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Weitere Premieren ist ein Freund der Klarheit. Die Ästhetik der Stücke lehnt sich am frühen Sound BERLIN der amerikanischen Westküste an, einer Faust. Das große Abschiedsdrama, Teil 27 Coolness und Freude am Arrangement, (geschätzt): Nach vielen selbstreferen - die ja schon viele Europäer inspiriert ziellen Inszenierungen zum Ende der Cas- hat. Und er hat mit dem finnischen torf-Ära – von Hausgöttern wie Christoph Saxofonisten Jukka Perko, 49, einen Marthaler und Herbert Fritsch – bringt Musiker an der Seite, der eine ähnliche nun Frank Castorf selbst seine letzte In- Melodiebegabung hat wie einstmals der szenierung als Intendant heraus. Und alle Dave-Brubeck-Saxofonist Paul Des- mischen noch mal mit, von Sophie Rois mond. Lundgrens Bassist Dan Berglund über Alexander Scheer bis Martin Wuttke. wiederum spielte früher im berühmten Premiere am 3.3. in der Volksbühne. Esbjörn Svensson Trio. Elf Stücke um- fasst das Album, die mal elegisch sind Dickicht. Regisseur Sebastian Baumgar- wie „No. 9“, mal nervös wie „Bullet ten, bekannt für seinen krachbunt-auf- Train“ und sich mal auf komplizierte müpfigen Umgang mit Brecht, zeigt seine Weise dem Blues zuneigen wie der Version von „Im Dickicht der Städte“. „Tw e l v e To n e R a g“ . Tobias Rapp Pianistin Lettberg Premiere am 11.3. im Gorki Theater. Weiteres Jazzalbum HAMBURG Weitere Konzerte Cyrano de Bergerac. Leander Haußmann Matthew Shipp Trio: Piano Song. Thirsty Klassikalben & Premieren inszeniert den tragikomischen Liebes- Ear. Im Werk des New Yorker Pianisten klassiker mit Jens Harzer in der Titelrolle. Matthew Shipp, 56, kann man sich leicht Saverio Mercadante: Francesca BERLIN Premiere am 18.3. im Thalia Theater. verlieren. Mehr als 60 Alben hat er seit da Rimini. Dynamic. Mitschnitt Eröffnungskonzert. Der neue den späten Neunzigerjahren aufge- der Uraufführung von 2016 – die Hauptstadt-Klangort heißt WIEN nommen, selbst für einen Jazzmusiker Oper nach Dante-Vorlage blieb nach einem Klassiker der Mo- Die Welt im Rücken. Thomas Melles scho- eine riesige Zahl. Doch jetzt ist Schluss. 1831 in der Schublade. derne. Pierre Boulez Saal, 4.3. nungslose Beschreibung seiner bipolaren „Piano Song“ ist sein letztes Album, er Störung – ein Solo, wie gemacht für Joa- werde nur noch live spielen, hat Shipp An die ferne Geliebte. Telos. BREMEN chim Meyerhoff. Regie: Jan Bosse. Urauf- angekündigt, vorläufig zumindest. „Piano Klavierpoetin Evgenia Rubinova Hector Berlioz: La Damnation führung am 11.3. im Akademietheater. Song“ fasst noch einmal zusammen, was spielt ein kluges Beethoven- de Faust. Zu seinem Abschied ihn zu einem außergewöhnlichen Musiker Liszt-Programm. dirigiert Markus Poschner die macht: Er kann zugänglichen Free Jazz „Dramatische Legende“ von spielen. Er hat die Kraft und die Energie Carl Maria von Weber: Com- 1846. Theater, Premiere 18.3. Jazz /Alben seines Vorbilds Cecil Taylor. Doch er plete Works for Clarinet. Berlin vergisst nie, dass er eigentlich Songs Classics. Neben den zwei Kon- HEIDELBERG Der schwedische Pianist Jan spielt – Lieder, die man auch summen zerten spielt Sebastian Manz Heidelberger Frühling. Festi- Lundgren hat sich für sein neues können muss. u.a. auch mit im Quintett op. 34. val mit vielen Stars. 25.3.