Münchens Bauten und Architektur

im Wandel der Zeit

Auch wer München schon gut zu kennen glaubt, wird hier Neues entdecken! Das Buch stellt kurz und anschaulich die wichtigsten Bauten Münchens vor, eingeordnet in die Geschichte der Stadt von der Steinzeit bis heute. Reich ausgestattet mit historischen www.wikom-media.de und aktuellen Bildern, geht die Chronik auch auf die spektakuläre Entwicklung der letzten Jahrzehnte ein. Münchens Bauten und Architektur im Wandel der Zeit Der Autor Dr. Reinhard Bauer ist einer der profiliertesten Autoren zur Geschichte Münchens. Mit verschiedenen Fachleuten werden spannende Sonderthemen wie Unternehmens- ISBN: 978-3-98193-406-9 gebäude dargestellt. Mit Beiträgen von , Miryam Gümbel, Thomas Jacobi und Renate Kürzdörfer sowie Firmenportraits von Céline Tognon-Hofer und Kathrin Schirmer. Fotografien von Dorrit Wess und Sven Eichhorn. 9 783981 934069 Reinhard Bauer Kathrin Schirmer Céline Tognon-Hofer Reinhard Bauer

Grußwort des Altoberbürger- meisters der

vielfältigen Aufgaben erfüllen kann. Die erfolgreiche Metro- Landeshauptstadt pole wird auch wegen hoher Lebensqualität geschätzt: Die Mehrheit der Deutschen würde am liebsten hier wohnen, was nicht nur positive Auswirkungen hat. In meinem Amt München konnte ich auch Einfluss nehmen auf den Bau neuer Stadt- teile und von insgesamt 125 000 neuen Wohnungen sowie auf die Gestaltung neuer architek tonischer Höhepunkte wie München ist die beliebteste Stadt Deutschlands und welt- der Allianz Arena oder der BMW Welt, der Synagoge am weit angesehen. Und dies, obwohl die Altstadt – nach der St.-Jakobs-Platz oder des NS-Dokumentationszentrums, von hier ausgegangenen Barbarei – fast völlig durch den die unsere Stadt und ihr Erscheinungsbild bereichert haben. Bombenhagel des 2. Weltkriegs zerstört worden war. Es Im vorliegenden Buch stellt der erfahrene Historiker und grenzt an ein Wunder, was hier in den letzten 75 Jahren an Kommunalpolitiker Dr. Reinhard Bauer mit Unterstützung Aufbauleistung geschaffen wurde, wenn man zum Ver- von Fachleuten aus Architektur, Bauwesen und Kunstge- gleich die Bilder des zerstörten Münchens von 1945 sieht. schichte mit vielen Bildern umfassend und anschaulich die Dies ist tatkräftigen Menschen wie dem Oberbürgermeister Entwicklung von Bauten in München vom Mittelalter bis Thomas Wimmer oder dem Architekten Otto Meitinger, der heute dar. den Wiederaufbau der Residenz leitete, zu verdanken. Ober- bürgermeister Dr. Hans-Jochen Vogel (1960–1972) gelang es dann, die Olympischen Sommerspiele von 1972 nach München zu holen und dazu U- und S-Bahn beschleunigt einzurichten. Der Olympiapark und das Olympische Dorf, vor allem aber das Olympiastadion als architektonisches Christian Ude Wahrzeichen der Moderne, gehören zum bleibenden Erbe dieses dynamischen Entwicklungssprungs. Ich bin sehr dankbar dafür, dass in meiner 24-jährigen Amtszeit als Bür- germeister und dann Ober bürgermeister der Landeshaupt- stadt München ein beachtlicher wirtschaftlicher Auf- schwung stattfand, durch dessen Erträge die Stadt ihre

MÜNCHENS BAUTEN UND ARCHITEKTUR IM WANDEL DER ZEIT 3 Impressum

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Autor Redaktion: Reinhard Bauer, Bavarica Verlag, München Mail: [email protected]

Portraits von Firmen und Institutionen: Kathrin Schirmer, Céline Tognon-Hofer, München

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1. Auflage 2020 ISBN: 978-3-98193-406-9

