung mit den Wettbewerbsteilnehmern und der Jury statt, bei der „Möglichkeiten“ der „Anregung zur Ausschreibung“326 angebracht

322 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 323 A.A. 200011, 61 ; Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 324 Der Text des Projekauftrages wurde am 13. September 1993 festgelegt, am 15. September 1993 wurde ein „Entwurf“ der Ausschreibung an die Wettbewerbsteilnehmer gesandt. Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Schreiben des Kunstmuseums Winterthurs vom 12. Juli 1993: Museums Provisorium – Nächste Daten 1993. 325 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 326 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 45 werden konnten. Es wurden zudem die Gebäudesituation des Altbaus und das Grundstück der „Liebewiese“ besichtigt.327 Am 27. September 1993 wurden die Wettbewerbsunterlagen an die Architekten versandt.328 In den allgemeinen Bestimmungen wurde festgehalten, dass das Provisorium für „ca. 10 Jahre“329 zu erstellen sei. Es sollte vom ersten Obergeschoss des Altbaus aus zugänglich sein und keinen eigenen Ein- und Ausgang besitzen. Zudem sollten die geplanten Kosten von 3,5 Mio. Franken nicht überschritten werden, auch wenn damit ein „Komfortverzicht“330 einher ginge. Eine weitere Auflage der Stadt Winterthur war, dass die Parkplätze erhalten blieben.331 Das Raumprogramm und die Ausstattung der Räume wurden im Programm ebenfalls beschrieben. Man wünschte zwei kleine Räume (10 bis 12 m²) und mittlere und große Säle (80 bis 90 m² bzw. 150 m²) mit einer Höhe von ca. 5 bis 6 m zur Ausstellung von „Werken der klassischen Moderne und der Gegenwartskunst“332. Die Wände sollten „möglichst wenig Unterbrüche erhalten“, Fenster nur „wenn überhaupt notwendig“333. Oberlicht sei „erwünscht“334, seitliche Fensterbänder dagegen nicht.335 Bis zum 8. Oktober war es den Architekten möglich, Fragen zu stellen, die in der Zeit bis zum 15. Oktober beantwortet wurden. Die eingegangenen Fragen betrafen u.a. genauere Angaben zum geologischen Untergrund des Grundstücks, die Ausmaße der Türdurchgänge. Festgehalten wurde, dass Räume ohne Naturlicht denkbar seien, da „für ein Provisorium gewisse Konzessionen“ 336 gemacht werden müssten.337

327 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 328 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 329 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 330 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 331 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 332 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 333 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 334 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 335 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993. 336 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Projektauftrag Museumsprovisorium – Eingegangene Fragen und Antworten. 337 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Projektauftrag Museumsprovisorium – Eingegangene Fragen und Antworten. 46

Die Abgabe der Entwürfe fand am 3. Dezember 1993 statt, die Modelle wurden am 10. Dezember eingereicht.338 Am 10. und 13. Dezember wurden die Projekte durch Vertreter der Feuerpolizei und der Baupolizei einer Vorprüfung unterzogen.339 Die Beurteilung erfolgte am 15. und 16. Dezember 1993. Die vom Kunstverein ausgewählte Jury setzte sich aus Architekten (Vorsitz: Peter Stutz/Winterthur, Katharina Steib/Basel, Roger Diener/Basel), dem Stadtbaumeister Winterthurs Ueli Scheibler, den Präsidenten des Galerievereins Heinrich Huber und des Kunstvereins Urs Widmer sowie „Experten“340 zusammen.341 Zu diesen zählten der Kurator Dieter Schwarz, der kantonale Denkmalpfleger Andreas Pfleghard, der städtische Kultursekretär Walter Büchi sowie der Zürcher Künstler und Designer Andreas Christen.342 In einer ersten Vorprüfungsrunde durch das Architekturbüro Stutz & Bolt/Winterthur, wurden die Projekte einander gegenübergestellt und in steckbriefartigen Beurteilungen überprüft (Einhaltung des Abgabetermins, Anzahl der erhaltenen Parkplätze, zu erwartende Ausstellungsfläche).343 Die Wettbewerbsbeiträge und die Entscheidung der Jury sind durch den „Bericht der Beurteilungskommission“ nachvollziehbar.344 Von den Wettbewerbsmodellen sind im Archiv des Kunstmuseums Winterthur nur fünf der sechs Projekte erhalten [Abb. 53-58].345 Im „Bericht der Beurteilungskommission“ wurden alle sechs vorgestellt [Abb. 59].346 Der

338 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebe wiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 339 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Schreiben vom 10. Dezember 1993: Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Vorprüfungsrundgang; Schreiben vom 13. Dezember 1993: Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Vorprüfungsrundgang. 340 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993; Schreiben des Kunstmuseums Winterthurs vom 12. Juli 1993: Museums Provisorium – Nächste Daten 1993. 341 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993; Schreiben des Kunstmuseums Winterthurs vom 12. Juli 1993: Museums Provisorium – Nächste Daten 1993. 342 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993; Schreiben des Kunstmuseums Winterthurs vom 12. Juli 1993: Museums Provisorium – Nächste Daten 1993. 343 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Vorprüfungsbericht Dezember 1993. 344 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 345 Das Modell zum Projekt „Ohne Titel“ von Kreis, Schaad, Schaad/Zürich ist aus unbekannten Gründen nicht im Archiv des Kunstmuseums Winterthur aufbewahrt. 346 Die Projekte der teilnehmenden Architekten waren: 1. Ohne Titel (Kreis, Schaad, Schaad/Zürich): Eingeschossiger rechteckiger Hallenbau mit den gesamten Bau überspannendem, gewölbten Dach mit rechteckigen Oberlichtern. Im Inneren befindet sich eine zweischiffige Halle ohne feste Raumgliederung. Bemängelt wurde die frei wählbare Unterteilung durch temporäre Raumtrenner, die „wenig geeignet für die Präsentation der Sammlung“ sei und an „temporäre Installationen in Messehallen“ erinnere. Unbrauchbar erscheint an diesem Entwurf auch, dass durch die Wölbung des Daches und die Vielzahl der kleinen Oberlichter jeder Raumabschnitt ein anderes Licht erhalten würde. 2. Vitruv (Otmar Gnädinger/Winterthur): 47

Gewinnervorschlag von Gigon/Guyer wurde im Bericht der Jury ausführlicher als die anderen Projekte bewertet [Abb. 53, 54, 61-65]. Positiv beurteilt wurde, dass der Altbau und das Kirchgemeindehaus „ihre städtebauliche Priorität“ behielten.347 Überzeugt war die Jury von den „gut proportionierten“ Räumen mit „bewusst gesetzten“348 variierenden Durchgängen, die eine flexible Wegführung erlauben.349 Auch die Großzügigkeit der auf einer Ebene liegenden Ausstellungsflächen und die vereinzelten Fenster zur Orientierung, als „Kontakt nach außen“350 und Besuchseinladung an Passanten, wurde gelobt.351 Die Belichtung mit Sheddächern sah man ambivalent. Einerseits würden die Sheds das in Museen notwendige Naturlicht von oben bieten, andererseits bestimme der Shedgiebel im Innern die Raumwirkung und könne Streifschatten hervorrufen.352 Abschließend wurde im Bericht bemerkt, dass die „schöne und gut durchdachte“ Außenhaut aus Glaselementen die Aufgabe des Erhalts der Parkplätze „überlegt“ und „gut entworfen“353 in das Projekt einschließe.

Zweigeschossiger, schmalrechteckiger Stützenbau, dessen innere Aufteilung im verbliebenen Archivmaterial nicht ersichtlich wird. Kritikpunkte waren hier „die komplizierte Tageslichtführung im unteren Ausstellungsgeschoss“ sowie die formale Anpassung der „klassisch kubischen“ Erweiterung an den Altbau, die jedoch ein Fehlen der „strukturellen inneren Beziehung“ aufweise. 3. Box (Heinrich Irion/Winterthur): Zweigeschossiger Rechteckbau auf Stützen, der in kleine und mittlere Räume sowie zwei große geschossübergreifende Oberlichtsäle geteilt werden sollte. Die großflächigen Oberlichter müssten mit kostenaufwendigen Segel- oder Lamellenkonstruktionen versehen werden. Insgesamt wurde der Vorschlag als „guter Beitrag“ bewertet, der jedoch zu aufwendig wäre. 4. Straight Through ( Joachim Mantel/Winterthur): schmalrechteckiges, zweigeschossiges auf Pfeilern ruhendes Oberlichtgebäude mit einem viel Raum beanspruchendem, gestaffelten Verbindungsgang zum Altbau auf der Nordseite. Der sehr autonom konzipierte Erweiterungsbau wäre somit nur über den Ausstellungsrundgang im Altbau erreichbar. Negativ wird die hohe qualitative Differenz zwischen dem ohne Naturlicht auskommenden Untergeschoss und dem shedbelichteten Obergeschoss bewertet. Vor allem die massive Konstruktion und die hohe Eigenständigkeit mache ihn mehr zu einem dauerhaften Erweiterungsbau als zu einem kostengünstigen Provisorium. 5. 9 Räume – Einige Fenster (Gigon/Guyer): s. Fließtext. 6. Kunstverein (Arnold Amsler/Winterthur): Parallel zur Liebestraße gestellter, zum Hauptbau des Museums also schräger Bau auf Pfeilern. Der aus dem Foyer des Altbaus hinüberführende Glaskorridor läuft aufgrund dieser „unklaren und unbestimmten Lage“ schräg auf die Erweiterung und fordert so einen Richtungswechsel des flanierenden Besuchers heraus. Der eingeschossige Großraum sollte durch ein eingehängtes Galeriegeschoss unterteilt werden, dessen Aufhängungssystem eventuell den Ausstellungsbetrieb behindern könnte. Zudem würden sich die Besucher des Ober- und Untergeschosses fortlaufend sehen, eine „konzentrierte Werkbetrachtung“ sei nirgends möglich. Die eher fragwürdige Belichtung sollte durch ein hochliegendes Seitenlichtband sichergestellt werden. Befürchtet wurde zudem, dass die „überinstrumentierte“ formale Gestaltung der Außenhaut den historischen Museumsbau „konkurrenzieren“ würde. Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 347 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 348 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 349 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 350 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 351 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 352 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 353Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium 48

Durch die Kaschierung der Autos würde dem „Gebäude mehr Ruhe im Ausdruck“354 gegeben. Die Vorzüge des Entwurfs von Gigon/Guyer führten zur positiven Entscheidung der Jury. Am Schluss des Beurteilungsberichts wird referiert, dass man das Projekt „9 Räume – Einige Fenster“355 weiter ausarbeiten wolle.356 In einer Feinprojektierung wurde der Entwurf weiter entwickelt. Bild- und Textquellen zeigen Weiterentwicklungen des Entwurfs, die wieder verworfen wurden. Eine auf den 11. Januar 1994 datierte „Variante B zum Wettbewerbsprojekt“357 zeigt eine abgeänderte Fassung, die in ihrem Geschossniveau höher gelegt und um drei Stützenachsen reduziert ist.358 Es wurde nochmals über eine zweigeschossige Ausstellungshalle mit seitenbelichtetem Untergeschoss nachgedacht.359 Gigon/Guyer suchten zu diesem Thema bereits während des Wettbewerbs den Rat eines Museumspraktikers.360 Sie befragten Bernhard Bürgi, den Leiter der Kunsthalle Zürich, welcher Bautyp zu favorisieren sei. Bürgi riet zu einer eingeschossigen Halle, die ein „Raumfluidum“361 zur Verfügung stellen und alle Funktionen auf einer Ebene zusammenfassen würde.362 Eine weitere Überlegung war, dass der Besucher auf der Höhe der "Beletage" des Altbaus in den Neubau hinüberschreiten können sollte.363 Beide Varianten, die verkürzte Version und der zweigeschossige Entwurf, wurden nicht weiter verfolgt. Zeichnungen aus dem Archiv des Büros zeigen, dass die Architekten über weitere Abwandlungen nachdachten. Verschiedene Motive bzw. Bauteile wurden variiert. Besonders die optische Vermischung von vertikaler und "verschleierter" horizontaler Fassadengliederung wurde in Zeichnungen ausgearbeitet [Abb. 66].364 Die Überlagerung von vertikal gereihten Profilitgläsern und dahinterliegenden, horizontal gestapelten Isolationskassetten sollte ein gestalterisches Spiel der Fassadenschichten erzeugen.365 Auch die Verbindung zum Altbau war Ausgangspunkt vielfältiger Überlegungen. Die Architekten experimentierten mit einer eingeschossig gerade verlaufenden oder, wie

Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 354 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 355 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 356 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 357Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne – Museumsprovisorium Winterthur. 358 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne – Museumsprovisorium Winterthur. 359 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne – Museumsprovisorium Winterthur. 360 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 361 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 362 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 363 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 364 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 365 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 49 schließlich ausgeführt, einer zweigeschossig trichterförmigen Passerelle. Überlegt wurde, den Verbindungsgang durch Fenster zu belichten.366 Die Innenausstattung der Passerelle wurde ebenfalls mehrfach überarbeitet. Man schwankte zwischen einer Auskleidung mit MDF- Platten in einem warmen Holzton, Gipswänden oder einer Aluminiumverkleidung. In Skizzen wurde auch die Möglichkeit der Ausstellung im Gang der Passerelle ausprobiert [Abb. 68].367 Ein weiterer Schwerpunkt war die Ausgestaltung der Ausstellungsräume. Hauptaugenmerk lag auf der Frage, wie viele Shedoberlichter einen Saal überfangen sollten. Anders als beim Projekt des Kunstmuseums Appenzell, ehem. Museum Liner, entschieden sich die Architekten für mehrere Sheds pro Raum, so dass ein vielfach gefalteter Deckenabschluss und eine Mehrfachbelichtung entstanden [Abb. 67].368 Dem Protokoll einer Stadtratssitzung ist zu entnehmen, dass man in der weiteren Planungsphase den Winkel der Sheddachgiebel veränderte. 369 Der Grund der Veränderung wird im Protokoll nicht genant. Zu vermuten ist, dass (ähnlich wie beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner) durch die Korrektur des Giebelwinkels die Bildung von Schlagschatten an den Wänden der Ausstellungsräume vermindert werden sollte. Auch Größe und Form der Fenster wurden überplant. Die „ursprüngliche Ausbildung mit einer Brüstung“370 gab man auf, da die Kommission bei viereckig in die Wand geschnittenen Fensteröffnungen eine „Konkurrenzsituation“371 mit den ausgestellten Bildern fürchtete. Die Architekten schlugen einfeldige Fenster mit einheitlicher Breite und drei verschiedenen Höhen sowie ein Zweifeld-Fenster vor. Das größere Zweifeld-Fenster sollte das Problem der am Außenbau optisch dominanten Notausgangstüren lindern. Im Innenraum stellte sich die Situation jedoch anders dar. Hier hätte ein Zweifeld-Fenster zu viel Hängefläche belegt und unerwünschte Assoziationen an „konventionelle Fenster“372 geweckt,

366 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 367 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 368 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 369 An den Sitzungen der „Arbeitsgruppe Bau“ im Stadtrat nahmen Vertreter des Kunstvereins und des Museums, Jurymitglieder und die Architekten sowie Mitarbeiter des Büros teil (Urs Widmer, Dieter Schwarz, Werner Hurter, Peter Stutz, Peter Saile sowie Annette Gigon und Mike Guyer mit ihren Mitarbeitern Stefan Gasser und Michael Widrig). Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Protokoll „Arbeitsgruppe Bau“ Nr. 5-17. März 1994. Weitere Besprechungen fanden vor dem Stadtrat statt. Hier trafen sich Mitglieder des Vorstandes des Kunstvereins, Stadträte und die Architekten. (Urs Widmer, R. Staub, A. R. Sulzer, Dieter Schwarz, M. Haas, Stadtpräsident, H. Vogt und R. Stahel (Stadträte) W. Büchi (Kultursekretär) und der Protokollist und Stadtschreiber Peter Saile). Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kurzprotokoll Stadtrat – 30. März 1994. 370 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Protokoll „Arbeitsgruppe Bau“ Nr. 5-17. März 1994. 371 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Protokoll „Arbeitsgruppe Bau“ Nr. 5-17. März 1994. 372 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Protokoll „Arbeitsgruppe Bau“ Nr. 5-17. März 1994. 50 wodurch der gewünschte Charakter des „unvermittelten Ausblicks“373 einer einfach in die Wand geschnittenen Öffnung verloren gegangen wäre.374 Ebenfalls geprüft wurden die Anordnungen der Durchgänge.375 Auf mehreren Skizzen sieht man unterschiedliche Gliederungen [Abb. 69]. Eingehend diskutiert wurden auch die Notausgänge, die keine „Anlieferungs- oder Hintereingangssituation“376 mit sich bringen sollten. Eine Einbindung der Notausgänge in die Gesamtheit des Baus sollte durch die Formulierung des Podests als eine „Ausstülpung des Metallkörpers“377 erreicht werden. Am 29. März 1993 wurde das Baugesuch bei der Stadt Winterthur eingereicht [Abb. 70-78].378 In der Baueingabe wurde der fertige Entwurf der Erweiterung präsentiert.379 Das Bewilligungsverfahren dauerte von April 1994 bis Ende Juli 1994. Erste Vorarbeiten auf der „Liebewiese“ nahm man im September 1994 in Angriff. Am 3. Oktober 1994 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Im Verlauf des Monats wurden die Fundamente gelegt und die Stahlarbeiten des Erdgeschosses durchgeführt. Im November 1994 folgte die Betondecke über dem Erdgeschoss, im Dezember die Stahlkonstruktion des Obergeschosses. Von Januar bis März des Jahres 1995 wurde am Dach und der gläsernen Gebäudehülle gearbeitet. Der Innenausbau erfolgte von April bis September 1995.380 Mit der Hängung der Bilder wurde am 1. Oktober 1995 begonnen. Die Eröffnung feierte man am 18. November 1995.381

3. Erweiterung Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“, Winterthur/Zürich (1993, 1995-98) a) Literaturbericht

Der Erweiterungsbau an die Sammlung Oskar Reinhart (SOR) in Winterthur wurde in der Literatur eher spärlich besprochen. Vermutlich zog der an ein bestehendes Ensemble angefügte Bau weniger Aufmerksamkeit auf sich als das Solitärmuseum in Davos und die Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur, der eine stadtpolitisch lange Vorgeschichte vorausging.

373 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Protokoll „Arbeitsgruppe Bau“ Nr. 5-17. März 1994. 374 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Protokoll „Arbeitsgruppe Bau“ Nr. 5-17. März 1994. Skizzen zu den Fenstervarianten konnten nicht gefunden werden. 375 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Protokoll „Arbeitsgruppe Bau“ Nr. 5-17. März 1994. 376 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 377 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 378 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Pressemitteilung: Bisherige Ereignisse – 31. März 1994. 379 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Baueingabe vom 29. März 1994. 380 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Pressemitteilung Museumserweiterung Liebewiese – Termine. 381 Widmer 1995, 7. 51

Erstmals besprochen wurde der Anbau 1999 durch Hubertus Adam.382 Sein detaillierter Artikel informierte über die Vorgeschichte, frühere Modernisierungsmaßnahmen und das Projekt von Gigon/Guyer, bei dem er die zurückhaltenden Eingriffe und die dezenten, angleichenden Motive beschrieb.383 Ebenfalls 1999 wurde der Anbau in der spanischen Arquitectura Viva vorgestellt.384 Eingegangen wurde auf die Vorgeschichte der SOR und die Anpassung des Neubaus an den Bestand bzw. den „genius loci“385 durch Materialverweise und Patinierung. Frank Maier-Solgk erwähnte den Anbau an die Villa „Am Römerholz“ 2002 in seinem Museumsbildband zusammen mit der Erweiterung des Kunstmuseums in Winterthur.386 Er fasste die wichtigsten Informationen knapp zusammen und ging in zwei Sätzen auf die Umbaumaßnahmen ein. Wie bei den anderen vor 2000 fertiggestellten Museen von Gigon/Guyer wurde in der Monografie von Christoph Bürkle eine Beschreibung der Architekten wiedergegeben. Als Umbaumaßnahmen am alten Galeriebau und Details zum Konzept der künstlichen Patina wurden genannt: Durch die Zumischung von Kalk und Kupfer zielte man auf eine „beschleunigte Patinierung, eine Art Zeitreise zu den beiden älteren, historisierenden Gebäudeteilen“ ab, „im Sinne einer alchemistischen Adaption des Neubaus an den genius loci“.387 Weitere Detailinformationen zu den Modernisierungen und – wie bereits erwähnt – hochwertige Fotos enthielt der Artikel in El Croquis.388 Vorgestellt wurde der Anbau auch 2001 in der japanischen Architects` Edition.389 Eine Erwähnung fand die SOR auch 2003 in dem von Hans Weidinger veröffentlichten Buch Patina – Neue Ästhetik in der zeitgenössischen Architektur, einer der wenigen Publikationen, in der ein Motiv, das typisch für die Museen von Gigon/Guyer ist, ansatzweise architekturhistorisch untersucht wurde.390 Weidinger stellte in seinem Text zur SOR heraus, dass die geschickt eingesetzten Baumotive (Staffelung der Bauteile nach oben

382Hubertus Adam: Reverenz an ein Landhaus – Gigon/Guyer – Umbau Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Winterthur – 1995-1998, in: Archithese 1 (1999) 58-61. 383 Adam 1999, 60. 384 A.A.: De arte y de alquimia – Museo Oskar Reinhart en Winterthur, in: Arquitectura Viva 68 (1999) 90-93. 385 A.A. 1999, 91. 386 Maier-Solgk 2002, 241f. 387 Bürkle 20001, 139. 388 A.A. 20002, 74-83. 389 A.A.: Extension and Renovation of the Oskar Reinhart Collection “Am Römerholz”, in: Architects` Edition 20 (2001) 50, 70-71. 390 Hans Weidinger: Patina – Neue Ästhetik in der zeitgenössischen Architektur, München 2003. 52 hin, Dachdeckung durch Kupferbleche) und Materialien und allem voran die Patinierung den Neubau an den Altbau anbinden.391 Schließlich wurde der Anbau 2006 mit einer allgemeinen Projektbeschreibung, die einige Hinweise auf technische Details enthielt, in einen Bildband zum Thema „Sichtbeton“ aufgenommen.392 Der kuze Literaturbericht zeigt, dass der Anbau an die SOR bisher nur ansatzweise besprochen wurde. Aufbauend auf Hans Weidinger soll im Folgenden die künstliche Patinierung für den Bereich der Museumsarchitektur untersucht werden.393 Zudem sollen auch die vernachlässigten Aspekte der Anbindung des Neubaus an den Bestand, die auch über die Konzeption der Ausstellungsräume hergestellt wurde (s. Kapitel B. I. 12. a), die Funktion des monographischen Museums und die Verwendung des Materials Beton in der Museumsarchitektur diskutiert werden.

b) Quellenbericht ba) Bildquellen

Bildmaterial wurde aus dem Archiv des Architektenbüros verwandt: 1) Im Archiv der Architekten sind Skizzen aufbewahrt.394 Sie zeigen Varianten der unten genauer vorgestellten drei Lösungsvorschläge, Studien zur Materialisierung der Fassaden und zur Oberlichtkonstruktion [Abb. 91-93]. 2) Im Archiv lagern auch Pläne zu den Umbauten im Altbau und dem Neubau der Erweiterung. In breiter Auswahl liegen die Baueingabepläne, Baupläne, Detailpläne und Darstellungen von technischen Anlagen vor. Aufgrund der Breite des Materials werden nur Bildquellen aufgeführt, die relevant sind [Abb. 87-90, 94-97, 99-100, 102].395 3) Zu den beiden „Lösungsvorschlägen B und C“ wurden Computersimulationen erstellt, die der Villa den Entwurf des Erweiterungsbaus an die Seite stellen [Abb. 98, 101].396 4) Die Situation vor den Sanierungsmaßnahmen ist durch Laienfotografien der Galerieräume und Keller dokumentiert.397

391 Weidinger 2003, 70-71. 392 Günter Pfeifer/Antje M. Liebers/Per Brauneck: Sichtbeton – Technologie und Gestalt, Düsseldorf 2006, 94- 101. 393 Weidinger 2003, 70f. 394 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 395 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 396 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 53

5) Vorarbeiten wurden ebenfalls fotografisch festgehalten. Für die Fassadenverkleidung wurden Materialien, Bearbeitungen und Einfärbungen getestet [Abb. 103, 104].398 Weitere Aufnahmen zeigen verschiedene Stoffe für die Wandbespannungen der Galerieräume.399

bb) Textquellen

Zur Erweiterung der SOR waren Textquellen schwer auffindbar. In der SOR selbst sollen nach Angaben der Museumsmitarbeiter keine Archivmaterialien über den Umbau vorliegen, da nach Fertigstellung alles dem Amt für Bundesbauten übergeben wurde. Dort gelten die Materialien als verschollen. Das für die vorliegende Arbeit verwandte Quellenmaterial stammt aus dem Archiv des Büros Gigon/Guyer: 1) Ähnlich einem Wettbewerbsprogramm listet eine „Bedürfnisabklärung“400 des Bundesamtes für Kultur in Bern alle gewünschten technischen und baulichen Veränderungen auf.401 2) Der von Gigon/Guyer ausgearbeitete Wettbewerbsvorschlag ist in einer Kopiensammlung dokumentiert.402 Diese „Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag“403 wurde für das Amt für Bundesbauten erstellt und diente als Erläuterung für die Mitglieder des Schweizer Parlaments, die über das Projekt abstimmten.404 In ihr werden drei Varianten der Sanierung und der baulichen Anpassungen des Altbaus vorgestellt. Zudem erhält es alle wichtigen Daten zum Bauvorhaben wie Auftraggeber, Mitwirkende und den Kostenvoranschlag.

397 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 398 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 399 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 400 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995. 401 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995. 402Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag. 403 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag, Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag. 404 Die SOR wird als Liegenschaft vom Amt für Bundesbauten verwaltet. Daher musste das Projekt ein langwieriges Bewilligungsverfahren innerhalb des Schweizer Parlaments durchlaufen. Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 4, Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag; Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag, Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts- Dokumentation mit Kostenvoranschlag. 54 c) Vorgeschichte

Oskar Reinhart (1885-1965) stammte aus einer wohlhabenden Winterthurer Kaufmannsfamilie. In seiner Studienzeit sammelte er Kunst, zunächst vor allem Grafik.405 Nach dem Tod des Vaters 1919 bezog er ein eigenes Haus in Winterthur und baute seine Sammlung durch Ölbilder aus.406 1923 bemerkte er in einem Brief an seinen Bruder, er habe seine Bilder nicht mehr zuhause hängen können, „die Frage, wie bringe ich meine Sammlung unter“ beschäftige ihn „täglich“407. 1924 kaufte er die Villa „Am Römerholz“ am Hang des Lindbergs oberhalb der Stadt Winterthur. Das Haus war 1913-15 von dem Genfer Architekten Maurice Turrettini (1878- 1932) für den Winterthurer Industriellen Heinrich Ziegler-Sulzer (1859-1930) im Stil einer französischen Renaissance-Villa erbaut worden.408 Oskar Reinhart beauftragt im folgenden Jahr Turrettini mit der Errichtung einer Galerie, um seine Privatsammlung angemessen ausstellen zu können. Nordwestlich des Wohngebäudes wurde ein Nebengebäude mit einem großen Ausstellungssaal mit Oberlichtlaterne und zwei an der Süd- und Ostseite angefügten kleinen Ausstellungssälen angebaut.409 Oskar Reinhart bemühte sich schon zu Lebzeiten um die Öffnung seiner Sammlung. Er wollte „den Menschen“ mit seinen „Kenntnissen“ und seinem Besitz „dienen“, die Kunstwerke gehörten nach seiner Meinung „in einem höheren Sinne der Allgemeinheit“410. Seine Privatsammlung soll jeden Donnerstag der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sein.411 1930 äußerte Reinhart dem Winterthurer Stadtrat gegenüber, er wolle einen Teil der Sammlung in einem separaten Museum ausstellen. Die Pläne für ein eigenes Museum konnten aufgrund des Zweiten Weltkrieges erst 1951 realisiert werden. In einem umgebauten Gymnasium eröffnete er zu Lebzeiten das Museum „Stiftung Oskar Reinhart“ (heute „Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten“). Im Jahr 1958 schenkte Oskar Reinhart seine

405 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Planungsgeschichte, 6, Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts- Dokumentation mit Kostenvoranschlag. 406 Christina Frehner/Matthias Frehner: Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ Winterthur (Museen der Schweiz), Zürich 1993, 9. 407 Frehner/Frehner 1993, 10; Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Planungsgeschichte, 6, Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag. 408 A.A. 20002, 74f. ; Frehner/Frehner 1993, 11. 409 A.A. 20002, 74. 410 Frehner/Frehner 1993, 12. 411 Frehner/Frehner 1993, 12. 55

Privatsammlung und die Villa „Am Römerholz“ der Schweizer Eidgenossenschaft.412 Nach dem Tod des Sammlers 1965 ging seine Sammlung als Stiftung in Staatsbesitz über.413 1968 begann man die Villa „Am Römerholz“ zu einem Museum auszubauen. Im Zuge der Umbauten wurden der Eingangsbereich und der Raumzusammenhang des Esszimmers verändert. Im Galerietrakt entfernte man die Parkettböden und ersetzte sie durch Spannteppiche.414 Im März 1970 wurde das Museum eröffnet.415

d) Baubeschreibung da) Gesamtanlage

Die Villa „Am Römerholz“ liegt nördlich der Innenstadt am Hang des Lindbergs. Die zweigeschossige Villa erhebt sich über einem rechteckigen Grundriss, ihre Schauseite ist nach Süden zum Tal und zur Stadt orientiert [Abb. 88, 89]. Auf der Hangseite liegt ein schmalrechteckiger Hof. Nordwestlich der Villa, angrenzend an den Hof befindet sich das heutige Konglomerat aus der 1924 angefügten Galerie und der Erweiterung von Gigon/Guyer. Der Neubau ummantelt mit einem L-förmigen Grundriss das nordöstliche Ende der Galerie [Abb. 89, 90].

db) Grundriss

Gigon/Guyer erweiterten das Konglomerat aus Wohnhaus und Galerieanbau durch drei weitere Ausstellungsräume. Die Rechteckräume sind L-förmig an das nordöstliche Ende

412 Frehner/Frehner 1993, 13; Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Planungsgeschichte, 6, Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag. 413 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Planungsgeschichte, 6, Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts- Dokumentation mit Kostenvoranschlag. 414 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Einführung 7, Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts- Dokumentation mit Kostenvoranschlag. 415 Das Museum „Stiftung Oskar Reinhart“ wurde in einem ehemaligen Gymnasium am Stadtgarten zu Lebzeiten Reinharts 1951 gestiftet und eröffnet. A.A. 20002, 74; Bürkle 20001, 138; Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Planungsgeschichte, 6, Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag; Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag. 56 des Galeriegebäudes angefügt. Sie ersetzen den Ostsaal der Galerie und stellen eine barrierefreie Verbindung zu den Ausstellungsräumen im Wohnhaus her [Abb. 89].416 Von der Villa kommend, betritt man durch einen kurzen Verbindungsgang zuerst den größten der drei angebauten Räume. Von hier kann man durch die alte Eingangshalle die Galerie betreten, oder man geht über einen aus der Mittelachse gerückten Durchgang in den zweiten neuen Saal, der als Ecksaal über einen ebenfalls seitlichen Durchgang in den nach Westen abgeknickten letzten angebauten Raum führt. Eine Verbindung zwischen alten Galeriesälen und neuen Ausstellungsräumen wird nun vom ersten neuen Saal über den ehemaligen Eingang der Galerie hergestellt. Ein Rundgang durch die alten und neuen Ausstellungssäle in einem Fluss ist nicht möglich.

dc) Aufriss

Aufgrund seiner Lage besitzt der Erweiterungsbau nur zwei Gebäudeseiten [Abb. 81- 83]. Beide Fassaden sind gleichförmig und gleichberechtigt gestaltet. Die Ostfassade besteht aus fünf, die Nordfassade aus vier hochrechteckigen, großformatigen Betonelementen. Sie sind in die Pflasterung des Innenhofs gesenkt und steigen in einer Zone geschlossen auf. Die Fugen zwischen den Platten sind als feine schwarze Linien sichtbar. Die Höhe der Platten nimmt sowohl an der Ost- als auch an der Nordfassade im rechten Drittel der Fassadenbreite in einer Stufe ab. Auf dem Baukörper der Ausstellungssäle sitzen Oberlichtlaternen als kastenartige Betonaufbauten, die wie ein eingerücktes Attikageschoss wirken [Abb. 82, 88, 90]. Sie gleichen den Fassadenwänden, wobei an den Laternen die Fugen nicht mit denen der Fassaden korrespondieren. Die grau grünlichen Betonflächen werden durch Materialschattierungen belebt. Der Gießprozess der Betonelemente hat unregelmäßige Verfärbungen hinterlassen. Ein weiterer Effekt wurde durch das Zumischen von gemahlenem Jurakalk und Kupferpulver erzeugt. Die Beimischungen verfärbten den Beton durch Oxidationsprozesse des Kupfers grünlich. Durch herabfließendes Regenwasser werden Kupferpartikel aus der Dachdeckung ausgewaschen, die sich als grüne Farbschlieren über die Fassadenflächen ziehen. Das Zumischen von Jurakalk und Kupfer wurde bewusst eingesetzt, um durch die beschleunigte Oxidation eine allmähliche Patinierung des Betons zu erreichen“417 [Abb. 81].

416 Bürkle 20001, 138. 417 Bürkle 20001, 139; Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 57

Alle Dachflächen sind mit Kupfer gedeckt. Die Kupferdeckung liegt nicht direkt auf den aufsteigenden Fassadenwänden, sondern scheint ohne Überhang mit einer dunklen Fuge knapp darüber zu schweben [Abb. 82]. Das Material Kupfer stellt eine Verbindung zum Dach des Hauptsaals der alten Galerie her. 418

dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume

Die Ausstattung der Räume im Galeriebau wurde beibehalten bzw. rekonstruiert. In zwei Sälen wurden die mehrfarbigen, geometrisch gemusterte Parkettböden rekonstruiert, vor die Wände sind hüfthohe Eichenholzverkleidungen mit Kassettendekoration geblendet. Den Hauptsaal beschließt ein durch eine Oberlichtlaterne geöffnetes Spiegelgewölbe [Abb. 84]. Die hochrechteckigen Obergadenfenster der Laterne sind in kleine Rechteckfelder aus mattiertem Glas eingeteilt. Die zwei kleineren Galeriesäle werden ebenfalls von Spiegelgewölben geschlossen. In ihnen wurden die Laternen durch Glasdecken vom Ausstellungsraum abgetrennt. Sie bestehen aus kleinformatigen, geätzten Glasfeldern in feinen Rahmungen. Sie sind wie im großen Galerieraum die einzigen für den Besucher sichtbaren Veränderungen. Unsichtbar bleiben die Eingriffe in die Konstruktion der Oberlichtlaternen. In die satteldachförmigen Oberlichthäuser wurden eine neue Isolation, UV- Schutz und sensorgesteuerte Verdunklungslamellen eingebaut. Die Ausstellungssäle des Neubaus beziehen sich in ihrer Ausstattung auf die Galeriesäle [Abb. 86]. Der Boden wurde mit einem Parkett aus Nussbaumholz versehen, dessen starke Maserung sich durch den Wechsel von dunkleren und helleren Farbtönen dem Musterparkett der Galerieräume angleicht.419 Eine schmale hölzerne Fußbodenleiste stellt den Übergang zur Wand her. Die rechteckig in die Wände geschnittenen Durchgänge sind mit Türrahmen aus Nussbaumfurnier versehen, die aus den Fußleisten aufsteigen. Die Innenausstattung mit Fußleisten und hölzernen, optisch stark in Erscheinung tretenden Türrahmen nimmt das Motiv der Holzverkleidungen der alten Galerieräume in reduzierter Form auf. Die Räume werden von einer geraden Decke abgeschlossen. In den Raum hineinragende Oberlichtkästen aus geätztem Glas belichten die Räume [Abb. 86, 90]. Über den Oberlichtabhängungen befindet sich unsichtbar die Laternenkonstruktion. Anders als bei der alten Galerie bestehen die Oberlichter des Neubaus aus rechteckig geschlossenen

418 A.A. 20002, 78. 419 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 58

Betonwänden mit einer leicht geneigten Abdeckung aus Glas. Zur Lichtregulierung sind sensorgesteuerte Verdunklungslamellen und künstliches Zusatzlicht eingebaut.

e) Planungs- und Baugeschichte

Nach 26 Jahren Museumsbetrieb waren die Innenarchitektur und die Sicherheitsvorrichtungen der SOR sanierungsbedürftig. Hauptprobleme waren die Feuergefährlichkeit der textilen Wandbespannungen, die Situation der Fluchtwege und die Barrierefreiheit.420 Die konservatorische Sicherung der Gemälde und Grafiken war ebenfalls unbefriedigend. Die historische Oberlichtverglasung bot keinen UV-Schutz, und das Raumklima konnte nur durch portable Klimageräte reguliert werden.421 Die Hängung der Sammlung sollte ebenfalls überarbeitet werden. Die museale Ordnung der 70er Jahren folgte der Präsentation, die Oskar Reinhart nach persönlichen Vorlieben konzipiert hatte. So kam es, dass Arbeiten auf Papier verteilt hingen und hoher Lichteinstrahlung ausgesetzt waren.422 Die Präsentation sollte durch eine „spannungsvolle Inszenierung“ abgelöst werden, die „kunsthistorische Entwicklungen klar hervortreten“423 ließ.424 Die Planung der Sanierung wurde vom Amt für Bundesbauten in Bern ausgerichtet, das die Liegenschaft der Villa „Am Römerholz“ verwaltet.425 Die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch das Eidgenössische Finanzdepartement, schrieb 1993 einen Wettbewerb über die Sanierung und Erweiterung der Villa „Am Römerholz“ aus.426 Die Aufgaben des Wettbewerbs umfassten die innenarchitektonische Sanierung der Villa und des historischen Galerieanbaus [Abb. 87]. Ziel waren auch betriebliche Verbesserungen für

420 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 18; Interview Annette Gigon 21. Oktober 2013. 421 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 4. 422 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 16. 423 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 23. 424 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 23. 425Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 4. 426 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 4. 59

Besucher und Mitarbeiter, Barrierefreiheit und neue Möglichkeiten der Durchführung kultureller Veranstaltungen.427 Wie schon bemerkt, war es nicht möglich, Materialien zur Ausschreibung, zum Verlauf sowie zum Ausgang des Wettbewerbs einzusehen. Das Programm des Wettbewerbs ist in einer „Bedürfnisabklärung“ des Amtes für Bundesbauten aufgeführt, in der die „Zielvorstellung“ der Umbaumaßnahmen aufgeführt sind.428 Zur Auswahl der Architekten, der Zusammensetzung der Expertenkommission und zum Ausgang des Wettbewerbs waren keine Schriftquellen auffindbar.429 Dokumentiert ist, dass der Wettbewerbsbeitrag von Gigon/Guyer von der Expertenkommission zur weiteren Ausarbeitung empfohlen wurde.430 Im April gaben die Architekten einen differenziert ausgearbeiteten Entwurf und den Kostenvoranschlag an das Amt für Bundesbauten.431 Der Entwurf von Gigon/Guyer wurde dem Parlament vorgestellt und diskutiert. Zu diesem Anlass wurde auch der im Quellenverzeichnis aufgeführte Dokumentationsbericht verfasst.432 In ihm wurden drei verschiedene Lösungsvorschläge für die Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen der Sammlung Oskar Reinhart vorgestellt [Abb. 102]. Von den Parlamentariern wurden Veränderungsvorschläge und Kritikpunkte vorgebracht, die es einzuarbeiten galt. Im Folgenden werden die drei Lösungsvorschläge vorgestellt. Zuvor werden das zugrundliegende Konzept sowie die übergreifenden, für alle Lösungen gültigen Maßnahmen präsentiert. Allen Umbauvarianten war als oberstes Ziel der Baumaßnahmen gemein, die Gesamterscheinung der Villa „Am Römerholz“ nicht zu beeinträchtigen. Besonders wichtig war es den Architekten, die „bewegte Dachlandschaft von Biberschwanzziegeln“ und

427 Frehner, Frehner 1993, 10; Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Planungsgeschichte, 2, 6. 428 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 5. 429 Im Museum selbst sollen nach Auskunft der Mitarbeiter keinerlei Materialien zu den Um- und Neubauten vorhanden sein, da diese komplett zum Amt für Bundesbauten in Bern gesendet wurden. Dort gab man die Auskunft, jegliche Materialien zur Sammlung Oskar Reinhart seien verschollen. 430 Frehner/Frehner 1993, 10; Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Planungsgeschichte, 6. 431 Frehner/Frehner 1993, 10; Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Planungsgeschichte, 6. 432 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag . 60

„grünspanüberzogenen Kupferblechen“ sowie den „üppigen Fassadenbewuchs“433 nicht zu verändern. Alle Maßnahmen sollten „punktuell“ erfolgen, „im Bestreben trotz der funktionellen Neuerungen die harmonische Gesamterscheinung zu verstärken“434. Die Sanierungsziele Licht, Klimatisierung, Heizung und Sicherheit wurden dabei gleich behandelt. Alle Vorschläge beinhalteten folgende Maßnahmen: a) Einbau einer neuen Isolierverglasung der Oberlichter mit UV Schutz aus geätztem und sandgestrahltem Glas zur Streuung des einfallenden Lichts, b) Ausstattung der Oberlichtverglasung mit sensor-gesteuerten Lamellen zur Regulierung des Lichteinfalls, c) Bewahrung des ursprünglichen Beleuchtungscharakters der ehemaligen Wohnräume mit ihren mittig im Raum hängenden Leuchtern, d) Einbau von moderner Klima- und Sicherheitstechnik, e) Bewahrung charakteristischer epochenbezogener Räume der Villa wie das Renaissancezimmer oder das Louis XIV-Zimmer, f) Rückbau des Esszimmers als separater Raum, um den ursprünglichen Grundriss des Hauses wiederherzustellen und mehr Hängefläche zu gewinnen, g) Restaurationsmaßnahme in den Galerieräumen: Entfernung der Teppichböden zugunsten von Parkett in Anlehnung an den Originalboden und Erneuerung der textilen Wandbespannungen.435 Neben den allgemeingültigen Veränderungen arbeiteten die Architekten drei Lösungsvorschläge für die Gebäude- bzw. Besucherorganisation aus. Lösungsvariante A sollte ohne äußere Veränderung des ursprünglichen Gebäudekomplexes auskommen [Abb. 94, 102]. Die Baumaßnahmen hätten sich auf Veränderungen der Innengliederung beschränkt. Ziel sollte sein, den in den 70er Jahren geschaffenen Eingangsbereich umzugestalten, der die „Funktionalität einer

433 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Projektbeschreibung – Außenraum, 10. 434 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Projektbeschreibung – Außenraum, 10. 435 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Maßnahmen großer Galerieraum 5, Maßnahmen kleine Galerieräume 7. 61

Bankschalterhalle“436 besaß. Wert gelegt wurde auf die Rekonstruktion des historischen Villengrundrisses durch die Wiederherstellung des Esszimmers und seines Korridors.437 Die Lösungsvariante B sah einen Neubau an Stelle des Ostsaals des alten Galeriegebäudes vor, der als Eingang dienen sollte [Abb. 95-98, 102]. Der neue Eingangsbau sollte einen Empfangsraum, eine Garderobe und einen kleinen, quadratischen Ausstellungsraum für die ehemals im Garten aufgestellte Méditerranée von Maillol aufnehmen. Betont wurde, dass der Anbau ein Bindeglied zwischen Wohnhaus und alten Galerieräumen darstelle und den Besucher in beide Gebäudekomplexe gleichermaßen führe. Seine Fassadengestaltung wurde in der Beschreibung offen gelassen. Man könne sich „ein steinernes Gebäude, vielleicht verputzt, vielleicht aus Sichtbeton und bewachsen mit Kletterpflanzen wie das Wohnhaus“ 438 vorstellen.439 Wie in Variante A sollte im Wohnhaus das Esszimmer rekonstruiert werden.440 Zur Lösung der Platzprobleme sah Lösungsvariante C einen Restaurantanbau vor, welcher die Besucherbewirtschaftung aus der Villa verlagert hätte [Abb. 99-102]. Man plante einen „an einen raumhaltigen Gartenzaun“ oder „ein Gartenmöbel aus edlem Holz“441 erinnernden, schmalrechteckigen Pavillon östlich des Wohnhauses. Er sollte sich in der Flucht der Gartenmauer von Ost nach West erstrecken, hin zum Eckpavillon der Gartenterrasse. Die Ausrichtung des Anbaus sollte parallel zum Bassin und der Terrassenmauer verlaufen, um „die Gestaltungsgesetze der Gartenanlage zu respektieren“442. Im Wohnhaus sollten die Funktionen Eingang, Garderobe, Toiletten und Pädagogikraum in neuer Aufteilung

436 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995, 4. 437 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Beschrieb der Lösungsvariante A, 11. 438 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Beschrieb der Lösungsvariante B, 21. 439 Auf den computersimulierten Fotografien zum „Lösungsvorschlag B“ wird der Anbau efeubewachsen und damit eingepasst in das Gesamtbild der Villa „Am Römerholz“ gezeigt. Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts- Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Beschrieb der Lösungsvariante B, 21. 440 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Beschrieb der Lösungsvariante B, 21. 441 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Beschrieb der Lösungsvariante B, 21. 442 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Beschrieb der Lösungsvariante B, 21. 62 umorganisiert werden. Wie in den beiden vorangegangenen Lösungen war eine Rekonstruktion des Esszimmers geplant.443 Keiner der drei Lösungsvorschläge wurde in dieser Form realisiert. Variante A kam nicht in Frage, da eine reine Umorganisation die Platzprobleme nicht gelöst hätte.444 Variante C wurde ebenfalls abgelehnt, da sie nach Ansicht der Bauherren einen zu großen Eingriff in den alten Bestand dargestellt hätte. Die Gartenansicht der Villa wäre in zu großem Maße verändert worden.445 In Frage kam nur die Lösungsvariante B, die einen Erweiterungsbau an der Ostseite des Galeriegebäudes vorsah. Von dem eigentlichen Plan, den Eingang des Museums in den Neubau zu verlegen, musste abgesehen werden. In den Planungen stellte sich heraus, dass die Erweiterung nicht genug Raum für alle Eingangsfunktionen bereitgestellt hätte.446 Zudem mussten die Architekten während der Ausarbeitung des Projekts eine Budgetkürzung hinnehmen.447 Man realisierte eine reduzierte Version der Variante B, einen Anbau mit geschlossener Fassade, der über den bisherigen Haupteingang der Villa zugänglich ist und die Verbindung zwischen Wohnhaus und altem Galeriebau herstellt [Abb. 89]. Der Anbau sollte Räume unterschiedlicher Größe für Skulpturen bzw. großformatigere Gemälde und für Grafiken beinhalten.448 Bei der Fassadengestaltung entschied man sich für aufrechtgestellte große Sichtbetonplatten. Frühe Pläne einer Fassade aus Betonelementen oder einer Verkleidung mit vertikalen Kupferblechbahnen verwarf man [Abb. 91, 92].449 Wie bereits geschildert, bestand der Grundgedanke der Architekten darin, die baulichen Veränderungen „trotz ihrer funktionellen Neuerungen“ in das Gesamtbild der Villenanlage einzupassen.450 Nach Annette Gigon sollte der Erweiterungsbau Motive des Altbaus aufnehmen, um dem „Genius loci“ 451 des Ortes zu folgen. Eine „subtile Anpassung“452 sollte durch die Wiederaufnahme von Material-Motiven des Altbaus realisiert werden. Der Neubau sollte sich dem Bestand annähern, ohne seine formale Eigenständigkeit aufzugeben. Die wesentlichen Materialien des Altbaus waren für die Architekten der Kalkstein der Fassaden und die Kupferbleche der Dächer. Beide Stoffe sollten am

443 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Beschrieb der Lösungsvariante C, 31. 444 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 445 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 446 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 447 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 448 A.A. 20002, 74. 449 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 450 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Projektbeschreibung – Außenraum, 10. 451 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 452 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 63

Erweiterungsbau verwendet werden. Der Anbau erhielt ebenfalls eine Dachdeckung aus Kupfer. Der Kalkstein wurde als Zuschlagstoff in den Beton gemischt. In Versuchsreihen wurde der Betonmasse Kalksandstein- und Metallpulver beigemengt, um die Einfärbung zu variieren. Man stellte fest, dass die Mischung aus Kupferpartikeln und Kalksteinmehl eine schnelle Oxidation hervorrief. Die unregelmäßig ʺaufblühendenʺ Grünverfärbungen weckten bei den Architekten Assoziationen an Antiquitätenfälscher, die Artefakte durch künstliche Patinierung alterten. Eine Assoziation, die sich auch auf die Erweiterung der Villa „Am Römerholz“ übertragen ließ.453 Fotografien aus dem Archiv von Gigon/Guyer dokumentieren diese Materialversuche der Patinierung [Abb. 103, 104]. Die Baueingabe des Entwurfs war im Juli 1996. Die Planung zog sich bis ins Frühjahr 1997 hin. Im Frühjahr 1997 wurden die Kunstgegenstände in das Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten ausgelagert oder im Kellerdepot der Villa untergebracht, mit dem Rohbau wurde im Mai begonnen.454 Der Bau war im Frühjahr des Folgejahres so weit fertiggestellt, dass im Mai 1998 mit den Ausbauten begonnen werden konnte [Abb. 105]. Im Oktober 1998 kehrten die Kunstwerke zurück in das Museum. Die Eröffnung der sanierten Sammlung Oskar Reinhart erfolgte im November 1998. 455

4. Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell/Appenzell Innerrhoden (1996-98) a) Literaturbericht

Als viertes realisiertes Museum von Gigon/Guyer sorgte der Bau in Appenzell für große Aufmerksamkeit. Kurz nach seiner Eröffnung publizierte Hubertus Adam zwei Beiträge in den Zeitschriften Bauwelt und Archithese, die den neuen Bau vorstellten.456 In der Archithese waren vor allem seine Hinweise auf Gemeinsamkeiten mit der Erweiterung in Winterthur erwähnenswert: Gemein sei den Museen der dividierende, die Binnenform aufteilende Grundriss. Unterschiede seien die Materialsprache der Verkleidung und die unterschiedlich verwendeten Sheds.457 Durch die Konzeption mit jeweils einem Shed pro Raum würden die Räume ihrer „steilen Proportion wegen eher als Hohlform eines Hauses

453 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 454 A.A.: Umbau „Römerholz“ – Start im Frühjahr, in: Der Landbote (19. Dezember 1996). 455 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag – Terminplan und Kostenplan. 456 Adam 19982, 32-35; Adam 19983, 2142-2143. 457 Adam 19982, 33f. 64 erlebt“458, denn als an Industriearchitektur angelehnte Ausstellungshallen, wodurch Gigon/Guyer dem „Sheddach seinen industriellen Charakter“459 genommen hätten.460 Hubertus Adam hob zudem die „erkerartig hervorspringenden“461 großformatigen Fenster hervor.462 In der deutschen Zeitschrift Bauwelt führte Adam die Leser in die Landschaft Appenzells ein und beschrieb das Museum mit assoziativen Bildern.463 Der „ungewöhnliche Bau“ erinnere an die „Zacken der Berggipfel“, an „verschindelte Appenzeller Häuser“ oder „gar ein urweltliches Tier“ und eine „monolithische Skulptur“ 464. Die restliche Beschreibung des Museums war eine Zusammenfassung des Archithese-Artikels.465 Weitere Aufsätze erschienen 1998 in internationalen Zeitschriften, etwa eine knappe Rezension in der japanischen Architecture & Urbanism.466 In einem Katalog zum Werk von Carl August Liner und Carl Walter Liner wurde das Museum durch Abbildungen und ein „Essay“467 vorgestellt. Mehr inhaltliche Tiefe hatte der Artikel von Martin Steinmann, der in derselben Ausgabe der Zeitschrift abgedruckt wurde.468 Er stellte heraus, dass die Museen von Gigon/Guyer, und insbesondere das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, die „einfachsten“469 und konzentriertesten Ergebnisse des Gestaltfindungsprozesses der vorliegenden Bauaufgabe darstellen würden: „[…] the forces that inhabit an object seek to order themselves in the simplest pattern possible under the given circumstances“470. Im Weiteren wurde das Museum in Appenzell in die Plan- und Modellsammlung des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt aufgenommen und erhielt im zugehörigen Katalog Schenkungen und Akquisitionen 1995-1999 einen Eintrag. Im Begleittext wurden das

458 Adam 19982, 35. 459 Adam 19982, 35. 460 Adam 19982, 35. 461 Adam 19982, 35. 462 Adam 19982, 35. 463 Adam 19983, 2142-2143; Adam 19982, 32-35. 464 Adam 19983, 2142. 465 Adam 19983, 2142. 466 Martin Steinmann: Gigon/Guyer – Museum Liner, in: A & U – Architecture & Urbanism 339 (1998) 36 [Steinmann 19983]. 467 Daniel Kurjakovic´: Architektur als begehbares Bild – Ein Essay zum Museum Liner Appenzell von Gigon/Guyer, in: Carl August Liner 1871-1946 und Carl Walter Liner 1914-1997 – Der Museumsbau von Gigon/Guyer (Kat. Museum Liner Appenzell), Sulgen 1998, 63-87. 468 Martin Steinmann: Forms and Forces – The New Museum in Appenzell by Gigon/Guyer, in: A & U – Architecture & Urbanism 339 (1998) 48-49 [Steinmann 19982]. 469 Steinmann 19981, 48. 470 Steinmann 19981, 48. 65

„endlose Pattern“ der Fassadenplatten und die „souveräne“ und „zeitgenössische“ Wiedergabe „lokaler Baubezüge“471 gewürdigt. Ebenfalls kurz vorgestellt wurde es 1999 durch Hans Jürgen Breuning in der Zeitschrift Wohn!Design und durch Martin Steinmann in der italienischen Casabella.472 Weitere internationale Erwähnung erhielt es in der spanischen Arquitectura Viva, in der amerikanischen Architectural Record und durch kurze Artikel in Frankreich.473 2000 wurde der Bau in den bereits durch die anderen Museen bekannten Publikationen der Michigan Architecture Papers und der Monografie von Christoph Bürkle erwähnt.474 In ihren Beschreibungen thematisierten die Architekten den kleinteiligen Grundriss, die mäandernde Wegführung, die eine „Verlangsamung des Schritts“ und eine „chapel like mood“ 475 erzeuge. Zudem wiesen sie auf die Verbindung zwischen der metallverhüllten Außenhaut des Museums und den mit silbergrau verwitterten Holzschindeln verkleideten Bauernhäusern des Appenzells hin und bemerkten, dass das Gebäudevolumen „like a mountain range“476 wirken sollte.477 Ebenfalls vorgeführt wurde es in der El Croquis- Ausgabe.478 In der Erwähnung von motivischen Referenzen an die lokale Bautradition und der landschaftlichen Umgebung lehnte sich der Artikel an die beiden oben genannten Veröffentlichungen mit den Texten der Architekten an.479 Im selben Jahr wurde das Museum von Steven Spier in der renommierten Architectural Review besprochen.480 Er macht ein neues Interesse an der Volumetrie der Baukörper und an „spectacular plastic expressions“481 in der aktuellen Architektur aus. Das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, sah er als einen „strenuous“ und „studious“482 Ausdruck dieses Bestrebens. Steven Spier hebt den Bruch im Verhältnis von

471 Anna Meseure/Wilfried Wang: Die Neue Sammlung – Schenkungen und Akquisitionen 1995-1999 (Kat. Deutsches Architekturmuseum Frankfurt), Tübingen 1999, 15f., 70-71. 472 Hans Jürgen Breuning: Kunst unterm Schuppenpanzer, in: Wohn!Design 2 (1999) 46-49; Martin Steinmann: Il secondo sguardo – Museum Liner Appenzell, in: Casabella – Rivista internazionale architettura (April 1999) 62-67. 473 A.A.: Un cofre dentado, in: Arquitectura Viva 64 (1999) 76-77; Sarah Amelar: Gigon/Guyer`s steel-shingled Liner Museum glimmers against the sloping farmlands of Appenzell Switzerland, in: Architectural Record 10 (1999) 138-143; A.A.: Musée Liner – Appenzell – Suisse – A. Gigon & M. Guyer, in: L`Architecture d`aujurd`hui 323 (1999) 62-63; Catherine Séron-Pierre: Musée privée suisse – Museum Liner Appenzell, in: AMC – Le Moniteur Architecture 96 (1999) 44-47. 474 Gigon/Guyer 2000, 36-45; Bürkle 20001, 168-187. 475 Gigon/Guyer 2000, 36. 476 Gigon/Guyer 2000, 43. 477 Bürkle 20001, 173; Gigon/Guyer 2000, 43. 478 A.A. 20008, 84-101. 479 A.A. 20008, 95. 480 Steven Spier: Applied abstract art, in: Architectural Review 8 (2000) 66-69. 481 Spier 2000, 67. 482 Spier 2000, 67. 66

Detail- zu Gesamtform hervor: In den Einzelmotiven zeige sich ein Aufbegehren gegen die Uniformität von Gesamtform und Außenhaut.483 Gunda Dworschak und Alfred Wenke widmeten sich der Materialverwendung und einer Beschreibung des Verhältnisses zwischen Raumkonzeption und der daraus resultierenden Form des Baukörpers. Dabei führen sie verschiedene Beispiele für „das Konzept der feinen Unterschiede“484 auf, das die Mehrschichtigkeit des Gebäudes ausmache. Vorgeschlagen wurde das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, 2000 zudem für den Mies van der Rohe Award, in dessen Katalog die Jury in Barcelona die Meisterschaft, mit begrenzten Vorgaben ein qualitätvolles Museum in einer ländlichen Kleinstadt zu realisieren, lobte.485 Eine weitere Erwähnung erschien in einem britischen Bildband 10 x 10.486 Der kurze Text stammte von Terence Riley, der bereits 1995 im Katalog der Ausstellung Light Construction des Museum of Modern Art New York über Gigon/Guyer geschrieben hatte.487 Eine hervorstechende Veröffentlichung war die kleine Monografie zum Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, aus der Reihe Werkdokumente des Kunsthauses Bregenz.488 Hubertus Adam begann seinen darin enthaltenen Beitrag mit Bemerkungen zur Museumsarchitektur in der Schweiz.489 Das in der Schweiz vorherrschende „Postulat klarer Stereometrie und neutraler Räume“490 und die Abkehr von der Enfilade seien seiner Meinung nach auf Rémy Zauggs Idealentwurf eines Kunstmuseums zurückzuführen.491 Vordenker von Zaugg sei Alfred Lichtwark.492 Die Baubeschreibung enthält einige interessante Bemerkungen zur Kleinteiligkeit der Räume und zur Öffnung des Museums durch große querrechteckige Fenster. Die Konstruktion der Sheds und ihre Einbindung in das Gesamtkonzept des Baus wurden 2000 in einem Artikel über aktuelle Beispiele für Sheds und Laternen in der

483 Spier 2000, 67, 69. 484 Gunda Dworschak/Alfred Wenke: Metamorphosen – Neue Material- und Raumkonzepte in Stein, Holz, Metall, Glas, Textil, Kunststoff, Düsseldorf 2000, 64-73, 64. 485 Fundació Mies van der Rohe/Diane Gray: 6th Mies van der Rohe Pavilion Award for European Architecture, Mailand 2000, 11, 54-57. 486 Terence Riley: Gigon/Guyer – Zürich, in: Vivian Constantinopoulos (Hrsg.): 10 x 10, London 2000, 168-171 487 Riley 1995, 126-129. 488 Edelbert Köb: Gigon/Guyer – Museum Liner Appenzell (Kunsthaus Bregenz – Archiv Kunst Architektur – Werkdokumente), Ostfildern/Ruit 2000. 489 Hubertus Adam : Beredtes Schweigen – Zur Architektur des Museum Liner, in: Gigon/Guyer – Museum Liner Appenzell (Kunsthaus Bregenz – Archiv Kunst Architektur – Werkdokumente ), Ostfildern/Ruit 2000, 18- 29. 490 Adam 2000, 18. 491 Adam 2000, 18. 492 Adam 2000, 20. 67 französischen Zeitschrift AMC – Le Moniteur Architecture besprochen.493 Der Artikel beinhaltet keine neuen Erkenntnisse. Auch in einer weiteren französischen Zeitschrift wurde das Museum 2000 mit einer herkömmlichen Kurzbeschreibung vorgestellt.494 2001 wurde es in der Überblicksreihe zu zeitgenössischem Bauen Architecture Now von Phillip Jodidio genannt. Der Beitrag enthält nur einen kurzen Text ohne weitere Diskussionsansätze.495 2001 wurde es in einen Überblick über Gebäudehüllen aufgenommen. Hervorgehoben wurde darin der Eindruck von einem „stumpfen monolithischen Fels“496. 2002 publizierte Catherine Slessor eine Monografie über Eingänge, in der sie als wiederkehrendes Motiv des Museums Liner auf die Außenhaut gesetzte Rahmungen und Kästen benannte, die die Öffnungen akzentuieren.497 Eine kunsthistorische Einordnung dieses Motivs nahm sie nicht vor. Ebenfalls 2002 erschien zudem ein Artikel in peruanischen Zeitschrift Arkinka – Revista de Arquitectura, Diseño y Construcción.498 Drei Jahre nach dem Artikel von Steven Spier im Architectural Review erschien das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, auch in seinem Überblickswerk zur zeitgenössischen Architektur in der Schweiz.499 Er interessierte sich wieder für das Verhältnis von „Form und Gebäudehülle“500 und stellte fest, dass die eigentlich als Gegensatzpaare verwendeten Adjektive „minimalistisch“ und „überbordend skulptural“501 beide auf die Arbeiten von Gigon/Guyer zutreffen würden.502 Besonders die nach rationalen Maßstäben aus der Funktion heraus entwickelte Formfindung und „das Streben nach dem komplexen Ganzen“503 beeindruckten den Autor.504 Anlässlich seines 10jährigen Jubiläums zeigte das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, eine Ausstellung zur Museumsarchitektur. Ausgangspunkt war der eigene Museumsbau, der ein Anziehungspunkt für viele Besucher ist. Im zugehörigen Katalog kam der Leiter des Museums Roland Scotti zu Wort, der neben einer Würdigung des Gebäudes vor

493 Jean-François Caille: Details – Sheds et Lanterneaux, in: AMC – Le Moniteur Architecture 111 (2000) 98- 114, 102. 494 A.A.: Sheds culturels, in: Architecture intérieure créé 292 (2000) 90-93 [A.A. 200010]. 495 Philip Jodidio: Architecture Now – Architektur heute – architecture d´aujourd´hui, Köln 2001, 112-115. 496 Christian Schittich: Im Detail – Gebäudehüllen, Basel 2001, 76-77, 76. 497 Catherine Slessor: Contemporary Doorways – Architectural entrances, transitions and thresholds, London 2002, 96-97, 97. 498 A.A.: Museo Liner – Appenzell - Suiza, in: Arkinka – Revista de Arquitectura, Diseño y Construcción 76 (März 2002) 60-67. 499 Steven Spier/Martin Tschanz: Swiss Made – Neue Schweizer Architektur, München 2003, 115. 500 Spier 2003, 115. 501 Spier 2003, 115. 502 Spier 2003, 115. 503 Spier 2003, 115. 504 Spier 2003, 125. 68 allem auf Rémy Zaugg und seine Ausführungen zum idealen Museum einging.505 Im Weiteren gab er einen Überblick über Museumsarchitektur. Hervorzuheben ist sein Hinweis, das Museum Insel Hombroich könne in Anlehnung an Rémy Zaugg als „fast vollkommener Ort für Kunst“506 gesehen werden. Abschließend wurde das Dach des Museums Liner 2009 mit einer Abbildung ohne Erläuterungen in eine französische Monografie über Dächer aufgenommen.507 Der Literaturbericht zeigt, dass das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, zwar oft vorgestellt, aber kaum wissenschaftlich untersucht wurde. Seine charakteristischen Motive, wie die „All-Over“-Hülle, die Pweiten Fenster und die innovative Einbeziehung der Sheds in die Gesamtform des Baus, wurden vielfach beschrieben. Den Versuch einer architekturhistorischen Einordnung unternahm nur Roland Scotti, der in der Kürze seines Beitrags nur auf das Museum Insel Hombroich hinwies.508 Die genannten Punkte und weitere Themen sollen eingehender diskutiert werden: die Zuordnung zur "monolithischen Architektur", die Grundrissgestalt des Musueum Liner und der damit verbundene Besucherweg sowie die Verwendung des Materials Metall.

b) Quellenbericht ba) Bildquellen

Zum Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, sind Bildquellen im Büro der Architekten und im Museum archiviert: 1) Eine größere Zahl an Modellen lagert im Archiv des Büros Gigon/Guyer [Abb. 124- 132].509 Sie zeigen Varianten des Entwurfs, die im Verlauf der Planung erstellt wurden. Die Modelle verdeutlichen, dass die Architekten mit der Form der Belichtung und der damit verbundenen Form des Gebäudes experimentierten. Deutlich wird zudem, dass ein kostensparendes, energieeffizientes Gebäude mit kompaktem Gebäudevolumen, klarer Grundrissstruktur und einfach konstruiertem Oberlicht verwirklicht werden sollte.510

505 Roland Scotti: Museen – Schöner Bauen – Besser schauen – Architektur und Denkbilder (Kat. Museum Liner Appenzell), Appenzell 2008, 11ff., 16ff. 506 Scotti 2008, 75. 507 Bernard Tarrazi/Claude de Garam/Jean-Louis Champsaur: Toits du monde – Roofs in the world, Marseille 2009, 230. 508 Scotti 2008, 75. 509 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 510 Archiv Gigon/Guyer, Zürich; Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 69

2) Im Archiv des Büros Gigon/Guyer werden Handskizzen aufbewahrt, von denen nur eine Auswahl abgebildet werden kann [Abb. 135-140].511 3) Die Resonanz auf das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, war sehr groß. Der Leiter des Museums wünschte ein stabiles Modell, das präsentiert werden konnte, ohne Schaden zu nehmen [Abb. 133].512 Erstellt wurde ein gegossenes Metallmodell auf einem massiven Holzsockel.513 4) Im Archiv des Museums und des Büros Gigon/Guyer waren Kopien und Originale vieler Pläne zugänglich [Abb. 134, 141].514 5) Der Verlauf der Bauarbeiten konnte anhand datierter und undatierter Fotografien nachvollzogen werden.515

bb) Textquellen

Die Zahl der Textquellen zum Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, ist gering. Da der Auftrag an die Architekten direkt ging, gibt es kein schriftliches Programm. Die Wünsche der Bauherrschaft konnten durch Gespräche mit Annette Gigon und indirekt durch Quellen nachvollzogen werden: 1) Die Protokolle der Sitzungen der Baukommission sind im Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, erst ab Sitzung Nr. 16 vom 15. August 1997 bis zur Sitzung Nr. 33 vom 25. November 1998 archiviert. Die Protokolle geben Aufschluss über die Planungsschritte und die getroffenen Entscheidungen zu Planung und Ausführung.516 2) In den Bauakten ist die Korrespondenz des Museumsleiters mit dem ausführenden Architekten Urs Birchmeier aus dem Büro Gigon/Guyer aufbewahrt. Auch durch diese Dokumente können Planungsschritte und Wünsche der Bauherrschaft rekonstruiert werden.517

511 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 512 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 513 Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Modell Museum Liner Appenzell. 514 Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Werkpläne, Architektur – Gigon/Guyer. 515Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Fotografien Museum Liner Appenzell; Baureportage Museum Liner Appenzell. 516 Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Protokolle der Sitzungen der Baukommission, Architektur – Gigon/Guyer. 517 Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Bauakten Museum Liner Appenzell – Gigon/Guyer. 70

3) Fakten zum Bauverlauf hält eine Liste mit Baudaten fest, die in den Akten des Museums aufbewahrt wird.518

c) Vorgeschichte

Die Idee zur Museumsgründung entstand im Juli 1996 im Kreis des Malers Carl Walter Liner (1914-1997, Sohn von Carl August Liner), dessen Frau Katharina Liner-Rüf und dem freundschaftlich mit der Familie Liner verbundenen Unternehmer und Mäzen Heinrich Gebert (1917-2007) und dessen Sohn Stephan Gebert. 519 Im Frühjahr 1997 gründeten sie die Stiftung Museum Carl Liner Vater und Sohn.520 Schenkungen von Heinrich und Stephan Gebert machten die Realisierung des Museums Liner möglich. Sie finanzierten den Erwerb des Grundstücks, die Kosten für den Museumsbau von rund 7 Mio. Franken und das Stiftungsvermögen für den Unterhalt und den Betrieb des Hauses.521 Die Sammlung des Museums wurde durch die Nachlässe der Künstler Carl August Liner und Carl Walter Liner und durch Stiftungen von Katharina Liner-Rüf sowie Paula und Heinrich Gebert begründet. Weitere Donatoren waren Heinrich Rüf und dessen Schwester Elisabeth Rüf, so dass die Sammlung auf etwa 1000 Werke anwuchs.522 Die Stiftung Carl Walter Liner wurde 2014 umbenannt in Heinrich Gebert Kulturstiftung Appenzell, u.a. um den Mäzen Heinrich Gebert zu würdigen. Das Museum Liner wurde 2014 ebenfalls umbenannt in Kunstmuseum Appenzell. Gründe waren die nach und nach aufgegebene monografische Ausrichtung des Museums und sein breiteres Engagement als Kultureinrichtung.523

d) Baubeschreibung da) Gesamtanlage

Das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, liegt in Appenzell, dem Hauptort des Kantons Appenzell-Innerrhoden. Der Museumsbau steht südöstlich des Bahnhofs, unweit der Gleisanlagen, in einem Mischgebiet aus Weideland, Wohnhäusern, Gewerbebauten und

518 Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Baudaten Museum Liner Appenzell, Architektur – Gigon/Guyer. 519 Adam 19983, 2143. 520 Adam 19983, 2142; Adam 19982, 33. 521 Adam 19983, 2142. 522 Adam 19983, 2142. 523 E-Mail vom 11. Dezember 2015, Dr. Roland Scotti, Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner. 71

Parkplätzen abseits des Dorfkerns [Abb. 116].524 Nähert man sich ihm vom Zentrum aus, folgt man der Unterrainstraße, die durch eine Unterführung unter den Bahngleisen durchgeleitet wird und im weiteren Verlauf an der westlichen Langseite des Gebäudes entlang führt. Der Bau liegt erhöht auf einem mit Rasen bewachsenen Plateau [Abb. 106-108]. Der Eingang befindet sich auf der Ostseite, die man über einen um das Museum herumführenden Zufahrtsweg erreicht.

db) Grundriss

Der Bau hat einen rechteckigen, langgestreckten Grundriss von geringer Tiefe [Abb. 123]. Aus dem Rechteck des Gesamtgrundrisses ragen auf der östlichen Langseite der Eingangskubus und auf den nördlichen und südlichen Schmalseiten über dem Erdboden schwebende "Kastenfenster" heraus. Das Erdgeschoss besteht aus zwei parallel zueinander liegenden Folgen aus Rechteckräumen. Die Raumfolgen sind aufgrund der aus der Achse verschobenen Mittelwand unterschiedlich breit. Die zum Eingang hin orientierte östliche Abfolge ist breiter als die zur Straße hin orientierte Westfolge. Ein weiteres Merkmal des Museums Liner ist die Positionierung der Nutz- und Ausstellungsräume innerhalb des Grundrissrechtecks. Hinter den Schmalseiten des Rechteckbaus liegen jeweils zwei große Nutzräume, der Mittelteil des langen Baukörpers ist für die in den beiden parallelen Raumfolgen liegenden Ausstellungssäle reserviert. Am südlichen Ende des Gebäudes wurden das große, rechteckige Eingangsfoyer mit auskragendem "Kastenfenster" sowie ein ebenfalls rechteckiger Raumkomplex mit dem Büro für die Museumsleitung, dem Funktionswürfel mit Garderobe und Toiletten, der Treppe zum Untergeschoss sowie einem Lastenlift platziert. Diese Funktionsbereiche wurden durch eine tragende, im Grundriss stärker hervortretende Wand vom Ausstellungsbetrieb abgetrennt. Am Nordende des Grundrissrechtecks liegt nach Osten ein geschlossener, rechteckiger Videoraum. An seiner Stirnseite schließt sich hinter der Außenfassade ein gerader, einläufiger Treppenaufgang an, der den ebenerdigen Notausstieg aus dem Untergeschoss erreichbar macht. In der Nordwestecke befindet sich der Leseraum mit einem diagonal zum Südfenster verschobenen, in die äußerste Nordwestecke gerückten auskragenden Fenster. Nach Norden hin werden alle Räume kleiner. Am Südende des Gebäudes befinden sich die bereits erwähnten, großzügig angelegten Funktionsbereiche Foyer, Büro und

524 Spier 2003, 116. 72

Garderobe, daran schließen sich die immer kleiner werdenden Ausstellungskabinette an, die in ihrer Breite mit dem gegenüberliegenden Nachbarraum korrespondieren. Das Untergeschoss des Kunstmuseums Appenzell, ehem. Museum Liner, ist über einen Treppenabgang im südlichen Funktionsbereich erreichbar [Abb. 121, 122]. Er liegt als gerader, einläufiger Treppenschacht hinter der zur Gebäudemitte hin orientierten Rückwand des Foyers. Über ihn gelangt man in einen Verteilerraum, der den Lastenlift empfängt, eine Behindertentoilette und den Putzraum bereitstellt sowie Zugang zu den Depoträumen ermöglicht. Diese liegen korrespondierend zum Erdgeschoss in zwei parallelen Raumabfolgen. Die Ausmaße der Lagerräume gleichen jeweils ihrem Pendant im Erdgeschoss, nur die Türdurchgänge sind anders als in der Ausstellungsebene mittig als Enfilade angeordnet.

dc) Aufriss

Das Museum ist ein langgestreckter, eingeschossiger Rechteckbau, der mit einem nach Norden orientierten Sheddach gedeckt ist [Abb. 106-108, 117-120]. Am südlichen Ende des Gebäudes steigt das erste Shed langgezogen einem Pultdach gleich auf. In der Ausrichtung seines Fensters weicht es vom übrigen Schema ab. Die steile verglaste Fläche orientiert sich nach Süden und gleicht das Gewicht der Nordsheds optisch aus. Die folgenden parallel angeordneten Sheds werden mit gleichbleibendem Neigungswinkel der Dachflächen nach Norden hin kleiner, da die darunterliegenden Ausstellungsräume kleiner werden [Abb. 117]. Die Firstlinie nimmt also ab, das Gebäude scheint abzuflachen. Am Nordende läuft das Dach nach dem letzten Shed sanft abfallend bis zur Trauflinie hin aus. Das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, hat keine hervorgehobene Schauseite. Alle Seiten sind gleichberechtigt. Dieser Eindruck wird durch die einheitliche Gebäudehülle erzeugt, die aus sich über Eck überlappenden, rechteckigen Platten aus gestrahltem Chromstahl besteht.525 Es entsteht der Eindruck eines Schuppenpanzers mit diagonal von oben nach unten zum Südende des Gebäudes laufender Oberflächenstruktur [Abb. 106]. Die Eingangsfassade erhebt sich ohne Sockel direkt aus dem mit Rasen bepflanzten Untergrund einzonig bis zur gezackten Trauflinie. Am Südende des Gebäudes führt eine Betonrampe auf den Haupteingang zu [Abb. 106, 110]. Dem Haupteingang ist ein kastenförmiger Trichter aus Beton vorgesetzt. Über dem Sturz der Betonschleuse hängt der

525 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 73

Name des Museums in metallenen Großbuchstaben „wie Fransen“526 herunter. In der Mitte der Eingangsseite öffnet ein knapp über dem Erdboden schwebendes, quadratisches Fenster in einem breiten Metallrahmen die ansonsten homogen geschlossene Fläche [Abb. 106]. Am Nordende der Fassade führt eine einzelne Betonstufe zu einem Notausgang, der ebenfalls durch einen breiten Metallrahmen eingefasst ist. Die südliche Schmalseite des Museums dominiert ein die gesamte rechte Hälfte der Nebenfassade einnehmendes, querrechteckiges Fenster [Abb. 108, 110]. Es gleicht mit seiner großen Glasfläche und seinem stark hervortretenden, über dem Boden schwebenden Metallrahmen einem Schaukasten. Die verbleibende linke Hälfte der Südfassade ist ungegliedert. Die westliche Langseite ist bis auf zwei in breitem Abstand aufeinander folgende Fenster geschlossen. Die Fenster gleichen dem der Eingangsfassade. Die nördliche Schmalseite gleicht in ihrem Aufriss der südlichen [Abb. 109]. Auch hier nimmt die Hälfte der Fassade ein großes auskragendes "Kastenfenster" ein, das nun aber versetzt zum Südpendant auf der rechten Seite der Fassadenfläche sitzt.

dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume

Betritt man das Museum, gelangt man in den langrechteckigen Foyerraum [Abb. 111, 112]. Der Boden ist aus gegossenem Beton. Den Wänden sind weiße Gipsplatten vorgeblendet, wodurch der Raum in Verbindung mit dem Betonboden einen kühlen Charakter erhält. Die Südwand des Foyers wird durch die Glasscheibe des Fensters ersetzt. Das Foyer hat eine schräg zur Gebäudemitte ansteigenden Decke, die Unteransicht des südlichen Sheds. An das Foyer grenzen westlich der ʺFunktionswürfelʺ und hinter dem Empfangstresen der Durchgang zu den beiden Büroräumen und dem Treppenaufgang in das unter dem Südshed verborgene einzige Obergeschosszimmer, das zu Besprechungen dient. Den Rundgang durch die Ausstellung beginnt der Besucher durch einen in die Mauerdicke geschnittenen Durchgang, der in den ersten Saal hinter der Ostfassade führt. Die Ausstellungsräume haben wie das Foyer einen grauen Betonboden und reinweiße Wände [Abb. 113-115]. Jeder Raum wird von einem Shed überfangen. Die Dachschrägen der Sheds ergeben im Inneren einen hohen, sich nach oben verjüngenden Raumschacht. Der Gang durch die Ausstellung erfolgt von Süd nach Nord. Man schreitet die östliche Raumfolge zunächst durch zwei versetzt zueinander liegende, danach durch zwei in Enfilade gestaltete Durchgänge ab [Abb. 115, 123]. Die Größe der Säle nimmt nach Norden hin ab. Im ersten, dritten und fünften Saal besteht die Möglichkeit, über die Mittelachse des Gebäudes in

526 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 74 die parallele Saalfolge zu wechseln. Die Mittelwand nimmt die Elektro-, Lüftungs- und Dachwasserinstallationen auf und ist stärker als die querabtrennenden Wände.527 Am Ende des Gebäudes geht der Besucher über die Mittelachse hinweg in den nördlichsten Raum der Parallelfolge. Vom ersten Zimmer der östlichen Saalfolge ist der Zugang in den Lese- und Videoraum möglich. Der Leseraum wird wie das Foyer durch die große Glasfläche des auskragenden Fensters geöffnet [Abb. 115]. Der Videoraum ist als unbelichteter Dunkelraum konzipiert. Zurück in der westlichen Raumsequenz, begibt sich der Besucher auf den Rückweg zum Foyer durch die entgegengesetzte Abfolge der Säle, die nach Süden hin wieder an Größe zunehmen. Am Ende des Rundgangs angelangt, wechselt der Gast zur östlichen Saalfolge und gelangt über den ersten Durchgang in die Empfangshalle zurück.

e) Planungs-und Baugeschichte

Die Idee zur Gründung des Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, hatten im Sommer 1996 durch das Ehepaar Liner, Heinrich Gebert und Dr. Heinrich Rüf.528 Die Stiftung „Museum Carl Liner Vater und Sohn“ vergab im selben Monat einen Direktauftrag an Gigon/Guyer. Heinrich Gebert hatte die Bauten in Davos und Winterthur besichtigt und entschied sich daher für Gigon/Guyer.529 Als Bauplatz wählte man ein Grundstück nahe dem Bahnhof in einer Übergangszone mit gemischter Bebauung. Ausschlaggebend war seine zentrumsnahe und verkehrsgünstige Lage.530 Nach Annette Gigon wünschte der Stifter Heinrich Gebert zu Beginn ein „kleines Kirchner Museum“531, dessen Kosten dem Erweiterungsbau in Winterthur nahekommen sollten. Die ersten Entwürfe zeigen ein langgestrecktes, aus zwei parallelen Raumreihen bestehendes Gebäude, das die Ausmaße des rechteckigen Grundstücks ausnutzt [Abb. 134]. Zwei an Davos angelehnte Oberlichthäuser sollten die Ausstellungsräume überfangen. Die in zwei Dreiergruppen zusammengefassten Kabinetträume und der mittig auf der Ostseite gelegene Eingangsbereich hätten seitliches Licht erhalten. Der Entwurf befriedigte die Architekten jedoch noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, wie viele Tage im Jahr die in ländlicher Gegend liegende Sammlung Liner geöffnet sein würde. Während der Schließungszeiten sollte der Bau unterhaltsgünstig sein und sich selbst überlassen werden

527 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 528 Adam 19983, 2143. 529 Adam 19983, 2143; Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 530 Interview mit Annette Gigon, 12. Februar 2008. 531 Interview mit Annette Gigon, 12. Februar 2008 und 23. März 2009. 75 können. Zudem sollten Licht- und Klimaschäden an den Kunstwerken ausgeschlossen werden, was großflächiges Seitenlicht oder eine nicht regulierungsfähige Oberlichtkonstruktion ausschloss. Annette Gigon verwendete den Begriff der „Flaschenpost"532 für ein geschlossenes, autarkes Gebäude, das sich selbst überlassen überdauern kann.533 Die Version eines „kleinen Kirchner Museums“ 534 ging nach den Architekten zu wenig auf den eigenständigen Auftrag der Stiftung Liner und die örtliche Situation ein. Man wollte eine für den Ort entwickelte „starke Lösung“, die „robust“, „solide“ und „nachhaltig“535 sein sollte, und entschied sich daher für die bezüglich Lichteinfall und Klimaregulierung effiziente Lösung der Sheds.536 Verschiedene Varianten wurden entwickelt. Die ersten Entwürfe zeigen Anklänge an die Erweiterung in Winterthur: eine Rechteckhalle mit mehreren kleinteiligen Sheds über jedem Raum („Zieharmonika“537) [Abb. 124, 135-137]. Schrittweise kamen die Architekten zur endgültigen Lösung. Die Anzahl der Sheds wurde reduziert, wodurch sich die Neigung der Shedaufbauten abflachte [Abb. 124-127, 138]. Im endgültigen Entwurf wurde jeder Ausstellungsraum durch einen flachen Shed überfangen. Ebenfalls experimentiert wurde mit der Ausrichtung der Oberlichter. Es gab Varianten mit nach Norden ausgerichteten Lichtöffnungen und mit der realisierten Mischlösung aus Nordsheds über den Ausstellungsräumen und einem Südshed über dem Foyer.538 Fraglich war auch die Lage des Eingangsbereichs. Verschiedene Skizzen zeigen ihn mal in der Mitte des Gebäudes, mal als an das Hauptgebäude angeschobenen Kubus oder, wie verwirklicht, am Nordende des Langbaus in das Raumgefüge integriert [Abb. 139-141]. Für die Aufteilung des Ausstellungsbereichs wurden ebenfalls verschiedene Lösungen erarbeitet. Bereits früh zeichnete sich das Prinzip einer Gliederung in zwei parallele Raumreihen mit stärkerer Mittelwand für die Unterbringung der Installationen ab.539

532 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 533 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 534 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 535 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 536 Vollkommen verworfen wurden die Versionen mit einzelnen Laternenaufbauten pro Ausstellungsraum und eine nur einmal in einer Skizze dargestellten Version mit Erkerhäuschen, die sich aus dem Grundrissrechteck herausschieben. Diese Version sollte größere Oberlichtkabinette im Hauptbau und kleine Grafikkabinette in den Erkerhäuschen verbinden. Gegen eine Mischlösung aus "kleinem Kirchner Museum" und ʺkleiner SORʺ entschieden sich die Architekten ebenfalls. Diese hätte größere Ausstellungssäle mit Oberlichthäusern nach Davoser-Schema mit kleinen Grafikkabinetten mit Laternenoberlicht wie in der Sammlung Oskar Reinhart kombiniert. Ein weiteres Konzeptdetail sah textile Staubdecken aus Leinentuch als Abtrennung zu den Oberlichthäusern vor. Diese hätten einen inhaltlichen Bezug zum Namen der ausgestellten Künstler, Vater und Sohn Liner, dargestellt. Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 537 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 538 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 539 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 76

Varianten zeigen die Raumreihen gleichförmig über die Mittelachse gespiegelt oder über das Grundrissrechteck hinausragend gegeneinander verschoben [Abb. 139-141]. Verworfen wurde der Entwurf der parallelen Raumfolgen mit zueinander versetzten, springenden Mittelwänden [Abb. 141]. Man entschied sich für eine Lösung mit gleichlangen Raumreihen mit durchgängiger, aber leicht nach Westen gerückter Mittelachse und mit je einem Shed über jedem Ausstellungsraum [Abb. 123]. Dadurch entstanden kleine, intime Räume, die den Besucher direkt in die Raummitte und unmittelbar vor die Kunstwerke führen. Sie sollten eine persönliche Begegnung mit dem Kunstwerk und eine konzentrierte Versenkung wie in einer Kapelle ermöglichen.540 Die "Kapellenräume" sollten auch eine Anlehnung an die als kleinteilige "Puppenstubenlandschaft" bekannte Region Appenzell darstellen.541 Der Vorstellung eines „geschlossenen“, „in sich ruhenden“542 Baus mit geringen Energiekosten entspricht das „All-Over“ der Gebäudehaut. Zur Abdichtung der Sheds musste eine Verkleidung aus Blech gewählt werden. Ausgehend vom Dach wollten die Architekten den gesamten Bau mit Metall verkleiden.543 Auf den ersten Skizzen sind vertikale Metallbahnen zu sehen [Abb. 135-136]. Es folgte eine Lösung mit kürzeren, übereinander gesetzten Vertikalbahnen [Abb. 140], später mit sich überlappenden, diagonal verlaufenden Metallschuppen [Abb. 141].544 Inhaltlich liegen den Schindeln Assoziationen an Appenzeller Bauernhausarchitektur zugrunde.545 Die Farbe und die Oberflächenbearbeitung der Metallverkleidung beruhten auf funktionalen Überlegungen. Chromstahl wurde gewählt, um farbige Lichtreflektionen von den Dachflächen in die Ausstellungsräume zu vermeiden. Auch die Mattierung der Metallplatten durch ein Strahlen mit Glasperlen ging auf lichttechnische Überlegungen zurück.546 Als Gegensatz zur Metallhaut der Fassaden konzipierten die Architekten die "Eingangsschleuse" aus Sichtbeton. Sie sollte darauf hinweisen, dass der Bau eigentlich aus Beton konstruiert ist.547 Nach dem Spatenstich am 3. Juni 1997 wurde mit den Bauarbeiten begonnen.548 Die Baueingabe war am 4. Februar 1997, die Bewilligung am 18. April erteilt worden. Die

540 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 541 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 542 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 543 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 544 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 545 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 546 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009 und 21. Oktober 2013. 547 Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008. 77

Bauarbeiten zogen sich vom Juli 1997 bis Ende August 1998 hin.549 Die Eröffnung des Museums wurde am 25. September 1998 gefeiert.550

5. Museum und Park Kalkriese, Bramsche/Niedersachsen (1998, 1999-2002) a) Literaturbericht

Die Resonanz auf die Museen von Gigon/Guyer verstärkte sich, wie bereits bemerkt, mit der Fertigstellung des Appenzeller Museums merklich und erfuhr mit der Eröffnung des Museumsparks Kalkriese eine weitere Intensivierung. Im Dezember 1998 wurde in der Zeitschrift Wettbewerbe Aktuell der Verlauf des Wettbewerbs publiziert.551 In Form einer Aufstellung wurden die wichtigsten Daten genannt und die Preisgerichtsbeurteilungen abgedruckt. Leider wurden den Bewertungen keine Beschreibungen beigestellt, die Kenntnis der Projekte wurde vorausgesetzt. Die Entwürfe konnten nur anhand kleinformatig abgedruckter und unbefriedigend beschrifteter Pläne nachvollzogen werden. Ab 1999 erschienen mehrfach kurze Artikel in Zeitschriften, die über eine Charakterisierung der Architektur und des Konzepts nicht hinausgingen. Im Jahr der Einweihung des Museums 2002 wurden weitere, vor allem auch internationale Artikel publiziert.552 Frank R. Werner verfasste zwei Artikel in der Bauwelt und der Deutschen Bauzeitung, die sich inhaltlich glichen. Zusammen mit den Aufsätzen von Hubertus Adam 1999 und dem 2003 erschienenen Artikel von Julia B. Bolles-Wilson/Peter L. Wilson im

548 Adam 19982, 33. Beim ersten Spatenstich waren die Gattin des Malers Katharina Liner, ihr Bruder und Stiftungsrat Heinrich Rüf, der Stifter Heinrich Gebert und die Architekten Annette Gigon und Mike Guyer anwesend. Der Maler Carl Walter Liner war am 18. April 1997 verstorben. Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Zeitungsartikel vom 3. Juni 1997 ohne weitere Quellenangaben. Baureportage Museum Liner Appenzell. 549 Adam 19982, 33. 550 Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Baureportage Museum Liner Appenzell. 551 A.A.: Realisierungswettbewerb Archäologischer Museumspark Kalkriese im Osnabrücker Land, in: Wettbewerbe Aktuell 12 (1998) 3-14 [A.A. 19981]. 552 Hubertus Adam: Vergangenheit als Konstruktion – Gigon/Guyer – Museumspark Varusschlacht Kalkriese – 1998-2000, in: Archithese 5 (1999) 44-51; Benedikt Kraft: Hermann Cherusker – Museum und Park Kalkriese von Gigon/Guyer kurz vor der Fertigstellung, in: Deutsche Bauzeitschrift 8 (2001) 6; Irma Noseda: Dem authentischen Ort Gestalt geben – Museum und Park Kalkriese bei Osnabrück von Gigon/Guyer und Zulauf /Seippel/Schweingruber, in: Werk, Bauen + Wohnen 11 (2001) 8-15; A.A.: Museo archeologico e parco a Bramsche-Kalkriese, in: Casabella – Rivista internazionale architettura (Dezember 2002) 123-127; Amanda Birch: Field Studies – At a historical park in Germany, in: Architecture – Official magazine of the American Institute of Architects (September 2002) 78-85; Marie Christine Loriers: Le tombeau des légions – Gigon et Guyer – Parc archéologique Kalkriese, in: TA – Techniques & architecture 461 (2002) 52-57; Efisio Pitzalis: Museo e Parco Kalkriese, in: Area 63 (2002) 48-61; Frank R. Werner: Archäologische Wahrnehmungshilfen – Varusschlacht im Osnabrücker Land – Museum und Park Kalkriese, in: Deutsche Bauzeitung 136 (2002) 90-95 [Werner 20021]; Frank R. Werner: Teutoburger Wald – Archäologisches Museum und Park in Kalkriese, in: Bauwelt 15 (2002) 14-21 [Werner 20022]; A.A.: Battle Lines, in: Architectural Review 7 (2002) 34-41 [A.A. 20021]; Julia B. Bolles-Wilson/Peter L. Wilson: Museum und Park Kalkriese/Bramsche, in: Deutsches Architektur Museum Jahrbuch (2003) 120-127. 78

Jahrbuch des Deutschen Architekturmuseums waren sie die bis dahin differenziertesten Betrachtungen.553 Es erschienen weitere überwiegend beschreibende, im Bestfall charakterisierende Artikel, meist über fünf bis zehn Seiten mit Fotos in nationalen und internationalen Fachorganen wie in der Zeitschrift Detail oder der japanischen Architecture & Urbanism.554 Erwähnenswert ist der Artikel von Till Wöhler, in dem er feststellt, durch das Konzept der Versinnbildlichung statt einer Rekonstruktion sei der Ort zum eigentlichen Exponat geworden und eine ideologische Aufladung vermieden worden.555 Im Jahr seiner Eröffnung, 2002, erhielt das Museum zudem den Preis des Deutschen Stahlbaus.556 Dem Votum der Jury nach gelang es den Kalkrieser Bauten, „in besonderer Weise neben den rationalen Gründen für den Einsatz von Stahl auch die emotionale Ebene dieses Materials präsent werden zu lassen.“557 Die „monolithisch wirkende Außenhaut aus Cortenstahl“ und die „rostende äußere Hülle“ hebe „die zeitliche Dimension der Projekte wie auch die Vergänglichkeit [...] heraus“.558 Neben der internationalen Resonanz in Fachmagazinen wurde Kalkriese auch in Monografien und Überblickswerken zur zeitgenössischen Architektur erwähnt.559 Steven Spier ging auf Kalkriese nur kurz ein: Er erkannte im Museumspark einen Antipol zu „disneyfizierten“ Museen mit „historisierenden Rekonstruktionen“.560 Eine Erwähnung fand Kalkriese in dem von Hans Weidinger 2003 veröffentlichten Buch über Patina in der zeitgenössischen Architektur. Er nannte Vergleichsbauten und diskutierte architekturhistorische Wurzeln des Motivs. Am Beispiel Kalkriese behandelte er die Eigenschaften und die visuelle Erscheinung des wetterfesten Stahls und beschrieb die zum Ort und seiner Geschichte passende paradoxe Materialwirkung des Museumsbaus als „schwebend“, „zeitlos“561 und dennoch dem Zerfall ausgesetzt. Eine kurze Beschreibung

553 Werner 20021, 90-95; Werner 20022, 14-21; Adam 1999, 44-51; Bolles-Wilson/Wilson 2003, 120-127. 554 A.A.: Museum in Kalkriese, in: Detail – Zeitschrift für Architektur + Baudetail 1/2 (2003) 60-65; A.A.: Gigon/Guyer – Archeological Museum and Park in Bramsche Kalkriese – Kalkriese – Germany, in: A & U – Architecture & Urbanism 385 (2002) 82-89. 555 Till Wöhler: Zeitraum und Rostbraun – Museum und Park Kalkriese, in: Deutsche Bauzeitschrift 6 (2002) 48- 53. 556 Reinhart Wustlich: Stahllandschaften – Preis des Deutschen Stahlbaus 2002, Darmstadt 2002, 50-57. 557 Wustlich 2002, 57. 558 Wustlich 2002, 57. 559 Spier 2003, 127-128; Philip Jodidio: Architecture Now – Architektur heute – architecture d`aujourd`hui 3, Köln 2004, 256-261. 560 Spier 2003, 127. 561 Weidinger 2003, 42-43. 79

über eine Seite erschien 2003 auch in der französischen Vierteljahresschrift L`acier pour construiere.562 Einen Beitrag, in dem die Funktionen bzw. Bedeutungen der Architekturen des Parks durcheinander gebracht wurden, verfasste Philip Jodidio für die populäre Reihe Architecture Now 2004.563 Weitere Beschreibungen erschienen 2004 in der italienischen Zeitschrift Acciaio Arte Architettura und in der Publikation Landscape Design Today.564 Neben weiteren Kurzbeiträgen wurde der Park 2005 auch in Museumsmonografien erwähnt, die sich jedoch ebenfalls auf reine Charakterisierungen auf je einer Seite beschränkten.565 Christine Demoulins nahm ihn in ihre Überblickspublikation auf. Sie thematisierte das abstrahierende Konzept und den abgedunkelten Ausstellungsraum.566 2006 folgte Mimi Zeiger, die die Architekturen der Anlage und ihren Bezug zur Landschaft herausstellte.567 Thierry Greub benannte die Anlage als erstes Museum „auf einem Schlachtfeld“, das eine „absolut unscheinbare“ Landschaft zu einem „spezifischen Ort“568 werden ließ. Den Ausstellungsraum nannte er „hallenartige black box“569 und bemerkte, dass das Material Stahl das Museum mit dem Park verbinde und auf die Vergänglichkeit der römischen Herrschaft verweise.570 Das internationale Interesse war so groß, dass das Museum und der Park Kalkriese 2006 auch in der bereits erwähnten chinesischen Zeitschrift Shijie-jianzhu - World Architecture vorgestellt wurden.571 In einem Überblick zu zeitgenössischen Landschaftsgärten mit architektonischem Anteil von Virginia McLeod wurde die Anlage 2008 aufgeführt und ohne Nennung neuer

562 Florence Accorsi: Matière à remonter le temps, in: L`acier pour construire 35 (2003) 34-39. 563 Jodidio 2004, 258. 564 Marina Cescon: Percorso sensoriale - A sensorial journey, in: Acciaio Arte Architettura 19 (2004) 74-85; Carles Broto/Josep Maria Minguet: Museum und Park Kalkriese – Gigon/Guyer architects – Zulauf, Seippel, Schweingruber – landscape architects, in: Landscape Design Today, Barcelona 2004, 10-21. 565 Weitere kurze Erwähnungen erfolgten in: A.A.: Museo archeologico e parco a Bramsche- Kalkriese/Osnabrück – Archäologisches Museum und Park in Bramsche-Kalkriese/Osnabrück, in: Rivista tecnica 16 (2004) 78-89 [A.A. 20042]; Gert Kähler: Vergegenwärtigung eines Ortes – Museum und Park Kalkriese, in: Rotraut Weeber (Hrsg.): Baukultur! – Informationen, Argumente, Konzepte – Zweiter Bericht zur Baukultur in Deutschland, Hamburg 2005, 48. 566 Christine Desmoulins: 25 musées, Paris 2005, 128-131, 128, 131. 567 Mimi Zeiger: Museen heute, München 2006, 102-107. 568 Thierry Greub: Varusschlacht im Osnabrücker Land – Museum und Park Kalkriese – Bramsche - Kalkriese – Deutschland, in: Suzanne Greub/Thierry Greub (Hrsg.): Museen im 21. Jahrhundert – Ideen – Projekte – Bauten (Kat. Art Centre Basel), München 2006, 90-95, 90 [Greub 20062]. 569 Greub 20062, 91. 570 Greub 20062, 92. 571 Sun Lingbo: Archeological Museum and Park in Bramsche-Kalkriese, in: Shijie-jianzhu – WA – World Architecture 9 (2006) 97-103. 80

Gesichtspunkte beschrieben.572 Durch weitere Beispiele wie den Skulpturenpark des Nasher Centers (2003) in Dallas/Texas ist die Lektüre dennoch lohnend.573 Eine Art Architekturbetrachtung veröffentlichte 2007 René Furer in einer im Selbstverlag erschienenen Reihe zu aktuellem Bauen und Architekturtheorie.574 Furers Text, der seine ausführlichere Publikation 2012 vorwegnahm (s. unten), wurde gefolgt von einem „Planungsbericht“, in dem die Architekten ihr Projekt selbst beschrieben. 2009 wurde vom Museum Kalkriese anlässlich des 2000jährigen Jubiläums der Varusschlacht eine Überblickspublikation veröffentlicht. Sie enthält neben neuen Forschungsergebnissen auch einen Beitrag der Architekten zum Archäologischen Park. Neben Beschreibungen der Architekturen und ihrem Konzept geben sie eine Chronologie zur Planungs und Entstehung wieder.575 Eine Architekturtheorie in Bildern publizierte 2012 René Furer.576 Das Buch zeigt eine „lustbetonte“577 weltweite Auswahl von Architekturfotografien unterschiedlicher Gattungen, die er bereits in Periodika veröffentlicht hatte. Knappe Texte thematisieren relevante Merkmale der Beispiele. Zum Museumspark Kalkriese verwies er auf die Stelzen und führte in nicht chronologischer Reihenfolge und ohne Nennung der Entstehungszeit das Haus Farnsworth von Ludwig Mies van der Rohe, die kaiserliche Villa in Kyoto/Japan und das Studentenwohnheim „Pavillon Suisse“ von Le Corbusier in Paris auf.578 Er machte zudem den Typ Pavillongruppe fest und nannte andere Parkanlagen mit Pavillons (Pavillons von Jules Hardouin-Mansart in Marly und die Villa Lante in Bagnaia von Giacomo Barozzi da Vignola). Als zeitgenössisches Beispiel verwies er auf den Parc de la Villette von Bernard Tschumi.579 Wie auch bei den vorangegangenen Bauten brachten die bisherigen Publikationen keine architekturhistorische Einordnung des Museums und Parks Kalkriese. Aspekte wie das Konzept eines Museumsparks mit Hauptgebäude und Satellitenbauten, der Typ ʺMuseum mit Turmʺ oder die Visualisierung eines Ausstellungsthemas durch Architektur wurden noch nicht behandelt. Unbearbeitet ist zudem das Thema der Verwendung von wetterfestem Stahl im Bereich der Museumsarchitektur. Hans Weidingers beschreibende und allgemeine gefasste

572 Virginia McLeod: Detail in Contemporary Landscape Architecture, London 2008, 72-75. 573 McLeod 2008, 100-103. 574 René Furer: Gigon/Guyer – Kalkriese (Architekturhefte René Furer 5), Benglen/Zürich 2007. 575 Annette Gigon/Mike Guyer: Museum und Park Kalkriese – Architektur und Landschaftsarchitektur, in: Heidrun Derks/Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH (Hrsg.): Varusschlacht im Osnabrücker Land – Museum und Park Kalkriese, Mainz 2009, 232-241, 241. 576 René Furer: Landschaften – Eine Architekturtheorie in Bildern von René Furer, Zürich 2012. 577 Furer 2012, 6. 578 Furer 2012, 165. 579 Furer 2012, 172f. 81

Ansätze können durch eine auf die Museumsarchitektur fokussierte Untersuchung ergänzt werden.580

b) Quellenbericht ba) Bildquellen

Zum Projekt Museumspark Kalkriese gibt es zahlreiche Bildquellen in unterschiedlicher Form: 1) Ein Modell der Gesamtanlage zeigt das Relief des Geländes, die Positionierung des Museums, der Pavillons und des Ausgrabungsfeldes und die Ausdehnung der Waldzonen [Abb. 180].581 2) Das Museum wurde dreimal im Modell gebaut. Das erste Modell zeigt die Fassadenverkleidung aus Cortenstahl-Platten [Abb. 181]. Kartonrechtecke verdeutlichen den Wechsel zwischen geschlossenen Zonen und ausgelassenen Fassadenplatten. Das zweite Kartonmodell hat eine geschlossene, rostrot bemalte Gebäudehaut [Abb. 182]. Das letzte Modell erinnert an das massive Stahlmodell des Museums Liner. Es zeigt den Bau ebenfalls als geschlosses Volumen aus massivem Stahl [Abb. 183].582 3) Drei Modelle aus Karton mit abnehmbarem Dach verbildlichen die Pavillons ʺSehenʺ, ʺHörenʺ und ʺVerstehenʺ [Abb. 184-186].583 4) Der große Ausstellungssaal des Museums wurde ebenfalls im Modell projektiert. Der architektonisch ungegliederte Raum wird darin durch mobile Stellwände bespielt.584 5) Die Konstruktion der Fenster wurde in einer Detailstudie ausgearbeitet [Abb. 187].585 6) Die Anzahl der archivierten Skizzen ist überschaubar [Abb. 188-189].586 Die überwiegend mehrfarbig mit Buntstiften gearbeiteten Blätter zeigen das Gelände in der Vogelschau, Panoramaansichten des Parks mit den Architekturen, den Zufahrtsweg als waldgesäumte Allee, das Museum in verschiedenen Ansichten und

580 Weidinger 2003, 42-43. 581 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modell Gelände Archäologischer Museumspark Kalkriese. 582 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modelle Museum – Archäologischer Museumspark Kalkriese. 583 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modelle Pavillons – Archäologischer Museumspark Kalkriese. 584 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modell Ausstellungsraum Museum – Archäologischer Museumspark Kalkriese. 585 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modell Konstruktion Fenster des Museums – Archäologischer Museumspark Kalkriese. 586 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen – Mappen zu einzelnen Projekten. 82

den Grundriss des Ausstellungsraums mit unterschiedlichen Gliederungsvorschlägen [Abb. 193].587 7) Computergestützte Simulationen entstanden von den Holzschnitzelpfaden, dem mit Stahlplatten gepflasterten Weg der Römer und dem durch Stahlstäbe verdeutlichten germanischen Erdwall [Abb. 190-192]. 8) Es standen Fotos der Bauarbeiten am Museum, an den Pavillons, den Wegen und den architektonischen Elementen zur Verfügung.588

bb) Textquellen

Textquellen zum Archäologischen Museumspark Kalkriese konnten im Archiv des Architekturbüros Gigon/Guyer eingesehen werden: 1) Das Programm des Wettbewerbs gibt die Zielsetzung des ausgeschriebenen Projektes wieder.589 2) Das Protokoll der Preisgerichtssitzung vom 27. Juli 1998 dokumentiert in Kurztexten die Bewertung der Jury.590

c) Vorgeschichte

Thema des Parks und Museums Kalkriese ist die Varusschlacht bzw. die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 n. Chr., in der der germanische Cheruskerfürst Hermann (lat. Arminius) den römischen General Publius Quintilius Varus besiegte.591 Durch einen Hinterhalt und eine für die eher statisch und geordnet operierenden römischen Soldaten verhängnisvolle Guerillataktik sollen die Germanen drei römische Legionen und sechs Unterstützungstruppen überwältigt haben. Der Überlieferung nach zogen die römischen Truppen von einem Sommerlager an der Weser aus westwärts. Der kilometerlange Tross wurde am Kalkrieser Berg von den Germanen in einem Engpass zwischen Bergflanke und Moor angegriffen. Die Germanen sollen sich hinter einem durch Grassoden verborgenen Wall versteckt haben und so die technisch überlegene, aber unvorbereitete römische Armee, die sich in dem unwegsamen Gelände nicht zu ihrer Schlachtenordnung formieren konnte,

587 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen – Mappen zu einzelnen Projekten. 588 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Fotografien Bauarbeiten Archäologischer Museumspark Kalkriese. 589 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb. 590 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll der Preisgerichtssitzung vom 27. Juli 1998. 591 Werner 20021, 91. 83

überrascht haben. Man schätzt, dass zehn- bis zwanzigtausend Römer und eine unbekannte Anzahl Germanen fielen.592 Nach der Varusschlacht war der Rhein über Jahrhunderte Grenze des Römischen Reiches. Im weiteren Verlauf stilisierte man den historischen Stoff zu einem Mythos, der die Figur des Arminius zu einem „Gründungsheros der deutschen Nation“ machte und die Überlegenheit der „germanischen Kultur“ 593 untermauern sollte. Der genaue Ort der Schlacht war lange unklar, da die Berichte antiker Autoren nur ungenügende geographische Angaben enthalten. 1987 machte ein Hobbyarchäologe einen römischen Münzfund nahe der niedersächsischen Ortschaft Bramsche. Ihm gelang es mit dem Metalldetektor weitere Funde zu machen, die Kampfhandlungen auf dem Gebiet belegten. Ab 1988 führte die Bodendenkmalpflege des Osnabrücker Landes Grabungen durch, die durch Münzen, Militaria und Knochenreste das Gebiet als Schauplatz der Varusschlacht absicherten.594 In einem ehemaligen Bauernhof, dem Gut Niewedde, wurde während der Grabungen ein Informations- und Forschungszentrum eingerichtet. Das Gelände konnte in dieser Zeit kostenlos besichtigt werden.595

d) Beschreibung da) Gesamtanlage

Der Ort der Varusschlacht wird durch den Museumspark Kalkriese für den Besucher erfahrbar. Die Parkanlage mit Museum und Satellitenbauten bemisst 20 Hektar. Sie liegt im Zentrum des durch Grabungen belegten, wesentlich größeren historischen Schlachtfeldes südlich des Kalkrieser Berges an der Autobahnausfahrt Bramsche der A 1. Der Park hat die Form eines Parallelogramms, das sich von Osten nach Westen erstreckt [Abb. 172]. Die Topographie des Geländes ist nach Norden hin leicht abfallend [Abb. 145, 157]. Der Besucher betritt den Park an seiner östlichen Schmalseite. Als Eingangsgebäude dient ein 2008 bis 2009 errichtetes Besucherzentrum, das den früheren Eingangsbereich in dem südlich davon liegenden umgebauten Bauernhof ersetzt [Abb. 142, 143].596 Das

592 Adam 1999, 47; Werner 20021, 91; Werner 20022, 14. 593 Adam 1999, 45. 594 Adam 1999, 46. 595 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 4. 596 Werner 20022, 16; Gigon/Guyer 2009, 241. 84

Besucherzentrum beinhaltet im EG ein Foyer mit Kasse, Bücherverkauf und Sitzecke, Schließfächer und Toiletten sowie einen Tagungsraum. Im 1. OG befindet sich ein ungegliederter Ausstellungssaal für Sonderausstellungen. Der ehemalige Bauernhof nimmt heute ein Restaurant, Räume für die Museumspädagogik und im Obergeschoss die Verwaltung des Parks auf. Südöstlich des Eingangsgebäudes und des Hofguts liegt das Museum, dessen langgestreckter Baukörper quer zum Parkgelände ausgerichtet ist [Abb. 172]. Ausgehend von einer Brücke über einen Bach, beginnt die gekurvte Linie der römischen Marschroute. Sie führt den Besucher auf dem Weg der Bodenplatten sanft gekurvt in das Gelände hinein. Nach kurzer Wegstrecke passiert man als erstes den Pavillon ʺSehenʺ. Auf Höhe des Pavillons beginnt der Verlauf des germanischen Erdwalls, der durch Eisenstangen abgesteckt ist. Zunächst verläuft er parallel zur ʺRömer-Routeʺ, später leicht abgerückt davon. Nach der Hälfte der Wegstrecke kommt der Besucher zum Grabungsfenster. Es liegt als langgestrecktes Rechteckfeld quergestellt zu den Marsch- bzw. Kampflinien, so dass es mit seinem niedrigerem Bodenniveau alle wesentlichen Elemente der Schlachtenhandlung (ʺRömer- Routeʺ, Germanenwall u.ä.) anschneidet und durch Topographie und Vegetation den historischen Schauplatz für den Besucher rekonstruiert. Südwestlich des ʺZeitfenstersʺ liegt etwas vom Weg abgerückt der Pavillon ʺHörenʺ. Am Ende des Besucherpfades kommt man zum Pavillon ʺVerstehenʺ, von dem aus der Besucher zurück über das Gelände blickt und der den Schlusspunkt der Anlage darstellt.

db) Konzeptionelle Idee

Auf dem Gelände des Archäologischen Parks wird dem Besucher das Geschehen der Varusschlacht vor Augen geführt. Bei seinem Gang über das Gelände passiert er architektonische Elemente, die Begebenheiten der Schlacht verbildlichen, drei Pavillons und ein rekonstruiertes Grabungsfeld, das der historischen Topographie nachgebaut wurde. Der Verlauf des germanischen Erdwalls und der Palisaden, hinter dem sich die Germanen versteckten, wird durch eine Reihe aus vertikal in den Boden gerammten Stahlstäben verdeutlicht [Abb. 163].597 Sie zieht sich als lange, gekurvte Linie von Ost nach West über das Gelände [Abb. 172]. Dichter gesetzte Stangen markieren Abschnitte des

597 Spier 2003, 127. 85 archäologisch belegten Walls, weiter auseinanderstehende Stangen zeigen den vermuteten Verlauf.598 Die angenommene Marschroute des Zuges der römischen Legionäre wird durch eine Spur auf dem Boden ausgelegter großflächiger rostiger Stahlplatten dargestellt [Abb. 158, 160]. Sie verläuft annähernd parallel zum germanischen Wall.599 Verwandt wurden rechteckige Stahlplatten, wie sie im Straßenbau üblich sind.600 Sie liegen unregelmäßig auf dem Boden zerstreut. Einige sind in erhabener Schrift mit antiken Texten in Übersetzung versehen. Als Vorlage diente die wichtigste literarische Quelle zur Varusschlacht: der 20 Jahre nach dem Geschehen geschriebene Bericht des Tacitus.601 Das Gelände südlich des germanischen Walls wurde aufgeforstet, um den Urwald des Jahres 9 n. Chr. zu verdeutlichen. Ein dichtes Netz aus Holzschnitzelpfaden versinnbildlicht die Angriffslinien der Germanen [Abb. 168]. Nördlich der beiden Schlachtlinien lichtete man den Wald, um den Eindruck einer moorigen Heidelandschaft wiederzugewinnen.602 Zudem beließ man die Spuren der modernen landwirtschaftlichen Nutzung des bis 1987 unentdeckt gebliebenen Schlachtfeldes.603 Das Grabungsfenster in der Mitte des Parkgeländes stellt das einzige Beispiel rekonstruierter Vergangenheit dar. In den Boden gerammte rostige Spundwände aus dem Straßenbau grenzen ein 1600 Quadratmeter großes, langrechteckiges Feld vom Rest des Parks ab [Abb. 169, 170]. Hier wird das Schlachtfeld des Jahres 9 n. Chr. nachempfunden. Auf dem historischen Bodenniveau, etwa 1,5 bis 2 Meter tiefer als heute, wird mit Mitteln des Landschaftsbaus und rekonstruierter Requisiten die historische Topographie mit Moorlandschaft und Erdwall der Germanen dargestellt.604

dc) Beschreibung der Architekturen (1) Museum (1.1) Lage

Das Museum steht in der südöstlichen Ecke des Parks, etwas abseits von der Hauptachse des Besucherweges über das Gelände [Abb. 172]. Seine Umgebung wurde

598 Werner 20021, 93. 599 A.A. 20021, 35. 600 A.A. 20021, 35. 601 Werner 20021, 90. 602 Spier 2003, 127. 603 A.A. 20021, 35. 604 Werner 20022, 18; Werner 20021, 93. 86 naturnah belassen. Der Bauplatz fällt leicht nach Norden ab. Das Gefälle fängt der aufgeständerte Bau durch nach Norden hin länger werdende Stützen auf [Abb. 146-150].

