Der Filmemacher Vittorio De Sica Vittorio De Sica Bei Den Dreharbeiten Zu I GIRASOLI (SONNENBLUMEN) Vittorio De Sica Vittorio
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Der Filmemacher Vittorio De Sica Vittorio De Sica bei den Dreharbeiten zu I GIRASOLI (SONNENBLUMEN) Vittorio De Sica Vittorio 48 In Robert Altmans Hollywood-Satire THE PLAYER von Vittorio De Sica charakterisieren will, pur wäre keine 1992 sucht ein von Tim Robbins gespielter Produzent zutreffende Bezeichnung. Dazu ist es zu uneinheitlich, den Aufenthaltsort eines angesagten Drehbuchautors, stilistisch und thematisch zu heterogen. So drehte er in den er unbedingt verpflichten möchte. Er stöbert ihn den 1960er Jahren, seiner aktivsten Zeit, immerhin elf schließlich in einem Repertoire-Kino auf, in dem LADRI Filme, davon allein fünf mit Sophia Loren, die ihm seit DI BICICLETTE (FAHRRADDIEBE) gezeigt wird. Nach- ihrem furiosen Auftritt in L’ORO DI NAPOLI (DAS GOLD dem er gerade noch die berühmte Schlussszene des VON NEAPEL) ihre Karriere verdankt. Doch was verbin- Films mitbekommen hat, spricht er im Foyer den Autor det einen burlesk-komödiantischen Welterfolg wie IERI, an: »Great movie, huh? It's refreshing to see something OGGI, DOMANI (GESTERN, HEUTE UND MORGEN) von like this after all these cop movies, you know, things we 1963 mit der zwei Jahre zuvor gedrehten Sartre-Verfil- do. Maybe we'll do a remake of this.« »You'd probably mung I SEQUESTRATI DI ALTONA (DIE EINGESCHLOS- give it a happy ending«, entgegnet der andere spöt- SENEN VON ALTONA), einer düsteren Parabel über die tisch. »No, we'd keep it pure. Pure, right«. Pur, das nationalsozialistischen Verstrickungen einer Hamburger meint hier das Gegenteil von Dramatik und Melodrama- Reeder-Familie im bundesdeutschen Wirtschaftswun- tik à la Hollywood, die Darstellung eines unverfälschten der? Wenig, bis auf die Tatsache, dass in beiden Filmen Lebens und Leidens auf der Leinwand, all das, was den die Loren an prominenter Stelle mitspielt. Filmen des italienischen Neorealismus zugeschrieben Der Vergleich ist aber aufschlussreich, weil hier die wird. In ihrer reinsten Form verkörpert das LADRI DI beiden Hauptstränge im Werk De Sicas sichtbar wer- BICICLETTE. Neben Roberto Rossellinis ROMA CITTÀ den: Auf der einen Seite mit IERI, OGGI, DOMANI das APERTA (ROM, OFFENE STADT) ist es einer der ikoni- Anknüpfen sowohl an neorealistische Motive und Kon- schen Filme des Neorealismus, von vielen anderen Re- stellationen als auch an die filmische Commedia all'ita- gisseuren, von Satyajit Ray bis Martin Scorsese, be- liana mit populären einheimischen Darstellern, auf der wundert, und wie wenige andere Filmklassiker auch anderen Seite gewichtige, oft tragisch grundierte Stoffe heute noch im Bewusstsein eines breiten Publikums für den internationalen Markt, besetzt mit Schauspie- präsent. lern wie Fredric March und Maximilian Schell in I SE- Wie immer man das filmische Werk des Regisseurs QUESTRATI DI ALTONA oder mit Helmut Berger und Dominique Sanda in IL GIARDINO DEI FINZI CONTINI beliebt und vertraut, in der er als schmucker Carabinie- (DER GARTEN DER FINZI CONTINI). »Star-packaging« re um die Gunst der Lollobrigida buhlt. Man kann den als kommerzielles Kalkül war in Italien zu dieser Zeit vor