Griff Nach Der Weltherrschaft? Betriebssystem Für Alle Personal Computer
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praktiken; das Urteil von Richter Thomas Penfield Jackson, der die Microsoft-Mana- ger mit Mafia-Mitgliedern verglich; die Ent- scheidung des Appeal Court, die Firma habe ihr Monopol wiederholt zum Schaden der Konkurrenz missbraucht. Derzeit läuft die größte Produktoffen- sive der Microsoft-Geschichte, so, als wol- le der Konzern die Gerichtsakten mit seinen Quellcodes überschreiben. Begon- nen hat sie mit „Office XP“, einer voll- ständig überarbeiteten Version der Büro- software, die mit fast zehn Milliarden Dollar die wichtigste Einnahmequelle des Konzerns ist. Es folgte die Ankündigung, künftig auch Spielekonsolen, „XBox“ genannt, an die KURITA KAKU KURITA Kinder dieser Welt auszuliefern – ein Mul- Präsentation der Spielekonsole „XBox“ (in Tokio): Kampf gegen das Monster-Image timillionendollargeschäft, das bisher die Unterhaltungsriesen Sony und Nintendo unter sich aufteilten. SOFTWARE Am Donnerstag dieser Woche soll der große Paukenschlag kommen: die Markt- einführung von Windows XP, dem neuen Griff nach der Weltherrschaft? Betriebssystem für alle Personal Computer. Rund eine Milliarde Dollar hat seine Bill Gates und Steve Ballmer drehen auf: Nach dem gescheiterten Entwicklung gekostet. Und wenn man der Konkurrenz glauben kann, dann wird das Monopolverfahren greift das Führungsduo von Programm dafür sorgen, dass die Firma Microsoft wieder an – lautstark wie immer, aggressiv wie nie. aus Seattle bald nicht nur den Markt mit Computersoftware kontrolliert, sondern eulich kam Jeff Raikes, Herr über Raikes erzählt diese Geschichte mit er- auch das Internet und damit die Nerven- 5000 Angestellte und 20 Milliarden staunlichem Gleichmut, so, als läge sie Jah- stränge des Informationszeitalters. NMark Umsatz beim mächtigsten Soft- re zurück. Nach der Erklärung der US-Re- Denn das neue Basisprogramm bietet ware-Konzern der Welt, nach Hause und gierung, die Firma nicht mehr zerschlagen praktischerweise gleich eine Vielzahl von wurde von seiner Tochter am Ärmel gezupft. zu wollen, wird in Seattle aufgedreht wie Zusatzfunktionen, die eine Reise durch das „Papa, bist du böse?“, fragte das Kind. zu alten Zeiten – ideenreich, lautstark und Datennetz zu einem kurzweiligen Trip ma- „Natürlich nicht“, sagte Raikes verblüfft. aggressiv. Raikes spricht viel von „Hinga- chen – einen so genannten Mediaplayer, „Warum fragst du das?“ be“ und „Leidenschaft“, wenn er von sich mit dem man Musik und Filme auf die Fest- „Im Fernsehen sagen sie, dass Microsoft und seiner Firma redet. platte laden kann; eine spezielle Software, gefährlich sei und dass alle, die dort arbei- Vielleicht war alles ja nur ein großes die den Einkauf im Netz erleichtert; einen ten, etwas getan haben, was sie nicht hät- Missverständnis: die Anklage der US-Re- Browser, der einen in Sekundenschnelle an ten tun dürfen.