(1.2) Grundriss

Das Museumsgebäude besitzt ein Vollgeschoss, das einen langrechteckigen schmalen Grundriss hat, der im Innern in drei Zonen aufgeteilt ist [Abb. 176]. Jeweils hinter den Schmalseiten des Grundrissrechtecks liegen Funktionsbereiche, die in kleine Quadrat- und Rechteckräume binnengegliedert sind. Am nördlichen Ende des offenen Ständergeschosses befinden sich zwei Raumkörper [Abb. 148, 151]. Sie nehmen den Haupteingang mit Treppe ins Obergeschoss und den Aufgang zum Turmtreppenhaus bzw. den Aufzug auf. Im 1. OG befindet sich ein in die Gebäudetiefe quer gelegtes Foyer, von dem aus Nebenräume zugänglich sind [Abb. 152]. Direkt hinter der Nordfassade liegen durch mobile Wände abgetrennt ein Video- und ein Tagungsraum [Abb. 153]. Auf der zur Gebäudemitte hin orientierten Südseite des Foyers sind ein kleiner Personalraum, die Haustechnik und die Garderobe mit Schließfächern und Toiletten untergebracht. Am östlichen Ende des Foyers befindet sich der Zugang zum großen Ausstellungsraum, der durch vier Stützen in zwei Reihen in fünf Joche gegliedert wird. Hinter der Südfassade trifft man auf einen Pädagogikraum, weitere Kammern für die Haustechnik, einen kleinen Anlieferungsraum für Exponate und den Notausgang. Der Turm erhebt sich in sieben Geschossen über der gesamten nördlichen Schmalseite des Museum und gleicht einer schmalrechteckigen Wandscheibe.605 Der Zugang zum Turm erfolgt über eine in der Nordwestecke des Museums liegende einläufige Treppe und einen Lift [Abb. 176]. Die Treppe wechselt nach dem zweiten Geschoss, auf dem Niveau des Museumsdachs, in die gegenüberliegende nordwestliche Gebäudeecke. Ein weiterer Wechsel erfolgt nach dem vierten Geschoss [Abb. 155, 175]. Von dort steigt das Treppenhaus auf bis zum obersten Stockwerk mit einem die gesamte Turmgrundfläche einnehmenden Aussichtsgeschoss.

(1.3) Aufriss

Das Museumsgebäude besitzt keine hervorgehobene Schau- oder Eingangsfassade [Abb. 146-148]. Es besteht vereinfacht gesehen aus drei Bauteilen: einem offenen

605 Werner 20022, 20. 87

Stützengeschoss, dem darauf gesetzten eingeschossigen Ausstellungsbau und dem auf die nördliche Schmalseite des Baukörpers gesetzten, im Grundriss rechteckigen Turm [Abb. 146, 147]. Die Außenhaut ist mit hochrechteckigen Platten aus wetterfestem Stahl verkleidet, die bündig ohne Rahmung aneinander gefügt sind. Im Raster der Verkleidungsplatten wurden einzelne Felder für die Fenster ausgespart [Abb. 146-148]. Sie legen am Turm zudem die Konstruktion offen und gewähren Einblicke in das Treppenhaus. Durch den Wechsel aus geschlossenen Flächen und scheinbar zufällig fehlenden Feldern ergibt sich der Eindruck, die Stahlplatten seien schildartig und lose auf das tragende Stahlskelett des Museums gesetzt. Durch die Korrosion des wetterfesten Stahls variiert die Farbigkeit der einzelnen Platten. Sie erscheinen je nach Lichtverhältnissen leuchtend orange, rostbraun oder dunkelbraun. Das Stützengeschoss besteht aus 40 dunkel rostroten Doppel-T-Träger-Stützen, die in einem Raster von etwa 6 auf 6 Meter unter dem Gebäude verteilt sind [Abb. 150]. Die unterschiedliche Höhe der Stützen gleicht das Gefälle des Geländes aus [Abb. 174]. Die Langseiten des Ausstellungsgeschosses besitzen je drei Fenster. Für die Fensteröffnungen wurden einzelne Verkleidungsplatten ausgelassen [Abb. 149]. Die Fenster stellen sich so als durchsichtige Fassadeabschnitte dar, die in ihren Ausmaßen dem Modul der Fassadenplatten entsprechen. Sie werden von rostbraunen Metallrahmungen und den T- Trägern des Stahlskeletts eingefasst. Es ergibt sich der Eindruck, als seien einzelne der rostigen Platten abgefallen und gäben den Blick frei auf die darunterliegende Konstruktion des Gebäudes. Die südliche Schmalseite des Museums ist einzonig gegliedert und geschlossen mit Stahlplatten verkleidet [Abb. 148]. Die Nordfassade schließt die über dem Ausstellungsgeschoss hoch aufsteigenden fünf Stockwerke des Turms mit ein [Abb. 146]. Auf dem Niveau der Ausstellungsräume wird der Baukörper durch eine Folge aus vier Fensterfeldern geöffnet. Darüber beginnt der Turm. Seine Treppe verläuft über die fünf Geschosse als gerader, zweiläufiger Aufgang mit Richtungswechsel von Geschoss zu Geschoss [Abb. 155, 175]. Am Turm sind an der Nordfassade und auf der nach Süden orientierten Rückseite wie zufällig einzelne Felder der Fassadenverkleidung ausgespart [Abb. 146, 148]. Sie geben den Blick frei auf den rostbraun gestrichenen Treppenaufgang und die Verstrebungen des Stahlskeletts [Abb. 155]. Im obersten Geschoss der Aussichtsplattform enden die Verkleidungsplatten genau auf Bauchhöhe des Besuchers und dienen als Geländer. Die Plattform wird durch ein flaches Dach gedeckt [Abb. 146, 156].

88

(1.4) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume

Der Besucher betritt das Museum im Erdgeschoss und wird über eine dem Turmaufgang ähnelnde Treppe ins Foyer im 1. OG geführt [Abb. 151]. Auffallend ist die einheitliche Materialität: Ab dem Eintritt ins Gebäude sind nahezu alle sichtbaren Teile aus Metall. Dies setzt sich im Foyer fort [Abb. 152, 153]. Der Boden ist mit rechteckigen Platten aus Chromstahl belegt.606 Die Wände sind mit großformatigen Stahlplatten verkleidet, den Raumabschluss bildet eine stahlgraue Akustikdecke. Die Türen zu den Nebenräumen bestehen ebenfalls aus mattgrauem Stahl und treten kaum in Erscheinung. Belichtet wird das Foyer an seinen Schmalseiten von raumhohen und bodentiefen Fenstern. Den Ausstellungssaal betritt der Besucher über einen Durchgang, der die Breite des Garderobenraums einnimmt. Wie durch eine Schleuse wird er vom hellen stahlgrauen Foyer in den abgedunkelten Ausstellungsbereich geführt [Abb. 154]. Hier setzt sich die Einheitlichkeit des Materials fort. Boden, Wände und Decke gleichen dem Foyer. Sie bestehen aus geöltem Stahl.607 Der Ausstellungsbereich besitzt jedoch nur noch vereinzelte Fenster und wirkt daher dunkler. Die nicht von Gigon/Guyer stammende Ausstellungsarchitektur aus dem Jahr 2009 gliedert den offenen Raum. Einzelne Spots beleuchten hervorgehobene Exponate.

(2) Pavillons

Über das Gelände des Museumsparks sind drei Pavillons verteilt. Sie stehen für die Sinneswahrnehmungen ʺSehenʺ und ʺHörenʺ sowie für die Rezeption des Wahrgenommenen, das ʺVerstehenʺ.608 Vom Eingang aus gesehen sind sie in der Reihenfolge ʺSehenʺ, ʺHörenʺ, ʺVerstehenʺ angeordnet. Sie stehen entlang der schlangenlinienartigen "Route der Römer" über das Gelände verteilt. Alle Pavillons sind einfache Einraum-Kuben [Abb. 177-179, 184-186]. Sie besitzen einen rechteckigen Grundriss und sind bis auf die spezifischen Wahrnehmungseinrichtungen, teilweise schmale Lichtbänder unter der Decke und den Eingang komplett geschlossen [Abb. 159-167]. Kurze, quadratische Stahlstützen lassen die Boxen wie Möbelstücke knapp über dem Boden schweben. Die Außenhaut bilden großflächige Platten wetterfesten Stahls, die das tragende Skelett verkleiden. Zugänglich sind

606 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 607 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 608 Adam 1999, 49. 89 die Pavillons über sanft ansteigende, mit geschlossenen Geländern versehene Rampen, die auf schlicht in die Außenhaut eingeschnittene Durchgänge zuführen. Die Rampen bestehen ebenfalls aus korrodiertem Stahl und verschmelzen optisch mit dem Baukörper.

(2.1) Pavillon ʺSehenʺ

Der Pavillon ʺSehenʺ ist der erste Pavillon, den der Besucher auf seinem Spaziergang passiert [Abb. 159-161, 177, 184]. Er wird über die sanft ansteigende Rampe durch einen schlichten in die Wand geschnittenen Durchgang betreten. Die durch die Türöffnung einfallende Helligkeit wird vom Innenraum über zwei gegeneinander versetzte Wandscheiben abgehalten. Der quadratische Raum ist mit Holzpaneelen verkleidet, hat jedoch keine Fenster. Es ist daher dunkel, bis auf das Bild des Camera-Obscura-artigen Okulars, das auf Augenhöhe des Besuchers in der Westwand sitzt. Durch die mit Wasser gefüllte Linse sieht der Besucher im stockdunklen Raum ein Bild der auf den Kopf gestellten Außenwelt.

(2.2) Pavillon ʺHörenʺ

Der zweite Pavillon ist dem Sinn ʺHörenʺ gewidmet [Abb. 162-164, 178, 185]. Er ist zweischalig konzipiert. Die Außenhaut wird durch die mit Cortenstahl-Platten verkleidete Skelettkonstruktion gebildet. In den dadurch umschriebenen Rechteckraum wurde ein kleinerer Holzraum eingefügt. So betritt der Besucher über die Eingangsrampe zunächst einen schmalrechteckigen Vorraum als Zwischenraum zwischen Metallbox und Holzbox. Über eine Tür betritt man die schallabgedichtete Holzbox. Der kleine, mit Holz verkleidete Raum wird nur durch ein schmales Lichtband unter der Decke belichtet. Durch die Decke dringt mittig ein metallenes Hörrohr in den Raum, das sich auf dem Dach des Pavillons als Hörtrompete fortsetzt. Es kann vom Besucher in alle Richtungen gedreht werden und leitet die durch die weite Trompetenöffnung verstärkten Außengeräusche in den schallabgedichteten Pavillon.

(2.3) Pavillon ʺVerstehenʺ

Der letzte Pavillon thematisiert das ʺVerstehenʺ [Abb. 165-167, 179, 186]. Er liegt am Ende des Besucherweges. Der Besucher muss um den Pavillon herumgehen und über die übliche, nun aber an den Pavillon angelegte Rampe zum einfach gehaltenen Eingang hinaufgehen. Im Inneren ist der Pavillon roh belassen, die Rückseiten der 90

Außenverkleidungsplatten und das metallene Strebewerk sind sichtbar. An der Westwand des Raums waren ursprünglich neun Monitore angebracht, auf denen Filme über aktuelle kriegerische Konflikte gezeigt wurden. Diese wurden mittlerweile entfernt, so dass die Rückwand nur durch die roh belassenen Metallplatten gebildet wird. An der gegenüberliegenden Ostwand sind in unterschiedlichen Augenhöhen querrechteckige Schlitze in die Außenhaut geschnitten. Durch sie blickt man zurück auf das Gelände.

e) Planungs- und Baugeschichte

Ein beschränkter einstufiger Wettbewerb wurde am 9. Juni 1998 von der dazu gegründeten GmbH „Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land“ ausgerichtet.609 14 Architekten, darunter Mario Botta/Lugano, Hilmer und Sattler/München, Renzo Piano/Genua und Schweger & Partner/Hamburg sowie Gigon/Guyer wurden eingeladen.610 Im Wettbewerbsprogramm wurde die Zielsetzung des Projektes beschrieben.611 Es sollten ein „einzigartiger Archäologischer Park und ein Museum [...] am Ort der Varusschlacht“ erbaut werden, dabei sollten „alternative Lösungsvorschläge für die Planung der Freiflächen und des Gebäudes“ erbracht werden, die einen „persönlichen, menschlichen Blick [...] aus verschiedenen Perspektiven“ auf die historischen Geschehnisse möglich machten.612 Im weiteren Programm wurde deutlich, dass die Auftraggeber von einer herkömmlichen Konzeption eines archäologischen Freiluftmuseums mit historischen Rekonstruktionen ausgingen. „Darstellungen“ und „Inszenierungen“ archäologischer Ergebnisse, eine „modellhafte Darstellung der Landschaft“ und eine „Altlandschaftsrekonstruktion“613 wurden

609 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 8, 10. 610 Die vierzehn zum Wettbewerb geladenen Architekten waren: Mario Botta/Lugano, Wolfram Dams/Bremen, Gigon/Guyer, Groupe 6/Grenoble, PBR Planungsbüro/Osnabrück, Hilmer und Sattler/München, Hoffmann & Krug/Kiel, Koch und Panse/Hannover, Josef Paul Kleihues/Berlin, Modersohn & Freiesleben/Berlin, Renzo Piano/Genua, Schweger + Partner/Hamburg, Friedrich Spengelin/Hannover, Hans Ahrens und Wilhelm Pörtner/Hilter. Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 6f. 611 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb. 612 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 5, 18. 613 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 17. 91 gewünscht.614 Angedacht wurde eine nachgebaute germanische Wallanlage, die in unterschiedlichen historischen Zuständen ausgestaltet werden sollte. Gezeigt werden sollte die „Rasensodenmauer, wie sie sich für einen am Bau beteiligten Cherusker Mitte September des Jahres 9 darstellte“ oder „wie sie sich für einen römischen Offizier im Jahr 15 n. Chr. darstellte, der [...] das Schlachtfeld wiederfand“615. Hervorzuheben ist der Wunsch „die Architektur solle keinerlei weiteren Mythologisierung des historischen Ereignisses Vorschub leisten“616. Die Wettbewerbsarbeiten wurden bis zum 20. Juli 1998 bei dem den Wettbewerb betreuenden Architekten Manfred Eisenmenger abgegeben.617 Aus der 21 Personen umfassenden Jury sollen im Folgenden die Fachpreisrichter und „Sachverständigen Berater“ genannt werden.618 Es waren die Architekten M. von Gerkan/Hamburg, G. Weinmiller/Berlin, H. Greife/Bramsche und die Landschaftsarchitekten G. Nagel/Hannover und H. Haag/Heidelberg.619 Als „Sachverständige Berater“620 fungierte u.a. der Projektleiter der Ausgrabung W. Schlüter/Osnabrück sowie verschiedene Vertreter der Betreibergesellschaft sowie der Sponsoren. Die Preisgerichtssitzung fand am 27. Juli 1998 statt.621 Die Beurteilung der Projekte erfolgte anonym. Im Programm werden eher allgemein gehaltene Beurteilungskriterien wie die Bewertung der „Erschließung der Gesamtanlage“, die „Gliederung der Baumassen“, die „äußere Erschließung des Geländes, das „Vermittlungskonzept“622 und die Wirtschaftlichkeit

614 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 17. 615 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 19. 616 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 17. 617 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 8. 618 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 11f. 619 A.A. 19981, 3. 620 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 11f. 621 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 15; Protokoll der Preisgerichtssitzung vom 27. Juli 1998. 622 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 13f. 92 des Parks genannt. 623 Im Wettbewerb setzten sich Gigon/Guyer in Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten Zulauf + Schweingruber/Baden durch.624 Der Entwurf von Gigon/Guyer sah ein dem ausgeführten Bau entsprechendes Museumsgebäude mit Turm vor, das durch fünf im Park verteilte Satellitengebäude ergänzt werden sollte.625 Das Museum sollte den „Auftakt und Eingangsort“626 zum Parkgelände darstellen. Der Besucher sollte zunächst durch die Besichtigung des Museums und einen Gang auf den Aussichtsturm vorinformiert und vorbereitet werden. Anschließend sollte er auf dem mit Eisenplatten ausgelegten ʺRömerpfadʺ eine Erkundung über das Gelände machen. An den fünf Pavillons und dem rekonstruierten "Zeitfenster" sollte man Zwischenstopps einlegen. Die Pavillons waren als kleine Boxen mit jeweils einer vollständig verglasten Seitenfläche gedacht, um „Perspektiven auf das Schlachtgelände“627 zu eröffnen. Wie durch einen „Bilderrahmen“628 sollte der Besucher aus dem Inneren der umseitig geschlossenen Box einen Bildausschnitt der Landschaft vor Augen haben. Auf die Glasscheiben wollte man eine Rekonstruktion historischer Zustände des Geländes per Siebdruckverfahren aufbringen. Sie sollten die Sichtweise eines römischen Legionärs, eines germanischen Kriegers, die des Heeres von Germanicus, der den Ort der Niederlage sechs Jahre später, im Jahr 15 n. Chr., wieder aufsuchte, sowie eines Bauern aus spätmittelalterlicher Zeit aufzeigen. Man versprach sich davon eine „Überlagerung“ der „realen Gegenwart“ und der „nachgezeichneten Vergangenheit“, die eine Überhöhung der Varusschlacht vor dem Hintergrund der fortlaufenden Chronologie der Geschichte relativiert hätte.629 Ein aus dieser Gruppe herausgelöster Pavillon „Archäologie heute“630 hätte die Problematik archäologischer Rekonstruktion und die Gefahren der möglichen Verfälschung thematisieren sollen.631 Das Grabungsfeld glich in seiner ersten Planung bereits der heute realisierten Version. In der Preisgerichtsbeurteilung wurde der Entwurf von Gigon/Guyer als „ganzheitliche Konzeption“ gewürdigt, die die historischen Ereignisse nicht „nachbildend“ interpretiere,

623 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb, 13f. 624 Die weiteren Preise wurden wie folgt vergeben: 2.: Friedrich Spengelin, H.Ahrens, W. Pörtner; 3.: Schweger + Partner; 4. Koch Panse Architekten; 5.: Gruppe 6, PBR Planungsbüro; Sonderankauf: Modersohn & Freiesleben. A.A. 19981, 3-14; Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 625 Adam 1999, 48; A.A. 19981, 3-14. 626 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bericht zum Wettbewerbsprojekt. 627 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bericht zum Wettbewerbsprojekt. 628 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bericht zum Wettbewerbsprojekt. 629 Adam 1999, 48. 630 Adam 1999, 49. 631 Adam 1999, 49. 93 sondern „künstlerisch überhöhe“632. Dadurch entstünde „eine Verschlüsselung der Mission, die zwar hohe Anforderungen an Besucher und Betrachter stellt, sie zugleich jedoch zu einer reflektierenden Auseinandersetzung mit dem Thema herausfordert“633. Die „radikal minimalistische Typologie des Museumsgebäudes“ und die „strenge Geometrisierung der Außenflächen“ löse „an diesem Ort Befremdnis, vermutlich jedoch gleichzeitig Stimulans zur Auseinandersetzung aus“634. Hervorzuheben ist auch die Aussage, „der Einsatz von Eisen als Material“ sei „sympathisch“, da „dadurch die Deutung einer Nachbildung von Beginn an negiert wird“635. Die Entwicklung des Projekts war Ende des Jahres 1998 fertiggestellt.636 Der Zeitraum von Januar bis Juli 1999 wurde für die detaillierte Bauplanung benötigt. Im Mai 1999 wurde die Baubewilligung erteilt, Baubeginn war Anfang August 1999.637 Der Park und die Gebäude wurden ab 1999 auf 20 Hektar verwirklicht.638 Im Herbst 2000 war der Park fertiggestellt. Im Jahr 2000 wurde das damals nicht eingezäunte Gelände zugänglich gemacht und diente als Korrespondenzstandort der Expo in Hannover.639 Die private Betreibergesellschaft entschied mit Eröffnung des Museums 2002, das in den vergangenen zwei Jahren offen zugängliche Freigelände zu umzäunen und kommerziell zu betreiben.640 Diese Kommerzialisierung gab den Anstoß, das von den Architekten erdachte Konzept des Parks zu verändern. Zum Leidwesen der Architekten verwarf man den ursprünglich geplanten Zugang beim Museumsgebäude, das den Auftakt zu einem Architekturspaziergang über das Gelände dargestellt hätte.641 Stattdessen wurde der in der Nord-Ost Ecke des Geländes liegende Bauernhof zum Eingang und Besucherzentrum mit Kasse und Shop ausgebaut. Auch der Plan, fünf Pavillons zu errichten, war bereits zugunsten von drei Kleinbauten aufgegeben worden. Zudem wurde ihre inhaltliche Ausrichtung verändert. Sie sollten nun den Prozess der Wahrnehmung thematisieren.642 Die Gestalt des Museums wurde nur geringfügig verändert. Einzige Neuerung war das höhere Aufständern

632 A.A. 19981, 4. 633 A.A. 19981, 4. 634 A.A. 19981, 4. 635 A.A. 19981, 4. 636 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 637 Archiv Gigon/Guyer, Zürich. 638 Das historische Schlachtfeld erstreckt sich auf einer Fläche von 15 auf 2 km. Der Museumspark wurde im Kernbereich des Areals angelegt. Adam 1999, 47. 639 Adam 1999, 47; Noseda 2001, 10. 640 Werner 20021, 92. 641 Noseda 2001, 15. 642 Adam 1999, 49. 94 des gesamten Museums, um zukünftige archäologische Grabungen möglich zu machen und den Eingang unter das Gebäude zu legen.643 Mit der Fertigstellung des Museumsgebäudes im Jahr 2002 wurde das Museum und der Park Kalkriese eröffnet.

6. Galerielager Henze & Ketterer, Wichtrach/Bern (2002-04) a) Literaturbericht

Die Anzahl der Publikationen zum Galerielager in Wichtrach war – der Größe und Bedeutung des Baus entsprechend – überschaubar. Dennoch zeigte das Echo der Fachwelt, dass neue Werke des Büros Gigon/Guyer stets für Aufmerksamkeit sorgten. Äußerungen wie „Gigon/Guyer`s arts buildings“ und die Bewertung einzelner Motive als „distinctive“ 644 tauchen 2004 im Aufsatz von Rob Gregory erstmals auf. Rahel Hartmann Schweizer beschrieb den Lager- und Ausstellungsbau im selben Jahr in der Tec 21. Wie Rob Gregory stellte sie die Funktionen der doppelten Lochblechhülle heraus und verglich sie mit Textilien.645 Zudem ging sie auf die Verbindungen zur lokalen Bautradition ein: Die abgeknickten Giebelkanten seien eine „Adaption von Krüppelwalm und Ründe“646 und die durch Vierkantprofil-Träger am Kerngebäude fixierten Vorhangbleche ein Anklang an die „Veranden“647 der Berner Bauernhäuser. Erwähnung fand das Galerielager 2004 auch im Katalog der neunten Architekturbiennale in Venedig bzw. Peking.648 Aufgenommen wurde es zudem in die Publikation Projekte Gigon/Guyer, in dem Hubertus Adam auf die motivische Nähe zu „agrarischen Nutzbauten“649 verwies. Der selbe Autor verfasste 2005 einen Artikel in der Archithese, in dem er auf das „All-Over“ der Gebäudehülle hinwies und feststellte, die „je nach Lichtverhältnissen irisierende oder opak wirkende“ Außenhaut „vereinheitlicht das Gebäude zu einem beinahe kristallin anmutenden Volumen“ 650. Ebenfalls von Hubertus Adam stammt der Überblick über zeitgenössische Architektur in Bern, in dem das

643 Adam 1999, 49; Interview Annette Gigon 21. Oktober 2013. 644 Rob Gregory: Boxing clever – Gigon/Guyer add to their extensive arts building collection with this charming store, in: Architectural Review 6 (2004) 74-76. 645 Rahel Hartmann Schweizer: Kleidsamer Schuppen, in: Tec 21 31/32 (2004) 4-10. 646 Hartmann Schweizer 2004, 5. 647 Hartmann Schweizer 2004, 10. 648 Fondazione La Biennale di Venezia/Kurt W. Forster: Metamorph Trajectories – 9. International Architecture Exhibition (Kat. Biennale Venedig), Venedig 2004, 279. 649 Adam 20043, 13. 650 Hubertus Adam: Turm und Scheune, in Archithese 1 (2005) 58-63, 63. 95

Galerielager mit einer kurzen Beschreibung erwähnt wird.651 Wiederholt wies er auf regionale Motive hin, die nicht in „geschmäcklerisch-vernakuläres Bauen“652 abgeglitten seien. Keine neuen Fragestellungen, aber gute Abbildungen, brachte der kurze Beitrag von Philip Jodidio in dem eher populären Bildband Architecture in Switzerland.653 In der Zeitschrift des Instituts für Architektur der Universität Genf Faces und in einer Sonderausgabe der französischen AMC – Le Moniteur Architecture über Stahlarchitektur wurde das Galerielager 2006 bzw. 2007 ebenfalls aufgeführt.654 Das Galerielager ist ein frühes Beispiel für die Verwendung von Lochblech im Bereich der Museums- und Ausstellungsarchitektur und für einen Bau, der die unterschiedlichen Funktionen des Lagerns und Ausstellen verband. Wie der Literaturbericht zeigt, wurden beide Aspekte noch nicht einordnend untersucht. In der weiteren Arbeit soll versucht werden, diese Forschungslücke zu schliessen.

b) Quellenbericht ba) Bildquellen

Zum Galerielager gibt es gutes Bildquellenmaterial. Durch insgesamt 16 Modelle und fünf Grundrissvariationen ist die Entwicklung des Entwurfs gut nachvollziehbar. 1) Die aus Karton gearbeiteten Modelle zeigen Variationen des Erstentwurfs [Abb. 206- 207]. An ihnen wird deutlich, dass Grundrissbildung, Dachform, Bauvolumen und Außenhaut die Kernthemen des durch regionale baurechtliche Bestimmungen stark beeinflussten Projekts waren.655 Ein weiteres Modell dokumentiert den realisierten Entwurf [Abb. 208-209].656 2) Zahlreiche Skizzen und Pläne im Archiv der Architekten verdeutlichen die Entwicklung des Projekts [Abb. 210-216].657 Die Pläne der Entwurfsvarianten A-D konnten nicht veröffentlicht werden.658 3) Die Galerie Henze & Ketterer stellte Fotomaterial zur Planung und Ausführung des Galerielagers in Kopie zur Verfügung. Die Bilder zeigen das Modell des Lagers,

651 Hubertus Adam: Architektur Kultur in Bern, Zürich 2007, 162-163. 652 Adam 2007, 162. 653 Philip Jodidio: CH – Architecture in Switzerland, Köln 2006, 114-117. 654 Federico Neder: Peau, dépôt, in: Faces – Journal d` Architectures 64 (hiver 2006/2007) 64-67; A.A.: Gallerie d`art – Art Gallery, in: AMC – Le Moniteur Architecture [Sondernummer:] Acier – Steel Architecture (hors serie 2007) 50-53. 655 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modelle Galerielager Wichtrach. 656 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modelle Galerielager Wichtrach. 657 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen. 658 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Entwurf Galerielager Wichtrach Variante A-D. 96

Wolfgang Henze im Gespräch mit Annette Gigon, planungsbeteiligte Personen bei der Begehung des Grundstücks und die ausgehobene Baugrube. Aufnahmen des eingerüsteten Rohbaus geben Einblick in den Schichtenaufbau der Gebäudehaut.659

bb) Textquellen

Durch den direkten Auftrag an Gigon/Guyer gibt es für das Galerielager kaum relevante Textquellen. Informationen lieferte ein Gespräch mit Wolfgang Henze in Wichtrach.660 Weiteren Aufschluss gab die Korrespondenz zwischen Architekten und Bauherren, Behörden oder Handwerkern, die indirekt Informationen lieferte. Diese ist im Büro der Architekten archiviert.661 Auskünfte zum Bauverlauf und dem Bezug des Depots lieferte ein Bauzeitenplan.662

c) Vorgeschichte

Die Galerie Henze & Ketterer geht auf das 1946 durch Roman Norbert Ketterer (1911- 2002) in Stuttgart gegründete Stuttgarter Kunstkabinett zurück, das sich auf die Kunst des Expressionismus spezialisiert hatte.663 Roman Norbert Ketterer zog 1962 nach Campione d`Italia am Luganersee, wo er die Galerie als Galleria Ketterer weiterführte. 1970 eröffneten dort seine Tochter Ingeborg und sein Schwiegersohn Wolfgang Henze-Ketterer eine eigene Niederlassung, die Galleria Henze.664 1993 zog das Ehepaar Henze-Ketterer nach Wichtrach im Kanton Bern.665 Die Galerie Henze & Ketterer zog in das sogenannte „Kunstgut Heininger“, eine in den 60er Jahren erweiterte Villa aus dem Jahr 1920 in Wichtrach.666 Aufgrund von Platzmangel beschloss man 2002, einen Depotbau in direkter Nähe zur Galerie zu errichten, der es möglich machen sollte, Werke ohne größeren Aufwand und Transportweg zu präsentieren.667

659 Archiv Galerie Henze & Ketterer, Wichtrach: Fotoarchiv. 660 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007. 661 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gigon/Guyer an das Ehepaar Ketterer vom 12. Juli 2002; Schreiben von Gigon/Guyer an das Ehepaar Ketterer vom 31. Juli 2002; Schreiben an Tiefbauamt Bern vom 1. November 2002; Schreiben von Gigon/Guyer an beteiligte Handwerksunternehmen vom 4. Februar 2004. 662 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Terminplan Galerielager Wichtrach und Terminplan Einrichtung und Umzug Galerielager Wichtrach vom 6. April 2004. 663 E-Mail vom 25. Oktober 2007, Klaus Leuschel, Galerie Henze & Ketterer. 664 Diese richtete sich auf Druckgraphik des Expressionismus und Abstraktion ab den 50er Jahren aus. 665 Interview mit Klaus Leuschel, Galerie Henze & Ketterer, 12. Oktober 2007. 666 Broschüre Galerie Henze & Ketterer o.J. 667 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007. 97 d) Baubeschreibung da) Gesamtanlage

Das Galerielager von Gigon/Guyer liegt in Wichtrach, einem Dorf an der Kantonsstraße zwischen Bern und Thun. Inmitten der lockeren ländlichen Bebauung der Ortschaft Wichtrach steht das Galerielager auf einem unregelmäßig geschnittenen Grundstück an zwei in steilem Winkel aufeinandertreffenden Straßen, Bern- und Kirchstraße. Östlich des Lagers, jenseits der Kirchstraße, liegt das Hauptgebäude der Galerie Henze & Ketterer, ein Wohngebäude aus den 1920er Jahren, das durch einen Anbau erweitert wurde [Abb. 203].668 Der Grundriss des Depotbaus entspricht der Form des Grundstücks: einem unregelmäßigen Trapez. Mit seiner westlichen Langseite steht es fast parallel zur Bernstraße. Das nördliche Ende des Lagers ragt in das spitz zulaufende Ende des Grundstückes hinein. Im Aufriss erinnert das Galerielager an einen Lagerschuppen, der sich durch sein Satteldach und die moderaten Ausmaße an die umliegende Bebauung anpasst. Die Umgebung des Galerielagers ist mit Kies belegt und stellt Parkplätze zur Verfügung [Abb. 194].669

db) Grundriss

Der Grundriss des Galerielagers gleicht einem verschobenen Trapez mit ungleichen Schmal- und Langseiten [Abb. 204]. Die längste Gebäudeseite ist die Westfassade. Die parallel zu ihr liegende Ostfassade schiebt sich über einen imaginären Rechteckgrundriss nach Norden hinaus. Die Schmalseiten treffen in unregelmäßigen Winkeln auf die Langseiten, wobei der Verlauf der Südfassade mit der südlichen Grundstücksgrenze korrenspondiert. Die Außenwände des Gebäudes wurden bis auf den Eingangsbereich rundum mit perforierten Blechbahnen verkleidet, die im Abstand von etwa 1 m vor die eigentlichen Außenwände montiert sind.670 Im Grundriss wird deutlich, dass die Fassadenverkleidung nicht rundherum im gleichen Abstand zum Gebäude angebracht ist. An der Ostfassade nimmt der Abstand zwischen Wand und Fassadenverkleidung in Richtung des Eingangsbereichs zu. Im Inneren wird der Bau in allen Geschossen durch eine parallel zu den Langseiten verlaufende Mittelwand unterteilt. Sie wird nur im Erd- und im Obergeschoss von einem Durchgang durchbrochen. Auf der östlichen Gebäudeseite schließt sich an die Mittelwand der

668 Hartmann Schweizer 2004, 5. 669 Die Umgebung des Gebäudes war ursprünglich mit Sand belegt. Da sich die parkenden Autos bei nassem Wetter in den Sand eingruben und Schmutz in das Depot getragen wurde, belegte man Anfang 2007 das Grundstück mit Kies. Interview mit Klaus Leuschel, Galerie Henze & Ketterer, 12. Oktober 2007. 670 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 98

"Erschließungskern" an.671 Durch alle Geschosse ziehen sich das im Grundriss rechteckige Treppenhaus und der etwas kleinere Liftschacht. Im Untergeschoss liegt hinter dem Treppenhaus ein zusätzlicher Raum für Heiz- und Klimatechnik. Im Erd- und im Obergeschoss nimmt das kleine verbleibende Quadrat neben dem Treppenaufgang Sanitärräume (EG) und eine Küche (OG) ein.

dc) Aufriss

Bei der Beschreibung des Aufrisses muss zwischen dem „All-Over" der Gebäudehaut und dem tatsächlichen Aufriss, der hinter der semitransparenten Gebäudehülle liegt, unterschieden werden. Das Galerielager wird allseitig von einer nicht tragenden, vorgehängten Fassade aus perforierten Trapezblechen verkleidet [Abb. 194-198]. Diese 1,5 mm starken, pulverbeschichteten Bleche sind im Abstand von ca. 1 m vor dem Gebäude angebracht. Sie setzen bündig an der Trauflinie des Daches an und "fallen" überwiegend parallel zum Gebäude senkrecht zum Boden [Abb. 198]. Etwa 40 cm über dem Untergrund enden sie und ʺschwingenʺ wie ein „Rocksaum“672 um das Haus. Zur Stabilisierung gegen den Wind sind sie mit L- und Vierkantprofil-Trägern fixiert [Abb. 200].673 Die kleinteilige Perforierung macht die Lochbleche durchsichtig. Sie erscheinen wie eine transluzente Gebäudehülle, durch die man schemenhaft das dahinterliegende Kerngebäude mit seinen Fensteröffnungen erkennen kann [Abb. 195, 198-199]. Der eigentliche Bau des Galerielagers wird ebenfalls von Lochblechen verkleidet. Hier sind sie direkt auf die Metallunterkonstruktion der Isolation vor die tragenden Betonwände gesetzt [Abb. 196, 200].674 Die Bleche am Bau reichen anders als die vorgehängten Pendants bis zum betonierten schmalen Sockel, auf dem das Lager steht. Die Eingangsfassade durchbricht das Schema der vollständigen Gebäudeverkleidung. Am südlichen Ende der Ostfassade ist die Vorhangverkleidung für das große Anlieferungsportal und die danebenliegende herkömmliche Eingangstüre ausgespart [Abb. 194]. Auch das betonierte Dach ist mit gekantetem Metallblech belegt. An den Stirnseiten des Galerielagers werden die Lochbleche mit flächigen geschlossenen Metallplatten

671 Hartmann Schweizer 2004, 6. 672 Hartmann Schweizer 2004, 4, 6, 8. 673 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 674 Da am Bau des Galerielagers keine brennbaren Materialien verwendet werden sollten, wurde die Unterkonstruktion der 20 cm starken Steinwolle-Isolation aus Metall, nicht aus Holz, gefertigt. Hartmann Schweizer 2004, 6. 99 abgedeckt, die schräg über den Ort der Stirnseiten gefalzt sind [Abb. 195]. Die Gebäudehülle lässt die Fassaden und das Dach zu einer homogenen „All-Over" verschmelzen.

dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume

Die Räume des Galerielagers sind in allen drei Geschossen gleich ausgestattet. Der Boden besteht aus gegossenem hellgrauen Beton, in dem durch den Guss wolkige Farbschattierungen zu sehen sind [Abb. 201]. Die Wände sind aus weiß verputztem Beton, Durchgänge durch die Mittelwand (Erd- und Obergeschoss) sind in die Mauerdicke eingeschnitten [Abb. 202]. Durchgänge zum Treppenhaus und zu den Nutzräumen sind mit grauen Stahltüren versehen. Belichtet werden das Erd- und das Obergeschoss durch je zwei Fenster. Die großflächigen Fensteröffnungen sind im Obergeschoss bis auf den Boden heruntergezogen, im Erdgeschoss haben sie eine niedrige Brüstung. Die Fenster werden von schmalen, weiß gehaltenen Holzrahmen gefasst und sind mit Stoffrollos zur Regulierung des Lichteinfalls ausgestattet.675 Beim Blick aus den Fenstern sieht man die umliegende Landschaft durch den Schleier der perforierten Bleche, „als wäre ein Vorhang aus Tüll dazwischen“676 [Abb. 201]. An den Decken aller Räume sind als zusätzliche Beleuchtung Fluoreszenzröhren montiert. Der Ausstellungsraum im Obergeschoss ist gleich ausgestattet wie die beiden tiefer liegenden Geschosse. Einziger Unterschied sind die Dachschrägen, die das Ausstellungsgeschoss nach oben hin abschließen.

e) Planungs- und Baugeschichte

Der Auftrag für das Galerielager wurde von Wolfgang Henze im Frühjahr 2002 als Direktauftrag an Gigon/Guyer vergeben.677 Das Architektenbüro war ihm durch den Bau des Kirchner Museums bekannt. Zusammen mit seinem Schwiegervater Roman Norbert Ketterer, dem Stifter des Kirchner Museums, hatte er die Planung und den Bau des Davoser Museums miterlebt und dabei die Architekten Annette Gigon und Mike Guyer kennengelernt. Die Entwicklung des Galerielagers erfolgte nach Wolfgang Henze über direkte Gespräche mit den Architekten. Dokumente, in denen die Anforderungen an das Gebäude

675 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 676 Hartmann Schweizer 2004, 8. 677 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007. 100 schriftlich festgehalten wurden, existieren nicht.678 Wichtige Wünsche waren, dass das zur Verfügung stehende Grundstück gut ausgenutzt und bei moderaten Baukosten möglichst viel Lagerraum zur Verfügung gestellt werden sollte.679 Das Obergeschoss des Lagers sollte als Showroom dienen, in dem Kunstwerke potentiellen Käufern präsentiert werden können. Aufgrund baurechtlicher Vorschriften waren im Zentrum von Wichtrach nur Satteldächer erlaubt.680 Damit war vorgegeben, dass das Obergeschoss Dachschrägen haben würde und nicht als Lagerraum dienen könnte.681 Die Ausstellungsfläche musste nicht dem Anspruch eines „kleinen Museums“682 gerecht werden. Oberlichter waren nicht gewünscht, zumal sie kostspielig geworden wären.683 Wolfgang Henze legte besonders großen Wert darauf, dass keinerlei brennbare Materialien verbaut werden sollten.684 Neben Bauherrenwünschen reglementierten regionale Bau- und Feuerschutzbestimmungen den Entwurf. Bestimmend war, wie bereits erwähnt, die baurechtliche Forderung eines Satteldachs mit einer um einen Meter überhängenden Dachtraufe.685 Ein weiterer Diskussionspunkt war die Anzahl und die Lage der Besucherparkplätze, die ebenfalls vorgegeben wurden.686 Nach Annette Gigon lag für die Architekten die größte Herausforderung des Projekts darin, dem kleinen Lager eine angemessene Gestalt zu geben. Neben der Vorgabe des Satteldachs und seiner überhängenden Traufe war der ungefähre Grundriss durch die Grundstückform vorgegeben. Der Bau hätte automatisch das Aussehen eines kleinen Schuppens erhalten.687 Um diese banale Konnotation zu vermeiden, begannen die Architekten, mit Motiven zu experimentieren, die die überkragende Traufe „gestalterisch überspielen“688 sollten.689 Das Projekt durchlief eine mehrstufige Entwicklung. Die Projektphase zog sich von März bis Juni 2002 hin. Die Entwürfe sind in mehreren Modellen erhalten. Alle zeigen einen Bau mit langrechteckigem, teils an einem Ende des Gebäudes parallelogrammartig verschobenem Grundriss und einem Satteldach. Die erste Idee zur Verschleierung der Traufe

678 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007. 679 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007; Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 680 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007. 681 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007. 682 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 683 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 684 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007. 685 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007. 686 Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007. 687 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 688 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 689 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 101 waren auf die Langseite in Reihe gesetzte, auskragende Erker („Ärmelchen“690), die die Tiefe der vorspringenden Traufe aufgenommen hätten [Abb. 210, 211]. Eine weitere Möglichkeit war eine auf der gesamten Gebäudelänge verbreiterte Traufe, in die Fenster gesetzt worden wären.691 Sie sollten das Dachgeschoss belichten. Mehrere Skizzen zeigen die Ausarbeitung der beiden ersten Ideen. Ein Grund- und Aufriss vom 27. April 2002 dokumentiert einen dieser Entwicklungsschritte [Abb. 211, 212].692 Die Pläne zeigen einen zweigeschossigen Bau mit einem rechteckigen Grundriss in der südlichen Gebäudehälfte und einem parallelogramm- artig verschobenen Grundriss am nördlichen Ende. Im 1. OG verändert sich der Grundriss auch in der südllichen Gebäudehälfte hin zu einem Parallelogramm. Der Eingang sollte an der südlichen Schmalseite des Baus liegen. Der Erschließungskern mit Treppenaufgang und Technik- bzw. Funktionsräumen wie WC und Küche wurde ohne Kontakt zu einer Außenwand mittig in die südliche Gebäudehälfte gelegt. Bereits geplant wurde die massive Mittelwand, die den Bau durch alle Geschosse gliedern sollte. Im Aufriss sollte der Bau im ersten Obergeschoss bis zu mehreren Metern auskragen und so den Grundriss des Obergeschosses zu einem vollständigen Parallelogramm ausdehnen. An den Schmalseiten sollten die Auskragungen geschlossen bleiben, an den Langseiten durch sich aus dem Gebäude hervorschiebende Erker mit "Kastenfenstern" geöffnet werden. Gedeckt wurde der erste Entwurf von einem Satteldach. Es wurde auch über die Möglichkeit mehrerer kleiner Satteldächer nachgedacht, die eine Dachlandschaft ähnlich wie beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, ergeben hätten [Abb. 207, 213]. Diese Versionen wurden nicht weiter verfolgt, da der Bau durch die kompliziert abzudichtende Dachfläche und die vielen Öffnungen teuer geworden wäre.693 Aus der Idee der erkerartigen Auskragungen entwickelten die Architekten die Variante, die Außenhaut, ausgehend von den Erkern, zum Boden zu ziehen, um dem Bau ein geschlossenes Volumen zu geben. Dieser Entwicklungsschritt ist ebenfalls durch mehrere Skizzen dokumentiert. Auf den ersten Skizzen projektierte man eine schräg zum Fußpunkt des Gebäudes verlaufende Vorhangfassade, die dem Bau einen prismenartigen Querschnitt gegeben hätte [Abb. 214]. Eine weitere Fortentwicklung war die Überlegung, eine zweite vorgehängte Fassade gerade zum Boden fallen zu lassen [Abb. 215, 216]. Die

690 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 691 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen. 692 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Fotos Modelle; Pläne - Entwurf 27. April 2002. 693 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 102

Fensteröffnungen sollten in diesem frühen Entwurfsstadium noch durch die Fassadenschichten der tragenden Betonwand und den "Vorhang" hindurchgehen.694 Als Fassadenmaterial kam zunächst das bereits in Winterthur verwendete Profilitglas in Betracht.695 Um eine wasserdichte Fassadenhaut zu erhalten, hätte man die Profilitgläser mit einem Blechdach kombinieren müssen, wodurch keine einheitliche Materialität erreicht worden wäre. Man entschied sich für gelochte Tetrableche, die den Brandschutzauflagen, dem Kostendruck und dem Wunsch der Architekten nach einer einheitlichen Gebäudehülle entsprachen.696 Das Material der Tetrableche eröffnete die Möglichkeit, die Fensteröffnungen hinter der Vorhangfassade zu verbergen. Aus dieser Verschleierung ergaben sich verschiedene Vorteile. Die Innenräume sind vor direktem Sonnenlicht und vor neugierigen Blicken geschützt. Der Blick von innen nach außen ist trotzdem möglich. Die Doppelwandigkeit bringt durch die Verschattung der Räume klimatische Vorzüge mit sich. Sie hält Regen vom eigentlichen Gebäude ab und dient als Isolationsschicht.697 Bei der Binnengliederung des Gebäudes kamen die Architekten vom Grundrisswechsel im 1. OG ab. Der Grundriss wurde auf ein Parallelogramm in allen Geschossen reduziert. Die Form des Parallelogramms nutzte den Zuschnitt des Grundstücks mit seinen baurechtlichen Besonderheiten optimal aus. Die eigenwillig geschnittene Parzelle durfte nach Baurecht nur zu 65% bebaut werden. Abstandsvorschriften erschwerten die Überplanung zusätzlich.698 Diese zweite Entwicklungsstufe des Entwurfs wurde in der weiteren Planung nur noch wenig verändert. Grund zur Diskussion gab lediglich noch die Größe der Grundfläche. Überlegungen zu einer Vergrößerung waren aufgrund der Bebauungsvorschriften nicht möglich.699 Lediglich die Binnengliederung wurde variiert. Es wurde über vier verschiedene Grundrissvarianten diskutiert. Sie weisen alle die tragende Mittelwand auf, zeigen jedoch unterschiedliche Lagen des Erschließungs- und Funktionskerns. Aufgrund feuerschutztechnischer Bestimmungen musste das Treppenhaus als vom restlichen Gebäude abgetrennter Schacht ausgebildet werden, der direkt ins Freie führt.700

694 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 695 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 696 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 697 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 698 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gigon/Guyer an das Ehepaar Ketterer vom 12. Juli 2002. 699 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gigon/Guyer an das Ehepaar Ketterer vom 12. Juli 2002. 700 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gigon/Guyer an das Ehepaar Ketterer vom 31. Juli 2002. 103

In der Variante A sind die Funktionen Treppe und Lift zusammen mit dem Raum der Toilette (EG) bzw. der „Teeküche“ (OG) in einem geschossübergreifenden, vom restlichen Lager abgetrennten ʺErschließungs- und Funktionskernʺ zusammengefasst, der hinter der Eingangsfassade liegt.701 Im UG sind an Treppe und Lift zusätzlich größere Technikräume angegliedert. Die Praktikabilität der Variante A liegt darin, dass die Treppe ohne weiteren Vorraum vom Personeneingang her zugänglich ist. Es wird kein unnötiger Raum von der Lagerfläche abgezogen. Bei Variante B ist der gleich zusammengesetzte ʺErschließungs- und Funktionskernʺ in die Gebäudemitte an das südliche Ende der Mittelwand gerückt.702 Um dem Brandschutz Rechnung zu tragen, musste im Erdgeschoss zwischen Treppenhaus und Personeneingang ein abgeschlossener Vorraum zwischengeschaltet werden, der Lagerraum bietet. Die Variante C zeigt die Funktionen in einer Art L-förmigen Kleinraumgruppe hinter der Ostfassade zusammengefasst.703 Der Besucher gelangt über den Personeneingang zunächst in einen Vorraum. Dieser dient als Verteilerraum zum nördlich hinter der Eingangsfassade liegenden Treppenhaus oder zu den zur Gebäudemitte nach Westen hin gelegenen Funktionsbereichen Lift und WC bzw. Küche. Bei Variante D sind die Funktionsräume im Erdgeschoss T-förmig angelegt.704 Vom Personeneingang gelangt man in einen großen, rechteckigen Verteilerraum, der nach rechts zum Treppenhaus mit dahinterliegender Küche und nach links zum Aufzug führt. Durch den Verteilerraum und die wenig platzsparende mittige Anordnung der Erschließungs- und Funktionsbereiche geht vor allem bei der Variante D, aber auch bei C, Lagerraum verloren. Betrachtet man die Wünsche des Bauherrn und die baurechtlichen Bestimmungen, wird ersichtlich, weshalb man sich im Juni 2002 für die platzsparende Variante A entschied. Der trapezförmige Grundriss, die sparsame Binnengliederung, das Satteldach und die Verhüllung der Fassaden mit Lochblechen waren eine ökonomische Lösung der Anforderungen. Die Baueingabe ging am 30. September 2002 bei den zuständigen Behörden in Bern ein.705 Die Bewilligung erfolgte im November 2002.706 Das Anfertigen der Baupläne und die Ausschreibungen an beteiligte Unternehmen erfolgte im Januar 2003.707 Bis Ende März 2003

701 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Entwurf Galerielager Wichtrach Variante A. 702 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Entwurf Galerielager Wichtrach Variante B. 703 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Entwurf Galerielager Wichtrach Variante C. 704 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Entwurf Galerielager Wichtrach Variante D. 705 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben an Tiefbauamt Bern vom 1. November 2002. 706 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Terminplan Galerielager Wichtrach. 707 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Terminplan Galerielager Wichtrach. 104 folgten Vorbereitungsarbeiten auf dem Grundstück. Baubeginn war Anfang April 2003.708 Ein Jahr später war das Galerielager fertig. Ab dem 28. April 2004 begann der Bezug mit Objekten.709

7. Espace de l `art concret – Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux/Alpes- Maritimes (1999, 2001-03) a) Literaturbericht

Die erste Erwähnung der Donation Albers-Honegger erfolgte 2000 in der Gigon/Guyer gewidmeten Ausgabe der El Croquis.710 Neben einer kurzen Beschreibung des Entwurfs wurden Bilder der Computersimulationen des Gebäudeaufrisses und der Innenräume gezeigt. Der Ablauf des Wettbewerbs wurde im selben Jahr in einer französischen Zeitschrift zusammengefasst.711 Ähnlich wie bei den vorangegangenen Museen folgten auf die Fertigstellung mehrere Kurzrezensionen, zunächst in deutschsprachigen, wenig später in französischen Titeln. In den schweizerischen Zeitschriften wurde das Museum gleich kommentiert.712 Christoph Wiesner ging auf die von Gottfried Honegger geprägten Vorstellungen des „Espace de l`Art Concret“ als Ort für Kunstvermittlung ein, der „Kunst als selbstverständlichen Teil des Lebens“ für alle zugänglich machen soll.713 Er gab Zitate des Künstlers wieder, die seine Wünsche an den Bau spiegeln. Honegger habe ein Museum „nah am Alltäglichen [...] offen und einladend mit einer reichen Abfolge von Räumen, deren Größe und Proportionen an Wohnräume erinnern [...] leicht bespielbar und robust“ gewünscht.714 Die Umsetzung der Wünsche sah der Autor in den eine „wohnlich kontinuierliche“ Abfolge schaffenden, zueinander versetzten Ausstellungsebenen, den unterschiedlichen Raumgrößen und den seitlichen, kleinen Fenstern.715

708 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gigon/Guyer an beteiligte Handwerksunternehmen vom 4. Februar 2004. 709 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Terminplan Einrichtung und Umzug Galerielager Wichtrach vom 6. April 2004. 710 A.A. 20007, 110-111. 711 Jean-Françoise Pousse: Pour l`art concret – concours du musée Honegger-Albers – Mouans-Sartoux, in: TA – Techniques & architecture 449 (2000) 96-101. 712 Christoph Wiesner: Baumhaus – Donation Albers-Honegger von Gigon/Guyer, in: Werk, Bauen + Wohnen 11 (2004) 39-45; Benedikt Loderer: Kunstturm, in: Hochparterre 6/7 (2004) 39-47. 713 Wiesner 2004, 41. 714 Wiesner 2004, 41. 715 Wiesner 2004, 42. 105

Benedikt Loderer ging in seinem Artikel auf die Farbigkeit des Museums ein, die er als „die Farbe der Präsenz“716 schlechthin bezeichnete.717 Er stellte ironisch fest, dass Verwirrung der beherrschende erste Eindruck bei Betrachtung des Baus sei: Von außen erkenne man nicht den Zweck der Ausstülpungen, die Anzahl der Geschosse, und die „ungeklärte Regel“718 der Verteilung der Fenster auf den Fassadenflächen.719 Florence Sarano ging in ihrem Artikel auf die Besonderheit des Standorts ein, der durch das Schloss, die Pinien des Parks und die urbane Umgebung geprägt wird. Der Baukörper passe sich durch seine Auskragungen und seine Farbe an die umstehenden Bäume an.720 Dominique Boudet beschrieb ihn in ihrem Artikel als „vertikale Struktur“ und „kleinen Wohnblock“ 721, der der Form des Grundstücks entspreche. Zudem bemerkte sie die „bescheidene Größe der Ausstellungsfläche“, die „einfache und identische Anordnung“ der Räume und die seitliche Belichtung, die an eine „moderne Villa“722 und nicht an Museen erinnere. Eine weitere Rezension in einer französischen Zeitschrift erschien von Rafael Magrou, der den Bau „Swiss Box hybride“723 und die Gebäudefarbe als nicht existent in der Palette der Natur benannte. Anlässlich der Eröffnung erschien eine Publikation, die neben einem Katalog der Sammlung auch Interviews mit den Stiftern enthielt. Gottfried Honegger führte aus, Kunst sei ein „existenzielles Bedürfnis des Menschen“ und „per se öffentlich“724. Auch die Aussage von Sybil Albers-Barrier, Kunst sei eine „vitale Notwendigkeit“725, verdeutlichte ihre Vorstellung von einer lebensnahen Kunst, die in die architektonische Konzeption einfloss.726 Auf die Interviews der Donatoren folgte ein Beitrag zum Gebäude von François Barré, der in einer Art Themen-Collage verschiedene Aspekte des Baus besprach. In seinem Text stachen vor allem die eingefügten Zitate von Annette Gigon und Mike Guyer hervor.727

716 Loderer 2004, 44-47, 45. 717 Loderer 2004, 44-47, 45. 718 Loderer 2004, 46. 719 Loderer 2004, 45. 720 Florence Sarano: Présence et effacement, in: Architecture intérieure crée 314 (2004) 102-105, 104. 721 Dominique Boudet: Die Villa als Museum, in: Architektur aktuell 9 (2004) 96-105, 98. 722 Boudet 2004, 100. 723 Rafael Magrou: Spirale cubique, in: TA – Techniques & architecture 472 (2004) 82-86, 84. 724 Espace de l`Art Concret: Pour un art concret – Donation Albers-Honegger – Konkrete Kunst – Sammlung Albers-Honegger, Paris 2004, 29, 32. 725 Espace de l`Art Concret 2004, 41. 726 Espace de l`Art Concret 2004, 33. 727 François Barré: Licht des Körpers, in: Espace de l`Art Concret (Hrsg.): Pour un art concret – Donation Albers-Honegger – Konkrete Kunst – Sammlung Albers-Honegger, Paris 2004, 53-65. 106

Ein weiterer Kurzartikel, der Details über die Entstehungsgeschichte und Erläuterungen des Stifters Gottfried Honnegger enthielt, erschien von Véronique Bouruet- Aubertot.728 Hubertus Adam beschrieb das Museum in der Bauwelt, ohne neue Aspekte zu nennen.729 Umfangreicher fiel sein Beitrag in der Archithese aus.730 Adam sah in der Farbigkeit einen Versuch einer „Interferenz von Architektur und Natur“731 im Werk von Gigon/Guyer, der bereits im Davoser Glaskies und dem getönten Beton der Sammlung Oskar Rheinhart in Winterthur angeklungen sei.732 Er nannte den Bau „ein überaus persönliches Museum“, das sich bewusst von der parasakralen Aura des White Cube ferngehalten“733 habe. 2005 erschien ein Bildband mit einem einführenden Text von Axel Sowa.734 Er referierte die Entstehungsgeschichte des Neubaus und die Sichtweise des Sammlers und Stifters sehr ausführlich. Zudem diskutierte er Max Bill als ein mögliches Vorbild für die Ansicht des Stifters, Kunst solle im Alltag gegenwärtig sein.735 Vorgestellt wurde das Museum auch in der Westschweiz durch einen Artikel in der Idea.736 Eine weitere kurze Beschreibung eines anonymen Autors erschien 2005.737 Französische Publikationen folgten gehäuft im selben Jahr: ein erster kurzer Aufsatz in der AMC – Le Moniteur Architecture und ein Beitrag über das Spezialthema Fensterkonstruktion.738 Zudem nahm Christine Desmoulins die Sammlung Albers-Honegger in ihre Museumsmonografie auf.739 Neben einer Beschreibung gab sie ein Zitat des Stifters Gottfried Honegger über seine Vorstellung von einem Museum wieder.740 In einen Bildband über internationale Museen wurden „die renommierten Museumsarchitekten Annette Gigon und Mike Guyer“ 2006 mit dem Espace de l`art concret

728 Véronique Bouruet-Aubertot: Espace de l`art concret – Le regard en éveil, in: Beaux-Arts Magazine 243 (2004) 36-38. 729 Hubertus Adam: Neubau für den Espace de l`Art Concret, in: Bauwelt 35 (2004) 35 [Adam 20042]. 730 Adam 2005, 58-63. 731 Adam 2005, 60. 732 Adam 2005, 60. 733 Adam 2005, 61. 734 Axel Sowa: Espace de l`Art Concret à Mouans-Sartoux – The Espace de l`Art Concret in Mouans-Sartoux, in: Axel Menges (Hrsg.): Espace de l`Art Concret Mouans-Sartoux (Opus 58), Stuttgart 2005, 6-17. 735 Sowa 2005, 15. 736 Marianne Kürsteiner: De l`art concret sur la Côte d`Azur, in: Idea – Intérieur – Design – Édification – Architecture 3 (2005) 36-40. 737 A.A.: Sammlung Albers-Honegger in Mouans-Sartoux, in: Architektur & Wettbewerbe 202 (2005) 18-21 [A.A. 20056]. 738 A.A.: Musée de l´Art Concret Mouans-Sartoux, in: AMC – Le Moniteur Architecture 148 (2004) 92-93; Jean- François Caille: Details – Baies et Fenêtres, in: AMC – Le Moniteur Architecture 154 (2005) 124-125. 739 A.A. 2004, 92-93 [A.A. 20041]; Caille 2005, 124-125; Desmoulins 2005, 148-151. 740 Desmoulins 2005, 151. 107 aufgenommen.741 Der minimale Text enthält nur einen Hinweis auf architektonische Analogien zur Konkreten Kunst.742 Erwähnung fand der Bau zudem 2007 in einem weltweiten Architekturatlas, ebenfalls mit Abbildungen und einem sehr knappen Text.743 Eine Beschreibung, in der die Sammlung Albers-Honegger aufgrund ihres Konzepts der seitlichen Belichtung als „atypical museum“744 benannt wurde, erschien 2008 in der italienischen Materia. 2010 wurde die Donation in Chris van Uffelens Bildband zu aktuellen Museen mit einer kurzen Beschreibung aufgenommen.745 Ein Bildband erschien 2011 über Architektur an der Côte d`Azur ab 1945, in dem der Espace de l`art concret aufgeführt wird.746 Wie für die vorangegangenen Bauten wurde für die Sammlung Albers-Honegger noch keine einordnende Untersuchung durchgeführt. Der Hinweis von Axel Sowa auf Max Bill als Vordenker für die Ansicht, Kunst solle Teil des Alltags sein, blieb ohne Ergänzung, so dass Ausstellungsräume mit Wohnraumatmossphäre ein bisher unbearbeitetes Thema ist. Weitere Aspekte, die im Zusammenhang mit dem Museum in Mouans-Sartoux/Alpes-Maritimes besprochen werden können, sind der spiralförmige Gebäudeaufbau und die damit verbundene Wegführung, das „All-Over“ des Außenbaus, Farbe in der Museumsarchitektur sowie das Konzept der seitlichen Belichtung von Ausstellungsräumen.

b) Quellenbericht ba) Bildquellen

Ähnlich wie beim Archäologischen Museumspark Kalkriese und dem Galerielager Wichtrach sind Bildquellen zur Donation Albers-Honegger zahlreich und von guter Qualität vorhanden: 1) Die Entwicklung des Baukörpers und die damit verbundene Frage der Größe der Ausstellungsfläche dokumentieren mehrere Modelle aus Karton im Archiv des Büros Gigon/Guyer [Abb. 235]. Sie zeigen den Museumsbau auf sein Volumen reduziert, überwiegend ohne Fensteröffnungen, mit unterschiedlich vielen und unterschiedlich

741 Ralf Daab: Art Spaces – Architecture & Design, Köln 2006, 96-101. 742 Daab 2006, 96. 743 Joachim Fischer/Chris van Uffelen: 1000x European Architecture, Salenstein 2007, 247. 744 Antonello Boschi: Donation Albers-Honegger – Espace de l`Art Concret, in: Materia 60 (2008) 74-82, 79. 745 Chris van Uffelen: Museums Architektur – Musées Architecture – Museos Arquitectura, Potsdam 2010, 196- 197. 746 Jean-Lucien Bonillo/Jean-François Pousse: L`architecture contemporaine sur la Côte d`Azur, [Dijon] 2011, 212-215. 108

positionierten Auskragungen.747 Zwei ähnliche Modelle werden im Museum in Mouans-Sartoux gelagert.748 2) Im Fotoarchiv des Büros Gigon/Guyer sind Aufnahmen eines Modells auf einem Geländesockel und eines Modells mit Split-Level-Geschossen sowie mit Dachterrasse vorhanden [Abb. 236-239].749 3) Fotos von Lichtmodellen von Ausstellungsräumen gibt es ebenfalls [Abb. 240-241].750 4) Wie bei den vorangegangenen Museen dokumentieren Handzeichnungen die Entwicklung des Projekts [Abb. 242-244].751 Die Blätter zeigen Bleistiftzeichnungen der Fassaden, die von dunklen Fensterfeldern geprägt werden [Abb. 242]. Im Zentrum des Interesses scheinen die Eingänge, die Fernwirkung der Ansichten, die Auskragungen und die Verteilung der Fenster gewesen zu sein. Vorhanden sind zudem kleinformatige Grundrissskizzen, an denen die Suche nach einer funktionalen Binnengliederung des Museumsbaus deutlich wird [Abb. 243]. 5) Computerunterstützte Visualisierungen zeigen den projektierten Museumsbau in den Park eingefügt. Die Ansichten erlauben dem Betrachter, sich das Museum im Kontext des Schlossparks vorzustellen. Weitere computergenerierte Bilder geben Ausstellungsräume des Museums wieder.752

bb) Textquellen

Die Quellenlage zur Donation Albers-Honegger erwies sich als sehr gut. Neben dem Verlauf des Wettbewerbs konnten auch die persönlichen Vorstellungen und Wünsche des Stifterpaares durch die Textquellen nachvollzogen werden: 1) Das Reglement des Wettbewerbs enthält zahlreiche für die Dokumentation wichtige Daten zum Verlauf des Wettbewerbs.753 2) Das vermutlich von Gottfried Honegger und Sybill Albers formulierte Wettbewerbsprogramm gibt Aufschluss über die Kunst- und Museumsauffassung der Stifter und ihre inhaltlichen und funktionalen Wünsche.754

747 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modellarchiv – Modelle Mouans-Sartoux. 748 Archiv Sammlung Albers-Honegger, Mouans-Sartoux. 749 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Fotoarchiv. Das Modell konnte nicht im Original eingesehen werden. 750 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Fotoarchiv. Das Lichtmodell konnte nicht im Original eingesehen werden. 751 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen. 752 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bildmaterial Gigon/Guyer. 753 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux „Reglement du concours“, 1-9. 754 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 1-9. 109

3) Einen persönlicheren Einblick gibt ein Protokoll der Erläuterung des Wettbewerbsprogramms durch Gottfried Honegger: Am 7. September 1999 erläuterte Honegger vor den angereisten Architekten das Wettbewerbsprogramm und beantwortete die von diesen vorher eingesandten Fragen. Im Protokoll werden Bemerkungen Honeggers zu Vorbildprojekten und Negativbeispielen von Museen genannt.755 4) In einem Schreiben an die Architekten vom 2. Mai 2000 äußerte sich Gottfried Honegger zu den unterschiedlichen Entwürfen. Auf humorvolle Weise verdeutlicht er seine Wünsche an den Museumsbau, der über viele kleine Räume verfügen müsse, „damit sie [die Bilder, Anm. d. Verf.] sich während der Nacht nicht streiten“.756 5) In der Projektplanung wurde eine Vielzahl an Skizzenblättern mit hinzu notierten Gedanken angefertigt.757 Sie geben einen sehr guten Einblick in die Ideenfindung des Entwurfs.

bc) Vorgeschichte

Die Sammlung Albers-Honegger geht auf den Schweizer Künstler Gottfried Honegger (*1917) zurück, der zur zweiten Generation der Vertreter der Konkreten Kunst in der Schweiz gehört. Er baute mit seiner Lebensgefährtin Sybil Albers-Barrier eine 500 Werke umfassende Sammlung Konkreter Kunst auf, die 1990 den Grundstein für die Einrichtung des Espace de l`Art Concret in seiner Wahlheimat Mouans-Sartoux darstellt.758 Gottfried Honegger und Sybil Albers-Barrier verbrachten jedes Jahr mehrere Monate im Hinterland von Cannes. Ende der 80er Jahre fiel dem Künstler- und Sammlerpaar das damals ungenutzte Schloss des Städtchens Mouans-Sartoux auf [Abb. 217].759 Die Idee, in der dreieckigen Schlossanlage ihre private Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, war geboren. Der Bürgermeister der Gemeinde André Aschieri und der französische Kulturminister Jack Lang konnte ebenfalls für das Projekt gewonnen werden.760

755 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll Erläuterung Wettbewerbsprogramm durch Gottfried Honegger vom 7. September 1999, 1-2. 756 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gottfried Honegger an Gigon/Guyer vom 2. Mai 2000. 757 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Skizzenblätter Mouans-Sartoux. 758 A.A. 20057, 18. 759 Das Schloss von Mouans-Sartoux wurde Ende des 15. Jh. auf einem Plateau über der Stadt erbaut. Es besteht aus drei Flügeln, die in einem gleichschenkligen Dreieck angelegt sind. Auf die Winkel bzw. Ecken des Dreiecks ist je ein massiver Rundturm aufgesetzt. Sowa 2005, 7. 760 Sowa 2005, Klappentext, 8f., 60. 110

1990 wurde das Schloss von Mouans-Sartoux von den Architekten Michael Brante und Gérard Vollenweider aus Cannes zu einem Museum ausgebaut.761 Im selben Jahr weihte der Bürgermeister Aschieri das Zentrum in Anwesenheit von Kulturminister Jack Lang ein.762 Die Hauptfunktion des Espace de l`Art Concret sollte es sein, ein Zentrum für Konkrete Kunst zu schaffen, in dem die damals noch private Sammlung von Honegger und Albers- Barrier den Mittelpunkt bilden sollte. Das Zentrum verstand sich weder als „Museum noch als städtische Galerie“. Besonderen Wert legte Gottfried Honegger auf ein breites museums- und kunstpädagogisches Angebot für Kinder und Erwachsene.763 Damit dieses Anliegen weiter umgesetzt werden konnte, wurde das Zentrum 1998 durch einen Pavillon mit „museumspädagogischen Werkstätten“ des in Nizza ansässigen Architekten Marc Barani erweitert.764 Er enthält Mal- und Akustikateliers sowie einen Computerraum.765 Im Jahr 2004 entwarf der Künstler Gottfried Honegger selbst einen kleinen Musikpavillon, der 2005 westlich des Schlosses ausgeführt wurde.766

d) Beschreibung da) Gesamtanlage

Das Gebäude der Donation Albers-Honegger ist Teil des Espace de l`Art Concret in Mouans-Sartoux, einer südfranzösischen Kleinstadt 10 km nördlich von Cannes.767 Der Espace de l`Art Concret ist im Park des Château de Mouans-Sartoux situiert [Abb. 231]. Er umfasst das aus dem 16. Jh. stammende Schloss [Abb. 217], den Museumsneubau (Gigon/Guyer 1999, 2001-03), ein museumspädagogisches Atelier (Marc Barani 1998) [Abb. 230] und einen Ausstellungspavillon für Kunst von Kindern (Gigon/Guyer 2003) [Abb. 229].768 Auf dem unregelmäßig fünfeckigen Gelände sind die Neubauten ausgehend vom Schloss im Park verteilt. Man betritt das Gelände von seiner Südostecke aus und nähert sich der Nordostflanke des Schlosses, das aus drei Flügeln, die in der Form eines gleichschenkligen Dreiecks angeordnet sind, und runden Ecktürmen besteht. Weiter nordöstlich schließt sich der Neubau der Donation Albers-Honegger an.769

761 Sowa 2005, Klappentext. 762 Sowa 2005, 7f. 763 Sowa 2005, Klappentext. 764 A.A. 20057, 18; Adam 2005, 59; Sowa 2005, 9. 765 Sowa 2005, 9. 766 Sowa 2005, 15, 16, 20. 767 Adam 2004, 35. 768 A.A. 20057, 18. 769 Adam 2004, 35. 111

Nordwestlich des Schlosses liegt in Sichtweite der flache Baukörper der museumspädagogischen Werkstätten. An den äußersten Rand des Geländes gerückt, folgt der „Préau des enfants“, ein als „Musée de l`Art des enfants“ gedachter offener Pavillon, in dem Bilder von Kindern ausgestellt werden.

db) Grundriss

Das Gebäude der Donation Albers-Honegger erhebt sich über einem quadratischen Grundriss in fünf Geschossen [Abb. 232-234]. Vier kastenartige Auskragungen durchbrechen das Quadrat des Grundrisses in fünf Geschossen [Abb. 234]. Die Auskragung der Westfassade ist doppelgeschossig [Abb. 233]. Im Grundriss sind die Auskragungen als rechteckige „Erker“ erkennbar.770 Alle Geschosse sind – vereinfacht gesehen – nach dem gleichen Grundrissschema aufgebaut. Im Kern des Gebäudes sind über alle Stockwerke die Nebenfunktionsräume untergebracht. Treppenaufgänge, Lift und Toiletten werden in kleinteiliger Raumaufteilung dicht zusammengefasst. An den Außenwänden entlang liegen die Hauptfunktionsräume. Dies sind die Depot-, Büro- und Konferenzräume in den unter dem Eingangsniveau (3. OG) liegenden ersten zwei Stockwerken. In den oberen drei Ebenen befinden sich Ausstellungssäle. Sie sind unterschiedlich große Rechtecke, die überwiegend mit ihren Langseiten hinter den Außenwänden liegen. In den drei Beletage-Geschossen ergibt sich ein spiralförmiger Rundgang immer an den Außenwänden des Gebäudes entlang.

dc) Aufriss

Die Donation Albers-Honegger ist ein hoch aufragender Turm über quadratischem Grundriss, aus dem sich im Uhrzeigersinn um das Gebäude herum kubenartige Erker herausschieben [Abb. 218, 219, 222, 232, 233]. Sie wirken, als hätte man einzelne Ausstellungssäle bzw. den schleusenartigen Eingangstrichter ausgestülpt. Der gesamte Bau besteht aus Sichtbeton, der in einem gelbgrünen „erkennbar artifiziellen“771 Farbton gestrichen ist. Die rechteckigen Fensteröffnungen sind spielerisch über die Fassadenflächen verteilt. In den Ausstellungsräumen variiert die Höhe der Laibungen. In manchen Sälen sitzen die Fenster auf Knie-, in anderen auf Hüfthöhe [Abb. 225-227]. In der Außenansicht wird so die Geschosseinteilung verunklärt. Die Fenster haben zwei Verglasungen: ein innen

770 Adam 2004, 35. 771 Adam 2004, 35. 112 liegendes, herkömmliches Fenster mit Metallrahmen und vertikalem Mittelsteg und eine zweite, auf die Fassadenfläche aufgesetzte Glasscheibe, die dem Windschutz der Sonnenstoren und damit dem Lichtschutz der Exponate dient [Abb. 220].772 Für die Sammlung Albers-Honegger arbeiteten Gigon/Guyer ein Binnengliederungskonzept aus, das nicht am Außenbau ablesbar ist. Der Besucher nähert sich dem Museum vom Schloss aus. Er betritt den an einem Abhang liegenden Bau ebenerdig über eine brückenartige Eingangsschleuse, die in das zweite Obergeschoss des Museums führt [Abb. 218, 219]. Das mittige Eingangsstockwerk (3. OG) teilt das Gebäude horizontal in zwei Hälften [Abb. 234, Markierung „a“ Eingang, Markierungen „b“ Ausstellungsflächen]. Es stellt die Nahtstelle bzw. den Umbruch der Binnengliederung des Gebäudes dar. Ab dem Eingangsniveau sind die Stockwerke jeweils um ein halbes Geschoss versetzt. Der Besucher steigt durch die Ausstellungssäle (4. und 5. OG) immer an den Außenwänden entlang spiralförmig zum obersten Halbgeschoss auf. Die Split-Level-Lösung verteilt drei Geschosse über vier Niveaus. Oben angelangt, kann man mit einem Aufzug oder durch die Ausstellungssäle zurück das Eingangsniveau erreichen. Unterhalb des Eingangsniveaus endet die spiralige Anordnung in Halbgeschossen mit Räumen für Wechselausstellungen [Abb. 232]. Hinabsteigend passiert man zunächst ein Halbgeschoss mit Büroräumen [Abb. 232, Markierung „d“]. Danach folgt das erste Obergeschoss (1. OG) mit dem Konferenzraum und einem eigenen, nach Osten weisenden Zugang von außen, der es ermöglicht, den Konferenzsaal abgetrennt vom Ausstellungsbetrieb zu nutzen [Abb. 232, Markierung „c“]. Das unterste, ebenerdige Geschoss (EG) nimmt ein Depot und Technikräume auf. Es hat ebenfalls einen eigenständigen Zugang mit großformatigem Portal für Ab- und Anlieferungen.

dd) Gebäudeinneres und Ausstellungsräume

Im Inneren wird die Donation Albers-Honegger durch die bescheidenen Ausmaße der Ausstellungsräume, die seitliche Belichtung und die kühl zurückhaltende Ausstattung geprägt. Alle öffentlich zugänglichen Räume sind in ihrer Einrichtung gleich. Der Besucher betritt zunächst das Foyer durch eine mit schmalen Metallrahmen umfasste Glastür [Abb. 224]. Es besitzt einen gegossenen Betonboden, der mit hellgrauem Kunststoff belegt ist, reinweiß gestrichene Wände und Decke sowie eine Deckenbeleuchtung aus schmalen Fluoreszenzröhren, die in der Form eines Rechtecks an der Decke angebracht sind. Der

772 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 113 langgestreckte, an der Ostwand stehende Empfangstresen nimmt die Kasse und den Postkarten- und Bücherverkauf auf. Hinter der Stirnwand des Foyers liegt die für die Museen von Gigon/Guyer typische Raumgruppe aus Garderobe, Schließfächern und Toiletten, die bei der Donation Albers-Honegger im Gebäudekern, angeschlossen an die weiteren Funktionsbereiche Lift und Fluchttreppenhäuser, liegt. Anders als bei den vorher behandelten Museen sind die Funktionsräume weiß gehalten, nicht in einem Holzton (Davos, Appenzell). Der Zugang zu den Ausstellungsräumen erfolgt über deckenhohe, in die Mauern geschnittene Durchgänge ohne Rahmung. Die kurzen, geraden Treppenläufe, die die Halbgeschosse verbinden, bestehen aus Beton und besitzen schmale, an der Wand befestigte Stahlhandläufe. Die Ausstellungsräume folgen der Ausstattung des Foyers [Abb. 225-228]. Auch sie sind ausgestattet mit grauem Kunststoffboden, weißen Wänden und Decken sowie Fluoreszenzröhren, die die ausgestellten Kunstwerke an den zur Gebäudemitte hin orientierten Wänden beleuchten. Der letzte Ausstellungssaal des Spiralgangs im obersten Stockwerk ist deutlich höher und besitzt knapp unterhalb der Decke positionierte Seitenfenster [Abb. 228]. Die Ausstellungsräume werden geprägt durch ihre bescheidenen Ausmaße und die Belichtung durch seitliche Fenster, deren Laibungshöhe – wie bereits beschrieben – variiert. Die Räume haben überwiegend eine rechteckige Form und liegen mit ihren Langseiten an der Außenwand des Gebäudes, so dass sie der Besucher der Länge nach durchschreitet [Abb. 234]. Ihre Größe ist unterschiedlich. Alle sind eher klein und haben eine maßvolle Deckenhöhe. Zusammen mit der seitlichen Belichtung durch rechteckige Fenster mit niedriger Brüstung erinnern die Säle an Zimmer eines herkömmlichen Hauses.773 Davon ausgenommen ist der letzte Saal des Rundgangs, der im obersten Stockwerk liegt, bedeutend höher ist und wie ein Höhepunkt des Rundgangs wirkt.

e) Planungs- und Baugeschichte

1999 war das Schloss für den Betrieb des Espace de l`Art Concret zu klein geworden.774 Man fasste den Entschluss, einen Neubau zu errichten. Um diesen Plan zu realisieren, stifteten Gottfried Honegger und Sybil Albers-Barrier im selben Jahr ihre

773 Adam 2004, 35. 774 Der Betrieb des Espace de l`Art Concret umfasst die ständige Ausstellung aus der Sammlung, thematische Wechselausstellungen, museumspädagogische Angebote für Jung und Alt, kunstpädagogische Angebote, auch in Zusammenarbeit mit geladenen Künstlern, bei denen die Besucher selbst künstlerisch tätig werden. Programmheft Espace de l`Art Concret 1. Juli 2007 bis 30. September 2007. 114

Sammlung als Donation Albers-Honegger dem französischen Staat. Dieser verpflichtete sich im Gegenzug einen Museumsneubau als Erweiterung des Schlosses mit 12 Mio. Francs zu finanzieren.775 Am 20. August 1999 lobte die Stadt Mouans-Sartoux zusammen mit dem Französischen Staat einen Wettbewerb aus, zu dem vier Architektenbüros eingeladen wurden.776 Neben Gigon/Guyer beteiligten sich Moussafir/Paillard & Jumeau/Marin-Trottin & Trottin (Moussafir Architectes Associés/Paris), Bernard Desmoulins/Paris und Laurent Hodebert/Nizza.777 Im Programm des Wettbewerbs wurden die Anforderungen festgehalten.778 Der Text scheint vom Sammlerpaar Albers und Honegger selbst formuliert worden zu sein. In der „Wir-Perspektive“ schildern sie ihre Kunst- und Museumsauffassung sowie die Anforderungen an das Gebäude. Die ausführlichen und vielfältigen Wünsche geben einen guten Einblick in die Vorstellungen der Donatoren, die großen Einfluss auf die Planung gehabt zu haben scheinen. Zu Beginn des Programmtextes wurde das Kunstverständnis der Stifter umrissen. Kunst hat nach Albers und Honegger „une valeur sociale“, ihre Funktion in der Gesellschaft sehen sie als ein „engagement social“779. Die Kunst könne uns „une identité dans une époque où l´anonymat nous envahit“780 geben. Ähnliche Bedeutung geben sie dem Museum. Es solle den Menschen als „un espoir“ und „une arme contre une civilisation vulgaire contre la décadence humaine“781 dienen. Auch ihre Meinung zu bestimmten Positionen in der Museumsarchitektur überliefert der Text:

„Actuellement, nous connaissons dans l`architecture muséale en général un engouement pour le luxe décoratif où trop souvent la fonction intérieure est ignorée. Pour nous, la forme extérieure de l`immeuble doit reflétée la fonction intérieure. La Donation pour laquelle nous rêvons est un immeuble sobre, simple, en revanche, sensible dans ses proportions et ses matériaux. Nous demandons un bâtiment d´un entretien facile, solide, durable et pas fragile. Notre bâtiment ne doit pas servir le narcissisme de l`architecte“ 782

775 Adam 2004, 35; Sowa 2005, 9; Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers- Honegger „Reglement du concours“, Mouans-Sartoux, 4. 776 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux „Reglement du concours“, 3; Pousse 2000, 96-101. 777 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux „Reglement du concours“, 2. 778 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 2. 779 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 2. 780 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 2. 781 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 2. 782 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 2. 115

Im Weiteren beschrieben sie den Charakter der Sammlung und ihrer Kunstwerke. Sie stellten heraus, die Sammlung sei „une collection privée et de ce fait subjective“783. Die Bilder seien „d´un format modeste“ und hätten „déjà vécu dans un appartement privé“784. Dieser „aspect privé et intime“785 solle im zukünftigen Museumsbau bewahrt werden. Als Leseempfehlung gaben die Stifter Rémy Zauggs Schrift „Das Kunstwerk, das ich mir erträume, oder der Ort des Werkes und des Menschen“ an.786 Es könne den Architekten eine Vorstellung einer „façon intéressant de concevoir un lieu d´exposition“787 geben. An späterer Stelle gingen Albers-Barrier und Honegger näher auf den Museumsbau ein. Das Museum solle sich in das bestehende Gefüge aus Schloss und Park einfügen und „le climat historique du lieu“788 nicht beeinträchtigen. Der Bau sollte eine moderate Größe haben und etwa 600 m2 Ausstellungsfläche bieten. Gewünscht wurde, dass jeder Saal seinen eigenen Charakter und eine eigene Dimension haben solle.789 Wichtig waren zudem zwei Eingänge. Der im Programm zweigeschossig projektierte Museumsbau sollte einen Besuchereingang auf Höhe des Parkniveaus und einen eigenständigen, vom Museumsbetrieb abgelösten Eingang für einen Konferenzraum haben, der von der Stadt Mouans-Sartoux unabhängig genutzt werden sollte.790 Eine mögliche Erweiterung des Gebäudes um etwa 200 m2 sollte im Entwurf ebenfalls bedacht werden.791 Eher ungewöhnlich ist ihr Wunsch nach einer „luminosité et un éclairage multiples différent (une fois la lumière vient d`en face, une fois d`en haut, une fois complètement artificielle)“792. Das Sammler- und Künstlerpaar scheint primär von ihrem Verständnis von lebensnaher Kunstpräsentation beeinflusst zu sein. Die in vielen Museen gewünschte gleichmäßige Beleuchtung favorisierte Honegger, wie unten noch weiter ausgeführt werden wird, nicht. Zu möglichen Baumaterialien bemerkten Albers-Barrier und Honegger „une construction avec des éléments standardisés serait [...] dans l`esprit de l`art concret“793.

783 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 2. 784 Das größte Bild der Sammlung sei zum damaligen Zeitpunkt 200 × 200 cm. Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll Erläuterung Wettbewerbsprogramm durch Gottfried Honegger vom 7. September 1999, 1; Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 2. 785 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 2. 786 Rémy Zaugg: Das Kunstwerk, das ich mir erträume, oder der Ort des Werkes und des Menschen, Nürnberg 1998. 787 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 4. 788 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 4. 789 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 4. 790 Die weiteren benötigten Funktionsräume werden in Listenform aufgeführt. Benötigt wurden ein Konferenzsaal, drei Büros für Verwaltung und wissenschaftliche Leitung, Werkstätten, Depoträume, ein Lastenlift und ein Lager für Verpackungen. Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 3; Interview Claire Spada, Donation Albers-Honegger 18. April 2013. 791 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 3, 4, 7. 792 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 3. 793 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“, 3. 116

Am 7. September 1999 erläuterte Gottfried Honegger das Programm in Mouans- Sartoux den angereisten Architekten. Ein von einem Mitarbeiter des Büros Gigon/Guyer angefertigtes Protokoll gibt Aufschluss über den Inhalt der Erläuterungen. Honegger wiederholte bei dem Ortstermin das schriftliche Programm in seinen wesentlichen Punkten. Der „Museumstyp“ sei auf „Forschung und Pädagogik“ ausgerichtet, man solle den „Maßstab der Kleinstadt“794 bedenken und sich an Mies Van der Rohes Entwurf des Museums für eine kleine Stadt orientieren.795 Zudem wurde das Kunstmuseum Aarau aufgeführt, das in seinem 1. OG vorbildhafte Räume unterschiedlicher Größe habe. Weiter ausgeführt wurden die Wünsche nach abwechslungsreicher Beleuchtung: „Licht- und Schattenspiele, verschiedene Beleuchtungsarten“ und sogar „Sonnenlicht“ seien „erwünscht“796. Als negatives Beispiel wird die Fondation Beyeler in Riehen genannt, dort sei das Licht „viel zu diffus“797. Die Entscheidung des Wettbewerbs traf die aus dem Sammlerpaar, Lokalpolitikern wie dem Bürgermeister von Mouans-Sartoux und Architekten zusammengesetzte Jury.798 Die Projekte mussten bis zum 28. Oktober 1999 abgegeben werden.799 Die Entscheidung fiel nach den in den Wettbewerbsregeln eher weit gefassten Bewertungskriterien der Jury. Demnach achtete man auf „insertion dans le site“, „qualité architecturale et la volumétrique intérieure des espaces“, „économie globale du projet [...] et maintenance du bâtiment“, „respect du programme“ und „caractère évolutif de la conception du projet“800. In einem ersten Durchlauf wurde das Projekt von Moussafir/Paillard & Jumeau/Marin- Trottin & Trottin am 15. Dezember 1999 zum Sieger gekürt.801 In einem nicht vorhergesehenen Stechen zwischen den vorläufigen Siegern und Gigon/Guyer entschied man sich für das Schweizer Büro.

794 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll Erläuterung Wettbewerbsprogramm durch Gottfried Honegger vom 7. September 1999, 1. 795 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll Erläuterung Wettbewerbsprogramm durch Gottfried Honegger vom 7. September 1999, 1f. 796 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll Erläuterung Wettbewerbsprogramm durch Gottfried Honegger vom 7. September 1999, 2. 797 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll Erläuterung Wettbewerbsprogramm durch Gottfried Honegger vom 7. September 1999, 2. 798 Als Architekten der Jury werden genannt: „Monsieur l`Architecte des Bâtiments de France, 1 Représentant de l`Ordre des Architectes, 1 Représentant de la Mission Interministérelle pour la Qualité des Constructions Publiques, Monsieur Gérard Vollenweider, Monsieur Philippe Gazeau, Monsieur le Directeur de l`Architecture ou son représentant, Monsieur Christophe Hearle“. Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux „Reglement du concours“, 5. 799 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Reglement du concours“, Mouans-Sartoux, 3. 800 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux – „Reglement du concours“, 5. 801 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux – „Reglement du concours“, 3. Pousse 2000, 97. 117

In der weiteren Planung wurde der Erstentwurf des Wettbewerbs ausgearbeitet. Wesentliche Fragen waren, wie viel Ausstellungsfläche das Gebäude bieten sollte. Die größere Variante sah eine zusätzliche zweigeschossige Auskragung vor, die zwei kleine Ausstellungsräume mehr geboten hätte. Ein weiterer Diskussionspunkt waren die Durchgänge. In die Wandfläche eingeschnittene rechteckige Öffnungen verwarf man, da sie in ihrer Grundform „zum Bild würden“802, d. h. durch ihre Umrisslinie mit einem daneben hängenden Bild konkurrieren würden.803 Man entschied sich für deckenhohe, rahmenlose Durchgänge, die ganz an die anstoßende Nebenwand gerückt wurden. Verworfen wurde eine Dachterrasse [Abb. 239].804 Bis zum 28. Februar 2000 wurde das Vorprojekt erstellt, einen Monat später, am 28. April, sollte das endgültige Projekt für die Baueingabe bereitstehen.805 Die weitere Vorbereitung des Bauvorhabens zog sich von Mai bis Dezember 2000 hin.806 Die Bauarbeiten begannen im Januar 2001, ausgeführt war der Bau 2003.807 Der Park des Schlosses Mouans- Sartoux wurde von dem Landschaftsarchitekten Gilles Clément umgestaltet.808 Am 26. Juni 2004 wurde die Donation Albers-Honegger eingeweiht.809

B. Kunstgeschichtliche Fragen

I. Typen- und motivgeschichtliche Fragen 1. Industriearchitektur und Museumsbau

Ein wichtiges Charakteristikum der Museumsbauten von Gigon/Guyer ist ihre motivische Nähe zur Industriearchitektur. Bis auf Mouans-Sartoux und die SOR weisen alle ausgeführten Museen Motive aus dem Industriebau auf. Ein Motiv aus dem Kontext der Industriearchitektur ist beispielsweise die Dachform der Sheds. Der Typ des eingeschossigen, oberbelichteten Hallenbaus mit einer Binnengliederung in Rechteckräume kombiniert mit Sheddach ist ein Bautyp, der in der Industriearchitektur des 19. Jh.s entwickelt wurde, um zu Zeiten ohne elektrisches Licht weite, tagesbelichtete Hallen für die Schwerindustrie

802 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 803 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Skizzenblätter Mouans-Sartoux. 804 Adam 2005, 60. 805 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger, Mouans-Sartoux – „Reglement du concours“, 4. 806 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll einer Traktanden Besprechung April 2000, 2. 807 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll einer Traktanden Besprechung April 2000, 2; Gigon/Guyer 2012, 62. 808 Sowa 2005, 17. 809 Sowa 2005, 9. 118 bereitzustellen.810 Realisiert wurde dieser Typ von Gigon/Guyer im Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, und der Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur, dort kombiniert mit einer Parkgarage im Erdgeschoss [Abb. 43, 44]. Weitere Gemeinsamkeiten ergeben sich aus den verwendeten Materialien. Bei allen Museen bis auf die Sammlung Albers-Honegger werden die Bauten durch Materialien beherrscht, die mit Industriearchitektur assoziiert werden können: Glas, Stahl und Beton sind die dominierenden Baustoffe. Einige Bauten versahen die Architekten mit Lochblech- bzw. Gitterfassaden (Galerielager Wichtrach, Entwürfe für die Erweiterung des Kunstmuseums Basel, Nelson-Atkins Museum/Kansas City und die überarbeitete Fassung der Halle für Straßenverkehr/Verkehrshaus Luzern) [Abb. 195, 288, 280, 284]. Organische, warme Materialien wie Holz und Ziegel fehlen an allen Museumsbauten. Auch in der Innenraumgestaltung kommen organische Werkstoffe nur in den an die Galeriemuseen des 19. Jh.s anknüpfenden Sälen des Kirchner Museums und der SOR (s. Kapitel B. I. 12 a) vor [Abb. 23, 86].811 Materialien mit industriellem Charakter sind zudem seriell gefertigte Komponenten, die üblicherweise nicht sichtbar an öffentlichen Gebäuden, d. h. Museen, verbaut werden. Beispiele hierfür sind die Profilitgläser und die dahinter durchscheinenden Isolationskassetten in Winterthur sowie die aus dem Bereich des Straßenbaus stammenden Eisenplatten auf dem Museumsgelände in Kalkriese [Abb. 46, 159]. Ein weiteres Motiv, welches an Industriebauten erinnert, ist die Sichtbarkeit der Konstruktion. Beim Kalkrieser Museum legen die weggelassenen Verkleidungsplatten des Aussichtsturms die tragenden Stahlträger frei [Abb. 147]. Weitere Bauten mit Stahlkonstruktion sind die Entwürfe für die „Expo“-Installation für Luft- und Raumfahrt sowie der Erweiterungsbau für das Verkehrshaus in Luzern [Abb. 298, 283]. Bei einigen anderen Beispielen wird die Konstruktion der Fassaden zur Schau gestellt. Beim Kirchner Museum scheint das Dämmmaterial durch die transluzenten Fassadengläser [Abb. 10] und in Winterthur sind, wie bereits geschildert, die Isolationskassetten wie bei einem „Montagebau“812 offen sichtbar.813 Eine Reminiszenz an Industriebauten sind auch die aus Ortbeton gegossenen Schwerlastenböden. In den Häusern in Winterthur, Appenzell, Mouans-

810 Brigitte Mohn definiert die einfachste Fabrik um 1840 in Großbritannien als eingeschossige Halle über „erweiterbarem rechteckigen [...] Grundriß mit gitterförmig angeordneten Eisenstützen unter Sheddächern“. Diese Form wurde mit „zunehmender Raumhöhe und Stützenweite [...] zum verbreitetsten Fabrikbautypus des 20. Jh.“; Brigitte Mohn: Fabrik, in: Ernst Seidel (Hrsg.): Lexikon der Bautypen – Funktionen und Formen der Architektur, Stuttgart 2006, 138-142, 141. 811 Wie bereits oben angemerkt, stellen die Innenausstattungen des Kirchner Museums und der SOR eine Ausnahme dar. 812 Arthur Rüegg: Permanenz und Vergänglichkeit, in: Arthur Rüegg/Jürg Rehsteiner/Toni Wirth (Hrsg.): Fenster – Fassade (Seminarpublikation Departement Architektur ETH Zürich), Buchs 1998, 46-48, 48 [Rüegg 19982]. 813 Im Erdgeschoss der Parkgarage sind die Isolationskassetten in der Unteransicht der Geschossdecke unverkleidet sichtbar. 119

Sartoux und Wichtrach erfüllen sie sowohl funktionale als auch gestalterische Aufgaben. Sie können das Gewicht großformatiger Kunstwerke und Transportmittel aufnehmen und erzeugen gleichzeitig die neutrale Atmosphäre einer zweckmäßigen Halle. Die Parallelen zur Industriearchitektur sind von Annette Gigon und Mike Guyer bewusst gewählt. In ihren Äußerungen zum Erweiterungsbau in Winterthur betonen sie, der als Provisorium geplante Anbau habe eine „kostengünstige, rezyklierbare Stahlkonstruktion notwendig“814 gemacht, die eine „combination of an industrial building and a museum“815 darstelle und eine „Analogie zum Industriebau“816 sei. In den Publikationen zu Gigon/Guyer wurde der Aspekt der Nähe zu Industriearchitektur kaum diskutiert. Gerhard Mack nannte die Erweiterung in Winterthur ein „Gebäude in der Schwebe zwischen Industriebau und Museum“817. Für Arthur Rüegg war die Verwandtschaft zur Industriearchitektur eine „wirtschaftlich angezeigte Konstruktions- und Materialisierungsart“818 für Ausstellungsbauten. Rudolf Schmitz sah eine aktuelle Tendenz darin, zeitgenössische Kunst bevorzugt in Industriearchitektur auszustellen, und unterschied zwischen umgenutzten Fabrikgebäuden und dem Neubau von Museen mit Industriearchitekturcharakter. Die Erweiterung in Winterthur sei ein typisches Beispiel eines „industrial way of building“ mit „corresponding material“819. Auch Victoria Newhouse nannte den Anbau in Winterthur als typisches Beispiel für industriearchitektur-nahe Neubauten.820 Jean-François Caille besprach in der französischen Zeitschrift AMC – Le Moniteur Architecture einen „nouveau classicisme“821 der Industrieformen für den Museumsbau, den er am Beispiel des Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, an den Oberlichtformen Sheddach und Laterne festmachte. Obwohl die Verbindungen zwischen Industriebau und Museumsarchitektur ein zentrales Thema der Entwicklung der Museumsbaukunst im 20. Jh. ist, wurden die Bezüge dieser eigentlich gegensätzlichen Gattungen in der Forschung stark vernachlässigt. Andreas Brandt und Eberhard Paetz stellten 1994 eine „Rückbesinnung auf inzwischen ungenutzte industrielle Orte mit flexiblen Räumen mit großer Höhe und viel Volumen, weitem Blickwinkel, einfach zu installierender Beleuchtung, rationellem Zugang und vertikaler

814 Bräm 1995, 54. 815 Gigon/Guyer 2000, 30. 816 Bräm 1995, 54. 817 Mack 1995, 20. 818 Rüegg 1996, 55. 819 Schmitz 1996, 36. 820 Newhouse 1998, 110f. 821 Caille 2000, 98. 120

Verlademöglichkeit“822 fest. Der nächste Beitrag folgte 1995 von Josep Maria Montaner.823 Er behandelte auf zwei Seiten die Umnutzung von Fabrikbauten zu Ausstellungshallen. Den Ursprung dieser Idee sieht er in einer Gegenbewegung zur "klassischen" Institution Museum, welche auf eine historisch-pädagogische Art und Weise versuche, die zunehmende Vielfalt der zeitgenössischen Kunst dem Besucher aufzubereiten und zugänglich zu machen.824 Nach Montaner hätten sich in den späten 70er und 80er Jahren als Gegenposition dazu Ausstellungshallen entwickelt, welche temporäre Schauen aktueller Kunst ohne didaktische Überfrachtung zeigten.825 Diese „innovative centers for contemporary art“826 hätten sich vor allem in umgenutzten Altbauten wie Fabriken, Bahnhöfen und Schulen etabliert. Ein Katalysator für diese Entwicklung sei die museumsferne Haltung zahlreicher Künstler gewesen, die sich in einem Zitat von Joseph Beuys zeige: „It is better to exhibit in a factory than in a newly-created museum“827. Diese These zur Entwicklung des umgenutzten Fabrikmuseums untermauert Montaner mit einer Reihe von Beispielen aus den späten 70er und frühen 80er Jahren, die in die folgende Darstellung der Genese des fabrik-nahen Museumsbaus einbezogen sind.828 Stärker als Montaner betonte drei Jahre später Victoria Newhouse die Rolle der Künstler, die „sich über museale Ausstellungskonventionen hinweg setzten“ und „alternative“829 Ausstellungsräume forderten. Zudem stellt sie die „Ähnlichkeit dieser Räume mit der Umgebung, in der die [Kunst-] Werke entstanden“830 sind, heraus. Sie weist damit auf die Parallele zwischen den Ausstellungshallen und den ebenfalls häufig in alten Fabriken eingerichteten Atelierräumen der Künstler hin.831 Anders als Montaner legt Newhouse den Beginn dieser Entwicklung bereits auf die frühen 70er Jahre. Über Montaners Ergebnisse hinaus geht die Autorin mit der Feststellung, dass „der Erfolg dieser Räumlichkeiten [...] zum Entstehen eines neuen Phänomens geführt hat“832: Museumsneubauten, die sich an Industriearchitektur anlehnen. Als zentrale Beispiele für Museen, „deren Galerien im Stil renovierter Industriearchitektur gestaltet wurden“833, nennt sie neben dem Museum of Contemporary Art in Miami/Florida die Erweiterung des

822 Andreas Brandt/Eberhard Paetz: Neue Museen 4 1982-92 – Beispiele, Entwicklungen, Tendenzen (Unregelmäßige Schriftenreihe – Seminarberichte Technische Hochschule Darmstadt), Darmstadt 1994, 69. 823 Josep Maria Montaner: Museos para el nuevo siglo – Museums for the new Century, Barcelona 1995. 824 Montaner 1995, 88. 825 Montaner 1995, 88. 826 Montaner 1995, 89. 827 Die Quelle des Zitats und eine Datierung gibt Montaner (1995, 89) nicht an. 828 Montaner 1995, 89f. 829 Newhouse 1998, 110f. 830 Newhouse 1998, 110. 831 Newhouse 1998, 110. 832 Newhouse 1998, 110. 833 Newhouse 1998, 110. 121

Kunstmuseums Winterthur.834 Aus der Industriearchitektur entlehnte Motive sind nach Newhouse industriell vorgefertigte Materialien, die „in Winterthur in einer besonders innovativen Weise“835 verwendet wurden: Stahlskelettbauweise, Sheddächer sowie bezogen auf den Museumsbau in Miami die Dachkonstruktion aus freiliegenden Trägern und Versorgungsleitungen sowie einfache Betonfußböden.836 Aus dem spärlich ausfallenden Literaturbericht zu diesem Thema geht hervor, dass zwar die beiden zentralen Typen der "Industriearchitektur-Museen" bereits erkannt, jedoch nicht klar definiert und voneinander abgegrenzt wurden. Das Hauptinteresse lag bisher auf den umgenutzten Fabrikbauten. Das Phänomen des Museumsneubaus mit Industriearchitekturcharakter wurde bisher nur von Victoria Newhouse benannt. Eine architekturhistorische Untersuchung der beiden Typen fehlt. Daher sollen zunächst die beiden zentralen Typen umgenutzte Industriehallen als Museum und Neubau mit Industriearchitektur-Charakter herausgearbeitet werden. Anschließend soll versucht werden, die Genese der beiden Typen aufzuzeigen. Aufgrund der Fülle der möglichen Beispiele werden nur die relevanten behandelt. In den Anmerkungen finden sich Hinweise auf weniger zentrale Beispiele. Abschließend werden die Museumsbauten von Gigon/Guyer in die Typenentwicklung eingeordnet.