– 29.4. Album vom „Potsdamer Platz“ inspirieren lassen. Act. Robert Schumann: Waldszenen MÜNCHEN u. a. Ars. Florian Glemser über- Thomas Morse: Frau Schind- Berlin ist keine große Jazzstadt. Dass Klassik zeugt mit herrlich rundem An- ler. Uraufführung einer Oper der schwedische Pianist Jan Lundgren, schlag und einem eigenständig über die Frau des Judenret- 50, sein neues Album „Potsdamer Platz“ Die Pianistin Maria Lettberg stellt ihre romantischen Zugang. ters. Reithalle, Premiere 9.3. nach einem der zentralen Orte der deut- neue Entdeckung vor: die Klavier- teractive Entertainment (r.) schen Hauptstadt benannt hat, hat konzerte von Zara Levina. Capriccio. trotzdem seine Logik. Denn ganz ähn- lich wie der Potsdamer Platz nach der Nur keine Zeit verlieren! Mit beinahe Pop /Alben Wende entlang des historischen Vor- wildem Puls legt das Klavier los. Erst bilds wieder aufgebaut wurde, entsteht ein paar Takte und Tonarten später Die Mods erzählen auf ihrem Album „“ jede Jazzplatte: Die großen Statements breiten die Streicher versöhnend einen von der schlechten Laune der britischen Arbeiterklasse. in dieser Musik sind gemacht – und Teppich darunter – und schon ist eine Rough Trade, ab 3. März. doch sind die Festplatten der Studios Ausdrucksfülle erreicht, für die selbst vor jeder Aufnahme leer wie der Potsda- ein Rachmaninow längeren Anlauf ge- Es gibt doch nichts Schöne- mer Platz nach dem Mauerfall. Es muss braucht hätte. Das erste Klavierkonzert res als echte britische Wor- etwas gebaut werden. Zeitgenössisch. von Zara Levina (1906 bis 1976), entstan- king-Class-Wut. Zumindest Aber entlang der geschichtlichen Maß- den mitten im Zweiten Weltkrieg, stellt als Popsong. In der echten gaben. So etwas dürfte Lundgren vorge- sich energisch gegen Depression und Welt da draußen kann sie schwebt haben, als er „Potsdamer Platz“ Not; mal zart und ätherisch, dann wie- auch unangenehme Seiten ha- im Berliner Hansa Studio einspielte – der auftrumpfend virtuos, zuletzt sogar ben, wie diese Welt seit dem ganz in der Nähe des Platzes. Lundgren keck tänzerisch beschwört es roman - Brexit weiß. Aber auf Schall- tische Seelenweiten. Ganz anders 1975: platte erwärmt sie das Herz. Im zweiten Klavierkonzert, ihrem letz- Mark E. Smith von Te Fall ten Werk, blendet die Komponistin hat die Tradition des Pop als sanft ein, schneidet kahle Akkorde mit nordenglische Schimpftirade Sleaford Mods: Andrew Fearn, Paukenbeiklang glockenspielartig dage- in den Achtzigern begründet, Jason Williamson gen, startet plötzlich einen wilden Ritt Mike Skinner alias Te Streets und gibt sich dann immer wieder melo- hat sie in die Nullerjahre ge- richt, das Fearn in einem Pub dischen Grübeleien hin. An den zwei hoben. Und nun gibt es die angepriesen sah. Die Songs fesselnd vielseitigen Stücken ließe sich Sleaford Mods, zwei übellau- gehen darum, unterzugehen die ganze Musik- und Stilgeschichte nige Typen aus . wie eine bankrotte Super- Sowjetrusslands erzählen. Umso seltsa- Jason Williamson, 46, rappt, marktkette („B.H.S.“), die mer, dass sie fast unbekannt sind. Zum Andrew Robert Lindsay Haare im Topfdeckelschnitt Glück hat die unermüdliche Klavier- Fearn, 45, spielt Bass und pro- zu tragen („Moptop“) oder entdeckerin Maria Lettberg sie jetzt mit grammiert den Drumcompu- einfach gelangweilt zu sein dem Berliner Rundfunk-Sinfonie- ter. Denkbar einfach und ge- („Dull“). Wahrscheinlich ist orchester unter der Leitung von Ariane nauso nah am Hip-Hop wie Williamson im Augenblick Matiakh aufgenommen: ein rundum am Punk. „English Tapas“ der größte lebende nordeng - bereicherndes Hörerlebnis. heißt das neue Album, nach lische Heimatdichter.

Jazzpianist Lundgren Johannes Saltzwedel einem Ei-Pommes-Gurke-Ge- Tobias Rapp Fotos: bpk; Thomas Aurin (S.15 ); Thomas Schloemann/ACT; Roderich Reimer (o.); Roger Sargent/Rough Trade; Beggars Group; Sony In