“ gierung wegen „ungesetzlicher“ Geschäfts- jeden Platz im Web transportiert. Die Arme des Kraken Marktpositionen der Microsoft-Produkte und künftige Expansionsfelder SPIELEKONSOLEN XBox PC-BETRIEBSSYSTEME BÜRO-SOFTWARE MICROSOFT-MOBILFUNK-SOFTWARE Jahresumsatz Videospielekonsolen 2001: 18 Milliarden Dollar – Ende 2003 soll das Windows, Microsoft Office Stinger, Mobile Explorer Volumen 40 Milliarden Dollar betragen Windows NT Textverarbeitung, Tabellen- Minderheitenanteil am Handy-Hersteller Sendo verkaufte Einheiten 2000 kalkulation u.a.; Marktanteil 800000 Mai 2001 bisheriger Marktanteil XBoxen will des Symbian-Standards andere Microsoft (Siemens, Sony, Nokia Systeme bis zum 180 u.a.) bei Handys: 70% Jahresende Millionen verkaufen Spielekonsolen 91% 92% 30% weltweit werden für 2004 prognostiziert INSTANT MESSAGING* Nutzer Mai 2001 SERVER-BETRIEBSSYSTEME INTERNET-BROWSER E-COMMERCE Microsoft MSN Messenger SQL-SERVER Internet Explorer Expedia 18,4 Mio. Windows NT Server Privatanwender; Mai 2001 Online-Buchungen verkaufte Einheiten 2000 bei Reisebüros 2000 AOL Instant Messenger 25,5 Mio. Yahoo Messenger 25% 11,8 Mio. *Kommunikation 41% 66% in Echtzeit Wirtschaft All diese appetitlich verpackten Naviga- tionshilfen stammen aus den Forschungs- labors von Microsoft, alle sind im Kauf- preis inklusive. Und eben das, sagen die Microsoft-Gegner, sei das Problem: Warum soll noch jemand ein Konkurrenzprodukt wählen, wenn er die Internet-Software aus Seattle frei Haus geliefert bekommt? So leben die alten Ängste neu auf. „The beast is back“ titelte das Wirtschaftsmaga- zine „Fortune“. Die „New York Post“ bringt regelmäßig einen Abreißkalender, der die Tage bis zur Einführung von Win- dows XP zählt – „Countdown zur Welt- herrschaft“ nennt das Blatt den Service. Nichts, so scheint es, kann den Software- Giganten in seinem Expansionsdrang auf- halten. Auf gut 95 Prozent der Personal Computer läuft heute ein Windows-Pro- gramm, fast jeder neu ausgelieferte PC ist mit einem Microsoft-Betriebssystem aus- JOHN GURZINSKI / AFP / DPA Microsoft-Gründer Gates „Noch nie so viel Optimismus“ gestattet. Mehr als zwei Drittel der Com- puterbesitzer benutzen beim Gang ins Web den Internet-Explorer aus Seattle. Und Gates will mehr. Er will Zugang zu den Kabelnetzen, den Datenbanken, den Telefondiensten. Vor wenigen Wochen erst hat er sich bei der britischen Handyfirma Sendo eingekauft, um die Entwicklung so genannter Smartphones voranzutreiben, mit denen man nicht nur Töne, sondern ganze Datenpakete empfangen kann. Und schon arbeiten seine Programmierer am nächsten Schritt: einer Software, die je- derzeit an jedem Ort in jedem Gerät ein- satzfähig ist, im Taschencomputer, im Auto, in der Mikrowelle oder im Fernseher. Wenn Gates und seine Manager aus dem Rechtsstreit eines gelernt haben, dann, dass sich Kompromisslosigkeit auszahlt. „Geräusch“ nennen sie bei Microsoft die Kritik, die jede Ankündigung aus Seattle umsummt. Das ist nicht einmal verächtlich gemeint, es klingt eher wie eine Zustands- beschreibung. Sicher, die Firma steht weiterhin unter Überwachung wie ein auf Bewährung ent- lassener Serientäter. Noch immer sind ganze Hundertschaften von Juristen mit der Abfassung neuer Schriftsätze, Einga- ben und Klagezurückweisungen in dem ju- ristischen Stellungskrieg beschäftigt, der ins siebte Jahr geht. Doch die Allianz der Verfolger hat an Elan verloren. Die neue Regierung unter der spiegel 43/2001 103 Wirtschaft Präsident George W. Bush will ihren Frie- Washington, und es ist ein seltsam idylli- den machen mit