Der erste Typ ist der umgenutzte Fabrik- oder Ingenieursbau. Hierzu werden Nutzbauten für Ausstellungszwecke umgebaut. Die Einzelformen der umgestalteten Fabriken können sehr unterschiedlich sein, je nach Entstehungszeit, Größe und Gattung der ehemaligen Produktionsstätte.837 Der zweite Typ ist der Museums- bzw. Ausstellungsneubau, der am Außenbau und in den Innenräumen Motive zeigt, die der Industriearchitektur entlehnt sind. Typische Merkmale der Industriearchitektur sind kostengünstige Materialien, die Sichtbarkeit und optische Dominanz der Konstruktion bzw. das „krasse Nebeneinander“838 von verschiedensten Elementen in der Konstruktion und der Materialwahl unter dem alleinigen Gesichtspunkt der

834 Newhouse 1998, 110ff. 835 Newhouse 1998, 110. 836 Newhouse 1998, 110. 837 Literatur zur Entwicklung des Fabrikbaus und seiner Umnutzung: Wolfgang Müller-Wiener: Fabrikbau, in: RDK 6 (1973) 847-880; Nikolaus Pevsner: A History of Building Types, London 1976, 273-288; Kurt Ackermann: Industriebau (Kat. Ausstellung des Instituts für Entwerfen und Konstruieren, Universität Stuttgart), Stuttgart 1984; Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen: Umnutzung von Fabriken – Übersicht und Beispiele (Schriftenreihe Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen – Stadtentwicklung – Städtebau 2.047), Dortmund 1984; Mohn 2006, 138-142. 838 Bernhard Tokarz: Industriebau – Eine Entwurfsaufgabe für Ingenieure, in: Kurt Ackermann (Hrsg.): Industriebau (Kat. Ausstellung des Instituts für Entwerfen und Konstruieren, Universität Stuttgart), Stuttgart 1984, 118-121, 120. 122

Zweckmäßigkeit, der „Geräte-Charakter“839 der Gebäude durch offen liegende Installationstechnik, große Spannweiten von Dach- und Deckenkonstruktion und das Bemühen um die natürliche Belichtung möglichst großer Flächen sowie eine darauf ausgerichtete Tragwerkskonstruktion.840 Die Entwicklung der "Industriearchitektur-Museen" beginnt mit der Umnutzung von Fabrik- oder anderen Nutzbauten. Nach Montaner und Newhouse hat dieses Phänomen seinen Ursprung in den 60er und 70er Jahre.841 Amerikanische und europäische Künstler realisierten vermehrt "alternative" Kunstformen wie Happenings oder großformatige Installationen an spezifischen Orten, wofür leerstehende Fabriken oder ungenutzte „Räumlichkeiten außerhalb der Museen“842 favorisiert wurden.843 Ein prominentes Beispiel eines Künstlers, der umgenutzte Altbauten zur Ausstellung seiner Werke und seiner Privatsammlung wählte, ist Donald Judd. Judd begann 1972, Flugzeughangars und Militärlagerhallen in der texanischen Kleinstadt Marfa/Texas aufzukaufen und zur Ausstellung seiner Sammlung umzubauen.844 Frühe institutionalisierte umgenutzte Ausstellungsräume entstanden in den USA durch das 1972 von Alanna Heiss ins Leben gerufene „Institute for Art and Urban Resources“.845 So entstand die von Alanna Heiss konzipierte Ausstellungsinstitution P.S. 1 (1976) in Long Island City/Queens/New York in einem alten Schulgebäude.846 Aufmerksamkeit erhielt der von Frederik Fish umgestaltete Bau in der Fachwelt vor allem durch seine im Originalzustand belassenen Schulräume, welche die Vergangenheit des Baus sichtbar belassen und damit

839 Tokarz 1984, 120. 840 Diese „fünf Elemente des Industriebaus“ sind von Bernhard Tokarz entlehnt. Im Verlauf des Kapitels wird gezeigt werden, dass alle Merkmale in abgewandelter Form an den industriearchitektur-nahen Museen zu finden sind. Tokarz 1984, 120. 841 Montaner 1995, 89; Newhouse 1998, 109. 842 Newhouse 1998, 109. 843 Als Beispiel für solche frühen „alternativen Räume“ nenntVictoria Newhouse die von der amerikanischen Organisation zur Kulturförderung „National Endowment for the Arts“ ins Leben gerufene Initiative „Space for Artists“, die kombinierte Arbeits-, Ausstellungs- und Lebensräume für Künstler gründete wie beispielsweise das Atelier- und Galerieloft (1971) des Künstlers Jeffrey Lew in der 112 Greene Street in New York; Newhouse 1998, 109. Weiterführende Literatur: Phil Patton: Other Voices Other Rooms – The Rise of the Alternative Space, in: Art in America 7/8 (1977) 80-87, 80f.; Mark Bauerlein: National Endowment for the Arts – A History 1965-2008, Washington 2009. 844 Rudi Fuchs: Das ideale Museum – Eine Kunst-Siedlung in der texanischen Wüste, in: Peter Noever/Donald Judd (Hrsg.): Donald Judd – Architektur (Kat. Museum für angewandte Kunst Wien), Stuttgart 1991, 66-70, 66; Marianne Stockebrand: Donald Judd – Architektur, Ostfildern 1992, 13; Newhouse 1998, 113-118. 845 Heute „The Institute for Contemporary Art“, welches gegründet wurde mit der „mission of transforming abandoned and under-utilized New York City buildings into exhibition, performance and studio spaces for contemporary artists whose work was disregarded by the City's museum establishment“. Patton 1977, 80,83ff.; Internetseiten www.ps1.org und www.wikipedia.org/wiki/P.S._1_Contemporary_Art_Center [Stand 3. März 2013]. 846Die Abkürzung P.S. 1 bezieht sich auf die Ursprungsfunktion des Gebäudes als „Public School“ sowie seine neue Bestimmung als „Project Studios“. Patton 1977, 83ff.; Frank F. Drewes: P.S. 1 – Museum für zeitgenössische Kunst in New York City, in: Deutsche Bauzeitschrift 6 (1997) 41-46; Newhouse 1998, 109. 123

„Distanz zum elitären Ausdruck vieler Museen und Kunstinstitute“847 schaffen sollten. Zwar ist das P.S. 1 keine ehemalige Fabrik, dennoch ist es ein wegweisendes Beispiel für die Umnutzung leerstehender urbaner Großbauten. In Europa folgten wenig später erste in Industrie- und anderen Altbauten eingerichtete Museen. 1978 wurde das Musée d`Art Contemporain (CAPC) (Denis Valode, Jean Pistre) in einer Lagerhalle im Hafenbezirk von Bordeaux/Gironde eröffnet.848 Zur gleichen Zeit entstand ein erster Referenzbau in der Schweiz, das Museum für Gegenwartskunst (1978-80, Wilfrid und Katharina Steib, Basel).849 Ein wichtiges Exempel für die Umgestaltung eines Ingenieurbaus in ein Museum ist das Bahnhofsgebäude des Musée d`Orsay (Architektengruppe „ACT“, Gaë Aulenti, Paris). Bereits 1979 entschloss man sich, den Bahnhof (1898-1900, Victor Laloux) in ein Museum des 19. Jh.s umzuwandeln.850 Nach einem längeren Wettbewerbsprozedere und Umplanungen konnte der Umbau 1986 eingeweiht werden.851 Weitere Meilensteine alternativer Ausstellungsräume sind die 1982 eröffnete Galerie Storefront (ab 1982, architektonische Gestaltung durch Vito Acconi und Steven Holl 1994, New York) und die Temporary Contemporary (1983, Los Angeles/Kalifornien) (s. Kapitel B. III. 2.), ein für die Dauer der Olympischen Spiele 1984 von Frank Gehry in einer Fabrikhalle eingerichtetes Museumsprovisorium.852 In Europa eröffneten 1984 die Hallen für Neue Kunst (Urs Raussmüller) in Schaffhausen.853 Ein ebenfalls typischer Bau entstand ein Jahr später in Grenoble/Rhône-Alpes, wo ein von

847 Drewes 1997, 44. 848 Montaner 1995, 88; A.A.: Museum für Moderne Kunst Bordeaux, in : Baumeister 6 (1991) 42-47 [A.A. 19911]. 849 Das Museum für Gegenwartskunst Basel wurde in einer ehemaligen Papierfabrik eingerichtet. Durch einen Erweiterungsbau und eine hochwertige Inenausstattung wurde es seinem neuen Zweck angepasst. Es gehört zu der Gruppe der umgenutzten Museumsbauten, die ihren ehemaligen Industriecharakter im Inneren zugunsten einer gediegenden, musealen Atmosphäre aufgegeben haben. Steib 1986, 167-187, 167; Centre PasquArt Biel 1994, 48-49; Naredi-Rainer 2004, 61. 850 Jean Jenger: Orsay – de la gare au musée – Histoire d`un grand projet, Paris 1986, 25, 66f., 75-120, 134ff.; Josep Maria Montaner/Jordi Oliveras: Die Museumsbauten der neuen Generation – The Museums of the last Generation, Stuttgart 1987, 136-139; Josep Maria Montaner: Neue Museen – Räume für Kunst und Kultur, Stuttgart 1990, 64-71; Heinfried Wischermann: Architekturführer Paris, Stuttgart 1997, 109, 135; Béatrice de Andia: Les Musées parisiens – Histoire – Architecture et Décor, Paris 2004, 126-131. Simon Texier: Paris Contemporain – de Haussmann à nos jour – une capital à l`ère des métropoles, Paris 2005, 197. 851 Montaner 1990, 65; Wischermann 1997, 135. 852 Literatur zur Galerie Storefront: Montaner 1995, 89; Newhouse 1998, 109; Edelbert Köb: Storefront – Acconci – Holl (Kunsthaus Bregenz Werkdokumente), Ostfildern/Ruit 2000, 34ff., 65; Literatur zum „Temporary Contemporary“: A.A.: Museum im Lagerhaus – „The Temporary Contemporary“ in Los Angeles, in: Baumeister 8 (1984) 43-47, 43 [A.A. 19843]; A.A.: Monument oder Schuppen? – Museum of Contemporary Art – Los Angeles, in: Deutsche Bauzeitung 9 (1984) 34f. [A.A. 19842]; Montaner 1990, 106-109, 106. 853 Die Hallen für Neue Kunst entstanden in einer ausgedienten Textilfabrik, die durch den Züricher Künstler Urs Raussmüller in ein roh belassenes Industriehallen-Museum mit hoher Raum- und Belichtungsqualität umgebaut wurde. A.A.: Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen, in: Baumeister 8 (1984) 48-53, 49 [A.A. 19841]; Max Freivogel: Die Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen – Ein Modell für die Nutzung des Unvorhersehbaren, in: Kunst und Kirche 4 (1985) 259-261, 260; Urs Raussmüller: Kein Museum – Die Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen, in: Bauwelt 39 (2004) 20-23, 21. 124

Gustave Eiffel konstruiertes Stahl-Walzwerk in das Zentrum für Gegenwartskunst „Le Magasin“ (1985-86, Patrick Bouchain) umgewandelt wurde.854 Eine weitere in den 80er Jahren entstandene umgenutzte Industrieanlage ist die Saatchi Collection (1985, Max Gordon, London).855 In den 90er Jahren folgten zahlreiche weitere Beispiele in Europa und den USA.856 Für Resonanz in der Fachwelt sorgte vor allem die Umwandlung einer Munitionsfabrik in Karlsruhe in das Zentrum für Medientechnologie (1997) durch Peter P. Schweger + Partner.857 Zu einer regelrechten Ikone seines Typs wurde das von Herzog & de Meuron umgewandelte Kraftwerk der Tate Modern (1997-2000, London).858 Weitere Beispiele sind der ehemalige Getreidespeicher Museum Kuppersmühle (1999, Herzog & de Meuron) in Duisburg und das ehemalige Umspannungswerk Haus Konstruktiv (2001, Meier + Steinauer und Partner) in Zürich, das in einer ehemaligen Heftklammerfabrik untergebrachte Provisorium des Museum of Modern Art Queens (MoMA QNS) in Queens/New York (2000-02, Michael Maltzan und Cooper, Robertson & Partners) sowie das an Donald Judds Konzept in Marfa angelehnte Dia:Beacon (1999-2003, Beacon/New York, Robert Irwin mit Open Office Architects).859

Der Erfolg der zu Ausstellungszwecken umgenutzten Industriebauten hat zum Entstehen eines neuen Typs geführt: dem Museumsneubau, der sich motivisch an

854 Montaner 1990, 184-187; Brandt 1994, 69; Montaner 1995, 88; A.A.: Wiedereröffnung von Le Magasin, in: Kunstbulletin 4 (2006) 71f. 855 Literatur zur Saatchi Collection: Roald Nasgaard: The Saatchi Collection, in: The International Journal of Museum Management and Curatorship 4 (1985) 395-400, 395; Newhouse 1998, 34-35, 35. 856 Der Schöpfer des Umbaus von „Le Magasin“ in Grenoble Patrick Bouchain erhielt 1996 den weiteren Auftrag, das ehemalige Werk des Keksfabrikanten LU in Nantes in einen Lieu Unique für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst umzugestalten. Jean-Yves Petiteau: LU – Lieu Unique – Das Kulturzentrum in der Keksfabrik, in: Bauwelt 39 (2000) 28-35, 28; Internetseite http://www.lelieuunique.com/english_presentation.php [Stand 3. März 2013]. 857 Heinrich Klotz: Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, Karlsruhe 19952 (1. Aufl. 1992); Uwe Hinkfoth: Erster Weltkrieg und Zweite Moderne – In einer alten Munitionsfabrik – Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, in: Bauwelt 46 (1997) 2576-2582, 2577; Karin Leydecker: Das ZKM in Karlsruhe – Schweger + Partner, in: Baumeister 11 (1997) 54-57, 54f.; Naredi-Rainer 2004, 224f. 858 Hubertus Adam: Kunst statt Elektrizität, in: Bauwelt 40/41 (1998) 2286-2289 [Adam 19981]; Gerhard Mack: Kunstmuseen – Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, Basel 1999, 46-51 [Mack 19992]; Wolfgang Bachmann: Tate Gallery of Modern Art in London – Herzog & de Meuron, in: Baumeister 6 (2000) 21-33; Naredi-Rainer 2004, 226; Rowan Moore/ Raymund Ryan: Building Tate Modern – Herzog & de Meuron transforming Giles Gilbert Scott, London 2000; Zeiger 2006, 84-89. 859 Literatur zur Sammlung Grothe in der Kuppersmühle: A.A.: Industrial Icon, in: Architectural Review 6 (1999) 66-69; Gudrun Escher: Außen Gebrüder Kiefer – Innen Herzog & de Meuron, in: Bauwelt 17 (1999) 892- 893; Klaus Englert: Wem gehört die Schauseite? – Erweiterung des Museums Kuppersmühle, in: Bauwelt 48 (2008) 4; Internetseite www.museum-kueppersmuehle.de/index.php?id=14&L=0 [Stand 3. März 2013]. Literatur zum Haus Konstruktiv: Hendrik Tieben: Haus Konstruktiv Zürich, in: Bauwelt 42/43 (2001) 5; Literatur zum MoMA QNS: Zeiger 2006, 54-59, 56; Desmoulins 2005, 23. Literatur zu Dia:Beacon: Gisela Baurmann: Dia:Beacon – Kunsthallen am Hudson River, in: Bauwelt 39 (2004) 28-33, 28; Zeiger 2006, 90-95, 91; Stefania Suma: Musées 2 – Architectures 2000-2007, Mailand 2007, 151-157. 125

Industriearchitektur anlehnt. Der funktionale Charakter der Fabriken und Lagerhallen wird in den ʺIndustriearchitektur-Museenʺ durch Motive und Materialien, die typisch für die Industriearchitektur sind, erzeugt. Die Neubauten knüpfen so an die Entwicklungslinie der alternativen Räume an und rücken von der Architektur des klassischen bürgerlichen Museums ab. Victoria Newhouse sieht den Typ in kleineren und kostengünstig erstellten Museumshäusern der 90er Jahre realisiert, an denen vorgefertigte Teile verbaut wurden und deren Galerieräume an „renovierte Industriebauten“860 erinnern. Den Museumsbau, an dem zuerst Motive der Industriearchitektur als zentrale Gestaltungsmittel eingesetzt wurden, führt Newhouse nicht auf: das Centre Pompidou (1972-77) in Paris. Diese "Museumsmaschine" von Renzo Piano und Richard Rogers kann als Referenzbau der Museen mit Industriearchitekturcharakter gelten.861 Nach Montaner zeigt das Centre Pompidou „offensichtliche Bezüge zur industriellen Architektur, [...] sowohl in der Anlehnung an die Typologie mehrstöckiger Fabrikbauten als auch in dem an Ölraffinerien erinnernden formalen Ausdruck“.862 Prägende Motive sind die offenliegende stählerne Konstruktion, die am Außenbau und im Inneren sichtbaren, ihrer Funktion entsprechend in verschiedenen Farben gestrichenen Versorgungssysteme sowie die zu einem Sinnbild für Transparenz, Mobilität und freier Zugänglichkeit einer Kulturinstitution gewordene Rolltreppe der Hauptfassade.863 Der nächste an Ingenieursbaukunst angelehnte Museumsneubau entstand 1974 bis 77 mit dem Sainsbury Centre for the Visual Arts in Norwich/Norfolk von Norman Foster, dessen Gesamterscheinung ähnlich wie beim Centre Pompidou wesentlich durch das teils offen, teils durch Platten verkleidete Tragwerk geprägt ist.864 Renzo Piano verwendete den Typ des "Industriebau-Museums" ebenfalls für die Menil Collection (1981-87) in Houston/Texas.865 Die lagerhallenartige Galerie wird von einer offenen metallenen Dachkonstruktion überfangen. Die Innenausstattung der Säle rückt vom Industriecharakter ab. Im Inneren zeigt sich der Bau als zurückhaltend gestalteter weißer Galerieraum mit dunklem Parkettfußboden.

860 Newhouse 1998, 110. 861 Alexander Fils: Das Centre Pompidou in Paris – Idee – Baugeschichte – Funktion, München 1980; Montaner/Oliveras 1987, 32-35; Naredi-Rainer 2004, 27, 38, 40, 174-177. 862 Montaner/Oliveras 1987, 34. 863 Naredi-Rainer 2004, 38. 864 Montaner/Oliveras 1987, 50-53; Giles Waterfield: Palaces of Art – Art Galleries in Britain 1790-1990 (Kat. Dulwich Picture Gallery London) London 1991, 174, 183; Friedrich Grimm: Form folgt Funktion – Die Entwicklung der Fassade im Zusammenhang mit Gestalt, Funktion und Konstruktion, in: Deutsche Bauzeitung 11 (2000) 106-114, 112; Naredi-Rainer 2004, 27. 865 Montaner 1990, 110-117, 111, 116f.; Sabine Schneider: Trügerische Transparenz, in: Baumeister 11 (1992) 40-45; Mack 19992, 18; Naredi-Rainer 2004, 57; Desmoulins 2005, 42. 126

Den nächsten Schlüsselbau nach dem Centre Pompidou schuf Rem Koolhaas mit der Kunsthal Rotterdam (1987-1992, in Zusammenarbeit mit Fuminori Hoshino).866 Der „betont nüchterne“867 Bau erhält seinen Industriecharakter durch die Vielfalt der vorgefertigten gewöhnlichen Materialien, die zur Schau gestellte Konstruktion aus verschiedenfarbigen Doppel-T-Trägern und die Betonung der Rampen. Die Transparenz der Fassade, der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Texturen und Farben von Sichtbeton, Profilitgläsern, Metallgittern und Kunststoff sowie die Beleuchtung durch Neonröhren erwecken den Eindruck eines flexiblen zeitgenössischen Kunstcontainers. Mit der temporären Kunst- und Veranstaltungshalle am Karlsplatz (1991-92, Adolf Krischanitz) in Wien kommen wir zu einer Gebäudeart, die den Typ des "Industriebau- Museums" besonders gehäuft verwirklichte.868 Die "Kunstkiste" führte aufgrund ihrer Industriegestalt zu kontroversen Diskussionen, die der Architekt mit dem Ausspruch kommentierte, man könne „überhaupt nichts Klasses [sic] mehr bauen“869. Einen vor allem im Inneren klar an Industriehallen angelehnten Museumsneubau errichteten Charles Gwathmey & Robert Siegel mit dem Museum of Contemporary Art in Miami (1996).870 Der Bau zeigt sich durch vereinzelte klassische Motive wie die Säulenportikus des Haupteingangs nach außen hin als öffentliches Gebäude. Im Inneren knüpft das Museum an Fabrikarchitektur an. Die Ausstellungssäle sind weite, nur durch mobile Stellwände unterteilte Hallen mit offener Dachkonstruktion aus dunkelgrau gestrichenem Stahl. Ein ungewöhnliches Konzept wählten die Brüsseler Architekten von 51N4E für die Erweiterung des Groeningemuseums in Brügge (2002-2003).871 Im Gartenhof, zwischen dem 1929 errichteten Altbau und einer ab 1994 zum Museum gehörenden Kapelle, errichteten sie einen blockartigen Erweiterungsbau. Der Außenbau bietet in seiner Schlichtheit keine Anhaltspunkte für eine Zuordnung zu den Industriebau-Museen. In der Innenausstattung finden sich jedoch motivische Parallelen. Der Boden der Ausstellungsräume ist mit

866 Paetz 1994, 419-425; Montaner 1995, 100-105, 100, 101, 104; Newhouse 1998, 232-234; Luca Basso Peressut: Musées – architectures 1990-2000, Mailand 1999, 67; Naredi-Rainer 2004, 34, 36, 40, 162-163. 867 Naredi-Rainer 2004, 162. 868 Dieter Klein: Highlight der Stadtbaukunst – Der neue Wiener Karlsplatz, in: Baumeister 5 (1992) 5; Adolf Krischanitz: Kunst- und Veranstaltungshalle Karlsplatz – Baubeschreibung eines temporären Gebäudes, in: August Sarnitz (Hrsg.): Museums-Positionen – Bauten und Projekte in Österreich, Salzburg 1992, 86-97, 86f., 91; Wolfgang Tröger: Kunsthalle Karlsplatz Wien 1991-92, in: Werk, Bauen + Wohnen 6 (1992) 36-39; Internetseite www.kunsthallewien.at/cgi-bin/page.pl?id=1003&lang=de [Stand 3. März 2013]. 869 Klein 1992, 5. 870 Newhouse 1998 110ff., 112; Internetseite www.mocanomi.org [Stand 3. März 2013]. 871 Hinter dem Namen des Architekturbüros 51N4E verbergen sich die Architekten Johan Anrys, Freek Persyn und Peter Swinnen. Alexa Bodammer: Die Überhöhung des Publikums – Umbau des Groeninge-Museums in Brügge, in: Bauwelt 39 (2004) 24-27, 25, 26, 27; Internetseiten www.51n4e.com und www.51n4e.com/project/groeningemuseum# [Stand 3. März 2013]. 127 kleinteiligen weißen Kacheln belegt, die an Kühlräume erinnern. Das Eingangsfoyer und die einzelnen Ausstellungsräume werden durch aluminiumdurchwirkte Kunststoffvorhänge (Foyer) oder durch durchsichtige Plastikstreifenvorhänge (Ausstellungsräume) abgetrennt, wie man sie aus Kühlhäusern oder Supermarktlagern kennt. Am Schluss des Rundgangs folgen in Raumkompartimenten untergebrachte Hängegitter, an denen ein Teil der, aufgrund der Platznot, nicht ausstellbaren Sammlung des Museums wie in einem Depot zu sehen ist. Das Materialkonzept des Groeningemuseums weist eine deutliche Nähe zur Erweiterung in Winterthur auf. Beide Bauten verwenden seriell gefertigte Teile aus industriellem Kontext, wobei die "minderwertigen" Materialien nicht veredelt, sondern funktionsbestimmt und ohne qualitative Aufwertung eingesetzt werden. Das Zentrum Paul Klee in Bern (2002-2005) von Renzo Piano ist ein Museum, welches durch seine den Gesamteindruck dominierende Stahlkonstruktion in die Reihe der Industriebau-Museen eingeordnet werden kann [Abb. 246].872 Die an Flugzeughangars erinnernde Bauweise rückt den Bau deutlich ab vom klassisch geprägten Museum, wie es Renzo Piano beispielsweise in der Fondation Beyeler in Riehen verwirklicht hat. Im Inneren gleicht die durch die Länge des Gebäudes führende Passage eher einer Flaniermeile und erzeugt eine rastlose Atmosshäre. Ein in seinen Ausmaßen kleinerer und damit eher an die Erweiterungen des Kunstmuseums Winterthur und des Groeningemuseums anknüpfender Neubau stellt das Mesquite Heritage Museum and Art Center (2003) in Mesquite/Nevada von AssemblageSTUDIO dar.873 Die Museumsanlage besteht aus verschiedenen Kleinbauten aus präfabrizierten Materialien, die Assoziationen an die regionale Landwirtschaft wecken sollen. Neben einer Wellblechlagerhalle ist auch ein aus dem Umland transloziertes Getreidesilo auf dem Gelände zu finden. Die Genese der "Industriebau-Museen" konnte in der oben aufgestellten Entwicklungslinie klar aufgezeigt werden. Der Ursprung liegt in der Umnutzung von leerstehenden urbanen Gebäuden für Kunstausstellungen der Avantgarde in New York zu Beginn der 70er Jahre. In der Nachfolge entdeckten renommierte Institutionen den industriellen Kontext für die Präsentation ihrer Sammlungen. Mit dem CAPC in Bordeaux, dem Museum für Gegenwartskunst in Basel, dem Musée d`Orsay in Paris, den Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen und „Le Magasin“ in Grenoble entstanden die ersten etablierten

872 A.A.: Piano entwirft Paul-Klee-Zentrum, in: Bauwelt 5 (2000) 2 [A.A. 20008]; Alois Diethelm: Zentrum Paul Klee in Bern – Renzo Piano Building Workshop, in: Bauwelt 1 (2005) 38-47, 40; Christian Brensing: Berge und Täler – Konstruktion des Zentrums Paul Klee, in: Bauwelt 32 (2005) 20-25, 22f. 873 Zeiger 2006, 142-147, 144, 146; Internetseite www.archrecord.construction.com/projects/bts/archives/ Museums/0401_mesquite/overview.asp [Stand 3. März 2013]. 128

Museen in umgenutzten Industriestätten bzw. Ingenieurbauten in Frankreich und der Schweiz. Im Verlauf der 80er und 90er Jahre folgten immer mehr umgenutzte "Kunstfabriken". Beachtung fanden vor allem das ZKM in Karlsruhe und der in seinen Dimensionen spektakuläre Umbau der Tate Modern/London kurz vor der Jahrtausendwende durch Herzog & de Meuron, die zur Popularität der Altbauten beitrug. Wie Victoria Newhouse bereits bemerkte, entstand neben den umgenutzten Altbauten ein Folgetyp: die Museumsneubauten mit Industriecharakter. Der Ursprungsbau dieser Kategorie, das Centre Pompidou, entstand parallel mit den umgenutzten Fabriken in der Mitte der 70er Jahre. Weitere Museen, die ihre kostengünstige Materialwahl sowohl am Außen- als auch am Innenbau nicht verschleierten, folgten erst nach der Kunsthal Rotterdam Ende der 80er Jahre. Vor dem Hintergrund der hier aufgezeigten Entwicklung wird deutlich, dass die Museumsbauten von Gigon/Guyer repräsentative Beispiele eines zentralen Typs der zeitgenössischen Museumsarchitektur sind. Die Nähe zum hier untersuchten Typ der Industriebau-Museen wird bei Gigon/Guyer primär durch Motive am Außenbau hergestellt. Die Verwendung seriell gefertigter Komponenten und gewöhnlicher Materialien sind dabei die wesentlichen Charakteristika. Unter den Museumsbauten von Gigon/Guyer ist der Erweiterungsbau in Winterthur ein besonders gutes Beispiel für einen aus vorgefertigten Teilen erbauten, kostengünstigen Neubau, der seine Reminiszenzen an Fabrikarchitektur zur Schau stellt. Aber auch das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, und der Museumspark in Kalkriese zeigen Motive der Industriearchitektur, welche die Bauten als zeitgemäße Interpretationen der Institution Museum erscheinen lassen. Deutlich seltener als bei vielen der oben aufgeführten Vorbildbauten sind bei Gigon/Guyer Industriemotive im Innenbau. Ähnlich wie bei dem frühen Beispiel der Architekten Steib, dem Museum für Gegenwartskunst in Basel, verzichteten Gigon/Guyer auf direkte Industrie-Reminiszenzen in den Ausstellungsräumen zugunsten einer bestmöglichen musealen Präsentation der Werke. Nur die raumprägende Belichtungsform der Sheds und die Schwerlastenböden aus Ortbeton sind der Fabrikarchitektur entlehnt. Offene Dachkonstruktionen in den Ausstellungsräumen wie bei einigen der Beispielbauten kommen nicht vor.

2. Der monolithische Museumsbau

Die Beschreibung der Bauten im Teil A der vorliegenden Arbeit hat gezeigt, dass alle Museumsbauten von Gigon/Guyer in unterschiedlich starker Ausprägung den Eindruck eines 129 monolithischen Baukörpers erwecken. Das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, kann am ehesten als Beispiel dieser Tendenz gelten. Sein Außenbau erscheint als einheitliche Gebäudehülle, die keine tektonischen Motive aufweist [Abb. 106, 107]. Eine klassische Unterteilung in Sockel, Fassade und Dach ist nicht mehr vorhanden, und auch die architektonischen Grundprinzipien des Stützens und Tragens werden nicht visualisiert. Verstärkt wird dieser Eindruck von einer homogenen Materialität und den Anschein, der Baukörper habe ein konzentriertes, verdichtetes Volumen. In der Literatur wurde der Begriff der "monolithischen Architektur" bzw. die Beschreibung "monolithisch" mehrfach auf die Bauten von Gigon/Guyer angewandt. Die Bezeichnung wurde vor allem im Zusammenhang mit dem Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, gebraucht, tauchte aber auch in den Besprechungen des Oeuvres der beiden Architekten immer wieder auf. Hubertus Adam verwendete den Begriff 1998 als Erster für ein Werk von Gigon/Guyer. In einem Artikel zum Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, beschrieb er den Bau als „monolithische Skulptur“874, ohne jedoch weiter auszuführen, welche Merkmale er dieser Beschreibung zuordnet. Im selben Jahr benannte Martin Steinmann die gestalterische Zielsetzung der Architekten beim Entwurf des Museums Liner als „aspire to produce whole structures of [...] simplicity. [...] the forces that inhabit an object seek to order themselves in the simplest pattern possible under the given circumstances“875. Er betonte, dass „simplicity“ nicht ausschließlich Primärformen umfasse, sondern auch Baukörper mit einem „simple pattern of forces“876 einschließe. Zudem lasse die einheitliche Verkleidung der Außenhaut den Bau als „one shape or rather as a whole shape“877 erscheinen. Arthur Rüegg machte 1998 als erster Autor auf die Gegensätzlichkeit zwischen „Monolithischem“ und „Tektonischem“ aufmerksam.878 Er arbeitete heraus, dass die Bauten nicht vollständig monolithisch erscheinen, sondern im Spannungsfeld zwischen einem „abstrakt – monolithisch – skulpturalem“ und einem „strukturell – tektonisch geordnetem“ 879 Bauen anzusiedeln seien und „vom Gedanken einer Synthese von teils gegenläufigen Parametern getragen“880 würden. Er spannte mit dieser Aussage den Bogen vom deutlich monolithischen Bau des Museums Liner zum Kirchner Museum in Davos, welches eine

874 Adam 19982, 32. 875 Steinmann 19981, 48-49. 876 Steinmann 19981, 48-49. 877 Steinmann 19981, 48-49. 878 Rüegg 19981, 7f. Der Einführungsartikel der Seminarpublikation erschien ein Jahr später ebenfalls in der japanischen Fachzeitschrift „Architecture & Urbanism“. Arthur Rüegg: Window – Facade, in: A & U – Architecture & Urbanism 348 (1999) 11. 879 Rüegg 19981, 8f. 880 Rüegg 19981, 9. 130 klassische Dreiteilung seiner Fassaden aufweist. Zwei Jahre später nahm Hubertus Adam in seinem Interview mit Annette Gigon und Mike Guyer die Position von Arthur Rüegg wieder auf.881 In seinem Interview folgt er seinem Vorgänger in der Ansicht, "monolithische Bauten" würden dem tektonischen Prinzip entgegenstehen. Er weist darauf hin, dass bei vielen Werken von Gigon/Guyer eine Aufteilung in Basis, Fassade und Dach festzustellen sei. Diese klassisch tektonische Ordnung werde jedoch durch die Verwendung einheitlicher Materialien aufgeweicht und führe zu einem „plastic-sculptural character“882. Im weiteren Verlauf des Interviews stellte Wilfried Wang heraus, der „monolithische Effekt“ entstehe durch das „All- Over“, die oben bereits beschriebene einheitliche Materialverwendung.883 Mike Guyer bestätigte im Interview die Aussage, dass das „All-Over“ und die reduzierte Materialpalette den Baukörper vereinheitliche, verdichte und zur Abstraktion führe.884 Ein weiteres Merkmal "monolithischer Architektur" erkannte Christoph Bürkle im Jahr 2000 am Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner. Er charakterisierte den Bau als „selbstreferenziellen Körper, der keine inhaltlichen konnotativen Bezüge thematisiert“885. Im Jahr 2002 wurde auch das Museumsgebäude des Museumsparks Kalkriese aufgrund seiner einheitlichen Gebäudehülle aus wetterfestem Baustahl als "monolithisch" charakterisiert.886 Die Überschau über die Aussagen verschiedener Autoren zeigt, dass die Gigon/Guyer- Museen, allen voran das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, häufig als ʺmonolithischeʺ Architektur charakterisiert werden. Der Begriff des ʺMonolithischenʺ wird jedoch von keinem Autor klar definiert. Auch in der Fachliteratur ist keine Erklärung für diesen Terminus zu finden. Wie die oben aufgeführten Aussagen zeigen, ordnet man ʺmonolithischen Bautenʺ unterschiedliche Merkmale zu, und so gibt es eine verwirrende Vielfalt an Beschreibungen. In der Literatur fehlt zudem eine Diskussion, ob "monolithische Architektur" als Bautyp anzusehen sei oder als stilistische Kategorie.887 Wie es für Termini der zeitgenössischen Architektur üblich ist, fehlt eine architekturhistorische Untersuchung zur

881 Adam 2000, 12. 882 Adam 2000, 12. 883 Adam 2000, 21. 884 Adam 2000, 21. Eine ähnliche Aussage machte auch Steven Spier, als er den Baukörper des Kunstmuseums Appenzell, ehem. Museum Liner, als „stark verdichtetes Ganzes“ beschrieb. Spier 2003, 115. 885 Bürkle 20001, 107. 886 Wustlich 2002, 57. 887 Der ʺMonolithʺ kann zum einen als Bautyp verstanden werden, dem bestimmte formale Merkmale wie ein verdichteter Baukörper, ungegliederte Fassaden und eine einheitliche Gebäudehaut zuzuordnen sind. Zum anderen kann der ʺMonolithʺ als Stilbegriff dienen, der die Erscheinung eines Baus beschreibt (schwebend, stumm, transzendent o.ä.). Im Katalog „Monolithic Architecture“ wird der Begriff gemischt verwendet; im Katalog „Archiskulptur“ als Typ. Rodolfo Machado/Rodolphe El-Khoury: Monolithic Architecture (Kat. Carnegie Museum of Art Pittsburgh), München 1995; Philip Ursprung: Blur – Monolith – Blob – Box, in: Markus Brüderlin (Hrsg.): Archiskulptur – Dialoge zwischen Architektur und Plastik vom 18. Jahrhundert bis heute (Kat. Fondation Beyeler Riehen/Basel), Basel 2004, 42-47. 131

Genese des Typs. Daher wird zunächst der Begriff der "monolithischen Architektur" definiert, um die typimmanenten Merkmale klar zu benennen. Anschließend wird die architekturhistorische Entwicklung des "Monoliths" als Bautyp aufgezeigt, wobei das Hauptaugenmerk auf der Museumsbaukunst liegen soll. Abschließend wird diskutiert, ob die Museumsbauten von Gigon/Guyer dem Typ entsprechen. In den Brockhaus-Enzyklopädien aus den Jahren 1908 und 1971 wird der "Monolith" als „ein aus einem einzigen Stein gefertigtes Kunstwerk“ oder als ein „einzelner Steinblock, auch ein kunstvoll bearbeiteter Block“888 beschrieben. Hinweise auf eine Verwendung im architektonischen Zusammenhang fehlen in dieser Erklärung. Das „Lexikon der Kunst“ von 1992 leitet den Begriff aus den altgriechischen Wörtern für monos ʺein-ʺ und lithos ʺSteinʺ ab und umschreibt den "Monolith" als ein „aus einem einzigen Steinblock gefertigtes Architekturglied, z. B. [...] Pfeiler, Obelisk, Menhir“, das der „archaischen Bauabsicht“ entspräche, jeden Teil eines Bauwerks „als körperhaftes Ganzes wirken zu lassen“889. Im darauffolgenden Eintrag zum Adjektiv "monolithisch" wird die Definition sehr viel weiter gefasst und die Verbindung mit zeitgenössischer Architektur hergestellt: „Monolithisch nennt man einen Bau oder ein größeres Formstück aus einem Stein bzw. einen wie aus einem Stein geschaffen wirkenden Bau, z. B. [...] einen homogen errichteten Stahlbetonbau“890. Um den Aspekt der Größe erweitert das „Dictionnaire des termes d`art et d`archéologie“ von Jacques Girard die Begriffsbestimmung mit der Feststellung, der Terminus würde „surtout pour les ouvrages et sculptures de grandes dimensions“ verwendet.891 Die Suche nach einer Definition des Begriffs "Monolithische Architektur" blieb leider erfolglos. Selbst im Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Carnegie Museums of Art in Pittsburgh wird der Terminus nicht erklärt.892 Bei dieser schlechten Quellenlage muss eine eigene Definition der "Monolithischen Architektur" gefunden werden.

888 Stichwort „Monolith“, in: Brockhaus Enzyklopädie 11, Leipzig 190814, 995; Stichwort „Monolith“, in: Brockhaus Enzyklopädie 12, Wiesbaden 197117, 751. 889 A.A.: Monolith, in: Lexikon der Kunst 4 (1992) 820 [A.A. 19921]; A.A.: Monolithisch, in: Lexikon der Kunst 4 (1992) 820 [A.A. 19922]. 890 A.A. 19921, 820. 891 Jacques Girard: Dictionnaire des termes d`art et d`archéologie, Bonchamp-lès-Laval 20072, 498. 892 Rodolfo Machado/Rodolphe El-Khoury: Monolithic Architecture (Kat. Carnegie Museum of Art Pittsburgh), München 1995. Die fünf Beiträge des Katalogs beschränken sich auf Umschreibungen der visuellen Erscheinung der "Monolithischen Bauten". Die Aufsätze sind aufgrund ihrer stilanalytischen Herangehensweise für die hier unternommene typengeschichtliche Untersuchung wenig brauchbar: Rodolfo Machado/Rodolphe El- Khoury: Monolithic Architecture, in: Monolithic Architecture (Kat. Carnegie Museum of Art Pittsburgh), München 1995, 10-23; Paulette Singley: Moving solids, in: Monolithic Architecture (Kat. Carnegie Museum of Art Pittsburgh), München 1995, 24-35; Detlef Mertins: Open contours and other autonomies, in: Monolithic 132

Aus den oben aufgeführten Definitionen des "Monoliths" wird deutlich, dass es wahre Monolithe in der Architektur nicht geben kann. Gebäude sind immer Hohlformen zur Aufnahme von Räumen, und sie bestehen, wie die folgende Untersuchung zeigen wird, fast nie aus einem einzigen Werkstück. "Monolithische Architektur" kann somit nur ein umschreibender Begriff sein für Gebäude, die durch bestimmte Merkmale "monolithisch" erscheinen. Ausgangspunkte für eine Zuordnung eines Bauwerks zur "monolithischen Architektur" sind vor allem die Gestalt des Baukörpers, die Einheitlichkeit der Außenhaut sowie seine Größe. Ein "monolithischer" Bau ist ein wie aus einem Stück erscheinender, meist großer Baukörper von komprimierter, verdichteter Gestalt. Wesentlich ist eine einheitliche, homogen wirkende Gebäudehülle, welche die innere Aufteilung des Gebäudes verschleiert. Sie kann durch die Verwendung eines Materials bzw. einer Materialart in nur geringfügigen Bearbeitungs- oder Oberflächenabwandlungen oder durch eine einheitliche Farbigkeit erzeugt werden. Verstärkt wird der „All-Over“-Effekt durch die Aufhebung einer visuellen Abtrennung der einzelnen Gebäudeteile.893 Motive, welche den tektonischen Aufbau eines Gebäudes betonen, werden meist nicht verwandt oder tauchen nur in abgeschwächter Form auf. Beispiele für solche gemiedenen Motive sind Gebäudesockel, alle Gliederungen wie horizontale Gesimse o.ä., sichtbare oder gar betonte Fugen, Trauflinien und Regenrinnen sowie die Funktion der oberen Gebäudeabdeckung betonende Dachformen wie Satteldächer u.ä.. Typisch für den ʺMonolithʺ sind sockellos aus dem Untergrund aufsteigende Bauten, ungegliederte Fassadenflächen, kubische oder auf Primärformen zurückgehende Baukörper mit flachem Dach oder skulpturale freie Volumen, die gar nicht mehr an die klassische Kategorie des Daches denken lassen. Wie bereits bemerkt, fehlt eine Entwicklungsgeschichte der "Monolithischen Architektur". Im Folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, die Ursprünge der "monolithischen Architektur" zu bestimmen und ihre Herausbildung zu verfolgen. Die ersten Monolithe sind bereits in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte zu finden. Die in ihrer Funktion bis heute nicht eindeutig identifizierten Steine von Carnac/Morbihan (2. H. 3. Jhtsd. v. Chr.) sind von Menschenhand bearbeitete, aus einem Stein bestehende Großformen und damit echte "Monolithe".894 Eine erste architektonisch anmutende

Architecture (Kat. Carnegie Museum of Art Pittsburgh), München 1995, 36-61; Wilfried Wang: In search of aura, in: Monolithic Architecture (Kat. Carnegie Museum of Art Pittsburgh), München 1995, 62-71; Spiro N. Pollalis: Computed monoliths, in: Monolithic Architecture (Kat. Carnegie Museum of Art Pittsburgh), München 1995, 72-77. 893 Das Motiv des „All-Overʺ wird in Kapitel B. I. 9. a) untersucht. 894 Christoph Wetzel: Belser Stilgeschichte 1 – Altertum, Stuttgart 1999, 159; Jean-Pierre Mohen: Megalithkultur in Europa, Stuttgart 1989, 121f., 302, 308. 133

Verwendung von ʺMonolithenʺ kennen wir in Stonehenge (4. bis Ende 2. Jhtsd. v. Chr.).895 Als früher Ausdruck des menschlichen Strebens nach architektonischer Gestaltung und Monumentalität haben die archaischen Steinkreise das populäre Bild des "Monoliths" bis heute geprägt.896 Neben den frühen Megalithen können altägyptische Obelisken als weitere Beispiele monolithischer Monumente herangezogen werden. Beispiele sind die nach Europa überführten Obelisken, für die stellvertretend der Obelisk auf der Piazza S. Giovanni in Laterano (Auffstellung 1588, Entstehung unter Thutmosis III. 1479-1425 v. Chr.) in Rom genannt wird.897 Erste "architektonische Monolithe" findet man im Bereich der Felsarchitektur.898 Sowohl in altägyptischer als auch in frühchristlicher und mittelalterlicher Zeit entstanden in verschiedenen Regionen der Welt in Fels geschnittene Sakral- und Profanbauten. Die architektonisch gereiftesten Beispiele sind die Felsarchitekturen in Petra (umstrittene Datierungen von 1. H. 1. Jh. v. Chr. bis Mitte 2. Jh. n. Chr./Jordanien) und Lalibela/Äthiopien (Ende 12. /Anfang 13. Jh.).899 Das eindrucksvollste Exempel der vollrund aus gewachsenem Fels gehauenen Kirchen ist die Georgskirche.900 Bemerkenswert ist, dass diese Kirchen nicht etwa ungeschmückte Fassaden haben wie die modernen "monolithischen" Bauten, sondern auf allen vier Seiten eine zonierte Gliederung aus Pilastern und Bandgesimsen zeigen, die einen tektonisch gefügten Kirchenbau vortäuschen. Über das Mittelalter und die frühe Neuzeit hinweg sind keine Beispiele für "architektonische Monolithe" zu finden. Die Fassaden dieser Zeit sind tektonisch gefügte und durch Fassadenschmuck gegliederte Wände, die einen Rückschluss auf die Binnengliederung zulassen.901 Annähernd monolithisch erscheinende Bauten sind im Bereich der

895 Wetzel 1999, 160f. 896 Wetzel 1999, 159. Zur Deutung von Megalithmonumenten durch Volksglaube und Wissenschaft s.: Mohen 1989, 12-41. 897 Helmut Kastl: Der lateranensische Obelisk in Rom (Monumenta urbis Romae 1), Wiesbaden 1973, 25. 898 Mit dem Begriff des "architektonischen Monoliths" sollen tatsächlich monolithisch aus einem Stück bestehende Bauten gemeint sein. Dieser Definition entsprechend können "architektonische Monolithe" nur aus dem Fels geschlagene Höhlenbauten o.ä. sein. 899 Hans Helfritz: Äthiopien – Kunst im Verborgenen (DuMont Dokumente), Köln 1972, 199-230, 217; Georg Gerster: Kirchen im Fels – Entdeckungen in Äthiopien, Zürich 1972, 103ff.; Frank Rainer Scheck: Jordanien – Völker und Kulturen zwischen Jordan und Rotem Meer (DuMont Kunstreiseführer), Köln 1985, Titelbild, 370; Internetseite http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bet_Giyorgis_church_Lalibela_01.jpg [Stand 5. Oktober 2013]. 900 Helfritz 1972, 228f. 901 Vgl. Paul-Henry Boerlin/Erik Forssman/Ingrid Haug u.a.: Fassade, in: RDK 7 (1981) 536-690, 544ff., 550ff. Im Mittelalter sind nur wenige monolithische Werkstücke oder Spolien wie die Deckplatte des Mausoleums des Theoderich (um 526) in Ravenna zu finden. Wilhelm Jänecke: Die drei Streitfragen am Grabmal des Theoderichs (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften – Philosophisch-historische Klasse 1927/28), Heidelberg 1928, 19; Georg Kauffmann: Emilia-Romagna – Marken – Umbrien – Baudenkmäler und Museen (Reclams Kunstführer Italien 4), Stuttgart 1977, 54ff. 134

Festungsarchitektur zu finden wie beispielswese das Castel del Monte (um 1240-1250, Andria/Apulien).902 Einen wichtigen Entwicklungsschritt hin zur "monolithischen Architektur" vollzogen die Revolutionsarchitekten des ausgehenden 18. Jh.s.903 Ihre nie realisierten Entwürfe sind der Nachwelt nur als aquarellierten Zeichnungen erhalten. Sie zeigen aus einfachen Grundformen bestehende Bauten, oftmals ohne explizites Dach, mit fugenlos ungegliederten Fassadenflächen. Die Entwürfe bleiben den klassischen Prinzipien architektonischer Gliederung verhaftet. Ein Beispiel ist Antoine-Laurent-Thomas Vaudoyers Maison d`un cosmopolite (1784).904 Claude-Nicolas Ledoux entfernte sich zwanzig Jahre später noch radikaler von den klassischen Bautraditionen. Mit seinem Haus eines Feldhüters (1804) entwirft er ein Kugelgebäude ohne Sockel, das keine hervorgehobene Schauseite besitzt und dessen innere Aufteilung in drei Geschosse vollkommen abgelöst vom Außenbau erscheint. Dieser "monolithische Aufriss" verschafft dem Baukörper einen vorher nicht gekannten skulpturalen Eigenwert.905 Ledoux` Entwurf des Feldhüterhauses stellt die erste radikale Abkehr vom klassischen tektonischen Gebäudeaufbau und damit das früheste Beispiel "monolithischer Architektur" dar.906 Weitere Exempel, welche den klassischen Kanon in vergleichbarer Weise hinter sich ließen, fehlen bis ins 20. Jh. hinein.907 Als nächste Entwicklungsstufe "monolithischer

902 Heinz Götze: Castel del Monte – Gestalt und Symbol der Architektur Friedrichs II., München 19913 (1. Aufl. 1984), 80f.; Wulf Schirmer: Castel del Monte – Forschungsergebnisse der Jahre 1990 bis 1996 (Heidelberger Akademie der Wissenschaften – Forschungsstelle Archäologisch-baugeschichtliche Erforschung), Mainz 2000; Alick McLean: Romanische Architektur in Italien, in: Rolf Toman (Hrsg.): Romanik – Architektur – Skulptur – Malerei, Königswinter 2007, 74-117, 114. 903 Literatur zur Revolutionsarchitektur: Adolf Max Vogt: Boullées Newton-Denkmal – Sakralbau und Kugelidee (Geschichte und Theorie der Architektur 3), Basel 1969; Emil Kaufmann: Von Ledoux bis Le Corbusier – Ursprung und Entwicklung der Autonomen Architektur, Stuttgart 1985 (Erstaufl. 1933); Winfried Nerdinger: Revolutionsarchitektur – Ein Aspekt der europäischen Architektur um 1800 (Kat. Architekturmuseum Frankfurt), München 1990; Klaus Jan Phillipp: Revolutionsarchitektur – Klassische Beiträge zu einer unklassischen Architektur (Bauwelt Fundamente 82), Braunschweig 1990; Adolf Max Vogt: Russische Architektur und französische Revolutionsarchitektur 1917-1989 (Bauwelt Fundamente 92), Braunschweig 1990 (Erstaufl. Köln 1974); Susanne von Falkenhausen: Kugelbau Visionen – Kulturgeschichte einer Bauform von der Französischen Revolution bis zum Medienzeitalter, Bielefeld 2008. 904 Nerdinger 1990, 16. 905 Markus Brüderlin: Einführung – Archiskulptur, in: Archiskulptur – Dialoge zwischen Architektur und Plastik vom 18. Jahrhundert bis heute (Kat. Fondation Beyeler Riehen/Basel), Basel 2004, 15-25, 16; Werner Hofmann: Kubus und Uterus, in: Archiskulptur – Dialoge zwischen Architektur und Plastik vom 18. Jahrhundert bis heute (Kat. Fondation Beyeler Riehen/Basel), Basel 2004, 26-34, 29; Werner Sewing: Architecture – Sculpture, München 2004, 10ff., Falkenhausen 2008, 117. 906 Zur Genese des Kugelbaus und der Frage seiner ʺTektonikʺ sowie seiner Bedeutung für das „abstrakte Bauen“ s. Hans Sedlmayr: „Tektonisch ist, was die Erde als Basis anerkennt. [...] Die Kugel leugnet sie.“ Hans Sedlmayr: Die Kugel als Gebäude – oder: Das Bodenlose, in: Klaus Jan Philipp (Hrsg.): Revolutionsarchitektur – Klassische Beiträge zu einer unklassischen Architektur (Bauwelt Fundamente 82), Braunschweig 1990, 125- 154, 127, 128, 135ff. 907 Vgl. Sewing 2004, 15. 135

Architektur" können die Entwürfe der „Wegbereiter moderner Formgebung“908 Adolf Loos, Walter Gropius, Le Corbusier und Ludwig Mies van der Rohe gelten. Sie führten in der ersten Hälfte des 20. Jh. die kubische Baugestalt und die entkleideten Fassadenflächen der Moderne ein.909 Aus der großen Zahl möglicher Beispiele sollen Walter Gropius` Meisterhäuser (1925/26, Dessau) und Adolf Loos` Haus Müller (1928, Prag) aufgeführt werden.910 Festgehalten werden muss, dass die aufgeführten Bauten immer nur einzelne Motive der ʺmonolithischen Architektur“ aufweisen. Trotz ihrer ungegliederten Fassaden und vereinfachten Volumen besitzen sie zonierte Aufrisse, die Fensteröffnungen zeigen die Binnengliederung der Baukörper an, und horizontale Profile am Übergang zur Dachdeckung markieren ihren oberen Abschluss. Dies gilt auch für das Goetheanum II (1924-28) in Dornach/Solothurn von Rudolf Steiner, welches durch seine sowohl visuell als auch herstellungstechnisch einheitliche Materialität und seine „plastisch artikulierte Gesamtform“911 wesentliche Merkmale "monolithischer Architektur" erfüllt.912 In den 50er und 60er Jahren entwickelte sich die "monolithische Architektur" innerhalb der Sakralarchitektur weiter. Es kann vermutet werden, dass die Entwicklung des Bautyps gerade bei Sakralbauten voranschritt, da die erhabene Aura des ʺMonolithsʺ der Stimmung von Kirchenbauten entspricht. Den Anfang machte Rudolf Schwarz mit seiner auf die Grundform des Langschiffs reduzierten Kirche St. Anna (1951-56) in Düren.913 Ihre geschlossen aufsteigenden Fassaden weisen keinerlei Gliederung oder Öffnungen auf und werden nur durch die Andeutung eines Satteldachs bekrönt. 1957-63 folgte die Kaiser-

908 Die Bezeichnung stammt aus der gleichnamigen Publikation von Nikolaus Pevsner und soll hier im erweiterten Sinne verwendet werden, nicht nur für die von Pevsner genannten Architekten bis 1914. Nikolaus Pevsner: Wegbereiter moderner Formgebung (Klassiker der Kunstgeschichte), Köln 1996 (Erstausgabe 1957). 909 Literatur zur Architektur des 20. Jh.s in Auswahl: Martin Elsässer/Werner Harting/Gustav Hassenpflug u.a.: Handbuch moderner Architektur – Eine Kunstgeschichte der Architektur unserer Zeit vom Einfamilienhaus bis zum Städtebau, Berlin 1957; Heinrich Klotz: Architektur des 20. Jahrhunderts – Zeichnungen, Modelle, Möbel (Kat. Deutsches Architekturmuseum Frankfurt), Stuttgart 1989; Werner Oechslin: Moderne entwerfen – Architektur und Kulturgeschichte, Köln 1999; Kenneth Frampton: Die Architektur der Moderne – Eine kritische Baugeschichte, Stuttgart 1995; Udo Kultermann: Die Architektur im 20. Jh., Wien 20036 (1. Aufl. 1977); Kenneth Frampton: Die Entwicklung der Architektur im 20. Jahrhundert – eine vergleichende Übersicht, Wien 2007 [Frampton 20072]; Ursula Muscheler: Haus ohne Augenbrauen – Architekturgeschichten aus dem 20. Jahrhundert, München 2007, 29ff. 910 Burkhard Rukschcio: Adolf Loos – Leben und Werk (Kat. Graphische Sammlung Albertina Wien), Wien 1982, 610-616, 613; Werner Oechslin: Stilhülse und Kern – Otto Wagner, Adolf Loos und der evolutionäre Weg zur modernen Architektur (Studien und Texte zur Geschichte der Architekturtheorie, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich), Zürich 1994; Winfried Nerdinger: Der Architekt Walter Gropius – Zeichnungen – Pläne – Fotos – Werkverzeichnis (Kat. Bauhaus-Archiv Berlin), Berlin 19962 (1. Aufl. 1985), 76-81, 82-89; Sybil Gordon Kantor: Alfred H. Barr Jr. and the intellectual Origins of the Museum of Modern Art, Cambridge/Massachusetts 2002, 269. 911 Kultermann 2003, 56f. 912 Kultermann 2003, 56. 913 Kenneth Frampton: World architecture 1900-2000 – A critical mosaic 3 – Northern Europe, Central Europe and Western Europe, Wien 2000, 154f.; Thomas Hasler: Architektur als Ausdruck – Rudolf Schwarz, Zürich 2000, 230. 136

Wilhelm Gedächtniskirche (1957-63, Berlin) von Egon Eiermann.914 Mit ihren homogen flächigen Wabenfassaden und ihrem prismenförmigen Baukörper zeigt dieser Bau bereits wesentliche typenprägende Charakteristika. Einen kompromisslosen Monolith baute Jakob Padrutt 1963-64 im Züricher Stadtteil Sihlfeld.915 Die Andreaskirche steigt über einem schmalen gläsernen Sockel als strenger Kubus auf. Alle Gebäudeseiten sind gleich behandelt und zeigen weite geschlossene Fassadenflächen aus fugenlos gesetzten Granitplatten. Auf horizontale Gliederung oder andere tektonische Motive wurde vollständig verzichtet. Nach oben hin setzt sich der Bau nur durch die scharfe Kante des Dachabschlusses gegen den Himmel ab. Auch wenn Louis Kahn keine der oben festgelegten Begriffsbestimmung entsprechenden “Monolithe" schuf, legte er in seinem Werk dennoch wesentliche Grundsteine für die spätere Ausprägung des Typs. Sein Indian Institute of Management (1962-74) in Ahmedabad/Indien und sein Parlamentsgebäude (1962-83) in Dhaka/Bangladesch, zeigen massige Baukörper homogener Materialität. In die Fassaden sind geometrische Großformen als Maueröffnungen geschnitten, die einen tektonischen Aufbau der Fassaden negieren. Die Fensteröffnungen, welche die Geschosseinteilung verraten, sind indirekt hinter den dekorativen Großformen der Einschnitte sichtbar.916 Ab dem Beginn der 90er Jahre ist der Typ des "Monoliths" gehäuft zu finden. Der Entwurf für das nie verwirklichte Max-Reinhardt-Haus in Berlin von Peter Eisenmann aus dem Jahr 1992 ist ein besonders starkes Exempel für einen vom klassischen Aufriss und dem traditionellen Verständnis von Fassadenaufbau entfernten "monolithischen Bau".917 Eine Unterscheidung in Schauseiten, Geschosse und im entferntesten Sinne einem Dach bzw. oberen Abschluss ist bei dieser in ihrer Oberfläche zersplitterten plastischen Großform nicht mehr möglich.

914 Annemarie Jaeggi: Egon Eiermann (1904-1970) – Die Kontinuität der Moderne, Ostfildern/Ruit 2004, 172- 177, 175. 915 Internetseiten www.kirche-zh.ch/Kirchen/reformierte/detail.html?client_session_kirche_oid=23&client_ session_location=Kirchen&client_session_oid=300&client_session_location_submenu=reformierte&client_sessi on_sub_oid=310&client_request_disable_selection_filter=true&client_request_disable_own_navigation_left=fal se&client_request_selectionFilterAsSelection=&client_session_limitDisplayedReformiertToCurrent=false und www.sihlfeld.ch [Stand 3. März 2013]. 916 Klaus-Peter Gast: Louis I. Kahn – Die Ordnung der Ideen, Basel 1998, 99-112, 113-156; Joseph Rosa: Louis I. Kahn 1901-1974 – Der erleuchtete Raum, Köln 2006, 58ff., 65, 67f., 69. 917 Das „Max Reinhart Haus“ sollte an der Kreuzung der Hauptachsen Unter den Linden und Friedrichsstraße das an dieser Stelle ehemals stehende Schauspielhaus des Theaterregisseurs Max Reinhardt ersetzen. Es war als 34- geschossiger „multi use tower“ für ein Hotel, ein Wellnesscenter, ein vertikales Einkaufszentrum, Büros und Restaurants konzipiert. Zudem sollte es ein „Max-Reinhardt-Forum“ mit Theater, Archiv und Ausstellungsräumen zur Geschichte von Theater und Film beinhalten. Machado 1995, 80-87, 81. 137

Einen ähnlich gewaltigen Bau verwirklichte Philippe Starck mit dem „Baron Vert“ (1992) in Osaka/Japan.918 Der sich wie ein Keil nach oben verjüngende Wolkenkratzer besitzt eine grünlich abweisend schimmernde Metallhaut, die nur durch horizontale Schlitze geöffnet wird. Diese können formal nur im entferntesten Sinne als Fensterbänder identifiziert werden. Sie erinnern deutlich an die oben erwähnten geometrischen Einschnitte, mit denen Louis Kahn die Fassadenflächen seines Parlamentsgebäudes strukturierte. Ein weiteres Beispiel ist das durch sein "verkehrtes" Bauvolumen die Schwerkraft aufhebende „T-House“ (1992) in Wilton/New York von Simon Ungers und Tom Kinslow.919 Auch in der Schweiz entstanden in den 90er Jahren und kurz nach der Jahrtausendwende "monolithische Bauten". Herausragendes Beispiele ist das durch Metallbänder im Aufriss "verschleierte" Stellwerk (1992-95) in Basel von Jacques Herzog und Pierre de Meuron.920 In vollendeter Simplizität erfüllte Jean Nouvel mit seinem „Monolith“ den hier untersuchten Typ.921 Im Bieler See in der Nähe des Orts Murten/Fribourg errichtete er für die Schweizer Landesausstellung 2002 einen mit Cortenstahl-Blechen verkleideten Kubus, dessen Titel Programm ist. Zwar stellt der Expo-Bau konstruktionsmäßig einen herkömmlichen Stahlskelettbau dar, formal erfüllt er jedoch alle Merkmale der "monolithischen Architektur". In den letzten Jahren hielt die Popularität des "Monoliths" an. Mit dem Bau der Niederländischen Botschaft (2005, Dick van Gameren und Bjarne Mastenbroek) in Addis Abeba/Äthiopien entstand ein "monolithischer" Betonbau, der sich formal und in seiner Farbigkeit an die zu Beginn des Kapitels aufgeführten "Monolithkirchen" in Lalibela anlehnt.922

Auch innerhalb der Museen sind ʺmonolithische Bautenʺ zu finden. Dass dieser Typ für den Museumsbau Vorteile besitzt, bemerkte bereits Hans Sedlmayr 1990 in einem Aufsatz zur Kugel als Baugestalt.923 Er stellt fest, dass Bauten mit „monolithischen Oberflächen“ besonders für „Denkmale, Gefängnisse und Museen mit reinem Oberlicht“ geeignet seien, da diese Bauaufgaben geschlossene Fassadenflächen bräuchten und die „Schönheit der

918 Der „Baron Vert“ beherbergt überwiegend Büros. Machado 1995, 148-159, 148. 919 Das „T-House“ wurde als Wohnhaus für Simon Ungers selbst erbaut. Machado 1995, 104-113, 160-169, 161. 920 Sewing 2004, 86f.; Wilfried Wang: Herzog & de Meuron, Zürich 1994, 62-63; Gerhard Mack: Herzog & de Meuron – 1989-1991 – Das Gesamtwerk 2, Basel 2005, 35. 921 Jodidio 2004, 283, 284-287. 922 Pierijn van der Putt: Roter Monolith – Niederländische Botschaft in Addis Abeba, in: Deutsche Bauzeitung 1 (2007) 18-26, 17, 18, 23ff. 923 Sedlmayr 1990, 25-153, 136. 138 stereometrischen Grundformen“ der Baukörper durch eine so wenig wie möglich durchbrochene Oberfläche noch gesteigert würde.924 Eine erste Ausstellungsarchitektur, die Merkmale des ʺMonolithsʺ aufweist, schuf Erwin Heerich mit der begehbaren Skulptur des Turms (1989) für das Museum Insel Hombroich.925 Der kleine kubische Bau besteht aus einem mit einfachen Mitteln variierten Kubus aus homogen erscheinendem Mauerwerk. Ab den frühen 90er Jahren bis in die Gegenwart ist der "monolithische Museumsbau" gehäuft anzutreffen. Ein wegweisendes Beispiel ist das Kunsthaus in Bregenz (1990-97) von Peter Zumthor, welches je nach Lichtverhältnissen als ʺMonolithʺ oder als transluzentes Glashaus erscheint.926 Ein besonders gradliniges Beispiel eines "Monoliths" stellt das Kunstmuseum Liechtenstein (1997-2000) von Meinrad Morger, Heinrich Degelo und Christian Kerez dar.927 Der strenge Kubus steigt ohne Sockel aus den hellen Bodenplatten des Platzes mit glänzend schwarzen Fassaden auf [Abb. 247, 248]. Der mit großem Aufwand gemischte Beton der Fassaden wurde solange von Hand poliert, bis keinerlei Fugen oder Poren mehr sichtbar waren und glatte "monolithische" Fassadenflächen entstanden. Ein weiteres Beispiel ist das Schaulager (2000-03) in Basel von Herzog & de Meuron, dessen ebenfalls allseitig materialmäßig einheitlicher und ungegliederter Baukörper nur durch eine "Trichterfassade" auf der Haupteingangsseite und schmale, mit der Fassade verschmelzende Fensterbänder aufgebrochen wird [Abb. 249].928 Das Museum Moderner Kunst – Stiftung Ludwig (2001) in Wien von Ortner & Ortner folgt mit seinen schwarzen scheinbar öffnungslosen Fassaden dem Kunstmuseum in Liechtenstein.929 Der aus dem Boden entwachsene "Monolith" gaukelt seine Massivität nur

924 Sedlmayrs Aussagen zeigen, dass der Typ des ʺMonolith-Museumsʺ große Ähnlichkeiten mit dem "Schatzhausmuseum" aufweist. Diese von Erik Forssman geprägte Kategorie zeichnet sich ebenfalls durch geschlossene kubische Baukörper aus. Unterschiede bestehen darin, dass beim "Schatzhaus-Typ" die Fassaden zoniert und gegliedert sind. Literatur zum "Schatzhausmuseum": Forssman 1986, 9-56; Naredi-Rainer 2004, 13, 26; siehe auch die verschiedenen Aufsätze in der Daidalos-Ausgabe „Schatzhäuser – Treasure-Houses“, v.a.: Ulrich Conrads: In neuen Kammern, in: Daidalos 53 (1994), 94-103; Gerhard Mack: Das Museum als Safe – Gespräch mit Renzo Piano zum Museum der Fondation Beyeler in Basel, in: Kunstmuseen – Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, Basel 1999, 86-97 [Mack 19991]; Gerhard Auer: Der Würfel als Baugestalt, in: Aus dem Würfelmuseum – Zur Kritik der konstruktiven Kunst (Museum der Museen – Schriftenreihe des Karl Ernst Osthaus-Museums 2), Köln 1990, 95-133. 925 Desmoulins 2005, 122-127, 123. 926 Architekturgalerie Luzern: Peter Zumthor – Drei Konzepte (Kat. Architekturgalerie Luzern), Basel 1997, 29- 47, 37, 39, 41; Mack 19992, 105; Naredi-Rainer 2004, 196. 927 Benedikt Loderer: Kunstmuseum Liechtenstein, in: Hochparterre 11 (2000) Sonderbeilage 1-16, 4f. 928 Naredi-Rainer 2004, 180-181. 929 Suma 2007, 53ff. 139 durch schwarze und graue Basaltlava-Platten vor, die auf einem Beton- und Stahlskelett befestigt wurden.930 Eine "monolithische" Außenhaut weist auch das im Grundriss aus drei miteinander verbundenen, dreieckigen Bauteilen bestehende Tenerife Espacio des las Artes (1996-2008) in der Hauptstadt Santa Cruz der Kanareninsel Teneriffa von Herzog & de Meuron auf.931 Seine Schauseiten werden von unregelmäßig geformten Verglasungen wie durch vereinzelte Glasbausteine geöffnet. Die Anzahl, Unregelmäßigkeit und Zufälligkeit der Öffnungen verschleiert ihre Funktion als Fenster und lässt sie nur noch als Muster auf den Fassadenflächen erscheinen.932

Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass der "Monolith" dem klassischen Kanon der europäischen Architektur mit seiner Tradition der tektonischen Ordnung entgegensteht. Nur durch eine Entfernung von dieser Tradition konnte sich die "monolithische Architektur" herausbilden. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jh.s sind daher nur Beispiele für Bauten zu finden, die einzelne Merkmale "monolithischer Architektur" besitzen und so die Entwicklung des Typs vorantrieben. Erst in der Sakralarchitektur der 50er und 60er Jahre entstanden die ersten Bauten, die der ʺMonolithischen Architekturʺ entsprechen. In den 90er Jahren setzte sich der "Monolith" in verschiedenen Baugattungen durch. Aufgrund der genannten Vorteile für den Museumsbau ist er gehäuft in dieser Gattung zu finden. Umgesetzt wird er hier meist als mehrgeschossiger Kubenbau mit seitenbelichteten Etagen, auf die ein oberbelichtetes Obergeschoss gesetzt ist (Kunsthaus Bregenz, Kunstmuseum Liechtenstein, Museum Moderner Kunst Wien). Freie Gebäudeformen wie beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, oder dem Tenerife Espacio des las Artes sind seltener. Stellt man die Museumsbauten von Gigon/Guyer der Entwicklung der "monolithischen Architektur" und dem "monolithischen Museumsbau" gegenüber, so zeigt sich, dass nur das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, die typischen Motive des „Monoliths“ aufweist. Der 1996-98 errichtete Bau ist damit ein frühes Beispiel für die Ausbildung dieses Typs innerhalb der Museumsarchitektur. Seine zu einem "selbstreferenziellen" Körper verdichtete Gestalt wird von einer einheitlichen Gebäudehülle aus diagonal gerichteten Metallschuppen verkleidet, die den Aufriss zu einem einheitlichen

930 Zeiger 2006, 72-77, 74. 931 A.A.: Herzog & de Meuron's Tenerife arts centre unfolds, in: Building Design 7 (2008) 3; Klaus Englert: Sehen und gesehen werden – TEA – Kulturzentrum Tenerife Espacio de las Artes, in: Baumeister: 3 (2009) 58- 64, 59; Rob Gregory: Plate-Tectonics, in: Architectural Review 2 (2009) 34-43. 932 Englert 2009, 62. 140

„All-Overʺ verschmelzen lassen.933 Ähnlich wie bei dem "verkehrten" „T-House“ von Ungers und Kinslow, scheint sich der Baukörper durch die Diagonalität der Fassadenverkleidung vom Baugrund und seiner Basis abzulösen. Die übrigen Museen von Gigon/Guyer erfüllen nur einzelne Merkmale der "monolithischen Architektur". Sie besitzen alle eine einheitliche Materialität, die eine homogen erscheinende Gebäudehülle erzeugt. Dennoch weisen das Kirchner Museum, die Erweiterung des Kunstmuseums in Winterthur, das Museum Kalkriese sowie das Galerielager in Wichtrach horizontale Motive auf, welche die Schauseiten in Zonen gliedern und so dem Konzept des tektonischen Fassadenaufbaus folgen. Auch das Merkmal des verdichteten Baukörpers ist nur beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, durch sein vereinfachtes Volumen und die diagonal gerichtete „All-Overʺ-Hülle vollständig umgesetzt. Die Sammlung Albers-Honegger weist ebenfalls Tendenzen zu einem konzentrierten Volumen auf, die wie spielerisch verteilten Auskragungen schwächen diesen Eindruck aber wieder ab. Die anderen Museen bleiben durch die oben aufgeführten tektonischen Motive auf ihre Basis bezogen und lösen sich nicht als scheinbar schwebender ʺMonolith-Bauʺ vom Untergrund. Annette Gigon bekräftigte in einem Interview, dass der Bau des Museums Liner zwar „aus einem Guss“934 erscheine und damit eine skulpturale Erscheinung besäße, dass die Konstruktionsweise des Baus jedoch ihrer Auffassung eines „Monoliths“ entgegensteht. Die metallene Hülle über dem mineralischen Betonbau rücke ihrer Meinung nach das Museum ab von einer Typisierung als monolithischer Bau. Gigon/Guyer können somit nicht als Vertreter der "monolithischen Architektur" gelten. Sie verwenden vielmehr einzelne Merkmale des Typs und verbinden diese mit gegensätzlichen Motiven, die der klassischen tektonischen Ordnung entstammen. So entstehen vielschichtige spannungsreiche Museumsbauten, die das Betrachterauge weitaus mehr herausfordern als die geometrisch blockhafte Ästhetik der reinen ʺMonolitheʺ.

3. Museumsbau auf Stützen

Im Werk von Gigon/Guyer gibt es mehrere Entwürfe für Museen auf Stützen. Der Erweiterungsbau in Winterthur, das Ausstellungsgebäude und die Satellitbauten in Kalkriese sowie der nicht realisierte Entwurf für das Edvard Munch Museum Oslo sind auf Pilotis

933 Bürkle 20001, 107. 934 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 141 gestellt [Abb. 43, 148, 165, 325]. Sie "schweben" auf schlanken Stützen über dem Erdboden bzw. dem Meer und berühren den Untergrund nur punktuell. Je nach Baumaterial, Gebäudefunktion und Topographie des Untergrundes variieren das Material, die Höhe und die Anzahl der Stützen. In der Fachliteratur zur Architektur des 20. Jh.s werden Ständerbauten, wenn überhaupt, nur im Zusammenhang mit Le Corbusier erwähnt. Ein Autor hat das von Le Corbusier eingeführte Motiv der Pilotis bisher näher untersucht:935 In seiner Monografie analysiert Adolf Max Vogt Le Corbusiers theoretische Äußerungen zu den Pilotis und führt anschließend Beispiele aus seinem Werk auf, wobei er nicht auf die Museen eingeht. Le Corbusiers Vorliebe für Pilotis leitet Vogt aus dessen Reisen in die Türkei und der archäologischen Entdeckung der prähistorischen Pfahlbauten in der Schweiz Anfang des 20. Jh.s ab.936 Auf diese These einer Herkunft der Ständer von den Pfahlbauten prähistorischer oder außereuropäischer Architektur soll hier verwiesen werden. Im folgenden Kapitel soll nach Vorgängern von Museumsbauten auf Stützen gefragt werden. Es soll versucht werden, weitere Beispiele in der Museumsbaukunst zu finden. Darüber hinaus soll durch eine Überschau herausgearbeitet werden, welche Vorzüge zur Entwicklung dieses Typs in der Museumsarchitektur geführt haben.937 Die ersten auf Stützen gestellten Gebäude der europäischen Architektur des 20. Jh.s schuf Le Corbusier. Bereits 1914 fertigte er erste Skizzen zu seinem „Domino-Prinzip“ an, das einen auf blockartige Füße gestellten Ständerbau in Skelettkonstruktion zeigt.938 1925 baute Le Corbusier mit dem „Pavillon de l`Esprit Nouveau“ für die „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ in Paris einen ersten, eigentlich als Musterwohnung gedachten Ausstellungsbau, der wie die Sinnesboxen des Museumsparks Kalkriese auf kurzen Stützen etwa 50 Zentimeter über dem Boden stand und daher ohne Fundamentlegung leicht montierbar war.939 1926 erläuterte Le Corbusier sein Konzept der Pilotis in der Schrift „5 Points d`Architecture“940:

935 Adolf Max Vogt: Le Corbusier – Der edle Wilde – Zur Archäologie der Moderne, Braunschweig 1996, 16ff. 936 Vogt 1996, 32-62, 167-225. 937 Im vorliegenden Kapitel werden nur Museumsbauten auf Stützen berücksichtigt. Den zahlreichen Beispielen aus anderen Gattungen, wie beispielsweise im Werk von Lina Bo Bardi (Bsp.: Glass House, São Paulo/Brasilien, 1950-52) liegen meist die gleichen funktionalen Überlegungen zugrunde. Auch in neuester Zeit werden Stützenbauten in verschiedenen Gattungen verwirklicht. Wie im Museumsbau führen Überlegungen zu Platznot im urbanen Raum oder Unterbringung von Nebenfunktionen (Parkplätze) unter dem Gebäude zur Wahl der Stützenkonstruktion. (Bsp.: Bibliothek Sharp Center, Toronto, 2000-2004, Alsop Architects). Pieter Sijpkes: Sharp Center beim Ontario College of Art & Design in Toronto – Alsop Architects, in: Baumeister 1 (2005) 48- 55, 55; Olivia de Oliveira: Subtle Substances – The Architecture of Lina Bo Bardi, Barcelona 2006, 41-79. 938 Klaus-Peter Gast: Le Corbusier – Paris – Chandigarh, Basel 2000, 26-29, 26. 939 Willy Boesiger/Oscar Stonorov: Le Corbusier et Pierre Jeanneret – Oeuvre complète de 1910-1929 (Le Corbusier – Oeuvre complète 1), Zürich 1948, 98-108, 99, 105; Walter Romstoeck: Ausstellungsarchitektur, in: 142

„La maison sur pilotis. La maison s`enfonçait dans le sol: locâux obscures et souvent humides. Le ciment armé nous donne les pilotis. La maison est en l`air, loin du sol; le jardin passe sous la maison, le jardin est aussi sur la maison, sur le toit.“941

Vorteile eines Hauses auf Pfahlstützen sah Corbusier darin, dass das Gebäude nicht mehr auf dem düsteren, feuchten Untergrund, sondern in der Luft fern vom Boden platziert sei. So werde der Erdboden für andere Zwecke (beim Haus der Garten) zurückgewonnen. In den folgenden Kapiteln erläuterte er die sich aus den Pilotis ergebenden Konzepte des „plan libre“ und der „façade libre“942. Der Piloti ist bei Le Corbusier nicht nur eine moderne Variante der Säule bzw. des Pfeilers, sondern das grundlegende Element der tragenden Konstruktion eines Gebäudes, das den freien Grundriss und die Vorhangfassade möglich macht.943 Formal gestaltete Le Corbusier die Pilotis ohne Basis oder Kapitelle als schlanke im Grundriss quadratische oder runde Stützen.944 Im selben Jahr (1926) verfasste Le Corbusier wieder einen Kommentar.945 In programmatischen Sätzen stellte er heraus, die Pilotis machten eine „Rückerstattung des überbauten Bodens und des städtischen Bodens an die Nutzer“ und „ein schützendes Obdach für Autos bei Sonne und bei Regen [...]“946 möglich. Darüber hinaus sei „die Fassade abgeschafft“, da es „keine Vorder- und Rückseite mehr gebe, denn „la maison est au-dessus!“947. Als logische Konsequenz aus dieser Schrift positionierte er in einer drei Jahre später entstandenen Zeichnung den Parkplatz unter ein auf Pfeiler gestelltes Haus.948 Auch mehrere Museumsbauten stellte Le Corbusier auf Pilotis. Ein im Grundriss spiralförmig angelegtes Museum für zeitgenössische Kunst in Paris (1931) war als spiralförmig erweiterbarer, auf Pilotis gesetzter Quadratbau gedacht.949 Die Erschließung des Ausstellungsgeschosses im ersten Obergeschoss erfolgte über das Untergeschossdirekt in das

Nikolaus Pevsner/Hugh Honour/John Fleming (Hrsg.): Lexikon der Weltarchitektur, München 19872 (1. Aufl. 1971), 51-55, 52, 54; Alexander von Vegesack/Stanislaus von Moos/Arthur Rüegg u.a.: Le Corbusier – The Art of Architecture (Kat. Vitra Design Museum Weil am Rhein, Netherlands Architecture Institute Rotterdam, Royal Institute of British Architects London), Weil am Rhein 2007, 32; Internetseite http://deu.archinform.net/projekte/1964.htm [Stand 3. März 2013]. 940 Boesiger 1948, 128-129. 941 Vogt 1996, 17. 942 Vogt 1996, 17. 943 Vogt 1996, 17. 944 Vogt 1996, 16; Gast 2000, 28. 945 Vogt 1996, 18. 946 Vogt 1996, 18. 947 Vogt 1996, 18. 948 Die Zeichnung entstand im Zusammenhang mit Vorträgen in Buenos Aires im Oktober 1929. Vogt 1996, 16. 949 Willy Boesiger: Le Corbusier et Pierre Jeanneret – Oeuvre complète de 1929-1934 (Le Corbusier – Oeuvre complète 2), Zürich 1947, 72-73, 72; Jacques Lucan: Le Corbusier – Une encyclopédie (Kat. Centre Pompidou), Paris 1987, 266-268; Oswalt Mathias Ungers: Vorlesung 3 – Wintersemester 1964/65, in: Archplus 179 (2006) 102, 104f., 108, 112, 119 [Ungers 20063]. 143

Zentrum der Spirale, so dass die Wegführung der Ausstellungsräume ungestört blieb.950 Pilotis und das Prinzip der Spirale behielt Le Corbusier auch beim „Musée à croissance illimitée“ (1939) für „Philippeville, Afrique du Nord“951 bei. In seinem selbst verfassten Text zu diesem Entwurf bemerkt er: „Le principe fondamental de ce musée est d`être construit sur pilotis, l`accès au niveau du sol se faisant par le milieu même de l`édifice où se trouve la salle principale“952. Der Hauptgrund für die Anwendung der Pilotis scheint für Le Corbusier die spiralförmige Erschließung über die Gebäudemitte gewesen zu sein, die „extrêmement favorable à l`attention qu`on exige des visiteurs“953 sei.954 Der Kubus des Musée Ahmedabad (1952-57) steht ebenfalls vollständig auf sich bis ins Obergeschoss fortsetzenden Beton-Pilotis.955 Im Zentrum öffnet sich ein geschossübergreifender, quadratischer Innenhof, der den Zugang zum Obergeschoss aufnimmt. Im Erdgeschoss sind selbständige Baukörper für Nebenfunktionen wie Kiosk, WC und Treppenturm untergebracht.956 Aufgrund des heißen Klimas baute Le Corbusier das Museum zweischalig, der bereits 1926 in den „5 Points“ geforderte Dachgarten wurde ebenfalls umgesetzt.957 Es ist zu vermuten, dass Le Corbusier den Bautyp des Ständerbaus mit schattigem, offenen Erdgeschoss und luftigem Dachgarten in Ahmedabad auch aufgrund klimatischer Bedingungen wählte. Beim Musée national des beaux-arts de l`Occident (1957-59, Tokyo) ist nur das erste Drittel des Museums auf runde Stützen gestellt worden.958 Das offene Erdgeschoss mündet in eine ebenerdige Eingangshalle, hinter der Nutzräume (Werkstätten, Magazine) liegen. Es kann nicht als wirklicher Stützenbau angesehen werden, dennoch folgt es in seiner Aufteilung in Erdgeschoss mit Funktionsräumen und teilweise aufgeständertem Obergeschoss mit oberbelichteten Ausstellungsräumen deutlich seinem Konzept der Spiralmuseen auf Pilotis.

950 Ungers 20063, 108, 112. 951 Willy Boesiger: Le Corbusier – Oeuvre complète 1938-1946 (Le Corbusier – Oeuvre complète 4), Zürich 1950, 16-21. 952 Boesiger 1950, 16. 953 Boesiger 1950, 16. 954 Vegesack/Moos/Rüegg 2007, 63. 955 Willy Boesiger: Le Corbusier – Oeuvre complète 1946-1952 (Le Corbusier – Oeuvre complète 5), Zürich 1955, 164-165; Willy Boesiger: Le Corbusier et son atelier rue de Sèvres 35 – Oeuvre complète 1952-1957 (Le Corbusier – Oeuvre complète 6), Zürich 1957, 158-167, 160, 161, 163; Harold Allen Brooks: Le Corbusier – Ahmedabad 1953-1960 (The Le Corbusier Archive 26), New York 1983, 188-267; Oswalt Mathias Ungers: Vorlesung 2 – Sommersemester 1964, in: Archplus 179 (2006) 42-55, 43, 45, 46f. [Ungers 20062]. 956 Ungers 20062, 46. 957 Ungers 20062, 47. 958 Boesiger 1957, 168-173; Willy Boesiger: Le Corbusier et son atelier rue de Sèvres 35 – Oeuvre complète 1957-1965 (Le Corbusier – Oeuvre complète 7), Zürich 1966, 182-191, 185, 187, 191; Harold Allen Brooks: Le Corbusier – Musée d`Art Occidental Tokyo and Other Buildings and Projects 1957-1961 (The Le Corbusier Archive 30), New York 1984, 1-99; Oswalt Mathias Ungers: Vorlesung 1 – Sommersemester 1964, in: Archplus 179 (2006) 20-41 [Ungers 20061]. 144

Mit dem Carpenter Center for the Visual Arts (1959-62) in Harvard/Massachusetts wich Le Corbusier von seinem Konzept der spiralförmigen Stützen-Museen ab und entwarf einen im Grundriss zergliederten Bau mit auskragenden Bauteilen, die auf Pilotis abgestützt werden.959 Das Carpenter Center ist somit kein reines Stützen-Museum. Ähnlich wie bei der späteren Kunsthal von Rem Koolhaas sind nur einzelne Bauteile oder in ihrer Dimension fast schon übertrieben ausgestaltete Zugangsrampen auf Pfeiler gestellt.960 Parallel zu Le Corbusier entwarfen auch andere Architekten in den 50er Jahren Ausstellungsgebäude auf Stützen. Einen temporären Pavillon für die Stadt Ulm entwarf 1955 Max Bill zusammen mit Dozenten der Hochschule für Gestaltung Ulm für die Landesgewerbeausstellung in Stuttgart.961 Ähnlich wie der „Pavillon de l`esprit nouveau“ von Le Corbusier steht der Kleinbau auf Stützenfüßen.962 Einen auf Pfeiler gestellten Erweiterungsbau entwarf 1956 der polnische Architekt Oskar Hansen in Warschau.963 Eine gedeckte zweigeschossige Passerelle führt vom ersten OG des Altbaus in den als flexiblen Leercontainer mit drei beweglichen Ausstellungsebenen gestalteten Anbau. Im Freigeschoss unter dem Baukörper befindet sich ein Lieferanteneingang, der eine wettergeschützte Anlieferung ermöglicht.964 Mit dem Museu de Arte de São Paulo (1957-68) errichtete Lina Bo Bardi einen von zwei mächtigen Stahlbügeln getragenen Museumsbau.965 Grund für die schwebende Konstruktion des Baukörpers war die vom Grundstücksstifter aufgestellte Bedingung, dass eine Blickachse zwischen der Innenstadt und der Hauptstraße „Avenida Paulista“ frei bleiben sollte.966 Unter dem Museumsbau entstand ein öffentlicher Raum für verschiedene

959 Vegesack/Moos/Rüegg 2007, 57; Internetseite www.american-architecture.info/USA/USA-NewEngland/NE- 027.htm [Stand 3. März 2013]. 960 Auch in seinem Spätwerk entwarf Le Corbusier Ausstellungsbauten auf Pilotis, die alle nicht realisiert wurden. Dazu zählen das „Centre international d`Art“ (1962) in Erlenbach bei Frankfurt a.M., ein über dem Meer mit Verbindungssteg zum Ufer zu errichtender Kunstpavillon Palais Ahrensberg (1962) für einen Sammler aus Stockholm und ein „Musée du XXe siècle“ in Nanterre/Paris. Boesiger 1966, 164-165, 178-179; Willy Boesiger: Le Corbusier – Les dernières oeuvres (Le Corbusier – Oeuvre complète 8), Zürich 1970, 162- 168, 162; Ungers 20063, 105, 114. 961 Bill arbeitete mit Otl Aicher und Friedrich Vordemberge-Gildewart zusammen. Hans Frei: Konkrete Architektur – Über Max Bill als Architekt (Diss. Zürich 1989/90), Baden 1991, 233f., 235; Max Bill: Pabellón de Ulm – Ulm Pavilion 1955-1956, in: 2G – Revista international de arcquitectura – International Architecture Review 29/30 (2004) 152-155, 152ff. 962 Frei 1991, 235. 963 Ungers 20061, 33f., 35. 964 Ungers 20061, 34. 965 Maria de Betânia Cavalcanti: Das Brasilien der Architektin Lina Bo Bardi, in: Bauwelt 29 (1999) 1582-1583, 1582; Willemijn Wilms Floet: Museum de Arte de São Paulo, in: Emilios Chlimintzas (Hrsg.): Musea – Idee en architectuur, Nijmegen 2004, 88-93; Oliveira 2006, 258-337. 966 Oliveira 2006, 259. 145

Aktivitäten, und der unter dem Baugrund liegende Straßentunnel wurde nicht durch das Museum belastet.967 Wenige Jahre später entwickelte Cedric Price einen Entwurf für das Kulturzentrum „Fun Palace“ (1961) in London.968 Der visionäre Plan besteht aus containerartigen durch Treppengangways verbundene Raumboxen, die von riesigen Metallstützen getragen werden.969 Die Stützen dienen gleichzeitig als Kräne, an denen die Container hängen und durch welche die Anordnung der Boxen verändert werden kann. Die von Price erfundene mobile Stützenkonstruktion entstand aus dem Wunsch nach radikaler Flexibilität, wonach der „Fun Palace“ auch nur für eine Dauer von zehn Jahren Bestand haben sollte.970 Auch Rem Koolhaas griff auf das Motiv des Ständerbaus für seine Kunsthal in Rotterdam (1987-1992) zurück. Um der „problematischen Lage“971 des Ausstellungsbaus an einem Deich mit paralleler Straße sowie am mehrspurigen „Maasboulevard“ Herr zu werden, setzte er den Hauptbaukörper der Kunsthalle hinter den Deich und ließ das Gebäude im obersten Geschoss auf Stützen gestellt zum 4,5 m hohen Deich hinüberkragen.972 So wird der Besucher über eine Eingangsplattform auf dem „Maasboulevard“ "abgeholt", und unter dem aufgeständerten Bauteil kann die parallel zum Deich verlaufende zweispurige Nebenstraße ungehindert entlanglaufen. Den im Grundriss langrechteckigen gangartigen, temporären Pavillon Vidéo von 1990 stellte Bernard Tschumi im Gegensatz zu seinen Vorgängern auf in ihrer Höhe zunehmende Stützen.973 Vom ebenen Untergrund scheint sich der Pavillon, der im Zusammenhang mit einem Musikvideo Festival in Groningen errichtet wurde, abzuheben.974 Tschumi verwendet die Stützen als gekonnten Verfremdungseffekt, welcher der Le Corbusier`schen Funktion der Pilotis, dem Ausgleich von unebenem Gelände, entgegenläuft. Wiederum nur auf kurze Stützenfüße gestellt ist die temporäre Kunsthalle (1991-92) auf dem Karlsplatz in Wien.975 Ähnlich wie bei den bereits erwähnten temporären Pavillons macht die Stützenkonstruktion mit punktuellen Fundamenten einen einfachen Auf- und

967 Wilms Floet 2004, 88; Oliveira 2006, 259. 968 Philip Christou: Making Fun of Buildings, in: Building Design 1648 (2004) 25; Ungers 20061, 34; Stanley Mathews: From Agit-Prop to Free Space – The Architecture of Cedric Price, London 2007, 13, 66-82, 90f., 142- 169; Internetseite http://www.interactivearchitecture.org/fun-palace-cedric-price.html [Stand 5. Oktober 2013]. 969 Neben einem Theater und einem Kino sollten auch Galerieräume in den Containern untergebracht werden. Es war kein genauer Standort für den „Fun Palace“ ausgesucht worden. Als ungefährer Standort wurde die Arbeitergegend von East-London an der Themse projektiert. Mathews 2007, 81f. 970 Mathews 2007, 78. 971 Newhouse 1998, 232. 972 Montaner 1995, 100; Newhouse 1998, 232. 973 Hans Ibelings: Supermodernisme – L´architecture à l´ère de la globalisation, Rotterdam 2003, 94; Gilles de Bure: Bernard Tschumi, Basel 2008, 146f. 974 Bure 2008, 146. 975 Krischanitz 1992, 87f., 91. 146

Abbau möglich, der keine Spuren hinterlässt. Krischanitz` temporäre Kunsthalle nimmt damit bereits wesentliche Merkmale des Erweiterungsbaus in Winterthur von Gigon/Guyer vorweg.976 Aus ähnlichem Grund wie in Kalkriese entwarf Bernard Tschumi sein 2001 begonnenes Akropolis Museum in Athen als Stützen-Museum.977 Das Museum liegt südlich der Akropolis an der antiken Hauptstraße zum Akropolis-Hügel. Um den archäologisch wertvollen Boden nicht durch den Museumsbau zu versiegeln, setzte Tschumi das beachtliche Volumen des viergeschossigen Gebäudes komplett auf Säulen. Der Museumsbau schwebt über einem archäologischen Ausgrabungsfeld eines Wohnhauses aus dem 4./5. Jh., das die Besucher durch verglaste Öffnungen im Fußboden sehen können.978 Mächtige, im Querschnitt runde, ungegliederte Betonsäulen tragen den gewaltigen Baukörper. Das Freigeschoss des Ausgrabungsfeldes ist nicht offen, sondern ähnlich wie in Winterthur durch eine Verkleidung aus Betonplatten umhüllt, die durch mehreckige Öffnungen perforiert sind und das Grabungsfeld vor Wind und Wetter schützen. Peter Zumthor griff zum Motiv der Stützen aufgrund von unwegsamem Baugelände. Entlang eines Besucherweges zum Eingang einer ehemaligen Zink-Mine platzierte er für ein Zink-Bergbaumuseum (Planung ab 2003, Sauda/Norwegen) an die felsigen Abhänge der Almanna-Schlucht im Grundriss quadratische Pavillons mit auskragenden Flachdächern auf hohen Pfosten.979 Die langen, filigranen ʺBeineʺ der Ausstellungsboxen gleichen das sehr steil abfallende Gelände aus.980 Eine bisher nicht aufgeführte Funktion von Stützen innerhalb der Museumsbaukunst zeigt der Entwurf für das Musée des Confluances (Realisierung ab 2005) in Lyon von Coop Himmelb(l)au.981 Der kristalline skulpturale Baukörper des Museums scheint auf Stützen gesetzt, damit die vollplastische Gestalt überhaupt erst realisiert und die "Bauskulptur" auf den Boden gestellt werden kann. Unter dem scheinbar schwebenden "Museums-Schiff" ergibt

976 Krischanitz 1992, 87. 977 Frank R. Werner: Neues Akropolis Museum – Athen – Griechenland, in: Suzanne Greub/Thierry Greub (Hrsg.): Museen im 21. Jahrhundert – Ideen – Projekte – Bauten (Kat. Art Centre Basel), München 2006, 126- 131, 129; Alexandra Stara: The New Acropolis Museum – banal – sloppy – badly detailed Sophistry, in: Architectural Review 6 (2009) 24-26, 24ff. 978 Internetseite www.welt.de/kultur/article1772020/So_grossartig_wird_das_neue_Akropolis_Museum.html [Stand 3. März 2013]. 979 Kunsthaus Bregenz: Peter Zumthor – Bauten und Projekte 1986-2007 (Ausstellungsheft KUB 07.03 Kunsthaus Bregenz), Bregenz 2007, 22, 25. 980 Internetseite http://www.architecturetoday.co.uk/?p=24350 [Stand 3. März 2013]. 981 Die Fertigstellung des Museums ist 2014 geplant. Frank R. Werner: Musée des Confluences – Lyon – Frankreich, in: Suzanne Greub/Thierry Greub (Hrsg.): Museen im 21. Jahrhundert – Ideen – Projekte – Bauten (Kat. Art Centre Basel), München 2006, 132-137, 133; Internetseiten http://www.coop- himmelblau.at/architecture/projects/musee-des-confluences/ und www.museedesconfluences.fr [Stand 3. März 2013]. 147 sich ein öffentlicher Platz, der von Passanten und Museumsbesuchern gleichermaßen genutzt werden wird.982 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Museumsbauten auf Stützen in einer erstaunlich großen Anzahl auftreten und dass sich die Architekten immer aufgrund spezifischer Überlegungen für diesen Museumstyp entschieden haben. Es konnte gezeigt werden, dass Le Corbusier diesen Bautyp in die Ausstellungs- und Museumsarchitektur einführte und in seinem gesamten Werk beibehielt. Aus der Reihe der Beispielbauten von Le Corbusier und seinen Nachfolgern können zentrale Gründe für die Wahl des Stützen-Typs für Ausstellungsbauten herausgearbeitet werden. Die einfache Montage und Demontage der Ständerbauten macht das Stützen-Museum zu einer bevorzugten Bauform für temporäre Ausstellungspavillons oder -hallen. Die Bauten berühren den Boden nur punktuell und benötigen so nur minimale Fundamente. Der Grundriss und die Frage nach der Erschließung des Museumsgebäudes sowie der Wunsch nach unbegrenzter Erweiterung sind die Gründe für die Wahl des Stützen-Typs bei den Museumsbauten von Le Corbusier dar. Um die "unendliche" Spirale des Grundrisses ungestört zu belassen, musste der Zugang über das Gebäudezentrum erfolgen. Wollte man unterirdische Eingangsanlagen umgehen, musste man den Bau auf Stützen stellen. Ausschlaggebend sind meist situativ-funktionale Begebenheiten. Die Beispiele haben verschiedene Umgebungssituationen aufgeführt, die grundlegend für die Wahl eines aufgeständerten Baus sein können: die Beschaffenheit des Geländes, eine bestehende Verkehrssituation, archäologisch wertvoller Baugrund oder der Wunsch, einen über dem Meer schwebenden Bau auszuführen. In Ahmedabad spielten klimatische Bedingungen eine Rolle oder wie in Warschau und Winterthur das Verhältnis eines Erweiterungsbaus zu einem Altbau. Einen weiteren Grund für die Wahl des Typs "Museum auf Stützen" liefert das Musée des Confluences in Lyon, bei dem die freie Form des Baukörpers einen Unterbau notwendig macht, den Coop Himmelb(l)au mit Stützen lösten. Die aufgeständerten Museumsbauten von Gigon/Guyer können in diese Palette eingeordnet werden. Am häufigsten führten situativ-funktionale Gründe zur Wahl des Stützentyps bei Gigon/Guyer. In Winterthur war nach Annette Gigon der wichtigste Grund für die Wahl der Stützen die Lage und innere Organisation des Altbaus und die Vorgabe der

982 Internetseite http://www.coop-himmelblau.at/architecture/projects/musee-des-confluences/ [Stand 3. März 2013]. 148

Stadt Winterthur, die Parkplätze zu erhalten.983 Die Besucher sollten aus der Beletage des Altbaus mit minimiertem Niveauwechsel in den Neubau gehen können. Aufgrund der temporären Planung war die Lösung, die Parkplätze ins Erdgeschoss zu legen, am wirtschaftlichsten. Ein Erdgeschoss mit musealen Nebenfunktionen wie Café oder Auditorium oder auch der Bau einer Tiefgarage war aufgrund der begrenzten Lebensdauer des Anbaus nicht sinnvoll.984 Wie oben gezeigt wurde, fand der polnische Architekt Hansen bereits 1956 eine vergleichbare Lösung in Warschau. Für den Museumspark Kalkriese war vor allem die archäologische und historische Bedeutung des Schauplatzes der Varusschlacht ausschlaggebend. Unumgänglich waren vorherige archäologische Grabungen an den Bauplätzen der Gebäude. Die Bauten sollten den Boden so wenig wie möglich "belasten" und versiegeln. Nach Gigon wollte man dem Schlachtfeld, welches zugleich ein Grab für unzählige Menschen ist, respektvoll begegnen und alle Eingriffe in den Untergrund minimal halten.985 Ähnliche Gründe führten, wie bereits erwähnt, zum Stützenbau des Akropolis Museums von Bernard Tschumi.

4. Additives Kubenmuseum mit zentraler Erschließungshalle

Das Kirchner Museum in Davos folgt einem klar definierten Museumstyp. Es ist ein eingeschossiger Bau, der aus vier asymmetrisch verteilten Rechteckkuben mit Flachdächern besteht, die um eine mittige Erschließungshalle angeordnet sind [Abb. 13]. Die Ausstellungskuben steigen durch die aufgesetzten Oberlichthäuser hoch auf und überragen den flachen Verbindungsbau der Erschließungshalle, die von den Kubenhäusern durchdrungen wird [Abb. 5, 17]. Durch das additive Konzept der konzentrisch um die Verkehrszone verteilten Raumkuben erscheint das Museum als ein von innen nach außen geplanter Bau. Im Folgenden soll dem sich aus Grundriss- und Aufrissmotiven zusammensetzenden Bautyp des additiven Kubenmuseums nachgespürt werden. Neben seiner Verbreitung sollen Variationen dieser Bauform anhand ausgewählter Beispiele diskutiert werden. Theoretisch reflektiert wurde der Museumsbau mit konzentrischem Grundriss in der Dissertation von Manfred Lehmbruck aus dem Jahr 1942.986 Er trat darin für einen „von innen

983 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 984 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 985 Nach Annette Gigon sollten die Pavillons zudem assoziativ an die auf Grabungsfeldern zu findenden mobilen Baustellenwägen für Materialien und Ausrüstung erinnern. Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 986 Manfred Lehmbruck: Grundsätzliche Probleme des zeitgemäßen Museumsbaues, Diss. Hannover 1942. 149 nach außen“987 gedachten Museumsbau ein und sah entweder den Galerietyp mit gereihten Ausstellungsräumen oder einen Museumstyp mit „Zentralraum“ von dem die übrigen Abteilungen „radial ausstrahlen“988 als den idealen Museumsplan. Auf Aufrissmerkmale ging Manfred Lehmbruck nicht ein. Ein frühes, additiv konzipiertes Museum mit zentralem Foyer und darum gruppierten Baukörpern wurde mit dem Kunsthaus Glarus von Hans Leuzinger gebaut.989 Das Museum entstand 1950/52 als erster Museumsbau in der Schweiz nach dem Krieg. Der aufgrund der damals beschränkten finanziellen Mittel des Glarner Kunstvereins „bescheiden“990 ausgefallene Bau besteht aus zwei rechteckigen Ausstellungstrakten, die der Sammlung des Kunstvereins und der Sammlung eines Privatmanns zugeordnet sind.991 Beide Trakte sind im rechten Winkel zueinander an eine zentrale verglaste Eingangshalle angeschlossen. In dem ähnlich wie in Davos niedrig gehaltenen Foyerbau sind die Besucher- und Nebenfunktionen untergebracht. Das Foyer dient als reiner Eingangsbereich, der in die beiden angeschlossenen Ausstellungstrakte führt.992 Das Kunstmuseum Glarus stellt damit ein einfaches, in seinen Funktionen reduziertes Beispiel für einen Museumsbau aus kubischen Ausstellungstrakten um einen mittigen Verteilerraum dar. Ab 1956 wurde mit dem Louisiana Museum in Humblebaek/Dänemark von Jørgen Bo und Vilhelm Wohlert ein ebenfalls additiv konzipiertes Kubenmuseum entworfen.993 Es besteht aus eingeschossigen Flachdachbauten, die sich nur durch Gänge verbunden linear in die Fläche des Grundstücks ausdehnen. Ausgehend von diesem dänischen Vorbild, entstanden vor allem in den späten 60er und 70er Jahren weitere additive Kubenmuseen, die im Gegensatz zu dem in diesem Kapitel untersuchten Typ keine zentrale Erschließungshalle aufweisen. Bei den Louisiana-Nachfolgern sind die Kuben modulartig oder rhythmisch in Gruppen gegliedert oder streng nebeneinander gereiht. Die einzelnen Ausstellungsräume werden entweder durch kurze Gänge verknüpft oder sie sind durch Türöffnungen, meist über

987 Lehmbruck 194, 20. 988 Lehmbruck 1942, 20. 989 Schubert 1986, 37. 990 Schubert 1986, 37. 991 Schubert 1986, 37. 992 Schubert 1986, 37. 993 Michael Brawne: Jørgen Bo – Vilhelm Wohlert – Louisiana Museum Humlebæk, Tübingen 1993, 17; Naredi- Rainer 2004, 166-167; Michael Juul Holm: Louisiana Museum – Aussicht und Klarsicht, in: Barbara Steiner/Charles Esche (Hrsg.): Mögliche Museen (Jahresring 54 – Jahrbuch für moderne Kunst), Köln 2007, 33- 46. 150

Eck, direkt miteinander verbunden, so dass der Besucher die "Wabenstruktur" der Ausstellungsräume mäandernd durchläuft.994 Den bereits in seiner Dissertation vorgeschlagenen Plan griff Manfred Lehmbruck für das Reuchlinhaus (1957-61) in Pforzheim auf, das er als einen additiven Kubenbau mit Zentralfoyer entwarf, der als Multifunktionsbau neben dem Museum auch die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Stadtbibliothek, den Kunstverein und einen Ballsaal aufnehmen sollte [Abb. 250-252].995 Um ein zentrales quadratisches Foyer gruppierte Lehmbruck vier eigenständige Baukörper für jeweils eine Einrichtung (Ausstellungssäle für den Kunstverein, Schmuckmuseum, Heimatmuseum, Stadtbibliothek mit Archiv).996 Die Baukörper für die vier Institutionen weisen verschiedene Fassadengestaltungen auf und visualisieren so ihre inhaltliche und funktionale Eigenständigkeit. Ein Freiplatz führt auf den Haupteingang und die Erschließungshalle hin. Wie beim Grundriss des Kirchner Museums von Gigon/Guyer wird der Hof von den Kuben des Foyers sowie des Heimatmuseums und der Bibliothek angeschnitten, so dass er als Restfläche eines durch die Kubenhäuser angeschnittenen Rechtecks erscheint. 1966-67 wurde das Brücke-Museum in Berlin von Werner Düttmann erbaut.997 Es besteht aus „drei eingeschossigen [...] kubischen Baukörpern, die untereinander [...] durch eine [...] schwebende Platte verbunden sind“998. Eine wie beim Reuchlinhaus und dem späteren Kirchner Museum durch die Baukuben angeschnittene, rechteckige "Grundplatte" dient als verbindende zentrale Verteilerzone, von der aus alle drei im Aufriss flach gehaltenen Bautrakte erreichbar sind. Die einzelnen Trakte nehmen ein Grafikkabinett, Verwaltungsräume und die Raumgruppe aus nischenartig unterteilten Ausstellungssälen auf.999

994 Beispiele für diesen zweiten Typ des additiven Kubenmuseums sind die Moderne Galerie (1965-76) in Saarbrücken von Hanns Schönecker, die Prähhistorische Staatssammlung (1973-75) in München von Helmut von Werz, Johann Christian Ottow und Michel Marx, das Museum „Quadrat“für die Werke Josef Albers (1975/76 und 1981-83) von Bernhard Küppers in Bottrop und das Museum Abteiberg (1976-82) in Mönchengladbach von Hans Hollein. Neuere Beispiele sind das Moderna Museet (1991-98) in Stockholm von Rafael Moneo und das Museum for Modern Art (1997-2002) in Fort Worth/Texas von Tadao Ando. Schubert 1986, 86-87, 106-107, 110-11; Mack 19992, 64-73; Chlimintzas 2004, 123-129, 123ff.; Zeiger 2006, 186-191; Naredi-Rainer 2004, 138-139; Desmoulins 2005, 132-135. 995 Lehmbruck 1942, 5, 20; Siegfried Nagel: Bauten für Bildung und Forschung – Museen – Bibliotheken – Institute (DBZ Baufachbücher 11), Gütersloh 1971, 66-70; Schubert 1986, 56-57; Ursula Baus: Funktionsbau – Veredelt, in: Baumeister 11 (2006) 74-81, 74. 996 Schubert 1986, 56. 997 Schubert 1986, 78f. 998 Nagel 1971, 44-47. 999 Nagel 1971, 45. 151

Bei der dritten Erweiterung des Museums (1985-86) in Duisburg nahm Manfred Lehmbruck das Prinzip der addierten Baukuben wieder auf.1000 Er entwarf einen Anbau, der aus drei Würfel besteht, die sich gegenseitig durchdringen. Der mittlere Kubus beherbergt im Erdgeschoss eine Verteilerhalle, welche die Besucher in die sich anschließenden Annexe leitet. Anders als in Pforzheim sind die drei Kuben jedoch gleich hoch und auch gestalterisch gleich behandelt. Das Motiv der optisch zurücktretenden Verteilerzone ist hier nicht gegeben. Vergleicht man die aufgeführten Beispiele mit dem Kirchner Museum in Davos, dann kann festgestellt werden, dass es den Typ des additiven Kubenmuseums ohne Einschränkungen verwirklicht und an den für diese Gruppe zentralen Bau des Reuchlinhauses anknüpft. Wie der Pforzheimer Museumsbau zeigt es die von Lehmbruck erstmals realisierte sehr klare Grundriss- und Aufrissdisposition, die aus den Elementen der im Plan rechteckigen Verkehrszone sowie den radial darum herum gruppierten Ausstellungskuben besteht. Der einzige Unterschied zum Reuchlinhaus liegt darin, dass die Kubenhäuser des Kirchner Museums sowohl optisch als auch funktional nicht als eigenständige Baukörper ausgestaltet sind, was der Tatsache entspricht, dass ihnen anders als in Pforzheim nicht unterschiedliche Funktionen zugeordnet sind. Durch die „All-Over"-Erscheinung der Fassaden und das einheitliche Materialkonzept wirken sie im Gegenteil als großes Ganzes, dass trotz des additiven Konzepts optisch nicht in einzelne Teile zerfällt. Das Kirchner Museum verwirklicht somit den hier untersuchten Typ in exemplarischer Weise. Wie bereits bemerkt, zeigt es eine besonders gradlinige Realisierung des additiven Prinzips, welches den Bau aus einzelnen Kuben von innen nach außen gedacht aufbaut. Die Absicht, unterschiedliche situative Begebenheiten in einer Baulösung zu berücksichtigen, führte nach Annette Gigon zur vorliegenden Lösung.1001 Zentraler Entwurfsgedanke war der Wunsch, trotz dauerhaftem Schnee in Davos Oberlicht für die Ausstellungsräume zu realisieren. Nur durch die hoch aufsteigenden Oberlichthäuser mit seitlich einfallendem Licht, d. h. durch einzelne aufsteigende Kuben, konnte eine 360°-Grad- Belichtung der Säle verwirklicht werden. In der realisierten Lösung kann der aufliegende Schnee der Dachflächen sogar noch als Isolationsschicht dienen. Zudem ermöglichte die zentrale Verkehrszone eine Trennung zwischen kontemplativen Räumen für die Betrachtung der Kunstwerke und einer Ruhe- und Sammlungszone mit Fenstern auf die umliegende Bergwelt. Ein weiterer Beweggrund war die Absicht, eine etwaige Erweiterung der Anlage

1000 Ingeborg Flagge: Museumsarchitektur 1985, Hamburg 1985, 43; Schubert 1986, 62-63. 1001 Interview mit Annette Gigon 27. Oktober 2006. 152 einzuplanen. Die lockere, radiale Anordnung der Ausstellungskuben um die Verkehrsfläche ermöglicht einen zukünftigen Ausbau der Anlage. Auch nach dem Kirchner Museum entstanden additive Museen mit konzentrischem Plan. Nicht ganz zehn Jahre nach dem Kirchner Museum wurde in Japan eine ungewöhnliche Variante des hier untersuchten Bautyps in Nakahechi durch das Architektenbüro SANAA realisiert.1002 Der Bau des Kunstmuseums (1995-97) besteht ebenfalls aus einem Mitteltrakt, an den vier kleinere, in ihren Grundrissformen unterschiedliche Anbauten angefügt sind.1003 Ein klassischer langrechteckiger Anbau versteckt in seinem Inneren zwei Ausstellungssäle nach Galerieschema. Ein schräg vom Mitteltrakt "ausstrahlender" Trakt nimmt Funktionen wie Verwaltung und Shop auf. Zwei weitere Anbauten, in Tropfenform und als kleiner Rechteckkubus, beherbergen die Gebäudetechnik und die Sanitärräume. Die Funktion der zentralen Verteilerzone scheint bei diesem japanischen Beispiel genau umgekehrt. Der Gast betritt über den Haupteingang direkt die mittige Ausstellungsfläche. Alle vom Mitteltrakt ausgelagerten Räume sind für den Besucher nicht oder nur sekundär von Interesse. SANAA sorgten somit durch die Wahl der Gestalt des additiven Kubenbaus dafür, dass die Ausstellungsfläche ins Zentrum gerückt wird und alle Nebenfunktionen nur als angeschobene Beibauten an den Mitteltrakt angehängt werden. Anders als beim Reuchlinhaus oder dem Kirchner Museum sind die Funktionen der additiven Anbauten genau umgekehrt.