Erfolg dieser komödiantischen Filme, ob als Regisseur allem eine Sache des Produzenten Carlo Ponti, des oder als Schauspieler, auch als Kompensation für frus- Ehemanns von Sophia Loren. Er sorgte für die hohe Be- trierende Erfahrungen verstehen. Trotz der weltweiten schäftigungsquote De Sicas in dieser Zeit, wohl wis- Anerkennung seiner neorealistischen Filme, wie sie send, was die Loren ihrem Regisseur künstlerisch zu sich auch in zwei Oscars für SCIUSCIÀ (SCHUHPUTZER) verdanken hatte. Immer den anglo-amerikanischen und LADRI DI BICICLETTE manifestierte, hat er sich Markt im Blick, versah er De Sicas Filme mit Hollywoo- später oft skeptisch bis enttäuscht geäußert. Nicht we- dprominenz wie Shirley MacLaine in WOMAN TIMES gen der Filme, sondern wegen ihrer mühseligen Finan- SEVEN (SIEBENMAL LOCKT DAS WEIB), Faye Dunaway zierung, wegen des Desinteresses des heimischen Pu- zusammen mit Marcello Mastroianni in AMANTI (mit blikums und wegen der offenen Feindseligkeit der dem kuriosen deutschen Verleihtitel DER DUFT DEINER damaligen konservativen Regierungen. De Sica galt HAUT), Peter Sellers in CACCIA ALLA VOLPE (JAGT DEN hier als Nestbeschmutzer, dem vorgeworfen wurde, mit FUCHS) oder Richard Burton an der Seite von Sophia seinen Filmen über das Nachkriegselend Italiens ein zu Loren in IL VIAGGIO (DIE REISE NACH PALERMO), dem düsteres Bild des Landes für das Ausland zu vermitteln. letzten Film des Regisseurs vor seinem Tod 1974. Die Abkehr vom neorealistischen Konzept der De Sica hatte zu dieser Zeit keinen Anteil mehr an Nachkriegsjahre hat Martin Scorsese damit erklärt, den großen Filmen des italienischen Kinos, wie das dass Anfang der 1950er Jahre die existentielle Dring- noch zur Zeit seiner neorealistischen Filme der Fall ge- lichkeit nicht mehr da gewesen wäre, die den Impetus wesen war. Er hatte nicht die gestalterischen Visionen und die künstlerische Integrität der Filme De Sicas aus- und den unverwechselbaren Stil eines Fellini wie in gemacht hätten. Schon die märchenhafte Fabel von OTTO E MEZZO (8 ½) eines Visconti wie in IL GATTO- MIRACOLO A MILANO (DAS WUNDER VON MAILAND) PARDO (DER LEOPARD) oder eines Antonioni wie in schlägt 1951 einen neuen Ton an, der von manchen L'AVVENTURA (DIE MIT DER LIEBE SPIELEN). Und das Kritikern als Verrat am ursprünglichen neorealistischen De Sica Vittorio von mafiösen Machenschaften geprägte Neapel in Konzept angeprangert wurde. Ähnlich waren die Vor- 49 Francesco Rosis LE MANI SULLA CITTÀ (HÄNDE ÜBER würfe ein Jahr später bei TERMINAL STATION (ROM, DER STADT) war ein ganz anderes Neapel als der volks- STATION TERMINI), in dem sich De Sica zum ersten Mal tümliche Kosmos von L’ORO DI NAPOLI, einer Liebeser- an der erwähnten Überführung neorealistischer Ele- klärung De Sicas an eine Stadt, die er als seine eigent- mente in einen anderen Kontext versuchte. In der Auf- liche Heimat betrachtete. Aber viel klarer als andere tragsproduktion für den amerikanischen Produzenten hatte er schon Anfang der 1950er Jahre erkannt, dass David O. Selznick hatte der für seinen bewussten Ein- sich der künstlerische Impetus des Neorealismus nach satz von Laienschauspielern bekannte Regisseur zum der unmittelbaren Nachkriegszeit erschöpft hatte, for- ersten Mal zwei Hollywoodstars vor