der Firma, die für die US- scher Ort, den Gates und sein Freund, der Ökonomie so wichtig ist wie kaum eine heutige Vorstandschef Steve Ballmer, dort andere. Spätestens seit dem 11. September erschaffen haben. Die zweistöckigen, licht- sind starke Unternehmen gewünscht. durchfluteten Bürogebäude stehen inmit- Man kann nicht sagen, dass Microsoft ten von Kiefernhainen. Es gibt Baseball- seine Geschäftspolitik geändert hätte. Wie- felder, eine große Liegewiese und kleine der klagen die Computerhersteller, sie wür- Springbrunnen. Die Kantine bietet vor- den aus Seattle unter Druck gesetzt, die zugsweise fettarme, ballastreiche Kost – Angebote des Software-Konzerns gut sicht- Salat, Obst und viel Gemüse. bar zu platzieren. Als Branchenriese Com- Vor allem ist es eine sehr übersichtliche paq kürzlich mit dem Internet-Dienst AOL Welt, in der Gut und Böse klar geschieden übereinkam, dessen Service auf der Start- sind. Da sind zunächst die Millionen Com- seite zu verankern, verlangte Gates, dass puterbesitzer, dankbar, wenn man ihr Le- dort dann drei Microsoft-Symbole auf- ben etwas einfacher macht. Es gibt die Ent- leuchten müssten. wickler und Programmierer von Microsoft, Erst allmählich merken die Verantwort- die genau das versuchen. Und dann sind da lichen in Seattle, dass über die Zukunft ih- die Nörgler und Neider, wie sie in Seattle rer Firma nicht nur in Gerichtssälen ent- die Konkurrenz nennen. schieden wird. Juristische Auflagen lassen Theoretisch, und darauf weist die Firma sich wegverhandeln, umgehen oder igno- immer wieder hin, kann sich jeder Inter- rieren. Schwerer wiegt der Imageschaden. net-Nutzer die Produkte der Konkurrenz herunterladen wie etwa den Browser von Netscape oder den Messenger-Service von AOL. Doch das ist natürlich mühsam, wes- halb sich in der Praxis eben die meisten Windows-Kunden der kostenlos mitgelie- ferten Voreinstellungen bedienen. Der wichtigste Verbündete von Micro- soft war stets die Bequemlichkeit des Kon- sumenten. Die Idee, die Bedienung eines PC so einfach wie möglich zu machen, be- gründet den Erfolg des Unternehmens, und dieses Versprechen prägt auch das Projekt, das den Namen „Hailstorm“ trägt (zu Deutsch Hagelsturm). Im Mittelpunkt steht ein gewaltiger, zen- M. SPENCER GREEN / AP tral gewarteter Datenspeicher, der alles Microsoft-Chef Ballmer aufnimmt, was die Internet-Nutzer dort Die Welt in Gut und Böse klar geschieden niederlegen – Terminplaner, Adressbücher, Kreditkartennummern –, und den sie je- Es bekommt keiner Firma auf Dauer derzeit von überall anzapfen können. gut, wenn die Leute Angst vor deren Erstmals könnten Computer auch un- Macht haben, wenn sie als arrogant und tereinander kommunizieren, jedenfalls in rücksichtslos gilt. So leicht den Microsoft- den Planspielen von Leuten wie Charles Ingenieuren die Lösung technischer Pro- Fitzgerald, bei Microsoft für die so ge- bleme fällt, so schwer tun sie sich, ange- nannte Dot.Net-Strategie verantwortlich. messen auf besorgte Fragen des Publikums „Wer beispielsweise einen Zahnarztter- zu reagieren. min braucht“, beschreibt Fitzgerald die Zu- Um sympathischer zu erscheinen, ver- kunft des Internet, „muss nicht mehr bei anstalten sie Leistungsschauen, in denen der Sprechstundenhilfe anrufen,