5. Museumsgelände mit Satellitenbauten

Im Museumsoeuvre von Gigon/Guyer gibt es ein Museumsgebäude mit Satellitenbauten. Der archäologische Museumspark Kalkriese setzt sich aus dem Gelände als historischer Stätte, dem Museumsbau als Ausstellungsgebäude, seinem Aussichtsturm, den inhaltlich dem Museumsbau bzw. dem Gesamtthema zugeordneten Sinnespavillons und dem „Zeitfenster“, einem rekonstruierten Landschaftsfeld, zusammen. Architektonisch sind die Pavillons dem Hauptbau untergeordnet. Ihre Baugestalt, Einzelmotive (Aufständerung auf Stützen, Modul der Fassadenverkleidungsplatten, scharf eingeschnittene Eingänge und Öffnungen) und Materialisierung sind vom Hauptbau abgeleitet bzw. entsprechen den Motiven des Museumsbaus [Abb. 148, 160, 162, 165]. Auch inhaltlich funktionieren die Pavillons als auf jeweils einen Themenaspekt reduzierte Ableger des Hauptbaus.

1002 A.A.: Kunstmuseum in Nakahechi/Japan, in: Architektur + Wettbewerbe 179 (1999) 24-25, 24. 1003 Internetseite http://deu.archinform.net/projekte/7939.htm [Stand 3. März 2013]. 153

Der Typ des Museums mit zugeordneten Satellitenbauten ist innerhalb der Museumsarchitektur selten. Da der Museumsbau mit Satellitenbauten ein unbearbeitetes Thema der Architekturgeschichte ist, sollen im Folgenden Überlegungen zum Ursprung dieses Typs angestellt werden und im Weiteren Vergleichsbeispiele zusammengestellt werden, die aufzeigen, welche Ausformungen des Typs sich entwickelt haben. Museumsbauten entwickelten sich zunächst von untergeordneten Bauten im baulichen Zusammenhang einer Residenz (Antiquarium der Münchner Residenz, 1568-71, Jacopo Strada, Wilhelm Egkl1004) zu freistehenden Bauten, die einem Hauptgebäude zugeordnet sind (Gemäldegalerie Schloss Sanssouci, 1756-64, Potsdam, Johann Friedrich Büring1005). Später entstehen eigenständigen Solitäre (Museum Fridericianum, 1769, Kassel, Louis Simon du Ry1006). Üblicher Standort waren Innenstadtlagen, später auch Randlagen innerhalb neu im Rahmen des Städtewachstums des 19. Jh.s erschlossener Stadtteile, oftmals auf ehemaligen Wallanlagen (Musée Rath, 1824-26, Genf, Samuel Vaucher).1007 Ausgehend von privaten Sammlermuseen in den Parks von Villen (Galerieanbau an die Villa „Am Römerholz“ von Oskar Rheinhart, 1916, Winterthur, Maurice Turrettini [Abb. 88])1008 und auf der Grundlage weitläufigerer Bauplätze in den Stadtrandlagen entstanden erste Parkmuseen, d. h. Museumsbauten in Parkanlagen.1009 Als frühes Beispiel können die Entwürfe für das Kunstgebäude im Stuttgarter Stadtgarten (ab 1833) von Nikolaus von Thouret genannt werden.1010 Ein weiterer Schritt hin zu weitläufigen, agglomerierten Museumsanlagen in Parks vollzog sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit Bauten wie dem Louisiana Museum (Bau ab 1958, Humlebæk, Jørgen Bo, Vilhelm Wohlert) und der Fondation Maeght (1964, Saint-Paul- de-Vence/Alpes Maritimes, Josep Lluis Sert), die aus raumgreifenden Anlagen bestehen, die

1004 Pevsner 1976, 111, 113; Helmut Seling: Die Entstehung des Kunstmuseums als Aufgabe der Architektur, Diss. Freiburg 1952, 14-16; Naredi-Rainer 2004, 19. 1005 Klaus Dorst: Im Alter verehre ich Vergil – Zum Bau der Bildergalerie im Park von Sanssouci, in: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Die Bildergalerie in Sanssouci – Bauwerk, Sammlung und Restaurierung – Festschrift zur Wiedereröffnung, Mailand 1996, 11-26, 24; James J. Sheehan: Geschichte der deutschen Kunstmuseen – Von der fürstlichen Kunstkammer zur modernen Sammlung, München 2002, 60 ff.; Michael Seiler: Der Holländische Garten vor der Bildergalerie, in: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Die Bildergalerie in Sanssouci – Bauwerk, Sammlung und Restaurierung – Festschrift zur Wiedereröffnung, Mailand 1996, 113-130, 114 f. 1006 Seling 1952, 175-189; Pevsner 1976, 115; Wolfgang Plagemann: Das deutsche Kunstmuseum 1790-1870 (Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts 3), München 1967, 12-14, Abb. 5; Forssman 1986, 10-12. 1007 Armand Brulhart: De la genèse du Musée Rath et de son utilisation primitive, in: Le musée Rath a 150 ans (Kat. Musée d´art et d`histoire, Genf), Genf 1976, 37-51; André Corboz: La Place neuve, composition progressive, in: Le musée Rath a 150 ans (Kat. Musée d´art et d`histoire, Genf), Genf 1976, 9-36, 11 f.; Forssman 1986, 45. 1008 S. Kapitel A. IV. 3. c). 1009 Die Genese des Typs der Parkmuseen untersuchte Meike Leyde (2011, 54ff.); A.A.2 2000, 74. 1010 Plagemann 1967, 102-108, Abb. 105; Leyde 2011, 55. 154 die Natur mit einbeziehen.1011 In diesem Zusammenhang entstanden auch erste Nebengebäude innerhalb von Museumsparks wie der Rietveld-Pavillon (Ersterrichtung als Ausstellungspavillon für Skulpturen 1955, Arnhem; Wiederaufbau, Park Kröller-Müller Museum 1965, Gerrit Rietveld) im Skulpturengarten des Kröller-Müller Museums (1938, Otterlo, Henry van de Velde).1012 Als gewachsenes Ensemble ist der Bauzusammenhang des Rietveld Pavillons und des Kröller-Müller Museums nicht mit den später entstehenden konzeptuell angelegten Museen mit Satellitbauten zu vergleichen, er ist nur als Entwicklungsschritt zu mehrteiligen Museumsanlagen zu sehen. Ein planmäßig erstelltes Gelände mit Museum und Pavillons entstand Anfang der 80er Jahre mit dem Parc de la Villette (1982-86). Bernard Tschumi überplante die 35 ha große Fläche des ehemaligen Schlachthofs und Viehmarkts von Paris mit einem der Öffentlichkeit frei zugänglichen Park, der durch Kleinarchitekturen („Points“1013), ein Wegenetz („Lignes“1014) und Parkbereiche („Surfaces“1015) gestaltet wurde.1016 Die 26 rot gestrichenen „Folies“1017 folgen einem festgelegten Maß (L 25m x B 25m x H 10m) und dienen als begehbare Kleinarchitekturen, die teilweise Funktionen aufnehmen (Info-Pavillon, Café u.ä.). Das auf dem Gelände befindliche Wissenschaftsmuseum Cité des Sciences et de l`Industrie (1980-86) wurde in einem nie fertiggestellten Schlachthofbau untergebracht, der von Adrien Fainsilber seiner neuen Nutzung angepasst wurde.1018 Es steht in keiner direkten konzeptionellen Verbindung zum Parkgelände. Auch wenn die Architekturen des Parc de la Villette keinem Hauptmuseumsbau zugeordnet sind, sondern für sich selbst stehen, kann

1011 Literatur zum Louisiana Museum: Benedikt Huber: Museum Louisiana in Humlebaek bei Kopenhagen, in: Werk 2 (1959) 45-51; Michael Brawne: Neue Museen – Planung und Einrichtung, Stuttgart 1965, 80-83; Knud W. Jensen: Mein Louisiana Leben – Werdegang eines Museums, Klagenfurt 1991 (Originalausgabe Kopenhagen 1985); Naredi-Rainer 2004, 166-167. Literatur zur Fondation Maeght: Maria Netter: Die Fondation Marguerite et Aimé Maeght in St-Paul-de-Vence/Alpes Maritimes, in: Werk 6 (1965) 208-211; Quill Monroe: Galerie Maeght, St. Paul-de-Vence/Südfrankreich, in: Deutsche Bauzeitung 6 (1965) 478-480. Bonillo/Pousse 2011, 74- 81. 1012 Literatur zum Rietveld Pavillon: Marijke Küper/Ida van Zijl: Gerrit Th. Rietveld – The complete works, Amsterdam 1992, 266; Barbara Scheffran: Gerrit Thomas Rietveld 1888-1964 – Architektur und Design (Kat. Museum am Ostwall Dortmund), Dortmund 1996, 55; Ida van Zijl: Gerrit Rietveld – Die Revolution des Raums, Weil am Rhein 2012 (1. Aufl. London 2010), 166f.; Internetseite http://www.kmm.nl/research- project/2/27/Rietveld-paviljoen [Stand 12. September 2013]. Literatur zum Kröller-Müller Museum: Klaus- Jürgen Sembach/Birgit Schulte: Henry van de Velde – Ein europäischer Künstler seiner Zeit, Köln 1992, 386- 393. 1013 Alain Orlandini: Le Parc de la Villette de Bernard Tschumi, Paris 2002, 46. 1014 Orlandini 2002, 46. 1015 Orlandini 2002, 46. 1016 Orlandini 2002, 61, 63; Christoph Gunßer: In die Jahre gekommen – Parc de la Villette, in: Deutsche Bauzeitung 3 (2012) 45-48, 45. 1017 Die von Tschumi selbst gewählte Bezeichnung der „Folies“ knüpfen an die Tradition der im englischen Landschaftsgarten des 18. Jh. üblichen Staffagebauwerke der „Follies“. Tim Mowl: Folly, in: The Dictionary of Art 11 (1996), 242-243. 1018 Orlandini 2002, 23. 155

Tschumis Projekt gut mit dem Konzept von Gigon/Guyer in Kalkriese verglichen werden. Um das weite Areal zu bespielen, griff Tschumi auf ähnliche Gestaltungsinstrumente wie Gigon/Guyer zurück. Er überplante das Gelände durch ein Netz aus linearen und gewundenen Wegen und das Rastersystem der „Folies“, die ihrerseits das Gelände durch ihre Gleichartigkeit in Maß und Farbe zu einem großen Ganzen verbinden. Gigon/Guyer wählten später eine freiere Gestaltung der Fläche und gingen nicht nach einem festen Raster vor. Dennoch bedienten sie sich ebenfalls unterschiedlich charakterisierter Wege (inhaltlich den Römern bzw. den Germanen zugeordnet) und verbanden Pavillons, Grabungsfeld und Hauptbau durch eine einheitliche formale und materialmäßige Gestaltung. Eine grundlegend andere Gewichtung erhielten die Architekturen des Museum Insel Hombroich, das ab 1982 realisiert wurde. Es besteht aus mittlerweile 16 zum Museum gehörenden Pavillons, die sich im Gesamten zu einem „Organismus ganz eigener Qualität“1019 fügen, in dem kein Bau eine dominierende Stellung einnimmt.1020 Die Bauten sind locker über das Gelände verteilt und werden von ʺorganischʺ verlaufenden Kieswegen verbunden. Einige der Bauten bergen kein Ausstellungsgut, sondern stehen für sich selbst („Turm“, 1989, Erwin Heerich, Ausführung Hermann Müller). Andere beinhalten Galerieräume für Malerei oder Skulptur („Labyrinth“, 1985-86, Erwin Heerich, Ausführung Hermann Müller).1021 Die Kleinbauten werden durch einheitliches Material (rotbraune Ziegel), durch korrelierende Dimensionen der Baukörper und eine elementare Formensprache miteinander verbunden. Auch neu hinzukommende Pavillons werden in die bisher übliche Materialität eingereiht (Pavillon von Álvaro Siza, Rudolf Finsterwalder, erste Planungen 1995, weitere Planung und Bau 2006-08).1022 Eine Ausnahme ist der 2004 eröffnete Sichtbetonbau von Tadao Ando für die Langen Foundation.1023 Das Prinzip eines Hauptbaus mit untergeordneten Satellitbauten ist beim Aquarellmuseum in Skärhamn (1996-2000, Niels Bruun & Henrik Corfitsen) zu finden.1024 Dem Museum sind fünf am gegenüberliegenden Ufer einer Schärenbucht gelegene Künstlerateliers zugeordnet, die über einen Holzsteg mit dem Hauptgebäude verbunden sind. Die landschaftliche Szenerie der Bucht, die einheitliche hölzerne Fassadenverkleidung und

1019 Jürgen Braun: In die Jahre gekommen – Museum Insel Hombroich, in: Deutsche Bauzeitung 11 (2008) 68- 74, 69. 1020 Desmoulins 2005, 122-127, 124, 127; Internetseite http://www.inselhombroich.de/index.php/orte/ museum-insel-hombroich/gebaeude-und-skulpturen/ [Stand 26. Februar 2013]. 1021 Braun 2008, 69, 72. 1022 Kieran Long: Pavillon – Insel Hombroich Foundation Ruhr Valley Germany, in: Architectural Review 8 (2009) 59-65, 61. 1023 Desmoulins 2005, 122, 127. 1024 A.A.: Nordisches Aquarellmuseum in Skärhamn, in: Architektur & Wettbewerbe 202 (2005) 12-17, 13 [A.A. 20054]. 156 der Steg binden die fünf kleinen Atelierhäuschen an den dominierenden Hauptbau des Museums.1025 Wenig später realisierten Gigon/Guyer ihren Museumspark Kalkriese (1998-2002). Wie bereits bemerkt, können auf formaler Ebene durchaus Ähnlichkeiten mit den angeführten Vorläufern für Museumsanlagen mit Satellitbauten festgestellt werden. Gemeinsamkeiten ergeben sich durch die Tendenz, das Gelände mit einem Wegenetz, das teils programmatisch gedeutet wird (Parc de la Villette, Kalkriese), und durch motivisch und materialmäßig gleichartige Pavillons zu erschließen und zu einem großen Ganzen werden zu lassen. Tschumis programmatische Überplanung des Parc de la Villette kann ebenfalls mit dem abstrakten Konzept der Sinnes-Pavillons in Kalkriese verglichen werden. Auf der inhaltlichen Ebene ist der archäologische Park von Gigon/Guyer durch sein Konzept, die historische Begebenheit der Varusschlacht in abstrakter Art und Weise durch Architektur zu visualisieren bzw. für den Besucher erfahrbar zu machen, einzigartig. In der Nachfolge des Museumsparks Kalkriese entstand mit der Arche Nebra (2007, Wangen, Holzer Kobler Architekturen) ein archäologisches Museum bzw. Besucherzentrum, welches das Motiv des Aussichtsturms als Satellit zum Hauptbau zitiert.1026 In Ermangelung konkreter Exponate, die „Himmelsscheibe“ wird im Original im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle ausgestellt, inszenierte man mit einem genau am Fundort positionierten Aussichtsturm die Landschaft der Umgebung, die auf den kulturhistorischen Kontext der „Himmelsscheibe“ verweisen soll.1027 Bereits in Kapitel B. I. 3. wurde Peter Zumthors Projekt (Planung ab 2003) eines Zink- Minen Museums im norwegischen Sauda erwähnt.1028 Da die Publikationssituation zu diesem nicht fertiggestellten Projekt sehr schlecht ist, kann nur auf das Modell der Anlage verwiesen werden, das im Kunsthaus Bregenz 2007 ausgestellt wurde.1029 Es zeigte vier formal und materialmäßig gleichartige Pavillons, die auf schlanken Holzstützen an die steilen Hänge der Almanna-Schlucht gesetzt sind. Bis zur Publikation des Projekts darf man auf die konzeptuellen Hintergründe dieses Museums gespannt sein. Die gesammelten Vergleichsbauten zeigen, dass Museumsgelände mit Satellitenbauten innerhalb der Museumsarchitektur selten sind. Es wurden Kunst-, Wissenschafts- und

1025 A.A. 20056, 12f. 1026 A.A.: Touristische Erschließung der Himmelsscheibe von Nebra, in: Architektur + Wettbewerbe 202 (2005) 64-67, 67; A.A.: Arche Nebra – Besucherzentrum am Fundort der Himmelsscheibe von Nebra, In: Bauwelt 26 (2007) 3; Uffelen 2010, 310-311, 310. 1027 A.A. 2007, 3. 1028 Kunsthaus Bregenz 2007; Internetseite http://www.architecturetoday.co.uk/?p=24350 [Stand 3. März 2013]. 1029 Ausstellung „Peter Zumthor – Bauten und Projekte 1986-2007“, Kunsthaus Bregenz 2. Juni bis 9. September 2007. 157

Archäologische Museen gefunden, die sich dieses Typs bedienen. Auch innerhalb der Gruppe der Archäologischen Museen, die aufgrund eines Grabungsortes eine enge Verbindung zum Standort aufweisen können, wird der Typ des Museumsparks mit Nebengebäuden nicht häufiger umgesetzt als in anderen Sparten der Museumslandschaft.1030 Mit dem Parc de la Villette konnte ein Vorläufer gefunden werden, der aufgrund seiner programmatischen Natur und der verwandten architektonischen Mittel zur Gestaltung eines weitläufigen Geländes Ähnlichkeit mit dem Museumspark Kalkriese aufweist. Eine beispielhafte Wirkung scheint die Anlage von Gigon/Guyer auf das Besucherzentrum für die „Himmelsscheibe von Nebra“ mit seinem Aussichtsturm gehabt zu haben. Innerhalb des Werks von Gigon/Guyer nimmt der Typ des Museums mit Satellitbauten eine singuläre Stellung ein, da die Gestaltung der Anlage den situativen Anforderungen des Schlachtfelds in Kalkriese entspringt. Dennoch stellt das abstrakte Konzept des Sinnes-Pavillons eine bemerkenswerte architektonische Lösung des Problems dar, den Ort eines historischen Ereignisses visuell erfahrbar zu machen. Die inhaltlichen Dimensionen dieses Konzepts, die Schaffung eines Ortes mit architektonischen Mitteln, werden späterer (Kapitel B. III. 3.) untersucht.

6. Museum mit Turm

Ein die Gesamterscheinung wesentlich prägendes Baumotiv des Kalkrieser Museums ist der Turm. Über dem Nordende des langgestreckten eingeschossigen Museumsbaus erhebt sich der wie eine Wandscheibe aufsteigende Turm über 5 Geschosse. Eine einläufige zick- zack-artig durch die Breite des Turmes laufende Treppe bringt die Besucher zur obersten Aussichtsplattform, die mit einem Dach gedeckt ist. Von hier aus können die Besucher über das Gelände des archäologischen Parks blicken und die umliegende Landschaft überschauen. Vereinzelt ausgelassene Platten der Cortenstahl-Verkleidung des Turms legen die

1030 Auch in den letzten Jahren überwogen in der Gattung der Archäologischen Museen Bauten, die aus nur einem Gebäude ohne Satelliten bestehen. Beispiele sind das Lapidarium Eggenberg (2009) in Graz von BWM Architekten und Partner – Bernard Walten Moser Ziviltechniker GmBH oder das Archäologische Museum Aguntum (2005) in Dölsach/Österreich von Moser Kleon Architekten sein. Uffelen 2010, 128ff., 134ff. Üblich blieben weiterhin archäologische Museen mit Rekonstruktionen historischer Bauten. Ein Beispiel ist das Laténium (2001, La Tène/Neuchâtel/Schweiz) der Architekten Laurent Chenu, Bruce Dunning, Pierre Jéquier, Philippe Vasserot, Pieter Versteegh in Zusammenarbeit mit dem Atelier Oi. Auf seinem Gelände werden u.a. ein bronzezeitliches Haus, ein hallstattzeitlicher Grabhügel und eine römische Hafenanlage nachgebildet. Laurent Chenu: Laténium pour l`archéologie – Le nouveau Parc et Musée d`archéologie de Neuchâtel, Hauterive 2001; Christina Sonderegger: Der Geschichte Leichtigkeit verleihen, in: Werk, Bauen + Wohnen 6 (2002) 54-57; Marc-Antoine Kaeser/Denis Ramseyer: Laténium – Archäologiepark und -museum Neuchâtel, Hauterive 2011, 40f., 44. 158

Stahlkonstruktion frei und eröffnen den Blick auf die "kreuz und quer" laufende Treppe [Abb. 146]. Der Turm ist eigentlich ein Baumotiv, welches nicht zu den Kernfunktionen eines Museums gehört. Es stellt sich die Frage, warum und ab wann Museen mit Türmen auftauchen, wie die Türme angelegt sind und welche Funktionen sie im Gefüge des Museumsbaus übernehmen. In der Literatur zur Museumsbaukunst wird der Typ eines Museums mit Turm nicht behandelt. Sowohl in Publikationen zu den ersten eigenständigen Museumsbauten der 2. H. des 18. Jh.s als auch in den Forschungen zur Museumsarchitektur des 19. und 20. Jh.s gibt es keinen Autor, dem das Erscheinen von Türmen an Museumsbauten erwähnenswert scheint. Daher soll im Folgenden der Versuch einer ersten Einordnung unternommen werden. Die älteren architektonischen Nachschlagewerke ordnen den Turm überwiegend Sakral- und Wehrbauten zu. Ein Turm ist nach Wasmuths Baulexikon ein Bauwerk mit unterschiedlich gestaltetem Grundriss, „dessen Höhe ein Vielfaches der Grundfläche beträgt“1031. Es wird zudem bemerkt, dass der Turm aus dem Wehrbau stammt und „mit dem Erstarken des Bürgertums Türme [...] an bürgerlichen Bauten“1032 wie Rathäusern, Parlamenten oder Börsen auftauchen. Weitere „Sonderausbildungen“ habe es bei „Ausstellungsbauten“1033 gegeben, wobei hier vermutlich Bauten der Gewerbeausstellungen in der ersten Hälfte des 20. Jh.s gemeint sind. In den neueren Lexika wird ausgeführt, dass Türme „Bauwerke“ seinen, die an einen „anderen Baukörper angegliedert oder dem Hauptbau beigestellt sein können“1034. Hier wird somit betont, dass der Turm einen eigenen Bauteil darstellt, der sich vom Hauptbau abhebt. Wesentlich ist auch die Feststellung, der Turm sei „bis heute aktuelle Bauaufgabe geblieben“, da er „gesellschaftliche Grundfunktionen (Ausblick und Beobachtung, Empfang und Weitergabe von Signalen, Verteidigung)“1035 erfülle. Zudem sei der Turm als „repräsentatives Wahrzeichen“ oder „praktisch bedingt“1036 als Aussichtsturm auch in der Neuzeit aktuell geblieben.

1031 A.A.: Turm, in: Wasmuths Lexikon der Baukunst 4 (1932) 573-574, 573. 1032 A.A. 1932, 574. 1033 A.A. 1932, 574. 1034 A.A.: Turm, in: Lexikon der Kunst – Architektur – Bildende Kunst – Angewandte Kunst – Industrieformgestaltung Kunsttheorie 7 (1994) 459-460, 460 [A.A. 19942]. 1035 A.A. 19942, 459. 1036 A.A. 19942, 460. 159

Günther Binding unterscheidet in seiner architektonischen Formenlehre nur sakrale Turmtypen.1037 Dennoch weist er in seiner Einleitung darauf hin, dass dem Turm neben der reinen Zweckbezogenheit auch Symbol- und Repräsentationscharakter zukommt.1038 Für den Museumsbau kann daraus abgeleitet werden, dass ein Turm ein eigenständiger Bauteil über unterschiedlich gestaltetem Grundriss ist. Wie bereits bemerkt, muss seine Höhe seine Grundfläche übersteigen. Er kann am Hauptbaukörper oder separat daran angegliedert stehen und dient einem bestimmten Zweck, oftmals der Repräsentation. Im Gegensatz zum „vertikalen Museum“ sind beim Museum mit Turm die musealen Hauptfunktionen im Hauptbau untergebracht, Nebenfunktionen wie Aussichtsplattformen, Magazine, Seminarräume usw. können im Turm liegen. Erste annähernd als Türme zu bezeichnende Bauteile an Museen findet man in Form von überhöhten Mittelrisaliten. Das aus der barocken Schlossbaukunst stammende Motiv des Mittelrisalits wurde auch an den ersten Museumsbauten häufig als Auszeichnung des Haupteingangs verwandt. Die Überhöhung dieser optisch dominanten Bauteile kann als erster Schritt zur Verbindung von Ausstellungsbauten und Türmen angesehen werden. Beispiele für Museen mit überhöhten Mittelrisaliten und später auch "Risalittürmen" sind die 1811-14 entstandene Dulwich Picture Gallery in London von Sir John Soane, Gottfried Sempers Dresdener Gemäldegalerie (1847-55) oder das Kunsthistorische Museum in Wien (1872-89) sowie das mit einer neoromanischen Doppelturmfassade ausgestattete Natural History Museum (1871-81) von Alfred Waterhouse in London.1039 Diese Beispielreihe zeigt, wie der Mittelrisalit immer mehr überhöht wird. Vermutlich wollte sich die Institution Museum durch die Betonung dieses Baumotivs immer mehr in den wachsenden Städten des 19. Jh.s behaupten. Diese These wird von Achim Preis` Bemerkung gestützt, die Museumsbauten des ausgehenden 19. Jh.s hätten nicht mehr „freistehend auf einem innerstädtischen Grundstück“1040 wie ihre Vorgänger gebaut werden können, die „beengten Verhältnisse“1041 hätten zur Ausformung neuer architektonischer Motive geführt. Der mittenbetonte Museumsbau war nicht für jede Grundstücksform die optimale Baulösung, asymmetrische

1037 Günther Binding: Architektonische Formenlehre, Darmstadt 19984 (1. Aufl. 1978) 36-43. 1038 Binding 1998, 36. 1039 Claus Zoege von Manteuffel: Die Baukunst Gottfried Sempers 1803-1879, Diss. Freiburg 1952, 78 f.; Seling 1952, 146f.; Plagemann 1967, 131-144, 134 f., Abb. 150, Abb. 160; Pevsner 1976, 123f., 131, 133; Peter Murray: Dulwich Picture Gallery – A Catalogue, London 1980, 19 f.;Heinfried Wischermann: London – Kunst- und Reiseführer mit Landeskunde (Kohlhammer Kunst- und Reiseführer) Stuttgart 1985, 123f.; Beatrix Kriller/Georg Kugler: Das Kunsthistorische Museum – Die Architektur und Ausstattung – Idee und Wirklichkeit des Gesamtkunstwerks (Führer Kunsthistorisches Museum 42) Wien 1991; Waterfield 1991, 77; Sheehan 2002, 198-200; Cäcilia Bischoff: Das Kunsthistorische Museum – Baugeschichte – Architektur – Dekoration, Wien 2008. 1040 Preiß 1992, 31, 37. 1041 Preiß 1992, 31. 160

Pläne entstanden. Zudem mussten „neue Repräsentationselemente“ entwickelt werden, „die den Bedeutungsverlust eines großen Grundstücks ersetzen konnten“1042. Eines dieser neu aufkommenden Repräsentations-Motive ist der Turm, der Ende des 19. und Anfang des 20. Jh.s gehäuft in der Museumsarchitektur auftaucht, was die folgenden Beispiele zeigen werden. Das Schweizerische Landesmuseum in Zürich (1892-98) stattete der Architekt Gustav Gull mit einem Turm aus.1043 Es ist der erste Museumsbau mit agglomeriertem Grundriss. Dem asymmetrischen Plan entsprechend, wählte Gull für den höchsten Turm der Anlage nicht die bisher übliche mittige Lage. Er setzte ihn an den östlichen Nebenflügel an und imitierte so den Eindruck einer gewachsenen "Burganlage". Damit ist das Landesmuseum in Zürich der erste Museumsbau mit aus der Mitte des Baukörpers gerücktem Turm. Einen weiteren nicht mittigen Turm an einem Museum „ohne funktionale oder strukturelle Verknüpfung mit dem Hauptteil des Gebäudes“1044 findet man am Großherzoglichen Museum (1897-1902) in Darmstadt von Alfred Messel.1045 Der dreigeschossige Turm über quadratischem Grundriss steht an der Südostecke des Museums und markiert weithin sichtbar den Bau über einen Platz hinweg. Das Großherzogliche Museum ist ein weiteres frühes Beispiel eines Museumsbaus mit einer „gruppirten [sic] Bauanlage“1046, d. h. einem agglomerierten Grundriss.1047 Aufgrund der Ecklage des Grundstücks und des gegenüberliegenden Residenzschlosses setzte Messel einen Turm als „städtebaulichen Akzent“1048 an die Westecke der Schaufront. Zudem sollte der Turm eine Reminiszenz an einen älteren nie realisierten Entwurf für das sogenannte „Neuschloss“ (1722) des Architekten Remy de la Fosse sein, der einen hochaufragenden Turm beinhaltete und dessen hölzernes Modell in der Sammlung des Großherzoglichen Museums aufbewahrt wurde.1049 Inhaltlich wird dieser Turm als „Herrschaftssymbol“1050 und Bekräftigung der „Bedeutung des Herrscherhauses für das Museum“1051 gedeutet.

1042 Preiß 1992, 31. 1043 Deneke/Kahsnitz 1977, 184ff. 1044 Sheehan 2002, 260f. 1045 Gerhard Bott: Das großherzogliche Museum in Darmstadt – erbaut 1897-1902 von Alfred Messel, in: Hans Werner Grohn/Wolf Stubbe (Hrsg.): Museum und Kunst – Beiträge für Alfred Hentzen, Hamburg 1970, 1-24, 11f., Abb. 4; Walter Curt Behrendt: Alfred Messel, Berlin 1998 (1. Aufl. 1911) 74f.; Sheehan 2002, 260-262, 261. 1046 Originalzitat von Alfred Messel aus dem Erläuterungsbericht seines Entwurfs. Bott 1970, 8f. 1047 Preiß 1992, 37. 1048 Bott 1970, 11. 1049 Nach Bott (1970, 11f.) verbrannte das Modell 1944. 1050 Bott 1970, 12. 1051 Sheehan 2002, 261. 161

Das Märkische Museum (1898-1908) in Berlin von Ludwig Hoffmann erhielt einen mächtigen, in seiner Ausgestaltung an Westwerke erinnernden Turm, der den Eingang in dem zergliederten Großbau des Museums akzentuiert.1052 Ähnlich verhält es sich beim Bayerischen Nationalmuseum (1900) in München von Gabriel von Seidl.1053 An diesem ebenfalls riesigen Bau im Stil der Neorenaissance markiert ein turmbekrönter Risalit den Haupteingang. Auch am Neubau des Museum Fridericianum (1909-1913) in Kassel von Theodor Fischer wird der Eingang durch einen "Turmrisalit" ausgezeichnet.1054 Das Museum mit quadratischem Grundriss stellt den Endpunkt einer der Hauptstraßen Kassels, der Königsstraße, dar. Die Überbauung des Eingangs dient als „point de vue“ und „weithin sichtbares Wahrzeichen“1055. Einen dem agglomerierten Hauptbau an die Seite gestellten sehr hohen Turm erhielt 1925 das Deutsche Museum in München von Gabriel und Emanuel von Seidel.1056 Wie schon in der Namensgebung dieser eigentlich als normales Technikmuseum konzipierten Institution anklingt, hatte diese Museumsgründung hohe Ansprüche, die sich auch in dem 67 Meter hohen „Campanile“1057 ausdrückt. Gedacht war der Turm nach Preiß zudem dazu, physikalische Experimente zu ermöglichen.1058 1935 errichtete Adrianus van der Steur mit dem Boymans-Museum in Rotterdam einen asymmetrischen „ausladenden Komplex“1059 aus sechs Flügeln, dem ein im Grundriss in das Gebäude eingezogener, rechteckiger, geschlossen aufsteigender Turm beigestellt ist.1060 Der Turm dient wie bei den meisten der bereits genannten Beispiele der Akzentuierung des Haupteinganges.1061 Im Rahmen der geplanten Erweiterung der Berliner Museumsinsel im Jahr 1939 erarbeitete Wilhelm Kreis unter anderem einen Entwurf für ein Museum des 19. Jh.s.1062 Am Nordufer der Spree sollten mehrere Museumsbauten aufgereiht werden. An deren westliches Ende platzierte Kreis das Museum des 19. Jh., dessen westliche Ecke mit einem 90 m hohen

1052 Preiß 1992, 48. 1053 Preiß 1992, 47. 1054 Preiß 1992, 98-109, 98, 109. 1055 Preiß 1992, 99. 1056 Preiß 1992, 133-138, 133f., 137. 1057 Preiß 1992, 135. 1058 Preiß 1992, 135. 1059 Preiß 1992, 352; Egbert Koster: Museumsanbau in Rotterdam – Erweiterung des Museums Boymans van Beuningen in Rotterdam, in: Bauwelt 37 (1991) 2010-2013; Alexis Joachimides: Die Museumsreformbewegung in Deutschland und die Entstehung des modernen Museums 1880-1940 (Diss. Berlin 1994), Dresden 2001, 244f. 1060 J. v. D./J. B.: Het Museum Boymans te Rotterdam, in: Het R. K. Bouwblad 1 (1935/1936) 5; Preiß 1992, 3550-353, 351. 1061 Preiß 1992, 352. 1062 Preiß 1992, 249-295, 249, 254, 259ff., 274. 162

Turm besetzt werden sollte, der die Bautenreihe optisch abschloss.1063 Dieser Turm wird in der Literatur als erster Aussichtsturm an einem Museumsbau aufgeführt.1064 Aufgrund der schlechten Forschungslage muss leider unklar bleiben, ob auch andere Türme an Museumsbauten für Besucher geöffnet waren und als Aussichtspunkte dienten. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden keine Museumsbauten mit Turm mehr. Bevorzugt werden eingeschossige Flachbauten als oftmals gläsern transparent oder kubisch geschlossene bzw. rhythmisch gereihte Baukörper ohne herausragende repräsentative Einzelmotive.1065 Erst mit der Tendenz, die Institution Museum durch ihre Bauten zu inszenieren, kehrte das Motiv des Turms in die Museumsarchitektur zurück. Ein weiterer Grund für die Wiederkehr des Turms sind stadtferne Standorte der Museen in offener Landschaft, bei denen sich ein Aussichtsturm anbietet. An der Kunsthal Rotterdam (1987-1992) wurde das Motiv des Turms erstmals wieder eingesetzt. Der Versorgungsturm hat einen schmalrechteckigen Grundriss und steigt vier Geschosse über dem Flachdachbau des Museums auf.1066 Seine Stahlkonstruktion ist durch transparente Metallgitter verkleidet. Die Langseiten des Turms sind orthogonal zur Eingangsfassade und zur Fahrtrichtung der am Museum entlangführenden Hauptstraße gestellt, so dass die an den Turmseiten angebrachten großformatigen Werbetafeln für Passanten und Autofahrer gut zu erkennen sind. Besucherfunktionen hat der Turm nicht. Er dient nur als Gehäuse für die Versorgungsinstallationen und als überdimensionierte Werbetafel. Koolhaas wendet den Turm als urbanen Blickfang in der „fragmentierten [...] städtischen Umwelt“1067 an, zu der im vorliegenden Fall auch das bereits angeführte, auf der anderen Seite des angrenzenden Parks liegende Boymans-Museum gehört, welches ebenfalls einen Turm besitzt. Ein Beispiel eines Museumsbaus mit Turm in offener Landschaft stellt das Centre d`Art Contemporain (1988-91) auf einer Insel im Lac du Vassivière bei Vassivière-en- Limousin/Limousin von Aldo Rossi dar.1068 Der Architekt stellte an das Ende des schmalen nur aus einer Raumfolge bestehenden Museums einen 27 Meter hohen "Leuchtturm", von

1063 Preiß 1992, 254, 274. 1064 Preiß 1992, 260. 1065 Vgl. Schubert 1986; Nagel 1971. Der Verzicht auf monumentale Motive im Museumsbau der Nachkriegszeit entsprach der inhaltlichen Debatte um die Aufgaben und Funktionen der Institution Museum zu dieser Zeit. Schlagworte wie das „demokratische Museum“ oder das „Museum als Lernort“ verdeutlichen die damaligen Themen. Wilhelm Kücker: Kunst Museum Architektur, in: Ingeborg Flagge (Hrsg.): Museumsarchitektur 1985, Hamburg 1985, 10f. 1066 Basso Peressut 1999, 67, 68; Naredi-Rainer 2004, 162. 1067 Naredi-Rainer 2004, 163. 1068 Naredi-Rainer 2004, 168-169. 163 dem die Besucher aus den Blick über die Seenlandschaft genießen können. Der im Grundriss kreisförmige, im Aufriss kegelförmige Turm „macht das Museum zum Mittelpunkt des Sees“ und wirkt „in archetypischer Symbolik als Fanal“1069. Das Motiv des "Turmrisalits" an einem Museumsbau zitierte Alessandro Mendini erstmals für die 2. H. des 20. Jh.s am Groninger Museum (1990-94), welches auf einer Insel inmitten eines Kanals liegt.1070 Er entwarf einen im Grundriss streng rechteckigen, vollkommen geschlossen aufsteigenden Turmrisalit, den er an die Seite des Museumsgebäudes setzte. Der Baukörper ist mit goldgelben Kunststoffplatten verkleidet und wird auf seinem flachen Dach an allen vier Ecken durch spitz zulaufende Aufsätze dekoriert. Der goldgelbe Block nimmt im Erdgeschoss den Haupteingang auf, in den Geschossen darüber Magazinräume, weshalb der weithin sichtbare Bau als „Goldlager von Dagobert Duck“1071 bezeichnet wird. Ebenfalls eine Reminiszenz an das Motiv des Mittelrisalits stellt das Bonnefanten Museum (1992-94) in Maastricht von Aldo Rossi dar.1072 Das symmetrische Gebäude mit E- förmigem Grundriss liegt am Ufer der Maas und diente als „erster identitätsstiftender Bau“ in einem „von namhaften Architekten geplanten neuen Stadtquartier“1073. Um das Museum über die Maas hinweg zu markieren, setzte Rossi einen mit einer Kuppel bekrönten, mit Zinkblech verkleideten "Turmrisalit" vor die Mittelachse der flussseitigen Fassade. Im Inneren des Turms ist ein überkuppelter Ausstellungssaal untergebracht. Nach Naredi-Rainer soll Rossi ursprünglich geplant haben, den Besucher im Anschluss an den Rundsaal auf die Aussichtsterrasse des Turmes zu führen, um ihn „zum Fokussierungspunkt des Lichtes mutieren zu lassen“1074. Ein nur mit Abstrichen in diese Entwicklungslinie einzuordnender Bau ist die Tate Modern in London (1997-2000), da es sich dabei nicht um einen als Museum geplanten Bau, sondern um umgewidmete Industriearchitektur handelt.1075 Im Wettbewerbsverlauf entschied man sich bewusst für einen Projektentwurf, der den Turm stehen ließ.1076 Vergleichbar mit dem Bonnefanten Museum dient der Turm der Tate als Wahrzeichen der Institution, welches weithin über die Themse sichtbar ist. Im selben Jahr schufen die Architekten auch einen

1069 Naredi-Rainer 2004, 168. 1070 Vittorio Lampugnani/Angeli Sachs: Museen für ein neues Jahrtausend, München 1999, 108-115; Naredi- Rainer 2004, 28, 38, 42. 1071 Naredi-Rainer 2004, 38. 1072 Naredi-Rainer 2004, 78-79. 1073 Naredi-Rainer 2004, 78. 1074 Naredi-Rainer 2004, 79. 1075 Naredi-Rainer 2004, 226. 1076 Nach einem Interview von Gerhard Mack mit Herzog & de Meuron sollen andere Entwürfe, beispielsweise von Aldo Rossi, einen Abriss des Turms des Kraftwerksbaus geplant haben. Mack 19992, 42. 164

Entwurf für eine Erweiterung des Museum of Modern Art in New York. Aufgrund der städtebaulichen Lage entschieden sie sich, der Anlage einen Turm anzusetzen, der dem Bau mehr Prägnanz gegeben hätte. Er sollte sich ähnlich wie die vereinzelt in New York zwischen den Wolkenkratzern stehenden Kirchenbauten des 19. Jh.s gegen die Stahl-Glas-Giganten der Hochhäuser behaupten. Funktional war er als Büroturm für die Kuratoren gedacht.1077 Wieder ein Museum mit Aussichtsturm in naturnaher Lage und - wie in Kalkriese - mit inhaltlichem Bezug zur umgebenden Landschaft ist das Mashantucket Pequot Museum and Research Center (1998) in der Mashantucket Reservation im amerikanischen Bundesstaat Connecticut.1078 Das Museum der Kultur der Mashantucket Pequot Indianer nimmt die Grundform eines Indianer-Forts von 1637 auf, welches durch britische Soldaten eingenommen wurde. Ein 18 m hoher Aussichtsturm in offener Stahlkonstruktion, der nur von einer Seite durch Steinplatten verkleidet ist, ist dem Museum zur Seite gestellt. Er markiert den Eingang und ermöglicht den Besuchern eine Rundumsicht über das Gelände des Reservats, das so ein Teil der Ausstellung wird. Ebenfalls einen Landschaftsbezug hat der Turm des überwiegend unterirdisch angelegten „Vulcania“-Museums (2002) bei Saint-Ours-Les-Roches/Puy-de-Dômes von Hans Hollein.1079 Der als „Paraphrase“1080 eines Vulkans gestaltete Turm in Form eines Kegelstumpfs ist nur über eine schmale Passerelle mit dem Hauptbau verbunden. Die Besucher können über sie ins Innere des mit goldschimmernden Titanplatten ausgekleideten "Vulkan-Turms" gelangen, eine Aussicht ist jedoch nicht möglich. Ein Bezug zur Landschaft der Auvergne wird somit nur abstrakt durch die Form des Turmes hergestellt. Eine große motivische Ähnlichkeit zum Museum in Kalkriese besitzt das „Echigo- Matsunoyama Museum“ für Naturwissenschaften (2003) in Matsunoyama/Japan von Takaharu + Yui Tezuka Architects.1081 Das Museum liegt in einer für ihre strengen Winter bekannten Bergregion. Der eingeschossige Bau besitzt einen schlangenförmig gekrümmten Grundriss. Im Aufriss erscheint er als geschlossener, vollständig mit Cortenstahl umhüllter, langgestreckter Körper mit stark abgeschrägten Dachflächen, um dem in dieser Gegend über sechs Monate massiv fallenden Schnee keine Auflagefläche zu bieten.1082 Der ebenfalls vollständig mit Cortenstahl umhüllte Turm befindet sich am westlichen Ende des

1077 S. Interview mit Herzog & de Meuron in: Mack 19992, 39, 40f., 45. 1078 James Grayson Trulove: Designing the New Museum – Building a Destination, Gloucester 2000, 174-178. 1079 Naredi-Rainer 2004, 30; Zeiger 2006, 136-141, 139. 1080 Naredi-Rainer 2004, 30. 1081 A.A.: Naturwissenschaftliches Museum in Matsunoyama, in: Architektur + Wettbewerbe 202 (2005) 8-9 [A.A. 20054]; Zeiger 2006, 126-131, 127, 128. 1082 A.A. 20055, 8. 165

Museumsbaus. Ähnlich wie Kalkriese bildet er durch seine Höhe von 34 m einen starken vertikalen Kontrast zum sich in die Horizontale ausbreitenden Museumsbau.1083 Einen mit perforierten Kupferblechen verkleideten Turm schufen Herzog & de Meuron für das De Young Museum (2005) im Golden Gate Park in San Francisco.1084 Er stellt eine Reminiszenz an den 1989 von einem Erdbeben in Mitleidenschaft gezogenen Vorgängerbau dar.1085 In einem im Grundriss rechteckigen und in der Form eines umgekehrten Kegelstumpfes aufsteigenden 44 m hohen Turm sind die Seminarräume des Museums untergebracht. Von einer Aussichtsetage im oberen Turmdrittel können Besucher über die San Francisco Bay blicken. Es konnte gezeigt werden, dass der Typ des ʺMuseums mit Turmʺ sich aus dem Museumsbau mit Mittelrisalit entwickelt hat, der seine Wurzeln in der Palastarchitektur hat. Die Würdeformel des Mittelrisalits diente vor allem der Mittenbetonung der symmetrisch angelegten Museumsbauten und der Akzentuierung des Haupteingangs. Wie bereits herausgearbeitet wurde, nimmt die Höhe und optische Präsenz der Mittelrisalite im Verlauf des 19. Jh.s zu. Dabei kann vermutet werden, dass aufgrund der städtischen und institutionellen Entwicklungen des 19. Jh.s die Museumsbauten mehr und mehr mit anderen Bauten, auch anderen Bildungsinstitutionen wie Theatern u.ä., konkurrieren mussten. Wie Achim Preiß bereits bemerkte, bildeten sich neue Motive heraus, der Turm kann als eines dieser neuen Repräsentationselemente verstanden werden. Mit dem Auftreten erster asymmetrischer Museumsgrundrisse bzw. mit dem Abnehmen städtischer Bauplätze verliert sich das Motiv des Mittelrisalits am Ende des 19. Jh.s. Die Türme werden den Museumsbauten nun auch an die Seite gestellt. Hauptaufgabe der Türme wird die Repräsentation. Durch die vorliegenden Beispiele in Zürich, Darmstadt und München wird deutlich, welch enger Zusammenhang zwischen der Lage des Baus und dem Auftreten von Türmen besteht. In Zürich weist der Turm den Weg vom Bahnhof zum Landesmuseum und strahlt weithin über die Limmat hinweg zur Altstadt. In Darmstadt löst der Turm die in der Museumsbaukunst neue Ecksituation an einem städtisch belebten Platz, und in München dient er dem auf einer Insel in der Isar liegenden Deutschen Museum als Blickfang. Einen ersten Aussichtsturm an einem Museum finden wir an Wilhelm Kreis` Entwurf für ein Museum des 19. Jh. in Berlin.

1083 A.A. 20055, 9. 1084 Rob Gregory: H & DM`s De Young Maturity, in: Architectural Review 7 (2005) 24-25; Jochen Paul: Camouflage – Herzog & de Meurons Neubau des De Young Memorial Museum in San Francisco, in: Baumeister 12 (2005) 14-15; Uffelen 2010, 127; Internetseite www.baunetzwissen.de/objektartikel/Fassade_De- Young-Museum-San-Francisco_70592.html [Stand 3. März 2013]. 1085 Paul 2005, 14. 166

Wie erwähnt, scheuten die Museumsbauten der Nachkriegszeit repräsentative Gesten. Türme kamen bis Ende der 80er Jahre nicht vor. Erst mit der Tendenz zur Inszenierung der Institution Museum sowie der Ausweitung ihrer Aufgabenbereiche hin zu mehr Freizeit- und Eventcharakter tauchten wieder Türme an Museumsbauten auf. Innerhalb der Museen mit Türmen in der Nachfolge der Kunsthal können verschiedene Gruppen ausgemacht werden. Weiterhin dient der Turm als werbewirksames Repräsentationsmotiv. Wie auch schon bei den Vorgängerbauten der 1. H. des 20. Jh.s spielt dabei der Bauplatz eine große Rolle. In Rotterdam stellt der Turm in erster Linie eine Werbefläche und einen Blickfang am Maasboulevard dar. In Groningen und Maastricht dienen die Türme, welche sich deutlich an das traditionsreiche Motiv des Mittelrisalits anlehnen, den an Flussufern oder auf Inseln gelegenen Museen als optische Hervorhebung. Zum anderen bilden sich Museen heraus, die nicht innerhalb von Städten, sondern in offener Landschaft liegen. Einige dieser naturnahen Museumsbauten haben von ihren Architekten Türme an die Seite gestellt bekommen, die überwiegend als Aussichtstürme dienen. Beispiel hierfür waren die Bauten am Lac du Vassivère, in Matsunoyama oder eingeschränkt in San Francisco. Diese Museen nutzen ihre Lage als Standortfaktor und weiteren Besuchermagneten und ermöglichen es ihren Gästen, den Ausblick über die Umgebung zu genießen. Daneben gibt es noch die Sonderausformung, dass bei diesen "Landschafts-Museen" auch ein inhaltlicher Bezug zur umgebenden Umwelt besteht. Beispiele hierfür sind das Mashantucket Pequot Museum, das Vulcania Museum und der Musemsbau in Kalkriese, bei denen die im Museumsbau ausgestellten Objekte und Inhalte in direktem Zusammenhang mit der umgebenden Landschaft stehen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Museum in Kalkriese ein besonders gutes Beispiel für einen Museumsbau mit inhaltlichem Bezug zur Landschaft ist. Der Turm in Kalkriese stellt eine Einladung an den Besucher dar, das im Museum erlangte Wissen über die Varusschlacht bei dem sich an den Museumsrundgang anschließenden Ersteigen der Aussichtsplattform ein erstes Mal zu reflektieren. Ein weiterer inhaltlicher Bezug des „martialischen Motivs“1086 des Turms ergibt sich aus der Konnotation mit Wachtürmen oder Jagdhochsitzen. Nach Annette Gigon stellte diese inhaltliche Assoziation einen weiteren Beweggrund für das Architektenteam dar, den Kalkrieser Museumsbau mit einem Turm auszustatten.1087 Hinzugefügt werden muss, dass der Turm in Kalkriese formal große Ähnlichkeit mit dem Versorgungsturm der Kunsthal in Rotterdam hat. Beide Türme sind schmal aufsteigende "Wandscheiben" über langrechteckigem Grundriss und mit Metallplatten

1086 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1087 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 167 verkleidet. In Rotterdam ergibt sich die Semitransparenz aus Gitterblechen, in Kalkriese aus den ausgesparten Cortenstahl-Feldern.

7. Erweiterungsbauten – Pavillon-Typ, unterirdische Erweiterung und additiver Anbau

Im Werk von Gigon/Guyer stellen mehrere der ausgeführten und eine beachtliche Anzahl der projektierten Entwürfe Erweiterungen dar. Realisierte Erweiterungsbauten sind der Anbau an das Kunstmuseum Winterthur sowie an die Sammlung Oskar Reinharts [Abb. 81, 89]. Projekte für Erweiterungen entstanden für das Nelson-Atkins-Museum, Kansas City, das Kunstmuseum Basel, das Museum Rietberg sowie das Schweizerische Landesmuseum in Zürich, das Kunstmuseum Tel Aviv, das Museum Folkwang in Essen und das Westfälische Landesmuseum in Münster [Abb. 281, 289, 296, 302, 306, 319, 312]. Je nach Lage und Ausgangssituation haben diese Anbauten unterschiedliche Grund- und Aufrisse. Sie folgen keinem einheitlichen formalen Typ, sondern stellen individuelle Lösungen der situativen Anforderungen des jeweiligen Auftrags dar. Die Häufigkeit von Erweiterungsbauten im Oeuvre der beiden Architekten kennzeichnet die Situation der Museumsbaukunst im ausgehenden 20. Jh. Die vergleichsweise "junge" Bauaufgabe Museum hatte ein Stadium erreicht, in dem die Vergrößerung der bestehenden Altbauten zu einem zentralen Thema wurde. Der Museumsbauboom der letzten drei Jahrzehnte teilt sich - vereinfacht betrachtet - in zwei Hauptgruppen: den Neubau von Einzelgebäuden und die Erweiterung bestehender Museen durch Anbauten. Die Gruppe der Neubauten fand in der bisherigen Forschung zur Museumsarchitektur große Beachtung, was an den zahlreichen Überblickswerken sowie Einzelmonografien zu sehen ist.1088 Die Gruppe der Erweiterungen wurde bisher stark vernachlässigt. Selbst wenn in einigen Publikationen Erweiterungsbauten aufgeführt werden, beschränken sich diese vornehmlich auf die spektakulären Bauten. Unscheinbare, in ihrer architektonischen Erscheinung zurücktretende Erweiterungen wurden außer Acht gelassen. Schon eine Übersicht über die Museumserweiterungen der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aufzustellen ist eine mühsame Arbeit, da die Bauten meistens nur zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung durch kurze Beiträge in Fachzeitschriften vorgestellt wurden und es keine Überschau gibt. Eine Untersuchung zum Thema des Erweiterungsbaus fehlt bis auf einen

1088 James Steele: Museum Builders, Berlin 1994; Justin Henderson: Museum Architecture, Gloucester 1998; Schubert 1986; Naredi-Rainer 2004; Raul A. Barreneche: New Museums, London 2005; Desmoulins 2005. 168

Ansatz eines dänischen Autors bisher.1089 Eine Untersuchung der Problematik von Museumserweiterungen veröffentlichte 1995 Josep M. Montaner.1090 Er besprach nur eines der Kernprobleme, das Verhältnis von Neubau zu Altbau, und unterschied keine formalen Typen.1091 Ungeachtet der schlechten Forschungslage ist die Erweiterung von Museen aktuell ein Hauptthema der Museumsarchitektur. Es liegt in der Natur des Sammlungswesens, dass die in den ersten Gründungswellen geschaffenen Bauten des 19. Jh.s sowie der zweiten Hälfte des 20. Jh.s Erweiterungen brauchten.1092 Zudem kamen in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s zu den klassischen Museumsfunktionen Sammeln und Bewahren weitere hinzu, die neue Räume verlangten.1093 Auch in Zukunft müssen die ʺAltmuseenʺ und auch die Neubauten durch Erweiterungen vergrößert werden. Vor allem angesichts der Flut der seit den 80er Jahren entstandenen Museen liegt die Frage nahe, wie lange dieser Neubauboom noch anhalten kann und ob der Um-, Aus- oder gar Rückbau bestehender Häuser ein zentrales Arbeitsfeld zukünftiger Museumsarchitekten sein wird. Es soll zunächst die Forschungslage zu Museumserweiterungen referiert werden. In Anlehnung an die Ansätze zur Typenbildung in der vorhandenen Literatur werden dann die grundlegenden Typen charakterisiert und die Erweiterungsprojekte von Gigon/Guyer eingeordnet. Ein Beitrag zur Erweiterungsarchitektur stammt von Peter Thule Kristensen aus dem Jahr 2005. Er stellte fest, dass eine Entwicklung in Richtung einer "fragmentarischen Architektur" aufgrund der Erweiterungsnotwendigkeit vieler Bauten unumgänglich sei und in Zukunft zunehmen werde.1094 Der Autor teilte Anbauten in drei Kategorien ein. Er unterschied zwischen dem architektonisch autonom in Erscheinung tretenden „Pavillon“1095, der meist durch einen Verbindungstrakt an den Hauptbau angeschlossen ist, und dem unterirdischen Erweiterungsbau („Cave“1096), der nur durch wenige Bauteile oberirdisch sichtbar wird.1097 Einen dritten Typ nennt Kristensen „Junction“: das ist ein bestehende

1089 Peter Thule Kristensen: Fragmentarisk Arkitektur – Fragmentary Architecture, in: Arkitektur DK 2 (2005) 94-99. 1090 Montaner 1995, 36-60. 1091 Montaner 1995, 36ff. 1092 Montaner 1995, 36. 1093 Neue Funktionsbereiche in Museen sind größere Eingangshallen mit Garderoben und Schließfächern, Shops, Cafés, Seminarräume, Auditorien, Räume für museumspädagogische Angebote, eine größere Anzahl an Verwaltungsräumen oder größere Bibliotheken. Montaner 1995, 36. 1094 Kristensen 2005, 94. 1095 Kristensen 2005, 96f. 1096 Kristensen 2005, 95f. 1097 Kristensen 2005, 97. 169

Bauten verbindender oder an einen Hauptbau additiv hinzugefügter Bauteil.1098 Er betonte, dass dieser Typ kein feststehender formaler sei und nur selten einen allseitig vollplastischen Baukörper herausbilde.1099 Dabei würde sich die „Junction“ in den Kontext fügen „without overplaying with photogenic effects“1100. Peter Thule Kristensens Typeneinteilung ist ein brauchbarer Ausgangspunkt zur Erfassung der wesentlichen Merkmale von Erweiterungsbauten. Eingangs wurde bereits erwähnt, dass Erweiterungsbauten oft individuelle Lösungen darstellen, die nur schwer in eine stringente formale Entwicklungslinie eingeordnet werden können. Die Grundlage von Kristensens Typeneinteilung ist die Positionierung des Anbaus sowie dessen formale und gestalterische Autonomie. Eine detailliertere Unterscheidung der Erweiterungsbauten nach Einzelmotiven (Grundriss- und Aufriss, Gestalt des Baukörpers) wäre möglich, ist aber nicht erforderlich.

Der "Pavillon" ist die am weitesten verbreitete Erweiterungslösung für Museumsbauten. Unter einem "Pavillon-Erweiterungsbau" soll ein mit einem Altbau durch eine Galerie bzw. Passerelle oder ein unmittelbar angebundener Baukörper mit Gebäudecharakter verstanden werden.1101 Die frühesten Beispiele dieses Typs sind Erweiterungen öffentlicher Museen wie der Anbau (1915-21) an das Städel in Frankfurt.1102 Der von Hermann von Hoven und Franz Heberer entworfene, in seinen Ausmaßen an den Altbau angepasste Flügel liegt parallel zu diesem auf dessen Rückseite zum Garten hin orientiert.1103 Auch zur Erweiterung der Staatlichen Museen Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem wählte man das Pavillon-Prinzip.1104 Hinter den Ursprungsbau (1911) von Bruno Paul und dem Anbau der Skulpturengalerie (1962-65) von Wils Ebert setzte man 1964-70 einen Anbau (Wils Ebert, Fritz Bornemann) aus mehreren durch mehrgeschossige, schmale Verbindungstrakte verbundenen Pavillons, die symmetrisch auf

1098 Kristensen 2005, 97f. 1099 Kristensen 2005, 98. 1100 Kristensen 2005, 99. 1101 Das Bildwörterbuch der Architektur zieht als Definitionsgrundlage eines Pavillons das eigene Dach heran. A.A.: Pavillon, in: Hans Koepf/Günther Binding (Hrsg.): Bildwörterbuch der Architektur (Kröners Taschenausgabe 194), Stuttgart 19993, 347f. 1102 Internetseite www.staedelmuseum.de/sm/index.php?StoryID=1396 [Stand 3. März 2013]. 1103 Nagel 1971, 64, 65. 1104 Schubert 1986, 69-75, 69. 170 den Altbau bezogen sind.1105 Die geschlossen wirkenden Kuben sind mit Betonplatten verkleidet und treten formal hinter den Ursprungsbau zurück. Um den 1907 fertiggestellten Galeriebau der Kunsthalle Mannheim von Hermann Billing zu erweitern, ging man wie bei der Erweiterung des Städels oder der Staatlichen Museen Berlin vor. Rückseitig des Altbaus platzierte man einen zwar schmaleren aber tieferen Rechteckbau (1978-83), der optisch hinter dem Ursprungsbau verschwindet. Eine Art verbreiterter Gang verbindet die Erweiterung mit dem Ursprungsbau.1106 Der in Kapitel B. I. 8. a) näher beschriebene Erweiterungsbau an das Kunstmuseum in Bern ist ein gutes Beispiel für eine sich unterordnende, aber nicht stilistisch angepasste Vergrößerung. Der zur Straßenseite hin zweigeschossige Baukörper schließt direkt an den Bau des 19. Jh.s an.1107 In seinem Volumen steht er dem Ursprungsbau nur geringfügig nach.1108 Trotz der eigenständigen Sprache des 1979-84 entstandenen Gebäudes tritt es nicht in Konkurrenz zum Hauptbau, sondern erscheint als eigenständige, aber zurückhaltende Erweiterung. Die konzeptuelle Einfachheit des Pavillon-Baus wurde auch beim Josef-Alber- Museum in Bottrop genutzt.1109 Bernhard Küppers stellte seinem knapp zehn Jahre früher gebauten, aus mehreren Kuben bestehenden „Quadrat“ (1975-76) 1981-83 einen weiteren an die Seite, der sich problemlos an den Komplex anfügt.1110 Eine Passerelle auf Höhe der Ausstellungsebene stellt die Verbindung zum Altbau her. Zur Erweiterung (1985-86) des Wilhelm-Lehmbruck-Museums in Duisburg wählte der Sohn des darin ausgestellten Künstlers, Manfred Lehmbruck, ebenfalls den "Pavillon- Typ".1111 Der Anbau ist zum Altbau auf Eck gestellt, sodass der Neubau auch zum Skulpturenhof der beiden ersten Bauabschnitte hin orientiert ist.1112 Eine auf Höhe des ersten Obergeschosses gelegte ʺBrückeʺ leitet die Besucher vom Alt- in den Neubau. Einen sich unterordnenden Pavillon-Anbau stellte man der National Gallery in London mit dem Sainsbury Wing (1988-91) von Robert Venturi und Denise Scott Brown an die Seite.1113 In prominenter Lage neben dem Altbau am Trafalgar Square entschied man sich für einen stilistisch angepassten Erweiterungsbau, der sich in seiner Fassadengliederung und

1105 Schubert 1986, 69, 71ff. 1106 Flagge 1985, 30; Schubert 1986, 144. 1107 Ulrike Jehle-Schulte Strathaus: Entwurf eines Ortes der das Kunstwerk respektiert, in: Werk, Bauen und Wohnen 1/2 (1984) 4-9, 4ff.; Fecker 1986, 155; Achleitner 2000, 85. 1108 Jehle-Schulte Strathaus 1984, 4ff. 1109 Flagge 1985, 34f.; Schubert 1986, 106f. 1110 Schubert 1986, 107. 1111 Flagge 1985, 43; Schubert 1986, 61, 62, 63. 1112 Schubert 1986, 62. 1113 Montaner 1995, 54-59, 54, 59. 171

Geschosseinteilung am Altbau orientiert und die Dekorationselemente der Altbaufassade in vereinfachter Form zitiert. Die Verbindung zum Hauptbau erfolgt über einen kleinen, im Grundriss runden Verbindungsbau in beiden Hauptgeschossen des Anbaus: ebenerdig über das neue Eingangsfoyer sowie im ersten Obergeschoss auf Höhe der Galerieebene.1114 Ein Beispiel für einen kontrastierenden Anbau ist das Felix-Nussbaum-Museum (1998) in Osnabrück von Daniel Libeskind.1115 Der aus drei diagonal verschränkten Flügeln bestehende Bau bildet die Form eines asymmetrischen Dreiecks, welches mit einem seiner Flügel an der Ostseite des Kulturgeschichtlichen Museums ansetzt und sich dann hinter dem Altbau durchzieht. Der Verbindungsflügel setzt nicht vollständig am Altbau an, sondern scheint leicht verschoben an die Altbauflanke angestellt. Nur ein schmaler Durchgang stellt die tatsächliche Verbindung her. Durch seine zersplitterte Gesamtform, den Materialwechsel der Fassadenverkleidungen der drei Bautrakte sowie die asymmetrischen Fensteröffnungen hebt sich der Neubau deutlich vom Altbestand ab und wirkt wie ein dem Kulturgeschichtlichen Museum angesetzter kontrastierender Fremdkörper.1116 Dies entspricht zum einen der inhaltlichen Trennung der beiden Institutionen, zum anderen der Idee des Gebäudes, das Schicksal des von den Nationalsozialisten verfolgten und ermordeten Künstlers Felix Nussbaum zum Ausdruck zu bringen. Ein aktuelles Beispiel einer Erweiterung ist der Anbau (2003) an das Aargauer Kunsthaus in Aarau/Aargau/Schweiz von Herzog & de Meuron.1117 Der eingeschossige Flachbau ist neben das über einem rechteckigen Grundriss aufsteigende Kunsthaus an den Aargauerplatz gesetzt. Zurückhaltend, aber mit eigener Architektursprache ordnet sich die Erweiterung sowohl optisch als auch höhenmäßig unter. Typisch für die modernen Erweiterungsbauten stellt der neue Bau Platz für einen Eingang sowie die damit verbundenen Besucherfunktionen zur Verfügung. Die Auswahl der Beispiele zeigt, dass Pavillon-Erweiterungen in verschiedenen Ausformungen bestehen. Zum einen unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Positionierung, verbreitet liegen sie hinter oder neben dem Altbau. Die klassischen freistehenden Galeriemuseen mit langrechteckig in die Breite gedehntem Grundriss haben ihren Anbau meist hinter den Ursprungsbau gelegt, so dass er in der Hauptansicht nicht in Erscheinung

1114 Montaner 1995, 57ff. 1115 Newhouse 1998, 96f. 1116 Newhouse 1998, 96. 1117 Hubertus Adam: Erweiterung des Aargauer Kunsthauses, in: Bauwelt 5 (2004) 4 [Adam 20041]; Lilian Pfaff: Ortsbeschreibung – Zum Erweiterungsbau des Aargauer Kunsthauses von Herzog & de Meuron und Rémy Zaugg, in: Stephan Kunz/Gerhard Mack/Beat Wismer (Hrsg.): Ein Kunst Haus – Sammeln und Ausstellen im Aargauer Kunsthaus, Aarau 2007, 266-273; Internetseite http://www.aarauinfo.ch/en/03_art_and_culture/01_ museums/aargauerkunsthaus_en.php. 172 tritt. Beispiele hierfür sind das Städel, die Staatlichen Museen Berlin, die Kunsthalle Mannheim sowie eingeschränkt auch das Felix-Nussbaum-Museum. Die zweite Möglichkeit ist die Positionierung des Anbaus in prominenter Lage und deutlich sichtbar neben dem Altbau. Diese Variante sehen wir bei Museen im urbanen Gefüge ohne Parkanlage o.ä. wie dem Kunstmuseum in Bern und der National Gallery in London. Die Wahl des Standortes der Erweiterung wird vermutlich nicht nur konzeptionelle, sondern auch grundlegende praktische Gründe wie Raumnot haben. Zu solchen grundlegenden Voraussetzungen werden in der Literatur jedoch selten Aussagen gemacht. Mit der Positionierung des Anbaus sind, wie bereits angeschnitten, auch seine optische Gewichtung sowie sein Auftreten gegenüber dem Ursprungsbau verbunden. Wie bereits Montaner ausführte, sind hier zwei grundlegende Haltungen möglich. Erstens die unterordnende Erscheinung, die dem Altbau durch eine formale Anpassung (Gebäudesymmetrie, Gebäudehöhe, Geschosseinteilung, Dachform, Material u.ä.) den optischen Vorrang lässt. Dabei kann weiter unterschieden werden zwischen Anbauten, die formal und stilistisch angepasst sind, indem sie beispielsweise die Fassadengliederung oder - dekoration des Anbaus zitieren (Sainsbury Wing) und Anbauten, die eine eigenständige Architektursprache besitzen und nur durch ihre zurückhaltende Erscheinung dem Altbau den Vorrang lassen (Aargauer Kunsthaus). Die weitere Möglichkeit ist eine kontrastierende Haltung, die den Anbau deutlich als neu hinzugefügten Trakt oder gar Fremdkörper inszeniert (Felix-Nussbaum-Museum). Betrachtet man die Beispielsreihe, dann kann festgestellt werden, dass überwiegend untergeordnete bzw. angepasste Erweiterungen realisiert wurden. Die Verbindung zum Altbau ist ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der Pavillon- Anbauten. Entweder die Bauten setzen direkt am Altbau an und sind mit ihm durch eine gemeinsame Wandfläche verbunden (Kunstmuseum Bern), oder sie werden durch meist flachere Verbindungsbauten (Staatliche Museen Berlin) oder Gänge bzw. Passerellen verknüpft. Diese können nur einen Verbindungsweg haben (Erweiterung Kunstmuseum Winterthur) oder mehrgeschossig angeschlossen sein (Sainsbury Wing). Die eingeschossigen Verbindungen liegen häufig auf Höhe des ersten Obergeschosses, da sich die Ausstellungsräume in den Ursprungsbauten meist in der Beletage befinden (Wilhelm Lehmbruck Museum, Erweiterung Winterthur). Ein Vorteil der schmalen Verbindungsgänge bzw. Passerellen ist die Minimierung von baulichen Eingriffen in den Bestand des Altbaus sowie die Möglichkeit, dass ein Pavillon-Anbau ohne größere Schäden auch wieder revidiert werden kann.

173

Im Werk von Annette Gigon und Mike Guyer kommen unterschiedliche Ausformungen des Pavillon-Typs vor. Der einzige realisierte Pavillon-Anbau ist die Erweiterung an das Kunstmuseum in Winterthur. Die Vorgaben des Wettbewerbs machten den Pavillon-Typ zur bestmöglichen Lösung. Als Bauplatz kam nur die hinter dem Altbau liegende „Liebewiese“ in Betracht, auf der ein Anbau zudem die Hauptansicht des Museums von Rittmeister & Furrer nicht beeinträchtigt. Die einläufige Passerelle löst das Problem der Verbindung zwischen Altbau und Erweiterung, wie bereits erläutert, ohne weitreichende Eingriffe in den Altbau, die nach der ursprünglich geplanten Demontage des "Provisoriums" unerwünscht gewesen wären. Hinsichtlich des Verhältnisses von Altbau und Erweiterung nimmt die aufgeständerte Halle von Gigon/Guyer eine eigenständige, aber dezente Haltung ein. Diese Zurückhaltung wurde auch durch die Baukommission gelobt, welche „die bauliche Priorität das Altbaus“1118 gewahrt sehen wollte. Auch die dem Pavillon-Typ folgenden Projekte machen sich die Charakteristika dieser Erweiterungsform zunutze. In Basel sahen die Architekten die passende Möglichkeit, zusätzliche Ausstellungsfläche zu schaffen, darin, einen Pavillon in den Garten hinter dem Kunstmuseum und dem Laurenzbau zu setzen, der nur durch einen Verbindungsgang in den bestehenden Bau eingegriffen hätte und aufgrund seiner versteckten Lage nicht in visuelle Konkurrenz zum Originalbau getreten wäre [Abb. 288]. Ebenfalls durch einen schmalen Verbindungsgang bindet der Entwurf die Erweiterung des Folkwang-Museums Essen an den Altbau an [Abb. 319]. Der aus mehreren Kuben nach dem Prinzip des Kirchner Museums in Davos geordnete Komplex musste auf den einzig möglichen Platz vor die Eingangsfassade des Ursprungsbaus gesetzt werden. Der Verbindungskorridor stellt die einzige moderate oberirdische Lösung dar, welche die Hauptansicht des Ursprungsbaus nicht grundlegend stört. Über Eck an den Altbau angesetzte Erweiterungen schlugen die Architekten für das Schweizerische Landesmuseum in Zürich, das Landesmuseum in Münster und das Museum für Kunst und Design in Ingolstadt vor [Abb. 302, 312, 287]. Die Über-Eck-Lösung ermöglicht ähnlich wie die Korridore oder die Passerellen eine minimale Überschneidung von Alt- und Neubau, da sich die beiden Baukörper nicht an den flächig ausgedehnten Bauteilen, sondern an den oberflächenarmen Ecken verbinden. Hinsichtlich der Anpassung der Erweiterungen an die Altbauten wählten Gigon/Guyer fast ausschließlich eine eigenständig entschiedene, aber zurückhaltend leise Architektursprache. Alle aufgeführten Projekte zeigen flächig geschlossene Fassaden aus

1118 Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993. 174

Glas, Glasbausteinen oder Steinplatten. Eine Anpassung durch Motive, die sich an historische Formen anlehnen, wurde vermieden.1119 Verknüpfungen zum Ursprungsbau stellten Gigon/Guyer über subtile Verbindungen her (s. Sammlung Oskar Reinharts Kapitel B. I. 9. b). Beim Schweizerischen Landesmuseum entschieden sich die Architekten für eine Fassadenverkleidung aus Steinsorten der unterschiedlichen Regionen der Schweiz, die sedimentartig geschichtet die Fassadenflächen schmücken [Abb. 300]. Dieser Verweis auf die nationale Ausrichtung und Bedeutung des Landesmuseums stellt auf abstrakter Ebene eine Verbindung zur Institution ʺLandesmuseumʺ her, die "Jahresringe" der Steinverkleidung verweisen auf den historischen Inhalt des Museumsgebäudes.

Für den Wettbewerb um eine Erweiterung des Aargauer Kunsthauses reichten Gigon/Guyer einen Entwurf für unterirdische Ausstellungsräume ein. Zwischen dem Regierungsgebäude und dem Kunsthaus (1957-59) der Badener Bürogemeinschaft Loepfe, Hänni, Hänggli platzierten die Architekten unterirdische Ausstellungssäle, die durch einen teilweise mit mattierten Glasbausteinen belegten öffentlichen Platz Oberlicht erhalten [Abb. 266, 267].1120 Der Vorschlag für Aarau fällt in die Kategorie der unterirdischen Museumserweiterungen. Kristensen nennt diese von ihm als zweiten Grundtyp ermittelte Spielart des Erweiterungsbaus „cave“.1121 Genauer muss zwischen unterirdischen, halbunterirdischen und mit Erde bedeckten Bauten sowie Mischformen unterschieden werden.1122 Selbst unterirdische Bauten sind meist nicht vollständig unter die Erde gelegt, sondern durch einzelne Bauteile, meist den Zugang, oberirdisch sichtbar. Das Phänomen der unterirdischen Museumsarchitektur wurde von Meike Leyde bearbeitet.1123 Ihre fundierte Untersuchung macht es überflüssig, die Genese dieses Typs erneut detailliert vorzustellen. Ihre Ausführungen sollen als Grundlage der folgenden Ausführungen genommen werden, wobei der Schwerpunkt auf die unter die Erde gelegten Bauten gesetzt wird, die relevant für den Entwurf der unterirdischen Erweiterung in Aarau von Gigon/Guyer sind.

1119 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1120 Adam 20041, 4. 1121 Kristensen 2005, 96f. 1122 Leyde 2011, 159. 1123 Leyde 2011, 158-163. Literatur zu unterirdischer Architektur: Themenheft: Unterirdische Architektur/L`architecture souterraine, in: Werk 10 (1975) 878-916; Themenheft: Sopra e sotto/Above and below, in: L`Arca 1 (1987) 32-43; Pierre Zoelly: Terratektur – Einstieg in die unterirdische Architektur, Basel 1989; Themenheft: Sous Terrain/Under Ground, in: Daidalos 48 (1993); Themenheft: Sous-sol, in: L`Architecture d`Aujourd` hui 340 (2002) 38-111. 175

Meike Leyde benannte fünf Faktoren, die für die Erschließung unterirdischer Museumsräume ausschlaggebend sind:

1. Schutz a) der Werke vor äußeren Einflüssen, wie z. B. Tageslicht, Temperaturschwankungen, Staub, Lärm oder Erschütterungen“, b) der Umgebung vor sichtbaren Veränderungen durch ein neues Gebäude, 2. Platzmangel an der Erdoberfläche, 3. Vorhandensein älterer unterirdischer Räume, die zum Museum umgenutzt werden, 4. unterirdisch gelegenes Ausstellungsgut wie Höhlenmalerei, Fossilien, Bergwerke oder [...] das Erdreich1124.

Für die Erweiterung des Kunsthauses Aarau war vor allem der Punkt 1 b) ausschlaggebend. Wie im Projektbeschrieb formuliert wird, sollte beim Neubau „das Ensemble von Regierungsgebäude und Kunsthaus [...] und der Platz vor dem Kunsthaus bestehen [...]“1125 bleiben. Die Erschließung von neuen Räumen unter der Erde erhielt den „städtebaulichen Status quo“1126. Dieser Grund führte bei vielen Museen zur Entscheidung für unterirdische Anbauten. Geschützt werden sollten meist entweder städtebauliche Zusammenhänge oder Solitärbauten, deren Erscheinung durch einen Anbau stark beeinträchtigt worden wären.1127 Ein weiterer Wunsch konnte sein, ein landschaftliches Ensemble nicht zu zerstören.1128 Das Hauptproblem einer Museumserweiterung ist die gelungene Verbindung des Altbaus mit einem Neubau. Die Möglichkeit der unterirdischen und damit weitestgehend unsichtbaren Erweiterung geht diesem Grundproblem aus dem Weg bzw. schwächt es ab, indem nur die Zugänge oder Verbindungswege, und damit deutlich weniger Baumasse, sichtbar realisiert werden müssen. Ein Museum, das Lösungen für dieses Problem aufzeigt, ist das Museo del Tesoro di San Lorenzo (1956) in Genua von Franco Albini, das hinter der Hauptapsis der Kirche im Untergrund angelegt ist.1129 Die aus runden Räumen bestehende Anlage ist ein sehr frühes Beispiel eines ausgeführten unterirdischen Museums.1130 Durch seine Lage stört es das

1124 Leyde 2011, 158f. 1125 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1126 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1127 Ein Beispiel ist der Erweiterungsbau des Museums Rietberg (Wettbewerb 2002, Eröffnung 2007) in Zürich von Adolf Krischanitz und Alfredo Grazioli. Ähnlich wie die Louvre-Pyramiden von Ieoh Ming Pei ist von dieser Erweiterung oberirdisch nur ein gläserer Eingangskubus sichtbar. Hubertus Adam: Museum Rietberg in Zürich, in: Bauwelt 17 (2007) 2-3, 2. 1128 Beispiel ist das Museum Belden an Zee (1989-94, 2002-04), Scheveningen/Niederlande, Wim Quist. Leyde 2011, 145-170. 1129 Brawne 1965, 48-50, 48, 49; Basso Peressut 1999, 220-225. 1130 Leyde 2011, 160. 176

Gesamtbild des historischen Kirchenbaus nicht, und der Schatzhauscharakter der eingegrabenen Räume entspricht den darin ausgestellten Preziosen. Auch in Nîmes stand beim Wettbewerb für das Carré d`Art (1984) der Erhalt eines Altbaus, eines antiken Tempels, an vorderster Stelle.1131 Jean Nouvel schlug daher einen vollständig unterirdischen Bau vor, der ähnlich wie der Entwurf von Gigon/Guyer eine glasbedeckte Abdeckung zur Belichtung des obersten der fünf Tiefengeschosse erhalten sollte. Die bekannteste unterirdische Museumserweiterung ist am Louvre in Paris zu finden. Von 1980 bis 1989 verwirklichte Ieoh Ming Pei eine unter dem Innenhof des Louvre befindliche Eingangshalle (Cour Napoléon).1132 Oberirdisch sind gläserne Pyramiden sichtbar, die über dem versenkten Foyer mit Rolltreppenzugang sowie über den drei Zugängen zu den Museumsflügeln platziert sind und diese mit Oberlicht versorgen. An Peis Projekt wird deutlich, dass das Problem, den geschichtsträchtigen Bau des Louvre mit moderner Museumsinfrastruktur auszustatten sowie einen zentralen Verkehrsknotenpunkt zur Orientierung und Verteilung der Besucher zu schaffen, nur durch einen unterirdischen Bau überzeugend gelöst werden konnte.1133 Platzmangel in der Innenstadt von Salzburg ließ Hans Hollein einen spektakulären Entwurf für ein tief in den Mönchsberg gelegtes Guggenheim-Museum (1989-90) anfertigen.1134 Gläserne Dächer, die jedoch nicht begehbar gedacht waren wie in Aarau, sollten Licht in die im Berg liegenden Lichthöfe fallen lassen. Ein aktuelles Projekt eines eingegrabenen Baus die Erweiterung (2008-12) des Städels in Frankfurt von Schneider + Schumacher.1135 Diese legten einen „unterirdischen Gartensaal“1136 auf die Rückseite des Ursprungsbaus, der nur mit einer dünnen Schicht Rasen bedeckt ist. Durch sie stoßen in einer Wellenbewegung runde gläserne "Bullaugen", die die Ausstellungsräume belichten. Die Jury bewertete positiv, dass „alle Zeitschichten der

1131 Patrice Goulet: Nîmes – Concours pour la Médiathèque et le Centre d`Art contemporain, in: L`Architecture d`Aujourd` hui 236 (1984) 61-67; A.A.: Nîmes Schemes, in: Architectural Review 5 (1985) 31-40, 33f; Leyde 2011, 161. 1132 Newhouse 1998, 171-176, 171. 1133 Newhouse 1998, 173. 1134 Montaner 1995, 28-31; Gerhard Auer: Holleins Museum im Fels, in: Daidalos 48 (1993) 34-39; Leyde 2011, 162; Kat. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland: The Guggenheim Architecture, New York/Bonn 2006, 8. 1135 Enrico Santifaller: Erweiterung des Städel Museums in Frankfurt am Main, in: Bauwelt 12 (2008) 6f. 1136 Santifaller 2008, 7. 177

Städel`schen Bauentwicklung, ob denkmalgeschützt oder nicht, erkennbar“ und der Garten, wenn auch nicht direkt begehbar, als „grüne Oase“1137 erhalten bleiben. Wie bereits Meike Leyde erkannte, wird das Potential des unterirdischen Bauens besonders gerne für Museumserweiterungen genutzt. Nachdem in den 1950er und 60er Jahren erste unterirdische Museumsanlagen entstanden, häufte sich das Auftreten unterirdischer Museumsarchitektur ab den 80er Jahren parallel zum bereits im ersten Abschnitt des Kapitels beschriebenen steigenden Bedarf nach Erweiterungen von Altbauten.1138 Es konnte aufgezeigt werden, dass etliche Museen die Vorteile von unsichtbaren unterirdischen Erweiterungen nutzen. Auch die Kombination von unterirdischer Ausstellungsanlage und oberirdischem, öffentlich begehbarem Platz, wie sie für Aarau von Gigon/Guyer geplant war, wurde mehrfach realisiert: für den Louvre und das Carré d`Art in Nîmes. Auch die zweite Besonderheit des Entwurfs für Aarau, die "Aufwertung" der unterirdischen Räume durch Oberlicht, welches durch einen gläsernen Platzbelag einfällt, wurde bei diesen Beispielen in unterschiedlichen Ausführungen umgesetzt. Der Louvre nutzt gläserne Pyramiden, der Guggenheim-Entwurf für Salzburg gewölbte linsenartige Glasdächer auf Bodenhöhe und die Erweiterung des Städels in den Rasen eingelassene "Bullaugen".

Der letzte von Kristensen ermittelte Typ trägt die Bezeichnung „junction“, was einen additiven, an ein bestehendes Gebäude angefügten Anbau meint, der nicht eigenständig bestehen kann.1139 Die „junctions“ füllen meist einen Freiraum und schaffen eine Verbindung zwischen bestehenden Gebäudeteilen. Sie treten in sehr unterschiedlichen Formen und Ausführungen auf und erscheinen immer als individuell aus der Gebäudesituation entstandene Anbauten, die unterschiedlichste Grund- und Aufrissformen haben können. Diese formale Vielfalt macht es schwer, eine auf Grund- und Aufrissmotive basierende Typenentwicklung zu rekonstruieren. Verglichen werden können vor allem die inhaltlich-funktionale

1137 Santifaller 2008, 7. 1138 Weitere unterirdische oder teilweise unterirdische Museen, die als eigenständige Bauten entstanden oder aufgrund ihrer speziellen Typenausformung im vorliegenden Kapitel nicht näher vorgestellt wurden, sind: Entwurf eines „Museums der Krim und Kaukasischen Provinzen [...] des Schlosses Orianda“ (1838), Karl Friedrich Schinkel; Musée lapidaire gallo-romain (1960), Buzenol-Montauban/Belgien, Constantin L. Brodzki; Shrine of the Book (1962-65), Jerusalem, Frederik J. Kiesler, Armand P. Bartos; Entwurf Kunstmuseum Silkeborg (1963), Silkeborg/Dänemark, Jørn Utzon; Entwurf Centre du Plateau Beaubourg (Centre Pompidou) (1970/71), Paris, Moshe Safdie; Musée International d`Horlogerie (1974), La Chaux-de-Fonds/Jura, Pierre Zoelly, Georges-J. Haefeli. Literatur: Brawne 1965, 72-73; Auer 1993, 34-39; Vindum 1993, 62-67; Cardinal/ Mercier 1993; Klaus Jan Philipp: Karl Friedrich Schinkel – Späte Projekte/Late Projects 1, Stuttgart 2000, 80- 97; Klaus Jan Philipp: Karl Friedrich Schinkel – Späte Projekte/Late Projects 2, Stuttgart 2000, Tafeln 28-30; Geneviève Bresc-Bautier: Musée du Louvre, in: Béatrice de Andia (Hrsg.): Les Musées parisiens – Histoire, architecture et décor, Paris 2004, 102-115, 114f.; Leyde 2011, 159, 160, 161. 1139 Kristensen 2005, 97ff. 178

Gemeinsamkeit der Bauten als additive verbindende Erweiterungen ohne autonomen Gebäudecharakter sowie ihre untergeordnete Haltung gegenüber dem Hauptbau. Im Werk von Gigon/Guyer entspricht die Erweiterung an die Sammlung Oskar Reinharts diesem Typ ohne Einschränkungen. Der Anbau verbindet die Villa des Sammlers Oskar Reinhart mit dem historischen Galeriebau, indem er drei neue Ausstellungsräume um dessen Nordostecke legt [Abb. 89]. Der Galeriebau und die neue Addition teilen somit die innenliegende Wand, welche einstmals die zum Einfahrtshof hin orientierte Fassade des Galeriebaus war. Die „junction“ von Gigon/Guyer in Winterthur ist eine Ummantelung einer Ecke des Galeriegebäudes, die eine Verbindung zum Haupthaus sowie eine neue Fassadenansicht zum Hof hin schafft. Wie oben festgehalten, kann der Anbau nicht eigenständig existieren, da er seine innen liegende Rückwand mit der historischen Bausubstanz teilt. Die Suche nach vergleichbaren Anbauten stellt sich äußerst schwierig dar, da solche wenig repräsentativen Additionsbauten in der Literatur fast nicht erwähnt werden. Nur einige wenige Beispiele für „junctions“ aus dem Bereich der Museumsarchitektur konnten gefunden werden.1140 Die 1908 bis 1909 von Hermann Billing erbaute Kunsthalle Baden-Baden erhielt 1990 bis 91 neben einer Sanierung auch einen Ausbau (Dietrich Oertel).1141 Der einstmals offene Lichthof, der für Besucher nicht sichtbar war, wurde als „Erweiterung nach Innen“1142 überdacht und als Sekretariat ausgebaut. Zwei mit Wendeltreppe erschlossene Emporen stellen in dem hohen Raumschacht weiteren Platz zur Verfügung. Der Umbau in Baden- Baden stellt eine architektonische Erschließung von ehemaligem Freiraum in der Binnenform des Altbaus dar. Auf ähnliche Weise wurde auch im Louvre mit der Überbauung dreier ehemals offener Innenhöfe des Richelieu-Flügels (1993, I.M. Pei, Michel Macary, René Provost) neuer Ausstellungsraum gewonnen.1143 Die Höfe wurden durch Glasdächer zu gedeckten Lichthöfen ausgebaut, die durch eine verschiedene Ebenen zur Verfügung stellende Treppenarchitektur neuen Ausstellungsraum mit exzellenten Lichtverhältnissen schafften. Keine Überbauung bestehender Innenhöfe, sondern einen Anbau auf einer Restfläche des Grundstücks stellt der Ondaatje Wing an die National Portrait Gallery in London dar

1140 Kristensen 2005 nennt als Beispiele keine Museumsbauten. 1141 A.A.: Umbau und Erweiterung der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, in: Bauwelt 41 (1991) 2195-2196 [A.A. 19912]. 1142 A.A. 19912, 2196. 1143 Timothy W. Ryback: From Villain to hero – I.M. Pei`s Louvre Odyssey, in: Art News (Summer 1995) 96- 103, 103; Newhouse 1998, 171-176, 173, 174. 179

(2000, Jeremy Dixon, Edward Jones).1144 Wegen der Raumnot und der schlechten Zirkulation der Besucher stellten die Architekten ein 5 Geschosse hohes, schmalrechteckiges Gebäude in einen versteckt liegenden Hof zwischen National Portrait und National Gallery. Vom Haupttreppenhaus der National Portrait Gallery aus wird man ins neue Erdgeschossfoyer geleitet, von dem aus man über eine Rolltreppe in das 2. OG des Anbaus der neuen „Tudor Gallery“ geführt wird. Das durch Glaswände einzusehende 1. OG nimmt die „Balcony Gallery“ auf, die auf dem Rückweg über eine herkömmliche einläufige Treppe vom Foyer aus zu besichtigen ist. Im Dachgeschoss liegt ein Restaurant mit Panoramablick.

8. Grundriss a) Parallele Raumfolgen mit längs- und querverbindenden Türdurchgängen

Der häufigste Grundrisstyp im Museumsoeuvre von Gigon/Guyer ist die Aufteilung des Gesamtbaus in parallele Raumfolgen. Die Bauten und Entwürfe unterscheiden sich in der Anzahl der Parallelreihen, in der Größe der Ausstellungsräume und in der Lage der Durchgänge. Von ihr hängt die Frage der Besucherwegführung ab. Der Erweiterungsbau in Winterthur (1994-95), das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, (1996-98) in Appenzell sowie die Entwürfe für Aarau (1997), Schwäbisch Hall (1997), Ingolstadt (2000), Münster (2005) und Rapperswil (2006) weisen einen aus parallelen Raumfolgen bestehenden Grundriss auf [Abb. 79, 123, 268, 271, 287, 312, 317]. Die im Gesamtplan meist rechteckigen Häuser werden in parallele Folgen von Rechteckräumen geteilt. Bei der Erweiterung in Winterthur wurde der Gesamtgrundriss in drei Parallelreihen aus jeweils zwei größeren und einem kleineren Rechteckraum aufgeteilt [Abb. 79]. Der Plan des Museums Liner wurde in zwei Parallelreihen mit abnehmenden Raumgrößen dividiert [Abb. 123]. Bei beiden Museen werden die einzelnen Säle durch diagonal gesetzte Durchgänge verbunden. Die Türöffnungen springen abwechselnd zur Gebäudemitte und zur Außenwand hin, so dass der Besucher einen zick-zack-artig verlangsamten Weg zurücklegt. Mehr Flexibilität erhält die Wegführung durch querverbindende Durchgänge über die Parallelachsen hinweg. In Winterthur liegen die querverbindenden Öffnungen in Enfilade. Beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, erübrigt sich dies, da nur zwei parallele Saalfolgen bestehen. Bei den nicht realisierten Projekten wiederholen sich die in Winterthur und Appenzell realisierten Grundrisskonzepte.

1144 Penny Mcguire: National Pride – National Portrait Gallery London, in: Architectural Review 8 (2000) 80-83, 80, 82. 180

In Aarau liegen sechs Fluchten teilweise kleinteiliger Räume innerhalb der fast quadratischen Grundfläche [Abb. 268]. Im Entwurf für Ingolstadt und Münster erinnern die großzügigen Rechteckräume gleicher Ausmaße an die Erweiterung des Winterthurer Kunstmuseums. In Schwäbisch Hall und Rapperswil werden ganz ähnlich wie in Appenzell zwei Raumfluchten mit den typischen längs- und querverbindenden Durchgängen in die Baulänge gelegt [Abb. 271, 317]. Die Betrachtung des Grundrisssystems lässt einen eigenen Typ erkennen. Wesentliche Merkmale sind die parallelen Raumfolgen aus gleichförmigen Rechtecksälen mit längs- und querverbindenden Türdurchgängen. Es fällt auf, dass die Häuser dieses Grundrisstyps alle einen in der Gesamtform einfach geschnittenen, meist langgestreckten Rechteckplan haben. Durch die Einteilung in Rechtecksäle wird der Gesamtgrundriss der Bauten nicht überschnitten bzw. gestört, d. h. die Museen erscheinen von außen nach innen geplant. Die Gestalt des Baukörpers und sein Gesamtgrundriss geben den Ausgangspunkt für die Binnengliederung vor. Um eine eintönige Abfolge der Räume zu vermeiden und den Besucher zu verlangsamen, sind die Türdurchgänge der linear aneinandergereihten Räume bei den realisierten Bauten zueinander versetzt angeordnet [Abb. 123]. Die über die Parallelachse führenden Durchgänge liegen „en enfilade“, um flexible Querverbindungen zu schaffen, die das Abtrennen von einzelnen Räumen zu einer Raumgruppe oder das Abkürzen des Besucherweges erlauben [Abb. 79]. Ein feststehender Begriff für diese Form der Grundrissgestaltung besteht in der Literatur nicht. Aufgrund der oben definierten Merkmale kann jedoch eine Nähe zu grundlegenden traditionellen Planformen der Museumsbaukunst hergestellt werden. Es kann gezeigt werden, auf welche Vorbilder dieser Grundrisstyp zurückgeht und welche Entwicklung sich aus dem Urtyp ergeben hat. Im Folgenden soll darüber hinaus herausgefunden werden, bei welchen Museumsbauten dieser Grundrisstyp vorzugsweise verwendet wird. Dabei soll hinterfragt werden, welche planungsrelevanten Bedingungen ausschlaggebend für die Wahl dieses Typs sein können. Die Grundrissform der parallelen Raumfolgen kann auf den für die Museumsbaukunst grundlegenden Typ des "Galeriemuseums" zurückgeführt werden. Merkmale wie die linear hintereinandergelegten Rechteckräume sowie die Tiefenstaffelung in parallele Raumreihen weisen eindeutig auf diese Verwandtschaft hin. Der Typ des "Galeriemuseums" ist gut

181 untersucht und soll daher nur in einer stark zusammengefassten Überschau vorgestellt werden.1145 Der Begriff des "Galeriemuseums" wird ab dem ausgehenden 19. Jh. verwendet.1146 Eine einheitliche Definition existiert nicht. Das "Galeriemuseum" kann als langgestreckter, in seiner Grundform rechteckiger Bau beschrieben werden, der im Inneren in langgezogene Rechteckräume geteilt ist, teilweise in Kombination mit kleinen Kabinetten.1147 Die Räume sind meist in Enfilade angelegt. „Mehrere Reihen dieser Zimmerfolgen werden hintereinander in die Tiefe des Gebäudes gestaffelt“1148. Vorherrschend sind zwei bis drei parallele Raumfolgen. "Galeriemuseen" gibt es als eingeschossige oder mehrgeschossige Bauten, je nach Ausformung mit reinem Oberlicht oder seitenbelichteten Mittelgeschossen. Grundgedanke der "Galeriemuseen" ist die lineare Abfolge der Ausstellungsräume, so dass der Besucher „die unbewegten Objekte [...] der Reihe nach“ abschreiten kann.1149 Auf die noch in Residenzen eingebundenen Frühformen wie das nach Plänen von Jacopo Strada von Wilhelm Egkl ausgeführte Antiquarium der Münchner Residenz (1568-71) oder die Galerie der Residenz des Vespasiano Gonzaga in Sabbioneta (1583/ 84, Vincenzo Scamozzi) folgten die ersten eigenständigen Galeriebauten in Sanssouci (1756-64, Potsdam) von Johann Georg Büring, das Museum Fridericianum in Kassel (1769) von Louis Simon du Ry oder die Dulwich Picture Gallery in London (1811-14) von Sir John Soane.1150 Im 19. Jh. wurden die Schlüsselbauten für diese Gattung realisiert: die Alte Pinakothek (1826-36) von Leo von Klenze und das Kunsthistorische Museum in Wien (1872-89) von Gottfried Semper.1151 Die Beispielsreihe dieser wichtigsten "Galeriemuseen" macht deutlich, dass der Typ der Galerie neben der hier nicht untersuchten Form des Zentralbaus der prägendste Grundrisstyp in der Entwicklung der Museumsarchitektur war. Man kann sagen, dass alle linear angeordneten Folgen aus Rechteckräumen in der Museumsbaukunst auf den Typ des "Galeriemuseums" zurückgehen. Auch das Charakteristikum des von außen nach innen geplanten, divisional binnengegliederten Museumsbaus ist bereits bei den klassischen "Galeriemuseen" angelegt. Die an den Palastbau angelehnten repräsentativen Schaubauten sind ebenfalls auf ihre

1145 Heinrich Wagner: Gebäude für Erziehung, Wissenschaft und Kunst – Museen (Handbuch der Architektur 4, 6. Halbband, 4. Heft), Darmstadt 1893, 204, 221; Max Tippmann: Zur Entwicklung des Types der deutschen Gemäldegalerien im 19. Jahrhundert (Diss. Dresden 1931) Leipzig 1931, 71ff.; Michael Brawne: Das neue Museum und seine Einrichtung, Stuttgart 1982, 10ff.; Preiß 1992, 30, 32f. 35, 308. s. Kapitel „Galeriemuseum“ in: Katharina Schumann: Das Kunstmuseum Göteborg – Studien zur skandinavischen Museumsarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts, MA Freiburg 2005, 78-88, 79. 1146 Wagner 1893, 204, 221. 1147 Schumann 2005, 79. 1148 Schumann 2005, 79. 1149 Brawne 1982, 10. 1150 Plagemann 1967, Abb. 5; Pevsner 1976, 111, 112; Waterfield 1991, 27; Dorst 1996, 24. 1151 Pevsner 1976, 129; Kriller/Kugler 1991, 41. 182

Außenwirkung hin konzipiert. Die Grundrisseinteilung ergibt sich aus der Gesamtform des Baukörpers. In der 1. H. des 20. Jh.s blieb der Grundrisstyp der "Galeriemuseen" bestimmend. Angewendet auf neue Grundrisstypen sowie kombiniert mit neuen Raumformen wie Polygon- oder Zentralräumen wurde er weiterentwickelt. Beispiele hierfür sind das Kaiser-Friedrich- Museum (1904, heute Bode Museum) auf der Berliner Museumsinsel von Ernst von Ihne, die Kunsthalle in Hamburg (ab 1906, 1912-19, geplant von Albert Erbe und Alfred Lichtwark, Ausführung von Fritz Schumacher), das Kunsthaus in Stuttgart (1909-13) von Theodor Fischer, das Kunstmuseum in Winterthur (1911-16, Robert Rittmeister, Walter Furrer) und das Kunstmuseum Basel (1930-34) von Paul Bonatz und Rudolf Christ.1152 Diese Bauten zeigen, dass die neuartigen oftmals gedrungeneren oder um einen Innenhof gruppierten Gesamtgrundrisse in den Ausstellungsgeschossen immer noch nach dem Galerieprinzip binnengegliedert wurden. Zu den Bildersälen treten nun jedoch neue Raumformen benötigende Spezial- bzw. Funktionsräume hinzu, die den traditionellen streng linearen Galeriegrundriss mit seinen parallelen Raumfolgen aufweichen.1153 Im weiteren Verlauf der Museumsbaukunst blieb der Galeriegrundriss mit parallelen Raumfolgen eine der grundlegenden Grundrisslösungen für Kunstmuseen. Bei den Museumsbauten der 2. H. des 20. Jh.s wurden Galeriegrundrisse mit klar gegliederten linearen Raumfolgen jedoch seltener. Die große Zahl der Funktionsbereiche, die in den Museen des 20. Jh.s untergebracht werden müssen, führte zu kleinteilig zergliederten Grundrissen, vor allem in den Eingangsgeschossen. In den meist oberbelichteten Ausstellungsgeschossen ist die klassische Galeriegliederung häufig zu finden, jedoch oftmals nur in Bezug auf die Ausstellungssäle. Im weiteren Verlauf könnte eine Vielzahl an Museen genannt werden, deren Grundrisse den klassischen Galerieplan mit anderen Ordnungsprinzipien oder Grundrissmotiven kombinieren.1154 Eine eingehende Behandlung

1152 Margrit Dibbern: Die Hamburger Kunsthalle unter Alfred Lichtwark (1886-1914) – Entwicklung der Sammlungen und Neubau (Diss. Hamburg 1974), Hamburg 1980, Abb. 25; Preiß 1992, 87f., 95, 101-111, 111, 113f., 125, 156-159, 156, 191, 309-320, 320; Flagge 1985, 48f.; Gottfried Knapp: Ernst von Ihne – Heinz Tesar – Bode-Museum Berlin, Stuttgart 2008. 1153 Beispiele für neu aufkommenden Spezial- bzw. Funktionsräume sind Zentral- oder Polygonräume, an Sakralbauten angelehnte "Kapellen" oder mehrere dezentral angeordnete Treppenhäuser. Raumfolgen in Kombination mit einer Vielzahl unterschiedlicher Raumformen zeigt das Folkwang Museum. Mehrere in die Gebäudeecken gesetzte Treppenhäuser in einem ansonsten traditionellen Galeriegrundriss hat das in der Zeit des Dritten Reiches erbaute „Haus der Deutschen Kunst“ (1933-37, Paul Ludwig Troost). Preiß 1992, 217-221, 296- 306. 1154 Als Beispiele für Museumsbauten, die das Prinzip der linear angeordneten parallelen Saalfluchten zumindest als ein Grundrissprinzip innerhalb ihrer Ausstellungsgeschosse anwenden, sind das Yale Center for British Art (1969-77) in New Haven/Connecticut von Louis Kahn, die Gemäldegalerie (1991-97) in Berlin von Heinz Hilmer und Christoph Sattler, das Museum of Modern Art (1992-95) in San Fransisco von Mario Botta. Naredi- Rainer 2004, 86-87, 110-111, 156-157. 183 dieser Museen führt jedoch zu weit vom Grundrisstyp weg, wie er in den Gigon/Guyer- Bauten realisiert ist. Daher sollen nachfolgend nur noch Beispiele genannt werden, die eine große Deckungsgleichheit mit dem Grundrisstyp der Gigon/Guyer-Bauten aufweisen. Ein erstes Beispiel der Nachkriegszeit für einen Bau mit gleichförmiger Binnengliederung in zwei parallele Raumfolgen ist das Museo Correr (1953-61) in Venedig von Carlo Scarpa.1155 Durch die aus der Gebäudemitte gerückte Mittelachse ergeben sich Gemeinsamkeiten zum Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, in Appenzell, wobei betont werden muss, dass im Museo Correr den Galeriesälen, wie oben bemerkt, kleinteilige Nebenräume beigestellt sind. Dadurch ergibt sich ein weniger klares Grundrissbild als beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner. Zudem ist die mittige Spiegelachse nicht vergleichbar betont wie bei dem Bau in Appenzell, und am Bau in Venedig wurde am klassischen Motiv der Enfilade mit zu den Außenwänden gerückten Durchgängen festgehalten. Ein in seiner Binnengliederung sehr gut mit der Erweiterung in Winterthur vergleichbarer Kunstbau ist die Sheldon Memorial Art Gallery (1963) der University of Nebraska in Lincoln/Nebraska von Philip Johnson.1156 Der querrechteckige Bau ist im Inneren in drei Bauteile eingeteilt: einen mittigen Eingangsbereich mit Treppenhaus, der von zwei gleichgroßen Ausstellungstrakten eingerahmt wird. Typischerweise weist nur das für Ausstellungen vorgesehene Obergeschoss die Merkmale des Galeriegrundrisses mit parallelen Raumreihen auf. Beide Ausstellungstrakte sind wie der Winterthurer Anbau in gleich große Rechtecksäle mit längs- und querverbindenden Durchgängen gegliedert. Der einzige Unterschied zu Winterthur besteht darin, dass die längsverbindenden Türöffnungen der Säle gegenüber und nicht versetzt zueinander angelegt sind, so dass der Besucher zu einem raschen Durchschreiten der Räume verleitet wird. Ein Beispiel, dessen Grundrissdisposition und funktionale Ausrichtung besonders gut mit der Erweiterung in Winterthur vergleichbar sind, ist der Anbau an das Kunstmuseum Bern (1979-84) vom Architektenbüro „Atelier 5“.1157 Dieses schuf an der Ostseite des Altbaus (1876-78, Eugen Stettler) eine wegen seiner Hanglage zur Aare hin sechsstöckige

1155 Brawne 1965, 58-59, 56. 1156 Brawne 1965, 152-153, 152; Naredi-Rainer 2004, 35. 1157 Jehle-Schulte Strathaus 1984, 4-9; Benedikt Loderer: Das Bildbetrachtungslaboratorium – Zum Um- und Neubau des Berner Kunstmuseums, in: Aktuelles Bauen – Das schweizerische Bau-, Architektur- und Planungsmagazin 1/2 (1984) 12-16; A.A.: Erweiterung Kunstmuseum Bern/CH, in: Deutsche Bauzeitschrift 8 (1985) 1000-1002; Fecker 1986, 77-166, 153-157, 155; Centre PasquArt Biel 1994, 16-17; Achleitner 2000, 84- 85. 184

Erweiterung mit einem Rechteckgrundriss.1158 Aus einer ähnlichen Ausgangslage wie in Winterthur heraus kann der Anbau auf dienende Nebenräume verzichten: Aufgrund des bestehenden Altbaus konnte die Erweiterung „auf das konstruktiv und technisch Notwendige reduziert werden“1159. Er ist wie das ebenfalls nur mit einem schlichten Raumprogramm ausgestattete Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, im Inneren in drei parallele Raumreihen gegliedert. Die Verbindungen der rechteckigen Ausstellungssäle sind teils klassisch "en enfilade" und teils wie bei Gigon/Guyer gegeneinander versetzt. Aufgrund seiner typenmäßigen, funktionalen und nicht zuletzt auch seiner regionalen Nähe stellt es ein sehr gutes Vergleichsbeispiel zu den Museen von Gigon/Guyer dar. Ein ähnliches Grundrisskonzept sahen die Architekten von „Atelier 5“ für den Entwurf eines Galeriegebäudes (1986) an die Villa Favorita in Castagnola/Tessin von Baron Hans Heinrich Thyssen (1921-2002) vor.1160 Der quadratische Kubenbau mit gläsernem Erdgeschoss und geschlossenem Obergeschoss ist in sechs gleich große Rechteckräume "en enfilade" unterteilt. Aufgrund der eingeschränkten Funktion des Baus gibt es keine im Grundrissbild störenden Nebenräume. 1990 bis 94 errichtete Aldo Rossi mit dem Bonnefantenmuseum in Maastricht einen Bau, der zwar als E-förmiger Flügelbau angelegt ist, jedoch in der Grundrissunterteilung der beiden außen liegenden Galerieflügel parallele Raumfolgen mit längs- und querverbindenden Türdurchgängen zeigt.1161 Genau wie bei den Bauten von Gigon/Guyer sind die in etwa gleich großen rechteckigen Ausstellungsräume durch versetzt angelegte, längsverbindende Durchgänge sowie Querverbindungen aneinander angeschlossen. Parallel zur Erweiterung in Winterthur entstand ein weiterer Museumsbau in der Schweiz, dessen Grundrissdisposition dem Typ der parallelen Raumfolgen entspricht: die Fondation Beyeler (1994-97) in Riehen/Basel-Stadt.1162 Der Grundriss dieses Baus von Renzo Piano besteht aus drei parallelen Folgen aus Rechtecksälen gleicher Dimensionen, die nebeneinandergelegt einen langrechteckigen Gesamtgrundriss bilden. Anders als die Bauten von Gigon/Guyer besitzt dieser jedoch keine scharf abgegrenzte Kontur. Die Säle am Ende der Raumfluchten schieben sich unregelmäßig abtreppend über den Rechteckgrundriss hinaus, als ob sich die Saalfolgen gegeneinander verschoben hätten. Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt in der Besucherführung. In Riehen liegen die Ausstellungsräume klassisch

1158 Casutt 1998, 93ff.; Johanna Strübin Rindisbacher: Eugen Karl Ludwig Albert Stettler, in: Isabelle Rucki/Dorothée Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Basel 1998, 516-517. 1159 Fecker 1986, 157. 1160 Centre PasquArt Biel 1994, 18-19. 1161 Lampugnani/Sachs 1999, 108-115, 108, 112; Naredi-Rainer 2004, 79. 1162 Henderson 1998, 72-75; Basso/Peressut 1999, 225; Lampugnani/Sachs 1999, 154-161. 185 in Enfilade. Ähnlich wie in Winterthur und Appenzell sind jedoch bei einigen Räumen Querverbindungen gegeben, so dass ein flexibler Rundgang möglich ist und Raumkompartimente für Sonderschauen abgetrennt werden können. Nach dem Erweiterungsbau in Winterthur und der Fondation Beyeler entstand mit Steven Holls Kiasma Museum (1998) in Helsinki/Finnland ein weiterer Bau, der das Prinzip der divisionalen Einteilung in Saalfluchten verwirklicht.1163 Der langgestreckte, geschwungene Galerieflügel des Museumsbaus zeigt im Innern die für den vorliegenden Grundrisstyp charakteristischen Parallelfluchten, wenn auch in einem dynamischen Gesamtgrundriss. Die Türdurchgänge liegen abwechselnd in Enfilade hinter der Außenwand und zur Gebäudemitte hin orientiert, so dass die Öffnungen nach jeweils zwei Räumen zueinander versetzt liegen. Die Vergleichsbauten haben verdeutlicht, dass der Typ der parallelen Raumfolgen mit längs- und querverbindenden Türdurchgängen vom klassischen Galeriegrundriss abgeleitet werden kann. Die Vorbilder des 19. Jh.s zeigen jedoch meist in sich geschlossene lineare Raumfluchten, bei denen die Türöffnungen in Enfilade liegen. Querverbindungen sind nur an den Endräumen der Folgen zu finden. Bereits ausgeführt wurde, dass der Galeriegrundriss bis heute ein grundlegender Grundrisstyp in der Museumsbaukunst ist. Zur Weiterentwicklung des Galerietyps seit dem 19. Jh. gehört die Kombination mit anderen Grundrisskonzepten sowie der Bedarf nach vielgestaltigen Nebenräumen. Die Klarheit und Einfachheit der Grundrisse der in diesem Kapitel untersuchten Gigon/Guyer-Museen ist selten. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass bei beiden Bauten keine bzw. wenige Nebenfunktionen für Besucher und Mitarbeiter untergebracht werden mussten. In Winterthur waren keine Nebenräume oder Infrastruktureinrichtungen notwendig, da diese bereits im Altbau zur Verfügung gestellt wurden. Wie in der Dokumentation ausgeführt, sah das Museumskonzept auch in Appenzell einen funktionsmäßig schlichten Bau vor, der aufgrund des Stiftungsbudgets und der zu Beginn erwarteten überschaubaren Besucherzahlen nur die absolut notwendigen Räume bereitstellen sollte. Mit den Anbauten an das Kunstmuseum in Bern und an die Villa Favorita in Castagnola konnten Vergleichsbeispiele gefunden werden, die eine ebenfalls sehr klare Grundrisseinteilung in Rechteckräume zeigen und aufgrund der funktionellen Verbundenheit zum Hauptgebäude fast keine Nebenräume brauchen.