der Kamera, Mont- melhaft zu werden begann. Er selbst hat daraus die gomery Clift und Jennifer Jones, die Ehefrau des Pro- Konsequenz gezogen, bestimmte Elemente des Neore- duzenten. Den melodramatischen Bahnhofsabschied alismus in das Komödienhafte seiner späteren Filme zu zwischen einer Amerikanerin und ihrem italienischen überführen, wie in L’ORO DI NAPOLI, in IERI, OGGI, DO- Lover inszenierte er ganz hollywoodlike als Wechsel- MANI, in MATRIMONIO ALL’ITALIANA (HOCHZEIT AUF spiel von Großaufnahmen und Schuss/Gegen- ITALIENISCH) oder in LO CHIAMEREMO ANDREA (WIR schuss-Einstellungen, während das geschäftige Trei- NENNEN IHN ANDREA). ben im Bahnhof mit vielen kleinen Anekdoten einen Den ersten Film hat er nicht nur inszeniert, sondern eigenständigen Erzählstrang mit neorealistischen An- man kann ihn dort auch als den vielseitigen Volks- klängen darstellte. Es ist derselbe David O. Selznick, schauspieler erleben, als der er in Italien auch heute der dem Regisseur fünf Jahre zuvor die Finanzierung noch populär ist. Mit unnachahmlicher Grandezza spielt von LADRI DI BICICLETTE unter der Bedingung angebo- er einen verarmten Grafen, der der Zockerei mit Karten ten hatte, dass die Hauptrolle mit Cary Grant besetzt verfallen ist – ein kaum verhülltes Selbstporträt des würde – was De Sica höflich, aber bestimmt abgelehnt Glücksspielers De Sica, der ein Vermögen in Spielcasi- hatte. nos verloren hat. Jedem Italiener ist er im übrigen bis 1954, ein Jahr nach TERMINAL STATION, bewegte heute in der mit PANE, AMORE E FANTASIA (LIEBE, sich De Sica dann aber mit dem Episodenfilm L’ORO DI BROT UND FANTASIE) 1955 begonnen Komödienreihe NAPOLI auf vertrautem Terrain. Zum ersten Mal arbei- tete er für Carlo Ponti, der maßgeblichen Anteil an De Sicas weiterer Karriere haben sollte. Ein erster Höhe- punkt der Zusammenarbeit von Regisseur und Produ- zent war dann 1960 LA CIOCARA (... UND DENNOCH LEBEN SIE). Ein Triumph vor allem für Sophia Loren, die mit der Rolle einer Römerin, die 1943 vor den alliierten Bombenangriffen auf Rom mit ihrer halbwüchsigen Tochter aufs Land flieht, zur Mater Dolorosa des italie- nischen Kinos wurde. Der Lohn war auch der Oscar als beste weibliche Hauptdarstellerin. Wiederum mit einem Oscar für den besten fremdsprachigen Film wurde dann IERI, OGGI, DOMANI ausgezeichnet, eine Huldi- gung in drei Episoden an das Duo Sophia Loren & Mar- cello Mastroianni, mit dem dann De Sica ein Jahr spä- ter mit MATRIMONIO ALL’ITALIANA einen weiteren großen Publikumserfolg feiern konnte. In den 1960er Jahren konnte er genießen, was ihm in den 1940er Jahren verwehrt worden war, den Zuspruch des italie- nischen wie auch des internationalen Publikums und auch die Anerkennung der Kritik. Vittorio De Sica und Cesare Zavattini Zu Beginn der 1970er Jahre folgte dann mit IL Freund. Für eine derartige kreative und kontinuierliche GIARDINO DEI FINZI CONTINI noch einmal ein großer Zusammenarbeit über einen Zeitraum von mehr als Film, ein internationaler Erfolg, wiederum mit dem dreißig Jahren finden sich nur wenige andere Beispiele Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausge- in der Filmgeschichte. Wenn der Produzent aus THE Vittorio De Sica Vittorio zeichnet. Schon seit Mitte der 1960er Jahre hatte Carlo PLAYER wie