1163 Newhouse 1998, 52-55; Sandro Marpillero: Konstruktion des Raums – Zu Steven Holls Helsinki Museum – Constructing Space – On Steven Holls Helsinki Museum, in: Daidalos 67 (1998) 18-25; Naredi-Rainer 2004, 215. 186

Im Allgemeinen herrscht bis zu den aktuellen Museumsbauten das Grundrissmotiv der Enfilade vor. Das Merkmal der zueinander versetzt diagonal liegenden Durchgänge, die den Besucherweg verlangsamen und ein eintöniges lineares Durchschreiten der Galerieräume verhindern, taucht nur vereinzelt auf. Parallel zu den Gigon/Guyer-Museen in Winterthur und Appenzell zeigen dies nur das Bonnefantenmuseum in Maastricht und das Kiasma in Helsinki. Querverbindungen zwischen den Galeriefluchten sind ebenfalls selten. Es scheint, als ob auch bei den zeitgenössischen Museen überwiegend am Motiv des linearen fest vorgegebenen Besucherweges festgehalten würde. Flexibilität schaffende Querdurchgänge gibt es nur bei der Sheldon Memorial Art Gallery, dem Bonnefantenmuseum und an ausgewählten Punkten im Rundgang der Fondation Beyeler. Abschließend kann festgestellt werden, dass die beiden realisierten Museumsbauten von Gigon/Guyer sowohl traditionelle als auch innovative Motive in ihrem Grundrisstyp der parallelen Raumreihen mit längs- und querverbindenden Türdurchgängen verbinden. Mit der Grundrisseinteilung in Raumfluchten folgen sie der klassischen Einteilung der Gemäldegalerie. Innovativ sind die Schaffung von Querverbindungen an mehreren Punkten des Rundgangs, so dass der Besucher seinen Weg selbst gestalten kann, sowie die diagonale Setzung der Durchgänge zur Verlangsamung des Schritts.

b) Konzentrisch gruppierte Ausstellungsräume um eine zentrale Verteilerzone

Neben der linearen Reihung von Ausstellungsräumen innerhalb des Gesamtgrundrisses ist die konzentrische Anordnung um eine zentrale Erschließungshalle die zweite wesentliche Grundrissgestalt im Museumsoeuvre von Gigon/Guyer. Zum ersten Mal verwirklichten die Architekten diesen Typ im Kirchner Museum in Davos. Das wesentliche Merkmal des Kirchner Museums ist die konzentrische, aber lockere Gruppierung der Ausstellungsräume sowie zweier Nutzräume um eine zentrale Verteilerzone [Abb. 13]. Diese ist in ihrer Grundfläche rechteckig, wird jedoch durch die Ausstellungskuben angeschnitten und erscheint so als Restraum zwischen den Saalhäusern. Das Grundrisssystem wird im Ausstellungsgeschoss des Museums auf eine klare und stringente Weise umgesetzt. Wie bereits bemerkt werden nicht nur die Bildersäle, sondern auch die Nutzräume der Garderobe und Sanitäranlagen sowie das Bücherlager darin einbezogen, so dass ein besonders klares Grundrissbild entsteht.

187

Neben dem Kirchner Museum sind mehrere Projekte nach diesem Grundrissprinzip aufgebaut. Die Wettbewerbsbeiträge für das „Museum of Art“ in Tel Aviv, das „Orange County Museum of Art“ (OCM) in Los Angeles und das Munch Museum und Stenersen Museum in Oslo zeigen ebenfalls den vorliegenden Grundrisstyp in jeweils abgewandelter Form. Für Tel Aviv entwarfen die Architekten einen im Grundplan dreieckigen zweistöckigen Anbau, der in seinem Galeriegeschoss Nebenfunktionen wie Treppenaufgänge und Lastenlift sowie drei große Ausstellungsräume zeigt, die um eine Treppe gesetzt sind. Der Restraum des Grundrissdreiecks bleibt als Verteilerzone übrig. Zwischen den Sälen bleiben schmale Gänge zu Fensterausblicken zur Belichtung und Orientierung stehen [Abb. 306]. Um dem Umfang der Wettbewerbsaufgabe gerecht zu werden, wurde der vorliegende Grundrisstyp für das OCM in Los Angeles abgewandelt. Innerhalb des - vereinfacht gesehen - rechteckigen Gesamtgrundrisses des Entwurfs gruppierten die Architekten anstatt einzelner Räume gleich ganze Raumgruppen [Abb. 314, 315]. Die Räume werden zu "dichten Raumfeldern" mit unregelmäßigem Grundriss gepackt, welche in den vier Ecken des Grundrissrechtecks positioniert sind. Dieses Prinzip setzt sich über die fünf Museumsgeschosse fort. Der Freiraum in der Mitte wird im Erdgeschoss als öffentlich zugängliche Plaza genutzt, in den Obergeschossen befindet sich hier die Rolltreppe, welche die Besucher zu den Ausstellungsgeschossen bringt. Für das Munch Museum in Oslo entwarfen Gigon/Guyer einen an eine Windmühle erinnernden Grundplan [Abb. 326-328]. In den unteren Geschossen sind ähnlich wie beim OCM dicht zusammengefasste Raumgruppen konzentrisch um eine mittige Erschließungshalle angeordnet. Im Galeriegeschoss liegen die großen Ausstellungssäle einem Strudel gleich mit ihren Schmalseiten von der Gebäudemitte weg zeigend um das zentrale Treppenhaus. Gleich wie in Davos, Tel Aviv und Los Angeles ergeben sich aus den Resträumen zwischen den Sälen Gänge als Ruhezonen mit Fensterausblicken. Konzentrische Grundrissanordnungen tauchen in der Architekturgeschichte erstmals in völlig anderem Zusammenhang auf: dem Hospital- und Gefängnisbau. Nikolaus Pevsner gibt in seiner Typengeschichte einen Überblick über die Bautypen des radial organisierten Hospitals (frühestes Beispiel: Entwurf für ein Hospital, Antoine Desgodets, spätes 17. Jh.)

188 und Gefängnisses (frühestes Beispiel: Maison de Force 1772-75, Ackerghem bei Gent, Architekten „Malfaison“ und „S. J. Kluchman“).1164 Wie bereits in Kapitel B. I. 4. bemerkt, schlug Manfred Lehmbruck schon 1942 für Museumsbauten einen „Zentralraum mit radialer Anfügung der einzelnen Abteilungen“ vor. Die angefügten Räume konnten „radial ausstrahlen“ oder „gruppiert“ sein. Er forderte eine „klare Trennung von Verkehrs- und Ausstellungsraum“, um ein „sofortiges Erfassen der Gliederung und eine leichte Orientierung“1165 zu ermöglichen. In den Sälen entstehe so kein störender Durchgangsverkehr, und jeder Raum könne direkt angesteuert werden. Wie unten gezeigt werden wird, setzte Lehmbruck diese theoretischen Überlegungen später tatsächlich um. In ihrer Dissertation über die Museen von Wim Quist aus dem Jahr 2007 untersuchte Meike Leyde ebenfalls die „konzentrische Ausstellungsraumanordnung“.1166 Da ihre Untersuchung im Zusammenhang mit Quists „Museon“ (1978-86) in Den Haag steht, ging sie überwiegend auf naturhistorische Museumsbauten mit konzentrischem Grundriss ein. Sie führte den Typ des konzentrischen Museumsgrundrisses auf englische und dänische Schulbauten der ersten Hälfte des 20. Jh.s und auf die Zentralraum-Museen des 18. Jh.s sowie auf die Ausstellungsarchitektur der Weltausstellung von 1867 in Paris zurück. In ihrer Untersuchung nannte sie eine architekturhistorische Reihe von Wissenschaftsmuseen. Sie bemerkte, dass „konzentrisch-radiale Raumanordnungen“ im Museumsbau selten seien und stellte die These auf, dass sie „an bestimmte Museumsgattungen gebunden sind, insbesondere an Anthropologische Museen, Völkerkunde- und Wissenschaftsmuseen“1167. Dieser Feststellung kann zumindest für die zweite Hälfte des 20. Jh. widersprochen werden. Als grundlegende Beispiele, die auf den im vorliegenden Kapitel zu untersuchenden Grundrisstyp hingeführt haben, sollen in Anlehnung an Leyde einige Bauten genannt werden, welche die Entwicklung des konzentrischen Grundrisses bis in die zweite Hälfte des 20. Jh.s aufzeigen. Erste konzentrische Grundrisse bei Museumsanlagen gab es in der französischen Revolutionsarchitektur. Exempel ist der Entwurf eines Idealmuseums von Jean-Nicolas-Louis Durands Schüler Clemens Wenzeslaus Coudray (um 1802) für den den „Précis des leçons d`architecture“.1168 Ein wesentlicher Unterschied zum bisher untersuchten Grundrissmotiv

1164 Pevsner 1976, 146ff., 162ff. 1165 Lehmbruck 1942, 20, 21. 1166 Leyde 2011, 91-93. 1167 Leyde 2011, 93. 1168 Werner Szambien: Jean-Nicolas-Louis Durand 1760-1834 – De l’imitation à la norme, Paris 1984, 260; Leyde 2011, 92. 189 besteht darin, dass die zentrale Halle zur Präsentation und nicht als reine Verkehrsfläche diente. Als weitere grundlegende Vergleichsbeispiele erwähnte Leyde ein nicht erhaltenes Ausstellungsgebäude für die Weltausstellung 1867 in Paris, welches auf einem Entwurf (1862) von Edward J. Payne und George Maw basiert.1169 Bereits in Kapitel I. 4. aufgeführt wurde das Kunsthaus in Glarus, welches den ersten Museumsbau der Nachkriegszeit mit konzentrisch gruppierten Ausstellungsräumen um eine zentrale Verkehrszone darstellt.1170 Das Grundrissbild von Glarus erscheint jedoch als ein aus beschränkten Mitteln heraus geborenes Ergebnis, nicht als bewusst gestalteter Grundrissplan wie beispielsweise der Nachfolgebau des Reuchlinhauses in Pforzheim. Dieser nur wenige Jahre später entstandene Bau stellt die Realisierung der von Lehmbruck 1942 theoretisch formulierten Überlegungen dar. In ihm verwirklichte Lehmbruck seine Forderung nach der räumlichen Trennung von Verkehr und Ausstellung und einer einfach zu erfassenden räumlichen Aufteilung.1171 Das Reuchlinhaus weist bereits erstaunliche Gemeinsamkeiten mit dem Kirchner Museum in Davos auf. Es ist ebenfalls auf eine rechteckige Basisplatte gestellt, die als Freiplatz vor dem Haupteingang sowie als eingetiefter Hof von den Bauteilen beschnitten wird. So ergibt sich ein sehr ähnliches Grundrissbild wie in Davos. Unterschiede liegen in der Form der mittigen Verkehrshalle. In Pforzheim wählte Lehmbruck eine weitläufige, quadratische Halle, die Verkehrszone in Davos erscheint wie ein Restraum der rechteckigen "Basisplatte", der von den Ausstellungskuben übriggelassen wurde. Ein weiteres Beispiel ist das „Henie-Onstad-Kunstsenter“ (1962) bei Oslo von Jon Eikvar und Sven Erik Engebretsen.1172 Seine Grundrissdisposition zeigt unregelmäßig geschnittene Ausstellungssäle, die um eine zentrale Verkehrshalle mit einer mittigen Treppe angeordnet sind. Eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zum Kirchner Museum sowie den oben aufgeführten Entwürfen ergibt sich aus den zwischen den Ausstellungstrakten liegenden Resträumen: radial ausstrahlende Gänge, die durch Fensteröffnungen den Blick frei auf die umliegende Fjordlandschaft geben. Vor allem der Wettbewerbsbeitrag für das Munch Museum in Oslo scheint sich in seiner Grundrisskomposition sowie der Ausnutzung der reizvollen Fjordlage an das Vorbild des „Henie-Onstad-Kunstsenter“ anzulehnen.

1169 Erik Mattie: Weltausstellungen, Stuttgart 1998, 19; Leyde 2011, 92. 1170 Schubert 1986, 37. 1171 Schubert 1986, 56. 1172 Nagel 1971, 91. 190

Auch das Brücke-Museum (1966-67) wurde bereits in Kapitel B. I. 4. als Exempel des additiven Kubenmuseums genannt.1173 Wie das Kirchner Museum wurde es von einem im Ursprung rechteckigen Foyer aus entwickelt, welches als Verteilerraum für die darum liegenden, das Grundrissrechteck des Foyers anschneidenden Räume dient. Anders als beim Kirchner Museum sind in den einzelnen Kubentrakten jedoch mehrere Räume zusammengefasst. Einen weiteren Museumsbau mit konzentrischer Raumplanung verwirklichte Manfred Lehmbruck mit der Erweiterung des Wilhelm Lehmbruck Museums (1985-86). Der Besucher gelangt vom Hauptbau über eine Passerelle in den zweigeschossigen Anbau, der aus einer zentralen Halle über quadratischem Grundriss und zwei angeschobenen Bautrakten besteht.1174 Diese durchdringen das Grundrissquadrat der Halle an zwei sich gegenüberliegenden Ecken. Im Erdgeschoss beherbergen die Bautrakte zusammengefasste Raumgruppen sowie einen Ausstellungssaal, im Obergeschoss sind ein einzelner großflächiger Ausstellungsraum sowie eine Art Galerie mit kleineren Dreieckräumen untergebracht. Abschließend kann festgestellt werden, dass ausgehend von den frühen Beispielen der radiale Grundriss als planvoll gestaltetes Konzept erstmals in Lehmbrucks Reuchlinhaus realisiert wurde. Ähnlich planmäßig angelegt und zugleich mit selbständigen, schöpferischen Details erscheint die Raumanordnung beim „Henie-Onstad-Kunstsenter“. Beide Bauten weisen große Gemeinsamkeiten mit dem konzentrischen Plan des Kirchner Museums auf. Eine besondere Nähe des norwegischen Beispiels mit Davos und den Entwürfen für Tel Aviv und Oslo besteht in dem Motiv der ʺResträumeʺ zwischen den aufsteigenden Ausstellungshäusern, die mit Ausblickfenstern versehen sind. Das Kirchner Museum in Davos ist neben dem Reuchlinhaus in Pforzheim das geradlinigste Beispiel der hier vorgestellten Gruppe. Es liegen keine weiteren Beispiele vor, die eine derart klare Grundrissdisposition zeigen. Die Klarheit und Schlichtheit im Grundrissbild heben den Davoser Bau deutlich von den anderen hier genannten Beispielen ab. Funktional betrachtet, ergibt sich für den Besucher eine Raumordnung, die mit einem Blick erfasst werden kann. Wie bei Lehmbruck ist der Besucherverkehr streng von den Ausstellungsräumen getrennt. Die konzentrierte Kunstbetrachtung in den in sich abgeschlossenen Ausstellungshäusern kann mit entspannenden Ausblicken in die Ferne aus den Panoramafenstern der Verkehrszone abwechseln. Hat man sich von der Klarheit der

1173 Schubert 1986, 78. 1174 Flagge 1985, 43; Schubert 1986, 62. 191

Gebäudeorganisation des hier untersuchten Typs bei einem Besuch des Kirchner Museums in Davos überzeugt, erscheint es überraschend, dass dieser Bau den Endpunkt der Entwicklung dieses Grundrisstyps zu sein scheint. Danach wurde kein Museum mit vergleichbarem Grundriss gebaut.

c) Offener Raum mit flexibler Ausstellungsarchitektur

Der Museumsbau in Kalkriese folgt mit seinem ungegliederten, offenen Rechteckraum, der durch flexible Ausstellungsarchitektur variabel bespielt werden kann, einem festen Raumtyp der Museumsbaukunst [Abb. 154, 176]. Die Genese des flexiblen Großraums ist in der Literatur eingehend untersucht worden und wurde 2011 von Meike Leyde in ihrer Dissertation noch einmal zusammengefasst.1175 Auf eine Wiederholung der bisherigen Ergebnisse kann daher verzichtet werden. Unter Verweis auf Leyde sollen nur die entwicklungsrelevanten Beispiele vorgestellt und ihre Gemeinsamkeiten zum Museumsbau in Kalkriese besprochen werden. Erste flexible Großräume wurden im 1939 errichteten Museum of Modern Art/New York (Philip Goodwin, Edward Durell Stone) realisiert. Die etagengroßen Räume wurden durch wandhohe Unterteilungen gegliedert, die für den Besucher nicht wie temporäre Stellwände erkennbar waren, sondern wie dauerhafte Zwischenwände wirkten.1176 Ein aus einem einzigen, ungegliederten, im Grundriss rechteckigen Großraum bestehendes Museum erdachte Mies van der Rohe mit seinem wegweisenden Entwurf „Museum für eine kleine Stadt“ (1942).1177 Die Außenwände und die Wände des Innenhofs sollten aus Glas bestehen. Unterteilt wurde der Raum nur durch schmale, eingestellte Wände, die als Hintergrund für die zu präsentierenden Werke dienen sollten. Der Entwurf lässt an Mies berühmten Barcelona-Pavillon denken und nimmt den offenen, verglasten Großraum der später realisierten Nationalgalerie in Berlin vorweg. Ähnlichkeit mit dem Museum in Kalkriese weist das „Museum für eine kleine Stadt“ durch den einfachen, rechteckigen Gesamtgrundriss ohne feste Binnengliederung auf.

1175 Montaner/Oliveras 1987, 14f; Stephan Barthelmeß: Das postmoderne Museum als Erscheinungsform von Architektur – Die Bauaufgabe des Museums im Spannungsfeld von Moderne und Postmoderne (Schriften aus dem Institut für Kunstgeschichte der Universität München 26), München 1988, 41-43; Johannes Cladders: Kunstmuseumsarchitektur als Vermittlungsform – Studien zur Geschichte der Innenraumgestaltung von Museen unter besonderer Berücksichtigung der Kunstmuseumsneubauten in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. Osnabrück 1988, 57ff., 116ff.; Schubert 1986, 13f., 16f. 24f.; Montaner 1995, 9; Leyde 2011, 200-202. 1176 Cladders 1988, 51f., Abb. 8; Joachimides 2001, 248; Leyde 2011, 201. 1177 Brawne 1965, 26f.; Cladders 1988, 52; Leyde 2011, 201. 192

Als erstes Einraummuseum Deutschlands nannte Leyde die Kunsthalle Darmstadt (1956) von Theo Pabst.1178 Sie besteht aus einem großzügigen Rechteckraum, der von einer Reihe kleiner Räume mit Nebenfunktionen umgeben wird. Als weitere Einraummuseen werden der Theodor-Heuss-Bau (1958, Sep Ruf) des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg und das an späterer Stelle noch mehrfach aufgeführte Museum des 20. Jh.s (1958, Museumsnutzung ab 1962, Wien, Karl Schwanzer) erwähnt.1179 Ebenfalls bereits genannt wurde das aus einem weiten Rechteckraum bestehende Museu de Arte de São Paulo (1957- 68) von Lina Bo Bardi, das aufgrund seiner klaren Grundrissgestalt gut mit dem Entwurf von Gigon/Guyer in Kalkriese verglichen werden kann.1180 Einen frühen ungegliederten „Mehrzwecksaal“ für Wechselausstellungen erhielt die Schweiz im Jahr 1958 mit dem durch Hans und Kurt Pfister an das Kunsthaus Zürich angefügten „Bührle-Bau“.1181 Die langgestreckte Rechteckhalle beinhaltet in ihrem Obergeschoss einen großen Ausstellungsraum, der durch flexible Stellwände unterteilt wird.1182 Zwei berühmte flexible Museumsentwürfe wurden mit der Neuen Nationalgalerie (1962-68, Mies van der Rohe) am Berliner Tiergarten und dem in seinem Ursprungsentwurf ebenfalls als ungegliedertes Großraummuseum entworfenen Centre Pompidou (1972-77) realisiert. Der offene Raum der Nationalgalerie erhielt bereits 1977 durch Walter Kuhn eine dauerhafte Ausstellungsarchitektur.1183 Auch der „flexible Museumscontainer“1184 des Centre Pompidou wurde auf Dauer nicht favorisiert, so dass Gaë Aulenti (1985) und später Jean- François Bodin (1997-2000) beauftragt wurden, eine Unterteilung in kleinere Räume in die offenen Geschosse einzufügen.1185 Ein technisiertes Großraummuseum schuf Norman Foster mit dem Sainsbury Centre for the Visual Arts (1974-77) in Norwich/Norfolk.1186 Die Einfachheit der langgestreckten Rechteckhalle mit ihrer offen liegenden Stahlkonstruktion machen sie zu einem ebenfalls mit dem Museum in Kalkriese vergleichbaren Bau.

1178 Brawne 1965, 103; Leyde 2011, 201; Regina Stephan: Theo Pabst – 1905-1979 – Architektur im Kontinuum über alle Zeiten, Baunach 2008, Titelbild, 85. 1179 Schubert 1986, 42, 49; Leyde 2011, 201. 1180 S. auch Kapitel B. I. 3. Josep Maria Montaner: Museums for the 21st century, Barcelona 2003, 37; Leyde 2011, 201. 1181 Schubert 1986, 50-51. 1182 Brawne 1965, 124 1183 Schubert 1986, 81; Michael D. Levin: The Modern Museum – Temple or Showroom, Jerusalem 1983, 113; Leyde 2011, 202. 1184 Leyde 2011, 202. 1185 Fils 1980, 29; Leyde 2011, 202. 1186 Montaner/Oliveras 1987, 50-53; Waterfield 1991, 183. 193

Meike Leyde bemerkte, dass das Vorkommen des ungegliederten Einraummuseums nach den 70er Jahren nachlässt, er jedoch weiterhin zum möglichen Raumkanon neuer Museumsgebäude gehört.1187 Als Beispiel neuerer flexibler Großräume nennt sie die Ausstellungssäle des Zentrums Paul Klee/Bern (2002-05).1188 Ebenfalls ungegliederte Geschosse erhielt das Kunsthaus Bregenz (1994-97), welches die offenen Flächen jedoch nicht mehr als flexible Funktionsräume, sondern als „Manifestationen von architektonischem Raum schlechthin“1189 versteht.1190 Ein weiteres Beispiel ist das Musée du Quai Branly (1999- 2006, Jean Nouvel) in Paris. Es besitzt zwar keinen streng rechteckigen, sondern einen langgestreckten, leicht gekurvten Grundriss, dafür kann es aber aufgrund seiner Fensterverteilung und der seitlichen Belichtung des Großraums sowie der inneren Unterteilung mit Ausstellungsvitrinen etc. gut mit dem Museum Kalkriese verglichen werden.1191

d) Spiralförmiger Gebäudeaufbau mit auskragenden Räumen

Ein Museum der Werkgruppe von Gigon/Guyer – die Sammlung Albers-Honegger in Mouans-Sartoux – besitzt einen sich über fünf Stockwerke entwickelnden spiralförmigen Gebäudeaufbau. Eingeschrieben in einen quadratischen Grundriss sind die Ausstellungssäle in den drei oberen Geschossen konzentrisch um den Gebäudekern mit Funktionsräumen und Erschließungsinfrastruktur gelegt [Abb. 234]. Die Säle liegen mit ihren Langseiten hinter den Außenfassaden, so dass sie der Besucher während der Besichtigung der Länge nach durchschreitet. Eine weitere Besonderheit des Gebäudeaufbaus liegt in der Split-Level- Aufteilung der Geschosse [Abb. 232, 233]. Dies meint, dass eine Gebäudehälfte, im vorliegenden Fall die zum Hang hin orientierte, um eine halbe Geschosshöhe höher gesetzt ist als ihr zugehöriges Pendant. So entstehen zueinander um eine halbe Geschosshöhe versetzte Ebenen. Diese Split-Level-Lösung hat den Effekt, dass sich der Besucher auf seinem Rundgang mit einer spiralförmigen Bewegung im Gebäude nach oben schraubt und nicht die Geschosshöhe von Stockwerk zu Stockwerk "in einem Sprung" durch herkömmliche Treppen überwindet. Auf den einzelnen Ebenen schieben sich Räume wie Erker aus dem Gebäude und über das eigentliche Grundrissquadrat hinaus. Diese Erker springen von Geschoss zu Geschoss im Uhrzeigersinn in ihrer Ausrichtung, so dass sie – windmühlenartig der Spirale

1187 Leyde 2011, 202. 1188 Jodidio 2006, 163. 1189 Architekturgalerie Luzern 1997, 44f.; Naredi-Rainer 2004, 173. 1190 Lampugnani/Sachs 1999, 119. 1191 Suma 2005, 194, 196. 194 im Inneren folgend – aus dem Gebäude auskragen. Die Ausstülpungen im EG, 1. OG und 3. OG bilden Eingänge, welche die Distanz zum steilen Abhang, an welchem das Turmmuseum steht, brückenartig überwinden. In den anderen Geschossen nehmen die Ausstülpungen Ausstellungsräume auf. Das 5. OG besitzt keine Auskragung. Die Motivkombination aus konzentrisch um die Gebäudemitte gelegten Ausstellungsräumen, Split-Level-Bauweise und damit verbundenem spiralförmigen Gebäudeaufbau sowie die um den Bau von Geschoss zu Geschoss springenden auskragenden Erker soll im vorliegenden Kapitel untersucht werden. Es werden Vergleichsbauten vorgestellt, die einzelne oder mehrere dieser Motive aufweisen. Zudem werden funktionale Vor- und Nachteile dieser Lösung diskutiert. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass der spiralförmige Gebäudeaufbau Grund- und Aufriss berührt und das vorliegende Kapitel strenggenommen beiden Themen zugeordnet werden kann. Da der Grundriss das dominierende und sich in jedem Geschoss wiederholende Motiv ist, wird das Kapitel diesem Thema zugeordnet.

Ausreichend untersucht wurde das Motiv der ʺSpiraleʺ bisher nur für die Bereiche der Bildenden Kunst und des Kunsthandwerks. Das Ornamentmotiv einer „unendlich um einen festen Punkt laufenden“1192, schneckenförmigen Linie wird für diese Gattungen im Lexikon der Kunst als „grundlegende, elementare, in der Natur beobachtete Form“1193 charakterisiert, die ein Symbol für „Unendlichkeit“1194 oder ein „dynamisches Aufstreben“1195 sein kann.1196 Wenige Autoren behandelten die Spirale in der Architektur. Meist wird sie nur in Zusammenhang mit den bekanntesten Beispielen thematisiert.1197 Eine Einzelbetrachtung gibt es bis auf einen wenige Seiten umfassenden Aufsatz nicht.1198

1192 A.A.: Spirale, in: Lexikon der Kunst – Architektur – Bildende Kunst – Angewandte Kunst – Industrieformgestaltung Kunsttheorie 6 (1994) 804-805 [A.A. 19941]. 1193 A.A. 19941, 804. 1194 A.A. 19941, 804. 1195 A.A. 19941, 804. 1196 Literatur zur Spirale in der Bildenden Kunst und Architektur: Theodore Andrea Cook: Spirals in Nature and Art – A Study Based on the Manuscripts of Leonardo Da Vinci with Special Reference to the Architecture of the Open Staircase at Blois, London 1903, 8, 94-99, 133-145; Reinhold Wurz: Spirale und Volute – Von der vorgeschichtlichen Zeit bis zum Ausgang des Altertums (Diss. Berlin 1908), München 1914; Johannes Boehlau: Die Spirale in der Bandkeramik, in: Prähistorische Zeitschrift 19 (1928) 54-98; Hans Hartmann/Hans Mislin: Die Spirale im menschlichen Leben und in der Natur – eine interdisziplinäre Schau (Kat. Museum für Gestaltung Basel), Basel 1985. 1197 Bedeutende Beispiele für Spiralformen bei Denkmalen und in der Architektur sind das Minarett der Großen Moschee (9. Jh.) in Samarra/Irak, Donato Bramantes Erschließungsrampe (1512) im Vatikanischen Palast, die „Escalier de François Ier“ (1515-19) im Schloss Blois, die Kopenhagener Sternwarte (1637-42) von Jan van Steenwinkel, Auguste Rodins „Turm der Arbeit“ (um 1898) und Wladimir Tatlins „Turm der III. Internationale“ (1919/20). Nicht zu vernachlässigen sind die zahlreichen spiralförmigen Parkhausanlagen, die in Amerika in den 20er Jahren entstanden. Literatur: Cook 1903, 167; Georg Müller: Großstadtgaragen, Berlin 1925, 33; Dominic 195

Die Spirale in der Museumsbaukunst wurde trotz ihrer später noch vorzustellenden berühmten Beispielbauten sowie des engen Zusammenhangs mit der für die Museumsarchitektur zentralen Frage der Wegführung kaum behandelt. Nur die unveröffentlichte Magisterarbeit von Elke Allgaier zur „Rampe im Museums- und Ausstellungsbau [...]“ besprach das Thema der „Spiralrampe/Kreislauframpe“1199 eingehender. Die Autorin nannte wichtige Beispiele für Museumsbauten mit Spiralrampen. Dabei ging sie dem Untersuchungsgegenstand ihrer Arbeit entsprechend auf gewundene Rampen in Museumsbauten, d. h. die Gebäudeerschließung, ein. Spiralförmig aufgebaute Gebäude werden von ihr nicht behandelt. Elke Allgaier untersuchte vornehmlich die Konstruktionsunterschiede der Rampen. Sie unterschied nicht zwischen Museen mit Spiralrampen sowie einer Grundrissdisposition der Ausstellungsräume, die in das Konzept der Spiralrampe eingeschlossen ist und Museen nur mit spiralförmigen Erschließungsrampen, deren sonstige Grundrissgestaltung unabhängig von der Spiralrampe ist. Fragen zur Funktionalität der Spiralrampen im Museumsbau sowie Auswirkungen dieser Gebäudeorganisation auf die Ausstellungsmöglichkeit wurden von ihr nicht diskutiert.1200 Andere Autoren behandelten das Thema der Spirale im Museumsbau nur im Zusammenhang mit den Museumsentwürfen von Le Corbusier und häufiger mit dem Solomon R. Guggenheim Museum (Planung 1943-46, Bau 1956-59, New York, Frank Lloyd Wright).1201 Im Zusammenhang mit dieser Inkunabel der Museumsbaukunst wurden von den Autoren die formalen Stärken, aber auch die funktionalen Schwächen des Spiralbaus thematisiert. In den frühen Publikationen wurde ausnahmslos positiv geurteilt. Michael Brawne lobte 1965 den offenen Spiralhof als „wertvollstes Stück in der Sammlung Guggenheim“1202. 1982 bemerkte er in einer weiteren Publikation als erster Autor die identisch lineare Wegführung einer „geraden Linie und einer Spirale“1203, die er nicht wertete.

Marti: Spirale und Bauwerk, in: Die Spirale im menschlichen Leben und in der Natur – eine interdisziplinäre Schau (Kat. Museum für Gestaltung Basel), Basel 1985, 113-121, 115, 118; Elke Allgaier: Die Rampe im Museums- und Ausstellungsbau des 20. Jahrhunderts – Eine Studie zu den Dimensionen einer elementaren Bauform, MA Freiburg 1995, 13, 15; Jürgen Hasse: Übersehene Räume – Zur Kulturgeschichte und Heterotopologie des Parkhauses, Bielefeld 2007; Simon Henley: Parkhaus Architekturen – Material – Form – Konstruktion, Zürich 2007. Literatur zum Schloss Blois: Frédéric Lesueur: Le Château de Blois, Paris 1970, 93- 107, 95; Annie Cospérec: Blois – Château, in: Jean-Marie Pérouse de Montclos (Hrsg.): Centre – Val de Loire (Le Guide du Patrimoine), Paris 1992, 159-171, 164f. 1198 Marti 1985, 113-121. 1199Allgaier 1995, 28-32. 1200 Allgaier 1995, 28-32. 1201 Bruce Brooks Pfeiffer: Ein Tempel des Geistes, in: Das Solomon R. Guggenheim Museum, Ostfildern 1996, 3-40; Leonie von Wilckens/Paul von Naredi-Rainer: Grundriß der abendländischen Kunstgeschichte (Kröners Taschenausgabe 373), Stuttgart 2000, 459f.; Ernst Seidl: Lexikon der Bautypen – Funktionen und Formen der Architektur, Stuttgart 2006, 371f. 1202 Brawne 1965, 145. 1203 Brawne 1982, 14. 196

Herbert Fecker charakterisierte den Bau 1986 als „große Geste“1204 mit „überwältigender Dynamik“1205. Johannes Cladders bemerkte 1988 ebenfalls die „lineare Betrachtungsabfolge“1206 der Ausstellung innerhalb eines Spiralbaus. Er kritisierte sie jedoch als „alternativlos“1207 und als „Höhepunkt der strengen Besucherführung“1208. Angekreidet wurden von ihm ebenfalls die „nur mangelhaft Tageslicht einlassenden Lichtschlitze“ des mehrstöckigen Museums, die „keine Assoziationen an traditionelle Oberlichtsäle“1209 zulassen, sowie die offene Führung der Ausstellungsnischen um den zentralen Lichthof, der nicht gerade „konzentrationsfördernd“1210 wirke. Auch Naredi-Rainer sah das Guggenheim Museum als Bau, der „das Prinzip der Linearität zur äußersten Konsequenz treibt“1211 und die „Freiheit des Besuchers erheblich einschränkt“1212. Damit erkannten die Autoren die wesentlichen Vor- und Nachteile des spiralförmig angelegten Museumsbaus. Positiv bewertet wurden der formale Ausdruck des Baus, negativ gesehen wurden die lineare, eine Richtung vorgebende Besucherführung sowie die schlechte Lichtqualität in dem vertikal angelegten Museum. Die ersten Spiralbauten der Museumsarchitektur traten in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts auf. Zunächst handelte es sich dabei um nicht ausgeführte Entwürfe. So konzipierte Nikolaj Borisovic Sokolov 1927 einen Ausstellungspavillon an der WCHUTEMAS-Akademie in Moskau.1213 Im Aufriss dieses Entwurfs zeigt sich, dass der Bau aus einer um eine Mittelstütze gewundenen Spiralrampe ohne weitere Zusatzräume besteht.1214 Welche genaue Funktion der Pavillon haben sollte, wird in der zugänglichen Literatur nicht erwähnt. Le Corbusier entwarf 1929 mit dem „Musée Mondial“ für Genf den ersten spiralförmigen Museumsbau. Das Gebäude ist pyramidal als quadratisch gewendelte Spirale organisiert. Der Besucher geht die Pyramidalspirale von ihrer Spitze aus nach unten ab. Betrachtet man Le Corbusiers Entwurfsskizzen genau, so fällt auf, dass er eine Binnengliederung des breit angelegten Spiralgangs durch mobile Stellwände

1204 Fecker 1986, 130. 1205 Fecker 1986, 130. 1206 Cladders 1988, 53. 1207 Cladders, 1988, 53. 1208 Cladders, 1988, 53. 1209 Cladders 1988, 53. 1210 Cladders 1988, 53. 1211 Naredi-Rainer 2004, 41. 1212 Naredi-Rainer 2004, 41. 1213 Selim O. Chan-Magomedov: Avantgarde 2 1924-1927 (Kat. Kunsthalle Tübingen), Stuttgart 1993, 193; Allgaier 1995, 28, Abb. 51, 52. 1214 Chan-Magomedov 1993, 193. 197 beabsichtigte.1215 Diese sind auf der Skizze so gestellt, dass der Besucher durchaus Wahlmöglichkeiten während seines Besichtigungsgangs hat. Anders als es Allgaier darstellt, sah Le Corbusier somit nicht einen starr linearen Spiralweg vor.1216 Das früheste realisierte Beispiel einer spiralförmigen Erschließungsrampe schuf Giuseppe Momo 1929-32 in den Vatikanischen Museen in Rom.1217 Die Spiralform der Treppenrampe beeinflusst nicht die Gliederung der Ausstellungsräume. Sie sind unabhängig von den Treppengeschossen, überspringen teilweise mehrere Windungen und sind nicht spiralförmig angelegt. Das Guggenheim Museum in New York wurde als bekanntester spiralförmig organisierter Museumsbau bereits im Literaturbericht erwähnt.1218 Das Museum steigt über sechs Geschosse auf. Dem Verlauf der zentralen Wendelrampe folgen durch kurze Wandstücke abgetrennte Ausstellungsnischen. Der Besucher betrachtet von der Schräge der Rampe aus die horizontal gehängten Bilder. Hinter der Rückwand befinden sich weitere Ausstellungsräume, die auf gegeneinander verschobenen Split-Level-Ebenen liegen. Frank L. Wright schuf damit den ersten Museumsbau, der in seiner Höhenentwicklung spiralförmig organisiert und wie die Sammlung Albers-Honegger in Split-Level-Bauweise angelegt ist. Ein wesentlicher Unterschied zu Mouans-Sartoux liegt in der Gestaltung der Gebäudemitte. Der offene Spiral-Lichthof des Guggenheim Museums, der das Raumerlebnis sowie den gesamten Museumsbesuch dominiert, ist in Mouans-Sartoux nicht gegeben. Dort sind die Split-Level-Ebenen um einen geschlossenen Erschließungskern gelegt. Diese zurückhaltendere Lösung sorgt dafür, dass die Aufmerksamkeit der Besucher auf den Ausstellungsräumen sowie den Exponaten, nicht auf dem Architekturerlebnis liegt. Die Form der Spirale dominiert ebenfalls das BMW-Museum von Karl Schwanzer in München (1972).1219 Der trichterförmige Ausstellungsbau nimmt im Inneren eine dreifach gewundene Spirale auf, die durch Stützen getragen wird. Aufgrund der freien Stützenkonstruktion der Spiralrampe ergeben sich nur wenige Vergleichspunkte zur Sammlung Albers-Honegger. Einzige Parallele ist die zueinander versetzte Positionierung der auf dem Spiralweg angeordneten drei Ausstellungsebenen, die entfernt an die Split-Level- Lösung erinnert.

1215 Boesiger 1948, 190-194, 193. 1216 Boesiger 1948, 190-194, 193; Allgaier 1995, 29. 1217 Carlo Pietrangeli: I Musei Vaticani – Cinque Secoli di Storia, Rom 1985, 206ff.; Allgaier 1995, 17; Guido Montanari: Giuseppe Momo – Ingegnere – Architetto – La ricerca di una nuova tradizione tra Torino e Roma, Turin 2000, 134-135 , 180-182, 209. 1218 Brawne 1965, 145; Newhouse 1998, 165. 1219 Allgaier 1995, 32, Abb. 90-98. 198

Eine spindelförmige Wegführung erhielt auch die Kunsthal Rotterdam.1220 Da sich der Bau der Kunsthal nur über drei Geschosse erstreckt, knickt der quadratisch gewundene Erschließungsweg nur dreimal ab. Auf ihrem Weg geht die Rampe einmal im Erdgeschoss und einmal im Obergeschoss in großen Ausstellungsflächen auf und setzt sich im Anschluss wieder fort, um den Besucher auf die nächste Ebene zu bringen. Die gewundene Rampe beschränkt sich nur auf die Verbindung der einzelnen Ausstellungsräume. Ähnlich wie bei der Sammlung Albers-Honegger schränkt die spiralige Gebäudeorganisation damit nicht die Ausstellungsmöglichkeiten ein. Die einzelnen Ausstellungsebenen sind ebenfalls als Split- Level zueinander versetzt. Aufgrund der geringen Anzahl der Ebenen sowie der ungleichmäßigen Verteilung der Gesamtfläche in kleinteilige Räume und große Ausstellungszonen ergibt sich im Querschnitt kein so gleichmäßiges Bild wie bei der Sammlung Albers-Honegger in Mouans-Sartoux. Auch in der aktuellen Museumsarchitektur bleibt die Spirale ein seltenes, aber auffallendes Motiv. Die Spiralformen können programmatische Visionen transportieren und garantieren, wenn sie architektonisch in Szene gesetzt werden, einen effektvollen Bau. Daniel Libeskind benannte seinen Entwurf für „The Spiral“ (1996-2004), einen Erweiterungsbau an das Londoner Victoria & Albert Museum in London, selbst als „spektakuläre Inszenierung“, die verdeutlichen solle, dass „Geschichte [...] Teil eines dynamischen Prozesses“1221 sei.1222

Zu Beginn des Kapitels wurde der Zusammenhang zwischen dem spiralförmigen Gebäudeaufbau und dem Motiv der auskragenden Räume bei der Sammlung Albers- Honegger beschrieben. Ein derartiges Konzept konnte bei keinem anderem der genannten Museen gefunden werden. Der einzige Museumsbau, der vergleichbare Motive zeigt, jedoch keinen explizit spiralförmigen Aufbau, ist die Lewis Glucksman Gallery (2002-04) in Cork.1223 Der Bau von O`Donnell + Tuomey liegt ähnlich wie die Sammlung Albers-Honegger in einer historischen Parkanlage, deren Boden nur minimal von dem Museumsbau beansprucht werden sollte.1224

1220 Naredi-Rainer 2004, 162f. 1221 Daniel Libeskind: The Spiral, in: Wolfgang Asholt/Walter Fähnders (Hrsg.): Der Blick vom Wolkenkratzer – Avantgarde – Avantgardekritik – Avantgardeforschung (Avant Garde – Critical Studies 14), Amsterdam 2000, 719-727, 720. 1222 Libeskind 2000, 721. 1223 Shane O`Toole: Celestial Vessel, in: Building Design 1648 (2004) 12-17; A.A.: Irish Gallery Tipped for Stirling Prize, in: Building Design 1679 (2005) 5 [A.A. 20051]; A.A.: Lewis Glucksman Galerie in Cork, in: Architektur & Wettbewerbe 202 (2005) 22-25 5 [A.A. 20052]; Sheila O`Donnell/John Tuomey: O`Donnell + Tuomey – Selected Works, New York 2007, 164f., 167, 169; Internetseite www.glucksman.org/architecture.html und www.odonnell-tuomey.ie/webpage/ucc/ucc.htm [Stand 3. März 2013]. 1224 Hinter dem abgekürzten Namen des Büros stehen Sheila O`Donnell und John Tuomey. O`Donnell 2008, 9. 199

Der Grundriss des viergeschossigen Museums ist in den ersten beiden Geschossen streng rechteckig. Auf der Höhe des 3. Obergeschosses kragt der Bau weit aus und muss von Betonstützen getragen werden. Zudem geht er in einen gekurvt mehreckigen Grundriss über. Dreieckige Fenstererker ragen aus der weich gebogenen Holzfassade hinaus und schneiden die Grundfläche des Gebäudes. Genau wie in Mouans-Sartoux springt die Lage dieser Fenstererker von Geschoss zu Geschoss auf die nächste Gebäudeseite. Das Museum zeigt mit seinen gegeneinander verschobenen Geschossen sowie den dadurch entstehenden Auskragungen starke Ähnlichkeit mit dem Bau in Mouans-Sartoux von Gigon/Guyer.

Als Ergebnis ist festzuhalten, dass kein Museumsbau gefunden werden konnte, der den selben Aufbau wie die Sammlung Albers-Honegger zeigt. Nur einzelne vergleichbare Motive sind in der älteren Museumsbaukunst zu finden. Das frühe Beispiel des „Musée Mondial“ hat mit der Sammlung Albers-Honegger den spiralförmigen Aufbau mit mittigem Treppenhaus gemein. Spiralförmige Erschließungen um einen offenen Lichthof realisierten später Momo und Wright mit dem Vatikanischen Museum und dem Guggenheim Museum. Anders als beim „Musée Mondial“ und der Sammlung Albers-Honegger ist hier die Gliederung der Ausstellungsgeschosse nicht in das Spiralkonzept einbezogen. Das Guggenheim Museum und die Kunsthal Rotterdam teilen mit der Sammlung Albers- Honegger die Split-Level-Bauweise. Das einzige Beispiel mit über den Grundriss herausragenden, windmühlenartig um das Gebäude herum springenden Auskragungen ist die Glucksman Gallery, die ebenfalls als vertikal organisiertes Museum in einem schützenswerten Park situiert ist. Anhand der Beispielbauten konnten Vor- und Nachteile der spiralförmigen Wegführung aufgezeigt werden. Die Spirale gibt einen festen in einer Richtung abzuschreitenden Besucherweg vor, der als „linear“1225 und „alternativlos“1226 bewertet wurde. Es muss dagegen betont werden, dass durch den spiralförmigen Gebäudeaufbau ein kontinuierlicher Weg innerhalb eines Baus mit geringer Grundfläche untergebracht werden konnte. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Sammlung Albers-Honegger möglichst wenig Baugrund einnehmen sollte, um die bestehenden Bäume des Parks zu bewahren.1227 Durch die spiralige Gebäudeorganisation konnte dennoch eine fließende Wegführung erreicht werden. So konnten immer wiederkehrende 180°-Kehrtwenden vermieden werden, die in einem linear gegliederten, vertikal organisierten Bau zustande gekommen wären.

1225 Brawne 1982, 14; Cladders 1988, 53; Naredi-Rainer 2004, 41. 1226 Cladders 1988, 53. 1227 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 200

9. Außenhaut

Eine Untersuchung von Außenhautmotiven innerhalb des Oeuvres von Gigon/Guyer führt schnell zu dem Ergebnis, dass die verschiedenen Fassadenmotive nur teilweise gattungsspezifisch für Museumsbauten sind. Oftmals erfüllen die Fassadenmotive erst in einer zweite Ebene speziell museale Anforderungen. Sie sind gattungsübergreifende Motive, die den Nerv der aktuellen architektonischen Diskussion treffen. Gigon/Guyer haben in ihrem Oeuvre beispielhafte Werke zu einigen dieser Motive geschaffen. An ihren Bauten findet sich eine vielschichtige Umsetzung von Fassadenmotiven, die zu außergewöhnlichen und erst auf den zweiten Blick in ihren verschiedenen Ebenen erfassbaren Bauwerken führt. Innerhalb der Museumsbaukunst ist im Verlauf der 90er Jahre eine Reduzierung der Formensprache festzustellen, die in der Literatur schlagwortartig als „Minimalismus“ bezeichnet wird.1228 Ohne diesen Stilbegriff zu diskutieren und ohne explizite Beispiele zu nennen, kann festgestellt werden, dass die Tendenz zur Reduktion vor allem die Volumina der Gebäudekörper sowie die Formen- und Materialvielfalt im Sinne einer Abwendung von Kleinteiligkeit und Materialvielfalt betraf.1229 Hand in Hand mit der formalen Reduktion ging ein neues Interesse für Materialwirkung und Textur einher. Die schlichten Würfelbauten mit ihren geschlossenen Fassadenflächen eröffnen eine Bühne für einen konkurrenzlosen Auftritt der Fassadenmaterialien und ihrer Oberflächenwirkung. Die Fassaden werden zu einer gestaltbaren, vom Innenbau abgelösten Gebäudehaut, die eine ungekannte optische Dominanz erlangt. An diesen ʺAußenhaut-lastigenʺ Bauten bestimmen meist wenige Motive den Gesamteindruck des Baus. Die Gebäude transportieren durch ihr Bauvolumen und ihre Fassadenbehandlung konzentrierte optische Botschaften bzw. Eindrücke, die durch Farbe, Material- und Oberflächenwirkung entstehen. Auch in der Museumsbaukunst wurde diese Tendenz zu reduzierten Baukörpern mit optisch dominanter Außenhaut im Verlauf der 90er Jahre erkennbar, sie hält bis heute an. Abhängig von der individuellen Auftragssituation und dem vorgegebenen Umfeld entstanden vielfältige Lösungen, deren Fassadenmotive dieser Entwicklung zugeordnet werden können und die zugleich nicht ausschließlich im Bereich der Museumsarchitektur zu finden sind. Daraus folgt, dass alle in den folgenden Kapiteln behandelten Außenhautmotive, die im Museumsbauoeuvre von Gigon/Guyer vorherrschen, auch in anderen Gattungen des

1228 Vgl.: Montaner 1995, 93; Barbara Steiner: Die Ideologie des weißen Ausstellungsraums, Diss. Wien 2002, 149ff.; Thierry Greub: Die Museen zu Beginn des 21. Jahrhunderts – Spekulationen, in: Suzanne Greub/Thierry Greub (Hrsg.): Museen im 21. Jahrhundert – Ideen – Projekte – Bauten (Kat. Art Centre Basel), München 2006, 9-14 [Greub 20061]. 1229 Der Stilbegriff ʺMinimalismusʺ kann an dieser Stelle im Rahmen eines motivgeschichtlichen Kapitels nicht besprochen werden. 201 aktuellen Architekturschaffens vorkommen können. Welche Außenhautmotive einem Museum besonders entsprechen, soll im Folgenden herausgearbeitet werden.

a) „All-Over“

Der Begriff „All-Over“ ist ein Terminus, der ein ab den 90er Jahren ausgereiftes Motiv bei Gebäudehüllen beschreibt. „All-Over“-Bauten haben eine einheitliche Gebäudehülle, die sich als überwiegend geschlossene Haut allseitig um den stereometrisch oder organisch geformten Baukörper zieht. Eine Hauptansicht gibt es meist nicht. Geschossanzeigende Motive oder eine tektonische Zonierung der Fassaden werden bei „All- Over“-Bauten vermieden. Eine traditionelle Einteilung in Sockel, Fassade und Dach ist unbrauchbar. Die einheitliche Außenhülle lässt Fassaden und Dach zu einem großen Ganzen verschmelzen, wodurch sich eine Trennung zwischen Innen- und Außenbau ergibt. Die Inneneinteilung wird durch die Homogenität der Außenhaut verschleiert. Typisch ist zudem, dass das „All-Over“ mit einer Betonung der Materialität einhergeht. Durch die einheitliche Gebäudehülle erfährt das Material eine besondere Gewichtung. Seine optische und haptische Wirkung bestimmen die Gesamterscheinung des Baus wesentlich. In der Literatur wurde der Begriff des „All-Over“ regelmäßig verwendet, eine präzise Definition erfolgte jedoch nicht. Der Ursprung des Begriffs im architektektonischen Zusammenhang ist nicht bekannt. Vermutlich wurde er aus der Kunstwissenschaft entlehnt. „All-Over-Style“ bezeichnet bei Bucheinbänden des 17. Jh.s eine freie, symmetrische Anordnung von Prägedekorationen, die den Buchdeckel „über und über“ bis zum Rand bedecken.1230 Zudem wurde der Begriff in der Malerei im Zusammenhang mit dem „Action Painting“ verwendet. Die flächendeckende, traditionelle Gestaltungsprinzipien der Malerei negierende Entgrenzung des Bildraums wurde zum Markenzeichen von Künstlern des „Abstrakten Expressionismus“ der 50er Jahre.1231

Im Werk von Gigon/Guyer ist das „All-Over“ ein zentrales Motiv. Fast alle ihrer Museen zeigen es. Beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, in Appenzell umschließt die flächige, vom Inneren losgelöste Fassadenhaut mit ihren diagonal verlaufenden Metallschindeln den Baukörper wie aus einem Guss [Abb. 106]. Leicht abgeschwächt findet sich das „All-Over“ beim Museumsbau in Kalkriese, dessen lückenhafte

1230 Harald Olbrich: Lexikon der Kunst – Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrie- Formgestaltung, Kunsttheorie 4 (1987) 640. 1231 Christoph Wetzel: Reclams Sachlexikon der Kunst, Stuttgart 2007, 16. 202

Stahlplatten am Turm die darunterliegende Konstruktion freilegen [Abb. 147]. Die Sammlung Albers-Honegger erweckt durch ihre Farbigkeit und die Form des Baukörpers den Anschein zu schweben, die Geschosseinteilung wird nur durch die Lage der Fensteröffnungen angezeigt [Abb. 218]. Das Kirchner Museum setzt das „All-Over“ materialmäßig um. Sein Bau ist an allen Seiten mit Glas unterschiedlicher Bearbeitungsarten verkleidet. Unüblich für „All- Over“-Fassaden ist in Davos die klassische Einteilung in drei Zonen: Sockel, Fassade und Dach [Abb. 3, 7]. Die Beschreibung der Merkmale des Motivs zeigt, dass das „All-Over“ ein typisches Element des in Kapitel B. I. 2. untersuchten ʺMonolithsʺ ist. Die flächige, allseitig umschließende Gebäudehülle ist ein Merkmal der skulpturalen, auf einen Kernkörper reduzierten Bauten. Wie im genannten Kapitel bereits diskutiert wurde, muss der Ursprung der Entwicklung dieses Typs in der Architektur der beginnenden Moderne mit ihren entkleideten Fassadenflächen und der Erfindung der Curtain Wall als vom Gebäudeinneren losgelöste Vorhangfassade gesucht werden.1232 Das wesentliche Element der „All-Over“- Fassade, die Auflösung der tektonischen Ordnung, wurde in der Hochhausarchitektur vorbereitet. Innerhalb dieser Gattung kann nachvollzogen werden, wie mit der steigenden Höhe der Gebäude die Untergliederung der Fassade in Sockel, Mittelzone und Dach hinfällig wird und sich die Außenhaut vom Inneren ablöst.1233 Frühe Beispiele für „All-Over“-Museen sind die Bauten der Nachkriegszeit. Die Museen dieser Generation werden von repetitiv gemusterten Hüllen umgeben, die sich über den Baukörper ausdehnen. Ein Beispiel ist der Umbau des Kestner Museums (1958-61, Hannover) von Werner Dierschke, dessen Fassaden sich durch die filigranen Strukturen aufzulösen scheinen.1234 Anklänge zeigt auch das Reuchlinhaus (1957-61), das aus mehreren jeweils einheitlichen Baukuben besteht [Abb. 251]. Weitere Bespiele können die zur gleichen Zeit aufkommenden „Dunkelmuseen“1235 sein.1236 Ihre geschlossenen Baukörper werden ebenfalls häufig von strukturierten Ornamentfassaden umhüllt. Im Erdgeschoss besitzen sie oft ein über die gesamte Gebäudebreite verglastes Eingangsfoyer, das als ʺSockelzoneʺ dient und damit den „All-

1232 Literatur zur Curtain Wall: Rolf Schaal: Vorhangwände – Curtain Walls – Typen – Konstruktionsarten – Gestaltungen, München 1961. 1233 Die Entwicklung der Hochhausarchitektur ist gut dokumentiert: Ada Louise Huxtable: Zeit für Wolkenkratzer oder die Kunst Hochhäuser zu bauen, Berlin 1986; Mario Campi: Skyskrapers – An Architectural Type of Modern Urbanism, Basel 2000; Chris Abel: Sky High – Vertical Architecture (Kat. Royal Academy of Arts, London), London 2003; Seidl 2006, 219-223. 1234 Nagel 1971, 48-51. 1235 Schubert 1986, 14f. 1236 Naredi Rainer 2004, 26. 203

Over“-Eindruck abschwächt. Für diesen Typ sind das Museum des 20. Jh.s (1958-62) in Wien von Karl Schwanzer oder das Römisch-Germanische Museum (1962-74) von Heinz Röcke und Klaus Renner in Köln beispielhaft.1237 Ende der 70er Jahre ging der Trend zu konglomerierten Bauten mit kleinteiligen Fassadenmotiven, verschiedenen Materialien und Farben (Bsp.: Museum Abteiberg, 1976-82, Hans Hollein, Neue Staatsgalerie Stuttgart, 1979-84, James Stirling, Michael Wilford [Abb. 256, 257]).1238 Seinen festen Platz in der Museumsarchitektur erhielt das Motiv des „All-Over“ im Verlauf der 90er Jahre. Mit dem Kirchner Museum in Davos schufen Gigon/Guyer einen ersten Museumsbau, der das „All-Over“ in seiner Materialwahl verfolgt, jedoch trotzdem eine klassische Fassadenzonierung besitzt. Zur Etablierung des Motivs innerhalb der Museumsarchitektur trug das zu einem der bekanntesten Museumsbauten der Welt gewordene Guggenheim Museum in Bilbao (1991-97, Frank O. Gehry) bei.1239 Ein frühes Museum mit „All-Over“-Hülle und je nach Lichtverhältnissen mehr oder weniger sichtbarer Geschosseinteilung war Peter Zumthors Kunsthaus (1994-97) in Bregenz.1240 Es folgte das 1999 fertiggestellte Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin, dass seine Binnengliederung durch geschossübergreifende, gezackte ʺFenster-Einschnitteʺ verschleiert.1241 Die Entwicklung schritt weiter zu komplett geschlossenen „All-Over“-Fassaden, wie sie beim Kunstmuseum Liechtenstein (2000-03) in Vaduz von Morger, Degelo & Kerez oder dem Museum für Moderne Kunst (2001) in Wien von Ortner und Ortner verwirklicht wurden [Abb. 247].1242 Das erste realisierte Museum der „Blob-Architektur“, das Kunsthaus Graz (2003, Spacelab Cook-Fournier von Peter Cook und Colin Fournier), erhielt ebenfalls eine „All-Over“-Hülle.1243 Eine Einteilung in klassische Fassadenzonen ist bei diesem biomorphen Baukörper gar nicht mehr möglich. Die Untersuchung der Museen mit „All-Over“-Fassaden wirft die Frage auf, ob ein Zusammenhang zwischen Motiv und Baugattung besteht. Die Aufgabe von Museen, Kunstwerke zu bewahren und auszustellen, benötigt eine geschlossene,

1237 Nagel 1971, 77-79, 80-83; Schubert 1986, 48-49, 94-96. 1238 Flagge 1985, 20-22, 23-26, 38-41; Dietmar Steiner/Katharina Ritter/Sasha Pirker: Größere Gegner gesucht – Stronger Opponents wanted – Kulturbauten im Spannungsfeld von Politik – Medien – Architektur – Cultural Buildings Caught between Politics – Media – Architecture (Kat. Architekturzentrum, Wien), Basel 2001, 142, 142 [Steiner 20012]; Naredi-Rainer 2004, 70-73, 94-95, 138-141. 1239 Zum Guggenheim Museum in Bilbao s. auch Kapitel B. I. 9. b) und B. II. 3. Greub 2006, 9. 1240 Naredi-Rainer 2004, 196-197; Zeiger 2006, 78-83. 1241 Naredi-Rainer 2004, 206-209. 1242 Zeiger 2006, 72-77. 1243 Zeiger 2006, 66-71. 204

Temperaturschwankungen und Lichteinstrahlung regulierende Gebäudehülle. Diese Anforderungen können „All-Over“-Bauten sehr gut entsprechen. Durch ihre wenigen Fensteröffnungen ermöglichen sie eine maximale Hängefläche und klimatisch optimale Bedingungen. Diese Merkmale stellen Gemeinsamkeiten mit dem Typ der „Schatzhausmuseen“ her, der bereits in Kapitel B. I. 2. erwähnt wurde. Die funktionalen Vorteile der „All-Over“-Fassaden für den Museumsbau werden dazu beigetragen haben, dass das Motiv weiterhin sehr populär ist. Aus der breiten Nachfolge sollen hier das De Young Museum (2005, Herzog & de Meuron) in San Francisco und das Kalmar Konstmuseum (2008) und das Moderna Museet Malmö (2009) von Tham & Videgård aufgeführt werden.1244 Besonders das letztgenannte Beispiel zeigt als fensterloser Kubus mit verschleiernder vorgehängter Lochblechfassade ohne Einschränkungen die Vorzüge der „All-Over“-Fassade für den Museumsbau und stellt eine motivische Verbindung zum Galeriedepot in Wichtrach her.

b) Künstliche Patina

Ein besonders spannendes Motiv im Oeuvre von Gigon/Guyer ist die künstliche bzw. beabsichtigte Patinierung von Fassaden. Erstmals tauchte das Motiv an der Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur auf. Der Sichtbeton des Außenbaus wurde mit Kalk und Kupferpartikeln angereichert, um eine vorhersehbare, beschleunigte Patinierung zu erreichen. Die Kupferpartikel führten zu einer leichten Grünfärbung des Betons, das herablaufende Regenwasser verstärkte diesen Effekt durch die Bildung von grünspanigen Spuren, wie man sie an Sockeln von Bronzeplastiken kennt, die der Witterung ausgesetzt sind [Abb. 81]. Fast zeitgleich mit der Erweiterung der Sammlung Oskar Reinhart entwarfen Gigon/Guyer das Stellwerk Vorbahnhof (1997-99) in Zürich, dessen Beton mit rotbraunen Eisenoxidpigmenten durchgefärbt wurde, der die Verschmutzung mit Roststaub durch die vorüberfahrenden Züge vorwegnehmen sollte.1245 Beim nächsten Museumsprojekt, dem Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, wählten die Architekten eine Vorbehandlung der Chromstahlbleche der Fassadenverkleidung, die eine Diffusion des auf die Fassade fallenden Tageslichts ermöglichte und Ablagerungen durch Niederschlag und Luftverschmutzung vorwegnahm [Abb. 107]. Man wählte ein mattes Finish, das die Folgen der Bewitterung weniger deutlich zeigen sollte. Die äußeren Einwirkungen auf die Fassadenverkleidung bedachte man auch

1244 Uffelen 2010, 120-121, 390-393, 394-397. 1245 Adam 2003, 10. 205 beim Museum Kalkriese, das mit wetterfestem Stahl verkleidet ist [Abb. 147]. Bei der Sammlung Albers-Honegger rechnete man aufgrund seiner Lage in einem Park mit einer Veralgung und Bemoosung des Gebäudes. Die Architekten entschieden sich dafür, dem Bau von vornherein eine grüngelbe Farbe zu geben [Abb. 218].1246 Künstliche Patina kann eine bewusst vorweggenommene oder beschleunigte Alterung der Fassadenoberflächen sein, die den Bau gestalterisch prägt, in seine Umgebung einbindet oder der unausweichlichen natürlichen Patinierung durch Witterung und Umwelteinflüsse vorgreift. Künstliche Patinierung, die Einplanung von Patina ins Gebäudekonzept und die bewusste Steuerung der natürlichen Patinierung sind neue Phänomene in der Architekturgeschichte, die im folgenden Kapitel untersucht werden sollen.

Patina ist ein Begriff, der üblicherweise nicht in Zusammenhang mit Architektur verwendet wird. Er stammt vom griechischen Begriff für Pfanne bzw. dem durch Gebrauch entstehenden Überzug von Pfannen ab.1247 Synonyme sind „Edelrost“1248 und „Galerie Ton“1249. Gebräuchlich ist die Verwendung des Begriffs vor allem für die Oberflächenveränderungen bei Bronzeplastiken. In der Architektur überwiegt die Beurteilung von Alterungsspuren als Schmutz und Zerfall. Erst in der aktuellen architekturhistorischen Forschung ist ein Wechsel feststellbar. In der frühen Literatur wurden Spuren von Umwelteinwirkungen oder Alterung als die Gebäudeästhetik beeinträchtigende „Verschmutzungen“1250 angesehen. Erst neuere Publikationen sahen in materialspezifischen Veränderungen Patina und bewerteten sie als ästhetische Aufwertung.1251 Hubertus Günther referierte aus kunsthistorischer Sicht die Entwicklung der ästhetischen Wahrnehmung und Bewertung von Alterungsspuren.1252 Das Hauptaugenmerk lag in seinem Beitrag auf den Gattungen Malerei und Bildhauerkunst. Einen vergleichbaren Überblick für die Architekturgeschichte gab Michael Hesse.1253 Er nannte frühe Beispiele für künstliche Patinierung in der Architektur und sah die Blütezeit der künstlichen Patina in den Landschaftsgärten und Ruinenbauten des ausgehenden 18. Jh.s.1254

1246 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1247 Hubertus Günther: Patina in der Geschichte der Kunst, in: Rolf Toyka (Hrsg.): Patina, Hamburg 1996, 21 1248 Günther 1996, 21. 1249 Günther 1996, 21. 1250 J. M. Huberty: Fassaden in der Witterung – Regen, Staub und Patina auf Beton und Stein, Düsseldorf 1983, 10, 16ff. 1251 Toyka 1996; Weidinger 2003. 1252 Günther 1996, 12-33. 1253 Michael Hesse: Patina in der Geschichte der Baukunst, in: Rolf Toyka (Hrsg.): Patina, Hamburg 1996, 34- 43. 1254 Hesse 1996, 34-43, 35 ff. 206

Patina erscheint bei den frühen von Michael Hesse genannten Exempeln wie der Magdalenenklause (1725-26, Joseph Effner) im Park von Nymphenburg/München oder dem Hameau/Petit Trianon (1783-86, Richard Mique) im Park von Versailles als Stimmungselement und nicht als vorausschauende, praktische Maßnahme, um reale Alterungsprozesse vorwegzunehmen.1255 Künstliche Patinierung taucht erst in den 90er Jahren des 20. Jh.s wieder auf. Sie ist als ein Phänomen des aktuellen Interesses an Oberflächenbehandlungen von Fassaden und als eine Variation von Materialwirkungen zu verstehen und kommt nicht nur in der Museumsarchitektur vor.1256 Im Folgenden soll zwischen drei verschiedenen Arten der künstlichen Patinierung unterschieden werden: Am gebräuchlichsten ist die Anwendung von künstlicher Patina als Vorwegnahme von Bewitterung, Alterung und Verschmutzung aus planerischem Kalkül und praktischen Gesichtspunkten heraus. Zweitens wird künstliche Patina eingesetzt, um neu entstehende Gebäude an ihre Umwelt oder Nachbargebäude anzupassen. Und drittens liegt dem Einsatz des Motivs die Absicht zugrunde, durch künstliche Patina im Betrachter Assoziationen an Zeitlichkeit oder Vergänglichkeit hervorzurufen. Recht häufig anzutreffen ist die Verwendung von künstlicher Patina aus praktischen Überlegungen heraus, beispielsweise die Verwendung von vorbehandelten Metallblechen. Steven Holl verwendete für das Kiasma (1994-98) in Helsinki ein stumpfes Titanzinkblech, welches die salzigen Ablagerungen und Verschmutzungen der Ostseeluft besser verkraftet [Abb. 259].1257 So können aufwendige Fassadenreinigungen eingespart werden, die beispielsweise beim Guggenheim Museum (1991-97) in der baskischen Industriestadt Bilbao regelmäßig notwendig sind.1258 Praktische Überlegungen führten auch bei verschiedenen Museen zu Verkleidungen aus wetterfestem Stahl, der besonders deutlich die Schutzwirkung von Patina zeigt. Der durch Korrosion entstehende Rost bildet eine widerstandsfähige Schutzschicht, die unempfindlich gegen weitere Witterungseinflüsse ist. Als Beispiele soll neben Kalkriese das Echigo-Matsunoyama Museum für Naturwissenschaften (1997-2003,

1255 Luisa Hager: Nymphenburg – Schloss – Park und Burgen, München o.J., Abb. 44; Christian Beutler: Paris und Versailles (Reclams Kunstführer Frankreich 1), Stuttgart 1970, 530-533, 533; Günther 1996, 25; Hesse 1996, 38f. 1256 Beispiele für Patina in der zeitgenössischen Architektur aus museumsfernen Gattungen sind Zumthors holzschindelverkleidete Kapelle Sogn Benedetg (1988, Sumvitg/Graubünden) oder Herzog & de Meurons Stellwerk (1992-95, Basel). Steven Holl/Hans Kollhoff/Thomas Ruff u.a.: Architectures of Herzog & de Meuron, New York 1994, Katalog nicht paginiert; Regine Heß: Emotionen am Werk – Peter Zumthor, Daniel Libeskind, Lars Spuybroek und die historische Architekturpsychologie (Diss. Frankfurt 2012), Berlin 2013, 130- 136, 136. 1257 Naredi-Rainer 2004, 214-215; Zeiger 2006, 30-35. 1258 Weidinger 2003, 21. 207

Takaharu + Yui Tezuka Architects) in Matsunoyama/Japan genannt werden, das in einer schneereichen Region extremen Witterungsverhältnissen ausgesetzt ist.1259 Nicht nur die Patinierung von Metallhüllen dient der Vorwegnahme von Bewitterung und Verschmutzung. Wie bereits bemerkt, diente bei der Sammlung Albers-Honegger die Wahl der Farbe der Anpassung an die künftige Verfärbung durch Algen- und Moosbewuchs. Die zweite Verwendung von künstlicher Patina zwecks Anpassung eines Neubaus an seine Umgebung ist seltener. Für die SOR wurde bereits beschrieben, wie der Neubau durch beschleunigte Alterung an den Altbau angepasst wurde. Eine offensichtliche Angleichung des Neubaus durch historisierende Fassadenmotive war nach Aussage von Annette Gigon nicht denkbar. Die Architekten suchten nach einer subtileren Annäherung und kamen so zur Idee der beschleunigten Patinierung durch die Anreicherung des Betons mit Kalk und Kupfer, die prägende Materialien des Altbaus sind. Eine vergleichbare Verwendung des Motivs zeigt das „newMetropolis – National Center for Science and Technology“ (1994-97) von Renzo Piano.1260 Das Wissenschaftsmuseum ist mit vorpatinierten Kupferblechen verkleidet, damit es sich durch Farbe, Material und Patinierung in die Umgebung des historischen Hafens von Amsterdam einfügt. Die grünen Verfärbungen der Kupferbahnen harmonieren mit den ebenfalls durch Meer und Salzwasser patinierten Schiffen und der Farbe des Meerwassers selbst. Auch beim Kunsthaus in Bregenz (194-97) von Peter Zumthor nähern die geätzten Glastafeln der Außenhülle den Bau an den oft grau erscheinenden Bodensee an.1261 Zuletzt soll die Verwendung von künstlicher Patina als Träger von Assoziationen besprochen werden. Patina als Ergebnis von Alterung und Zerfall weckt im Betrachter Bilder von Zeitlichkeit und Vergänglichkeit. Auf diese Assoziationen kann durch die Verwendung von künstlicher Patina bewusst abgezielt werden. Beim Anbau an die Villa Römerholz gibt es neben der bereits genannten formalen Ebene auch eine inhaltliche, bei der die künstliche Patina eine Verknüpfung zum historisch gewachsenen Ort der Villa Römerholz und seinem Genius Loci sucht.1262 Auch beim Museumspark Kalkriese transportiert die Patina der Cortenstahl-Bauten inhaltliche Aspekte. Die rostigen Metallarchitekturen assoziieren Themen wie „Waffen“, „Rüstungen“ und „Krieg“. Zudem ist die Museumsanlage aufgrund der Bedeutung des Ortes Kalkriese als Schlachtfeld und Grab für Soldaten ein ʺzeitlosesʺ

1259 Zeiger 2006, 16f., 126-131; Chris van Uffelen: Museums Architektur – Musées Architecture – Museos Arquitectura, Potsdam 2010, 484-485. 1260 Naredi-Rainer 2004, 182-183. 1261 Mack 19992, 99-100. 1262 A.A. 20002, 78. 208

Mahnmahl für kriegerische Auseinandersetzungen und das von ihnen verursachte menschliche Leid. Die Patina der Bauten nimmt so die Geschichte des Ortes motivisch auf. Für die Verwendung von Patina als Träger inhaltlicher Assoziationen konnte kein weiteres Beispiel aus der Museumsbaukunst gefunden werden. Eigentlich würde es nahe liegen, Museen als Orte des Bewahrens historischer Artefakte mit patinierten Gebäudehüllen zu versehen, um auf die zeitlichen Dimensionen menschlichen Schaffens zu verweisen. Die meist glänzenden Hightech-Fassaden der zahlreichen neuen Museumsbauten, scheinen dem Verständnis vom Museum als repräsentativem Schau- und Erlebnisort jedoch eher zu entsprechen.

c) Sichtbarmachung des geschichteten Fassadenaufbaus

Die Museen von Gigon/Guyer zeigen ein Außenhautmotiv, das in der Museumsarchitektur selten zu finden ist: die Sichtbarmachung des geschichteten Fassadenaufbaus, ungeachtet der Wertigkeit der freigelegten Materialien und ihrer gewöhnlichen Funktion. Mehrfach genannt wurde bereits das Museum in Davos, bei dem das Isolationsmaterial unter den geätzten Glastafeln der Fassade durchscheint [Abb. 7, 10]. Ähnlich verfuhren die Architekten beim Anbau an das Kunstmuseum in Winterthur, an dem Isolationskassetten hinter Industrieglasbahnen sichtbar sind [Abb. 43, 46]. Beim Museum in Kalkriese wurden der Fassadenaufbau und die darunterliegende Konstruktion durch Auslassen einzelner Verkleidungsplatten offen gelegt [Abb. 148]. Auch beim Galerielager in Wichtrach mit seiner doppelten Hülle aus Lochblech ist das Motiv zu finden [Abb. 195]. In der Literatur wurde die Sichtbarmachung des geschichteten Fassadenaufbaus als ein von Gigon/Guyer eingesetztes Motiv benannt, das sich „als Markenzeichen“1263 eignen würde. Die Suche der Architekten nach „Aufrichtigkeit beim Konstruieren“1264 liegt nach Arthur Rüegg hinter dieser Vorgehensweise. Die Bauten von Gigon/Guyer mit ihren semitransparenten Fassaden und geschichteten Metallhüllen sind frühe Beispiele für die Verwendung des Motivs im Bereich der Museumsarchitektur. Vor allem die innovative Verwendung der Lochbleche am Galerielager in Wichtrach war eine singuläre Neuerung und fand eine signifikante Nachfolge im Museumsbau.

1263 Rüegg 19981, 6. 1264 Rüegg 19981, 7. 209

Am Beginn der Entwicklung der Sichtbarmachung der Fassadenschichten steht die Erfindung der Skelettbauweise und der Vorhangfassade. Erst die Unterteilung in tragende und nicht tragende Fassadenschichten macht eine Differenzierung einzelner Lagen mit unterschiedlichen Funktionen möglich.1265 Die architekturhistorische Entwicklung der Vorhangfassade und der transparenten Architektur ist bereits grundlegend untersucht.1266 Als frühes Beispiel soll Bruno Tauts Glaspavillon (1914) für die Ausstellung des deutschen Werkbundes in Köln genannt werden.1267 Dieser Ausstellungsbau für Exponate der Glasindustrie zeigte bereits die Themen, die bis heute Schwerpunkte des architektonischen Schaffens mit Glas geblieben sind: das Ausloten seiner konstruktiven Möglichkeiten, seine Materialeigenschaften der Transparenz und Transluzenz und das sich aus der Durchsichtigkeit ergebende Spiel mit dem Raum und dessen Begrenzung. Taut unterschied zwischen einer äußeren und einer inneren Kuppelhaut. Auf Abbildungen sieht man, dass Taut die tragenden Skelettrippen mit rautenförmigen Gläsern mit glatter Oberfläche ausfachte. Die innere Kuppelhaut war durch kleinteilige, „reliefartig strukturierte Glasplättchen“ mit „verschiedenen Formen und Musterungen“1268 ausgekleidet. Von außen sah die Hülle wie aus flächigen Tafeln zusammengesetzt aus, hinter denen die kleinen Glasplättchen durchschimmerten. Im Kuppelraum brachen die geschliffenen Plättchen das Licht und verhinderten den Blick nach draußen. Taut experimentierte wie später Gigon/Guyer am Kirchner Museum mit der Auflösung der massiven Wand in transparente, lichtdurchdrungene Schichten. Verschieden ist die Wertigkeit des freigelegten Materials. Taut zeigte hinter der Außenhaut kristallin geschliffene, edelsteinartige Glasplättchen, Gigon/Guyer machten gewöhnliches Isolationsmaterial sichtbar. Gigon/Guyer waren Vorreiter für semitransparente Schichtfassaden. Erst in der Folge entstanden weitere Bauten, die dieses Motiv benutzen. Kurz nach dem Kirchner Museum entwarf Peter Zumthor das Kunsthaus Bregenz (Wettbewerb 1990, 1994-97).1269 Seine Hülle aus geätzten Glasplatten ist je nach Witterung und Beleuchtung undurchsichtig oder durchscheinend und zeigt schemenhaft die dahinterliegenden Konstruktionsanker, die Geschossebenen und die Treppenaufgänge. Diese Sichtbarmachung profaner Funktionen kann

1265 Vgl.: Boerlin/Forssman/Haug 1981, 536-690. 1266 Vgl.: Schaal 1961, 8ff.; Peter Rice/Hugh Dutton: Transparente Architektur – Glasfassaden mit Structural Glazing, Basel 1995, 6-94. 1267 Angelika Thiekötter: Bruno Tauts Glashaus – Kristallisationen – Splitterungen (Kat. Werkbundarchiv Berlin), Basel 1993, 28, 38, 46; Rice/Dutton 1995, 14f. 1268 Thiekötter 1993, 43 ff. 1269 Edelbert Köb: Peter Zumthor – Kunsthaus Bregenz (Kunsthaus Bregenz Werkdokumente), Ostfildern 20075 (1. Aufl. 1997). 210 mit der von Gigon/Guyer praktizierten Offenlegung von Funktionsmaterialien verglichen werden. Eine geschichtete „Multimediafassade“ besitzt das Kunsthaus Graz (Wettbewerb 2000, 2001-2003, Peter Cook, Colin Fournier).1270 Bei diesem Bau liegen hinter der gläsernen Gebäudeverkleidung Leuchtstoffröhren, die einzeln geschaltet werden können, um Lichteffekte, Muster oder Schriftzüge zu erzeugen. Auch in unbeleuchtetem Zustand sind die Leuchtmittel und ihre Verankerungen sichtbar.1271

Gigon/Guyer haben das Motiv auch bei metallverkleideten Fassaden verwendet. Ein Vergleichsbau für die Sichtbarmachung der Konstruktion durch weggelassene Fassadenplatten wie in Kalkriese konnte nicht gefunden werden. Das Galerielager Wichtrach nahm ein Motiv auf, das an Bauten anderer Gattungen wie dem Bürohaus Sarphatistraat (2000) in Amsterdam von Steven Holl oder einem Parkhaus (2000, TEN Arquitectos) in Princeton/New Jersey bereits realisiert wurde.1272 Das Galerielager führte die Lochblechfassade in die Gattung der Kunst- bzw. Museumsbauten ein. Ein erster Nachfolger mit dieser belichtungstechnisch vorteilhaften, bei Dunkelheit effektvoll durchscheinenden Gebäudehülle war das De Young Museum (2005, Herzog & de Meuron) in San Francisco.1273 Seine Außenhaut besteht aus Kupferblech, das in fünf verschiedenen Lochgrößen perforiert ist. Wie in Wichtrach regulieren die Lochpaneele das in die Ausstellungsräume einfallende Licht und geben der Gebäudehülle „von weitem einen gleichmäßigen, aus der Nähe einen […] vielfältigen und verändernden Ausdruck“.1274 Dieses Spiel zwischen geschlossener und durchlässiger bzw. ʺperforierterʺ Fassade ist ein Merkmal der geschichteten Lochblech- Museen. 2007 bis 2010 wurde eine mit gefalteten Lochblechen aus oxidiertem Rotmessing verkleidete Erweiterung (Diane Heirend, Philippe Schmit Architectes) in den Park des Museums der Stadt Luxemburg gesetzt.1275 Die Perforation der Bleche wurde eckig gewählt, so dass ein größerer Öffnungsanteil vorliegt. Aus der Entfernung wirkt der Bau wie mit einer einheitlichen Hülle verkleidet. Bei innerer Beleuchtung wird die Semitransparenz der Fassadenhaut sichtbar.

1270 Desmoulins 2005, 58-61. 1271 Zeiger 2006, 68; Uffelen 2010, 140-141, 140. 1272 Oscar Riera Ojeda/Mark Pasnik: Elements in Architecture – Materialien – Matériaux – Materialen, Köln 2008, 84-87. 1273 Zeiger 2006, 132-135; Uffelen 2010, 120-121. 1274 Uffelen 2010, 120. 1275 Achim Geissinger: Geerdete Sinnesfreuden – Kunstmuseum der Stadt Luxemburg, in: Deutsche Bauzeitung 12 (2010) 26-33, 6, 29, 32. 211

Die Vorzüge des Lochblechs nutzte auch das Moderna Museet (2008, Tham & Videgård Arkitekter) im südschwedischen Malmö.1276 Durch die Lochbleche mit ihren großdimensionierten Stanzungen erhielten die Fassaden eine räumliche Dimension, die die reine Stereometrie des Kubenbaus belebt. Wie bei den beiden vorangegangenen Beispielen relativiert die mehrlagige Fassade je nach Beleuchtung den Gegensatz zwischen geöffneter und geschlossener Gebäudehülle. Eine Fassadenhülle aus engmaschigem Metallgitter erhielt das von Ursula Wilms (Büro Heinle, Wischer und Partner) realisierte Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ (erneuter Wettbewerb nach Aufgabe Peter Zumthors Entwurf 2005, Fertigstellung 2010, Berlin).1277 Auch bei diesem Beispiel erzeugen die verhängten Fensteröffnungen eine leicht verschattete Atmosphäre und halten den Besucherblick im Inneren der Ausstellungsräume. Durch die Untersuchung der einzelnen Bauten konnten die Merkmale des Motivs der „Sichtbarkeit des geschichteten Fassadenaufbaus“ deutlich gemacht werden. Charakteristika sind die Sichtbarmachung der Konstruktion und die Relativierung bzw. Auflösung der Fassade als geschlossene Gebäudehülle. Typisch für die Verwendung des Motivs bei Gigon/Guyer ist das Sichtbarmachen gewöhnlicher Materialien, das noch in Kapitel B. II. 4. untersucht wird. Museumsspezifische Merkmale des geschichteten Fassadenaufbaus gibt es nur bei den Lochblechfassaden. Vorteile wie die Reduktion des einfallenden Lichts und die Abschirmung des Besucherblicks werden dazu geführt haben, dass Lochblechfassaden in der Nachfolge des Galerielagers Wichtrach innerhalb der Museumsarchitektur häufig umgesetzt wurden.1278

d) Farbe

ʺFarbe als Motivʺ ist ein Thema, das näher eingegrenzt werden muss. Die farbige Erscheinung von Gebäuden kann unterschiedlich erzeugt werden. Eine Möglichkeit ist, dass Bauwerke durch die Farbe der eingesetzten Materialien geprägt werden.1279 Aus Kapitel I. 9. b) kann eine Unterform dieser Materialfarbigkeit abgeleitet werden: die künstliche Einfärbung

1276 Uffelen 2010, 394. 1277 Peter Jochen Winters: Dokumentationszentrum Topographie des Terrors Berlin (Die Neuen Architekturführer 160), Berlin 2012, 4ff., 19f. 1278 Die Eigenschaft der Lochbleche, Licht zu reduzieren, führte dazu, dass sie auch in Oberlichtkonstruktionen einbezogen werden, wie beim Nasher Center (2003, Dallas/Texas) von Renzo Piano, das Lochbleche als Deckenabschluss hat. Desmoulins 2005, 43; Suma 2007, 165, 167. 1279 Friedrich Kobler/Manfred Koller: Farbigkeit in der Architektur, in: RDK 7 (1981) 274-427. 212 eines Materials, wie bei der Anreicherung von Beton mit farbigen Zuschlagstoffen. Eine weitere Möglichkeit der Architekturfarbigkeit ist, dass ein Bauwerk durch einen Anstrich oder Putz gestaltet wird. Bei ihren ersten Museumsbauten – Davos, Winterthur und SOR – wählten Gigon/Guyer Materialfarbigkeit, wobei bei der Erweiterung der Villa Römerholz, wie oben erwähnt, eine Beimischung von Kupferpulver vorgenommen wurde, das mit der Zeit eine Einfärbung mit sich bringt. Die Bauten des Parks Kalkriese sind ebenfalls Beispiele für eine effektvolle Materialfarbe. Einen farbigen Anstrich realisierten die Architekten bei der Sammlung Albers-Honegger, die hellgrün gestrichen wurde, um der Bemoosung vorzugreifen und den Baukörper in den mediterranen Park zu integrieren.1280 An der Sammlung Albers- Honegger wird die Wirkung von Farbe auf einen Baukörper deutlich: Ihre Leuchtkraft und ihr flächiger Auftrag homogenisieren die Fassaden und betonen die Volumetrie des Baus. Über den Umgang mit Farbe bei Gigon/Guyer gibt es mehrere Aufsätze, die die unterschiedlichen Möglichkeiten der Farbanwendung beschreiben: die Beschränkung auf farbige Bauteile, komplett farbige Bauten, eigenständige Farbkonzepte der Architekten und ihre Zusammenarbeit mit Künstlern.1281 Keiner der Autoren untersuchte das Motiv der farbigen Fassaden architekturhistorisch. Die Architekturgeschichte ist geprägt von einem „Wechsel von Polychromie und farblicher Zurückhaltung, von Farbenrausch und Farbverzicht“1282. Wie Meike Leyde in ihrer Dissertation bemerkte, prägte Johann Joachim Winckelmanns (1717-68) Theorie der farblosen antiken Kunst und Architektur seine Epoche und die nachfolgenden Generationen.1283 Für Repräsentationsbauten wurde in der Folge heller Stein als Baumaterial gewählt, der einen Eindruck von Erhabenheit und Würde erzeugte. Auch wenn der Polychromiestreit in den 1830er Jahren Winckelmanns Theorie relativierte, prägte die Farblosigkeit und die damit verbundenen Assoziationen die Baukunst bis heute. Farbe am Bau wurde mit oberflächlicher Dekoration statt wahrhaftiger Baukunst, mit Gefühlshaftigkeit

1280 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1281 Adam 2003, 10; Max Wechsler: Farbe als Faktor der Architektur – Adrian Schiess architektonische Farbsetzungen, in: Heinz Wirz (Hrsg.): Adrian Schiess – Farbräume – Zusammenarbeit mit den Architekten Herzog & de Meuron und Gigon/Guyer 1993-2003, Luzern 2004, 9-21; Hubertus Adam: Visuelle Überlagerungen, in: Baumeister 4 (2009) 62-66. 1282 Leyde 2011, 119; Weitere Literatur zu Farbe in der Architktur: Hans Jörg Rieger: Die farbige Stadt – Beiträge zur Geschichte der farbigen Architektur in Deutschland und der Schweiz 1910-1939, Diss. Zürich 1976; Kobler/Koller 1981, 274-427; Rainer Wick: Visuelle Einleitung in die Geschichte eines ästhetischen Phänomens, in: Kunstforum International 57 (Januar 1983) 25-36 [Wick 19832]; Otl Aicher/Günter Behnisch/Fritz Fuchs u.a.: Über das Farbliche, Stuttgart 1993; Klaus Jan Philipp: Farbe – Raum – Fläche – Farbkonzepte in der Architektur, in: Klaus Jan Philipp/Max Stemshorn (Hrsg.): Die Farbe Weiß – Farbenrausch und Farbverzicht in der Architektur, Berlin 2003, 16-47; Lino Sibillano/Stefanie Wettstein: Graue Stadt – bunte Stadt – Farbgestaltung im städtischen Raum, in: Baumeister 4 (2009) 214-230, 214 , 48-51. 1283 Leyde 2011, 119. 213 statt Funktionalität, mit ʺVolkstümlichkeitʺ und Banalität verbunden.1284 Diese negativen Konnotationen standen dem klassischen Ideal der Institution Museum entgegen.1285 Die frühen Museumsbauten mit ihren steinfarbenen, mit Tempelmotiven geschmückten Fassaden entsprechen der Tradition Winckelmanns farbloser Antikentheorie. Beispiele dafür sind die Glyptothek (1816-30) in München von Leo von Klenze und der Außenbau des Alten Museums (1823-29) in Berlin von Karl Friedrich Schinkel.1286 Frühestes Beispiel für ein buntfarbiges Museum, das die Gegenposition des Polychromiestreits manifestiert, ist das Thorvaldsen-Museum (1839-48) in Kopenhagen von Michael Gottlieb Bindesbøll.1287 Bis heute dominiert in der Museumsbaukunst die Eigenfarbe der Baumaterialien. Farbige Museen für Kunst sind stark in der Minderheit. Das bereits mehrfach erwähnte Centre Pompidou ist eines der ersten Museen mit bunten Details.1288 Aus demselben motivischen Kontext wie das Centre Pompidou bediente sich Adrien Fainsilber für die Cité des Sciences et de l`Industrie (1980-86) im Parc de la Villette, das in einem als Schlachthof konzipiertem, nie fertiggestelltem Bau untergebracht wurde.1289 Seine leuchtend blaue Stahlträgerkonstruktion erinnert stark an die offene Konstruktion des Centre Pompidou.1290 Die nächsten Museen mit farbigen, an Industriearchitektur angelehnten Teilen waren die Kunsthalle in Wien und das Groningen Museum mit seinem signalgelben Turm.1291 Eine Verbindung zwischen Industriearchitektur und Farbigkeit zeigt auch das in einer leuchtend blauen Lagerhalle untergebrachte MoMA QNS (2000-02) in Queens/New York.1292 Mit Beginn des 21. Jh.s wird Farbe an Kunstmuseen häufiger eingesetzt. Auch Bauten, die keine Industriearchitekturmotive aufweisen, können farbige Fassaden erhalten. Neben der Sammlung Albers-Honegger wurde 2008 das Museum Brandhorst (München, Sauerbruch

1284 Rieger 1976, 13ff., 56; Wick 19832, 34; Rainer Wick: De Stijl – Bauhaus – Taut – Zur Rolle der Farbe im Neuen Bauen, in: Kunstforum International 57 (Januar 1983) 60-74, 65 [Wick 19831]; Philip/Stemshorn 2003, 20, 40ff.; Wolfgang Ullrich: Vom Klassizismus zum Fertighaus – Ein Lehrstück aus der Geschichte der Farbe Weiß, in: Wolfgang Ullrich/Juliane Vogel (Hrsg.): Weiß, Frankfurt 2003, 214-230, 214, 217f. 1285 Ullrich 2003, 215. 1286 Literatur zur Glyptothek: Winfried Nerdinger: Klassizismus in Bayern, Schwaben und Franken – Architekturzeichnungen 1775-1825 (Kat. Stadtmuseum München), München 1980, 225-228, 229-242; Gottlieb Leinz: Baugeschichte der Glyptothek 1806-1830, in: Glyptothek München 1830-1980 (Kat. Glyptothek München), München 1980, 90-181; Klaus Fräßle: Carl Haller von Hallerstein 1774-1817, Diss. Freiburg 1971, 137 ff., 207-288; Desmoulins 2005, 8. Literatur zum Alten Museum.: Erik Forssman: Karl Friedrich Schinkel – Bauwerke und Baugedanken, München 1981, 118; Pevsner 1976, 127. 1287 Lisbet Balslev Jørgensen: Thorvaldsen`s Museum – A National Monument, in: Apollo 127 (1972) 198-205, 202; Kat. Thorvaldsen-Museum, Kopenhagen: Das Thorvaldsen-Museum, Kopenhagen 1985, 5-12. 1288 Desmoulins 2005, 9. 1289 Orlandini 2002, 23. 1290 Montaner/Oliveras 1987, 122-125; Montaner 1990, 129-135. 1291 Krischanitz 1992, 91; Newhouse 1998, 205. 1292 Zeiger 2006, 56; Suma 2007, 83-91. 214

Hutton) mit seiner bunten Fassadenverkleidung aus Keramik fertiggestellt.1293 Das Motivduo aus Industriearchitektur und Farbe blieb ebenfalls aktuell, wie das bereits genannte Moderna Museet (2008) in Malmö zeigt.1294 Es kann festgehalten werden, dass buntfarbige Museen sich erst Ende des 20. Jh.s etablierten. Farbige Bauteile wurden von den 70er Jahren bis zur Jahrtausendwende gerne mit Industriearchitektur-Motiven kombiniert (Centre Pompidou, temporäre Kunsthalle Wien, MoMA QNS, Kunsthalle Malmö). Als Beispiele für farbige Kunstmuseen ohne Motive aus der Industriearchitektur konnten nur die Sammlung Albers-Honegger und das Museum Brandhorst gefunden werden. Buntheit scheint der etablierten Vorstellung vom klassischen Kunstmuseum entgegenzustehen. Die Fassade der Sammlung Albers-Honegger erscheint vor diesem Hintergrund als ein Beispiel innovativer Farbanwendung, zumal der Erweiterungsturm in direkter Nachbarschaft zu einem historischen Bau, dem Schloss von Mouans-Sartoux, platziert ist.

10. Eingangssituation a) Eingang

Eine Befragung von Museumsbesuchern aus dem Jahr 2003 ergab, dass eine „attraktive äußere Gestaltung des Zugangsbereichs von Museen“ 2% von ihnen „nicht gleichgültig“, sondern „eher wichtig“ (46,3%) oder „wichtig“ (26,8 %)1295 war. Diese Zahlen geben einen aufschlussreichen Einblick in die Besucherwahrnehmung und beleuchten einen Bauteil des Museums, der in der Literatur bisher kaum untersucht wurde.1296 Eingänge zu Museen können verschieden gestaltet sein. Ein Portal wird beeinflusst von der Gattung und Bedeutung des Museums oder von der Trägerschaft (Nationalmuseum oder Sammlermuseum), der Umgebung, seiner Positionierung am Bau (Schauseite oder Nebenfassade, zentral oder aus der Mitte gerückt) und zuletzt der Gestaltung des Eingangs selbst. Bei klassischen freistehenden Kunstmuseen kommen am häufigsten mittige, durch Treppenanlagen und Bauschmuck hervorgehobene Portale auf der Schauseite vor. Aus der

1293 Kieran Long: Museum Brandhorst, in: Architectural Review 7 (2009) 32-39. 1294 Uffelen 2010, 394. 1295 Bernd Günter: Kern und Schale – Museumsarchitektur aus Besuchersicht, in: Museumskunde 68 (2003) 90- 95. 1296 Brawne, Schubert und Naredi-Rainer gehen auf das Thema der Eingangssituation ein, wobei Brawne und Schubert unter Eingang die Eingangshalle bzw. das Foyer verstehen und nicht die Positionierung des Portals am Bau. Brawne 1965, 204; Schubert 1986, 23f.; Naredi-Rainer 2004, 39f. Mit Eingängen im Allgemeinen beschäftige sich: Slessor 2002. 215 großen Zahl möglicher Beispiele sollen das Alte Museum (1823-30) in Berlin von Karl F. Schinkel und die Alte Pinakothek (1826-36) von Leo von Klenze genannt werden.1297 Wie schon in Kapitel B. I. 6. thematisiert, entstanden Ende des 19. Jh.s die ersten Museen in Bauzeilen mit asymmetrischen Fassaden und leicht aus der Mitte gerücktem Hauptportal (Großherzogliches Museum Darmstadt).1298 Nach dem Zweiten Weltkrieg werden zurückhaltende Eingangssituationen gewählt, die das Museum als bürgernahe Lehreinrichtung kennzeichnen sollen.1299 Mit den neuen Bautypen des eingeschossigen, in die Fläche gebauten Museums, oftmals im Pavillonsystem, überwiegen asymmetrisch gelegene Eingänge mit flachen Stufenanlagen wie das bereits genannte Reuchlinhaus (1957-61) [Abb. 250] oder das Museum der Calouste Gulbenkian Stiftung Lissabon (1965-69, Ruy Jervis d’Athouguia, Pedro Cid, Alberto Pessoa).1300 Später wurden vielfältige Eingänge realisiert. Neue Großmuseen mit überregionaler Bedeutung wie das Centre Pompidou erhalten kleine und schlichte Entrées, die völlig hinter die Gesamterscheinung zurücktreten.1301 Der zentrale, repräsentative Eingang erlebte parallel dazu eine Renaissance, wie beim Museum of Modern Art (1992-95) in San Francisco von Mario Botta oder der Galerie der Gegenwart (1992-96) in Hamburg von Oswald M. Ungers.1302 Gleichzeitig entstanden asymmetrische, aus dem Zentrum gerückte Eingänge wie bei der Fondation Beyeler (1994-97) in Riehen bei Basel von Renzo Piano [Abb. 254].1303 Gigon/Guyer knüpften bei ihren Museumsbauten an die optisch zurückhaltenden Portale an. Ihre Eingänge treten hinter den Inhalt des Ausstellungsbaus zurück und erfüllen nur die Grundfunktion eines wind- und wettergeschützten Eintritts.1304 Bei dem freistehenden an einer Durchfahrtsstraße positionierten Kirchner Museum in Davos wählten sie einen aus der Mitte gerückten schlichten Eingang mit aufrechtgestellter und nur durch Auslassung der Ätzung in Erscheinung tretender Namensaufschrift [Abb. 4]. Eine Hervorhebung ist die Betonrampe, die den Besucher barrierefrei zum Entrée leitet. Beim Kunstmuseum Appenzell,

1297 Zum klassischen Kunstmuseum und seiner architekturhistorischen Entwicklung vgl.: Pevsner 1976, 111-138, 127ff. 1298 Bott 1970, 1-24, Abb. 4 und 6; Sheehan 2002, 261. 1299 Schubert 1986, 23f.; Naredi-Rainer 2004, 40. 1300 Zu den Grundrissen der Museen der Nachkriegszeit vgl. Schubert 1986. Literatur zum Museum der Calouste Gulbenkian Stiftung: Ana Tostões: Architecture as the Gulbenkian image, in: Stiftung Calouste Gulbenkian (Hrsg.): The Gulbenkian Headquarters and Museum – Architecture of the 60`s – Essays, Lissabon 2006, 20-43, 21, 32; Wilfried Wang: The making of a cultural landscape – The Calouste Gulbenkian Foundation, in: Stiftung Calouste Gulbenkian (Hrsg.): The Gulbenkian Headquarters and Museum – Architecture of the 60`s – Essays, Lissabon 2006, 86-101, 87f., 93; Internetseite http://www.gulbenkian.pt/section9artId132langId2.html [25. September 2013]. 1301 Desmoulins 2005, 9. 1302 Newhouse 1998, 61; Naredi-Rainer 2004, 86-87, 74-77. 1303 Naredi-Rainer 2004, 118-121. 1304 Mack 2012, 18. 216 ehem. Museum Liner, wurde das Portal auf die von der Staßenansicht aus gesehene Rückseite gelegt [Abb. 106]. Eine mit dem Baukörper fluchtende Rampe führt über einen schmucklosen Betontrichter ins Foyer. Einen ähnlich auskragenden Eingangstrichter besitzt die Sammlung Albers-Honegger [Abb. 219]. Das Motiv des Betonkubus als Eingang ist an Le Corbusiers Erfindung des mit Beton gerahmten "Kastenfensters" angelehnt und wurde bereits an der Hayward Gallery (1965-68, London) von Hubert Bennet und Jack Whittle verwandt (s. Kapitel B. I. 14. b).1305

b) Eingangshalle

Auch als Foyers konzipierten Gigon/Guyer auf die Grundfunktionen reduzierte Räume, die die Kasse mit Postkarten- und Bücherverkauf und eine Zone mit schlichten Sitzmöbeln als Sammlungspunkt und Ruhemöglichkeit aufnehmen. Im Kirchner Museum und dem Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, erlauben Fenster den Blick nach draußen für den Besucher und das an der Museumskasse arbeitende Personal [Abb. 111]. Angeschlossen an das Foyer liegt die Garderobe mit den gebündelten Funktionen Garderobe, Schließfächer, Toiletten als ein in Davos, Appenzell und Mouans-Sartoux niedriger, den menschlichen Maßen angepasster Raum. Der Zugang zu den Ausstellungsräumen wurde unterschiedlich eingesetzt. In Davos geht das Foyer direkt in die Verteilerzone über, die Bildersäle sind in ihrer Lage und Anordnung für den Besucher gleich erfassbar. In Appenzell und mit Einschränkungen auch in Mouans-Sartoux erschließt sich die Ausstellung nach dem Durchschreiten des ersten Durchgangs als lineare Raumabfolge [Abb. 13, 123, 234]. In den Museen von Gigon/Guyer sind in den Eingangshallen keine weiteren Funktionen wie Cafeteria oder Shop untergebracht. Dies liegt vermutlich an der geringen Größe und den ökonomischen Voraussetzungen der Häuser. Auch bei den Erweiterungen war kein Café notwendig, da im Altbau bereits eines existierte (Erweiterung Winterthur, SOR). Untersuchungen zu Eingangshallen von Museen fehlen bisher, daher sind kaum Beispiele zu finden. Schon im Reuchlinhaus (1957-61), das die Grundrissdisposition des Kirchner Museums vorwegnimmt, dient das Foyer mit einem zurückhaltenden Kassentresen als Verteilerzone [Abb. 252]. Seine moderate Raumhöhe, die radial angeordneten Zugänge zu den einzelnen Ausstellungsbereichen und die bodentiefen Verglasungen mit Ausblicken ins Grüne sind Gemeinsamkeiten mit Davos. Ein weiteres Beispiel ist der Erweiterungsbau an

1305 Waterfield 1991, 171. 217 das Kröller-Müller-Museum (1970-77) von Wim Quist in Otterlo [Abb. 260]. Der ebenfalls niedrige, sich in die Fläche ausbreitende Bau mit kaum in Erscheinung tretendem Hauptportal besitzt ein in weiten Teilen verglastes Foyer mit geringer Deckenhöhe. Es nimmt die Zugänge zum Skulpturenpark, zu Diensträumen und einem Auditorium sowie Garderoben und Toiletten auf.1306

11. Wegführung

Unter Wegführung ist die Leitung des Besuchers bei der Besichtigung zu verstehen. Die ʺSpurʺ des Besuchers kann durch den Grundriss des Gebäudes und durch mobile Stellwände o.ä. vorbestimmt werden. Die von Gigon/Guyer realisierten Wegführungen können in drei Typen eingeteilt werden. Am häufigsten wählten sie die mäandernde Wegführung, bei der der Besucher linear aufeinanderfolgende Räume durch aus der Mittelachse gerückte Durchgänge abschreitet. So fällt der Blick beim Eintritt in den nächsten Raum auf die gegenüberliegende Wand und damit die ausgestellten Kunstwerke und nicht wie bei der klassischen Enfilade auf eine Abfolge von Durchgängen.1307 Der mäandernde Weg ist eine ʺWeiterentwicklungʺ der klassisch linearen Wegführung des Galeriemuseums.1308 Wie bereits in Kapitel B. I. 8. a) aufgezeigt, war dieses aus der Schlossbaukunst entwickelte Grundrisssystem eines der grundlegenden Konzepte für Museen. Die Enfilade gab es schon früh mit aus der Mitte gerückten Durchgängen, die mehr Hängefläche ermöglichten als mittige Öffnungen (Idealentwurf eines Museums, 1704, Leonhard Christoph Sturm und Museum Fridericianum, 1769-79, Kassel, Simon Louis du Ry oder mit mittig liegenden Durchgängen (Museo Pio-Clementino, 1773, Vatikan, Gaetano Marini, Michelangelo Simonetti, Giuseppe Camporesi.1309 Diese beiden Enfilade-Typen blieben bis ins 20. Jh. bestimmend.1310 Auch in neuerer Zeit entstanden Museen mit

1306 Leyde 2011, 47, Abb. 1 und 2. 1307 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1308 Brawne 1965, 23; Literatur zur Enfilade: Kurt Cassirer: Die ästhetischen Hauptbegriffe der französischen Architektur-Theoretiker von 1650-1780 (Diss. Berlin 1909), Berlin 1910, 45; Luisa Hager: Enfilade, in: RDK 5 (1967) 334-340; Hans Koepf: Enfilade, in: Bildwörterbuch der Architektur (Kröners Taschenausgabe 194), Stuttgart 19993, 151. 1309 Seling 1952, 47 f.; Plagemann 1967, 14f., Abb. 5 und 6; Pevsner 1976, 114. 1310 Bedeutende Museen mit Ausstellungssälen „en enfilade“ sind neben den bereits mehrfach erwähnten Galeriemuseen die Eremitage (1839-51, Leo von Klenze) in St. Petersburg. Beispiele für das 20. Jh. sind: Kunsthalle Hamburg (1905-21, Albert Erbe, Fritz Schumacher); Kunstmuseum Basel (1930-34, Paul Bonatz und Rudolf Christ). Literatur zur Eremitage: Plagemann 1967, 109-116, Abb. 117, Abb. 118. Literatur zur Kunsthalle Hamburg und zum Kunstmuseum Basel: Preiß 1992, 87ff., 309-320. 218 konventionellen Enfiladen (Neue Staatsgalerie Stuttgart, 1979-84 und Gemäldegalerie Berlin, 1991-97, Heinz Hilmer, Christoph Sattler.1311 Die von Gigon/Guyer gewählte mäandernde Wegführung ist eine seltene Variante des klassischen Motivs der Enfilade. Wechselnde Durchgänge zeigt beispielsweise Wim Quists Anbau (1970-77) an das Kröller-Müller-Museum in Otterlo.1312 Am südlichen Ende der Erweiterung sind vier Ausstellungssäle in drei zueinander versetzten Kuben untergebracht. Ihre Verbindungen legte Quist zweimal zur Mittelachse verschoben und einmal zur Außenwand versetzt, so dass sich ein mäandernder Sprung der Wegführung von der einen Gebäudeseite auf die andere ergibt.1313 Zueinander versetzte Durchgänge hat auch der Sainsbury Wing (1988-91, Robert Venturi, Scott Brown) an der National Gallery in London.1314 Zeitnah zum Erweiterungsbau in Winterthur entstand das Museum für zeitgenössische Kunst Kiasma (1994-98, Helsinki, Steven Holl), wenig jünger ist das Museum Het Valkhof (1996-99, Nijmegen/Niederlande, Ben van Berkel/UN studio van berkel & bos), in dem versetzte und „en enfilade“ gelegte Durchgänge miteinander kombiniert sind.1315 Ein klarer mäandernder Weg wurde in der Sammlung Essel (1998-99, Klosterneuburg/Österreich, Heinz Tesar) realisiert.1316 Die Beispiele zeigen, dass die mäandernde Wegführung eine einfache, Abwechslung schaffende Lösung für verschiedene Museumstypen ist. Im Gegensatz zu den beiden noch folgenden Konzepten hat der mäandernde Weg keinen Einfluss auf die Gesamtform des Baus, sondern kann als Binnengliederung in verschiedenen Baukörpern untergebracht werden. Anders als bei der linearen Enfilade wird bei einer mäandernden Durchschreitung der Säle der Weg des Besuchers verlängert und seine Verweildauer erhöht. Die Richtungswechsel verlangsamen den Rundgang und verhindern, dass der Besucher die Ausstellungsräume wie in einem Sog durchschreitet.

Eine bei Gigon/Guyer ebenfalls auftauchende Wegführung ist das Konzept der zentralen Verteilerzone mit radialen Ausstellungsräumen, bei der der Besucher ausgehend von einem zentralen Foyer die Räume in einer selbstgewählten Folge abschreitet. Die zentrale Verteilerzone ist eine undogmatische und variable Lösung, die ein großzügiges Platzangebot braucht. Der Besucherweg wird nicht streng vorgegeben, sondern

1311 Naredi-Rainer 2004, 70-73, 86f., 110f. 1312 Sembach/Schulte 1992, 386-393; Leyde 2011, 37-74, 45ff., 296. 1313 Naredi-Rainer 2004, 25. 1314 Montaner 1995, 59; Naredi-Rainer 2004, 112-113. 1315 Naredi-Rainer 2004, 122-123, 214-215. 1316 Naredi-Rainer 2004, 98-99. 219 kann selbst gewählt werden. Die wiederholte Rückkehr zum zentralen Verteiler unterstützt dabei die Orientierung. Das Konzept ist vor allem für kleine Museen sinnvoll, da um einen Mittelraum nicht beliebig viele Ausstellungsräume verteilt werden können.1317 Zudem setzt es einen gewissen Planungsspielraum für den Architekten voraus: Der sich aus der radialen Verteilung der Säle ergebende Grundriss führt zu einem zergliederten (Kirchner Museum Davos) oder von der Grundfläche her gesehen großen Baukörper [Abb. 13]. Innerhalb der Verteilerzone entstehen ʺRestflächenʺ, die als Ruhezonen genutzt werden können (s. Kapitel B. I. 8. b). Bei den zergliederten Bauten mit diesem Wegführungsmotiv maximiert sich zudem die Außenhülle, was materialmäßig und energetisch aufwendig ist. Vorläufer des Konzepts der zentralen Verteilerzone sind Museumsentwürfe der französischen Revolutionsarchitektur.1318 Sie kombinieren eine zentrale Halle mit darum angeordneten Galerietrakten. Auch Schinkel wählte für das Alte Museum in Berlin eine zentrale Verteilerhalle.1319 In einer mit Davos vergleichbaren Form taucht das Motiv erstmals bei dem bereits mehrfach erwähnten Reuchlinhaus auf.1320 Eine Trennung zwischen Ausstellungsräumen und Erschließungszone erhielt auch das Diözesanmuseum Kolumba (2003-07, Köln) von Peter Zumthor.1321 Singulär im Oeuvre von Gigon/Guyer ist die spiralartig in die Höhe schraubende Besucherführung. Sie wurde nur einmal für die Split-Level-Lösung der Sammlung Albers- Honegger umgesetzt. Wie bereits im Kapitel B. I. 8. d) gezeigt wurde, ist die Spirale ein bereits früh vorkommendes Grundriss- und Wegführungsmotiv. Sie ist eine selten auftretende Sonderform, die – sofern sie sichtbar ist – spektakuläre Bauten hervorbringt. Die Spirale ist nicht unbedingt eine praktikable Wegführung. Sie ermöglicht zwar einen fortlaufenden Besucherweg, birgt aber die Gefahr einer Monotonie, die den Besucher an den Objekten vorbeilaufen lässt. Hinzu kommt das Problem der Verbindung von Anfangs- und Endpunkt des spiralförmigen Weges. Diese Problematik zeigte bereits das in Kapitel B. I. 8. d) vorgestellte „Musée Mondial“ von Le Corbusier.1322 Die Nachteile der Spirale werden auch beim Guggenheim Museum in New York deutlich, in dem der Besucher verführt wird, die

1317 In großen Museen kann eine zentrale Verteilerzone nur ein Verkehrsknotenpunkt sein, der die Besucherströme in selbständig organisierte Abteilungen leitet, wie bei der Erweiterung und Reorganisation des Louvre (1980-89, Paris, Ieoh Ming Pei). 1318 Plagemann 1967, Abb. 10. 1319 Plagemann 1967, Abb. 56. 1320 Schubert 1986, 56. Weitere Nachfolger dieses Grundriss- und Wegführungsmotivs werden in Kapitel B. I. 4. genannt. 1321 Paetz 1994, 224-227; Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln: Kolumba – Ein Architekturwettbewerb in Köln, Köln 1997, 124; Doris Kleilein: Eine Kirche für die Kunst, in: Bauwelt 39 (2007) 18-27. 1322 Boesinger 1948, 193. 220 spiralförmige Rampe in einem Zug abzuschreiten und nur für einen Blick in den spektakulären Lichthof Halt zu machen.1323 Wie bereits umrissen, wählten Gigon/Guyer die Besucherführung je nach Lage, Budget und individuellen Begebenheiten. Gigon/Guyer wandten sich von der klassischen Enfilade ab zugunsten eines verlangsamenden, mäandernden Besucherwegs. Die zentrale Verteilerzone war eine für das Kirchner Museum in Davos entwickelte Lösung, die sie bei späteren Entwürfen wie dem Munch/Stenersen Museum in Oslo (2008-09) und in abgewandelter Form beim „Orange County Museum of Art“/Los Angeles (2006) wieder verwendeten [Abb. 327, 328, 315, 316]. Die Spirale blieb eine singuläre Lösung für die Sammlung Albers-Honegger.

12. Ausstellungsraumformen a) Anlehnung an Galerieräume des 19. Jh.s

Für zwei ihrer Ausstellungsbauten entschieden sich Gigon/Guyer für einen Saaltyp, der an Galerieräume des 19. Jh.s erinnert. Die kontemplativen Räume des Kirchner Museums haben Eichenholzparkett, gebrochen weiße Wände und eine raumüberspannende, gläserne Oberlichtdecke, die das Licht gleichmäßig und schattenlos streut [Abb. 23]. Die ruhige Atmosphäre, die ausgesuchten Materialien, die leicht getönten Wände und der hölzerne Bodenbelag stehen in der Tradition der klassischen Gemäldegalerien. Bei dem Erweiterungsbau der Sammlung Oskar Reinhart ist die Verbindung zu klassischen Räumen noch deutlicher [Abb. 86]. Das dunkle Parkett der Ausstellungsräume wird durch eine umlaufende Fußleiste ergänzt, die sich in den hölzernen Türeinrahmungen fortsetzt. Die Wandfarbe, ebenfalls ein abgetöntes Weiß, verleiht dem Raum eine warme Grundstimmung. Die abgehängten Oberlichtkästen verweisen auf historische Oberlichtlaternen. Die hölzernen Ausstattungsdetails erscheinen wie eine Reduktion der in den Museen des 19. Jh.s üblichen Wandpaneele. Der Typ klassischer Galeriesaal entstand im 19. Jh. Die Museen des späten 18. und frühen 19. Jh.s besaßen reich dekorierte Ausstellungssäle, die ihrem architektonischem Ursprung, der Schlossbaukunst, noch stark verbunden waren.1324 Der Salon Carré (ab 1725 zu Ausstellungszwecken genutzt, Louis Le Vau) des Louvre kann ein Beispiel dieser frühen

1323 Brawne 1965, 145. 1324 Eine Übersicht zur Entwicklung der Innenraumdekoration der frühen Galerien bis ins 20. Jh. liefert: Sheehan 2002, 38f., 50-71, 252-275. Vgl. zudem: Brawne 1965, 18; Pevsner 1976, 111ff.; Kücker 1985, 10-17, 13. 221 musealen Inszenierungen sein.1325 Kostbare Bodenbeläge, eine Hängung in mehreren Registern, farbige Wandbespannungen, ornamentierte Lamperien und Durchgänge, stuckierte Gesimse und prunkvolle Decken gehörten zum Dekorationsapparat dieser frühen Ausstellungsräume. Auch die bürgerlichen Museen des 19. Jh.s folgten dieser Inszenierung. Als Schlüsselbauten klassischer Gemäldegalerien können die Alte Pinakothek (1826-36) in München und die Gemäldegalerie in Dresden (1847-55) gelten.1326 Nach Beschreibungen aus dem Jahr 1838 besaß beispielsweise die Pinakothek eine „prächtige und geschmackvolle Auszierung […]“, die „ganz der Würde der […] enthaltenen Gegenstände“1327 entsprach. Die Säle besaßen einen umlaufenden Wandsockel, profilierte Türrahmen aus Stuckmarmor und ein kräftiges Gesims als Abschluss zur reich stuckierten und vergoldeten Decke. Die Wände waren mit rotem oder grünem Seidendamast bespannt und mit vergoldeten Profilen eingerahmt.1328 Den Weg zu zurückhaltenderen Galerieräumen ohne monumentale Ausstattung und mit einreihiger, didaktisch geordneter Hängung ebneten ab 1890 Reformbestrebungen einer neuen Generation von Museumsleitern.1329 Nach Wilhelm von Bode (1845-1929) wurden Hugo von Tschudi (1851-1911), Alfred Lichtwark (1852-1914) und Ludwig Justi (1876- 1957) zu zentralen Persönlichkeiten der Museumsreform.1330 Das von Bode konzipierte Kaiser-Friedrich-Museum (1897-1904) oder die Planungen von Alfred Lichtwark zu einer Erweiterung der Kunsthalle Hamburg (ab 1906) wurden waren wegweisend für eine Reform des Museumswesens.1331 Die pompösen Galerien des 19. Jh.s wurden nach und nach von schlichteren Ausstellungsälen mit einreihiger Hängung und guter Belichtung abgelöst, in denen die Besucher nicht von Bildprogrammen abgelenkt wurden. Trotz der zunehmenden Zurückhaltung blieben die wesentlichen Motive des Galerieraums Parkettfußböden, farbige Wandbespannungen, profilierte Sockelleisten oder Lamperien, wie es beispielsweise das

1325 Peter Böttger: Die Alte Pinakothek – Architektur – Ausstattung und museales Programm (Studien zur Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts 15), München 1972. 1972, 75; Joachimides 2001, 32. 1326 Literatur zur Alten Pinakothek: Plagemann 1967, 82-92, Abb. 74-81; Böttger 1972, Abb. 172; Pevsner 1976, 129 f.; Forssman 1986, 45-53. Zur Gemäldegalerie in Dresden: Plagemann 1967, 131-144, 134 f., Abb. 168. 1327 Böttger 1972, 44-47. 1328 Böttger 1972, 45, Abb. 167-185. 1329 Joachimides 2001, 32. 1330 Alexis Joachimides/Sven Kuhrau/Viola Vahrson u.a.: Museumsinszenierungen – Zur Geschichte der Institution des Kunstmuseums – Die Berliner Museumslandschaft 1830-1990, Dresden 1995; Joachimides, 2001, 99ff. 1331 Dibbern 1980, 118-123. Wichtige Entwicklungsschritte waren auch die Umgestaltungen bestehender Ausstellungen wie Tschudis Überarbeitung der Berliner Nationalgalerie 1896/97 und der Alten Pinakothek 1909-11 sowie Justis Umgestaltung des Städels 1904/05 und der Nationalgalerie 1911-14. Die Umgestaltungen umfassten eine Reduktion der ausgestellten Werke und eine einreihige, großzügigere Hängung. Joachimides, 2001, 84, 85, 107, 147, 159f., 166ff., 171ff. 222

Kunstmuseum in Winterthur (1911-16) oder das Kunstmuseum Basel (1930-34) zeigen.1332 Bei weniger konservativen Bauten wie dem Museum Folkwang (1926-29) wurden die hölzernen Wandverkleidungen zu schmalen unprofilierten Holzleisten reduziert, die stark an die reduzierten Motive von Gigon/Guyer in der SOR erinnern.1333 In den 60er und 70er Jahren gingen klassische Motive zurück. Bestrebungen nach einer Öffnung und Demokratisierung des Museums und neue Anforderungen an Flexibilität ließen traditionelle Motive in den Hintergrund treten.1334 Einzelne Bauten zeigten weiterhin Reminiszenzen an traditionelle Raumausstattung, wie Louis Kahns Yale Center for British Art (1969-74) in New Haven/Connecticut.1335 Kahn beschränkte sich auf eine reduzierte Verwendung einzelner Ausstattungs- und Materialmotive, die die Atmosphäre der Galeriesäle des 19. Jh.s aufleben lassen. Wie Gigon/Guyer vermied er Zitate historischer Motive. Gerhard Mack bemerkte 1999 innerhalb der Museumsarchitektur einen Trend zu einer „Rückkehr der Zeitlichkeit“1336 ab den 90er Jahren. Bei der National Gallery in London wurden an historische Formen angelehnte Motive dazu verwandt, den Erweiterungsbau des Sainsbury Wing (1985-91) von Robert Venturi und Scott Brown an den bestehenden Altbau anzugleichen.1337 Die Säle erhielten Parkett, umlaufende Friese, gewölbte Decken mit Oberlichtern und monumentale Bogendurchgänge als Saalverbindungen. Auch die Erweiterung der Abteilung für europäische Malerei und Plastik des 19. Jh.s (1990, David Harvey) des Metropolitan Museum in New York zeigte direkte historische Reminiszenzen.1338 Victoria Newhouse bezeichnete die Räume als „Kulissen für historische Sammlungen“1339 und zitierte den Kurator Gary Tinterow: Man habe aus Ermangelung historischer Beispiele eine „nachempfundene Rekonstruktion eines Museums von McKim, Mead and White [die Architekten des Ursprungsbaus, Anm. d. Verfasserin] aus der Zeit um 1900“1340 geschaffen. Dieser Versuch, die „Geschichte“ zu kreieren, „die wir gerne gehabt hätten“1341, brachte ähnlich wie beim Sainsbury Wing Rechtecksäle in Enfilade hervor, die

1332 Preiß 1992, 156-162, 318. 1333 Preiß 1992, 219. 1334 Kücker 1985, 13. 1335 Rosa 2006, 84, 86. 1336 Mack 19992, 18f. 1337 Newhouse 1998, 184. 1338 Gary Tinterow: The New Nineteenth-Century European Paintings and Sculpture Galleries, New York 1993, Titelbild. 1339 Newhouse 1998, 145; Mack 19992, 53-63. 1340 Newhouse 1998, 146. 1341 Newhouse 1998, 146. 223 mit stuckierten Lamperien in grüner Farbe geschmückt sind.1342 Optisch mächtig fielen auch die klassizistisch dekorierten Bogendurchgänge aus, welche die Säle miteinander verbinden. Im Getty Museum (1987-97), Los Angeles, wird der Besucher ebenfalls in ein Galeriemuseum des 19. Jh.s zurückversetzt, so deutlich ist die Anlehnung an den Formenschatz der klassischen Museen.1343 Der Innenarchitekt Thierry W. Despont stattete die Bildergalerien mit Fischgrätparkett, hölzernen Sockelleisten, grünen Wänden, dekorierten Türdurchgängen und weiß gestrichenen Oberlichtvoûten aus. Einen Altbau, an den sich die Räume angleichen müssten, gibt es beim Getty Museum nicht. Der Motivschatz des Galerieraums wurde als Würdeformel für eine ʺepochengerechteʺ Präsentation gewählt. Die genannten Beispiele zeigen, dass in Museumsneubauten eine motivische Anlehnung an klassische Galeriesäle auf sehr unterschiedliche Weise umgesetzt wurde. Die Palette reicht von historisierenden Zitaten bis zu zurückhaltenden Analogien. Die Vorgehensweise von Gigon/Guyer ist der zweiten Gruppe zuzuordnen. Die Architekten gebrauchen Motive aus dem Formenschatz der Galeriemuseen nur in reduzierter oder abstrahierter Form. Zurückhaltende motivische Parallelen lassen die Atmosphäre der Vorbildbauten entstehen, ohne dass die Neubauten ihre zeitgenössische Herkunft negieren. Verbindungen zu den Ursprungsmotiven werden nur durch Farbqualitäten (abgetöntes Weiß), die verwendeten Materialien (Holz) oder Oberflächenbearbeitungen und Texturen (geätztes Glas der Oberlichter) hergestellt. Direkte, an historische Formen angelehnte Zitate, wie sie an den obigen Beispielen mehrfach vorkamen, wurden nicht verwendet. Ein Zitieren historischer Motive um ihrer selbst willen war kein Anliegen der beiden Architekten.1344

b) „White Cube“ – der weiße Ausstellungsraum

Neben dem Raumkonzept der Gemäldegalerie entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s der Typ des weißen dekorationslosen Ausstellungsraums. Als Gegensatz zum Galeriesaal mit seiner dekorativen Ausstattung aus unterschiedlichen organischen Materialien mit verschiedener Farbigkeit und Oberflächenqualität wurde der weiß gestrichene, schmucklose Ausstellungsraum mit farbneutralem Bodenbelag und wenig sichtbaren technischen Installationen in der zweiten Hälfte des 20 Jh.s zu einem der dominierenden Raumkonzepte. Die Extremform des formal und inhaltlich ʺleerenʺ Ausstellungsraums nannte

1342 Tinterow 1993, 8-28, 24; Newhouse 1998, 146. 1343 Cathérine Donzel: New Museums, Paris 1998, 139ff.; Newhouse 1998, 214; Lampugnani/Sachs 1999, 42-49. 1344 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 224 der Künstler und Kritiker Brian O`Doherthy in einer 1976 publizierten Essayfolge „White Cube“.1345 Auch Gigon/Guyer wählten für die meisten ihrer Museen und Entwürfe weiße dekorationslose Räume mit grauen Betonböden, schmucklos in die Wände geschnittenen Fenster- und Türöffnungen sowie kaum in Erscheinung tretenden technischen Installationen, die in der Tradition des „White Cube“ stehen [Abb. 50, 113, 114, 226]. Der weiße Ausstellungsraum hat seinen Ursprung in der im vorangegangenen Kapitel skizzierten Museumsreformbewegung in Deutschland. Der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark (1852-1914), war der Ansicht, dass Museumsräume eine „ablenkungsfreie“1346 Atmosphäre und eine „neutrale Atelierstimmung“1347 aufweisen sollten, welche die ästhetische Wirkung des Kunstwerks nicht durch museale Inszenierungen beeinträchtige.1348 Lichtwark ebnete mit diesen Reformgedanken dem weißen Ausstellungsraum den Weg. Die erste Generation der Museumsreformer, Alfred Lichtwark und der Ethnologe Ernst Grosse (1862-1927), deklarierte kurz nach 1900 als Wandfarben für Ausstellungsräume Töne wie Hellgelb oder Hellgrau, die der Gestaltung von Künstlerateliers der Zeit entsprachen.1349 Der Kunsthistoriker Gustav Pauli hielt dagegen, dass „die Farbe der Wandbespannung in der Gesamtheit des Raumes dekorativ wirken“ solle und bekannt sei, dass „ein intensives Grün viele Bilder hebt“1350. Diese Ansicht war weiterhin vorherrschend. Farbige Stoffbespannungen und hölzerne Wand- und Türverkleidungen blieben festes Repertoire der Museumssäle, was die zwar klar gegliederte, aber dennoch der Tradition der dekorierten und möblierten Säle verhaftete Einrichtung des Kaiser-Friedrich-Museums (1904, Berlin) durch Wilhelm von Bode zeigt.1351

1345 Brian O`Doherty: In der weißen Zelle – Inside the White Cube (Internationaler Merve-Diskurs 190), Berlin 1996 (Originalausgabe 1976 ). Weitere Literatur zum „White Cube“: Steiner 2002; Barbara Steiner: Zwischen Widerständigkeit und Komplizenschaft, in: Barbara Steiner/Charles Esche (Hrsg.): Mögliche Museen (Jahresring 54 – Jahrbuch für moderne Kunst), Köln 2007, 9-20. 1346 Joachimides 2001, 108. 1347 Joachimides 2001, 107-109; Naredi-Rainer 2004, 16. 1348 Zum Künstleratelier um 1900 vgl.: Birgit Joos: Ateliers als Weihestätten der Kunst – Der „Künstleraltar“ um 1900, München 2002. 1349 Joachimides 2001, 112f. Zu Alfred Lichtwarks Ansichten über Museumsarchitektur vgl. Dibbern 1980, 114- 117. 1350 Joachimides 2001, 113. 1351 Preiß 1992, 50, 52f.; Julian Scholl: Funktionen der Farbe – Das Kronprinzenpalais als farbiges Museum, in: Alexis Joachimides/Sven Kuhrau/Viola Vahrson u.a. (Hrsg.): Museumsinszenierungen – Zur Geschichte der Institution des Kunstmuseums – Die Berliner Museumslandschaft 1830-1990, Dresden 1995, 206-220, 216; Joachimides 2001, 84, 85. 225

Die Ausstellungspraxis der Sezessionsbewegungen in München, Berlin und Wien nahm großen Einfluss auf die Entwicklung des weißen Ausstellungssaals.1352 Die 1903 von Koloman Moser gestaltete XX. Sezessionsausstellung in Wien brach mit den bisherigen Ausstellungskonzepten. In einer bisher nicht dagewesenen Radikalität beschränkte Moser die Ausstattung der Räume auf weiße Wände mit grafisch linearen Einrahmungen aus schmalen Holzleisten.1353 Eine Reduktion der Dekoration setzte auch Peter Behrens um, der 1905 einzelne Räume der Berliner Nationalgalerie mit weißen Wänden mit aufgedruckten feinlinigen Girlandenornamenten ausstattete.1354 Ab den 30er Jahren setzte sich die Trendwende zu neutralen Atelierraum- Ausstellungssälen durch. Der Gründungsdirektor des Museum of Modern Art in New York, Alfred H. Barr, griff auf einer Europareise 1927 die neuen Konzepte auf. Für seine Eröffnungsausstellung über „Cézanne, Gaugin, van Gogh, Seurat“ im November 1929 wählte er eine großzügige Hängung auf weißen Wänden.1355 Das erste deutsche Kunstmuseum mit Räumen „ohne jeden Schmuck“ und in „glattem Weiß“1356 war die von Hans Posse (1879-1942) 1931 eingerichtete Neue Staatliche Gemäldegalerie im Gebäude der Sekundogenitur (1897) an der Brühlschen Terrasse, Dresden.1357 Selbst Ludwig Justi (1876-1957), der 1906 noch bemerkte, dass das „Weissen eine Mode“ sei, „die hoffentlich bald vorübergehe“1358, richtete 1932 weiße Räume für neue Kunst im Kronprinzenpalais in Berlin ein.1359 Weiße Wände erhielten nachträglich auch das ursprünglich von Wilhelm von Bode ausgestattete Kaiser-Friedrich-Museum (1933) und die Nationalgalerie (1935) in Berlin.1360 Eine besonders radikale Abkehr vom traditionellen Galerieraum war das Boymans- Museum in Rotterdam (Innenräume fertiggestellt 1934, Ad van der Steur) mit seinen weißen, beinahe gliederungslosen Räumen mit glatt in die Wand geschnittenen Durchgängen.1361 Das Boymans-Museum war eines der frühesten Beispiele mit weißen ungegliederten Ausstellungsräumen.

1352 Scholl 1995, 218; Joachimides 2001, 120-128, 125-128, 129-138. 1353 Joachimides 2001, 138, Abb. 48 und 49. 1354 Joachimides 2001, 140f. 1355 Gordon Kantor 2002, 212, 215, Abb. 42; Steiner 2002, 10; Steiner 2007, 12; Jennifer Thatcher: Extreme Gallery Makeovver, in: Art Monthly 339 (2010) 7-10, 9. 1356 Joachmides 2001, 223. 1357 Joachimides 2001, 222. 1358 Joachimides 2001, 210. 1359 Scholl 1995, 213f.; Joachimides 2001, 207, 208. 1360 Joachimides 2001, 228ff., 232, 233, 235. 1361 Joachimides 2001, 244f. 226

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten die erste Documenta in Kassel 1955 im wieder hergerichteten Museum Fridericianum, auf der die Werke ebenfalls vor weiß geschlämmten Beton- und Backsteinwänden präsentiert wurden, und das Guggenheim Museum (1956-59), New York.1362 Weiße Wände wurden Standard für Ausstellungsräume und der Inbegriff eines neutralen Rahmens für das ʺautonomeʺ Kunstwerk.1363 Zu groß ist die Zahl der weiß gestrichenen Säle von der Nachkriegszeit bis heute, um aus der Fülle der Beispiele den einen typischen weißen Museumssaal herauszugreifen. Sucht man Beispiele für die von O`Doherty formulierte Extremform des weißen Saals, den „White Cube“, muss festgestellt werden, dass er nicht realisiert wurde und nur als ʺArchetypʺ in der Diskussion existiert.1364 Es stellt sich die Frage, welcher weiße Ausstellungssaal tatsächlich ein „White Cube“ ist und ob ein realer Raum diesem Ideal überhaupt entsprechen kann. Die Forderung nach einer absoluten Neutralität und einem Vakuum von Referenzen kann nicht erfüllt werden. Untersucht man die realisierten weißen Ausstellungsräume der Museumsbauten der letzten Jahrzehnte, so stellt man fest, dass in jedem Beispielsbau Motive aus einem bestimmten Kontext zu finden sind. Einen kontextlosen Ausstellungsraum gibt es nicht. Zutreffend ist, dass die motivischen Wurzeln der sogenannten „White Cube“-Räume von der Tradition des klassischen Museums wegführen. Ein Entwicklungsstrang des weißen Ausstellungsraums ist der immer noch an die Galerieräume des klassischen Museums angelehnte „White Cube“, der sich zwar weit von seinem Vorbild entfernt hat, jedoch immer noch klassische Motive in stark reduzierter Form zeigt. Beispiel hierfür können die bereits in Kapitel B. I. 1. beschriebenen Räume der Menil Collection (1981-87) oder der Fondation Beyeler (1994-97) sein, die beide schmucklose weiße Räume mit Parkettböden besitzen.1365 Der zweite, radikalere Entwicklungsstrang des weißen Ausstellungsraums kombiniert Motive aus der Industriearchitektur mit den Anforderungen des „White Cube“. Wie bereits in Kapitel B. I. 1. ausgeführt wurde, kann vermutet werden, dass die Forderungen von Avantgardekünstlern nach neutralen und ʺanti- musealenʺ Ausstellungsmöglichkeiten in den 60er und 70er Jahren und die zunehmende Umnutzung ehemaliger Industriegebäude diesen Kombinationstyp entstehen ließen.1366 Die

1362 Brawne 1965, 145; Ulrike Wollenhaupt-Schmidt: Documenta 1955 – Eine Ausstellung im Spannungsfeld der Auseinandersetzungen um die Kunst der Avantgarde 1945-1960 (Diss. Göttingen 1992), Frankfurt 1994, 74-86, Abb. 21. 1363 Steiner 2002, 21. 1364 Vgl. Steiners Kapitel „Mythos und Ideologie“ des „White Cube“: Steiner 2002, 22-27. 1365 Naredi-Rainer 2004, 119; Desmoulins 2005, 42. 1366 Vgl. Cladders 1988, 140; Steiner 2002, 21. 227

Entwürfe von Gigon/Guyer reihen sich in diese Entwicklung ein. Auch ihre Räume in Winterthur und Appenzell folgen dem Ideal des weißen Ausstellungsraums, der mit Motiven aus der Industriearchitektur kombiniert wurde. Formal gesehen führen die aus Ortbeton gegossenen Schwerlastenböden oder die Sheddächer industrietypische Motive in den Bereich des Museums ein, funktional gesehen erfüllen sie Zwecke, wie sie sowohl im Ausstellungsbetrieb als auch in der industriellen Fertigung erfüllt werden müssen.

c) ʺRohbau und Ausbauʺ – Gegensatz zwischen Ausstellungssälen und Verkehrszone

Gigon/Guyer entwickelten für ihren ersten Museumsbau, das Kirchner Museum in Davos, ein seltenes Motiv. Die Architekten wählten für die Verkehrsflächen und die Bildersäle eine gegensätzliche Materialität und Ausstattung [Abb. 19-23]. Der Grundriss des Kirchner Museums impliziert dieses Gegensatzmotiv bereits. Die Bildersäle erscheinen im Grundriss als in sich geschlossene Kuben, die von der Verkehrszone miteinander verbunden werden [Abb. 13]. Die Verkehrszone ist wie ein Betonrohbau gestaltet. Boden, Wände und Decken sind aus vor Ort gegossenen Beton gestaltet, der modulartig zusammengefügte Felder der selben Größe ausbildet. Die feinporige Oberfläche des Sichtbetons hat eine matte, fast samtige Textur, die sich als „All-Over“ über Fußboden, Wände und Decke zieht. Die Fugen zwischen den Modulfeldern sind sorgsam gesetzt und als dunkle Linien sichtbar. Der Eindruck eines Rohbaus ist jedoch nur vordergründig, da der Beton eine feine Oberflächenqualität besitzt und das Regelmaß der Module einen ruhigen Raum erzeugt. Zwischen den Ausstellungskuben lassen Fensterfronten stark gerichtetes Seitenlicht in die Verkehrszone einfallen. Die Ausstellungsräume wirken wie hell erleuchtete Kuben, die durch ihr Eichenholzparkett, die weißen Wände und die mattierte Oberlichtdecke eine warme organische Materialität haben. Die Naht zwischen Ausstellungsräumen und Verkehrszone befindet sich in der Laibung der Durchgänge. An der Außenlinie der Ausstellungskuben trifft der Betonboden der Verkehrszone mit einer feinen Fuge auf das Parkett der Bildersäle. Die Gegensätzlichkeit der beiden unterschiedlichen aber dennoch aufeinander bezogenen Bauteile, die starke Materialpräsenz und die unterschiedliche Lichtqualität lässt eine intensive Spannung zwischen den beiden Bereichen entstehen. In ihrem Entwurf für eine Erweiterung des Museum of Art Tel Aviv nahmen sie das Motiv wieder auf. Innerhalb der Museumsbaukunst ist dieses Motiv der Gegensätzlichkeit von Verkehrszone und Ausstellungssälen singulär. Auch in der Nachfolge wurde es in dieser Intensität nicht mehr umgesetzt.

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Daniel Libeskind verwendete im Felix Nussbaum Museum (fertiggestellt 1998, Osnabrück) innerhalb der Ausstellungsräume Gegensatzmotive.1367 Die zersplitterte Binnengliederung des Baus bringt in spitzem Winkel aufeinander zulaufende Wände hervor. Diesen sind teilweise in rohem Sichtbeton belassen oder weiß verputzt. Inhaltlich korrespondiert dieses Gegensatzmotiv mit Libeskinds Konzept eines „museum without exit“1368, in dem sich die Pole des tragischen Lebens Felix Nussbaums – Flucht, Exil und Deportation – spiegeln sollen. Das Museum der Bildenden Künste in Leipzig (2004) von Hufnagel, Pütz, Rafaelian Architekten (Karl Hufnagel, Peter Pütz, Michael Rafaelian) zitiert das Gegensatzmotiv von Gigon/Guyer in abgeschwächter Form. Die Kombination aus Sichtbeton, Naturstein und hellem Holz wirkt wie eine elegante, weiche Variante des Motivs.1369 Ähnlich wie im Kirchner Museum besitzen die Verkehrsbereiche des viergeschossigen Baus eine einheitliche Materialerscheinung aus Steinplatten und Sichtbeton. Die Steinplatten des Bodenbelags setzen sich als Wandverkleidung bis auf Höhe der Türdurchgänge fort. Daran schließen sich an das Kirchner Museum erinnernde hochrechteckige Betonplatten an, die in eine fugenlose Betondecke übergehen. Türzargen und -blätter sowie Brüstungen sind aus hellem Holz. Sie schwächen den Eindruck eines rohen Sichtbetonbaus ab und geben dem Raum in Verbindung mit den matten Steinoberflächen eine elegantere Atmosphäre, als es beim Kirchner Museum der Fall ist. So wird ein Übergang zu den Ausstellungssälen geschaffen, die mit ihren Parkettböden und den Raum überspannenden, gerasterten Oberlichtdecken dem in Kapitel B. I. 12. a) untersuchten Galerie-Typ entsprechen. Der Eichenholzboden, die gerasterte raumüberspannende Oberlichtdecke und die daraus resultierende Lichtqualität sind ebenfalls stark an Gigon/Guyer angelehnt. Die erste Anwendung des Motivs durch Gigon/Guyer hat mehr Atmosphäre als der Nachfolger in Leipzig. Die unterschiedlichen Funktionsbereiche des Kirchner Museums durchdringen sich zwar baulich, durch das ʺGegensatzmotivʺ werden sie jedoch auch polarisiert, wodurch ein einzigartig spannungsreicher Innenraum entsteht. Die Qualität der Umsetzung dieses Motivs macht das Kirchner Museum zu einem Hauptwerk von Gigon/Guyer. In Verbindung mit der für den Standort perfekt gewählten Oberlichtkonstruktion ist es ein Meilenstein der Museumsarchitektur.

1367 Trulove 2000, 125. 1368 Trulove 2000, 120. 1369 Nils Ballhausen: Undurchsichtig – Das Museum der bildenden Künste in Leipzig, in: Bauwelt 46 (2004) 12- 21; Van Uffelen 2010, 270f.; Internetseite http://www.hufnagelpuetzrafaelian.de/leipzig/galerie.html [Stand 3. März 2013]. 229 d) Ausstellungsräume mit Wohnraumatmosphäre

Auf Wunsch der Auftraggeber realisierten Gigon/Guyer für die Sammlung Albers- Honegger in Mouans-Sartoux Ausstellungsräume die an Wohnräume erinnern.1370 Ihre Ähnlichkeit mit Zimmern ergibt sich zunächst durch ihre Größe: Die Säle entsprechen in ihren Ausmaßen und ihrer Höhe im Wohnungsbau gewohnten Dimensionen. Ein wohnraumähnliches Motiv sind auch die auf Kniehöhe oder Hüfthöhe gesetzten Seitenlichtfenster, die durch ihre Maße und Lage an gewöhnliche Fenster erinnern. Besonders häufig sind wohnraumähnliche Motive natürlich in zu Museumszwecken umgenutzten Wohnhäusern bzw. Villen. Diese besitzen von vornherein kleinformatige Zimmer und Fensteröffnungen.1371 Auch Erweiterungen umgenutzter Villen orientieren sich an wohnraumähnlichen Dimensionen, um sich dem Altbau anzupassen, wie am Beispiel des Louisiana Museums gezeigt werden wird. Anders verhält es sich bei Museumsneubauten. In ihnen sind wohnraumähnliche Ausstellungssäle selten. Kleinformatige Ausstellungsräume fanden mit der Raumform des Kabinetts Einzug in die Museumsarchitektur. Bereits in den Museumsplänen der französischen Revolutionszeit (um 1780 bis um 1800) oder dem ersten eigenständigen Museum Europas, dem Museum Fridericianum (1769-77) in Kassel von Simon Louis du Ry, bestanden Kabinette zur Ausstellung von Naturalien oder Grafik.1372 Mit der Pinakothek (1822-36) in München von Leo von Klenze und seinen nordseitigen Kabinetten zur Ausstellung von kleinen Werken, die „nur von der Seite ganz vollkommen günstig zu beleuchten sind“1373, etablierte sich die Kabinettfolge, die in Gottfried Sempers Gemäldegalerie in Dresden (1847-55) einen bedeutenden Nachfolger fand.1374 Im modernen Museumsbau ist die Absicht, wohnraumähnliche Ausstellungsräume zu schaffen, erstmals für das Louisiana Museum (Bau ab 1958) in Humlebæk/Dänemark von Jørgen Bo und Vilhelm Wohlert nachweisbar.1375 Der Sammler Knud W. Jensen gab den Auftrag, an eine Villa aus dem 19. Jh. einen Erweiterungsbau für seine private Sammlung zu setzen. Der private Charakter des Altbaus sollte auf die Erweiterungstrakte übertragen werden. Der Sammler und die Architekten führten aus, dass sie „dogmatische

1370 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1371 Beispiele für zu Museumszwecke umgenutzte Wohnhäuser bzw. Villen sind die Villa Stuck (1898, München, Franz von Stuck) und das als Ausstellungsinstitution für Kunst außereuropäischer Kulturen dienende Museum Rietberg in der Villa Wesendonk (1853-57, Zürich, Leonhard Zeugheer). Jo-Anne Birnie Danzker: Villa Stuck, Ostfildern 2006, 6f.; Adam 2007, 2-3. 1372 Pevsner 1976, 118f.; Plagemann 1967, 13, Abb. 5 und 10; Sheehan 2002, 66. 1373 Plagemann 1967, 85. 1374 Plagemann 1967, 139f., Abb. 164; Pevsner 1967, 129. 1375 Brawne 1965, 80-83; Jensen 1991, 26. 230

Museumsarchitektur“1376 vermeiden wollten und die Kunst in einer „alltäglichen Umgebung“1377 erlebbar sein sollte. „Die behagliche Atmosphäre des alten Hauses“ sollte durch „relativ niedrige Raumhöhen und weitgehende Verwendung von Seitenlicht“ auf den Neubau übertragen werden und dazu führen, „dass sich der Besucher so wohl fühlt wie in einem normalen Wohnzimmer“1378. Oberbelichtete Räume gab es wenige, jegliche künstliche Atmosphäre sollte vermieden werden, damit „die Kunstwerke wie in einer gewöhnlichen Wohnung zu Geltung kommen“1379 konnten. Die Anlehnung ging so weit, dass der Lesebereich des 1958 errichteten Galerietrakts mit einem offenen Kamin ausgestattet wurde.1380 Die Einrichtung von wohnraumähnlichen Ausstellungssälen ist auch für das Yale Center for British Art (1969-77) in New Haven/Connecticut von Louis I. Kahn belegt.1381 Seine von der Universität Yale gestiftete Sammlung umfasst kleinteilige Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen, die in einer Atmosphäre englischer Herrenhäuser ausgestellt werden sollten.1382 Die Gebäudekonstruktion aus Sichtbetonstützen blieb im Innenraum sichtbar. Das Modulraster der Stützen wurde durch Paneele aus heller Eiche und textile Verkleidungen aus Leinen ausgefüllt. Vereinzelte Seitenlichter bzw. im Obergeschoss Oberlichter mit trichterartigen Betonrahmen belichten die „fast wohnzimmerartig anmutenden“1383 Ausstellungsräume. Wie beim Louisiana Museum plante Kahn in einem seiner frühen Entwürfe offene Kamine als Sammelpunkte für die Besucher.1384 Von Kahn wird die angestrebte Atmosphäre englischer Herrenhäuser vor allem durch die Ausstattung mit warmen organischen Materialien erzeugt. Dies unterscheidet seine Arbeit von Gigon/Guyer, die die Wohnraumatmosphäre durch die Raum- und Fenstermaße schufen. Ausstattungsmäßig bleiben die kleinen Säle der Sammlung Albers-Honegger der Tradition des „White Cube“ verpflichtet.

1376 Brawne 1965, 80. 1377 Jensen 1991, 26. 1378 Brawne 1965, 80; Abb. auf Seite 81, 83. 1379 Brawne 1965, 81. 1380 Brawne 1965, 14, 83. 1381 Montaner/Oliveras 1987, 38-41; Naredi-Rainer 2004, 156-157; Rosa 2006, 84, 86. 1382 Naredi-Rainer 2004, 157. 1383 Brawne 1982, 145. 1384 Brawne 1982, 48. 231

13. Belichtung a) Oberlichthäuser mit Seitenlicht

Für das Kirchner Museum waren die klimatischen Bedingungen des Standorts maßgebend. Angelehnt an die Konstruktion klassischer Oberlichtlaternen entwickelten die Architekten fensterlose Ausstellungsräume mit raumüberspannenden Oberlichthäusern mit senkrechter Verglasung und geschlossenem Flachdach. Das seitlich in die Oberlichthäuser einfallende Licht wird über eine geätzte gläserne Staubdecke gleichmäßig in die Ausstellungskuben geleitet. Das Problem des Schnees, der eine Oberlichtkonstruktion mit senkrecht einfallendem Licht in Davos unmöglich gemacht hätte, konnte durch die Konstruktion von Oberlichthäusern mit senkrechter Verglasung und dem daraus resultierenden seitlichen Lichteinfall gelöst werden. In den Oberlichthäusern ist zusätzlich eine künstliche Beleuchtung installiert, die im Bedarfsfall zugeschaltet werden kann. Deutlich an klassische Laternen angelehnt sind die Oberlichter der Erweiterung der Sammlung Oskar Reinhart, die als eingezogene Laternenaufbauten konstruiert sind. Neu sind die in die Ausstellungsräume hängenden mattierten Glaskästen, die das Licht streuen und in denen zusätzliche Verdunkelungslamellen untergebracht sind. Vorbilder der Oberlichtkonstruktion des Kirchner Museums und der SOR sind klassische Laternenoberlichter mit tambourartigen Aufbauten, die das Licht zenital und seitlich in den Laternenraum einfallen lassen. Frühe Beispiele sind die Dulwich Gallery (1812-14), London, von John Soane oder die Alte Pinakothek in München.1385 Für die Alte Pinakothek befürchtete man bereits Probleme durch die schneereichen Winter in Bayern, weshalb Klenze tambourartige Aufbauten mit seitlicher und horizontaler Verglasung realisierte.1386 Seitlich belichtete Oberlichtlaternen sind im 20. Jh. selten, wie die wenigen Beispiele des National Museum of Western Art (1957-59) in Tokyo von Le Corbusier und des Louisiana Museums (Bau ab 1958) zeigen.1387

1385 Die Einführung des Oberlichts in der Museumsarchitektur leitete Böttger 1972 vom römischen Pantheon ab, das zum Vorbild von Skulpturengalerien wie der Sala Rotonda des Museo Pio-Clementno (1773, Gaetano Marini, Michelangelo Simonetti und Giuseppe Camporesi) oder der Antikengalerie des Landhauses Newby Hall (1767-76, Robert Adams, Ripon/North Yorkshire) wurde. Das erste Oberlicht für eine Gemäldegalerie wurde 1789 durch den Architekten Charles-Axel Guillaumot für den Salon Carré des Louvre realisiert. Seine Oberlichtkonstruktion wurde zum Vorbild der Alten Pinakothek und zur maßgebenden Belichtungsform für Museumsbauten. Seling 1952, 140-143, 146-147; Plagemann 1967, 14f.; Böttger 1972, 74f., 78f., Abb. 144 und 172, Anm. 231; Pevsner 1976, 123; Murray 1980; Waterfield 1991, 77. 1386 Böttger 1972, 75. 1387 Brawne 1965, 81, 165; Boesinger 1966, 190; Montaner 1987, 20; Paetz 1994, 510. 232

Gigon/Guyer entwickelten die klassische Konstruktion der eingezogenen Laterne weiter, indem sie für Davos ein raumüberspannendes Oberlichthaus wählten und dieses mit einer geätzten Staubdecke vom Ausstellungsraum abtrennen. Künstliche Beleuchtung und elektrische Sonnenstoren können so unsichtbar untergebracht werden. Einen Vorläufer dieser ʺraumüberspannenden Laterneʺ gibt es nicht. In der Nachfolge des Kirchner Museums entstanden Adaptionen dieser Erfindung. Drei aufgesetzte Lichthäuser, die stark an das Kirchner Museum erinnern, erhielt das Grand Rapids Art Museum (2007, Why Architecture/Design Plus Inc.) in Grand Rapids/Michigan.1388 Einen durch mehrere Motive an Davos angelehnten Entwurf realisierte Steven Holl mit dem Nelson-Atkins-Museum (2007) in Kansas City/Missouri.1389 Seine gläsernen Oberlichter gleichen dem Kirchner Museum nicht nur durch die Belichtungskonstruktion, sondern auch durch weitere Übereinstimmungen (s. hierzu Kapitel B. II. 2.). Die klassische Laterne, die der Oberlichtkonstruktion der SOR zugrunde liegt, blieb ebenfalls aktuell. Beispiele für eingezogene Laternen, die zeitgleich oder kurz nach der SOR realisiert wurden, sind die Oberlichtkonstruktionen von Rafael Moneo in Stockholm (Moderna Museet, 1998) und in Houston/Texas (Audrey Jones Beck Building, Museum of Fine Arts, 1992-2000). Sie erhielten beide eingezogene Laternen mit senkrechter Verglasung.1390 Die Streuung des Lichts, die in der SOR durch einen abgehängten Glaskasten erreicht wird, löst Moneo bei dem hohen Gebäude in Houston durch trichterförmige Aufbauten und gewölbte Vouten in den Ausstellungssälen.

b) Sheddach

Für die zunächst als Provisorium gedachte Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur und das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, wählten Gigon/Guyer Nordsheds, die während des Tags ohne zusätzliche elektrische Beleuchtung oder mechanische Verschattungselemente auskommen. Sheddächer sind seit dem 19. Jh. verbreitete Oberlichtkonstruktionen im Produktionsbereich. Die Orientierung nach Norden gewährleistet gleichmäßig einfallendes Licht und verhindert direkte Sonneneinstrahlung.1391 Das

1388 Uffelen 2010, 92-95. 1389 Architekturzentrum Wien: Steven Holl – Idee und Phänomen (Kat. Architekturzentrum Wien), Baden/Schweiz 2002, 103-107; Frampton 20021, 160-17; Suma 2007, 201-215; Uffelen 2010, 96-97; A.A.: The Nelson Atkins Museum of Art Extension, in: El Croquis 141 (2008) 36-73, 72. 1390 Mack 1999, 64; Zeiger 2006, 126-131, 187; Suma 2007, 69, 71, 72f., 74. 1391 Die Vorzüge der Sheddachbelichtung für den Museumsbau erläutert Cladders 1988, 139-141. 233

Sägezahndach der Sheds prägt das äußere Erscheinungsbild und die Raumwirkung und lässt Assoziationen an Industriearchitektur aufkommen. Sheddächer im Museumsbau wurden beim Bauhaus-Archiv (1963, 1976-78), Berlin, von Walter Gropius, beim Museum Wallraf-Richartz/Museum Ludwig (1980-86) von Peter Busmann und Godfrid Haberer in Köln, partiell beim Museum Abteiberg (1976-82) in Mönchengladbach und ebenfalls in Teilbereichen beim Museum für Moderne Kunst (1983) von Hollein in Frankfurt realisiert.1392 Die Popularität der Shed-gedeckten Bauten ging in der aktuellen Museumsarchitektur zurück. Ein neuerer Vergleichsbau ist das Karikaturmuseum (2001/02) in Krems von Gustav Peichl.1393 Einzelne Beispiele wie das Wallraf-Richartz Museum, Holleins Museum für Moderne Kunst in Frankfurt oder das Karikaturmuseum in Krems zeigen, dass sich Sheds vom Industriehallen-Charakter entfernt haben und abgelöst davon verwendet werden. Ein spezielles Beispiel hierfür ist Erwin Heerichs Galerie der zwölf Säle (1989) auf dem Gelände der Museum Insel Hombroich, die allseitig eine gezackte Sheddach-Linie als Gebäudeabschluss erhielt, obwohl ihre Oberlichter gar keine Shed-Konstruktionen sind.1394 Auch beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, erfüllen die Sheds gestalterische Aufgaben: Sie dienen als energiesparende und wartungsarme, damit kostengünstige Belichtung und sind ein wichtiges Gestaltungselement des Baukörpers. In Verbindung mit dem „All-Over“ der diagonal gerichteten Metallhülle ergibt sich ein objekthafter, skulpturaler Eindruck, der von den Industriehallenbauten wegführt.

c) Seitenlicht

In Kapitel B. I. 12. d) wurde bereits bemerkt, dass die Belichtung durch seitliche Fenster bei der Sammlung Albers-Honegger auf den Wunsch der Auftraggeber nach wohnraumähnlichen Ausstellungsräumen zurückzuführen ist.

1392 Literatur zum Bauhaus Archiv Berlin: Ein Museum für das Bauhaus? – Zur Eröffnung des nach Plänen von Walter Gropius errichteten Museumsgebäudes am 1. Dezember 1979, Berlin 1979, 19-28; Schubert 1986, 52, 175ff.; Montaner 1987, 96f.; Paetz 1994, 24, 76-80, 516; Montaner 1995, 16ff.; Bauhaus Archiv Berlin: Bauhaus Archiv Berlin – Museum für Gestaltung (Kat. Bauhaus Archiv Berlin), Berlin 2004, 7-9. Literatur zum Museum Wallraf-Richartz/Museum Ludwig: Schubert 1986, 173. Literatur zum Museum Abteiberg: Heinrich Klotz/Waltraud Krase: Neue Museumsbauten in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt 1985, 95. Literatur zum Museum für Moderne Kunst Frankfurt: Montaner 1995, 19. 1393 Naredi-Rainer 2004, 30. 1394 Desmoulins 2005, 124. 234

Im Bereich der Ausstellungsarchitektur ist eine seitliche Belichtung selten. Als einzige Möglichkeit natürlicher Belichtung tauchen seitliche Fenster in mittleren Geschossen mehrstöckiger Museen auf. Bei eingeschossigen Bauten sind seitliche Lichtflächen selten. Wenn sie auftreten, dann überwiegen bodentiefe Verglasungen auf der gesamten Breite des Raums wie beim Louisiana Museum (Bau ab 1958) oder der Fondation Beyeler (1994-97).1395 Bodentiefe Seitenfenster haben auch die Hamburger Galerie der Gegenwart und das Centre PasquArt (1994-2000, Biel, Diener & Diener). Die Lichtmenge dieser im Verhältnis zur geschlossenen Wandfläche kleinen Öffnungen reicht zur Belichtung der Säle nicht aus, sodass beide Häuser wie auch die Sammlung Albers-Honegger je nach Tageszeit zusätzlich Kunstlicht benötigen.1396 Eine vollständige, rund um den Bau gezogene seitliche Verglasung realisierte Mies van der Rohe bei der Neuen Nationalgalerie (1962-68). In diesem allseitig offenen ʺGlashausʺ entstanden Probleme für die Ausstellungstätigkeit, die in Kapitel B. II. 2. besprochen werden.1397 In mehrgeschossigen Bauten überwiegen hoch angesetzte Seitenfenster (Museum für Gegenwartskunst, 1979-80, Basel und Kiasma, 1994-98, Helsinki, Steven Holl.1398 Die Fenster wurden sehr hoch positioniert, um eine möglichst gute Ausleuchtung der Räume, eine Abschwächung der seitlichen Gerichtetheit des einfallenden Lichts und ein Minimum an wegfallender Hängefläche zu erreichen. Solche hohen Fensterbänder verwandten Gigon/Guyer nur beim letzten Raum der Sammlung Albers-Honegger, der am Ende des spiralförmigen Besucherwegs im obersten Geschoss untergebracht ist [Abb. 228].

d) Seitenlicht und „Dunkelmuseum“

Der Museumsbau des archäologischen Parks Kalkriese nimmt mit seiner Belichtung eine Sonderstellung ein. Eine natürliche Belichtung, zumal mit Oberlicht, ist für das archäologische Museum nicht notwendig. Gigon/Guyer wählten eine Kombination aus seitlichen Fenstern mit dem Typ des „Dunkelmuseums“. Die Fenster dienen nicht in erster Linie der Beleuchtung des Gebäudeinneren. Sie sind Ausblicksmöglichkeiten auf das eigentliche Exponat des Museums, das Gelände der Varusschlacht. Der Innenraum ist in

1395 Brawne 1965, 81; Mack 1999, 90. 1396 Naredi-Rainer 2004, 76f.; Desmoulins 2005, 86-89. 1397 Klotz/Krase 1985, 57; Jean Louis Cohen: Ludwig Mies van der Rohe, Basel 1995, 123-129; Werner Blaser: Mies van der Rohe, Basel 1997, 221-229. 1398 Naredi-Rainer 2004, 61, 215. 235 dunklen Braun- und Grautönen gehalten, die Ausstellungsfläche wird durch dunkle Schaukästen und Ausstellungsinstallationen strukturiert und durch einzelne Lichtspots bzw. Schaukastenbeleuchtung in Szene gesetzt [Abb. 154]. Abgedunkelte Ausstellungsräume mit vereinzelter Beleuchtung von Objekten führten Hannelore Schubert 1986 zum Begriff „Dunkelmuseum“1399. Anwendung fand dieser Typ vor allem für kunsthandwerkliche, archäologische oder ethnologische Museen, deren kleinteilige Ausstellungsgüter von einer inszenierten Beleuchtung inmitten eines abgedunkelten Raum profitieren können. Schubert nennt als Ursprungsbau das Nationalmuseum für Anthropologie (1963-65) in Mexiko-Stadt von Pedro Ramirez Vasquesz, in dem die archäologischen Stücke lateinamerikanischer, indigener Kulturen durch Spots aus dem Dunkel hervorgehoben wurden.1400 Früher noch entstand das Schmuckmuseum im Komplex des Reuchlinhauses (1957- 61), das seine Exponate in beleuchteten Schaukästen in einem abgedunkelten Raum ausstellte [Abb. 253].1401 Vergleichbar ist die Ausstellungsinszenierung im unterirdisch angelegten Musée International d`Horlogerie (1972-74, Pierre Zoelly, Georges-J. Haefeli) in La-Chaux- de-Fonds.1402 Eine Kombination von „Dunkelmuseum“ und seitlicher Belichtung wurde mit dem Römisch-Germanischen Museum (1967-74, Heinz Röcke, Klaus Renner) in Köln realisiert.1403 Ein zentrales Atrium belichtet durch bodentiefe Verglasung die umliegenden Ausstellungsflächen. Die Außenwände des Baus sind im Obergeschoss geschlossen, so dass der Besucher nicht durch die städtische Umgebung und die Nachbarschaft des Doms abgelenkt wird. In der unterschiedlichen Umgebung liegt der konzeptionelle Unterschied zum Museum Kalkriese. Beim Römisch-Germanischen Museum ist eine Aussicht auf die Umgebung ablenkend, in Kalkriese gehört sie zum Inhalt der Ausstellung. Auch in jüngster Zeit wurde der Typ des „Dunkelmuseums“ für die aufgezählten Museumsgattungen verwendet. Beispiele sind das ozeanographische Museum Ozeaneum (2005-08, Behnisch Architekten) in Stralsund, das eine belichtete mittige Verkehrszone mit dunklen Bauteilen kombiniert und das Musée du Quai Branly (1999-2006, Jean Nouvel) in

1399 Schubert 1986, 14f. 1400 Pevsner 1976, 138; Schubert 1986, 14. 1401 Schubert 1986, 57. 1402 Cardinal/ Mercier 1993; Pierre Zoelly: Pierre Zoelly – Elemente einer Architektursprache, Basel 1998, 219. 1403 Schubert 1986, 15, 94-96, 95, 96. 236

Paris, in dem außereuropäische Kunst ausgestellt wird.1404 Dessen Ausstellungsräume haben eine große Ähnlichkeit mit dem Museum in Kalkriese. Die langgestreckte Ausstellungsfläche wird in Abschnitten abwechselnd von rechts und links durch seitliche Verglasung belichtet, so dass hellere und dunklere Bereiche entstehen. Farblich hat der Raum ebenfalls ein einheitliches Konzept aus dunklen Rot- und Brauntönen.

14. Fenster

Fenster erfüllen verschiedene Aufgaben: Sie dienen der Belichtung eines Gebäudes, können als Sichtöffnungen konzipiert sein oder den Bau belüften.1405 Zudem sind Fenster ein wichtiges Element der Fassadengestaltung. Die Anzahl, ihre Anordnung auf der Fassade und ihre motivische Durchbildung bestimmen die Erscheinung eines Gebäudes. Darüber hinaus können durch Fenster geschaffene Sichtverbindungen einen Bau in seine Umgebung einbinden oder zur Umwelt öffnen. Innerhalb der Museumsarchitektur sind Fenster kein selbstverständlicher Bauteil. Anders als bei anderen Gattungen übernehmen im Museumsbau häufig Oberlichter die Aufgabe der Belichtung.1406 Auch als Sichtöffnungen nach draußen sind Fenster in Ausstellungsräumen nicht notwendig. Der Oberlichtsaal ohne Sichtöffnungen war ein Raumtyp der Museumsbaukunst, der in den klassischen Museumsbauten häufig vorkam. Als Belüftungsmöglichkeit spielen Fenster im modernen Museumsbau ebenfalls keine Rolle, da diese Aufgabe durch Klimatechnik erfüllt wird. Gigon/Guyer haben die vielseitigen Aufgaben von Fenstern im Museumsbau erkannt. Sie realisierten unterschiedliche Typen mit mehrschichtigen Funktionen. Im Folgenden sollen zwei Themenkomplexe untersucht werden, die exemplarisch für die Konstruktion, motivische Ausgestaltung und Funktion von Fenstern bei Gigon/Guyer sind.

a) Fenster und Fassade

Für das Kirchner Museum Davos schufen Gigon/Guyer Ausstellungsräume ohne Fenster. Die Gemäldesäle sind als geschlossene Boxen mit Oberlicht konstruiert, die eine

1404 Literatur zum Ozeaneum: Philip Jodidio: Architecture Now – Museums, Köln 2010, 94-99, 98. Literatur zum Musée du Quai Branly: Suma 2007, 187-199, 193, 196; Uffelen 2010, 200-201. 1405 Literatur zum Fenster: Walter Haas/Adolf Reinle/Friedrich Kobler: Fenster, in: RDK 7 (1981) 1253-1466; Kapitel „Fenster“ in: Adolf Reinle: Zeichensprache der Architektur – Symbol –Darstellung und Brauch in der Baukunst des Mittelalters und der Neuzeit, Zürich 1984, 227-233. 1406 Unterschieden werden muss hier zwischen eingeschossigen und mehrgeschossigen Museumsbauten, bei denen die Zwischengeschosse seitlich oder künstlich belichtet werden. 237 ungestörte Kunstbetrachtung ermöglichen. Nur in der Verkehrszone öffnen wandhohe Fensterbahnen, die dem Modul der Fassadengliederung angepasst sind, den Blick auf den kleinen umliegenden Park und die Berglandschaft. Die Fenster öffnen die Erschließungshalle zwischen den Ausstellungskuben. Die Verkehrszone wird über diese Fenster und indirekt über die Ausstellungssäle belichtet und weist je nach Standort eine unterschiedliche Helligkeit auf. Von außen treten die Fenster wenig in Erscheinung. Sie wechseln sich mit den mattierten Glasbahnen der Verkleidung ab und wirken wie transparente Fassadenabschnitte [Abb. 5, 6]. Bei der Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur setzten die Architekten ein Fenster auf jede dem Altbau abgewandte Seite des Gebäudes. Die weiten, hochrechteckigen Öffnungen ermöglichen dem Besucher eine räumliche Orientierung und einen entspannenden Blick nach draußen auf Höhe der umliegenden Baumkronen. Die Konstruktion des Fensters mit einer äußeren fassadenhohen Glasscheibe, die sich über die Grenzen der Fensterlichte ausdehnt und so Teile der darunterliegenden Fassadenkonstruktion und -isolierung zeigt, führt weg vom klassischen Fenster und hin zu neuen Themen der aktuellen Architektur: der Auflösung der Unterscheidung zwischen Fenster und Fassade und der Sichtbarmachung ihres Schichtenaufbaus [Abb. 44, 46]. Die von Gigon/Guyer konstruierten Öffnungen besitzen Merkmale, die sie als Fenster definieren, und Merkmale, die sie als transparenten Fassadenabschnitt kennzeichnen, und verdeutlichen so das Interesse der Architekten an einer Durchbrechung der klassischen Kategorien und einer Erweiterung des traditionellen Formen- und Motivrepertoires. Das Spannungsverhältnis zwischen Fassadenverkleidung und Fensteröffnung ist auch beim Museum Kalkriese ein zentrales Thema. Die Fenster sind ebenfalls als transparente Fassadenabschnitte angelegt. Die ausgesparte Fassadenverkleidung legt die Fenster frei und zeigt ähnlich wie in Winterthur die Konstruktion der Gebäudehülle. In rhythmischem Wechsel wird die Reihung der aufrechtgestellten Stahl-Platten der Fassadenhülle durch Auslassungen unterbrochen, die mit Fensterglas gefüllt sind [Abb. 148, 149]. Auch beim Galerielager Wichtrach ist das Verhältnis zwischen Gebäudehaut und Fensteröffnung neu aufgefasst. Die Lochblechhülle, die das Gebäude umfängt, verhängt die Fensteröffnungen wie ein metallener Vorhang [Abb. 195, 201]. Funktional ergeben sich positive Effekte für die Lagerung der Kunstwerke: Direkte Sonneneinstrahlung wird minimiert und ein gleichbleibendes Klima unterstützt. Formal gehören die ʺverhüllten Fensterʺ in den Themenkomplex des Spannungsverhältnisses zwischen Fenster und Fassade. Eine kunsthistorische Untersuchung fällt aufgrund der bisher fehlenden Auseinandersetzung mit diesem Phänomen schwer. Die beiden architektonischen

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Grundbegriffe Fenster und Fassade bzw. Gebäudehülle stehen sich in ihrer ursprünglichen Definition als Gegenpole gegenüber. Die Entwicklung eines Spannungsverhältnisses von Fenster und Fassade könnte ihren Ursprung in der Entwicklung der Curtain Wall und der gläsernen Gebäudehülle haben. Beispiele wie der Barcelona Pavillon (1929) oder das Edith Farnsworth House (1945-51) in Plano/Illinois von Mies van der Rohe zeigen, dass zum Beginn der Auseinandersetzung mit den zwei Gegenpolen der Wunsch nach der Auflösung der Fassade stand.1407 Gigon/Guyer gehen einen Schritt weiter und loten die Möglichkeiten einer Vermischung der beiden Begriffe aus. Die Gebäudehülle wird in Schichten zerlegt und in verschiedenen Abstufungen semi-transparent bzw. durchsichtig. Wie für Davos oder Winterthur beschrieben, wurde die Trennung zwischen Fenster und Fassade aufgelöst durch die Verwendung von Motiven, die sowohl der einen als auch der anderen Kategorie zugeordnet werden können. In Kalkriese wurden die Fenster durch Auslassung der Verkleidung freigelegt und in Wichtrach durch halbdurchsichtige Lochbleche zugehängt. Die Zahl der Beispiele in den Kapiteln zum Thema „Außenhaut“ (B. I. 9. und B. II. 2.) zeigt, dass die Auseinandersetzung mit Fassadenschichtung und -öffnung bzw. mit Transparenz und Verschleierung ein zentrales Thema der zeitgenössischen Architektur ist. Die von Gigon/Guyer eingesetzten Motive sind in der Museumsarchitektur singulär. Es konnten keine Beispiele gefunden werden, die eine vergleichbare Vermischung von Fenster und Fassade zeigen. Nur das für das Galerielager Wichtrach charakteristische Motiv der mit Lochblech verhüllten Fenster hat eine breite Nachfolge in der Museumsarchitektur, wie bereits in Kapitel B. I. 9. c) besprochen wurde.

b) "Kastenfenster" und querrechteckiges "Kastenfenster"

Die Fenster des Museums Liner und der Sammlung Albers-Honegger sind klassische Durchbrechungen der Gebäudehülle. Beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, wurde im Bereich der Ausstellungsräume auf jeder Langseite ein Fenster platziert. Ähnlich wie in Winterthur dient es der Orientierung und Aussicht. Die Schmalseiten, hinter denen das Foyer und der Leseraum liegen, sind durch querrechteckige, kastenartig auskragende, großflächige Fenster geöffnet, die sich teleskopartig über dem Boden schwebend aus dem Gebäude herausschieben [Abb. 107-109]. Umfasst werden die Fenster von breiten, der

1407 Cohen 1995, 50-57, 54, 91-95, 91; Blaser 1997, 27-36, 121-131. 239

Fassade angeglichenen Metallrahmen, die auf die Außenhaut aufgesetzt sind. Sie verstärken das optische Gewicht der Öffnungen, strukturieren die geschlossenen Flächen der Gebäudehülle und akzentuieren die Fenster auf der „All-Over“-Fassade [Abb. 107].1408 In Mouans-Sartoux fehlen die breiten Umrahmungen der Fensteröffnungen. Die Verortung und das optische Gewicht der scheinbar unregelmäßig über die Fassade verteilten Öffnungen werden hier durch eine doppelte Fensterkonstruktion hergestellt: Auf die Fassadenfläche ist ein zweites Glas vor die in der Laibung sitzenden Fenster gesetzt, das von Weitem wie ein aufgesetzter, schmaler Glaskasten wirkt [Abb. 218, 220]. Kastenartig aus der Fassade hervortretende Fenster und auskragende, querrechteckige Scheiben sind in verschiedenen Baugattungen zu finden. Das Motiv des querrechteckigen "Großfensters" ist aktuell so beliebt, dass man von einer regelrechten Mode sprechen kann, wie am Ende des Kapitels gezeigt werden wird. Über die Entstehung und Verbreitung dieser Fensterformen gibt es bisher keine Untersuchungen. Nur Kjeld Vindum knüpfte in seinem Gespräch mit Gigon/Guyer Verbindungen zu der Behandlung von Fensterumrahmungen von Le Corbusier.1409 Die frühesten Beispiele für Fenster mit aufgesetzter, kastenartiger Umrahmung stammen von ihm.1410 Le Corbusier realisierte "Kastenfenster" mit unregelmäßig auskragenden Rahmungen (Notre-Dame-du-Haut, 1951-55, Ronchamps) oder gleichmäßig auskragende, querrechteckige "Kastenfenster" mit Betonrahmen (National Museum of Western Art, 1957-59, Tokyo).1411 Auch flach in die Fassade geschnittene, querrechteckige Fensteröffnungen mit starker Horizontalbetonung und schmalen Fensterrahmen, ähnlich den Fenstern der Sammlung Albers-Honegger, verwendete Le Corbusier bei seinen Wohnhäusern der 20er Jahre (u.a. Villa Besnus, 1922-23, Vaucresson/Île-de-France).1412 Das unregelmäßig auskragende, "kantige Kastenfenster" Le Corbusiers fand einen Nachfolger im Whitney Museum (1964-66, New York) von Marcel Breuer und Hamilton Smith. Es zeigt die typische Verwendung dieser Fensterform als visuellen Akzent auf weiten, geschlossenen Fassadenflächen.1413 Das Motiv des auskragenden "Großfensters" entwickelte Marcel Breuer bei seinen an El Lissitzkys „Wolkenbügel“ (1924) erinnernden Studien zum

1408 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1409 Gigon/Guyer/Vindum 2002, ohne Paginierung. 1410 Richard Weston: Material – Form und Architektur, Stuttgart 2003, 200. 1411 Boesinger 1957, 19; Boesinger 1966, 191; Jean Louis Cohen: Le Corbusier 1887-1965 – Die Lyrik der Architektur im Maschinenzeitalter, Köln 2006, 64-67; Vegesack/Moos/Rüegg 2007, 54. 1412 Cohen 2006, 34, 40, 44; Vegesack/Moos/Rüegg 2007, 29, 33. 1413 Montaner 1995, 10; Alexander von Vegesack/Mathias Remmele: Marcel Breuer – Design und Architektur (Kat. Vitra Design Museum Weil am Rhein), Weil am Rhein 2003, 25. 240

„BAMBOS 1“-Haus von 1927.1414 Später realisierte er für ein Benediktinerinnenkloster (1956-63) in Bismarck/North Dakota auskragende Fenstererker, die an die Fenster des Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, und die auskragenden Erker der Sammlung Albers-Honegger erinnern.1415 An Le Corbusier angelehnt sind die betonumrahmten, auskragenden Fenster der Hayward Gallery (1965-68) von Hubert Bennet und Jack Whittle in London.1416 Wie Gigon/Guyer in Appenzell und Mouans-Sartoux wählten sie das Motiv des auskragenden Kastens auch für die Eingänge. Kastenartige Fenster wurden ab den 90er Jahren ein beliebtes Motiv: Rafael Moneo verwandte sie am Moderna Museet (1998), Stockholm, Alvaro Siza am Museu Serralves (1999) in Porto und leicht abgewandelt O`Donnell + Tuomey an der Glucksman Gallery (2002-04) in Cork/Irland.1417 Eine großformatige, querrechteckige Scheibe ohne Kastenrahmung setzten Takaharu + Yui Tezuka Architects beim Echigo-Matsunoyama Museum (2003) für Naturwissenschaften in Matsunoyama/Japan ein.1418 Aus dem Hauptbau herausgeschobene Kastenrahmungen mit großformatigen Fenstern realisierten Ellis Williams beim Cornerstone Arts Centre (2006-08) in Didcot/Oxfordshire und Urbanus Architecture & Design beim Tangshan Urban Planning Museum (2008) in Tangshan/China.1419 Auch in anderen Baugattungen ist das Motiv der querrechteckigen, großformatigen Fensterscheibe sehr verbreitet. Stellvertretend für die vielen Beispiele soll das 2006 fertiggestellte Studentenwohnheim Tietgenkollegiet in Kopenhagen von Lundgaard & Tranberg genannt werden, bei dem das Motiv für jede Wohneinheit vervielfältigt wurde.1420

1414 Ulrich Conrads: El Lissitzky 1929 – Rußland – Architektur für eine Weltrevolution (Bauwelt Fundamente 14), Berlin 1965, 79; Joachim Driller: Marcel Breuer – Das architektonische Frühwerk, Diss. Freiburg 1990, 180ff.; Sprengel Museum Hannover: El Lissitzy 1890-1941 – Retrospektive (Kat. Sprengel Museum Hannover), Frankfurt 1988, 49f., 61; Vegesack/Remmele 2003, 29, 179f., 181. 1415 Vegesack/Remmele 2003, 25, 410, 414. 1416 Wischermann 1985, 156; Waterfield 1991, 171, 172, 178, 179. 1417 Zeiger 2006, 186-191, 192-199, 194; O`Donnell/Tuomey 2007, 169. 1418 Zeiger 2006, 126-131, 128. 1419 Jodidio 2010, 136-139, 137, 386-389, 386. 1420 Bernd Hauser: Frohe Runde – Studentenwohnheim Tietgenkollegiet in Kopenhagen, in: Deutsche Bauzeitung 2 (2009) 28-35, 31; Marc Kristal: Immaterial World – Transparency in Architecture, New York 2011, 114-121. 241

II. Materialgeschichtliche Fragen 1. Beton

Durch das Aushärten eines Konglomerats aus Zuschlagstoffen wie Sand und Kies sowie Zement und Wasser entsteht das „künstliche Gestein“1421 Beton, welches die plastischen Möglichkeiten des Bauens durch die Erfindung der Armierung revolutionierte.1422 Beton hat wie kein anderer Werkstoff zu kontroversen Diskussionen geführt. Von den einen als Baustoff der Zukunft gefeiert, warfen ihm andere vor, sich aufgrund seiner grenzenlosen Formbarkeit der Regel der ʺMaterialgerechtigkeitʺ zu entziehen.1423 Zudem wurde er zu einem Inbegriff der Unmenschlichkeit der modernen Architektur bzw. der Tristesse der Großstadt. Einzelnen Architekten ist es zu verdanken, dass Beton als sichtbar am Bau verwendetes Baumaterial eine hohe ästhetische Qualität erlangte. Die Werke von Gigon/Guyer können als Beitrag zu dieser Entwicklung angesehen werden. Wie bereits Meike Leyde in ihrer Dissertation bemerkte, sind sie Stellvertreter für die „Vorreiterstellung in der Veredelung des Betons“1424 der jüngeren Architektur der Schweiz. Die samtigen, homogenen Betonoberflächen des Foyerraums des Kirchner Museums sind das zentrale Beispiel für die Verwendung ästhetischer Betonflächen in ihrem Oeuvre [Abb. 19-21]. Bei der Sammlung Oskar Reinharts experimentierten sie mit der Beimengung von Zuschlagstoffen, der Einfärbung von Beton und künstlicher Patinierung und brachten eine neue Dimension von Zeitlichkeit und Zufall in die ʺstatischeʺ Baukunst [Abb. 81]. Wie in allen Gattungen ist Beton aus der Museumsarchitektur als konstruktives Material nicht mehr wegzudenken. Sichtbeton am Außenbau und in Innenräumen ist jedoch noch immer keine Selbstverständlichkeit. Museen werden weiterhin mit Hoch- bzw. Elitekultur in Verbindung gebracht, was dem rohen Ausdruck von Sichtbeton und seinem Ruf als kostengünstiges Baumaterial entgegenzustehen scheint.

1421 Arthur Rüegg/Reto Gadola/Daniel Spillmann u.a.: Die Unschuld des Beton – Wege zu einer materialspezifischen Architektur, Zürich 2004, 17. 1422 Rüegg/Gadola/Spillmann 2004, 17ff. 1423 Sigfried Giedion: Bauen in Frankreich – Bauen in Eisen – Bauen in Eisenbeton, Berlin 1928; Julius Vischer/Ludwig Hilbersheimer: Beton als Gestalter – Bauten in Eisenbeton und ihre architektonische Gestaltung, Stuttgart 1928; Rex Raab/Arne Klingborg/Ake Fant: Sprechender Beton – Wie Rudolf Steiner den Stahlbeton verwendete, Dornach 1972. Literatur zu kritischen Stimmen zum Werkstoff Beton: Christoph Hackelsberger: Beton – Stein der Weisen? (Bauwelt Fundamente 79), Braunschweig 1988; Christoph Erich Lüth: Ich finde Beton zum Kotzen, in: Dietmar Rübel/Monika Wagner/Vera Wolff (Hrsg.): Materialästhetik – Quellentexte zu Kunst, Design und Architektur, Berlin 2005 (Erstveröffentlichung des Textes 1971), 92-93. Literatur zur Diskussion von Materialgerechtigkeit und Beton: Weston 2003, 70, 86f. 1424 Leyde 2011, 167. 242

Der früheste dokumentierte Museumsbau aus Beton stammt aus der Frühzeit der (Wieder-)Entdeckung dieses Materials.1425 Das 1891 errichtete Museum der Stanford- Universität/Kalifornien wurde von Ernst Leslie Ransome als Eisenbetonbau mit steinmetzmäßig bearbeiteter Sichtbetonfassade errichtet.1426 Ihre Gliederung entsprach noch völlig den zeitgenössischen Natursteinfassaden.1427 Formale Neuerungen brachte das Material Beton innerhalb der Museumsarchitektur erstmals beim Guggenheim Museum (Planung 1943-46, Bau 1956-59, New York, Frank Lloyd Wright), New York, dessen fließende Formen und freitragende Elemente der Rampenspirale erst durch die Stahlbetonbauweise möglich wurden.1428 Die Außenhülle des Museums wurde weiß gestrichen, da die graue Farbe und der unfertige Ausdruck unbearbeiteter Betonflächen negativ besetzt waren und nur für Industriebauten empfohlen wurden.1429 Auch beim ʺErfinder des Sichtbetonsʺ Le Corbusier dauerte es, bis er Sichtbeton großflächig an Museumsbauten verwendete. Er verputzte seine Betonbauten zunächst einfarbig, oftmals in puristischem Weiß.1430 Später entwarf er den Schlüsselbau des ʺbéton brutʺ, die Unité d`habitation (1945-52) in Marseille, deren Sichtbetonfassaden durch den Abdruck der Schalungsbretter und sichtbare Makel aus dem Herstellungsprozess einen rohen, felsartigen Charakter besaßen.1431 Bei seinen Museumsbauten in Ahmedabad (1951) und Chandigarh (1958-68) verkleidete er die Fassadenflächen des Betonbaus mit Backstein. ʺBéton brutʺ tauchte nur an Architekturdetails und Verbindungselementen wie Tür- und Fensterrahmungen, Gesimsen, Stützpfeilern und Deckenkonstruktionen auf.1432 Bei den beiden späteren Museen, dem National Museum of Western Art (1957-59, Tokyo) und dem Carpenter Center for Visual Arts (1960-63, Harvard Universität Cambridge/Massachusetts),

1425 Zur Geschichte des Betons s.: Gustav Haegermann: Vom Caementum zum Zement (Vom Caementum zum Spannbeton – Beiträge zur Geschichte des Betons – Band 1), Berlin 1964; Adolf Leonhardt: Von der Cementware zum konstruktiven Stahlbetonfertigteil (Vom Caementum zum Spannbeton – Beiträge zur Geschichte des Betons – Band 3), Berlin 1965; Hackelsberger 1988; Heinz-Otto Lamprecht: Opus caementitium – Bautechnik der Römer, Düsseldorf 19934 (1. Aufl. 1968); Klaus Kinold: Architektur und Beton – Architecture et béton, Ostfildern 1994; Thomas Raff: Die Sprache der Materialien – Anleitung zu einer Ikonologie der Werkstoffe (Habil. Augsburg 1991 – Kunstwissenschaftliche Studien 61), München 1994, 15; Kathrin Bonacker: Beton – Ein Baustoff wird Schlagwort – Geschichte eines Imagewandels von 1945 bis heute, Marburg 1996; David Benett: Beton – Farbe – Textur – Form, Basel 2001; Friedbert Kind-Barkauskas: Beton und Farbe, Stuttgart 2003; Rüegg/Gadola/Spillmann 2004. Zu Beton in der Museumsarchitektur s.: Leyde 2011, 166-168. 1426 Haegermann 1964, 44. 1427 Rüegg/Gadola/Spillmann 2004, 8. 1428 Desmoulins 2005, 8. 1429 Hackelsberger 1988, 15ff.; Leyde 2011, 166. 1430 Weston 2003, 65f. 1431 Hackelsberger 1988, 94f.; David Jenkins: Unité d` Habitation Marseille – Le Corbusier (Architecture in Detail), London 1993; Roberto Gargiani/Anna Rosellini: Le Corbusier – Béton Brut and Ineffable Space – 1940- 1965 – Surface Materials and Psychophysiology of Vision, Lausanne 2011, 54-61. 1432 Boesinger 1957, 163; Boesinger 1998, 222; Leyde 2011, 166; Gargiani/Rosellini 2011, 379-389. 243 zielte Le Corbusier auf eine Veredelung der Betonoberfläche ab.1433 Sichtbare Mängel des Betons wie Verfärbungen, Unregelmäßigkeiten und Blasenbildung wollte er durch eine verfeinerte Verschalungstechnik eliminieren und sprach von einem ʺbéton brut lisseʺ.1434 Das Carpenter Center war Le Corbusiers einziger Museumsbau mit vollständigen Sichtbetonfassaden. Beim Museum in Tokyo wiederholte er das Prinzip der indischen Bauten, indem er den Beton durch grüne Kiesel einfärbte und nur Verbindungselemente und Details in reinem Beton beließ.1435 Louis Kahn setzte die Verwendung von Sichtbeton an Museen fort. Beim Kimbell Art Museum (1966-72) in Fort Worth/Texas verband er konstruktive Sichtbetonstützen mit ʺwertvollenʺ Travertin-Füllungen zu farbig homogenen Wandflächen.1436 Eine weitere Materialkombination verwirklichte er im Yale Center for British Arts (1969-74), bei dem sich Sichtbetonfelder mit Holzvertäfelungen abwechseln, wobei aufgrund der feinen Oberflächenbearbeitung kein störender Gegensatz zwischen den organischen Holzflächen und dem mineralischen Beton entstand.1437 Kahn setzte als erster die Umrisslinien der Schalungstafeln und Löcher der Anker als „rhythmisierende, ästhetisch wirksame Motive“1438 ein.1439 An Le Corbusier angelehnt war die bereits im Kapitel B. I. 14. b) erwähnte Hayward Gallery (1965-68) in London, die mit ihren verschachtelten, klotzigen Bauteilen die typische Betonästhetik der 60er Jahre verbildlicht.1440 Auf Le Corbusier und Louis I. Kahn folgten wenige Architekten, die Beton als Fassadenmaterial in der Museumsarchitektur einsetzten. In ihrer Wertigkeit höher eingestufte Materialien wie Naturstein, Glas und Metall sind bis heute häufiger anzutreffen. Auch in der aktuellen Museumsarchitektur überwiegt die Anschauung, ʺhöherwertigeʺ Materialien entsprächen der Institution Museum mehr. Es können nur einzelne Architekten benannt werden, die Beton als dominierendes Material an Museen verwenden und seine gestalterische Qualität weiter erforschen. Der japanische Architekt Tadao Ando ist aktuell der einzige Architekt, der Sichtbetonflächen bei fast allen seinen Museen als bestimmendes

1433 Boesinger 1966, 185, 191; Vegesack/Moos/Rüegg 2007, 57; Gargiani/Rosellini 2011, 527-543, 544-549, 544. 1434 Gargiani/Rosellini 2011, 544. 1435 Gargiani/Rosellini 2011, 546. 1436 Gast 1998, 88-97, 91, 94. 1437 Rosa 2006, 84. 1438 Leyde 2011, 166. 1439 Leyde 2011, 166. 1440 Wischermann 1985, 156; Waterfield 1991,172, 178, 179. 244

Gestaltungsmittel verwandte.1441 Er verfeinerte das Motiv der gestalterischen Verwendung von Schalungslöchern durch ein selbstgewähltes strenges System, das an die Maße der japanischen Tatamimatte angelehnt ist.1442 Seine Meisterschaft in der Behandlung der Betonoberfläche führte dazu, dass der Beton seiner Bauten haptische Qualitäten erlangt, weich wirkt und an die Papierwände japanischer Häuser denken lässt.1443 Neben dem Japaner Tadao Ando führten vor allem Architekten aus der Schweiz die Betonbauweise im Bereich der Museumsarchitektur an.1444 Viel beachtet wurde das Museum La Congiunta (1990-92) bei Giornico/Tessin von Peter Märkli in Zusammenarbeit mit Stefan Bellwalder, das sich in die Nachfolge von Le Corbusier ʺbéton brutʺ einreiht. Außen und innen als Rohbau belassen, besitzt das „archaisch anmutende“1445 Ausstellungshaus keine Gebäudetechnik und keine Fensteröffnungen.1446 Die unveredelten Sichtbetonwände werden nur durch horizontale Fugen der Schalungsbretter strukturiert, die als Hintergrund für die in ihrer Oberflächenqualität groben Skulpturen des Künstlers Hans Josephson dienen. Neutral glatte Betonflächen schuf Peter Zumthor im Innenraum des Kunsthauses Bregenz (1994-97). Die ungegliederten Ausstellungsebenen sind entrückte Betonräume mit homogener Farbigkeit.1447 An ein Museum erinnert nur die über den Räumen schwebende Lichtdecke aus geätztem Glas. In Burgdorf/Bern entstand 2002 das Museum Franz Gertsch (Jörg + Sturm) als eines der wenigen Beispiele eines vollständig in Sichtbeton ausgeführten Museums.1448 Der aus drei sockel- und dachlosen Kuben bestehende Bau fügt sich bewusst nicht in die Umgebungsbebauung ein. Die puristisch lineare Betonästhetik wird auch in der Gestaltung der Außenanlage deutlich, die aus streng angelegten Kiesbeeten besteht.

1441 Museumsbauten von Tadao Ando sind u.a.: Chikatsu-Asuka Historical Museum (1991-94) in Kanan/ Japan, Modern Art Museum Fort Worth (1999-2002) in Fort Worth, Pulitzer Foundation fort he Arts (1997-2001) in St. Louis, das Chichu Art Museum (2002-04) in Naoshima/Japan und in Europa die Langen Foundation/Museum Insel Hombroich (2002-04) bei Neuss. Gerhard G. Feldmayer: Beton und Ando, in: Der Architekt 8 (1995) 468- 470; Andreas Denk/Jo Eisele/Günter Pfeifer: Tatami-Matten und fliegende Wände, in: Der Architekt 8 (1995) 471-475; Philip Jodidio: Ando – Complete Works, Köln 2007, 210-221, 260-265, 268-287, 420-437; Suma 2007, 225; Luca Molinari: Tadao Ando – Museums, Mailand 2009, 36-51, 72-91, 92-113, 114-133204-227; Yann Nussaume: Tadao Ando, Paris 2009. 1442 Weston 2003, 191; Leyde 2011, 167. 1443 Weston 2003, 190. 1444 Vgl.: Anatole Fresne: Umgang mit Beton – Auch in der Schweiz, in: Der Architekt 8 (1995) 477. 1445 Paetz 1994, 398-401; Naredi-Rainer 2004, 84. 1446 Peter Märkli: Stiftung La Congiunta – Haus für Reliefs und Halbfiguren des Bildhauers Hans Josephson (Kunsthaus Bregenz – Archiv Kunst Architektur – Werkdokumente), Stuttgart 1994; Basso Peressut 1999, 51f., Naredi-Rainer 2004, 84. 1447 Newhouse 1998, 58. 1448 A.A.: Museum Franz Gertsch in Burgdorf, in: Architektur & Wettbewerbe 202 (2005) 38-43, 38 [A.A. 20053]; Internetseite http://www.nextroom.at/building.php?id=437 [Stand 3. März 2013]. 245

Materialtechnische Neuerungen brachte das Besucherzentrum des Schweizerischen Nationalparks (2006-08) in Zernez/Graubünden in die Museumsarchitektur.1449 Valerio Olgiati verwendete mit Tonpellets (Blähton) angereicherten Leichtbeton, der wärmedämmende Eigenschaften besitzt.1450 Durch diesen neuartigen Werkstoff konnten Ortbetonwände ohne zusätzliche Dämmschicht geschaffen werden. Das Ergebnis ist ein Sichtbetonbau aus einem Guss, in dem sich der Besucher in einem einschaligen ʺRohbauʺ mit sowohl tragenden als auch isolierenden Eigenschaften befindet. Experimente mit Zuschlagstoffen sind ebenfalls vor allem in der Schweiz zu finden. Die Architekten Morger, Degelo und Kerez errichteten das Kunstmuseum Vaduz (1998-2000) als „spiegeldunklen“1451 Kubus aus mit Basaltgestein angereichertem Ortbeton [Abb. 248]. Arbeiter schliffen den Bau über fünf Monate zu einem dunkel schimmernden, fugenlosen Terazzomonolith, dessen Poren zum Schutz vor späterer Korrosion mit Wachs zugespachtelt wurden.1452 Eine nachträgliche Patinierung wie bei der SOR war hier nicht erwünscht. Beton mit Zuschlagstoffen benutzten auch Herzog & de Meuron für das Schaulager (2000-2003) in Basel. Der als ʺAbfallʺ angefallene Kies des Aushubs wurde dem Beton für die Fassadenflächen beigemischt [Abb. 249].1453 Die vergleichsweise wenigen Beispiele für Museumsbauten mit Sichtbeton zeigen, dass Hemmungen, diesen Baustoff innerhalb der Museumsarchitektur als dominierendes Material zu verwenden, immer noch bestehen. Die Experimente mit Farbigkeit, Patinierung und Zuschlagstoffen belegen, dass die seit dem Beginn des 20. Jh.s diskutierte Frage nach einer ʺNaturʺ des Betons viele Antworten zulässt. Vielleicht bedeutet materialgerechtes Bauen mit Beton, dass dieser Baustoff kaum Grenzen der Gestaltung vorgibt. Wegweisend sind die Experimente von Gigon/Guyer mit Zuschlagstoffen und Patinierung (SOR), die eine bisher nicht dagewesene Vermischung von Architektur, Zeitlichkeit und Zufall mit sich brachten.

2. Glas

An ihrem ersten Museumsbau, dem Kirchner Museum in Davos, experimentierten Gigon/Guyer mit dem Baustoff Glas in unterschiedlichen Qualitäten. Klare Glasbahnen als Fensteröffnungen öffnen das Haus im Bereich der Verkehrszone. In den Oberlichthäusern

1449 Werner Jacob: Alae iactae sunt – Zwei weiße Würfel für den Schweizer Nationalpark in Zernez, in: Deutsche Bauzeitschrift 9 (2008) 22. 1450 Jodidio 2010, 288-291, 289. 1451 Loderer 2000, 5. 1452 Loderer 2000, 5. 1453 Rob Gregory: Massive Art-Stack – Herzog & de Meuron`s latest box of tricks and outskirts of Basel, in: Architectural Review 8 (2004) 70-73. 246 wurden einseitig geätzte Isolierglasscheiben verbaut.1454 Im Kontrast dazu stehen die leicht profilierten und geätzten Felder der Fassaden, die die Gebäudehaut je nach Lichtverhältnissen undurchsichtig oder semi-transparent erscheinen lassen. Auch das Dach ist in das Materialkonzept eingebunden: Glitzernder Glaskies beschwert die Deckung des Flachdachs. Der als Provisorium gedachte Erweiterungsbau des Kunstmuseums Winterthur spielt ebenfalls mit unterschiedlichen Abstufungen von Transparenz. Dem ephemeren Charakter und dem Kostendruck des Projekts entsprechend, wählten die Architekten vorfabrizierte Glaselemente, die den Bau in eine grünlich schimmernde, semi-transparente Hülle kleiden. Das offene Erdgeschoss mit Parkplätzen wird wie von einem ʺRockʺ aus Glasprofilen begrenzt, deren lückenhafter Versatz die Durchsichtigkeit verstärkt. Die Eigenschaft der Lichtdurchlässigkeit macht den Werkstoff Glas zu einem zweischneidigen Material für die Museen. Räume zur Ausstellung von Kunst benötigen Licht, die Kunstobjekte benötigen jedoch auch Schutz vor schädlicher UV-Strahlung und Wärme. Zudem verliert ein Museum durch weite Glaswände Hängefläche, die nur durch mobile Stellwände ersetzt werden kann. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass der Besucher in einem transparenten Gebäude durch äußere Eindrücke von der Kunstbetrachtung abgelenkt wird. Die Verwendung von Glas in der Ausstellungsarchitektur geht einher mit der Entwicklung von Glas als Baustoff. Die faszinierenden Eigenschaften des Glases wurden im 19. Jh. zunächst für Gewächshäuser und Bauten der Weltausstellungen verwendet. Joseph Paxtons Glaspalast (1850-51, London) war der erste Bau, der die konstruktiven und gestalterischen Möglichkeiten der Glas-Eisen-Konstruktion in einem Großgebäude ausreizte.1455 Wie bereits in Kapitel B. I. 9. c) dargelegt, ist Bruno Tauts Glaspavillon der erste Bau der Architekturgeschichte, bei dem mit unterschiedlichen Glasarten und einem geschichteten Fassadenaufbau experimentiert wurde.1456 Beispiele wie das bereits genannte Edith Farnsworth House (1945-51) oder das Künstlerhaus (1949) von Philip Johnson in New Canaan/Connecticut zeigen die faszinierende Möglichkeit des Werkstoffs Glas, nahezu transparente Bauten zu schaffen.1457

1454 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1455 Jürgen Tietz: Geschichte der Architektur des 20. Jahrhunderts, Köln 1998, 7. Beispiele in der Nachfolge des Crystal Palace sind in der einschlägigen Literatur zu finden. George F. Chadwick: The Works of Sir Joseph Paxton – 1803-1865, London 1961, 104-136; Georg Kohlmaier/Barna von Sartory: Das Glashaus – Ein Bautypus des 19. Jahrhunderts (Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts 43), München 1981; Ruth Maria Ullrich: Glas-Eisenarchitektur – Pflanzenhäuser des 19. Jahrhunderts (Diss. Frankfurt 1977), Worms 1989; Winfried Nerdinger: Konstruktion und Raum in der Architektur des 20. Jahrhunderts – Beispiele aus der Sammlung des Architekturmuseums der Technischen Universität München (Kat. Architekturmuseum der Technischen Universität München), München 2002, 44-46. 1456 Thiekötter 1993, 28, 38, 46. 247

Das Konzept des offenen Bauens stellte sich als nur begrenzt tauglich für den Museumsbau heraus. Mit der Neuen Nationalgalerie (1962-68, Berlin) schuf Ludwig Mies Van der Rohe ein Meisterwerk. Es bleibt jedoch fraglich, ob das „epochale Raumgefäß“1458 einen funktionalen Museumsbau darstellt.1459 In der allseitig verglasten Halle können Bilder nur an mobile Wände gehängt werden, und Skulpturen stehen vor dem unruhigen Hintergrund der Stadtkulisse, die in den Raum dringt. Wände als Hängefläche bietet das Museum nur in seinen unterirdischen Ausstellungssälen, die überwiegend künstlich beleuchtet werden.1460 Eine semi-transparente Gebäudehülle wurde erstmals beim Österreichischen Pavillon für die Brüsseler Weltausstellung 1958 genutzt, der später transloziert und als Museum für Kunst des 20. Jh.s in Wien wiederaufgebaut wurde.1461 Die Fassaden des Obergeschosses bestehen aus Mattglastafeln in Metallrahmungen. Wie bei Mies` Nationalgalerie muss mobile Ausstellungsarchitektur die Außenwände als Hängeflächen ersetzen. Die direkte Einstrahlung von Sonnenlicht und der ablenkende Blick nach draußen sind durch die opaken Gläser verhindert. Von den Versuchen, lichtdurchlässige gläserne Museumsbauten zu entwerfen, kam man in der Folgezeit ab. Klarglas überwiegt an Bauteilen, die nicht Ausstellungszwecken dienen, wie Eingangsbereichen, Foyers oder Verkehrsflächen. Ein Beispiel für ein Museum mit einem deutlichen Wechsel zwischen verglasten Sekundärräumen und geschlossenen Ausstellungsbereichen ist unter anderem das Museum für Gegenwartskunst in Basel (1978- 80).1462 Glas als reine Fassadenverkleidung wurde ab den 90er Jahren verbreitet. Die gläsernen Hüllen dienen nicht der Transparenz und Öffnung, sondern sind als blick- und lichtundurchlässige Verkleidung konstruiert, die den Außenbau gestalten und die Isolationsschicht schützen. Es überwiegt das Konzept, nur eine Glasart bzw. eine Bearbeitungstechnik an einem Bau zu verwenden. Verschiedene Gläser bzw. Bearbeitungen an einem Bau sind selten. Themen der aktuellen Glasarchitektur sind der Schichtenaufbau der Fassade, der durch das Material Glas besonders gut zur Geltung kommen kann, und die Variation von Transparenz und Transluzenz, d. h. ein Ausloten der Bandbreite von Durchsichtigkeit bis hin zu Opakheit. Weiteres Interesse liegt auf den Möglichkeiten

1457 Cohen 1995, 91; Peter Blake: Philip Johnson, Basel 1996, 32-39; Franz Schulze: Philip Johnson – Leben und Werk, Wien 1996, 211-223; Tietz 1998, 58.. 1458 Naredi-Rainer 2004, 198. 1459 Klotz/Krase 1985, 57; Schubert 1986, 13f. 1460 Klaus Jan Philipp: Architektur Skulptur – Die Geschichte einer fruchtbaren Beziehung, Stuttgart 2002, 116. 1461 Brawne 1965, 121-123; Schubert 1986, 38f., 48. 1462 Steib 1985, 167; Bergmann 1995, 49. 248 neuartiger Oberflächenbearbeitungen von Glas durch Beschichtungen, Satinierung (Ätzen), Sandstrahlen oder der Anbringung von Aufdrucken (z. B. Siebdruck).1463 Der Architekt Jean Nouvel schuf 1991-94 die Fondation Cartier in Paris.1464 Durch einen vorgelagerten gläsernen Zaun und eine über die Ausmaße des Gebäudes hinausreichende Schirmfassade schuf er raffinierte optische Effekte.1465 Die Schichtung der Fassade wurde überproportioniert, indem die gläsernen Wände von Schirm und Zaun bis in den Garten und bis zur Grundstücksgrenze an der Straße hinausgezogen werden. Durch ihre Transparenz scheinen die vorgelagerten Gläser immer noch dem Hauptbau zugeordnet zu sein. Die Vorzüge mattierten Glases für Museen nutzten früh Herzog & de Meuron bei der Sammlung Goetz (1989-92, München).1466 Die milchigen, großformatigen Fensterbänder prägen den Bau und verhindern die freie Lichteinstrahlung. Zusammen mit dem Kirchner Museum führte die Sammlung Goetz mattiertes Glas in die Museumsarchitektur ein. Das Kunsthaus Bregenz (1994-97) besitzt ebenfalls eine geätzte Glashülle, die eine geheimnisvolle Verschleierung seines Inneren hervorruft.1467 Die einseitig geätzten Glasschindeln geben je nach Licht und Wetter schemenhaft Eindrücke der dahinterliegenden Geschossebenen frei.1468 Durch eine nächtliche Illuminierung können weitere Eindrücke geschaffen werden: Die gläserne Gebäudehülle funktioniert dann als vom eigentlichen Material losgelöste, leuchtende Fläche.1469 Bemerkenswerte Museen mit gläsernen Gebäudehüllen schufen auch japanische Architekten.1470 Das O-Museum (1999) in Iida/Nagano von SANAA ist allseitig mit Glaspaneelen verkleidet. Im Bereich der Ausstellungsräume wurde das Glas durch Ätzung mit einem streifenartigen Muster mattiert, das den Lichteinfall reduziert und den Blick nach

1463 Zu aktuellen Techniken der Glasarchitektur s.: Werner Sobek: Bauen mit Glas – Informationen für Bauherren, Architekten und Ingenieure, Stuttgart 2002, 21-24; Andreas Achilles/Jürgen Braun/Peter Seger u.a.: Glasklar – Produkte und Technologien zum Einsatz von Glas in der Architektur, München 2003. Zum Thema der Transparenz in der neueren Architektur s.: Rice/Dutton 1995; Frank Kaltenbach: Transluzente Materialien – Glas – Kunststoff – Metall, München 2003, 10-26; Kristal 2011. 1464 Lampugnani/Sachs 1999, 147. 1465 Vanessa Müller: Haute Architecture – Eine baustrategische Untersuchung der Marke Cartier und der Corporate Architecture von Luxusmodemarken seit 1990 (Diss. Freiburg 2006), München 2008, 82-88, 83. Einen gläsernen Zaun erhielt später auch Jean Nouvels Musée du Quai Branly (1999-2006). Suma 2007, 187- 199, 193. 1466 Vgl.: Harlang 2002, 83; Newhouse, 1998, 38, 39. 1467 Naredi-Rainer 2004, 196-197. 1468 Kaltenbach 2003, 15. 1469 Vgl. hierzu: Rice/Dutton 1995, 16. 1470 Zeiger 2006, 96-97. 249 draußen verhängt.1471 Im Bereich des Foyers mit Ruhezonen setzt die Mattierung aus, damit man auf die umliegenden historischen Bauten sehen kann. Eine kleine Gruppe von Museen kann ausgemacht werden, an denen vorgefertigte Glasprofile angewandt wurde. Rem Koolhaas benutzte den Baustoff als erster für eine Fassadenfläche der Kunsthal Rotterdam.1472 Wenige Jahre später verkleideten Gigon/Guyer ihren Erweiterungsbau in Winterthur vollständig mit diesem industriell gefertigten Glasprodukt. In der Nachfolge verwendete es Steven Holl am Bellevue Art Museum (2001, Washington D.C.) und dem Nelson-Atkins Museum of Art (2007) in Kansas City/Missouri.1473 Seine aus locker gereihten Kuben bestehenden Baukörper, die Materialisierung der Gebäudehülle und die Zonierung durch feine Metallprofile erinnern stark an die Museen von Gigon/Guyer in Davos und Winterthur.1474 Weitere Verbreitung fand das kostengünstige Material an einem Museum in China (Ningbo History Museum, 2003-08, Ningbo, Wang Shu) und an der Stihl Kunstgalerie der Stadt Waiblingen (2007-08, Hartwig N. Schneider).1475 Auch Rem Koolhaas/OMA entschied sich wiederholt für die Paneele, etwa am National University Museum (2005) in Seoul/Südkorea und dem Musée des Beaux-Arts in Québec, das voraussichtlich 2013 fertiggestellt werden wird.1476

3. Metall

Metall als gestalterisch dominierender Werkstoff kann als Konstruktionsmaterial mit tragenden Eigenschaften, wie z. B. in der Skelettbauweise, und als Verkleidung, die einen Bau vor äußeren Einwirkungen schützt, verwendet werden. Beide Anwendungsbereiche sind im Oeuvre von Gigon/Guyer abgedeckt. Der Museumsbau des Archäologischen Parks in Kalkriese und seine kleinen Satelliten sind Stahlkonstruktionen in Skelettbauweise, ebenso der Erweiterungsbau in Winterthur. Metallene Fassadenhüllen schufen Gigon/Guyer für das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, (sandgestrahlte Chromstahlbleche) und das Galerielager Wichtrach (zweischalige Hülle aus Lochblech).

1471 Zeiger 2006, 97, 98, 99. 1472 Montaner 1995, 100; Weston 2003, 200. 1473 Architekturzentrum Wien 2002, 56, 103-107; Kenneth Frampton: Steven Holl Architetto, Mailand 2002, 160-170, 276-285 [Frampton 20021]; A.A. 2008, 72. 1474 Uffelen 2010, 96-97. 1475 Jodidio 2010, 329-335, 330, 397-405, 397. 1476 Uffelen 2010, 34-35, 502-503. 250

Die Geschichte der Eisen- und Stahlarchitektur wurde zunächst durch die Verwendung von Metall als Konstruktionsmaterial dominiert.1477 Neuartige Produktionsweisen führten im Zuge der industriellen Revolution zu vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Eisen. Zuerst im Brückenbau verwendet (Brücke bei Coalbrookdale, 1779, Abraham Darby, John Wilkinson), wurde der Werkstoff Eisen in weiteren Bereichen der Industrie- und Ingenieurarchitektur für die Konstruktion von Hallen, Türmen oder Kuppelbauten angewandt. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. folgten die berühmten Beispiele der Weltausstellungen wie der bereits erwähnte Cristal Palace oder dem Eiffelturm (1889, Paris, Gustave Eiffel).1478 Es dauerte bis in die zweite Hälfte des 20. Jh.s, bis die Stahlkonstruktion als gestaltgebende Konstruktionsweise den Weg in die Museumsarchitektur fand. Das früheste Museum in offener Skelettbauweise war die Neue Nationalgalerie (1962-68) von Mies van der Rohe.1479 Die Etablierung einer Industriearchitektur-Ästhetik innerhalb der Museumsbaukunst ist dem Centre Pompidou (1977) und dem Sainsbury Centre (1987) zuzuschreiben.1480 Ihre offenen Konstruktionen ebneten den Weg für eine neue Generation von ʺStahl-Museenʺ, wie dem Zentrum Paul Klee in Bern [Abb. 246].1481 Der zweite Anwendungsbereich von Metall in der Architektur, die metallenen Gebäudehüllen, ist im Gegensatz zu den Konstruktionen der Ingenieurbaukunst in der Forschung bisher kaum untersucht worden. An Museumsbauten tauchen Metallhüllen ab den 70er Jahren auf. Vollständige sind in dieser Zeit selten (Prähistorische Staatssammlung, 1973- 75, München, Helmut von Werz, Johann Christian Ottow, Michel Marx), es überwiegen Metallverkleidungen an einzelnen Bauteilen.1482 Verwendet werden meist senkrechte Blechbahnen, die eine starke Vertikalbetonung aufweisen, wie beispielsweise an der Rückseite des Museums Abteiberg (1976-82, Mönchengladbach).1483 Der Bau des Wallraf- Richartz-Museum (1980-86, Köln, Peter Busmann, Godfrid Haberer) erhielt ebenfalls nur eine teilweise Metallverkleidung aus titanverzinkten Blechbahnen, die den Bau an den

1477 Zur Geschichte der Stahlarchitektur s.: ICOMOS Deutsches Nationalkomitee: Eisen Architektur – Die Rolle des Eisens in der historischen Architektur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Kolloquium ICOMOS 1984), Mainz 1985; Frank Werner/Joachim Seidel: Der Eisenbau – Vom Werdegang einer Bauweise, Berlin 1992; Jean- Kyeong Hong: Die Folgen der industriellen Revolution für die Baukunst – Der Entwicklungsprozess der neuen Bautypen zwischen Coalbrookdalebrücke 1779 und Eiffelturm 1889, Diss. Köln 1994; Frédéric Seitz: Architecture et métal en France 19e-20e siècles, Paris 1994; Annette LeCuyer: Stahl & Co – Neue Strategien für Metalle in der Architektur, Basel 2003; Thomas Herzog: Fassaden Atlas, München 2004. 1478 Einen Überblick über die Entwicklung der Eisenkonstruktion unter Nennung vieler Beispiele gibt Werner/Seidel 1992, 13ff.; Romstoeck 1987, 51. 1479 Klotz/Krase 1985, 57. 1480 Waterfield 1991, 174; Desmoulins 2005, 9. 1481 Diethelm 2005, 38-47. 1482 Schubert 1986, 111. 1483 Klotz/Krase 1985, 95. 251 benachbarten Kölner Dom mit seiner Bedachung aus Bleiplatten annähern sollte.1484 Den markanten Turm des Bonnefanten Museums (1990-95) versah Aldo Rossi ebenfalls mit einer vertikal gegliederten Zinkblechhülle.1485 Die bekannteste Metallhülle eines Museumsbaus schuf Gehry am Guggenheim Museum (1993-97) in Bilbao, das mit massenweise industriell gefertigten, titanbeschichteten Stahlblechen verkleidet wurde.1486 Bemerkenswert ist der leicht diagonal laufende Versatz der Metallplatten, der den Eindruck einer schimmernd fließenden „All-Over“-Gebäudehülle erzeugt. Auch Gigon/Guyer wendeten dieses Motiv am Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, an. Wenige Jahre später realisierte Libeskind mit dem Jüdischen Museum (2001) in Berlin einen weiteren richtungsweisenden Museumsbau mit vollständiger Metallverkleidung.1487 Die Außenhaut des Jüdischen Museums besteht aus senkrechten Blechbahnen, die von fassadenflächen- und geschossübergreifenden Öffnungen durchschnitten werden. Die diagonal verlaufenden Einschnitte auf der geschlossenen Metallfassade erzeugen beim Betrachter beklemmende Assoziationen und projizieren so inhaltliche Aspekte der Ausstellung auf die Außenhaut des Gebäudes. Die Bauten von Frank Gehry und Daniel Libeskind sind beispielhaft für das Interesse der aktuellen Architektur an metallenen Außenhüllen. Metall wird favorisiert, da es die Möglichkeit bietet, freie Gebäudeformen mit wetterfesten und dauerhaften „All-Over“-Hüllen zu umfangen. Wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, ist in der zeitgenössischen Architektur ein gesteigertes Interesse an Fassadenmaterialien mit haptischen Qualitäten feststellbar, was sich durch einen Trend zu mattierten, strukturierten oder bedruckten Materialien sowie zu künstlicher Patina bemerkbar macht.1488 Ab den 90er Jahren wendeten sich einige Architekten ab von der bisher favorisierten kühlen industrienahen Maschinenästhetik. Beachtung fand nun die Suche nach den sinnlichen Dimensionen des Materials Metall. Haptisch erlebbare Gebäudehüllen mit dreidimensionaler Struktur oder Oberflächen, die sich aus Zufallsprozessen (Verwitterung, Patina, Bronzeguss) ergeben, wurden zu neuen Themen der Fassadengestaltung. Innerhalb der Museumsarchitektur sind die Beispiele zahlreich. Auf die bereits in Kapitel B. I. 9. c) vorgestellten Bauten mit Lochblechfassaden soll verwiesen werden. Sie können als Beispiele für Bauten mit dreidimensional strukturierten Fassadenflächen dienen. Die Mattierung von Fassaden kann ebenfalls zum oben

1484 Schubert 1986, 173. 1485 Naredi-Rainer 2004, 78. 1486 LeCuyer 2003, 44-49. 1487 Naredi-Rainer 2004, 206. 1488 Vgl. LeCuyer 2003, 110-113. 252 beschriebenen Interesse an sinnlichen Materialerlebnissen hinzugezählt werden. Beispiele wurden für das Material Metall (Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner) und den Werkstoff Glas (Kirchner Museum und Erweiterung Winterthur) bereits genannt. Ein besonderes Beispiel, das sich das Thema der Zufallsprozesse zu Nutze machte, ist das American Folk Art Museum (2001) in New York von Tod Williams und Billie Tsien. Es besitzt eine Schaufront aus gegossenen Bronzeplatten, die mit einer verwitterungsbeständigen, kupferhaltigen Legierung belegt wurden, die normalerweise beim Bau von Schiffspropellern verwendet wird.1489 Die 62 durch ihre handwerkliche Herstellung einzigartigen Platten bilden durch Unregelmäßigkeiten, Blasen und Verformungen eine sinnliche Metalllandschaft. Wetterfester Stahl ist ebenfalls ein Material, das haptische und sich stetig verändernde Fassadenflächen hervorbringt. Wetterfester Stahl umfasst eine Gruppe von Baustählen mit niedrigem Legierungsanteil, die ohne zusätzliche Beschichtung (Farbanstriche oder metallische Überzüge) verwendet werden.1490 Der natürliche Rostprozess des ungeschützten Stahls bildet eine Patina, die den Stahl schützt und die Korrosion verlangsamt. Die rostfarbene, samtig matte Oberflächenverwitterung macht die besondere ästhetische Qualität des wetterfesten Stahls aus und führt zudem zu Kostenersparnis, Umweltfreundlichkeit und leichterer Recyklierbarkeit aufgrund des wegfallenden Korrosionsschutzes durch zusätzliche metallische Beschichtungen.1491 Wetterfester Stahl wurde erstmals von Eero Saarinen für das Verwaltungsgebäude (1960) des Landmaschinenherstellers John Deere in Moline/Illinois benutzt.1492 Seine erdfarbene Patina soll Saarinen bewogen haben, den unbeschichteten Stahl für diesen Auftrag zu verwenden. Wenige Jahre später realisierten Mies van der Rohe das Civic-Center- Hochhaus (1966) in Chicago und Jean Prouvé die Freie Universität (1967) in Berlin.1493 In der Museumsarchitektur wurde wetterfester Stahl erst in den 90er Jahren verwendet. 1996 entstand im australischen Melbourne ein vollständig Cortenstahl-verkleidetes Museum für zeitgenössische Kunst (ACCA Australian Centre für Contemporary Art, Wood, Marsh Pty

1489 LeCuyer 2003, 128-133; Zeiger 2006, 48. 1490 Literatur zu wetterfestem Baustahl: Manfred Fischer/Stahl-Informations-Zentrum Düsseldorf: Wetterfester Baustahl (Merkblatt 434), Düsseldorf 2004, 4; Herzog 2004, 155ff. 1491 Die häufig anzutreffende Bezeichnung „Cortenstahl“ benennt den wetterfesten Stahl eines bestimmten amerikanischen Produzenten. Fischer 2004, 5. 1492 Fischer 2004, 4. 1493 Fischer 2004, 5; Peter Cachola Schmal/Ingeborg Flagge: Jean Prouvé und die Freie Universität Berlin, in: Alexander von Vegesack (Hrsg.): Jean Prouvé – Die Poetik des technischen Objekts (Kat. Vitra Design Museum Weil am Rhein), Weil am Rhein 2006, 284-287, 285f. 253

Ltd. Architecture) in städtischem Kontext.1494 Direkt nach der Fertigstellung des Museumsparks Kalkriese (1999-2002) entwarf Jean Nouvel den „Monolith“ (2002) für die Schweizerische Landesausstellung.1495 Auch wenn es sich dabei nicht um einen Museumsbau handelt, muss Nouvels „Monolith“ als beispielhafte ʺArchitekturʺ in Cortenstahl aufgeführt werden (s. auch Kapitel B. I. 2.). Der im Bieler See schwebende Würfel machte sich die transzendente Materialwirkung des rostenden Stahls zunutze. In Japan entstanden ebenfalls in der Nachfolge von Kalkriese mehrere Museumsbauten mit Gebäudehüllen aus korrodierendem Metall. Das festungsartige Echigo – Matsunoyama Museum für Naturwissenschaften (2003, Takaharu + Yui Tezuka Architects, Matsunoyama) erhielt eine nahtlos geschweißte Hülle aus wetterfestem Stahl, die den erdverhafteten, flachgestreckten Baukörper in die umgebende Waldlandschaft einfügt.1496 Ebenfalls in einem Waldgebiet liegt das kulturhistorische Shimane Museum des Izumo- Schreins (2003-06, Fumihiko Maki) in Shimane, das Überreste eines 800 Jahre alten Schreins beherbergt und zudem die ältesten Metallwerkzeuge und -ornamente Japans ausstellt.1497 Der Museumsbau besteht aus einem geschlossenen Cortenstahl-Baukörper, der durch transparente gläserne Anbauten ergänzt wird. Ähnlich wie in Kalkriese wollte der Architekt Fumihiko Maki durch die Materialverwendung eine Verbindung zu den ausgestellten historischen Artefakten herstellen. In Europa entstand in der Nachfolge des Museumsparks Kalkriese das archäologische Museum Aguntum (2005, Moser Kleon Architekten) in Dölsach/Österreich, das auf einer Gebäudeseite eine Verkleidung aus musterartig zusammengesetzten rostenden Stahlplatten erhielt.1498 Das Museum beherbergt die Überreste eines Atriumhauses und stellt Fundstücke der Ausgrabung aus. Wie die meisten der bereits vorgestellten Häuser liegt es in offener Landschaft vor alpiner Kulisse. Betrachtet man die aufgeführten Museen aus wetterfestem Stahl, können einige Gemeinsamkeiten festgestellt werden. Es fällt auf, dass fast alle Bauten in freier Natur liegen. Der rostbraune Farbton des wetterfesten Stahls fügt sich gut in eine natürliche Umgebung ein, und das stetig zerfallende, ʺorganischeʺ Material lässt den Bau zu einem Teil der Natur

1494 Leon van Schaik: ACCA – Australian Centre for Contemporary Art Melbourne – Victoria – Australia, in: Suzanne Greub/Thierry Greub (Hrsg.): Museen im 21. Jahrhundert – Ideen – Projekte – Bauten (Kat. Art Centre Basel), München 2006, 62-67, 67. 1495 Jodidio 2004, 283. 1496 Zeiger 2006, 127. 1497 Dana Buntrock: Shimane Museum des Izumo-Schreins – Shimane – Japan, in: Suzanne Greub/Thierry Greub (Hrsg.): Museen im 21. Jahrhundert – Ideen – Projekte – Bauten (Kat. Art Centre Basel), München 2006, 44-49, 47. 1498 Uffelen 2010, 128-131, 129. 254 werden. In städtischem Kontext wandelt sich der Eindruck und der Betrachter assoziiert Industrieruinen oder alternde Maschinen. Dieser Themenkreis, der auch an urbane Subkulturen denken lässt, wird ausschlaggebend für die Materialwahl des australischen Museums für Zeitgenössische Kunst ACCA gewesen sein. Oxidierte Metallhüllen erhielten überwiegend Museen für Archäologie und Wissenschaft. Die rostenden Fassaden führen dem Betrachter Zeitlichkeit und Zerfall vor Augen. Der Alterungsprozess der archäologischen Fundstücke oder auch der Untergang der historischen Kulturen, die die ausgestellten Objekte schufen, scheinen sich im rostenden Stahl widerzuspiegeln. Abgelöst von der Gebäudegattung und -funktion ist das eingangs erwähnte Interesse an sinnlichen Fassadenmaterialien in der aktuellen Architektur. Die haptische Qualität der samtig matten, sich stetig verändernden Metalloberflächen trug vermutlich am stärksten zur Popularität des wetterfesten Stahls bei. Seine taktile Materialität und Veränderlichkeit brachte Ansätze einer ʺnatürlichenʺ Ästhetik in den modernen Stahlbau. In der Verwendung von Cortenstahl als Werkstoff spiegelte sich die in der Architektur um die Jahrtausendwende feststellbare Suche nach einer neuen Sinnlichkeit, hinter der der Wunsch nach Individualität und Naturnähe steht, wie er auch in anderen gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen feststellbar ist.

4. ʺArme Materialienʺ

Die Praxis, prestigearme Werkstoffe sichtbar an Bauten zu verwenden, wurde in der Literatur mit dem Begriff der ʺarmen Materialienʺ verbunden, der auch für Werke Gigon/Guyer’s mehrfach auftaucht.1499 Bignens wies 1993 auf die Tendenz in der aktuellen Architektur hin, Werkstoffe, die „nur von praktischem Nutzen waren, auf ihre ästhetischen Werte zu befragen“. Als Beispiele nannte er „Sperrholz, Faserzementplatten, zementgebundene Holzwolleplatten, Lichtbauelemente aus PVC, Streckmetall, Riffelblech, Glasbausteine und Dachpappe“1500. Martin Tschanz benannte ʺarme Materialienʺ als „billige Materialien“ wie „Trapezblech, Sperrholz und diverse Kunststoffe“, deren „sinnliche

1499 Literatur zur Verwendung prestigearmer Werkstoffe in der Architektur: Christoph Bignens: Ästhetik aus dem Warenlager – Ready Made und Dekontextualisierung in der Architektur, in: Archithese 5 (1993) 12-20; Christoph Bignens: Sperrholz als Gestalter, in: Daidalos 56 – Magie der Werkstoffe 1 (1995) 75-87; Martin Tschanz: Sanfte Pervertierungen, in: Daidalos 56 – Magie der Werkstoffe 1 (1995) 88-95; Martin Steinmann: Die Unterwäsche von Madonna – Vom Vorzeigen von Materialien, die nicht zum Vorzeigen bestimmt sind, in: Forme forte – Schriften 1972-2002, Basel 2003, 209-225 [Steinmann 19981]; Marina-Elena Wachs: Material Mind – Materialgedächtnis – Neue Materialien in Design, Kunst und Architektur (Diss. Braunschweig 2007 – Schriften zur Kulturwissenschaft 70), Hamburg 2008. 1500 Bignens 1993, 13. 255

Qualitäten“ sowie „optischen, taktilen […] konstruktive Möglichkeiten“ 1501 es erst noch zu entdecken gilt. Rüegg wandte den Begriff auf das Oeuvre von Gigon/Guyer an und bezeichnete damit „unveredelte […] bisher als Baustoffe kaum beachtete Komponenten“1502. Wie bereits für andere Begriffe der aktuellen Architektur festgestellt, fehlt auch für den Terminus ʺarme Materialienʺ eine verbindliche Definition. Entlehnt wurde der Begriff aus der Arte Povera, einer Kunstrichtung, die Ende der 60er Jahre in Italien entstand.1503 Der Kunsttheoretiker Germano Celant prägte die Bezeichnung durch eine Ausstellung 1967 in einer Galerie in Genua.1504 Die Arte Povera zeichnete sich durch Arbeit mit Werkstoffen aus, die aus einem gewöhnlichem Kontext stammen. Die Vertreter einte die Auflehnung gegen gefestigte traditionelle Kunstgattungen und gegen mit „technischer Raffinesse und Perfektion ausgeführte Kunst“1505, wie sie Zeitgenossen in den USA schufen. Auch wenn die Arte Povera nicht die einzige Strömung dieser Zeit war, die Materialien aus alltäglichen, kunstfernen Zusammenhängen verwandten, steht sie sowohl in der fachlichen Rezeption als auch in der allgemeinen Wahrnehmung für eine materialbezogene Kunst aus gewöhnlichen, natürlichen oder industriell gefertigten Stoffen. Diese Gemeinsamkeit mit der Praxis, prestigearme, vorgefertigte Baustoffe in der Architektur zu verwenden, wird zur Anwendung des Begriffs der ʺarmen Materialienʺ im architektonischen Zusammenhang geführt haben. Wie bereits Martin Tschanz bemerkte, kann der Begriff in einer Zeit, in der edle Hölzer oder Natursteine aus Entwicklungsländern kostengünstig bezogen werden können, nicht einfach mit ʺbilligenʺ Materialien gleichgesetzt werden.1506 Ausschlaggebend sind die Tradition ihrer architektonischen Verwendung und die damit verbundene Bewertung der Werkstoffe. Materialien, die bisher für ʺniedereʺ, dienende Funktionen wie Dämmung oder Abdichtung oder die unsichtbar verbaut wurden, können als ʺarmen Materialienʺ gelten. Einige zeitgenössische Architekten verliehen diesen Werkstoffen eine neue Präsenz, indem sie sie sichtbar oder betont an Fassaden einsetzten und ihnen eine neue ästhetische Qualität zuwiesen. Beispiele für ʺarme Materialienʺ können zudem Baustoffe sein, die für untergeordnete Baugattungen wie Hütten, Baracken (z. B. Wellpappe, Blech) oder Parkhäuser (z. B. Glasprofile) verwendet wurden.

1501 Tschanz 1995, 88f. 1502 Rüegg 19981, 5. 1503 Literatur zur Arte Povera: Nike Betzer: Arte Povera – Zwischen Erinnerung und Ereignis – Giulio Paolini – Michelangelo Pistoletto – Jannis Kounellis, Nürnberg 2000; Ines Goldbach: Wege aus der Arte Povera – Jannis Kounellis im Kontext internationaler Kunstentwicklung (Diss. Frankfurt 2008), Berlin 2010; Germano Celant: Arte Povera – History and Stories, Mailand 2011. 1504 Bätzner 2000, 23. 1505 Bätzner 2000, 23f. 1506 Tschanz 1995, 89. 256

Gigon/Guyer gehören zum Kreis der Architekten, die solchen geschmähten Baustoffen eine neue Rolle im baulichen Zusammenhang gaben. Dämmmatten hinter milchigen Glasfeldern (Kirchner Museum), präfabrizierte Glaspaneele und durchschimmernde Isolationskassetten (Erweiterung Winterthur), Industriestahlplatten und Falzbleche (Museumspark Kalkriese) sind Materialien, die bisher nicht an Museen zu sehen waren. Mike Guyer führte in einem Interview 1995 aus, dass ein „niedriger kodiertes Material durch größere Flächenanwendung […], Freibelassung oder Spezialbehandlung zu einer neuen visuellen Bedeutung“1507 kommen könne. Durch eine ungewohnte Verwendung könne ein gewöhnliches Material eine unerwartete visuelle und gestalterische Qualität erhalten. Annette Gigon bemerkte:

„Dinge, Materialien, Stoffe zu sehen, wieder zu sehen, zu beobachten, zu betasten […] ist eine Art, mit der Umwelt in Beziehung zu treten. Es sind Dinge, die in positiver oder auch in negativer Erinnerung geblieben sind, die diese Annäherung herausfordern. Die Anwendung allgemein negativ beurteilter Dinge wirkt vielleicht provokativ, vielleicht versöhnlich. Interessant ist aber, dass es dort, wo die Materialität der Umwelt disparat ist und Städtebau auseinanderbricht, vermehrt Möglichkeiten gibt, Neues zu schaffen.“1508

Wie Annette Gigon feststellte, kann sich der Betrachter während der Konfrontation mit einem Material einer emotionalen, assoziativen Begegnung nicht entziehen. Eine ungewohnte Materialverwendung ermöglicht eine besonders intensive Auseinandersetzung mit dem gebauten Werk, indem der Betrachter seine bisherigen Materialbewertungen hinterfragen muss. Gerade in der unüblichen Verwendung eines Materials liegt die Möglichkeit, neue und überraschende Ergebnisse zu erreichen. Dennoch verwandten Gigon/Guyer ʺarmeʺ Baustoffe nicht um ihrer selbst willen, als Provokation oder als reines Material-Zitat. Mike Guyer hielt fest, dass die Materialien in ihren Arbeiten „nicht alleiniger Ausgangspunkt von allem“1509 seien, sondern dass sich die Materialisierung eines Entwurfs immer aus der spezifischen Bauaufgabe heraus entwickle und somit „jedes Element primär […] seine Funktion“1510 habe. Die wahre Kunst sei es, ein ʺarmes Materialʺ in seiner Funktion zu verwenden und damit ein gestalterisch qualitätvolles Ergebnis zu erzielen.1511

Die Bewertung von Werkstoffen als ʺkostbarʺ oder ʺgewöhnlichʺ und die Aufstellung von Hierarchien haben eine lange Tradition in der Kunst- und Architekturgeschichte. Die

1507 Bräm 1995, 54. 1508 Bräm 1995, 53. 1509 Bräm 1995,49. 1510 Bräm 1995, 54. 1511 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 257

Bewertung des Werkstoffs Gold oder der Umgang mit Spolien sind bekannte Beispiele für Materialbedeutungen.1512 ʺNiedereʺ Materialien wurden seit jeher in der Architektur verwandt. Beispiele sind Lehm, Stroh oder Schutt als Bau- oder Füllmaterial in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bauwerken, im sakralen und profanen Bereich. Die lediglich dienenden Werkstoffe wurden, wie heute noch üblich, hinter Verputz oder Mauerschalen versteckt. Auch für die Verwendung vorgefertigter Elemente kann kein Anfangszeitpunkt gefunden werden. Zu haarspalterisch ist die Frage, ob in Form gehauene Werksteine oder Holzbalken bereits als präfabrizierte Baumaterialien gelten können. Frühe Beispiele sind die Entwürfe für ephemere Festarchitekturen (1515/16) von Leonardo da Vinci oder die zeitlich und regional weit verbreitete Praxis, vorgefertigte Holzhütten zu verwenden.1513 Fundierte Literatur gibt es zur Entwicklung der Präfabrikation, wobei der Schwerpunkt auf Haus- und Wohnungsbau gelegt wurde.1514 Die Verwendung präfabrizierter Elemente interessierte Architekten vor allem im Zusammenhang mit der Erstellung von kostengünstigen Behausungen. Das Militärwesen (transportable Baracken und Lazarette, ab 2. H. 19. Jh.) und die Besiedelung von Kolonien (ab Beginn 19. Jh.) waren erste Anwendungsbereiche für präfabrizierte Bauten aus Holz oder Wellblech.1515 Um die Jahrhundertwende entstanden zerlegbare Holzhäuser für Überseekolonien, kostengünstige Landhäuser in volkstümlichem Blockhausstil („Schweizerhäuser“1516) und typisierter Familienhausbau aus Beton oder standardisierten Betonplatten.1517 Im weiteren Verlauf verband sich das Bauen mit präfabrizierten Materialien mit Fortschrittsgedanken und utopischen Architekturvisionen. Walter Gropius, Peter Behrens, Le Corbusier und Jean Prouvé waren fasziniert von der Vorstellung, dass die Industrialisierung das Bauen revolutionieren und soziale Probleme mindern könne. Gropius hoffte 1910, dass man „eines Tages […] alle Teile eines Hauses in der Fabrik herstellen könne“1518. Behrens bemerkte in seiner Schrift „Vom sparsamen Bauen“ (1918), die „Industrialisierung der Bauteile muss noch weitgehender und großzügiger in Angriff genommen werden“ um „die gewaltige Frage der

1512 Die bereits zitierte Habilitationsschrift von Raff 1994 untersucht die vernachlässigte „Materialikonologie“. Zur inhaltlichen Bewertung architektonischer Motive s. auch: Günter Bandmann: Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, Berlin 1998 (1. Aufl. 1951). 1513 Carlo Pedretti: Léonard de Vinci – Architecte, Paris 1983, Abb. 373-376; Kurt Junghanns: Das Haus für Alle – Zur Geschichte der Vorfertigung in Deutschland, Berlin 1994, 10ff. 1514 Literatur zur Präfabrikation: Alfred Bruce/Harold Sandbank: A History of Prefabrication, New York 19453 (1. Aufl. 1943); Ralph Barton White: Prefabrication – A history of its development in Great Britain (National Building Studies – Special Report 36), London 1965; Junghanns 1994; Martin Tschanz: Entwerfen mit Industrieprodukten – Pathos und Pragmatismus, in: Archithese 5 (1993) 32-45. 1515 Junghanns 1994, 11f., 13f. 1516Zahlreiche Beispiele mit Abbildungen s. Junghanns 1994, 28ff., 146ff. 1517 Zahlreiche Beispiele mit Abbildungen s. Junghanns 1994, 31, 58ff., 107ff., 127. 1518 Junghanns 1994, 65, 66. 258

Kleinwohnungsgestaltung […] mit Erfolg zu lösen“.1519 Le Corbusier widmete in „Vers une architecture“ (1922) ein Kapitel Häusern im Serienbau und schwärmte von der industriellen Fertigung von Häusern wie „Wohnmaschinen“, die „in drei Tagen fertig sind“.1520 In den USA entwarf Richard Buckminster Fuller das aus vorfabrizierten Teilen bestehende demontierbare Dymaxion House (1927).1521 Präfabrizierte Materialien und die Industrialisierung des Bauprozesses waren für diese Generation von Architekten in erster Linie ein Mittel zur Effizienzsteigerung. Ein ästhetischer Wert wurde den vorgefertigten Teilen noch nicht zugestanden. Eine Ausnahme war die Entwicklung der Verwendung von Sichtbeton, der in seiner Frühzeit als ʺarmes Materialʺ galt und mit der Zeit an ästhetischer Wertschätzung gewann (vgl. Kapitel B. II. 1.). Erste Ansätze, bis dahin im Gebäude versteckte Funktionen und die damit verbundenen Materialien am Außenbau zur Schau zu stellen, finden sich beim Centre Pompidou, an dem Lüftungsrohre und stählerne Zuganker die Haupt- und Nebenfassaden akzentuieren.1522 Die Schauseite wird zudem von der transparenten Kunststoffröhre der Rolltreppe überspannt. Wie in Kapitel B. I. 1. aufgezeigt, ist ab dem Ende der 60er Jahre eine schrittweise Aufwertung von Industriearchitektur als Ausstellungskontext feststellbar. Wie das Centre Pompidou belegt, führte diese Entwicklung zur Verwendung von Industriearchitektur- Motiven an Museen. Es liegt nahe, dass die Verwendung ʺarmer Materialienʺ durch den Trend zu Industriearchitektur-Motiven gefördert wurde. Die Industrialisierung der Materialpalette und eine damit verbundene Profanisierung der Betrachterassoziationen führte Rem Koolhaas an seiner Kunsthal Rotterdam weiter. Wellplatten aus Kunststoff, Neonröhren, vorgefertigte Glasprofile und sichtbar belassenes Isoliermaterial an den Fassaden sind Beispiele für gewöhnliche Materialien, die Koolhaas als erster provokant und offensichtlich an einem Museum in Szene gesetzt hat.1523 Prestigearme Materialien benutzte in Teilen auch Steven Holl im Cranbrook Institute of Science (1993-98) in Bloomfield Hills/Michigan und das Architektenduo Jeremy Dixon und Edward Jones für die Erweiterung der National Portrait Gallery (2000) in London. Holl verkleidete einen Teil der Lobbywände seines Wissenschaftsmuseums mit gelochten und rot

1519 Junghanns 1994, 65. 1520 Le Corbusier: Ausblick auf eine Architektur (Bauwelt Fundamente 2), Gütersloh 1969 (1. Aufl. 1922, Originaltitel „Vers une architecture“), 170, 179. 1521 Bruce/Sandbank 1945, 20f., 27; Kultermann 2003, 82. 1522 Desmoulins 2005, 9. 1523 Bart Lootsma: Rem Koolhaas – Der Wandfrust, in: Daidalos – Magie der Werkstoffe 2 [Sondernummer] (1995) 74-83, 77f.; Montaner 1995, 100, 101, 104; Naredi-Rainer 2004, 163. 259 gestrichenen Sperrholzplatten.1524 Dixon und Jones statteten die Ausstellungsräume des Erweiterungsbaus der National Portrait Gallery mit Wandbespannungen aus grauem Stoff aus, der sonst für Mäntel der britischen Armee verwendet wird.1525 Shigeru Ban entwarf für das Papiermuseum in Shizuoka/Japan (2000-02) einen transluzenten Bau, dessen Stahlrahmenkonstruktion mit opaken, glasfaserverstärkten Plastikpaneelen verkleidet ist.1526 Das Ergebnis erinnert an Glasarchitektur und verheimlicht so, dass das einerseits geschmähte, andererseits hochmoderne Material Kunststoff dazu verwandt wurde, um „eine zeitgemäße Interpretation traditioneller japanischer Räume zu schaffen“1527. Im Gegensatz zu Koolhaas` provokanter Materialverwendung wertete Ban den Kunststoff zu einem High-Tech Baustoff auf, der es mit der Ästhetik von Glas aufnehmen kann. Eine plakative, an Koolhaas angelehnte Materialisierung findet sich im bereits aufgeführten Anbau des Groeningemuseum/Brügge, in dem weiß gekachelte Böden und Plastikvorhänge zwischen den Ausstellungsräumen ʺmuseumsferneʺ Assoziationen an Kühlräume wecken.1528 Seinem Interesse für transportable und ephemere Architektur entsprechend, entwarf Shigeru Ban 2005 eine aus Schiffscontainern und Pappe bestehende temporäre Galerie für die Werkschau eines Fotografen, die u.a. in New York aufgestellt war.1529 Das „Nomadic Museum“ bestand aus einer riesigen Halle, deren Außenwände durch aufeinandergestapelte Container gebildet wurden. Das Planendach stützten Papppfeiler. Die Verwendung ʺarmer Materialienʺ gipfelte in einer Unterteilung des Innenraums durch Vorhänge, die aus gebrauchten Teebeuteln gefertigt wurden.1530 Am Beispiel des nomadischen Museums wird deutlich, dass die ʺarmen Materialienʺ auch in das Thema des Materialrecyclings hineinreicht, das in wissenschaftlichen Untersuchungen bisher ebenfalls kaum beachtet wurde. Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass verschiedene Intentionen zum Einsatz von ʺarmen Materialienʺ innerhalb der Museumsarchitektur führten. Wertfrei, funktionalitäts- und technikorientiert erscheint Renzo Pianos Materialwahl für das Centre Pompidou, das bisher

1524 Riera Ojeda/Pasnik 2008, 23. 1525 Mcguire 2000, 83. 1526 Zeiger 2006, 112. 1527 Zeiger 2006, 108. 1528 Bodammer 2004, 26. 1529 Die ephemere Galerie entstand in Zusammenarbeit mit dem Architekten Dean Maltz. Sie wurde für einige Monate in New York auf einem Hafenpier im Stadtteil Chelsea und später in Santa Monica/Kalifornien auf einem Parkplatz am Meer aufgestellt. Die weiteren Stationen sollten Tokyo, Peking und Abu Dhabi sein. Literatur: Fred Bernstein: Auf großer Fahrt – Bianimale Nomadic Museum New York, in: Deutsche Bauzeitung 11 (2005) 28-32, 28, 30, 31; A.A.: Musée nomade – New York et Santa Monica – États Unis, in: L`Architecture d`Aujourd`hui 367 (2006) 98-101, 99, 101. 1530 Bernstein 2005, 32. 260 versteckte Funktionen auf die Fassadenflächen kehrte. Provokativ und plakativ wirkt der Einsatz von ʺniederenʺ Baustoffen bei Rem Koolhaas an der Kunsthal Rotterdam, die in Verbindung mit entfremdenden Motiven (schief gestellte Stützen) oder gegensätzlichen, klassischen Motiven (Natursteinfassaden) den Betrachter irritieren. Ähnlich kann die Materialität des Anbaus in Brügge des Architektenbüros 51N4E bewertet werden. Eine ʺleisereʺ Verwendung ʺarmer Materialienʺ zeigen Gigon/Guyer und Steven Holl. Bei ihren Werken behalten die präfabrizierten Werkstoffe ihre ursprüngliche Funktion und sind gestalterisch sorgfältig in das Gesamtkonzept eingebunden. Die ʺniedereʺ Herkunft der kostengünstigen Stoffe wird durch die sorgfältige Verarbeitung aufgehoben. Die unkonventionelle, aber produktgerechte Verwendung legt dabei das gestalterische Potential der ʺniederenʺ Werkstoffe frei. Gemein ist Gigon/Guyer und Holl dabei, dass sie betonen, keine reine ʺMaterialpoesieʺ zu betreiben, sondern dass die Materialisierung immer aus den Anforderungen des Entwurfs entstehe.1531

5. Den Gesamtbau umfassende Materialkonzepte

Ein Leitgedanke von Gigon/Guyer für das Kirchner Museum in Davos war die Verwendung von Glas in unterschiedlichen Bearbeitungsformen und damit erinnernd an "unterschiedliche Aggregatszustände"1532 von Wasser im alpinen Ort Davos.1533 Je nach Bauteil und Funktion wurden am Außenbau Klarglas, mattiertes Glas oder Glaskies verwendet. Auch im Inneren prägt Glas (gläserne Staubdecken der Oberlichtkonstruktion) die Ausstellungsräume. Mit dem Material assoziierten die Architekten nach Annette Gigon die kristallinen Utopien Bruno Tauts in dessen „Alpinen Architekturen“ und den Glaspalast von Paxton.1534 Der Standort des Kirchner Museums im Ort Davos legt die Einbeziehung dieser Materialkonnotation nahe. Zudem interessierte die Architekten die „Grammatik der Materialien“1535, d. h. ein Experimentieren mit den konstruktiven und gestalterischen

1531 Bräm 1995, 54; Lynette Widder: Steven Holl – Schule der Wahrnehmung, in: Daidalos – Magie der Werkstoffe 2 [Sondernummer] (1995) 64-73, 64. 1532 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1533 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009 und 21. Oktober 2013. 1534 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009 und 21. Oktober 2013. Zum Motiv des Kristallinen in der Architektur s.: Regine Prange: Das Kristalline als Kunstsymbol – Bruno Taut und Paul Klee – Zur Reflexion des Abstrakten in Kunst und Kunsttheorie der Moderne (Diss. Berlin 1990 – Studien zur Kunstgeschichte 63), Hildesheim 1991; Bärbel Manitz: Expressionistische Verklärung des Kristalls. Internetpublikation auf der Homepage der Ausstellung „Ecken und Kanten“ des Kieler Stadtmuseums Warleberger Hof (03.03.bis 7. April 2002): http://www.ifg.uni-kiel.de/eckenundkanten/bm-01_de.html [Stand 3. März 2013]. 1535 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 261

Möglichkeiten sowie den Erscheinungsformen des Materials Glas. Als lichtdurchlässiger Werkstoff erschien ihnen Glas als „museales Material par excellence“1536. Auch bei der Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur und der SOR bestanden „individuelle, in sich schlüssige entwerferische Materialkonzepte“1537. Im Zusammenhang mit dem Kostendruck des Provisoriums in Winterthur entwickelte sich die Idee eines „Zweiklangs aus Stahl und Glas“1538 als Konnotation industrieller Bauweise. Der Beton des Baukörpers der Erweiterung der SOR erhielt als Zuschlagstoffe Materialkomponenten des Altbaus: Kalk und Kupfer.1539 Den Bauten des Museumsbaus Kalkriese liegt ebenfalls ein Materialkonzept zugrunde. Der Kriegsschauplatz der Varusschlacht, die Tragik des Soldatentods sowie die Geschichtlichkeit dieser kriegerischen Auseinandersetzung sollten vorstellbar gemacht werden. Der Werkstoff Stahl sollte dabei assoziativ der Seite der Römer zugeordnet werden und als materielles Synonym für Waffen und Kriegshandwerk dienen.1540 Der Rost des wetterfesten Stahls bezieht eine zeitliche Komponente in das Materialkonzept mit ein. Die weniger technisierte Kultur der Germanen bekam Holz (Holzschnitzelpfade) als organisches Material zugeordnet.1541 Aufgrund der lückenhaften Forschung zum Thema Materialkonzepte ist es schwer, ausreichend Beispiele zu finden. Zwar behandelte Thomas Raff 1994 die ideelle Bewertung einzelner Materialien, auf architektonische Werkstoffe ging er jedoch kaum ein.1542 Im Folgenden sollen daher die wenigen zugänglichen Beispiele aufgeführt und auf mögliche Verbindungen zu den Museen von Gigon/Guyer hingewiesen werden. Bereits mehrfach erwähnt wurde Bruno Tauts Glaspavillon, an dem der Werkstoff Glas in unterschiedlichen Formen – als kristallin strukturierte oder eingefärbte, kleinteilige Glasplättchen, flächige Scheiben, Glasbausteine oder gläserne Bodenfliesen – verbaut wurde. Belegt ist, dass der Pavillon eine Reminiszenz an das Gesamtkunstwerk gotischer Kathedralräume sein sollte.1543

1536 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1537 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013 1538 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1539 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1540 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009; Literatur zur Ikonografie von Eisen als ʺMaterial des Kriegesʺ vgl.: Raff 1994, 55. 1541 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1542 Raff 1994 beschäftigt sich überwiegend mit Materialien der bildenden Kunst, des Kunsthandwerks und teilweise der Architektur (z.B. Spolien). Sein Untersuchungszeitraum geht bis auf wenige Verweise vom Mittelalter bis ins 19. Jh. 1543 Prange 1991, 72-75; Thiekötter 1993, 28, 32, 38, 43-47, 46. 262

Für das Reuchlinhaus (1957-61, Pforzheim) dokumentierte Hannelore Schubert die Absicht des Architekten Manfred Lehmbruck, den kostbaren Inhalt des Schmuckmuseums durch eine Fassadenverkleidung aus Glas- und Metallplatten zu repräsentieren [Abb. 251].1544 Das Element Wasser wollte der Architekt Toyo Ito am Shimosuwa Museum (1993, Nagano/Japan) verbildlichen.1545 Der direkt am Suwa-See gelegene bogenförmige Baukörper erhielt eine silbrig schimmernde Gebäudehülle aus Aluminiumblechen. Reflektionen des Wassers und Himmels sowie wellenartig gelegte Verkleidungsplatten führen zum Eindruck einer flüssigen Gebäudehaut. Im Inneren nehmen sanft gewölbte Holzdecken das Bild von Wellen auf, mattiertes Glas erinnert an gefrorenes Wasser, und im Foyer lässt eine in den Boden getiefte Wasserfläche die Grenzen von Innen und Außen verschwimmen.1546 Für das erwähnte naturhistorische Museum Cranbrook Institute of Science (1993-98) verwendete Steven Holl sieben verschiedene Glasarten. Die Lichtbrechung der Gläser lässt im Gebäudeinnern Lichteffekte entstehen, die dem Besucher die Brechung des Lichts in seine Spektralfarben in regenbogenfarbenen Reflexionen wie in einem „Lichtlabor“1547 vor Augen führen.1548 Die Zusammenstellung von Bauten, deren Werkstoffauswahl einem Konzept unterliegt, ist nur ein Versuch, den Materialkonzepten von Gigon/Guyer Beispiele an die Seite zu stellen. Bruno Tauts Glasarchitektur war – wie im persönlichen Gespräch mit Annette Gigon geklärt – eines der Vorbilder für das Davoser Werkstoffkonzept.1549 Bemerkt werden muss, das Tauts utopische Ideen nicht auf die Architektur von Gigon/Guyer übertragen werden können. Denkbar ist die Parallele, dass für den Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner ein Museum geschaffen werden sollte, in dem die Geisteswelt eines Zeitgenossen architektonisch anklingen sollte.

1544 Schubert 1986, 57. 1545 Donzel 1998, 86-93. 1546 Donzel 1998, 87, 89, 90, 91. 1547 Architekturzentrum Wien 2002, 28. 1548 Architekturzentrum Wien 2002, 24-33; Frampton 20021, 258-275; Riera Ojeda/Pasnik 2008, 189ff.; Internetseite http://www.stevenholl.com/project-detail.php?type=museums&id=20 [Stand 3. März 2013]. 1549 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009 und 21. Oktober 2013. 263

III. Inhaltliche und funktionale Aspekte

1. Monographisches Museum

Monographische Museen sind im engeren Sinne Museen, die dem Wirken einer Person, im vorliegenden Falle dem Leben und Werk eines Künstlers, selten einer Künstlergruppe, gewidmet sind. In eine weiter gefasste Definition können auch Museen einbezogen werden, die sich mit einem eng umgrenzten Thema beschäftigen, beispielsweise einem historischen Objekt oder einem Naturschauspiel.1550 Die Abgrenzung zum Spezialmuseum ist fließend. In der Literatur wird der Begriff des monographischen Museums nicht präzise definiert und uneinheitlich gebraucht.1551 In der vorliegenden Untersuchung soll die selbst gewählte Definition verwandt werden, die nur Museen umfasst, die das Leben und Wirken einer Person bzw. eng verbundener Personen thematisieren. Monographische Museen können unterteilt werden in Institutionen, die in ehemaligen Wirkungsstätten, Ateliers, Wohn- oder Geburtshäusern untergebracht sind, und Museumsneubauten, die für den genannten Zweck errichtet wurden. Zumeist entstehen solche Neubauten an Orten, die eine Verbindung zum ausgestellten Künstler haben. Es gibt jedoch Ausnahmefälle, an denen monographische Sammlungen in Städten gezeigt werden, die nur wenig mit dem Kunstschaffenden zu tun haben. Ein Spezialfall sind monographische Museen, die das Grab des Künstlers beherbergen (Thorvaldsenmuseum/Kopenhagen, Dali Museum/Figueres, Rodin Museum in der Villa des Brillants/Meudon bei Paris). Gigon/Guyer realisierten zwei monographische Museen. Das Kirchner Museum in Davos ist ein Neubau zur Ausstellung der umfassendsten Sammlung von Werken Ernst Ludwig Kirchners an dem Ort, an dem er die letzten Jahre seines Lebens verbrachte und verstarb. Die Architektur des Museums hat keine formalen Bezüge zu Kirchners Oeuvre, sie dient als neutrale Hülle für die ausgestellten Werke. Die Ausstellungsräume sind moderne Adaptionen klassischer Galerieräume. Eine Rekonstruktion der Innenräume der Chalets, die Kirchner in Davos als Wohn- und Atelierhäuser genutzt hatte, wurde vermieden.1552

1550 Beispiele hierfür sind das Vasa Museum (1987-1990, Göran Månsson, Marianne Dalbäck) in Stockholm, das Gletscher Museum (1988-91, Sverre Fehn) bei Balestrand/Norwegen oder das Vitra Design Museum (1987, Frank Gehry) in Weil am Rhein. Marianne Dalbäck/Göran Månsson/Bengt Johansson u.a.: Vasamuseet Stockholm, in: Arkitektur 8 (1990) 4-35; Montaner 1995, 184-189; Christian Norberg-Schulz/Gennaro Postiglione: Sverre Fehn – Opera Completa, Mailand 1997, 205-215. 1551 Vgl. hierzu Montaner 1995, 152-189, der den Begriff ʺmonographisches Museumʺ auch für das Vitra Design Museum (1987) verwendet. 1552 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 264

Auch dem Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, liegt die Idee der Neutralität zugrunde. Der Außenbau lässt keine Rückschlüsse auf seine Funktion als monographisches Museum für das Werk des Illustrators und Malers Carl August Liner und seines Sohns Carl Walter Liner zu. Konzept war, dass ein neutraler Bau Ausstellungen über andere Künstler ermöglichen sollte.1553 Wie in Kapitel A. 4. 4. e) bemerkt, sollen die überlappenden Platten der Außenhaut an die Holzschindelfassaden Appenzeller Bauernhäuser erinnern. Die Ausrichtung auf einen Künstler war kein Ordnungsprinzip der frühen Museen. Studiert man die Literatur zur Entwicklung des Sammlungswesens und den Museen des 18. und beginnenden 19. Jh.s, so kann festgestellt werden, dass es zunächst keine monographischen Sammlungen gab. An den Fürstenhöfen wurden kostbare Gegenstände nach Materialien geordnet gesammelt (Kunst- und Wunderkammer Schloss Ambras, um 1560-70, Innsbruck).1554 Die ab dem frühen 17. Jh. aufkommende Bewertung von Kunst als innerhalb einer Sammlung besonders hervorzuhebendes Gut führte zu einer Unterteilungen nach Disziplinen. Der Entwurf einer idealen Galerie von Leonhard Christoph Sturm aus dem Jahr 1704 zeigt erste Tendenzen einer Spezialisierung. Sturm trennte die Räume für Gemälde, Skulpturen und naturgeschichtliche Objekte.1555 Im 19. Jh. schritt die Spezialisierung der Museen fort, die sich in den Gründungen der ersten National- und Naturkundemuseen spiegelt.1556 Kunstsammlungen ordnete man nach regionalen Schulen und in chronologischer Reihenfolge. Selten ist dokumentiert, dass einzelne Künstler hervorgehoben wurden und für sie ein spezieller architektonischer Rahmen geschaffen wurde: In der Düsseldorfer Galerie (Eröffnung 1710) folgte auf Räume mit flämischen und italienischen Meistern als Höhepunkt des Rundgangs ein Saal ausschließlich für Werke von Rubens.1557 Die Nobilitierung eines einzelnen Künstlers innerhalb einer Sammlung war ein wichtiger Ausgangspunkt der Gattung der monographischen Museen. Ein weit verbreiteter Anstoß zur Gründung eines monographischen Museums war das Vorhandensein eines Geburts- oder Wohnhauses eines Künstlers, das sich für die Einrichtung eines Gedenkortes mit einer Ausstellung zum Leben und Werk anbot. Ein frühes Beispiel ist das „Dürer-Haus“ (2. Viertel des 15. Jh.s) in Nürnberg, in dem Albrecht Dürer (1471-1528)

1553 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1554 Sheehan 2002, 39; Gabriele Beßler: Wunderkammern – Weltmodelle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegenwart, Berlin 2012 (1. Aufl. 2009). 1555 Pevsner 1976, 114; Seling 1954, 47f. 1556 Als Beispiel für die fortschreitende Spezialisierung der Sammlungen und der Institutionen kann die Gründungswelle der Kulturhistorischen- und Nationalmuseen im 19. Jh. dienen, u.a. das Britische Museum (1823-47, Sir Robert Smirke) in London. Pevsner 1976, 127, 130f. 1557 Sheehan 2002, 56f. 265 von 1509 bis 1528 gelebt und gearbeitet haben soll. Die Stadt Nürnberg erwarb das Haus im Jahr 1825 vor dem Hintergrund der aufkommenden Dürerverehrung und ließ darin ein Gedenkzimmer einrichten.1558 Ab 1871 wurde es als Museum betrieben. Eduard Hüttinger bemerkt, dass die im 19. Jh. einsetzende Verehrung einzelner Künstler und die damit verbundene Einrichtung von Museumshäusern nationalistische Färbungen hatte, die nicht nur in Deutschland mit Dürer, sondern auch in Spanien mit El Greco (s. unten) zu finden sind.1559 Hinzugefügt werden kann, dass die Einrichtung eines Museums für einen überregional bewunderten ʺSohn der Stadtʺ auch ein Alleinstellungsmerkmal war, das Aufmerksamkeit und Besucher garantierte. Das vielleicht früheste, als Neubau errichtete Museum für einen einzelnen Künstler war die Antonio Canova (1757-1822) gewidmete Gipsoteca in Possagno/Venetien.1560 Nur wenige Jahre nach Canovas Tod, 1834-36, ließ sein Halbbruder und Erbe Giambattista Sartori das Geburtshaus des Künstlers zu einem Museum ausbauen und im Garten die Gipsoteca erstellen.1561 Aus Sorge vor einer zu aufwendigen Hülle konzipierte der Architekt Francesco Lazzari die Galerie als Rechteckraum mit klassizistischem Dekor, der dem Stil der ausgestellten Werke entsprechen sollte.1562 Die Gipsoteca ist das erste Beispiel eines monographischen Ausstellungsbaus, dessen Architektur in Hinblick auf die ausgestellten Arbeiten entworfen wurde. Der jüngere Zeitgenosse Canovas, Bertel Thorvaldsen (1770-1844), bemühte sich bereits zu Lebzeiten zusammen mit dem Architekten Gottlieb Bindesbøll um ein posthumes Museum.1563 Thorvaldsen stiftete seine Werke und seine Antikensammlung seiner Geburtsstadt Kopenhagen. In einer ehemaligen Remise unweit des königlichen Schlosses Christansborg wurde ihm zu Ehren das Thorvaldsen Museum (1839-48) eingerichtet, welches in seinem Innenhof das Grab des Künstlers beherbergt. Der französische Symbolist Gustave Moreau (1826-98) entschied ebenfalls zu Lebzeiten, im Jahr 1895, seine Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er wählte

1558 Eduard Hüttinger: Künstler-Häuser von der Renaissance bis zur Gegenwart, Zürich 1985, 23; Matthias Mende: Museum Albrecht-Dürer-Haus Nürnberg (Große Kunstführer 158), München 1989; Claus Giersch/Robert Giersch: Das Dürer-Haus – Ergebnisse der archivalischen Untersuchungen und der Bauforschung, in: Ulrich Großmann/Franz Sonnenberger (Hrsg.): Das Dürer-Haus – Neue Ergebnisse der Forschung (Dürer-Forschungen 1), Nürnberg 2007, 61-80; Ulrich Klein: Zur Forschungsgeschichte des Dürer- Hauses, in: Ulrich Großmann/Franz Sonnenberger (Hrsg.): Das Dürer-Haus – Neue Ergebnisse der Forschung (Dürer-Forschungen 1), Nürnberg 2007, 99-120, 101, 103. 1559 Hüttinger 1985, 23. 1560 Fred Licht: Canova, New York 1983, 268-270; Hüttinger 1985, 23; Manlio Brusatin: Canova – Gypsotheca, Mailand 1987; Newhouse 1998, 75. 1561 Licht 1983, 268. 1562 Newhouse 1998, 75. 1563 Balslev Jørgensen 1972, 198-205; Kat. Thorvaldsen-Museum 1985, 5-12; Newhouse 1998, 76. 266 die als Atelierräume ausgebauten zwei Obergeschosse seines Wohnhauses in der Rue de La Rochefoucauld in Paris. 1903, drei Jahre nach seinem Tod, wurde das Ateliermuseum eröffnet.1564 Wie bereits erwähnt, kommemoriert auch die spanische Stadt Toledo ihren berühmten Maler El Greco (1541-1614) durch eine Casa del Greco (Museum eröffnet 1910).1565 Da der Palacio del Marqués de Villena, in dem El Greco seine letzten Lebensjahre verbrachte, zerstört war, rekonstruierte man anhand von Stadtansichten des Künstlers den Standort des Palastes und baute ihn als „pittoreskes Ensemble an der ungefähren Örtlichkeit“1566 wieder auf. Das erste monographische Museum der Schweiz, ein eigens errichteter Neubau, ist das Segantini-Museum (1907-09) in St. Moritz.1567 1907, acht Jahre nach Giovanni Segantinis (1858-99) Ableben, sollen ein Freund Segantinis und sein Mailänder Kunsthändler den Plan gefasst haben, ihm ein Museum zu errichten. Geplant waren die Schaffung eines Denkmal- Ortes, eine Ausrichtung des Baus nach Osten in Richtung der Berghütte, in der Segantini starb, und Anklänge an den Entwurf eines Weltausstellungspavillons aus der Hand des Künstlers. Der Architekt Nicolaus Hartmann schuf einen kleinen überkuppelten Rotundenbau aus heimischem Bruchstein mit steingedecktem Dach, der sich in die Bautradition der Region einfügt. Neubauten monographischer Museen blieben bis in die 2. H. des 20. Jh.s selten. Es entstanden zunächst meist Museen in ehemaligen Wohnhäusern, wie das 1919 eröffneten Musée Rodin im Hôtel Biron/Paris (1728-30, Jacques Gabriel, Jean Aubert) und das durch die Stadt Antwerpen 1937 angekaufte und 1946 als Museum eröffnete „Rubenshaus“ (16. Jh., Umbauten für Rubens um 1611-18/20) in Antwerpen.1568 Zu ihm ist dokumentiert, dass Verehrer bereits zu Rubens` Lebzeiten das Haus besichtigen wollten.1569 In der Nachkriegszeit etablierte sich die Gattung der monographischen Museen. 1959- 64 entstand das Wilhelm-Lehmbruck-Museum (Duisburg, Manfred Lehmbruck), das vom Sohn des Künstlers als ein Bau mit abwechslungsreicher Lichtführung und plastisch

1564 Kunsthaus Zürich: Gustave Moreau – Symboliste (Kat. Kunsthaus Zürich), Zürich 1986, 39; Newhouse 1998, 76f. 1565 Hüttinger 1985, 24; Maria Elena Gómez Moreno: Casa-Museo de El Greco en Toledo, in: Carlos J. Taranilla de la Varga (Hrsg.): Museos de España, Madrid 2006, 305-368, 305. 1566 Hüttinger 1985, 24. 1567 Dora Lardelli: Das Segantini Museum in St. Moritz (Schweizerische Kunstführer), Bern 1990, 3; Dora Lardelli: Das Segantini Museum in St. Moritz – Ausstellungsbau – Gedenkstätte – Panoramapavillon, in: Giovanni Segantini (Kat. Kunsthaus Zürich), Zürich 1990, 213-223; Casutt 1998, 105, Abb. 24. 1568 Hüttinger 1985, 139-150, 139, 140; Hans-Peter Schwarz: Künstlerhäuser – Eine Architekturgeschichte des Privaten, Braunschweig 1989, 48-51; Monique Laurent: Führer des Rodin Museums – Hôtel Biron, Paris 1992, 5f., 7; Newhouse 1998, 74. 1569 Kristin Lohse Belkin/Fiona Healy: A House of Art – Rubens as Collector, Antwerpen 2004, 40. 267 empfundenen Betonwänden konzipiert wurde, der das Werk des Vaters gelungen inszeniert.1570 Es folgten das Haus (1962, Werner Kallmorgen) in Hamburg, das einer Künstlergruppe gewidmete Brücke Museum (1966-67, Werner Düttmann) in Berlin und das Van Gogh Museum (1973, Gerrit T. Rietveld) in Amsterdam.1571 Im Museumsboom der 1990er Jahre und mit der zunehmenden Spezialisierung explodierte die Zahl der monographischen Museen, vor allem die Errichtung von Neubauten.1572 Üblich blieb es, die Museen in den Geburts- oder Lebensorten einzurichten, wie es beim Atelier Brancusi (1997, Paris, Renzo Piano), dem Petter Dass Museum (2001-07, Alstahaug/Norwegen, Snøhetta), dem Museum (2004, Brühl, Arge van den Valentyn Architektur, SMO Architektur) oder dem Chopin Museum (2010, Warschau, Migliore + Servetto Architetti Associati) der Fall war.1573 Die Verehrung einzelner Künstler ging so weit, dass monographische Museen an Standorten entstanden, die nichts mit der Vita des Ausgestellten zu tun hatten. Beispielhaft hierfür sind das von der Firma Samsung in Auftrag gegebene Rodin Museum in Seoul/Südkorea (1997-99, Kevin Kennon von Kohn, Pederson & Fox) und zugleich das Musée Rodin (2006, Brasil Arquitetura Studio) in Salvador/Brasilien.1574 Die meisten Künstlermuseen unterscheiden sich formal nicht von anderen Museumsarten. Exempel für unspezifische Häuser sind die Cy Twombly Gallery in Houston/Texas (1995, Renzo Piano), das Jean Tinguely Museum in Basel (1996, Mario Botta [Abb. 261]), der Neubau für das Arp Museum in Remagen (2007, Richard Meier) oder das Franz Marc Museum (2008, Diethelm & Spillmann) in Kochel am See.1575 Alle haben eine eher geringe Größe und passen die Raumformen an die Formate der ausgestellten Objekte an (Tinguely Museum). Nur bei sehr wenigen monographischen Museen tritt die Architektur in Beziehung zum Ausstellungsgut. Bereits erwähnt wurde das frühe Beispiel des Lehmbruck-Museums. Eine gelungene Verbindung zwischen Hülle und Inhalt zeigt auch das Ausstellungshaus La Congiunta (1990-92).1576 Ein Dialog zwischen Architektur und Ausstellungsgut bietet sich vor allem für Skulpturen an, da es in der Natur der Bildhauerkunst liegt, mit dem umgebenden Raum in Beziehung zu treten. Monographische Museen, die Gemälde präsentieren, haben

1570 Klotz/ Krase 1985, 62f.; Schubert 1986, 61-63. 1571 Brawne 1965, 114f.; Schubert 1986, 60, 78f.; Montaner/Oliveras 1987, 16f.; Jan Juffermans: Van gogh- museum te goed voor pyromanen, in: Plan 7 (1973), 50-53, 50. 1572 Paetz 1994, 71. 1573 Newhouse 1998, 94f.; Jodidio 2010, 344-347, 346; Uffelen 2010, 224-227, 332-333. 1574 Trulove 2000, 106-107; Uffelen 2010, 18-19. 1575 Newhouse 1998, 82f., 90-93; Jodidio 2010, 234-237; Uffelen 2010, 266-269. 1576 Naredi-Rainer 2004, 84. 268 eine eigenständige Architektursprache oder folgen dem für Gigon/Guyer geltenden Konzept der neutralen Hülle.

2. ʺMuseum auf Zeitʺ – der ephemere Museumsbau

Mit der Erweiterung des Kunstmuseums Winterthur konzipierten Gigon/Guyer einen Anbau, der aufgrund von Hindernissen im stadtpolitischen Entscheidungsprozess nur für einen begrenzten Zeitraum Bestand haben sollte. Unter ʺtemporärer Architekturʺ werden unterschiedliche Bauaufgaben verstanden. Das Hauptinteresse der bisherigen Literatur lag auf Ausstellungsarchitektur (Weltausstellungen, EXPO usw.), mobilen, experimentellen Wohnbauten und dem Phänomen der „Container- Architektur“, Gebäuden aus Schiffscontainern.1577 Zur Gattung der temporären Architektur gehören auch Architekturen für Messen und Veranstaltungen, Innenarchitektur für Ausstellungen, sogenannte „Pop-Up-Stores“, das sind zeitlich begrenzte Verkaufsräume, und Notunterkünfte in Kriegs- oder Katastrophengebieten.1578 Ephemere Bauten zur Ausstellung von Kunst sind nur eine Unterkategorie temporärer Architektur. Nur ein Aufsatz von Charles Esche beschäftigt sich mit temporären Bauten für Kunst. Dieser beleuchtet nur die Frage, ob sich temporäre Bauten als Gegenentwurf zum Museum als ʺverstaubtes Kunst-Mausoleumʺ entwickelt hätten.1579 Es soll daher ein erster Versuch einer Überschau über die Gattung des ephemeren Museums folgen, der dieses aktuelle Thema vorstellt und charakterisiert.

Der Begriff „ephemer“ meint im Altgriechischen „einen Tag dauernd“. Innerhalb der kunsthistorischen Forschung wird er für Architektur verwandt, die für einen bestimmten Anlass erstellt und anschließend demontiert wurde.1580 Der Terminus „temporär“ geht auf das

1577 John Sjöström: Om provisorier, in: Arkitektur 8 (1975) 2-3; Themenheft: Provisorien – Constructions provisoires – Provisional Architecture, in: Werk, Bauen + Wohnen 6 (1992); Lisbeth Melis: Parasite Paradise – A Manifesto for temporary architecture and flexible urbanism, Rotterdam 2003; Axel Doßmann/Jan Wenzel/Kai Wenzel: Architektur auf Zeit – Baracken – Pavillons – Container, Berlin 2006; Themenheft: Temporaire, in: L`Architecture d`Aujourd`hui 367 (2007); Themenheft: Temporär, in: Deutsche Bauzeitung 9 (2010); Philip Jodidio: Temporary Architecture Now, Köln 2011 [Jodidio 20112]. 1578 Jodidio 20112. 1579 Charles Esche: Tout peut-il être temporaire?, in: L`Architecture d`Aujourd`hui 367 (2006) 92-97. 1580 Typische Beispiele ephemerer Architektur des Barock sind Festarchitekturen, Triumphbögen, Katafalke oder Theaterdekorationen. Vgl. Hans Tintelnot: Barocktheater und Barocke Kunst – Die Entwicklungsgeschichte der Fest- und Theater-Dekoration in ihrem Verhältnis zur Barocken Kunst (Diss. Breslau o.J.), Berlin 1939; Werner Oechslin/Anja Buschow: Festarchitektur – Der Architekt als Inszenierungskünstler, Stuttgart 1984; Magdalena Hawlik-van de Water: Der schöne Tod – Zeremonialstrukturen des Wiener Hofes bei Tod und Begräbnis zwischen 1640 und 1740, Diss. Wien 1989; Liselotte Popelka: Castrum Doloris – oder trauriger Schauplatz – Untersuchungen zu Entstehung und Wesen ephemerer Architektur (Österreichische Akademie der Wissenschaften – Veröffentlichungen der Kommisson für Kunstgeschichte), Wien 1994 . 269 lateinische Wort für „zeitweilig“ oder „vorübergehend“ zurück.1581 Die Begrenzung auf nur einen Tag ist in diesem Begriff nicht enthalten, was ihn für die zu untersuchenden Ausstellungsbauten tauglicher macht. Dennoch hat sich die Bezeichnung „ephemer“ als kunsthistorischer Terminus so etabliert, dass er inhaltsgleich mit „temporär“ verwendet werden kann. Die frühesten Beispiele temporärer Ausstellungsbauten dienten Großausstellungen.1582 Bereits mehrfach erwähnt wurden der im Hyde Park errichtete Glaspalast (1850-51), der nach Abschluss der Weltausstellung in London demontiert und 1854 im Vorort Sydenham wieder aufgebaut wurde.1583 Auch der zur Weltausstellung in Paris 1889 errichtete Eiffelturm war als ephemere Architektur gedacht und sollte nur für zwanzig Jahre stehen. Er ist das prominenteste Beispiel für die Dauerhaftigkeit von Bauten, die zunächst nur temporär geplant waren. Im Verlauf des Kapitels werden weitere Beispiele dieser ʺdauerhaften Provisorienʺ aufgeführt. Die bis heute vorkommende Umnutzung eines ephemeren Gebäudes für einen anderen als den zunächst gedachten Zweck ist schon für das 19. Jh. überliefert: Der als preußischer Beitrag zur Weltausstellung 1867 in Paris geschaffene Maurische Kiosk (Carl von Diebitsch) wurde 1876 von Ludwig II. gekauft und im Park des Schlosses Linderhof/Ettal als Gartenarchitektur wiederaufgebaut.1584 Auf den Großausstellungen des frühen 20. Jh.s wurden die ersten temporären Bauten zur Präsentation von Kunst und Kunstgewerbe erstellt.1585 Für die Ausstellung der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt („Ein Dokument Deutscher Kunst Darmstadt“, 1901) entwarf Joseph Maria Olbrich das Haus für Flächenkunst (1901), das nach Ablauf der Ausstellung abgerissen wurde.1586 Ein weiteres Beispiel ist die Kunsthalle von Peter Behrens für die Landes-, Industrie und Gewerbeausstellung Oldenburg (1905).1587 Beide Beispiele zeigen die für temporäre Architektur typische Tendenz zu auffallenden Formen und Farben. Schon damals wurden ephemere Bauten als Experimentierfelder genutzt. Das Haus für Flächenkunst wurde aufgrund seiner freien Architekturformen von Zeitgenossen heftig kritisiert. Auch Peter Behrens` Kunsthalle hatte den für die Großausstellungen dieser Zeit

1581 Stichwort „temporär“, in: Duden – Fremdwörterbuch, Mannheim 19824, 755. 1582 Vgl. Thomas Schriefers: Für den Abriß gebaut – Anmerkungen zur Geschichte der Weltausstellungen, Hagen 1999, 205-209, 210-212. 1583 Chadwick 1961, 139ff.; Tietz 1998, 7. 1584 Hans Thoma: Schloss Linderhof, München 1967, 26f., Abb. 14; Monika Bachmayer: Schloss Linderhof – Architektur – Interieur und Ambiente einer ʺKöniglichen Villaʺ, Diss. München 1977. 1585 Annette Ciré: Temporäre Ausstellungsbauten für Kunst, Gewerbe und Industrie in Deutschland 1896-1915 (Diss. Bonn 1989 – Europäische Hochschulschriften Reihe 28, Kunstgeschichte Band 158), Frankfurt 1993. 1586 Ciré 1993, 246, 248, Abb. 15. 1587 Ciré 1993, 44, 306f. 270

üblichen Charakter phantasievoller Festarchitektur.1588 Auf die temporären Kunsthallen, die Annette Ciré aufführt, soll nur verwiesen werden.1589 Die Umnutzung eines Ausstellungspavillons in einen Museumsbau wurde beim österreichischen Pavillon der Weltausstellung von Brüssel 1958 (s. Kapitel B. I. 8. c) umgesetzt.1590 Er diente ab 1962 als Museum für Kunst des 20. Jh.s in Wien. Aufgrund seines problematischen Raumklimas wurde der eigentlich nicht zur Ausstellung von Kunst entworfene Pavillon später nur noch zur Ausstellung von Skulpturen genutzt. Eine temporäre provisorische Unterbringung erhielt erstmals das Museum of Contemporary Art Los Angeles (MOCA). Da das 1982 begonnene Museum von Arata Isozaki zu den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles nicht fertig wurde, richtete man in einem aus den 40er Jahren stammenden Lagerhaus das sogenannte Temporary Contemporary (1983, Frank Gehry) als provisorische Ausstellung ein.1591 Gehrys Umbauten begrenzten sich auf die Errichtung eines säulengestützten Glasdachs auf der gesamten Gebäudebreite, das den Eingangsbereich definieren und das Lagerhaus als öffentliches Gebäude kennzeichnen sollte.1592 Das Provisorium wird bis heute als Dependance des MOCA unter dem Namen „The Geffen Contemporary“ genutzt. Eine weitere Nutzung temporärer Bauten im musealen Zusammenhang ist die Errichtung eines ephemeren Baus nur für eine Ausstellung. Für die Schau „Phantasie und Industrie“ erhielt das Technische Museum in Wien 1989 eine ephemere Halle (Boris Podrecca).1593 Die Verwirklichung der ersten Idee eines aufblasbaren Gebäudes stellte sich als kostenintensiver heraus als der schließlich realisierte Bau in Holzständerbauweise mit Blechverkleidung, der ähnlich wie Gigon/Guyer’s Erweiterung in Winterthur über eine Passerelle mit dem Altbau verbunden war. Einen ephemeren Kunstbau, der durch seine gewagte Farbgebung die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zog, realisierte Adolf Krischanitz mit der Kunsthalle (1991-92) auf dem Wiener Karlsplatz.1594 Der signalfarbene gelb-blaue Container diente bis 2001 als Ort für wechselnde Ausstellungen zu Kunst des 20. Jh.s. Aufgrund seiner nur punktuell gesetzten Fundamente konnte er problemlos wieder entfernt werden, als die Kunsthalle in einen

1588 Ciré 1993, 246f., 581. 1589 Ciré 1993, Katalog 195-538. 1590 Schubert 1986, 48. 1591 Montaner 1990, 106-109. 1592 Montaner 1990, 107. 1593 August Sarnitz: Museums-Positionen in Österreich – Schnittstelle das Objekt – die Form – die Verpackung und der Architekt, in: August Sarnitz (Hrsg.): Museums-Positionen – Bauten und Projekte in Österreich, Salzburg 1992, 52-75, 71. 1594 Krischanitz, 1992, 91. 271 dauerhaften Bau ins Museumsquartier zog.1595 Die temporäre Kunsthalle war ein solcher Erfolg, dass im direkten Anschluss an ihre Demontage ein ebenfalls von Krischanitz entworfener Glaskubus (2001) an selber Stelle errichtet wurde, der den gelb-blauen Container bis heute ersetzt.1596 Eine Folge temporärer Pavillons wurde ab dem Jahr 2000 im Kensington Garden für die Serpentine Gallery/London begründet.1597 Anlässlich eines Galadiners für Prinzessin Diana beauftragte man Zaha Hadid, einen ephemeren Festpavillon neben dem historischen Ausstellungsgebäude zu entwerfen.1598 Der Erfolg von Zaha Hadids Werk führte dazu, dass seitdem jeden Sommer ein anderer Architekt mit der Erstellung eines Pavillons für drei Monate beauftragt wurde. Nur Architekten, die noch kein Werk in Großbritannien realisiert hatten, wurden ausgewählt. Architekten, die einen Pavillon errichten durften, waren u.a.: Zaha Hadid (2000 und 2007), Daniel Libeskind (2001), Toyo Ito (2002), Oscar Niemeyer (2003), Álvaro Siza/Eduardo Souto De Moura (2005), Rem Koolhaas/Cecil Balmond (2006), Frank O. Gehry (2008), SANAA (2009), Jean Nouvel (2010) und Peter Zumthor (2011).1599 Die Sommerpavillons wurden nicht als Ausstellungsräume genutzt, sondern sollten reine ʺBaukunstʺ sein.1600 Die Funktion der Pavillons bestimmten die Architekten selbst. Die meisten Entwürfe dienten als Pavillons für Veranstaltungen oder als offene ʺWandelhallenʺ mit Sitzgelegenheiten für die Besucher. Zumthor wählte das Konzept eines „hortus conclusus“1601, der einen meditativen Garten in einer Art ʺKreuzgangʺ beinhaltete. Das Konzept der temporären Pavillons hat sich zu einem Alleinstellungsmerkmal der Serpentine Gallery entwickelt, das weltweit ohne Vergleich ist. Es kann vermutet werden, dass gerade die Vergänglichkeit des Angebots die Besucher anzieht. Dieser ʺEventcharakterʺ ordnet die Serpetine Gallery Pavillons der Gruppe der temporären Ausstellungsstätten zu, die mit spektakulärer Architektur die Aufmerksamkeit der Besucher für einen begrenzten Zeitraum zu binden versuchen.

1595 Internetseite http://www.kunsthallewien.at/cgi-bin/page.pl?id=1003&lang=de [Stand 3. März 2013]. 1596 Der Glaskubus diente als sogenannter „project space” der Kunsthalle Wien, ein Ausstellungsort für schnell wechselnde Schauen aktueller Kunst. Internetseite http://www.kunsthallewien.at/cgi-bin/page.pl?id=38;lang=de [Stand 3. März 2013]. 1597 Philip Jodidio: Serpentine Gallery Pavillons, Köln 2011 [Jodidio 20111]; David Zerbib: L`instant d`un espace, in: L`Architecture d`Aujourd`hui 367 (2007) 38-45, 44; Heiko Haberle: Auf und wieder ab, in: Bauwelt 39/40 (2009) 32-35; Christian Brensing: Phänomen Serpentine Gallery Pavillons, in: Deutsche Bauzeitung 9 (2010) 14-15. 1598 Jodidio 20111, 10. 1599 Jodidio 20111, 1.06, 2.06, 3.12, 4.18, 5.07, 6.08, 7.07, 1.18, 9.07, 10.11, 11.08. 1600 Jodidio 20111, 13, 16f. 1601 Sophie O`Brian/Peter Zumthor: Peter Zumthor – Hortus Conclusus – Serpentine Gallery Pavilion 2011, London 2011. 272

Temporäre Ausstellungsbauten wurden nicht nur aufgrund ihres Erlebniswerts errichtet, sondern auch aus rein funktionalen Gründen. Ähnlich wie bei der oben genannten Temporary Contemporary benötigte das Museum of Modern Art (MoMA)/New York eine zeitlich begrenzte Unterbringung. Während der Bauarbeiten an einer Erweiterung des Haupthauses in Manhattan wurde die Sammlung 2002 in eine ehemalige Lagerhalle in Queens, das „MoMA QNS“ (Michael Maltzan und Cooper, Robertson & Partners), überführt. Nach dem Abschluss der Bauarbeiten am Haupthaus diente das Gebäude in Queens bis heute als Depot und Bibliothek.1602 Zunächst für einen Zeitraum von sieben Jahren sollte die Flick Collection in umgebauten Speditionsgebäuden, den „Rieckhallen“ (2003-04, Kühn Malvezzi Architekten), in der Nähe des Hamburger Bahnhofs in Berlin ausgestellt werden.1603 Die Industriehallen wurden durch kostengünstige Minimaleingriffe hergerichtet.1604 Wie schon bei mehreren vorangegangenen Beispielen verlängerte man die Lebensdauer des Provisoriums, hier um zehn Jahre bis 2021.1605 Ein weiterer Aufmerksamkeit erregender temporärer Bau wurde bereits in Kapitel B. II. 4. mit dem „Nomadic Museum“ (2005) vorgestellt.1606 Der Container stellte durch die verwendeten Materialien, seine Mobilität, die Wahl seines Aufstellungsorts und die Einfachheit seiner Ausstattung herkömmliche Museumskonzepte in Frage. Die These, dass ephemere Architektur Raum für Experimente bietet und Extreme bei temporäreren Bauten eher akzeptiert werden, gilt für dieses Beispiel besonders. Eine auf zwei Jahre begrenzte Kunsthalle (2008) erhielt auch die Stadt Berlin auf dem städtebaulich spannungsreichen Schlossplatz.1607 Nachdem ein temporärer Ausstellungsraum durch eine Künstlerinitiative im Palast der Republik eingerichtet worden war, entwickelte sich die Idee einer ephemeren Kunsthalle, die die institutionelle Lücke für zeitgenössische Kunst innerhalb des Berliner Ausstellungsgeschehens schließen sollte. Die städtebauliche Planung für den Schlossplatz begrenzte das Projekt auf die Dauer von zwei Jahren.1608 Beauftragt

1602 Desmoulins 2005, 23; Zeiger 2006, 56; Suma 2007, 83-91. 1603 Kaye Geipel: Siebenjähriges Provisorium, in: Bauwelt 39 (2004) 15-19; Esche 2006, 96f. 1604 Neben klimatischen und sicherheitstechnischen Maßnahmen erhielten die offene Stahlkonstruktion der Dächer und die Wände einen einheilichen weißen Anstrich. Der Außenbau wurde mit schwarzem Falzblech eingehüllt, die Fenster- und Türöffnungen durch breite Kastenrahmen eingefasst. Geipel 2004, 16f. 1605 Internetseite http://www.hamburgerbahnhof.de/text.php?id=100 [Stand 3. März 2013]. 1606 Bernstein 2005, 28. 1607 Lars Klaasen: Temporäre Kunsthalle Berlin (Die Neuen Architekturführer 140), Berlin 2008; A.A.: Adolf Krischanitz – Temporäre Kunsthalle Berlin, in: A & U – Architecture & Urbanism 466 (2009) 68-73; Jürgen Tietz: Berliner Kunstwolke – Die Temporäre Kunsthalle von Adolf Krischanitz, in: Werk, Bauen + Wohnen 4 (2009) 30-35; Jodidio 20112, 240-245. 1608 Ab Ende 2010 sollte das Humboldt-Forum, ein Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft, im Berliner Schloss entstehen. Der Baubeginn wurde auf 2014 verschoben. Den leeren Platz bespielte man mit einer 273 wurde der Architekt Adolf Krischanitz, der bereits die zwei ephemeren Kunsthallen in Wien erbaut hatte. Er entwarf eine funktionale, ökonomische Gebäudebox aus Holzträgern und Faserzementplatten, die von dem Maler Gerwald Rockenschaub (*1952) farbig gestaltet wurden.1609 Nebenfunktionen des Museumsbetriebs nahmen 2005 zwei temporäre Pavillons auf dem Münchner Königsplatz auf. Für die Franz Marc-Retrospektive lenkte das Münchner Lenbachhaus die Besucherströme in zwei einander gegenüberstehende, prismenförmige Pavillons.1610 Sie enthielten den Ticketverkauf, Garderobe, Schließfächer, Toiletten und einen Büchershop. Einzelmotive berühmter Werke Marcs zierten die Fassaden der beiden mit transluzentem Kunststoff verkleideten Kleinbauten. Die Pavillons dienten zusätzlich als beleuchtete Reklame. Eine öffentlichkeitswirksame Präsentation durch einen temporären Pavillon wählte auch das Schaulager Basel auf der Kunstmesse Art Basel 2012. Für zwei Wochen wurde ein zweigeschossiger Bau, der „Schaulager Satellit“, auf dem Messeplatz vor dem Haupteingang der zentralen Messehalle installiert.1611 Der Entwurf stammte von Herzog & de Meuron, die bereits den festen Sitz des Schaulagers in Münchenstein/Basel entwarfen. Die Verwendung von ephemerer Architektur zu reinen Marketingzwecken ist im Museumsbereich neu. Die Idee Kleinarchitektur von namhaften Architekten öffentlichkeitswirksam einzusetzen, scheint vom Konzept der Serpentine Gallery Pavillons inspiriert worden zu sein, zumal Herzog & de Meuron dort bereits einen Beitrag beisteuerten. Die genannten Beispiele zeigen, dass museale temporäre Bauten unterschiedliche Funktionen erfüllen können. Sie werden von Museen als vorübergehende Nebenbauten errichtet. Für Museen in historischen Bauten können ephemere Gebäude zeitlich begrenzte Lösungen für Übergangssituationen (Sanierung, Erweiterung u.ä.) bieten. In diese Kategorie ist die Erweiterung an das Kunstmuseum Winterthur von Gigon/Guyer einzuordnen. Mit dem Lenbachhaus wurde ein Museum genannt, das wegen Platzmangels für die Dauer einer Ausstellung temporäre Bauten errichtete. Die Serpentine Gallery Pavillons und der „Schaulager Satellit“ sind Beispiele für aufmerksamkeitsorientierte ephemere Architektur. In London überwiegt die Absicht, ebenfalls temporären Informationsbox, der „Humboldt-Box“ (2011, Megaposter), die über die künftige Nutzung des Berliner Schlosses sowie das geplante Forum informierte. Internetseite http://de.wikipedia.org/wiki/Humboldt-Box [Stand 3. März 2013]. 1609 Laasen 2008, 8; Tietz 2009, 31. 1610 Katharina Matzig: Blaues Pferd und gelber Stier – Die Pavillons für Franz Marc, in: Baumeister 12 (2005) 11; Internetseite http://www.palaismai.de/Projekte/MAR/images/PALAISMAI_MAR.pdf [Stand 12. Dezember 2012]. 1611 Schaulager Basel: Schaulager Satellite, Basel 2012, ohne Paginierung. 274 zeitgenössische Architektur erfahrbar zu machen. Beim „Schaulager Satellit“ standen die Ziele Information und Öffentlichkeitsarbeit für die ʺMutterinstitutionʺ im Vordergrund. Vereinzelt werden temporäre Bauten als singuläre, zeitlich begrenzte Projekte errichtet. Das „Nomadic Museum“ oder die Temporäre Kunsthalle Berlin sind Beispiele, die ohne „Mutterinstitution“ entstanden sind. Die Kunsthalle Berlin ist das einzige Beispiel einer zeitlich begrenzten Einrichtung mit wechselndem Ausstellungsbetrieb.

3. ʺSchaffung eines Ortesʺ – Museumsarchitektur als Visualisierung eines immateriellen Ausstellungsthemas

Eine Besonderheit des Museumsparks Kalkriese ist, dass er dem Besucher ein historisches Ereignis näher bringen will, von dem es fast keine Überreste gibt. Die Grabungen auf dem Gelände der Varusschlacht brachten kleine und unzusammenhängende Objekte zutage, so dass sich die Ausstellung neben der Präsentation der Fundstücke im Wesentlichen auf Informationsbereitstellung und -aufarbeitung beschränkt. Einen wichtigen Teil der Vermittlungsarbeit übernimmt dabei die Architektur der Anlage. Der Museumsbau mit Aussichtsturm, die drei Pavillons und die Gestaltungselemente der Parkanlage regen den Besucher zu einer Vorstellung und Reflektion des historischen Geschehens an. Der Erkenntnisprozess des Besuchers wird durch die architektonischen Elemente auf drei verschiedenen Ebenen unterstützt. Erstens auf einer rein funktionalen Ebene: Der Aussichtsturm ermöglicht einen Überblick über das Gelände, die Sinnespavillons des „Hörens“ und „Sehens“ verhelfen zu separierten und verstärkten Eindrücken von der Umgebung. Auf einer zweiten Ebene werden historische Begebenheiten der Varusschlacht abstrahiert und dem Besucher zeichenhaft vor Augen geführt. Beispiele für diese abstrakte Vermittlung sind die Holzschnitzelpfade für die Seite der Germanen, die Metallplattenwege für die Seite der Römer und die Metallstäbe als Bild für die germanische Wallanlage. Auf einer dritten Ebene werden vom eigentlichen Zusammenhang gelöste Zeichen erzeugt, die im Betrachter eigene Assoziationen wecken, die vom historischen Ereignis der Varusschlacht den Bogen zu heutigen kriegerischen Auseinandersetzungen spannen sollen. Beispiele hierfür sind die unregelmäßig wie zerstreute Schilde auf dem Boden liegenden Metallplatten mit Beschriftung, deren Informationen der Besucher wie Fundstücke „vom Boden auflesen kann“1612 oder der rostige Stahl, der Zeitlichkeit und Zerfall suggeriert [Abb. 160].1613

1612 Interview mit Annette Gigon 03. März 2009. 1613 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 275

Bei allen drei Vermittlungsebenen werden dem Betrachter keine vorgefertigten Bilder des historischen Geschehens angeboten. Er muss sich das Thema der Varusschlacht aktiv, mit eigener „Vorstellungskraft“1614 erschließen. Gigon/Guyer wählten dieses abstrahierte Konzept bewusst. Da „das Schlachtereignnis stützen muss, sollten nicht figurative Elemente wie Bilder, Darstellungen und Visualisierungen verwendet werden, sondern abstrakte Mittel wie Bodenplatten, Stangen und Texte“1615. Auch eine nationalistische Vereinnahmung des Schauplatzes der Varusschlacht und der Museumsanlage sollte so verhindert werden. Auch auf Rekonstruktionen archäologischer Befunde und vorgefertigte Bildangebote an den Besucher wurde bewusst verzichtet.1616 Das in Kalkriese realisierte Konzept einer abstrakten Vermittlung musealer Inhalte durch Architektur ist innerhalb der Museumsbaukunst selten. Innerhalb der Entwicklung der Institution Museum überwiegen Häuser, in denen dem Besucher ausgehend von Objekten Inhalte vermittelt werden. Museen ʺohne Exponateʺ, die architektonische Konzepte verwenden, um ihre Inhalte zu visualisieren, sind eine Ausnahme. Im Folgenden soll versucht werden die Entwicklung dieses Museumstyps zu skizzieren und weitere Beispiele zu finden. Nachforschungen zu diesem Thema führen zunächst zu Museumsbauten, die sich immateriellen Inhalten widmen. Ein solches Beispiel ist das Zugvogel-Museum (1960) auf der schwedischen Insel Öland, das aus einem kleinen Holzbau mit weiten Fensterflächen besteht, der an einer von Zugvögeln stark frequentierten Landzunge am Meer steht. Sein Baukörper besteht aus schuppen- oder gefiederartig aufgefächerten Wandsegmenten, die an einen stromlinienförmigen Körper erinnern.1617 Der Architekt Jan Gezelius wählte den Weg der architektonischen Abstraktion: Er übertrug die Form des Vogelkörpers und die Lagen des Gefieders auf architektonische Motive. Das Zugvogel-Museum ist damit ein frühes Beispiel für ein Museum, das ein flüchtiges Naturphänomen mit den Mitteln der Architektur verbildlicht. Großräumliche, konzeptuelle Landschaftsparks mit architektonischem Anteil entstanden in den 80er und 90er Jahren in Frankreich.1618 Bereits vorgestellt wurde der Parc de la Villette (1982-86) (s. Kapitel B. I. 5.), in dem ein umfassendes Gestaltungskonzept mit

1614 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1615 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1616 Interview mit Annette Gigon 23. März 2009. 1617 Brawne 1965, 92-93. 1618 Zur Entwicklung der Landschaftsarchitektur s.: Monique Mosser/Georges Teyssot: Die Gartenkunst des Abendlandes – Von der Renaissance bis zur Gegenwart, Stuttgart 1993 (Erstausgabe Mailand 1990); Ehrenfried Kluckert: Gartenkunst in Europa – Von der Antike bis zur Gegenwart, Köln 2000; Wilfried Hansmann/Kerstin Walter: DuMont Geschichte der Gartenkunst – Von der Renaissance bis zum Landschaftsgarten, Köln 2006. 276

Kleinarchitekturen umgesetzt wurde.1619 Die Pavillons der „Folies“ und die Gestaltung des Parkareals vermitteln weniger konkrete Inhalte, als dass sie einen durch Architekturen räumlich gegliederten und erfahrbaren, naturnahen Erlebnis- und Freizeitraum innerhalb der Metropole Paris zur Verfügung stellen. Das auf dem Gelände liegende Wissenschaftsmuseum von Adrien Fainsilber ist in das gestalterische Konzept des Parks durch das Raster der „Folies“ eingefügt. Es ist eher ein Freizeitangebot des Parks als ein Teil seines inhaltlichen Konzepts. Der Parc de la Villette ist kein Beispiel für architektonische Abstraktion von Inhalten, jedoch für die räumliche Erschließung großer Anlagen durch Architektur und kann so als ein Zwischenschritt in der Entwicklung des hier untersuchten Themas angesehen werden. Wenige Jahre später folgte das Projekt des Jardin de la Mémoire (1997, Marylène Ferrand, Jean-Pierre Feugas, Bernard Leroy, Bernard Huet, Yann Lecaisne) der die frühere Nutzung des Parkgeländes als steuerfreies Lager für Wein und damit die historische Entwicklung des Stadtteils Paris-Bercy in einem abstrakten Konzept verbildlichen sollte.1620 Auf französische Barockgärten verweisende „parterres“1621 und ein Heckenlabyrinth erinnern an die Epoche französischer Aristokratie des 17. Jh.s, in der das Gelände der Familie Malon de Bercy gehörte.1622 Erhalten ist noch das Netz historischer Kopfsteinpflasterwege aus der Zeit der Nutzung als Weinlagerareal. Die unregelmäßigen Pflasterwege werden überlagert von rasterartigen Plattenwegen aus gelblichem und rötlichem Granit, die die städtebauliche Umwälzung der Haussmann-Zeit verbildlichen sollen.1623 Eine konzeptuelle Einbindung der erhalten gebliebenen Architekturen aus der Zeit der Lagerhallen ist nicht gegeben.1624 Ähnlich wie im Museumspark Kalkriese, sogar mit vergleichbaren Mitteln (Anlage der Wege), wurden historische Inhalte durch Landschaftsarchitektur verbildlicht. Eine Gattung, die zahlreiche architektonische Visualisierungen historischer Ereignisse und Orte hervorgebracht hat, sind Holocaust-Gedenkstätten.1625 Stellvertretend für diese

1619 Orlandini 2002, 61, 63. 1620 Sylvie Blin: Le Parc de Bercy – Jardin de la mémoire, in: Connaissance des arts 556 (1998) 70-77, 70, 73ff.; Amanda Shoaf: Bercy`s ʺJardin de la Mémoireʺ - Landscape as a Language of Memory, in: Contemporary French and Francophone Studies 1 (2007) 25-35, 25ff., 32. 1621 Shoaf 2007, 26. 1622 Shoaf 2007, 26f., 29. 1623 Shoaf 2007, 31. 1624 Shoaf 2007, 28f. 1625 Literatur zu Holocaust- und KZ-Gedenkstätten s.: Joachim Wolschke-Bulmahn: Places of Commemoration – Search for Identity and Landscape Design, Washington D.C. 2001; Günter Schlusche/Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas: Architektur der Erinnerung – NS Verbrechen in der europäischen Gedenkkultur, Berlin 2006; Andreas Ehresmann/Philip Neumann/Alexander Prenninger u.a.: Die Erinnerung an die nationalsozialistischen Konzentrationslager, Berlin 2011; Alexandra Klei: Der erinnerte Ort – Geschichte durch Architektur – Zur baulichen und gestalterischen Repräsentation der nationalsozialistischen Konzentrationslager (Diss. Cottbus 2010), Bielefeld 2011. 277

Bauaufgabe, die vom Thema der Museumsarchitektur wegführt, soll Peter Zumthors Entwurf der „Topographie des Terrors“ (Wettbewerbsentwurf 1993, Berlin) vorgestellt werden.1626 Am ehemaligen Standort des Hauptverwaltungsgebäudes der Gestapo und der SS sollte ein Dokumentationszentrum und Gedenkort entstehen.1627 Zumthor entwarf einen langgestreckten, schmalen Rechteckbau, dessen Fassaden aus schmucklos gereihten Betonstreben mit gläserner Füllung bestehen. Das Innere sollte als Rohbau belassen werden, alle Bauelemente sollten ungeachtet der „Gnade des Überdeckens“1628 offen sichtbar bleiben. Das Dokumentationszentrum sollte als „reine Struktur“1629, als Zusammenspiel aus Konstruktion und Baumaterial wirken und ganz ohne abstrahierte oder symbolische Motive auskommen.1630 Dieses Fehlen bildhafter und atmosphärischer Verweise kennzeichnet die Radikalität von Zumthors Entwurf und war vielleicht auch ein Grund, weshalb der wegen seiner Tragwerkkonstruktion aufwendige Bau in der politischen Öffentlichkeit Berlins nicht mehr unterstützt wurde.1631 Die Abgelöstheit der architektonischen Umsetzung vom eigentlichen Ausstellungsthema verbindet Zumthors Entwurf mit dem Konzept von Gigon/Guyer, auch wenn dieses nicht vergleichbar radikal und ʺbildlosʺ ausfiel. Einen mit dem genannten Zugvogel-Museum vergleichbaren Bau schuf Sverre Fehn mit dem Gletscher-Museum (1988-91) in Balestrand/Norwegen.1632 Ähnlich wie Gezellius nahm Fehn charakteristische visuelle Merkmale des Ausstellungsthemas auf und abstrahierte sie in Architekturformen. Der Baukörper weckt mit seinen abgeschrägten Flächen und zerklüfteten Teilen Assoziationen von Gletscherformationen und bindet den Bau in die umgebende Natur ein. Ähnlich wie beim Museumspark Kalkriese befindet sich auf dem Dach ein Aussichtspunkt, von dem der Besucher auf die eigentlichen Ausstellungsstücke, die umliegenden Gletscher, blicken kann.

1626 Architekturgalerie Luzern 1997, 49-67, 55; Stiftung Topographie des Terrors: Topographie des Terrors – Gestapo – SS und Reichssicherheitshauptamt in der Wilhelm- und Prinz-Albrecht-Straße (Kat. Dokumentationszentrum Topographie des Terrrors), Berlin 2008, 252-263; Winters 2012. 1627 Reinhard Rürup: Topographie des Terrors – Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt auf dem Prinz- Albrecht-Gelände – Eine Dokumentation, Berlin 1987. 1628 Architekturgalerie Luzern 1997, 53. 1629 Architekturgalerie Luzern 1997, 52. 1630 Architekturgalerie Luzern 1997, 52f. 1631 Im Jahr 2004 wurde Peter Zumthors Entwurf wegen „bautechnischer und finanzieller Probleme“ niedergelegt, und die bereits ausgeführten Teile wurden wieder abgerissen. Aus einem neuen Wettbewerb 2005 ging ein Entwurf der Architektin Ursula Wilms (Büro Heinle, Wischer und Partner) als Sieger hervor, der im Jahr 2010 fertiggestellt wurde. Winters 2012, 2ff., 19f. 1632 Montaner 1995, 184-189, 187; Per Olaf Fjeld: Sverre Fehn – The Pattern of thoughts, New York 2009, 240- 256, 247. 278

Ein anderer Weg der Visualisierung wurde für die Gestaltung des Judenplatzes in Wien gewählt.1633 Das Ensemble besteht aus einem teilweise unterirdischen Museumsbau (1995-2000, Jabornegg & Palffy) und einem zentral auf dem Platz positionierten Kunstwerk (Wettbewerb 1996, Ausführung 2000) von Rachel Whiteread.1634 Dieses zeigt einen Steinquader in der Größe einer Garage, auf dessen Oberfläche nach innen gekehrte, wie in einer steinernen Bibliothek aufgereihte Buchrücken dargestellt sind. Umrisslinien von geschlossenen Türen sind auf den Seiten des Kubus eingehauen. Unter dem Mahnmal befinden sich Überreste einer mittelalterlichen Synagoge, die 1421 während eines Pogroms bei einem Massenselbstmord der verfolgten Juden abbrannte.1635 Die Ausgrabung ist in einem unterirdischen Schauraum untergebracht, der über einen Verbindungskorridor mit dem Museum verbunden ist. Anders als die bereits aufgeführten Museen zu Naturphänomenen wählte man für den Judenplatz in Wien zeichenhafte, vom eigentlichen Memorations-Thema abgelöste Bilder. Tertium comparationis des ʺstummenʺ Kubus, der aufgereiht umgekehrten Bücher und verschlossenen Türen sind die Unfassbarkeit des Ausmaßes der Judenverfolgung sowie die Ohnmacht und Unwiederbringlichkeit seiner Opfer. Der Judenplatz in Wien ist das einzige Beispiel eines Museumsensembles, das sein Ausstellungsthema in zeichenhaften Bildern visualisiert und damit dem in Kalkriese gewählten Grad der Abstraktion nahesteht. Erst in der Nachfolge auf Kalkriese folgten weitere Bauten mit abstrakten Architekturkonzepten. Ein wenig bekanntes Exempel ist das Museu da Luz/Portugal (1998- 2003, Pedro Pacheco, Marie Clément), das an ein bei einem Staudammprojekt versetztes Dorf erinnert.1636 Im neu errichteten Ort Luz wurde das Museum errichtet, um den umgesiedelten Bewohnern die Erinnerung an ihr Heimatdorf zu erhalten. Verweise auf den Ortsnamen („Saal des Lichts“), landschaftlich angepasste Architektur, weite Aussichtsfenster und Materialsprache (ortstypischer Schiefer) sind die Motive, mit denen dabei gearbeitet wurde.1637 Bereits in Kapitel B. I. 5. wurde das Museum Arche Nebra (2007, Wangen) vorgestellt, ein Informationszentrum am Fundort der „Himmelsscheibe von Nebra“. Da das

1633 Dietmar M. Steiner: Freilegung von Geschichte und aktuelle Deutung, in: Werk, Bauen + Wohnen 11 (2001) 18-22 [Steiner 20011]; Kunsthalle Wien: Judenplatz Wien 1996 – Wettbewerb – Mahnmal und Gedenkstätte für die jüdischen Opfer des Naziregimes in Österreich 1938-1945 (Kat. Kunsthalle Wien), Wien 1996. 1634 Der Eingang in das Museum befindet sich in einem in die Häuserzeile des Platzes eingefügten Altbau, dem Misrachi-Haus. Vom Erdgeschoss gelangt der Besucher in zwei Untergeschosse mit Ausstellungsräumen und Verbindungsgang zur unter dem Mahnmal befindlichen Ausgrabung der historischen Or-Sarua-Synagoge. Steiner 20011, 19ff. 1635 Steiner 20011, 19ff. 1636 Pedro Bandeira: Mutation d`un territoire – Le nouveau visage de Luz, in: L`Architecture d`Aujourd` hui 366 (2006) 58-63; Murielle Hladik: Musée de Luz – Mourão – Alentejo – Pedro Pacheco et Marie Clément architects, in: L`Architecture d`Aujourd` hui 366 (2006) 64-65. 1637 Hladik 2006, 65. 279

Objekt der „Himmelsscheibe“ nicht an Ort und Stelle gezeigt wird, blieb den Architekten nur übrig, den Fundort zu inszenieren.1638 Die Bauform des Museums und seine goldene Farbe imitieren Motive der „Himmelsscheibe“.1639 Der wie die Nadel einer Sonnenuhr geneigte Aussichtsturm am Fundort spielt als wenig abstrahiertes Motiv auf die frühzeitliche Astronomie an und bindet, ähnlich wie in Kalkriese, die umgebende Landschaft in die Ausstellung ein. Einen untergegangenen Ort, der durch ausgegrabene Überreste erfahrbar ist, thematisiert das Museum Madinat al Zaha (2008, Cordoba, Nieto Sobejano Arquitectos S.L.P.).1640 Es widmet sich der Hauptstadt des maurischen Spaniens, Al Andalus, und begleitet ein Grabungsfeld, auf dem fortlaufend geforscht wird. Ausgehend von den freigelegten Grundrissen dreier historischer Gebäude, entwickelten die Architekten einen in den Boden abgesenkten Bau, der sich aus Höfen und umgebenden Raumzügen zusammenfügt. Der Hauptinnenhof ist ein Zitat der maurischen Gebäudereste. Eine Anhäherung an das Ausstellungsthema wurde durch architektonische Zitate hergestellt, weiterführende abstrakte oder ʺsymbolischeʺ Verweise wurden nicht verwandt. Auf stark abstrahierte bzw. zeichenhafte Bilder griff man für das Hexenmuseum (2011) zurück, das aus einer Zusammenarbeit zwischen Louise Bourgeois und Peter Zumthor entstand. In der nordnorwegischen Ortschaft Vardø wurden im 17. Jh. soviele Menschen wie sonst nirgends im Land als Hexen verbrannt (91 Opfer, davon 18% Männer). Peter Zumthor errichtete zwei kleinformatige Bauten in der Nähe des „Vardøhus“, einer festungsähnlichen Anlage, in der die ʺHexenʺ vor der Hinrichtung festgehalten wurden.1641 Ein schwarzer Glaskubus nimmt ein von Louise Bourgeois entworfenes Kunstwerk auf, das aus einem ʺbrennendenʺ Stuhl mit ihn umgebenden Zerrspiegeln besteht, die das Bild des Betrachters mit der Spiegelung der Flammen verschmelzen, es vervielfachen und zu einem Teil der Installation werden lassen. Der zweite Bau besteht aus einem filigranen Holzgestell, in das ein schlauchartiger Gang aus Baumwollgewebe gehängt ist. Aus dem Innenraum des Schlauchs blickt der Besucher durch 91 kleinformatige Fenster in die umliegende Landschaft. Eine

1638 Die originale Himmelsscheibe wird im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle ausgestellt. A.A. 2007, 3. 1639 Verwiesen wird auf eine bogenförmige Darstellung auf der Himmelsscheibe, die als „Sonnenbarke“ gedeutet wurde. A.A. 2007, 3; Uffelen 2010, 310. 1640 Uffelen 2010, 356-359; Internetseite www.akdn.org/architecture/pdf/Madinat%20al%20Zahra%20 Museum.pdf [Stand 23. Februar 2013]. 1641 Svein Rønning: The Damned – the Possessed and the Beloved, in: Steilneset minnested – Til minne om de trolldomsdømte i Finnmark – Steilneset Memorial – To the Victims of the Finnmark Witchcraft Trials, Oslo 2011, 21-22, 21; Jeanette Sky: Before the Fire, in: Steilneset minnested – Til minne om de trolldomsdømte i Finnmark – Steilneset Memorial – To the Victims of the Finnmark Witchcraft Trials, Oslo 2011, 73-78, 75. 280

Glühbirne vor den Fensteröffnungen verweist auf die 91 Opfer.1642 Ähnlich wie das Projekt des Judenplatzes und das Konzept der Sinnespavillons von Gigon/Guyer erreicht das Hexenmuseum einen hohen Grad an Abstraktion. Auch die Materialverweise (hier Holz und Textil) ähneln Kalkriese. Die Vergleichsbauten zeigen, dass es einige Museen gibt, die immaterielle Inhalte durch Architektur verdeutlichen. Unterschiedliche Wege der Verbildlichung können unterschieden werden. Mit der Arche Nebra und dem Museum Madinat al Zaha konnten Arbeiten gefunden werden, bei denen, ausgehend von konkreten ʺVorlagenʺ, Motive (Detailform der „Himmelsscheibe“ oder Grundrisse archäologischer Funde) in architektonische Sprache übertragen wurden. Ähnlich verfuhren Jan Gezellius und Sverre Fehn, die für ihr Zugvogel- bzw. Gletscher-Museum Naturformen abstrahierten. Einen Schritt weiter gingen Gigon/Guyer und die Gestalter des Jardin de la Mémoire, des Judenplatzes und des Hexenmuseums. Sie verstärkten die Abstraktion und verwendeten architektonische Motive, die Assoziationen auslösende, atmosphärische Bilder schaffen, die vom Ursprungsgegenstand wegführen. Die Materialverweise (Kalkriese, Luz, Vardø) tragen hierzu bei. Noch einen Schritt weiter führte Peter Zumthor seine architektonische Abstraktion beim Entwurf der „Topographie des Terrors“, bei der er bildhafte Verweise völlig negieren wollte. Seine ʺsublimeʺ Architektur hätte ein einzigartiger Gedenkort für den nicht in Bilder zu fassenden Holocaust sein können.

4. Das Galerielager Wichtrach als Ausstellungs- und Nutzbau

Das Galerielager in Wichtrach hat als kombinierter Depot- und Ausstellungsbau für die Galerie „Henze & Ketterer“ keine museale Bauaufgabe. Die Funktionen ʺDepotʺ und ʺAusstellungsraumʺ sind jedoch ebenfalls im musealen Zusammenhang zu finden und sollen daher kurz diskutiert werden. Bauten für Galerien und Kunstdepots sind nicht wissenschaftlich untersucht und bisher kaum publiziert.1643 Aufgrund der schlechten Forschungslage ist es nur möglich das Galerielager Wichtrach zu charakterisieren und ihm die wenigen publizierten Vergleichsbeispiele an die Seite zu stellen, um funktionale und die Organisation des Gebäudes betreffende Besonderheiten aufzuzeigen.

1642 Mari Lending: Architecture at the Limit – Peter Zumthor`s Pavilions in Vardø, in: Steilneset minnested – Til minne om de trolldomsdømte i Finnmark – Steilneset Memorial – To the Victims of the Finnmark Witchcraft Trials, Oslo 2011, 37-44. 1643 Bisher gibt es keine Einzeluntersuchung zu Architektur für Galerien bzw. den Kunsthandel. Literatur zu Galerien im Allgemeinen: Uta Grosenick/Raimar Stange: Insight – Inside – Galerien 1945 bis heute, Köln 2005. 281

Das Galerielager in Wichtrach entstand aus den Anforderungen der Galerie „Henze & Ketterer“: Der kleine, freistehende Bau vereint die Aufgaben Depot und Ausstellungsraum in voneinander getrennten Geschossen. Die Magazine befinden sich im Erdgeschoss und UG, so dass die Objekte bequem an- und abgeliefert werden können. Die Depoträume sind für Besucher nicht geöffnet. Die Ausstellungsfläche befindet sich im 1. OG. Sie wird über ein geschlossenes Treppenhaus erreicht, das dem Besucher keinen Einblick in die Depots gewährt. Die Funktion des Galerielagers hat Ähnlichkeit mit der im Museumswesen neuen Gattung „Schaudepot“. Überwiegend natur- und kulturhistorische Museen richten für Besucher geöffnete Lager ein, in denen ansonsten unzugängliche Sammlungsgegenstände aus den Magazinen ausgestellt werden.1644 Einen Neubau für dieses neuartige Schaukonzept ließ das Focke-Museum in Bremen errichten. Der viergeschossige Kubus (2002, Gert Schulze) beherbergt im vom nahegelegenen Haupteingang zugänglichen Unter- und Erdgeschoss die ständig geöffneten „Schaudepots“. Im 1. OG befindet sich ein Saal für Sonderausstellungen, der über eine verglaste Passerelle an den Altbau angeschlossen ist. Im 3. OG liegen interne Arbeits- und Magazinräume. Die Gebäudeorganisation ist genau umgekehrt zum Galerielager Wichtrach: Die von den Besuchern stark frequentierten Schaubereiche liegen in den einfach zugänglichen unteren Geschossen. Die geschlossenen Magazine befinden sich unter dem Dach.1645 Eine vergleichbare innere Organisation erhielt das „Schaulager“ (2003, Herzog & de Meuron) in Basel.1646 Ähnlich wie im Focke-Museum wurde die frequentierten Besucherzonen ins Unter- und Erdgeschoss gelegt (Ausstellungsfläche im UG; Eingang, Kasse, Shop im EG). Die nur für Fachpublikum mit Führungen zugänglichen Depots befinden sich in den Obergeschossen. Entsprechend der langfristigen Lagerungspraxis einer Kunststiftung, ist diese Gebäudeaufteilung sinnvoll, da das Depotgut nur selten bewegt werden muss. Die räumliche Organisation spiegelt die institutionellen Besonderheiten des stiftungsgetragenen ʺDepotmuseumsʺ im Gegensatz zur gewerblichen Galerie in Wichtrach wider, bei der eine höhere Fluktuation der Werke gegeben ist.

1644 Schaudepots haben das Historische Museum Luzern (ab 2003) und das Focke-Museum Bremen eingerichtet. Weitere Beispiele nennen Tobias G. Natter/Michael Fehr/Bettina Habsburg-Lothringen: Das Schaudepot – Zwischen offenem Magazin und Inszenierung, Bielefeld 2010, 95ff., 105ff. 1645 Natter/Fehr/Habsburg-Lothringen 2010, 109. Angaben zum Grundriss per E-Mail vom 21. Dezember 2012, Dr. Karin Walter, Focke Museum. 1646 Naredi-Rainer 2004, 180f.; Suma 2007, 129-139; Bettina Friedli: Schaulager – Bewahren – Erforschen – Weitergeben, Basel 2012. 282

Wie bereits eingangs bemerkt, kann aufgrund der schlechten Forschungslage der Gebäude- und Funktionstyp des ʺGalerielagers mit Ausstellungsraumʺ nicht näher eingeordnet werden. Das sehr praxisrelevante Thema des Kunst- bzw. Museumsdepots ist noch kaum wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Es ist zu vermuten, dass der Depotbau innerhalb der Museumsarchitektur zukünftig eine größere Rolle spielen wird, da die Notwendigkeit neuer Lagerungsflächen für kontinuierlich wachsende Sammlungen offenkundig ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass Museen in innenstadtnahen Lagen und Altbauten kaum Platz für zusätzliche Depots haben. Diese Situation bildet sich in dem Aufkommen eines neuen Typ ab: dem ausgelagerten Depot in Vororten oder Gewerbegebieten, wie eines in Freiburg-Hochdorf realisiert wurde (Zentrales Kunstdepot, 2010-12, Pfeifer, Kuhn) [Abb. 262].1647 Für Galerien mit ihrer gewerblichen Ausrichtung und der damit verbundenen Fluktuation des Lagergutes wird sich die Situation weniger deutlich entwickeln. Das Galeriedepot wird vermutlich eine vereinzelte, vom Auftraggeber abhängende Bauaufgabe bleiben.

C. Ideengeschichtliche Fragen

I. Die Museen von Gigon/Guyer als Ausdruck der Vorstellung von Museumsarchitektur als neutraler Hülle für die Kunst

Ein zentraler Gedanke der Museumsarchitektur von Gigon/Guyer ist die Auffassung von Museumsbauten als neutralen Behältern für die darin ausgestellte Kunst. Die Aufmerksamkeit des Besuchers soll auf die Werke und nicht auf die Architektur gelenkt werden. Die Architektur soll zurücktreten, nicht mit den Werken konkurrieren und sich nicht selbst zur Kunst erhöhen. Ausstellungssäle können nach Annette Gigon „aus nicht mehr als vier Wänden, einem Boden, Oberlicht und einer Türe bestehen“.1648 Die Frage des Verhältnisses zwischen Museumsarchitektur und ausgestellten Werken stellte sich für Gigon/Guyer bereits in der Entwurfsphase ihres ersten Museums, dem Kirchner Museum in Davos, bei dem sich die Frage stellte, in welchen Räumen Ernst Ludwig Kirchner seine Werke selbst ausgestellt hätte.1649 Eine museale ʺMilieurekonstruktionʺ seiner Bauernhäuser hätte in Davos Unterstützer gefunden. Das Argument für eine rekonstruierende

1647 Städtische Museen Freiburg: Zentrales Kunstdepot, Freiburg 2012. 1648 Gigon/Guyer 2000, 13. Originalzitat von Georg Baselitz. Interview mit Annette Gigon 21.10.2013. 1649 Gigon 20022, 115. 283

Innenraumkonzeption war, dass Kirchners Werke in und für die von dunklem Holz dominierten Räume seiner Chalets entstanden seien. Die Architekten entschieden sich gegen eine ʺMilieurekonstruktionʺ, zumal stilimitierende Säle nicht mit wechselnden Ausstellungen und Werken anderer Künstler vereinbar gewesen wären.1650 Neutrale Räume erschienen als die angemessene Lösung. Als Vordenker der Idee des Museums als einer neutralen Hülle nannte Annette Gigon die Künstler Remy Zaugg, Richard Serra, Georg Baselitz und den Museumskurator Alfred Lichtwark.1651 Erste Beispiele von Museen, die nicht mehr auf eine Einheit zwischen der Dekoration des Ausstellungssaals und dem ausgestelltem Kunstwerk abzielten, sind in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s zu finden. Nach Volker Plagemann war das Museum in Leipzig (1854-58) der erste Bau mit ʺneutralenʺ Ausstellungsräumen, die zukünftige Umstrukturierungen der Sammlung und eine bauliche Erweiterung ermöglichen sollten.1652 Der Architekt Ludwig Lange führte aus, dass die Ausstellungssäle nicht durch „Decoration“1653 dominiert werden sollten. Die Säle seien „dazu bestimmt […], daß Bildwerke das Auge auf sich ziehen“1654. In seinen Aussagen finden sich Ansätze der Auffassung, dass der Kunst der Vorrang vor der Architektur gelassen werden solle. Die restlichen Räume des Museums – „Eingang, Corridor, Vestibüle und Treppenhaus“ – und den Außenbau stattete er noch reichlich mit „architectonischem Schmuck“1655 aus. Erst die Museumsreformbewegung ebnete den Weg für einen „Rückzug der Monumentalität“1656. Der Architekt Heinrich Wagner (1834-97) forderte 1893: „In den Sammlungsräumen darf sich die Architektur nirgends vordrängen“, und „die Form und Farbgebung ist diesem Zweck unterzuordnen, damit sie nicht den Blick auf sich ziehe, sondern in erster Reihe auf den Inhalt des Museums lenke“1657. 1902 bemerkte der Ethnologe Ernst Grosse (1862-1927), dass „ein Museum in erster Linie nicht selbst ein freies Kunstwerk darstellen, sondern zur Aufbewahrung und Ausstellung anderer Kunstwerke dienen“1658 und einen „neutralen Charakter“1659 haben solle. Ein Jahr später bemerkte er: „Ein jeder Ausstellungsraum ist nichts mehr und nichts weniger

1650 Interview mit Annette Gigon 29. April 2009. 1651 Gigon/Guyer 2000, 13; Gigon 20022, 115f. 1652 Plagemann 1967, 195, Abb. 212. 1653 Plagemann 1967, 179. 1654 Plagemann 1967, 179. 1655 Plagemann 1967, 179. 1656 Sheehan 2002, 274. 1657 Wagner 1893, 246. 1658 Ernst Grosse: Aufgabe und Einrichtung einer städtischen Kunstsammlung, Tübingen 1902, 19. 1659 Grosse 1902, 23. 284 als ein großer Rahmen für die in ihm befindlichen Kunstwerke, und gerade wie ein guter Rahmen soll er an und für sich gar keine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen“1660. Alfred Lichtwark stellte 1903 in derselben Publikation wie Ernst Grosse fest „die neuen Museen [des 19. Jh.s, Anm. d. Verf.]“ seien „von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ungenügender ausgefallen“1661. „Im Ganzen“ seien „die ältesten noch die besten“, da sie dem „ältesten europäischen Museumstypus“ entsprächen, dem des „Speichers“1662. Später habe die Fassade „ihre Herrschaft“1663 angetreten. Die innere Konzeption der Museen, die Belichtungssituation und Hängefläche, werde vernachlässigt zugunsten monumentaler repräsentativer Bauten, die „außen Bronzereliefs, Sandsteinornament, Glasmosaiken, farbige […] Terrakottareliefs“ haben, „soviel irgend Platz zu gewinnen war“1664. Lichtwark trat für funktional ausgerichtete, von innen nach außen konzipierte Museen ein, die er in einer „neue[n] schmigsame[n] Architektur ohne ausgesprochene Stilformen“ und ohne „Kultus der Fassaden“1665 sah.1666 Seine Haltung fasste er so zusammen: „Wenn dem Bedürfnis genug getan ist, mag man an Architektonischem verwenden, soviel man ohne Schaden vermag, aber die Architektur als Ausgangspunkt ist eine Anmaßung, wenn nicht eine Sünde“1667. Die theoretisch geforderten Innovationen konnten zunächst nur vereinzelt umgesetzt werden, da die Kuratoren abhängig von vorgesetzten Stellen waren und bereits bestehende Museen führten.1668 Frühe Bauten, die die genannten Ideen verwirklichten, waren die von Alfred Lichtwark geplante Erweiterung der Hamburger Kunsthalle (ab 1906, Bau 1912-19, Fritz Schumacher) und das bereits in Kapitel B. I. 12. b) genannte Museum of Modern Art (1936-39, Philip L. Goodwin, Edward D. Stone) in New York. Dessen neutrale, weiße Innenräume mit flexiblen Wänden wurden nach 1945 zum Vorbild für die Wiederherstellung der europäischen Museen.1669

1660 Ernst Grosse: Die Aufstellung und die Bezeichnung in Kunstmuseen, in: Centralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen (Hrsg.): Schriften der Centralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen 25 (1904) 122-125, 125. 1661 Alfred Lichtwark: Museumsbauten, in: Centralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen (Hrsg.): Schriften der Centralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen 25 (1904) 115-121, 116. Der Text entstand als Vortrag für einen Kongress 1903. Dibbern 1980, 114-117, 114. Eine leicht abgewandelte Fassung ist publiziert in: Alfred Lichtwark: Museumsbauten, in: Wolf Mannhardt: Alfred Lichtwark – Eine Auswahl seiner Schriften 2, Berlin 1917, 173-184. 1662 Lichtwark 1904, 116. 1663 Lichtwark 1904, 117. 1664 Lichtwark 1904, 117. 1665 Lichtwark 1904, 118. 1666 Vgl. Dibbern 1980, 114-117. 1667 Lichtwark 1904, 119. 1668 Preiß 1992, 159; Sheehan 2002, 266. 1669 Dibbern 1980, Abb. 37; Preiß 1992, 87-89, 87; Joachimides 2001, 246-249; Gordon Kantor 2002, 215, 315. 285

Bis in die 70er Jahre nahmen die Museen eine anti-monumentale Haltung ein, die „in Abkehr von den geschichtlichen Katastrophen auf Repräsentativität, Pathos und historische Bezüge verzichtete“1670. Die Kunstschaffenden selbst traten in den 70er und 80er Jahren für neutrale, zurückhaltende Ausstellungsräume ein. Georg Baselitz umschrieb 1977 in einem Vortrag ein Museum als „Bewahrort von Kunstwerken“, der „geschlossene […] Wände, wenig Türen […], Oberlicht, keine Stellwände, keine Fußleisten, keine Sockel, keine Paneele, keine reflektierenden Fußböden und auch keine Farben“1671 habe. „Der Museumsbauer“ sollte „keinen Beitrag leisten“, die „Qualität“1672 des Kunstwerks zu beeinflussen. 1986 nannte Rémy Zaugg das Museum „Ort des Werkes und des Menschen“1673. Er sah es als einen Ort, der eine Begegnung des Menschen mit der autonomen Kunst ermöglichen solle, und führte aus: „Also muß dieser Ort das Werk der Wahrnehmung darbieten und den Menschen das Werk wahrnehmen lassen. Hier beginnt und endet die Funktion, die der Ort des Werkes und des Menschen auszuüben hat“1674 Ähnlich wie Baselitz sieht er im Museum einen dienenden Vermittlungsort, dessen Funktion sich auf die Aufgabe des Dienens begrenzt. Zeitgleich zu den theoretischen Äusserungen entwickelte sich eine vielfältige Museumslandschaft, die den oben aufgeführten Forderungen kaum entsprach. „Architektonische Ambitioniertheit“ und „formale Opulenz“1675 nahmen ab den 80er Jahren wieder zu, was das Museum Abteiberg (1972-82), die Neue Staatsgalerie Stuttgart (1979-84) [Abb. 256] und das Guggenheim Museum Bilbao (1991-97) verdeutlichen.1676 Als Gegenbewegung entstanden in den 90er Jahren zurückgenommene Museen, die sich von den opulenten und ʺüber-designtenʺ Vorgängern distanzierten: das Museum Stiftung Hombroich (ab 1982, s. Kapitel B. I. 5.), das Kirchner Museum, die Sammlung Goetz/München (s. Kapitel B. II. 2.), oder das Kunsthaus Bregenz (s. u.a. Kapitel B. I. 2. und 8. c).1677 Als Beispiele der Vorstellung von einem Museum als neutrale Hülle für die Kunst können diese stilistisch reduzierten Bauten dennoch nicht unbedingt gelten. Peter Zumthor äusserte sich zum Kunsthaus Bregenz er wolle, dass „Architektur als eine eigene Sprache erfahrbar wird“1678 und er sei dagegen, dass „Museumsarchitektur sich zurücknimmt auf einen weissen

1670 Frank Maier-Solgk: Neue Museen in Europa – Kultorte für das 21. Jahrhundert, München 2008, 10. 1671 Georg Baselitz: Bilderbude, in: Edelbert Köb (Hrsg.): Museumsarchitektur – Texte und Projekte von Künstlern, Köln 2000, 10-15, 12, 14. 1672 Baselitz 2000, 12. 1673 Rémy Zaugg: Die unumgängliche Propädeutik, in: Edelbert Köb (Hrsg.): Museumsarchitektur – Texte und Projekte von Künstlern, Köln 2000, 134-139, 138. 1674 Zaugg 1998, 15. 1675 Naredi-Rainer 2004, 28. 1676 Flagge 1985, 23; Greub 2006, 9. 1677 Newhouse 1998, 39, 58; Desmoulins 2005, 123, 124; Naredi-Rainer 2004, 196. 1678 Mack 19992, 103. 286

Raum, der mit Gipsplatten und Dispersion ausgekleidet ist“1679. Seine Äusserungen zeigen, dass formale Zurückhaltung nicht gleichgesetzt werden kann mit Neutralität. Auch die Museen von Gigon/Guyer verdeutlichen, dass eine dienende Haltung in der Museumsarchitektur nicht zu rein funktionalen Hüllen ohne gestalterischen Anspruch und eigenständige Sprache führen muss. Gerade die Balance dieser Divergenzen macht die Qualität ihrer Arbeiten aus.

II. Die Anpassung eines Baus an den Genius loci als ʺVerortungʺ durch Motiv-, Material- und Farbwahl

Die ʺVerortungʺ eines Gebäudes, d. h. seine Einpassung in den spezifischen Kontext, ist eine weitere Idee, die für Annette Gigon und Mike Guyer zentral ist.1680 Annette Gigon bemerkte:

„Der Ort ist sehr wichtig für unsere Arbeit. Die Bezugnahme kann auf verschiedensten Ebenen geschehen. Manchmal sind Bezüge zur örtlichen Bautradition unausweichlich und werden […] durch eine Baugesetzgebung auferlegt […] [s. Galerielager Wichtrach, Anm. d. Verf.]. Häufig sind es aber wir, die Ortsbezüge herauszuschälen versuchen, um die Gebäude zu verorten. Das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, ist ein Beispiel dafür. Dort haben wir versucht, auf die Kleinteiligkeit der Landschaft zu reagieren, indem wir einen stark zergliederten Baukörper schufen […].[…] Obwohl um ein x-faches größer und eine andere Materialität aufweisend, erinnern die überschuppten Bleche aber auch an die traditionelle Bauweise mit kleinen Holzschindeln. Der ungewöhnlichste und gleichsam direkteste Ortsbezug findet sich beim archäologischen Museum und Park in Bramsche-Kalkriese […]. Der Ort ist dort nicht nur Bauplatz und Kontext, sondern bildet den eigentlichen Grund der Bauaufgabe. […] Sämtliche baulichen Eingriffe […] sind in Stahl ausgeführt. […] [Er] datiert den zeitgenössischen Eingriff. Er verweist aber nichtsdestotrotz auf die kleinteiligen, metallischen Gegenstände […], die aus römischer Zeit geborgen wurden. Schließlich vermitteln die verschiedenen Materialzustände […] den Aspekt des Zeitlichen, des Vergänglichen.“1681

Der Ort kann somit ein Ausgangspunkt der Konzeptfindung sein. Form, Motive, Materialien und Farbe tragen dazu bei, den Bau in seinen Kontext einzubinden. Speziell zur Wahl der Farbe bemerkte Annette Gigon sie sei „ein wichtiges Instrument, die Gebäude zu verorten – mal als Mittel zur Individualisierung […] mal als ungewöhnliches Verfahren zur Adaption […] mal als Erweiterung der Stimmung des Außenraums […]“1682. Beispiele für ortsbezogene Motiv-, Material- und Farbwahl sind die SOR mit ihrer beschleunigten Patinierung und die Sammlung Albers-Honegger mit ihrer anpassenden und zugleich hervorhebenden Farbe. Wie im Zitat angeklungen realisierten Gigon/Guyer auch

1679 Mack 19992, 103. 1680 Hagen Hodgson 2007, 40. 1681 Hagen Hodgson 2007, 40. 1682 Bürkle 2010, 99. 287 beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, durch die Sheds einen Bezug zum Ort. Regionale Motive oder Materialien sind beim Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, (schindelartige Fassadenverkleidung) und dem Entwurf für das Nationalparkzentrum in Zernez (vorgesetzte Fassade und Dachbelag aus regionalem Stein) zu finden.1683 Eine Verbindung des Gebäudes mit den Voraussetzungen des Standorts ist zudem die Berücksichtigung klimatischer Besonderheiten und lokaler Lichtverhältnisse wie bei der Oberlichtkonstruktion in Davos und der Farbkonzeption der Sammlung Albers-Honegger. Einen speziellen ʺOrtsbegriffʺ verwandten die Architekten im Zusammenhang mit der SOR: Durch das "alchimistische Experiment" der Patinierung habe man eine Anpassung an den Genius loci der Villa Römerholz erzielen wollen.1684

Nur wenige Publikationen befassten sich bisher mit dem Ortsbezug in der Architektur. Massimo Birindelli untersuchte 1987 die „Ortsbindung“1685 des Petersplatzes durch eine Analyse geometrischer Kontextbeziehungen. Tomáš Valena stellte 1994 eine „Phänomenologie“1686 des Ortes auf und beschrieb Faktoren, die sein Wesen ausmachen (Topografie, Wasser, Vegetation, Wetter, Geschichte u.ä.).1687 In der zweiten Hälfte seiner Publikation diskutierte er die Berücksichtigung des Ortsbezugs von der Antike bis in die Gegenwart unter Nennung zahlreicher Beispiele, die er teilweise auch mit Textquellen belegte.1688 In einer kurzen Passage ging Frank Maier-Solgk 2008 auf aktuelle Museen ein, die den Kontextbezug „ausdrücklich artikulieren“1689. Seine Hinweise werden am Ende des Kapitels einbezogen. Der „Genius loci“ wurde ebenfalls noch nicht ausreichend kunsthistorisch bearbeitet. Christian Norberg-Schulz befasste sich 1982 mit einer Phänomenologie des Ortes, den er in die Kategorien „vom Menschen geschaffener, artifizieller Ort“1690 und „natürlicher Ort“1691 einteilte. Trotz Nennung zahlreicher Beispiele ist seine Arbeit keine kunsthistorische Untersuchung auf der Basis von Quellen, sondern ein philosophisch-phänomenologische Annäherung, die auf visuellen Eindrücken basiert.

1683 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1684 A.A. 20002, 78. 1685 Massimo Birindelli: Ortsbindung – Eine architekturkritische Entdeckung – Der Petersplatz des Gianlorenzo Bernini, Braunschweig 1987. 1686 Tomáš Valena: Beziehungen – Über den Ortsbezug in der Architektur, Berlin 1994, 28. 1687 Valena 1994, 51f. 1688 Valena 1994, 81-149. 1689 Maier-Solgk 2008, 12-15, 12. 1690 Christian Norberg-Schulz: Genius Loci – Landschaft – Lebensraum – Baukunst, Stuttgart 1982, 50. 1691 Norberg-Schulz 1982, 32. 288

Robert Josef Kozljanič bot 2003 in seiner philosophischen Dissertation zur „Kulturgeschichte und Phänomenologie des Genius Loci“ einen Überblick über die Entwicklung des Begriffs von der Antike bis in die Gegenwart.1692 Für einzelne Abschnitte seines Betrachtungszeitraums verwies er auf architektur- und kunsthistorische Beispiele und Textquellen. Exempel nannte er nur für die Gartenbaukunst des 18. Jh.s. Für das 19. Jh. verlagerte sich sein Interesse auf die Malerei bzw. die Literatur der Romantik und für den späteren Untersuchungszeitraum auf das Gebiet der Philosophie. Bezugnehmend auf Kozljanič kann angemerkt werden, dass der Begriff des Genius loci von der Antike bis heute einem starken Wandel unterzogen war.1693 Unter Genius loci – dem ʺGeist des Ortesʺ – soll hier eine ortsspezifische, singuläre und auszeichnende Atmossphäre verstanden werden, die durch konkrete (Topographie, Vegetation u.a.) und subjektive Faktoren (Stimmungen) erzeugt wird. Zahlreicher als zum Ortsbezug und zum Begriff des Genius loci sind Publikationen zum Konzept des „Regionalismus“: Mit diesem Begriff werden Bauten erfasst, die Bezüge zu den lokalen Besonderheiten und der Tradition einer Landschaft aufweisen: gemeint ist nach Valena „eine bewußte Übernahme regionaler Elemente […], um einer architektonischen Ordnung zu widerstehen, die man als universalisierend, fremd und unterdrückend empfindet“.1694 Überschneidungen zum Thema des Ortsbezugs liegen auf der Hand, jedoch umfasst der Begriff des Regionalismus großräumliche Bezüge und nicht nur einen konkreten Ort. Zudem beinhaltet er Fragen nach einem Regionalstil und einer regionalen Identität, was der stilunabhängige Ortsbezug nicht thematisiert. Früh finden sich Beispiele für ortsbezogene Bauten bei Kirchen an Stätten von Wundererscheinungen (z.B. beim Mont-Saint-Michel und anderen Michaelsheiligtümer) oder über Gräbern von Heiligen (u.a. bei St. Peter in Rom, in Santiago de Compostella).1695 Robert Josef Kozljanič fand für diese Phänomene den Begriff der „Überbauung“, womit er die

1692 Robert Josef Kozljanič: Der Geist eines Ortes – Kulturgeschichte und Phänomenologie des Genius Loci 1 und 2 (Diss. Darmstadt 2003), München 2004. 1693 Kozljanič 2004. 1694 Zitat aus: Valena 1994, 148. Literatur zum Regionalismus: Kenneth Frampton: Kritischer Regionalismus – Thesen zu einer Architektur des Widerstands, in: Adreas Huyssen/Klaus R. Scherpe (Hrsg.): Postmoderne – Zeichen eines kulturellen Wandels, Hamburg 1993, 151-171 (Erstveröffentlichung des Texts 1983); Catherine Slessor: Regionalismus in der modernen Architektur, Stuttgart 2000; Vicky Richardson: Avantgarde und Tradition – Die Architektur des kritischen Regionalismus, Köln 2001; Liane Lefaivre/Alexander Tzonis: Critical Regionalism – Architecture and Identity in a Globalized World, München 2003; Vincent B. Canizaro: Architectural Regionalism – Collected Writings on Place, Identity, Modernity and Tradition, New York 2007; Kenneth Frampton: Critical Regionalism – Modern architecture and cultural identity, in: Kenneth Frampton (Hrsg.): Modern Architecture – A critical history, London 2007 (1. Aufl. 1985), 314-327 [Frampton 20071]. 1695 Anton Henze: Rom und Latium (Reclams Kunstführer Italien 5), Stuttgart 1969, 356; Valena 1994, 83; Alejandro Barral/Ramón Yzquiero: Kathedrale von Santiago, Léon 2004, 14. 289 architektonische Auszeichnung eines Ortes meint, die sich über den Ort ordnet, nicht motivisch o.ä. auf ihn eingeht und bestehende Strukturen zerstört.1696 Für die Renaissance stellte Tomáš Valena eine Tendenz zu ideal geometrischen, in sich abgeschlossenen Entwürfen fest. In der Architekturtheorie seien keine Äusserungen über ʺKontextualitätʺ zu finden. Dennoch betonte er, die auf Leon Battista Alberti zurückgehende Auffassung der Schönheit als Harmonie der Teile in Bezug auf ein Ganzes weise auf die Berücksichtigung von Kontextbezügen zumindest im Bereich des Städtebaus hin.1697 Michelangelos Gestaltung des Kapitols von 1538 mit der mittigen Aufstellung des Reiterstandbilds Marc Aurels und dem zentrierenden Bodenbelag nennt er als Beispiel.1698 Geometrische Beziehungen zu bestehenden Bauten wurden auch für den Petersplatz (1656- 67, Gianlorenzo Bernini, Rom) untersucht.1699 Eine absichtsvolle Sichtbarmachung des ʺGenius lociʺ ist erstmals für die englische Gartenarchitektur belegt. So riet 1731 der Dichter Alexander Pope (1688-1744): „To build, to plant, whatever you intend, / To rear the Column, or the Arch to bend, / To swell the Terras, or to sink the Grot / in all, let Nature never be forgot. / Consult the Genius of the Place in all […]”1700. Unterschieden werden sollte für diese Epoche jedoch zwischen der Absicht, den ʺGeistʺ des jeweiligen Ortes zu unterstreichen, und der Absicht, die Gefühlswelt des Betrachters durch die Gestaltung der Umwelt auszudrücken. Auf einen wirklichen Ortsbezug zielte der Gartentheoretiker Christian C. L. Hirschfeld (1742-92) ab. Er riet, auf den „natürlichen Charakter einer Gegend“1701 einzugehen und auf seine Stimmung Rücksicht zu nehmen. Ausgangspunkt der Gestaltungen sollten die vorgefundenen Begebenheiten sein: Der Garten könne „nichts anderes seyn, als eine von der Kunst nachgebildete Gegend, zur Verstärkung ihrer natürlichen Wirkung“1702. Für Gottfried Semper sind ebenfalls Aussagen zur einer kontextbezogenen Stadtplanung dokumentiert (1842):

„Eine Verirrung des Geschmackes ist die rücksichtsose Verfolgung der geraden Linie, der […] Symmetrie […] bei der Anlage architektonischer Werke, die sich nicht nach den lokalen Umständen

1696 Kozljaničs Definition der „Überbauung“ bezieht sich vor allem auf die christliche Überbauung antiker Stätten. Kozljaničs 2004, 376f. 1697 Valena 1994, 90. 1698 Valena 1994, 93f., 95. 1699 Henze 1969, 359; Birindelli 1987, 114ff. 1700 John Dixon Hunt/Peter Willis: The Genius of the Place – The English Landscape Garden 1620-1820, London 1975, 212; Kozljaničs 2004, 206. 1701 Kozljaničs 2004, 220. 1702 Wolfgang Schepers: Hirschfelds Theorie der Gartenkunst 1779-1785 (Diss. Heidelberg 1978), Worms 1980, 15. 290 fügen sollen, sondern nach denen Berge sinken, Täler sich füllen und die Betten der Flüsse sich verändern müssen […]. Man soll das Werk dem Ort und den Umständen anpassen.“1703

Camillo Sittes Schrift „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ (1889) förderte eine ortsbezogene Architektur.1704 Weitere Protagonisten der ersten Hälfte des 20. Jh.s nahmen die Forderungen auf und führten sie fort.1705 Verwiesen werden soll auf Werke wie das Haus Fallingwater (1935-37, Mill Run/Pennsylvania) von Frank Lloyd Wright, der die Verwendung lokaler Materialien einführte, und die skandinavischen Vertreter einer kontextbezogenen Architektur: Gunnar Asplund und Alvar Aalto.1706 Kennzeichnend für diesen Entwicklungsabschnitt ist, dass nicht mehr nur topografische Besonderheiten berücksichtigt oder geometrische Bezüge (Sicht- oder Bezugsachsen) hergestellt wurden, sondern dass die Verbindung zum Ort durch materialmässige, inhaltliche oder zeichenhafte Analogien umgesetzt wurden, wie es später Gigon/Guyer versuchten. Beispielhaft sind das genannte Haus Fallingwater mit seinen wie die Stufen des nahen Bachs auskragenden Balkonen und seinen Natursteinmauern und Gunnar Asplunds Waldfriedhof in Stockholm, dessen Bauten je nach Lage auf dem Gelände eine unterschiedliche Architektursprache zeigen: die Waldkapelle (1918-20) mit ihrem geduckten Schindeldach und das in offener Hügellandschaft stehende Krematorium (1935-40) mit seiner aus schlanken Stützen bestehenden Vorhalle.1707 Ihnen folgten Aldo Rossi, Colin Rowe und Lehrende der ETH Zürich der 70er Jahre wie Bernard Hoesli, Franz Oswald oder Paul Hofer, die sich mit Kontextbezug vor allem im städtebaulichen Bereich auseinander setzten.1708 Die Idee des Ortsbezugs wurde zu einem „wesentlichen Grundelement zeitgenössischer Architekturtheorie und –praxis“1709, wobei hierzu auf Tomaš Valenas fundierte Ausführungen verwiesen wird. Im Folgenden soll diskutiert werden, wie das Thema in der Museumsarchitektur umgesetzt wurde. Hans Döllgasts Wiederaufbau (1946-57) der Pinakothek in München ist ein frühes Exempel für eine kontextbezogene Ergänzung.1710 Die zerstörte Südfassade schloss er mit einer Ziegelwand, die sich durch den beibehaltenen Rhythmus der Fensteröffnungen und durch angedeutete Gesimse an den Altbestand annähert. Den rekonstruierten

1703 Valena 1994, 105. 1704 Valena 1994, 107. 1705 Valena (1994, 107ff.) nennt weitere Architekten, die die Idee des Ortsbezugs aufnahmen und weiterführten. 1706 Valena 1994, 115f., 116ff., 119. 1707 Marian C. Donnelly: Architecture in the Scandinavian Countries, Cambridge/Massachusetts 1992, 307. 1708 Valena 1994, 140f-143. 1709 Valena 1994, 147. 1710 Valena 1994, 138f. 291

Fassadenabschnitt setzte er merklich zurück und nahm die historische Fassadendekoration nicht auf. Das bereits mehrfach genannte Louisiana Museum (Bau ab 1958) wurde zum Paradebeispiel einer die Stimmung des Orts mit seinem Altbau berücksichtigenden Museumsarchitektur, da es in einem locker bepflanzten Park unauffällig flache Glasbauten verteilte.1711 Diesem Konzept nahe steht das Museum Insel Hombroich (ab 1982), über dessen naturnahe Atmossphäre sein Gründer Heinrich Müller als das „Wesen der Insel“1712 spricht. Auch hier wurden kleinmaßstäbliche Pavillons aus naturnahem Material (Klinker) auf dem Gelände verteilt.1713 Ähnlich wie Gigon/Guyer bei der SOR wählte Sverre Fehn bei dem bereits genannten Gletscher Museum (1988-91) in Balestrand/Norwegen eine Material-Analogie: Er mischte Sand des nahgelegenen Flusses in den Beton und machte so den ʺOrtʺ zu einem Teil des Gebäudes.1714 Auch das bereits aufgeführte Shimosuwa Museum (1993, Nagano/Japan, Toyo Ito, s. Kapitel B. II. 5) nahm Qualitäten seines Standort an einem See durch Materialien (Glas und schimmernder Stahl), fliessende Formen und einen Brunnen im Foyer auf.1715 Eine kontextbezogene Form des Baukörpers fand Rafael Moneo für das Moderna Museet (1995-97) auf der heterogen bebauten Stockholmer Insel Skeppsholmen.1716 Auf das „Murmeln des Ortes“1717 lauschend, passte er die Größe des Baus und die Oberlichter an die kleinteilige Umgebung an: Die „fragmentierte Konstruktion des Gebäudes“ sollte das „fragmentierte Muster der Insel und ganz Stockholms übernehmen“1718. Verwiesen werden soll auf die von Frank Maier-Solgk genannten Beispiele, die auf Bestandsbauten, städtebauliche Begebenheiten oder Motive der Umgebung eingehen.1719 So stellten Herzog & de Meuron beim Schaulager (2000-03) in Basel dadurch einen Ortsbezug her, dass der Aushub des Grundstücks dem Beton der Fassaden beigemischt wurde [Abb. 249].1720

1711 Brawne 1965, 80ff.; Jensen 1991, 80. 1712 Braun 2008, 69. 1713 Desmoulins 2005, 123f. 1714 Montaner 1995, 184; Fjeld 2009, 247. 1715 Donzel 1998, 86-93. Internetseite http://www.kikukawa.com/en/product/400article/100exterior/post-9.html [Stand 13. September 2013]. 1716 Mack 19992, 64. 1717 Mack 19992, 65. 1718 Mack 19992, 65. 1719 Maier-Solgk 2008, 12-14. 1720 Maier-Solgk 2008, 13. 292

Abschließend kann festgehalten werden, dass die Idee des Ortsbezugs im Bereich der Museumsarchitektur vielseitig variiert wird. Die Mittel, die verwandt werden, sind formale (geometrische, Form- oder Größenbezüge) und motivische Bezüge (vor allem Farb- und Materialanalogien). Im Vergleich zu den Arbeiten von Gigon/Guyer sind vor allem die Materialbezüge aufschlussreich. In den vorangegangenen Beispielen (Gletscher Museum und Schaulager) wurden konkrete ʺInkorporationenʺ des Orts in den Bau realisiert, anstatt der für die SOR charakteristischen subtilen Materialanpassung, die sich genauso wie der Altbau der Villa Römerholz mit dem Lauf der Zeit verändert.

III. Die ʺDNA der Aufgabeʺ als Ausgangspunkt des Entwurfs

Mehr als motivische oder stilistische Merkmale haben die Museen von Gigon/Guyer eine Idee gemeinsam: die Vorstellung, das Konzept des Entwurfs aus der Aufgabe und dem Ort heraus zu entwickeln und dabei wie bei der Suche nach der ʺDNA des Projektsʺ vorzugehen. Annette Gigon bemerkte hierzu: „Verlässlich schien uns einzig die Regelhaftigkeit eines einzelnen Entwurfs, d.h. die Konzeption jeweils neu zu finden, die DNA einer Aufgabe gewissermassen neu zu entwickeln.“1721 Mike Guyer fügte hinzu: „Heute noch betrachten wir jede Aufgabe als ein Experimentierfeld, in dem wir versuchen, etwas Neues zu finden.“1722 Auch im Interview mit Niklas Singstedt 2011 betonte Annette Gigon, dass es keine lineare Entwicklung und keinen typischen Stil von Gigon/Guyer gebe. Jedes Projekt würde als neue Aufgabe verstanden und aus seinen eigenen Bedingungen heraus entwickelt.1723 Aus der Entwurfsidee des aus der ʺLogik der Aufgabeʺ1724 entwickelten Projekts ergab sich die Vielfältigkeit des Oeuvres von Gigon/Guyer. Nur schwer lassen sich die Bauten nach stilistischen Kategorien ordnen. In einem Bau können gegensätzliche Elemente vereint sein. Ein Material, das an einem Museum perfekt funktionierte, wird beim nächsten Entwurf nicht mehr angewandt. Exempel für gegensätzliche, aber dennoch in der ʺLogik der Aufgabeʺ begründete Motive sind die Materialität der Innenräume in Davos (Galerieräume/Verkehrszone) oder die am Außenbau kostengünstige und in den Innenräumen hochwertige Lösung für das Provisorium in Winterthur (Umschreibung als

1721 Bürkle 2010, 99. Ähnlich war auch die Aussage im Interview mit Mirko Beetschen (2010, 50). 1722 Bürkle 2010, 99. 1723 Singstedt 2011 [Onlinepublikation ohne Paginierung]. 1724 Vgl. die Umschreibung von Hubertus Adam und Wilfried Wang (2000, 9): „logic of the problem“. 293

„Janusgesicht“1725). Materialkonzepte, die sich aus den Begebenheiten eines Projekts entwickelten und den örtlichen Besonderheiten gerecht wurden, kamen beispielsweise bei der SOR oder dem Museum und Park Kalkriese zum Einsatz. Im Weiteren möchte ich die Vorstellung von der „Logik der Aufgabe“ als Ausgangspunkt des Entwurfs diskutieren und vergleichbare Strategien vorgestellen. Bisher wurde der Entwurfs- oder Schaffensprozess in der Architektur kaum erforscht. Das Fehlen von veröffentlichten Textquellen zu diesem Thema und die spärliche Sekundärliteratur lassen es nicht zu, eine so spezifische Idee grundlegend zurückzuverfolgen. Es überwiegen technisch ausgerichtete Lehrbücher über das Entwerfen für Studierende der Architektur, wie das Standardwerk von Ernst Neufert, der den künstlerisch schöpferischen Anteil der Architektenarbeit kaum thematisierte.1726 In neuerer Zeit kamen Lehrbücher hinzu, die kreative Prozesse und Techniken systematisch beschrieben.1727 Nur vereinzelt wurden der Entwurfsprozess und seine ideellen Hintergründe architekturtheoretisch und -historisch untersucht. 2003 erschien eine Aufsatzsammlung zu „Praxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozess“, die verschiedene künstlerische Gattungen abdeckte. Sie enthielt einen Aufsatz von Adrian von Buttlar über „Entwurfswege in der Architektur“.1728 Der Autor stellte darin Entwurfsideen von Vitruv bis Mies van der Rohe vor. 2009 erschien dieser Aufsatz noch einmal im Sammelband „Entwerfen – Architektenausbildung in Europa von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts“, der weitere architekturhistorische Beiträge zur Entwurfslehre im Mittelalter und der frühen Neuzeit enthielt.1729 Einen breiteren Ansatz verfolgte Christian Gänshirt in seiner Dissertation an der Technischen Universität Cottbus, die 2011 in leicht abgewandelter Version noch einmal als lehrbuchartige Publikation veröffentlicht wurde.1730 Beide Schriften von Gänshirt enthalten einen detaillierten Literaturbericht. Die Vorstellung, die Form liege im Material verborgen, kann bereits bei Michelangelo (1475-1564) gefunden werden. Um 1538-40 formulierte der auch als Dichter tätige Künstler in einem Sonett:

1725 Gigon/Guyer 2000, 30. 1726 Ernst Neufert: Bauentwurfslehre – Grundlagen – Normen und Vorschriften über Anlage, Bau, Gestaltung, Raumbedarf, Raumbeziehungen, Maße für Gebäude, Räume und Geräte mit dem Menschen als Maß und Ziel – Handbuch für den Baufachmann, Bauherrn, Lehrenden und Lernenden, Braunschweig 199233 (1. Aufl. 1936). 1727 Bert Bielefeld: Basics Entwurf, Basel 2013 (1. Aufl. 2011). 1728 Adrian von Buttlar: Entwurfswege in der Architektur, in: Gundel Mattenklott/Friedrich Weltzien (Hrsg.): Entwerfen und Entwurf – Praxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozess, Berlin 2003, 127-148. 1729 Ralph Johannes: Entwerfen – Architektenausbildung in Europa von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts, Hamburg 2009. 1730 Christian Gänshirt: Werkzeuge des Entwerfens – Untersuchungen zur Praxis und Theorie entwerfenden Handelns (Diss. Cottbus 2007), Basel 2008; Christian Gänshirt: Werkzeuge für Ideen – Einführung ins architektonische Entwerfen, Basel 2011. 294

„Non ha l`ottimo artista alcun concetto, Ch`un marmo solo in sè non circoscriva Col suo soverchio, e solo a quello arriva La man, che ubbidisce all`intelletto. […]”1731

Neben dem Zitat verdeutlichen Werke wie die Pietà Rondanini (1553-64) Michelangelos Vorstellung, die Form sei bereits im Block gefangen und müsse durch die Hand des Meisters, geführt von seinem Geist, herausgeschält werden.1732 Verwandt damit ist die Idee von Gigon/Guyer die Form bzw. das Konzept liege in der Natur der Sache und müsse vom Künstler herausgearbeitet werden. Eine weitere Parallele findet sich bei dem Architekten und Hochschullehrer Friedrich Ostendorf (1871-1915). 1913 hielt er in seiner „Theorie des architektonischen Entwerfens“ fest, das Entwerfen sei „das Suchen nach der einfachsten Erscheinungsform für ein Bauprogramm. […] Wo immer etwas Großes entstanden ist, da findet sich auch diese Auffassung […] bestätigt: Der griechische Tempel, das Kollosseum, der Chor des Kölner Domes […]. Jeder dieser Bauten stellt eine auf eine einfachste Erscheinungsform gebrachte künstlerische Idee dar.“1733 Die in Ostendorfs Feststellung enthaltene Ansicht, der Entwurf solle eine konzentrierte, auf den Punkt gebrachte Lösung der gestellten Aufgabe sein, verbinden ihn mit der eingangs vorgestellten Idee der ʺDNA der Aufgabeʺ von Gigon/Guyer. Die Auffassung, dass die Aufgabe die Entwurfslösung in sich selbst berge, vertrat auch Louis Kahn (1901-1974). Er formulierte 1959: „Es ist die Aufgabe des Architekten, aus der ureigensten Natur der Dinge – wie er sie versteht – zu schöpfen, um zu sehen, was das Ding sein will.“1734 Verbindend mit Gigon/Guyer ist die Sichtweise, die ʺLogik der Bauaufgabeʺ würde den Entwurf hervorbringen. Kahns Formulierung der „Natur der Dinge“ scheint vergleichbar mit der „DNA“, der grundlegenden Struktur der Aufgabe, bei Gigon/Guyer. Eine Nähe zur Auffassung von Gigon/Guyer zeigt zudem seine Aussage von 1970, dass „jedem Bauwerk ein logisches System zugrunde liegen sollte, das sich aus dem Baustoff, der Ästhetik und den Ausführungsbedingungen ergibt“1735. Seine Vorstellung von

1731 „Der beste Meister kann kein Werk beginnen, das nicht der Marmor schon in sich umhüllt, gebannt in Stein, jedoch das Werk erfüllt die Hand, sie folgt dem Geist und seinem Sinnen. […]“. Zitat und Übersetzung aus: Edwin Redslob: Michelangelo – Sonette, Berlin 1948, 144-145. 1732 Vgl. Robert J. Clements: Michelangelo`s Theory of Art, New York 1961, 23-31; Buttlar 2003, 109; Rolf Toman: Die Kunst der italienischen Renaissance, Potsdam 2007, 227. 1733 Friedrich Ostendorf: Sechs Bücher vom Bauen – Theorie des architektonischen Entwerfens – Band 1 – Einführung, Berlin 1913, 12. 1734 Eeva-Liisa Pelkonen: Die Entdeckung der kognitiven Dimension der Architektur, in: Mateo Kries/Jochen Eisenbrand/Stanislaus von Moos (Hrsg.): Louis Kahn – The Power of Architecture (Kat. Vitra Design Museum Weil am Rhein), Weil am Rhein 2012, 133-148, 136. 1735 Réjean Legault: Louis Kahn und das Eigenleben des Materials, in: Mateo Kries/Jochen Eisenbrand/Stanislaus von Moos (Hrsg.): Louis Kahn – The Power of Architecture (Kat. Vitra Design Museum Weil am Rhein), Weil am Rhein 2012, 219-234, 228. 295 einem ausgewogenen Zusammenspiel von Material, Ästhetik und Aufgabe ist verwandt mit den Aussagen von Gigon/Guyer. Auch seine Auffassung von der Schlüssigkeit eines Entwurfs von 1973, die er im Begriff der „sensible form“ auf den Punkt brachte, kann herangezogen werden:

„If you think of an ax, you have a cutting edge, a large heavy end, and a handle. Take away one of these elements and you no longer have an ax. This is the sensible form; it is the same sense which the inseparable parts possess. But your project will be a failure if you do not make the blade sharp enough because you used inferior material, if you do not have sufficient weight because you used plastic, or if you have such a short handle that you cannot cut down trees. The concept that there should be a heavy end, a sharp blade, and a handle is the realization of the form.”1736

Seine Umschreibung der „sensible form“ einer Axt, könnte durch den Begriff der ʺDNA der Axtʺ ersetzt werden. Eine wieder naturhafte Auffassung vom Wesen der Dinge, die Gemeinsamkeiten mit Gigon/Guyer aufweist, äusserte Peter Zumthor (*1943) 1988: „Sich mit den Eigengesetzlichkeiten von konkreten Dingen wie Berg, Stein, Wasser auf dem hintergrund einer Bauaufgabe zu befassen, birgt die Möglichkeit in sich, etwas vom ursprünglichen […] Wesen dieser Elemente zu fassen […] und eine Architektur zu entwickeln, die von den Dingen ausgeht und zu den Dingen zurückkehrt. Vorbilder und stilistisch vorgefertigte Formvorstellungen können den Zugang hier nur versperren.“1737 Vergleichbar mit Gigon/Guyer sind hier vor allem die Hinweise, dass stilistische Kategorien hinderlich und dass der Ausgangspunkt das Ding bzw. die Bauaufgabe selbst sein solle. Ähnlich wie Kahn und Gigon/Guyer zielt Zumthor auf eine „Identität von Ort und Material, Bauaufgabe und Zweck“1738, d.h. auf eine individuelle und doch universelle Lösung des gestellten Problems, die nicht allein die Funktion in den Mittelpunkt stellt. Die Suche nach der ʺDNA der Aufgabeʺ durch Gigon/Guyer führte die Architekten zu ihren Versuchen, die vielfältigen Anforderungen an ein Gebäude in einer Lösung zu vereinen: In der Museumsarchitektur können dies museale Nutzungsanforderungen, alltägliche Funktionen als stadtbildprägende Bauten, ästhetische Qualitäten, inhaltliche und materialmässige Vorgaben und Bezüge sein. Meine Arbeit sollte verdeutlichen, dass die Lösungen dieser Aufgaben im Werk von Gigon/Guyer zwar durchaus verschieden, aber immer aus ihrer eigenen Logik heraus entwickelt sind.

1736 Christian Bonnefoi: Louis Kahn and Minimalism, in: Oppositions 8 (1981) 2-25, 13. 1737 Peter Zumthor: Architektur denken, Baden 1998, 30. 1738 Peter Sack: Über Peter Zumthors Art zu entwerfen, also zu denken, in: Architekturgalerie Luzern (Hrsg.): Peter Zumthor – Drei Konzepte (Kat. Architekturgalerie Luzern), Basel 1997, 69-76, 74. 296

D. Katalog der Entwürfe aus Wettbewerben für Museen und Ausstellungsbauten

1. Diözesanmuseum Kolumba, Köln (1997)

Im Dezember 1996 wurde vom Erzbistum Köln ein Wettbewerb für ein Diözesanmuseum ausgelobt [Abb. 263-265].1739 Der in der Kölner Innenstadt gelegene Museumsbau sollte die Reste der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kirche St. Kolumba und die auf ihren Ruinen erbaute Kapelle „Maria in den Trümmern“ (1947-50, Gottfried Böhm) integrieren.1740 Zum Wettbewerb waren Carlo Baumschlager/Dietmar Eberle, Lochau/Österreich, Ben van Berkel/Van Berkel & Bos/Amsterdam, David Chipperfield Architects/London, Christoph Mäckler/Frankfurt, Paul Robbrecht/Hilde Daem/Gent, Peter Zumthor/Haldenstein, Annette Gigon/Mike Guyer sowie Architekten des Erzbistums Köln eingeladen.1741 Gigon/Guyer entwarfen ein Museum, das die Ruinen der Kirche St. Kolumba und die Kapelle von Gottfried Böhm in einem Innenhof erhielt. Die Fassaden des Museums sollten die Langhauswände der Kirche St. Kolumba ʺaufmauernʺ, um den historischen Kirchenbau in den Wandscheiben der Außenwände sichtbar zu erhalten.1742 Der Entwurf besteht aus einem viergeschossigen, blockhaften Gebäude mit unregelmäßig siebeneckigem Grundriss, der durch zwei große und drei kleine Lichthöfe gegliedert ist. Der größte, im Gebäudekern liegende Hof umschließt die Kapelle „Maria in den Trümmern“ und die Ausgrabung. Er wird in seinem nördlichen Drittel von einem Ausstellungssaal brückenartig überbaut und öffnet sich nach oben über mehrere Lichthofschächte frei zum Himmel. Der Besucher kann auf Erdgeschossniveau die Kapelle und die Ausgrabung durchwandern, gleichzeitig leiten die Lichthöfe Tageslicht in die Ausstellungsgeschosse, die in viele kleine Räume mit Seiten- oder Oberlicht (4. OG) aufgeteilt sind. Um den quadratischen Lichthof westlich des Hauptvolumens sind die Nebenräume gruppiert.

1739 Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, 24, 27, 129-139, 199, 213; Bürkle 20001, 267-273. Literatur zu St. Kolumba: Eduard Hegel: St. Kolumba in Köln – Eine mittelalterliche Großstadtpfarrei in ihrem Werden und Vergehen (Studien zur Kölner Kirchengeschichte), Siegburg 1996; Gigon/Guyer 2012, 576. 1740 Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, 90-112. 1741 Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, 91ff. 1742 Der Begriff ʺaufmauernʺ drückt aus, dass die Konstruktion des Museums eigentlich aus tragenden Betonscheiben bestehen sollte, die mit schwarzem, teils opakem teils durchbrochem Klinkermauerwerk verkleidet werden sollten. Bürkle 20001, 267; Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 297

Unter den 167 eingereichten Entwürfen erhielt Gigon/Guyer den zweiten Preis.1743 Im Bericht der Beurteilungskommission wurden die „die Geschichtlichkeit des Ortes aufgreifende, sich ruhig behauptende Erscheinungsform“ des Museumsbaus und die „achtende und bewahrende Integration“1744 der Ruinen und der Kapelle gelobt.1745

2. Erweiterung Kunsthaus, Aarau/Aargau (1997)

Zur Erweiterung des Kunsthauses in Aarau entwarfen die Architekten einen halbunterirdischen Bau [Abb. 266-268].1746 Westlich des Kunsthauses schließt ein mit mattierten Glasbausteinen belegter Platz an, unter dem sich die versenkten Ausstellungsräume befinden. Über einem Drittel des Platzes erhebt sich oberirdisch eine bereits bestehende Erweiterung (1956-59) von den Architekten Hans Loepfe, Otto Hänni & Oscar Haenggli.1747 Der rechteckige, zweigeschossige Kastenbau beinhaltet ein Foyer mit Café und Platz für Wechselausstellungen. Über eine zweifach gewundene Wendeltreppe wird der Besucher in den unterirdischen Erweiterungsbau von Gigon/Guyer geleitet. Er hat im 1. UG einen fast quadratischen Grundriss, der in sechs parallele Reihen kleinformatiger, rechteckiger Ausstellungsräume in Enfilade eingeteilt ist. Die drei Reihen Ausstellungsräume unter dem Altbau müssen künstlich belichtet werden. Die Säle der restlichen drei Reihen erhalten Oberlicht durch die Glasbausteine des Platzes.1748 Im 2. UG liegen Depoträume. Die Belichtung der unterirdischen Oberlichträume erfolgt durch mattierte, begeh- und befahrbare Gläser. Um klimatische Extreme im Sommer und Winter zu vermeiden, sollten die Glasbausteine mattiert sein und auf einzelne Flächen über den Ausstellungssälen beschränkt werden. Die Restflächen werden mit Steinplatten belegt. Unterhalb der gläsernen Quadrate leiten trichterförmige Verkleidungen das Licht auf die Staubdecken der Ausstellungsräume. Die Staubdecke besteht aus mit feinen Metallprofilen gerahmten, geätzten Gläsern. Ausgestattet sind die Räume mit weißen Wänden und steinernem Fußboden.1749

1743 Den ersten Preis erhielt Peter Zumthor. Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, 215, 178-184. 1744 Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, 129. 1745 Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, 129ff. 1746 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner; Adam 2004, 4; Gigon/Guyer 2012, 576. 1747 Michael Hanak: Architektur für die Kunst – Die Genese des Aargauer Kunsthauses in Aarau, in: Stephan Kunz/Gerhard Mack/Beat Wismer (Hrsg.): Ein Kunst Haus – Sammeln und Ausstellen im Aargauer Kunsthaus, Aarau 2007, 255-263, 57, 261. 1748 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1749 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 298

3. Kunsthalle Adolf Würth, Schwäbisch-Hall (1997)

1997 beteiligten sich Gigon/Guyer am Wettbewerb für eine Kunsthalle in Schwäbisch Hall [Abb. 269-271].1750 Gegenüber der Altstadt, auf der anderen Seite des Flusses Kocher, sollte die Kunsthalle in Nachbarschaft zu einer zum Kulturzentrum umgewidmeten Brauerei entstehen. Der Bauplatz wurde durch eine Tiefgarage vorgegeben, die als Fundament der Kunsthalle dienen sollte. Die Umgebung wird durch Fachwerkbauten und die Kirche St. Katharina geprägt. Gigon/Guyer entwarfen einen stereometrischen Kubenbau mit langrechteckigem Grundriss. Der Baukörper erhöht sich im Norden über etwa einem Viertel der Grundfläche treppenartig von zwei- auf drei Geschosse. Die großen im Grundrissrechteck quergestellten Ausstellungssäle sollten rote Klinkerböden, schlichte weiße Wände, schmucklos eingeschnittene Durchgänge und matte, gläserne Oberlichtdecken haben. In Anlehnung an die benachbarte Brauerei sollten die Kunsthalle und der Umgebungsbereich aus rotem Backstein bestehen. Als „feine Differenzierung“ und „Ausdehnung des gläsernen Glanzes der Fenster über die opake Fassadenoberfläche hinweg“1751 sollten die Steine der Fassaden glasiert werden.1752 Der Entwurf von Gigon/Guyer erhielt im Wettbewerb den 2. Preis.1753

4. Kunstmuseum Vaduz/Liechtenstein (1997)

Der Entwurf für ein Kunstmuseum aus dem Jahr 1997 zeigt einen gelängten Rechteckbau auf einem leicht abfallenden Bauplatz im Stadtkern von Vaduz [Abb. 272- 274].1754 An seinen Schmalseiten ist das Grundstück durch zwei Straßen begrenzt: nach Norden durch eine Durchfahrtsstraße, nach Süden, zum Berg hin, durch die Hauptgeschäftsstraße. Seitlich wird es durch die Umgebungsbebauung begrenzt. Das Museum wurde von Gigon/Guyer als zweigeschossige Box mit einer Halb- und einer Vollsouterrainebene entworfen. Es steht auf einem die Hangneigung ausgleichenden Sockel, der bergseitig in eine die gesamte Gebäudebreite einnehmende Freitreppe ausläuft. Im Aufriss ist der Bau in zwei Zonen geteilt, die der Geschosseinteilung entsprechen. Das Erdgeschoss ist rundum verglast. Die hochrechteckigen Glasfelder sind an der Hauptfassade

1750 Bürkle 20001, 274-279; A.A.: Kunsthalle Adolf Würth – Schwäbisch Hall, in: Wettbewerbe Aktuell 2 (1998) 53-59, 56f. [A.A. 19981]; Gigon/Guyer 2012, 576. 1751 Bürkle 20001, 277. 1752 Bürkle 20001, 277. 1753 Bürkle 20001, 379. 1754 Bürkle 20001, 286-291; Gigon/Guyer 2012, 577. 299 klar. An den restlichen Gebäudeseiten sind sie geätzt. Nur einzelne Zwillingsbahnen sind klar belassen. Das Obergeschoss ist geschlossen. An allen Gebäudeseiten steigen die Fassaden als ungegliederte Flächen bis zum oberen Abschluss des Gebäudes auf. Im Vollsouterrain liegen Parkplätze und Technikräume, im Sockel die Administration und eine Bibliothek. Im Erdgeschoss sind in dem auf den Eingang folgenden ersten Drittel der Grundfläche das Foyer mit Empfangstresen, ein Büchershop sowie ein Café untergebracht. Anschließend trennen der Lift und das die gesamte Gebäudebreite einnehmende Treppenhaus die Nutzfunktionen im vorderen Bereich von der restlichen Fläche, die als Ausstellungssaal genutzt wird. Im Obergeschoss bleibt die Trennung durch die vertikale Erschließung bestehen. Das eingangsseitige Drittel des Grundrissrechtecks wird von einem ungegliederten Quadratsaal ausgefüllt. Die rückseitige Fläche ist in zwei gleich große Rechtecksäle unterteilt. Alle Räume im OG werden durch eine abgehängte Decke aus geätztem Glas belichtet.

5. Donaumuseum Linz (1998)

Für ein schmales Grundstück am Donauufer in Linz planten die Architekten ein zweigeschossiges Museum mit sechseckigem Grundriss [Abb. 275, 276]. Der als langgestreckter, prismenartiger, „wie ein mächtiger geschliffener Stein“ 1755 wirkende Baukörper besitzt keine gerade verlaufende Dachlinie, sondern steigt zum südlichen Ende hin leicht an.1756 Der Bau ist in beiden Geschossen in zwei parallele Raumreihen gegliedert: im Erdgeschoss in rechteckige und quadratische Funktionsräume mit mittigem Verteilergang, im Obergeschoss in große Rechtecksäle, die weiter unterteilt werden können.

6. Museum of World Culture, Göteborg (1998)

Für die Stadt Göteborg entwarfen Gigon/Guyer ebenfalls 1998 ein „Museum of World Culture“ [Abb. 277-279].1757 Das Gebäude sollte neben dem Wissenschaftsmuseum „Museion“ am Hang des Freizeitparks „Liseberg“ auf einem länglichen Grundstück liegen. Der Entwurf besteht aus aneinandergereihten Kuben.1758 Im langrechteckigen Grundriss sind Ausstellungssäle in Folgen gelegt, wobei sich die Raumwürfel nicht berühren, sondern

1755 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. Gigon/Guyer 2012, 577. 1756 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1757 Gigon/Guyer 2012, 578. 1758 Im Erläuterungsbericht des Wettbewerbs wird auf die zukünftige Erweiterungsmöglichkeit dieses additiven Systems hingewiesen. 300

Freiraum für Korridore zwischen den Sälen lassen. Die Baugestalt erinnerte an das Kirchner Museum Davos, die geschlossenen Betonfassaden an die SOR.

7. Nelson-Atkins Museum, Kansas City/Missouri (1999)

Zur Erweiterung des 1930 fertiggestellten Nelson-Atkins Museums von Thomas und William Wight wurde 1999 ein Wettbewerb durchgeführt [Abb. 280-282].1759 Gigon/Guyer stellten dem historischen Museum einen Neubau gleicher Breite und Höhe gegenüber, der die Proportionen und das Volumen des Altbaus spiegelt. Der Raum zwischen Alt- und Neubau wird von einem sockelartigen ʺPlateaugebäudeʺ eingenommen, das auf der Höhe der Eingangsportikus an den Altbau andockt. Oberirdisch dient das Plateau als Platz, im Inneren verbinden um drei versenkte Lichthöfe angeordnete Ausstellungsräume Alt- und Neubau.1760 Die oberirdische Erweiterung ist eine rechteckige, viergeschossige Box. Die Ausstellungsebenen sind in Rechtecksäle mit versetzten Türdurchgängen eingeteilt: im 1. OG mit flexiblen Trennwänden, im 2. OG mit festen Wänden. Die Fassaden des Anbaus sollen mit einen halben Meter vor die tragenden Betonwände gesetzten Glaspaneelen mit eingearbeitetem Metallgitter verkleidet werden. Feine Drahtgewebe fixieren zudem die unter der Außenhaut liegenden Isoliermatten. „Die Überlagerung der Gewebe“ sollte „feine Interferenzen, einen Moirée-Effekt, der scheinbar die Fassaden sanft bewegt“,1761 erzeugen.

8. Verkehrshaus Luzern, Halle für Straßenverkehr (1999, 2005-09)

1999 fand ein Wettbewerb für die Umstrukturierung und Erweiterung des Verkehrshauses Luzern statt.1762 Es sollte um eine Ausstellungshalle ergänzt und durch ein neues Wegekonzept umstrukturiert werden. Die isolierten, thematisch eigenständigen Bauten sollten durch Passagen, Brücken und Rampen miteinander verbunden sein. Der Freiraum zwischen den Ausstellungsbauten und der Verbindungsinfrastruktur sollte als zentraler Platz dienen. Gigon/Guyer entwarfen das Projekt „Forum Straße“ mit einem neuen Ausstellungsgebäude an der Ostecke des Geländes [Abb. 283]. Es sollte das bisher in dieser

1759 Bürkle 20001, 336-345; Gigon/Guyer 2012, 579. 1760 Bürkle 20001, 341. 1761 Bürkle 20001, 340. 1762 A.A.: Lucerne Museum of Transportation, in: El Croquis 102 (2000), 106-109 [A.A. 20004]; Bürkle 20001, 330-335; Gigon/Guyer 2012, 578. 301

Richtung ʺauslaufendeʺ Grundstück gegen das benachbarte Wohngebiet abschirmen. Das Thema des Gebäudes „Bewegung auf Rädern“ sollte durch geschossübergreifende, auf die Außenhaut des dreigeschossigen Glas-Stahl-Kubus gesetzte Rampengänge verdeutlicht werden. Die an Industriearchitektur und Brückenbau erinnernde Stahlkonstruktion des Außenbaus ist mit einem Stahlbetonkernbau verbunden. Der Betonbau im Inneren des Gebäudes bildet die Gliederung der Räume, das lichte System der umlaufenden Rampengänge dient als Ummantelung. Die Geschosse werden durch versetzte, jedoch tragende Wände gegliedert. Basierend auf dem Wettbewerb von 1999 für eine schrittweise Erneuerung des Verkehrshausareals, wurde Anfang 2005 ein im Vergleich zum ersten Projekt nur noch zweigeschossiges, „blackboxartiges, flexibler nutzbares und insbesondere kostengünstigeres“1763 Ausstellungsgebäude für das Thema „Straßenverkehr“ entwickelt [Abb. 284]. Die rechteckige, im Inneren kaum gegliederte Halle sollte ein automatisiertes Parksystem enthalten, mit dem der Besucher per Knopfdruck eines der vertikal übereinander parkierten Autos aussuchen kann, das ihm dann mit einem Roboterlift präsentiert worden wäre. In einer einsehbaren Werkstatt sollten Wartungs- und Reparaturarbeiten an Fahrzeugen vorgestellt werden. Die Fassaden des Baus sind mit Maschengittern verkleidet, hinter dem in Würfel gepresste Autokarosserien gestapelt sind. Zwischen 2005 und 2008 wurde das Projekt der „Halle für Straßenverkehr“ in revidierter Form realisiert.1764 Aus der aufwendigen Stahlkonstruktion wurde der Plan einer „black box“ in Betonbauweise, deren Fassaden mit Verkehrsschildern verkleidet wurde.1765 Diese Variante wurde bis 2009 realisiert [Abb. 285].1766

9. Museum für Kunst und Design, Ingolstadt (2000)

In Ingolstadt sollte 2000 ein Museum für Kunst und Design entstehen, das die Festung „Kavalier Dallvigk“ (1828-49) in einen neuen Gebäudekomplex einschließen sollte [Abb. 286, 287].1767 Gigon/Guyer schlugen ein abgetrepptes, vierflügeliges Gebäude um einen rechteckigen Hof vor. Die vier Gebäudeflügel sind in Folgen von Rechtecksälen in Enfilade

1763 Annette Gigon: Blech in verschiedenen Zuständen – Verkehrshaus Luzern – Halle für Straßenverkehr, in: Archithese 3 (2006) 64-65, 64. 1764 Gigon/Guyer 2012, 589. 1765 Catherine Slessor: Future Imperfect, in: Architectural Review 5 (2008) 38-89, 46. 1766 Gigon/Guyer 2012, 589. 1767 A.A.: Ingolstadt Museum of Art and Design, in: El Croquis 102 (2000) 260-263 [A.A. 20002]; Gigon/Guyer 2012, 579. 302 geteilt. Vom traditionellen Galerietyp abweichend, sind die Säle querrechteckig in den Baukörper gelegt. Es wechseln sich Oberlichtsäle mit Seitenlichtsälen ab.1768 Die Außenhaut des Museums ist durch hochrechteckige Glasplatten verkleidet, die an die Fassaden des Kirchner Museums erinnern.

10. Umbau und Erweiterung Kunstmuseum Basel (2001, 2004-07)

Hintergrund für die Ausschreibung eines Umbaus und einer Erweiterung des Kunstmuseums Basel war die Platznot im von Paul Bonatz und Karl Christ 1930-34 errichteten Museumbau.1769 Funktionsräume für Verwaltung, Depots und Restaurierungswerkstätten und die Nachbarinstitutionen des Kupferstichkabinetts, des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Basel und seiner Bibliothek nahmen im Altbau Platz ein, der für die Ausstellungstätigkeit benötigt wurde. Die Nachbarinstitutionen sollten ausgelagert werden. Platz für einen umfangreichen Erweiterungsbau gab es nicht. Anstoß für die Umstrukturierung war die Schenkung des westlich an das Museum anschließenden Gebäudes der ehemaligen Nationalbank (1926, Sutter & Burckhardt), den sogenannten Laurenzbau, durch die Stifterin Maja Oeri.1770 Im Januar 2001 wurde vom Baudepartement Basel-Stadt ein erster Studienauftrag über den Umbau des Kunstmuseums an fünf ausgewählte Büros vergeben (Gigon/Guyer, Herzog & de Meuron/Basel, Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler/Zürich, Morger + Degelo/Basel.1771 Vorgabe war es, den Umbau der frei werdenden Räume im Altbau und einen möglichen Erweiterungsbau auszuarbeiten. Zudem sollten ein Vortragssaal und ein unabhängig zugängliches Restaurant untergebracht werden.1772 Der erste Preis und die Empfehlung zur weiteren Ausarbeitung gingen im Juni 2001 an Gigon/Guyer. Ihrem Entwurf lag der Gedanke zugrunde, wenig in den bestehenden Altbau einzugreifen und eine Erweiterung dezent und zurückhaltend zu platzieren [Abb. 288,

1768 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1769 A.A.: Kunstmuseum Basel, in: Aktuelle Wettbewerbs Scene 3 (2001) 61-65; Hubertus Adam: Grosse Gesten – Kleine Gesten – Erweiterung des Kunstmuseums Basel, in: Archithese 6 (2001) 82-85; Benedikt Loderer: Einpassung oder Widerstand?, in: Hochparterre 8 (2001) 30-31; Wirz 2004, 18-21; Lilian Pfaff: Geistige Konzentration – Umbau der ehemaligen Nationalbank in die Bibliothek des Kunstmuseums Basel, in: tec21 – Die Fachzeitschrift für Architektur, Ingenieurwesen und Umwelt 7 (2005) 8-11; A.A.: Gigon/Guyer – Reconstruction of the Kunstmuseum Basel and the Laurenzbau, in: A & U – Architecture & Urbanism 444 (2007) 112-115; Ulrike Jehle-Schulte Strathaus: Das moderne Potential eines Altbaus, in: Archithese 6 (2007) 72-75; Ingemar Vollenweider: Öffnen – Umbau Kunstmuseum Basel und Laurenzbau von Gigon/Guyer Architekten Zürich, in: Werk, Bauen + Wohnen 1/2 (2008) 54-57; Gigon/Guyer 2012, 581. 1770 Adam 2001, 82; Pfaff 2005, 9. 1771 Adam 2001, 82. 1772 Adam 2001, 82. 303

289].1773 Ihr dreigeschossiger, pavillonartiger Anbau über quadratischem Grundriss sollte, über einen Verbindungssaal angeschlossen, westlich des Museums auf ein Gartengrundstück neben den Laurenzbau positioniert werden. Im Obergeschoss lagen sechs in drei Reihen angeordnete, durch seitliche Oberlichtfenster und zwei mittig auf dem Dach vorgesehene Oberlichtbänder belichtete, rechteckige Ausstellungssäle. Im Halbsouterrain sollten Werkstätten, im Untergeschoss Depoträume liegen. Die Außenhaut des Anbaus sollte durch unterschiedlich dichte, übereinander gelegte Metallgitter verkleidet werden, wodurch Assoziationen an einen Gartenpavillon geweckt werden sollten.1774 Der Entwurf wurde zwischen 2004 bis 2007 in Teilen realisiert [Abb. 290-294].1775 Als kleine Lösung verzichtete man auf den Erweiterungspavillon und beschränkte sich nur auf Umstrukturierungen und Umgestaltungen im Bestand.1776 Im Kunstmuseum wurden die Funktionen des Foyers reduziert, indem man einen eigenen Bereich für den Shop einrichtete. Das Café bzw. die Bar verlegte man an eine publikumswirksamere Stelle in den Ostflügel des großen Atriums. Es erhielt einen vom Museumsbetrieb unabhängigen Zugang von der Loggia der Hauptfassade aus.1777 Durch die Auslagerung des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Basel frei gewordene Flächen wurden umgenutzt. Die ehemaligen Räume der Bibliothek hinter der Rückwand der neuen Bar wurden in klare weiße Säle mit Parkettboden umgestaltet. Die an die Sammlung Albers-Honegger erinnernde Belichtungslösung mit an der Decke installierten Fluoreszenzröhren gibt den Räumen eine kühle, sachliche Prägung.1778 Im Erd- und Kellergeschoss des ehemaligen Bankengebäudes, dem Laurenzbau, richteten Gigon/Guyer die Bibliothek des Kunstgeschichtlichen Instituts ein.1779

11. Erweiterung Museum Rietberg, Zürich (2002)

Das auf asiatische, afrikanische und ozeanische Kunst spezialisierte Museum Rietberg befindet sich seit 1952 in der Villa Wesendonk (1853-57, Leonhard Zeugheer) in einem Park [Abb. 295, 296].1780 Das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich richtete 2002 einen Wettbewerb für eine Erweiterung aus. Gigon/Guyer erhielten den dritten Preis für ihren Entwurf, der einen Kubenbau über quadratischem Grundriss vorsah. Der Neubau wird durch

1773 Adam 2001, 84. 1774 Adam 2001, 83. 1775 Vollenweider 2008, 57. 1776 Adam 2001, 85. 1777 Adam 2001, 85; Vollenweider 2008, 55f. 1778 Vollenweider 2008, 56f. 1779 Pfaff 2005, 9; Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1780 Wirz 2004, 38-41; Gigon/Guyer 2012, 108-113. 304 einen unterirdischen, breiten Ausstellungsgang mit dem Altbau verbunden, der im Treppenhaus der Villa aufsteigt. Unterirdische Ausstellungsräume unter dem Villenbau bieten Platz für Sonderausstellungen. Der oberirdische Teil des Erweiterungsbaus ist dreigeschossig. Im Erdgeschoss findet man Kasse, Shop und einen Multimediaraum.1781 In den beiden Obergeschossen befindet sich je ein ungegliederter Saal für die Dauerausstellung. Die Säle sind durch geschosshohe Fenster und im obersten Stockwerk ergänzend durch Oberlicht erhellt. Die Fassaden des Kubus bilden vorgefertigte Beton-Glasbausteinelemente. Einzelne der runden Glaselemente lassen Licht in die Innenräume. Die Oberfläche der grünlichen Betonelemente erhält durch das Beimischen von Quarzsanden und Sandstrahlung eine irisierende Oberfläche.1782

12. „Expo“-Installation, Yverdon-les-Bains/Waadt und spätere Erweiterung der Halle für Luft- und Raumfahrt im Verkehrshaus der Schweiz, Luzern (2002)

Im Jahr 2002 beauftragte der Mutterkonzern der nationalen Fluggesellschaft der Schweiz, die SAir Group, Gigon/Guyer mit einem Entwurf für eine Ausstellungsarchitektur für die Exposition Nationale de la Suisse 2002 im Gebiet der drei Seen.1783 Sie sollte dem Thema der Expo „Ich und das Universum“ entsprechen und das von den Auftraggebern gewünschte Motto „Fliegen“ thematisieren. Die Architekten entwarfen einen Aussichtsturm mit zwei sich gegenläufig zueinander drehenden Plattformen [Abb. 297]. Der eigentliche Turm sollte aus einer mit perforierten Blechkassetten verkleideten 30 m hohen Stahlkonstruktion über quadratischem Grundriss bestehen.1784 Das Innere des Turms nahm einen Treppenaufgang und einen Lift auf. Die beiden Plattformen waren als „halboffene“, nur mit Lochblechen verkleidete Rechteckgeschosse gedacht, die sich nach der Art von Panoramagebäuden gegeneinander drehen sollten. Der Turm sollte als „Wahrnehmungsinstrument“ 1785 dem Besucher durch Höhe, Aussicht, Wind und Fahrtbewegung den Eindruck des Fliegens vermitteln.1786 Nach Ablauf der Expo sollte der Turm demontiert und die beiden Plattformen zu einem großen Dach zusammengefügt werden, um es als Überdeckung des Vorbereichs der

1781 Wirz 2004, 38. 1782 Wirz 2004, 38. 1783 Wirz 2004, 26-29; Gigon/Guyer 2012, 580. 1784 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1785 Wirz 2004, 26. 1786 Wirz 2004, 26. 305

Halle für Luft- und Raumfahrt und den Außenbereich des Restaurants des Verkehrshauses in Luzern zu nutzen. In einer zweiten Konzeptphase reduzierte man den Entwurf auf eine einzelne, nicht drehbare Aussichtsplattform [Abb. 298]. Der Turm sollte nur noch teilweise mit Lochblechen verkleidet werden, so dass man abwechselnd durch die ʺSichtfensterʺ der offenen Geschosse auf die Landschaft und umgekehrt auch das Treppenhaus hätte schauen können.1787

13. Nationalparkzentrum Zernez/Graubünden/Schweiz (2002)

Im Oktober 2002 entstand ein Entwurf für das zu klein gewordene Verwaltungs- und Informationszentrum des Schweizerischen Nationalparks Engadin in Zernez [Abb. 299].1788 Gigon/Guyer lösten die Aufgabe, indem sie die Verwaltung in das historische Schloss Planta- Wildenberg und den geforderten Vortragssaal in ein benachbartes Wirtschaftsgebäude verlegten. Für das Besucherzentrum wurde ein überwiegend eingeschossiger Neubau mit langgestrecktem, polygonalem Grundriss entworfen. Die Fassaden sollten mit ortstypischem Naturstein verkleidet werden. Sein bis auf drei aufgesetzte "Kastenfenster" geschlossenes Dach, das All-Over der Fassaden und Dachflächen und der Betoneingang erinnern an das Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner. Anders als in Appenzell wird durch das verwendete Material für Fassaden und Dach – regionales Gestein – ein Ortsbezug zum Engadin hergestellt.1789

14. Wettbewerb „Sanierung und Erweiterung Schweizerisches Landesmuseum“, Zürich (2002)

Für das 1892-98 von Gustav Gull errichtete Schweizerische Landesmuseum wurde 2005 eine Erweiterungsmöglichkeit gesucht [Abb. 300-302]. Gigon/Guyer schlugen einen eigenständigen Erweiterungsbau vor, der den ehemaligen Kunstgewerbeflügel des Museums ersetzen sollte. Die Erweiterung sollte den Altbau funktional „entleeren“, indem der Haupteingang sowie alle direkt besucherbezogenen, administrativen, wissenschaftlichen, konservatorischen und technischen Aufgaben in den Neubau verlegt wurden.1790 Der Neubau

1787 Wirz 2004, 26; Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1788 Wirz 2004, 42-47; Ursula Schwitalla: Built or Unbuilt – Architekten zeigen ihre Lieblingsprojekte, Stuttgart 2007, 76-79; Gigon/Guyer 2012, 583. 17891789 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1790 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner; Gigon/Guyer 2012, 580. 306 ist als im Grundriss polygonaler ʺSolitärʺ mit einer Abstufung zum Altbau hin konzipiert.1791 Die Erweiterung berührt den Altbau nur an seiner Südostecke. Der Neubau ist im Inneren in zwei Aufrisssysteme geteilt, denen unterschiedliche Funktionen zugeordnet sind. Die besucherbezogenen Aufgaben (Ausstellungssäle) sind in vier ʺGroßgeschossenʺ in dem zum Altbau hin abgestuften Bauteil untergebracht. Auf der Rückseite des Gebäudes, zur Straße hin, befinden sich Büros und Nutzräume in acht ʺKleingeschossenʺ. Die Ausstellungsräume haben unterschiedliche Größen und unregelmäßig viereckige Grundrisse. Verschieden dimensionierte und positionierte Fenster belichten die Räume von der Seite. Sie sind zurückhaltend mit weißen Wänden und steinernen Bodenbelägen ausgestattet. Die Fassaden des Stahlbetonbaus sind ebenfalls mit Steinplatten verkleidet. Die verschiedenfarbigen Platten sind in horizontalen Bändern um das Gebäude gelegt und erzeugen so eine „patchworkartige Reihung“ und ein „pixelhaft aufgelöstes Bild, eine Malerei mit Material – mit Steinen aus allen Regionen der Schweiz“1792.

15. New Museum of Contemporary Art, New York (2003)

Für den Wettbewerb des New Museum of Contemporary Art in New York entwickelten Gigon/Guyer im März 2003 den Plan für ein vertikales Museum [Abb. 303, 304].1793 Im Stadtteil Soho sollte an der Ostseite der Bowery Street ein in die Baufront eingebundenes, 48 m hohes Hochhausmuseum entstehen. Der Grundriss des Entwurfs ist trapenzförmig. Das Museum besteht aus acht Ober- und zwei Untergeschossen. In den unterirdischen Geschossen sind Depots (2. UG) und ein Theatersaal (1. UG) untergebracht. Das Erdgeschoss nimmt die Besucherfunktionen auf und dient als Vermittlungsraum zwischen Innen und Außen.1794 Das offene Foyer wird durch kubische Glaseinbauten gegliedert, die Garderobe, Shop und die vertikale Erschließung aufnehmen. An der Rückwand des Foyers liegt ein Saal für Sonderausstellungen. Im ersten und zweiten Obergeschoss folgen Café, Media Lounge und die Administration. In den weiteren fünf Stockwerken sind ungegliederte Ausstellungsräume untergebracht. Nur der mittige Erschließungskern mit Lift, Treppen und Toiletten strukturiert die Freifläche zu einem „ringförmigen“1795 Umgang. Im Aufriss zeigt sich auf der Schau- und der Rückseite ein ʺsetbackʺ. Auf der Rückseite springt

1791 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1792 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1793 Wirz 2004, 52-55; Gigon/Guyer 2012, 116-121. 1794 Wirz 2004, 52. 1795 Wirz 2004, 52. 307 das Gebäude um die Breite des Sonderausstellungssaals im EG zurück, der dadurch Oberlicht erhalten kann. Die Hauptfront ist ebenfalls, wie von den New Yorker Bauvorschriften bestimmt, um einige Meter eingezogen.1796 Die Ausstellungsebenen werden ab dem 5. OG hin höher und erhalten so eine Variation in ihrer Raumwirkung. Belichtet werden die Ausstellungszonen auch im obersten Geschoss durch laterale Oberlichtbänder. Die Außenhaut des Museums besteht aus geätztem Spiegelglas (Fassadenflächen) und geätztem oder klarem Glas (Fensterbänder). Es ergibt sich ein streifiger Aufbau aus spiegelnden und transluzenten Glasbändern.1797

16. Erweiterung Museum of Art, Tel Aviv (2003)

Für die Erweiterung des Tel Aviv Museum of Art entwickelten Gigon/Guyer einen dreiflügeligen Museumsbau um einen dreieckigen Lichthof, der über einen Gang an den aus fünf sich überschneidenden Kuben bestehenden Altbau anschließt [Abb. 305, 306].1798 Die Flügel steigen über zwei und drei Geschosse auf und setzen sich nach unten bis zu fünf Geschosse tief in den Erdboden fort. Die Ausstellungsräume sind in den aufsteigenden Geschossen als schlichte weiße Rechtecksäle in Langseite an Langseite liegenden parallelen Reihen in den Baukörper gelegt. Die "Resträume" des Grundrissdreiecks sind Verkehrs- und Ruhezonen. Die Wände der "Resträume" sind in Kontrast zu den weißen Ausstellungssälen aus Sichtbeton. Der Außenbau besteht ebenfalls aus Ortbeton, der in unterschiedlich farbigen Schichten in die Verschalungen gegossen werden sollte. Durch die Zumischung gelblicher, rötlicher und grünlicher Pigmente sollten horizontale "Sedimentstreifen" entstehen, die die Fassadenflächen beleben.

17. Casa de la Historia, La Coruña/Galicien (2003)

Im November 2003 erhielten Gigon/Guyer einen Studienauftrag für ein Besucherzentrum für eine Casa de la Historia im nordspanischen La Coruña [Abb. 307, 308].1799 Das Museum sollte eine keltische Ausgrabungsstätte einbeziehen und die für die Region historisch bedeutsame britisch-französische Schlacht von La Coruña (1809) thematisieren, die auf demselben Gelände stattfand.

1796 Wirz 2004, 54. 1797 Wirz 2004, 52. 1798 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner; Gigon/Guyer 2012, 584. 1799 Wirz 2004, 58-61; Gigon/Guyer 2012, 585. 308

Der Entwurf umfasst einen zusammen mit den Landschaftsarchitekten Zulauf, Seippel und Schweingruber ausgearbeiteten Landschaftspark mit Museum, das Grabungsfeld der keltischen Siedlung (Castro), eine rekonstruierte Keltensiedlung (Neo Castro) und Agrarflächen für museumspädagogische Demonstrationen. Die Wald- und Heidevegetation sollte naturbelassen bleiben und nur teilweise durch regionale Pflanzen aufgeforstet werden. Der aus drei Gebäuden bestehende Museumskomplex liegt anschließend an einen auf die Verkehrsanbindung folgenden Parkplatz in Gehreichweite zwischen dem alten und dem neuen Castro. Der Museumskomplex umfasst drei unterirdisch miteinander verbundene Gebäude unterschiedlicher Größe. Ihre Gruppierung sollte an Siedlungsstrukturen und die Größenabstufung der Bauten an die Entwicklung menschlicher Behausung „von der Hütte bis zum Hochhaus“1800 erinnern. Der kleinste Baukörper nimmt Museumsshop und Administration auf, der mittlere Bau beherbergt das Café/Restaurant, eine Kinderkrippe und Übernachtungsmöglichkeiten. Das größte Gebäude dient als Museum. Es besitzt einen trapezförmigen Grundriss, der an den Entwurf für das New Museum of Contemporary Art, New York, aus demselben Jahr erinnert. Der Bau steigt als vertikales Museum in einer mit der Donation Albers-Honegger vergleichbaren Split-Level-Lösung über sieben Geschosse auf. Über dem Eingangsniveau mit Foyer folgt das noch vollständig durch den Bau gezogene erste Obergeschoss, in dem ein Saal für Sonderausstellungen liegt. Nach dem ersten Obergeschoss sind die Stockwerke gesplittet und gegeneinander verschoben als Halbgeschossrundgang übereinander gesetzt. Die weißen Ausstellungsräume haben geschosshohe Durchgänge und Betonböden. Belichtet werden sie durch große seitliche "Kastenfenster".1801 Alle drei Bauten sind mit Blechen verkleidet, deren Oberflächenbehandlung von Bau zu Bau variiert. Der kleinste Kubus weist eine strukturierte Fassade auf, der mittelgroße Bau des Restaurants ist matt verkleidet, das Museum hat eine spiegelnde Metallhülle.1802

18. Museum Ritter Sport, Waldenbuch (2003)

Einen Entwurf erarbeiteten Gigon/Guyer auch für den Wettbewerb des Museums Ritter Sport in Waldenbuch bei Stuttgart, für den sie den ersten Preis gewannen [Abb. 309, 310].1803 Das Museum sollte die private Sammlung der Schokoladenfabrikantin Marli Hoppe- Ritter aufnehmen, die aus quadratischen oder kubischen Kunstwerken besteht.

1800 Wirz 2004, 58. 1801 Wirz 2004, 58ff. 1802 Wirz 2004, 58. 1803 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 309

Das Museum sollte westlich der Werksgebäude der Schokoladenfabrik liegen. Der Bau folgt in seiner „rhythmisierten, gelassenen Volumenentwicklung“ dem Verlauf des kleinen Tals und soll „von der dichten Bebauung des Fabrikationsareals in die lose Bebauung der Landschaft“ überführen1804. Der Besucher nähert sich dem Gelände über die parallel zum Museumsbau geführte Alfred- Ritter- Straße. Der Zugang zum Museum erfolgt über eine im Grundriss quadratische, mit Bäumen durchsetzte Kiesfläche, die vom Naturraum zum Museum überleitet. Diese „cour d`honneur“ leitet den Besucher auf die sich ausdehnende „Gartenfassade“ 1805. Das Museum besteht aus gereihten Kuben, die durch Zwischentrakte verbunden werden. In den drei westlichen Kuben liegen die Ausstellungssäle. Der östliche, in seiner Breite dominante Kubus nimmt ein Café auf. In der Innenaufteilung werden museale und unternehmensnahe Funktionen miteinander verbunden. Zum Fabrikgebäude hin liegt der von Besuchern und Mitarbeitern frequentierte Schokoladenshop mit rückwärtig gelegenem Lagerraum. Daran schließt sich der zweigeschossige Mitteltrakt mit Café und Verwaltungsräumen (EG) und Schokoladen-Ausstellung bzw. Veranstaltungsraum (1. OG) an. In der westlichen Hälfte des Gebäudes, entfernt von den belebten Bereichen Café und Shop, befinden sich die Ausstellungsräume. Ähnlich wie in Appenzell sind Rechteckräume und ein quadratischer Saal an einer leicht aus der Mitte gerückten ʺSpiegelachseʺ entlang vor und zurückspringend aufgereiht. Die oberbelichteten, großen Ausstellungssäle nach dem Davoser Prinzip durch Zwischenbauten mit seitenbelichteten Kabinetten verbunden. Einen weiteren Anklang an Davos zeigt eine Variante des Entwurfs. In ihr wurde jedem Saal ein schmaler Treppenaufgang gegeben, der in das Oberlichthaus führt und eine Regulierung sowie Wartung der Jalousien- und Lichttechnik erlaubt. Die schmalen Treppenschächte sind an die „Spiegelachsen-Wand“ angegliedert, um möglichst wenig Raum in Anspruch zu nehmen. Das Materialkonzept des Außenbaus erinnert ebenfalls an das Kirchner Museum. Die Gebäudehülle wird durch grünlich schimmernde Glasplatten unterschiedlicher Oberflächenbehandlungen gebildet, und das Dach sollte mit grünen Altglasscherben gedeckt werden. Die Ausstellungsräume sollen eine zurückhaltende Ausstattung mit warmem Langriemenparkett aus Räuchereiche und weiß gestrichenen, vor die tragende Betonkonstruktion geblendeten Gipswänden erhalten. Die Türverbindungen sind in die Wand eingeschnittene, jedoch nicht raumhohe Durchgänge. Für die Oberlichter werden zwei Konstruktionsmöglichkeiten zur Wahl gestellt: seitliche Oberlichtbänder oder Oberlichthäuser

1804 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner; Gigon/Guyer 2012, 584. 1805 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 310 mit seitlich einfallendem Licht wie in Davos. Bei beiden Belichtungsvarianten sollten „ruhige, gut proportionierte Räume mit guter Tageslichtführung, selbstverständlichen Materialien und wenig auffälligen Details“1806 entstehen.

19. Westfälisches Landesmuseum, Münster (2005)

Das Westfälische Landesmuseum suchte 2005 nach einer Erweiterungsmöglichkeit. Gigon/Guyer entwarfen einen Anbau, der südlich an die Rückseite des Altbaus anschließt [Abb. 311, 312].1807 Der Entwurf besitzt einen L-förmigen Grundriss. Die scharfen Kanten der Rechtecke sind prismenartig abgeschrägt, so dass sich der Baukörper in das Grundstück einpasst. Der viergeschossige Bau hat eine agestufte Dachfläche, er ʺreagiertʺ in seiner Höhenentwicklung auf die ihn umgebenden Nachbargebäude und erlaubt die Belichtung der Säle.1808 Rechteckige Oberlichtaufbauten schieben sich aus der Dachfläche heraus. Der Zugang zum Museum erfolgt durch zwei sich gegenüberliegende Eingänge an der nördlichen und südlichen Schmalseite des „L-Baus“. Verbunden sind die Eingänge durch einen geschossübergreifenden Lichthof als „innere Straße“1809 und Foyer. Durch den Lichthof wird das Gebäude in zwei Längshälften geteilt: Zur Pferdegasse (westlich) sind Nutzfunktionen wie das Museumscafé, die Buchhandlung und Bibliothek mit Lesesaal (EG), Verwaltungs- und Werkstatträume (1., 2., 3. OG) untergebracht. In der nur dreigeschossigen Osthälfte liegen die Ausstellungsräume: Säle für Wechselschauen (EG) und Dauerausstellungsräume (1. und 2. OG). Einzelne Säle des 1. OG sind als das 2. Geschoss übergreifende, extra hohe Oberlichträume ausgebildet. Parallel zum Lichthof verläuft eine Rampe, die eine „chronologische promenade architecturale“1810 ermöglicht. Die Fassaden bestehen aus vorgefertigten Betonplatten mit eingelassenen Glasbausteinen. Beigemischte Pigmente und Quarzsande geben dem Beton eine grünliche Farbe, die zwischen dem Beton und den Glasbausteinen vermittelt. Die Glaswürfel sind „wie edle Steine in den Betonelementen gefaßt“ und erzeugen eine lichtdurchlässige, „lichttragende“1811 Mauer. Nach oben hin nimmt der Anteil der Glasbausteine bis hin zu den vollständig geschlossenen Betonplatten der Oberlichträume ab. Die großformatigen Seitenlichtfenster sind über die Fassaden verteilt und haben breite Betonrahmen.

1806 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1807 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner; Gigon/Guyer 2012, 589. 1808 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1809 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1810 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1811 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 311

Für die Ausstellungsbereiche im EG, 1. und 2. OG schlagen die Architekten Räume im Stil eines „Edelrohbaus“1812 vor. Die vorwiegend großflächigen, rechteckigen Ausstellungsräume sollten einen Betonboden, weiße Wände und eine wahlweise rohe oder verputzte Betondecke haben. Denkbar sind auch einzelne reine Betonräume, wie ein „Kapellenraum“1813 im 1. OG für ein zentrales Stück der Sammlung: ein Triumphkreuz aus der Zeit um 1200. Nach den konservatorischen Vorgaben sollten die Räume mehrheitlich mit Kunstlicht beleuchtet werden.1814

20. Orange County Museum of Art, Los Angeles (2006)

Einen umfangreichen Entwurf schufen Gigon/Guyer 2006 für das Orange County Museum of Art [Abb. 313-315].1815 Er beinhaltet zwei Hochhaustürme mit Apartmentwohnungen, die durch einen Sockel mit dem Museum verbunden werden sollten. Der leicht verzogen rechteckige Sockelbau beherbergt im Erdgeschoss eine öffentlich zugängliche ʺInnenlandschaftʺ aus geschossübergreifenden oberbelichteten Freiflächen („Canyons“1816) und vier gebündelte Raumgruppen mit dem Aufgang ins Museum, dem Shop, einem Café und den Eingängen in die Appartementhäuser. Über Rolltreppen gelangt der Besucher in die Ausstellungsgeschosse 3 und 4, vorbei an Geschoss 2, das der Museumspädagogik und der Verwaltung vorbehalten ist. Die Ausstellungsgeschosse sind binnengegliedert in große, rechteckige Säle. Die im Erdgeschoss angelegte Unterteilung in „Canyons“ und vier Raumgruppen setzt sich in den Obergeschossen fort. Der Besucher geht in einem fortlaufenden, an den Außenwänden des Gebäudes entlangführenden Rundgang durch die Ausstellungsräume. Die beiden Appartementtürme sollten pro Geschoss zwei luxuriöse Wohnungen haben, die von dem „vibrant urban mix“1817 aus Museum, Restaurant und öffentlichen „Canyons“ profitieren. Die Außenhaut des Gebäudes besteht aus einer Glas-Aluminium- Vorhangfassade mit unterschiedlicher Oberflächenbehandlung. Im Erdgeschoss laden klare großformatige Glasflächen den Besucher ein, das Gebäude zu betreten. Die Museums- und Wohnungsgeschosse sind im Wechsel klar und mattiert verkleidet.

1812 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1813 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1814 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1815 Gigon/Guyer 2012, 592. 1816 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1817 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 312

21. Kunst(zeug)haus, Rapperswil-Jona/St. Gallen (2006)

Im Frühjahr 2006 erstellten Gigon/Guyer einen Studienauftrag zum Umbau des Zeughauses von Rapperswil in ein „Kunst(zeug)haus“ [Abb. 316, 317].1818 Das zweigeschossige Bestandsgebäude ist eines von vier Zeughäusern im Ortsteil Jona. Die Zeughausgebäude dienen als Depot für die aus zeitgenössischer schweizer Kunst bestehende Sammlung Bosshard. Ausgangspunkt war der Entschluss, die Sammlung öffentlich zugänglich zu machen und einen Zeughausbau in ein Ausstellungsgebäude umzubauen. Drei aufgesetzte Oberlichtaufbauten mit ungleich geneigten Seitenflächen sind mit golden anodisierten Metallblechen verkleidet. Sie scheinen sich aus dem ursprünglich belassenen Zeughausbau wie Fremdkörper herauszuschieben und sind weithin sichtbar. Aus den Fassadenflächen treten drei "Kastenfenster" hervor, die nachts beleuchtet werden können und Ausstellungsstücke oder Werbeträger aufnehmen sollten. Betont wird im Entwurf der neue öffentliche Charakter des Innenhofs, der als lebendiger Platz mit Café dienen soll. Um die Öffnung nach außen umzusetzen, werden die Holztore des Zeughauses durch Glastüren ersetzt. Um den Innenraum ausstellungstauglich zu gestalten, werden einige Fenster zugemauert und ein ins Obergeschoss geöffnetes, oberbelichtetes Foyer geschaffen. Das Obergeschoss wird durch weiße Gipswände in zwei parallele Raumreihen geteilt. Die Ausstellungssäle werden durch den zum alten Bestand gehörenden Holzboden, weiße Wände und die Holzpfeiler der Tragkonstruktion des Daches geprägt. Um die Stützen an den neuen Charakter des Kunstzeughauses anzupassen, werden sie weiß gestrichen. In den drei Oberlichtsälen wird die hölzerne Konstruktion des Dachstuhls entfernt und der Raum in die Oberlichthäuser hinein geöffnet. Die nach Norden orientierten Oberlichter wirken im Inneren wie Shed-Aufbauten.

22. Erweiterung Museum Folkwang, Essen (2007)

Das Museum Folkwang in Essen schrieb 2006/07 einen Wettbewerb für einen Erweiterungsbau aus.1819 Der Vorschlag von Gigon/Guyer sah einen sich zu einer „Museumsanlage“1820 ausbreitenden, eingeschossigen Erweiterungsbau vor, der sich über das gesamte Grundstück zwischen Goethestraße und Bismarckstraße erstreckt [Abb. 318, 319]. Eine Passerelle stellt die Verbindung zum Altbau her. Die Funktionen des Museums sind

1818 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner; Gigon/Guyer 2012, 591. 1819 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner; Gigon/Guyer 2012, 592. 1820 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 313 gebündelten Raumgruppen zugeordnet, die nach außen als je ein Kubus in Erscheinung treten. Die Raumgruppen sind in lockerer Anordnung im Grundriss verteilt. Durch eine zentrale „Wandelhalle“1821 und Gänge werden die Würfel verbunden. Die Verkehrsflächen dienen als innere Erschließung und „Pausen-Raum“1822. Das System der additiven Kuben erinnert an Davos. Anders als beim Kirchner Museum verlangte der Umfang der Wettbewerbsaufgabe nicht nur einzelne Ausstellungssäle, sondern Räume für verschiedene Sammlungsschwerpunkte und das „Deutsche Plakatmuseum“. Auch das Materialkonzept gleicht mit leichten Abweichungen dem Kirchner Museum: Die Tragkonstruktion besteht aus Ortbeton und Betonfertigteilen. Die Ausstellungssäle haben weiße Wände. Die Verkehrszonen sind in Sichtbeton belassen. Der Außenbau wird durch Glasplatten verkleidet, in die ein feinmaschiges Metallgitter eingearbeitet ist. Die halbdurchsichtigen ʺGittergläserʺ werden auch für die Fenster der Verkehrszonen verwendet, so dass der Blick des Besuchers im Museum gehalten wird und dennoch ein Ausblick ins Freie möglich ist. Das Motiv der Gitter taucht auch in der Dach- und Oberlichtkonstruktion auf. Die Dachflächen werden durch Metallgitter ʺgedecktʺ, die je nach Maschengröße das in die Oberlichthäuser einfallende Licht filtern. Das vertikale Himmelslicht wird durch das Gitterwerk durchgelassen. Es fällt durch die 2,6 m tiefer liegende, transluzente Deckenverglasung der Ausstellungsräume, die für eine einheitliche, schattenlose Beleuchtung sorgt. Der Eingang wird durch eine flach ansteigende, pyramidale Treppe akzentuiert. Über deren Podest schwebt wie ein voluminöses Vordach ein opaker Glaswürfel, der sich aus dem Baukörper herausschiebt. Die Ausstellungssäle sind in zwei Gruppen zusammengefaßt und liegen am südlichen Ende zum Altbau hin. Sie bestehen aus rechteckigen Räumen unterschiedlicher Proportionen, überwiegend mit Oberlicht. Die Ausstattung wurde im Entwurf nur skizziert. Riemenparkett, homogen „weiße, graue oder farbige“1823 Wände waren geplant.

23. Erweiterung Kunsthaus, Zürich (2008)

Der Entwurf für eine Erweiterung des Kunsthauses Zürich sah wie im Wettbewerbsreglement gefordert, ein eigenständiges Zweitgebäude gegenüber vom Altbau

1821 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1822 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1823 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 314 auf der nordöstlichen Seite des Heimplatzes vor [Abb. 320-322].1824 Um Alt- und Neubau über den von Verkehr durchschnittenen Platz zu verbinden, sollte ein einheitlicher Bodenbelag wie eine „steinerner Teppich“1825 ausgelegt werden. Der Baukörper der Erweiterung erinnert an ein blockhaftes, wie aus verschiedenen Kuben zusammengeschobenes Volumen, das auf seiner Schauseite auskragt und zurückspringt, so dass eine hervorgehobene und überdachte Eingangszone gebildet wird. Im Inneren sollte der Bau in quadratisch angeordnete Raumgruppen und übrigbleibende Resträume als Verkehrszonen unterteilt werden. Im EG ist die übliche Infrastruktur für eine größere Museumsinstitution untergebracht: Foyer, Kasse, Garderobe, Shop, Café und ein Festsaal sowie untergeordnete Ausstellungsräume. Im 1. OG liegen Räume für die Pädagogik, ein Versammlungsraum und ein Büro. Im 2. OG befinden sich ebenfalls gruppierte Rechtecksäle mit Oberlicht. Das Tageslicht sollte über „aufgesetzte Oberlichträume“1826 eingeleitet werden, die in unterschiedlichen Höhen je nach Größe des darunterliegenden Saals eine reliefartige Dachlandschaft bilden, die den Bau in die gemischte Umgebungsbebauung einbindet. Die Fassaden bestehen aus Betonelementen mit eingesetzten Glasbausteinen. Zusätzliche Transparenz und Leichtigkeit geben die auf der Außenhaut verteilten Fensterfelder. Die seitliche Verglasung der Oberlichthäuser sollte aus geätzten Glasbausteinen bestehen. Hinter dem Konzept, das Material Glas in unterschiedlichen Bearbeitungsarten und Transparenzstufen zu verwenden, stand die bereits für das Kirchner Museum geäusserte Idee von Glas als Material des Lichts und der visuellen Wahrnehmung von Kunst.1827

24. Erweiterung Städel Museum, Frankfurt (2008)

Der Entwurf für eine Erweiterung des Städels sah einen U-förmigen Anbau an den in Kapitel B. I. 7. erwähnten Gartenflügel von Hermann von Hoven und Franz Heberer vor, der eine geschützte Gartenzone zwischen dem Neubau und der älteren Erweiterung von Hoven und Heberer erzeugt hätte [Abb. 323, 324].1828 Die Erweiterung hätte drei Geschosse mit rechteckigen Ausstellungsräumen zur Verfügung gestellt. Die Säle sollten eine zurückhaltende Austattung mit Eichenholzparkett erhalten. Weite Räume und großzügige

1824 Ivo Bösch: Wettbewerb – Zürichs Kunstpalazzo, in: Hochparterre 1/2 (2009) 26-27, 26; A.A.: Ampliación de la Kunsthaus de Zürich – Kunsthaus Extension Zürich, in: El Croquis 143 (2008) 190-197. 1825 Gigon/Guyer 2012, 124-127. 1826 Gigon/Guyer 2012, 124. 1827 Gigon/Guyer 2012, 125. 1828 A.A.: Ampliación del museo Städel – Extension to the Städel, in: El Croquis 143 (2008) 184-189; Santifaller 2008, 7. 315

Raumhöhen sollten einen variablen, der breiten Sammlung des Städels entsprechenden Ausstellungsbetrieb ermöglichen. Die Konstruktion der Fassaden besteht aus Beton, der mit unterschiedlich spiegelnden Chromstahlpaneelen belegt werden sollte.1829

25. Munch Museum und Stenersen Museum, Oslo (2008-09)

In Oslo sollte nahe der Innenstadt, in Nachbarschaft zur Oper Allmeningen ein neues Museum für den Maler Edvard Munch und die private Sammlung Sternersen entstehen.1830 Ihrem Entwurf gaben die Architekten den Titel „Lyst og mørkt“1831 – inspiriert von Edvard Munchs dramatischem Leben und Werk [Abb. 325-328]. Anders als die übrigen Architekten des Wettbewerbs lösten Gigon/Guyer ihr Museum vom Festland ab und setzten es auf eine extra anzulegende „floating peninsula“1832 in den Bispevika-Fjord. Der Bau wurde damit von der Innenstadt separiert und erhielt eine exponierte Lage wie ein „Leuchtturm“1833. Der Pier wird über Betonpfeiler im Meeresuntergrund verankert und schwebt drei bis fünfeinhalb Meter über der Wasserfläche. Eine leicht ansteigende, von Kraftfahrzeugen befahrbare Brücke führt vom Festland auf eine mehreckige Plattform, die um den Museumsbau platzartige Flächen ausbildet. Das Museum hat einen fünfeckigen Grundriss mit zentralem Treppenhaus. Die Räume sind in den drei Geschossen "windmühlenartig" angeordnet. Im Erdgeschoss befinden sich der Eingang mit Sicherheitsschleuse und Kasse sowie Garderobe, ein Restaurant, ein Auditorium, Konferenzräume, ein separates Treppenhaus nur für Mitarbeiter und eine abschließbare LKW-Garage für An- und Auslieferung. Im ersten OG und dem Mezzaningeschoss sind Verwaltungs-, Konservierungs-, Depot- und Technikräume, die Bibliothek und das Archiv untergebracht. Im zweiten OG befinden sich sechs nur künstlich belichtete Ausstellungsräume unterschiedlicher Größe, ausgestattet mit weißen Wänden. Besonderen Wert legte man seit dem Raub einer Version von Munchs Hauptwerk „Der Schrei“ im Jahr 2004 auf Sicherheit: Die Ausstellungsbereiche liegen im 2. OG, weit weg vom Haupteingang. Auf jedem Geschoss gibt es Räume für die Security. Die Säle fächern – wie gesagt – radial wie Windmühlenflügel um das mittige Treppenhaus auf, dabei

1829 Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013. 1830 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner; Gigon/Guyer 2012, 130-133. 1831 Übersetzung: „Hell und Dunkel“. Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1832 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 1833 Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Wettbewerbsordner. 316

überschneiden die Räume den Grundriss des Erdgeschosses und bilden erkerartige Ausstülpungen ähnlich wie in Mouans-Sartoux.

E. Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Quellen

Archiv Galerie Henze & Ketterer, Wichtrach: Fotos

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archäologischer Museumspark Osnabrücker Land GmbH – Neugestaltung Archäologischer Park Kalkriese – Errichtung eines Museumsgebäudes – Beschränkter Realisierungswettbewerb

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv digitale Bilder

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne – Museumsprovisorium Winterthur

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Archiv Pläne und Zeichnungen – Mappen zu Projekten

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bericht zum Wettbewerbsprojekt

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Bundesamt für Kultur – Bereich Kulturförderung: Bedürfnisabklärung – Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart – Mai 1995

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Entwurf Galerielager Wichtrach Variante A

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Entwurf Galerielager Wichtrach Variante B

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Entwurf Galerielager Wichtrach Variante C

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Entwurf Galerielager Wichtrach Variante D

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Fotoarchiv

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Fotografien Bauarbeiten Archäologischer Museumspark Kalkriese

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Fotos Modelle Galerielager Wichtrach

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Fotos Modelle Sammlung Albers-Honegger

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modellarchiv – Modelle Mouans-Sartoux

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modell Ausstellungsraum Museum – Archäologischer Museumspark Kalkriese

317

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modell Gelände Archäologischer Museumspark Kalkriese

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modell Konstruktion Fenster des Museums – Archäologischer Museumspark Kalkriese

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modelle Galerielager Wichtrach

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modelle Museum – Archäologischer Museumspark Kalkriese

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Modelle Pavillons – Archäologischer Museumspark Kalkriese

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Museumsprovisorium Winterthur – Wettbewerbsprojekt – 3. Dezember 1993

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Pläne Galerielager Wichtrach – Entwurf 27. April 2002

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger, Mouans- Sartoux „Reglement du concours“

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Programm Wettbewerb Donation Albers-Honegger „Programme“

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll einer Traktanden Besprechung April 2000

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll Erläuterung Wettbewerbsprogramm durch Gottfried Honegger vom 7. September 1999

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Protokoll der Preisgerichtssitzung vom 27. Juli 1998

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gigon/Guyer an beteiligte Handwerker vom 4. Februar 2004

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gigon/Guyer an das Ehepaar Ketterer vom 12. Juli 2002

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gigon/Guyer an das Ehepaar Ketterer vom 31. Juli 2002

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gigon/Guyer an das Tiefbauamt Bern vom 1. November 2002

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Schreiben von Gottfried Honegger an Gigon/Guyer vom 2. Mai 2000

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Skizzenblätter Mouans-Sartoux

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Terminplan Galerielager Wichtrach und Terminplan Einrichtung und Umzug Galerielager Wichtrach vom 6. April 2004

Archiv Gigon/Guyer, Zürich: Winterthur – Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ – Sanierung und bauliche Anpassungen – Botschafts-Dokumentation mit Kostenvoranschlag 318

Archiv Kirchner Museum, Davos: Bericht der Expertenkommission, Oktober 1989

Archiv Kirchner Museum, Davos: Dokumentation zum Wettbewerbsprojekt mit Kostenschätzung und Baubeschrieb – Projektstand 22. November 1989

Archiv Kirchner Museum, Davos: Ernst Ludwig Kirchner Museum Davos – Studienauftrag des Kirchner Vereins Davos – Bericht 20. Oktober 1989 – A. Gigon & M. Guyer Architekten

Archiv Kirchner Museum, Davos: Fotoarchiv

Archiv Kirchner Museum, Davos: Modelle

Archiv Kirchner Museum, Davos: Pressespiegel

Archiv Kirchner Museum, Davos: Studienauftrag Kirchner Museum Davos vom 7. August 1989

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Definitives Programm – Projektauftrag – Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur 27. September 1993

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kunstverein Winterthur – Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Bericht der Beurteilungskommission – Dezember 1993

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Kurzprotokoll Stadtrat – 30. März 1994

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Modelle

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur – Baueingabe vom 29. März 1994,

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Museumsprovisorium Winterthur – Terminplan Herbst 1994

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Pressemitteilung: Bisherige Ereignisse – 31. März 1994

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Pressemitteilung: Museumserweiterung Liebewiese – Termine

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Projektauftrag Museumsprovisorium – Eingegangene Fragen und Antworten

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Protokoll „Arbeitsgruppe Bau“ Nr. 5-17. März 1994

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Provisorium Winterthur – Terminplan vom 2. März 1994

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Schreiben des Kunstmuseums Winterthurs vom 12. Juli 1993: Museums Provisorium – Nächste Daten 1993

319

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Schreiben des Kunstmuseums Winterthurs vom 16. August 1993: Museums Provisorium – Termine

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Schreiben des Kunstmuseums Winterthur vom 10. Dezember 1993: Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Schreiben des Kunstmuseums Winterthur vom 13. Dezember 1993: Projektauftrag Museumsprovisorium Liebewiese Winterthur

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Terminplan Museumserweiterung Winterthur vom 28. November 1994

Archiv Kunstmuseum, Winterthur: Vorprüfungsbericht Dezember 1993

Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Bauakten Museum Liner Appenzell – Gigon/Guyer

Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Baudaten Museum Liner Appenzell, Architektur – Gigon/Guyer

Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Baureportage Museum Liner Appenzell

Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Fotografien Museum Liner Appenzell, Baureportage Museum Liner Appenzell

Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Modell Museum Liner Appenzell

Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Protokolle der Sitzungen der Baukommission, Architektur – Gigon/Guyer

Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Werkpläne, Architektur – Gigon/Guyer

Archiv Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner, Appenzell: Zeitungsartikel vom 3. Juni 1997 ohne weitere Quellenangabe, Baureportage Museum Liner Appenzell

Archiv Sammlung Albers-Honegger, Mouans-Sartoux

Broschüre Galerie Henze & Ketterer o.J.

E-Mail vom 25. Oktober 2007, Klaus Leuschel, Galerie Henze & Ketterer

E-Mail vom 21. Dezember 2012, Dr. Karin Walter, Focke Museum

E-Mail vom 11. Dezember 2015, Dr. Roland Scotti, Kunstmuseum Appenzell, ehem. Museum Liner

320

2. Interviews

Interview mit Annette Gigon 27. Oktober 2006

Interview mit Klaus Leuschel, Galerie Henze & Ketterer, 12. Oktober 2007

Interview mit Wolfgang Henze 12. Oktober 2007

Interview mit Annette Gigon 12. Februar 2008

Interview mit Annette Gigon 23. März 2009

Interview mit Annette Gigon 29. April 2009

Interview Claire Spada, Donation Albers-Honegger 18. April 2013

Interview mit Annette Gigon 21. Oktober 2013

3. Literatur

A.A.: Turm, in: Wasmuths Lexikon der Baukunst 4 (1932) 573-574

A.A.: Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen, in: Baumeister 8 (1984) 48-53 [A.A. 19841]

A.A.: Monument oder Schuppen? – Museum of Contemporary Art – Los Angeles, in: Deutsche Bauzeitung 9 (1984) 34f. [A.A. 19842]

A.A.: Museum im Lagerhaus – „The Temporary Contemporary“ in Los Angeles, in: Baumeister 8 (1984) 43-47 [A.A. 19843]

A.A.: Pflicht und Kür, in: Aktuelles Bauen 1/2 (1984) 17-19 [A.A. 19844]

A.A.: Erweiterung Kunstmuseum Bern/CH, in: Deutsche Bauzeitschrift 8 (1985) 1000-1002

A.A.: Nîmes Schemes, in: Architectural Review 5 (1985) 31-40

A.A.: Ausbau der Winterthurer Museumsbetriebe – Konzept für eine umfassende Präsentation der Kunstsammlungen, in: Neue Zürcher Zeitung (22. Dezember 1989)

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