4 MÜNCHENS BAUTEN UND ARCHITEKTUR IM WANDEL DER ZEIT Inhalt

Gewerbe und Handel ...... 27 Kaiser Karl VII. und seine Pläne ...... 50 3 Grußwort des Altoberbürgermeisters Marktplätze ...... 27 Adelspalais ...... 50 der Landeshauptstadt München Stadtbäche ...... 28 Asamkirche St. Johann Nepomuk . . . .52 4 Impressum Das Gnadenjahr 1392 ...... 28 53 Aufklärung Das Alte Rathaus ...... 29 5 Inhaltsverzeichnis Cuvilliéstheater ...... 53 Blutenburg ...... 30 8 Einleitung Augustinerkirche und -kloster ...... 31 55 Kurfürsten und Könige 10 Geologie Frauenkirche ...... 32 Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz . . .55 Friedhöfe und Begräbnisstätten . . . . .33 Englischer Garten ...... 55 12 Klima und Wetter Stadtgestalt ...... 34 Niederlegung der Festungswerke . . . .58 Prinz-Carl-Palais ...... 59 12 Vegetation 36 Residenzstadt in Humanismus Kurfürst Maximilian IV. und Renaissance 13 Besiedlung in der Steinzeit und die Säkularisation ...... 60 Reformation und Gegenreformation . . . .36 13 Bronzezeit Königliche Residenzstadt ...... 60 Münzhof ...... 37 Der (alte) Botanische Garten ...... 61 14 Kelten Antiquarium und Grottenhof ...... 37 Der Plan einer neu anzulegenden St. Michael ...... 38 15 Römerzeit Vorstadt ...... 62 Wilhelminische Veste – Nationaltheater ...... 63 16 Bajuwaren Herzog-Max-Burg – Maxburg ...... 38 Marstall ...... 63 17 Christianisierung und Kirche Schloss Schleißheim ...... 39 Stadtmodell und bürgerliche Häuser . .40 64 Ludwig I. – Kunstfreund und Bauherr 18 Die Gründung des Marktes München Mariensäule am Marktplatz ...... 42 Odeonsplatz ...... 64 Die Kirche ...... 19 Orden und Klöster ...... 42 Feldherrnhalle ...... 65 St. Jakob ...... 19 Maximilianische Residenz ...... 42 Ludwigstraße ...... 67 St. Peter ...... 20 Inflation, Krieg und Besatzung ...... 43 Ludwigskirche ...... 68 21 Der Aufstieg der Stadt Italienische Baukultur ...... 45 Königliche Bibliothek (Staatsbibliothek) 68 Hauptstadt ...... 21 Theatinerkirche St. Cajetan ...... 45 Siegestor ...... 69 St. Lorenz ...... 22 Schloss Nymphenburg ...... 45 Glyptothek ...... 70 Stadtbefestigung und Umgestaltung . .23 Max Emanuel, Kanäle und Schlösser . . .47 Kunstausstellungsgebäude ...... 70 Geistiges Zentrum des Reiches ...... 24 Krieg, Bauernaufstand und Schlösser . .49 Propyläen ...... 72 Franziskanerkloster ...... 25 Bürgersaal ...... 49 St. Bonifaz ...... 73 Kunst ...... 26 Die Dreifaltigkeitskirche und der Mariahilfkirche in der Au ...... 74 Stadtverfassung und Verwaltung . . . . .26 Beginn des Rokoko ...... 49 Protestantische Kirche ...... 74

MÜNCHENS BAUTEN UND ARCHITEKTUR IM WANDEL DER ZEIT 5 Karolinenplatz und Obelisk ...... 75 Wohnungsnot ...... 99 Neue Sachlichkeit in Alte Pinakothek ...... 76 Stolz auf Schulen ...... 99 Nord-Schwabing ...... 129 Neue Pinakothek ...... 76 Elisabethschule ...... 100 130 Bei uns wohnt München Monopteros ...... 78 MaximiliansgymnasiumOskar-von-Miller-Gymnasium und ...... 100 Allerheiligen-Hofkirche ...... 78 Historismus ...... 101 132 Thomas Jacobi: Königsbau und Hauptpost ...... 78 Künstlervillen ...... 102 Die Zeit des Nationalsozialismus Ruhmeshalle und ...... 79 Künstlerhaus am Lenbachplatz . . . . .103 Hauptstadt der Deutschen Kunst Neuromanische Gotteshäuser ...... 105 und Hauptstadt der Bewegung . . . . .132 80 Antike am Königsplatz – Justizpalast ...... 107 Das Haus der Deutschen Kunst . . . .132 Glyptothek und Antikensammlungen Jugendstil ...... 108 NS-Verwaltungsbauten am 83 Aufbruch zur Großstadt Prinzregententheater ...... 109 Königsplatz ...... 133 Bauspekulation und der Hans Grässel und seine Friedhöfe . . .109 Siedlungsbau ...... 135 Häuserbankerott ...... 83 Müller’sches Volksbad ...... 111 Pasinger Rathaus ...... 135 Eisenbahnbau, Bahnhof und Das Schwabinger Krankenhaus . . . .111 NordbadHeeresbauten und Altenheim ...... in. . Schwabing...... 136 135 Industrialisierung ...... 83 Gasthäuser und Vergnügungsstätten 112 Gigantische Planungen ...... 137 Wittelsbacher Palais ...... 84 Handel, Gewerbe und Banken . . . . .113 Bunkerbauten ...... 138 Maximilianstil und Neugotik ...... 84 Privathäuser ...... 115 Glaspalast ...... 86 Bayerisches Armeemuseum, Haupt- 139 Nachkriegszeit Eingemeindungen und Bautätigkeit . . .86 zollamt und Verkehrsministerium . . . .116 Zerstörungen,Währungsreform Wohnungsnot ...... und...... 139 Der Märchenkönig ...... 88 Gärtnerplatz ...... 89 118 111 Jahre Kuvertfabrik Pasing – Geschäftsleben ...... 90 140 Lotto Bayern – mit ein Industriedenkmal erwacht Das Neue Rathaus ...... 90 Losbriefen aus den Trümmern Sitzungssäle ...... 91 121 Aufbruch zu neuem Bauen 142 Stadtplanung und Rama dama Rathausgalerie und Bibliothek ...... 92 Krieg, Elend und Revolution ...... 121 Renovierung und „Zweite Zerstörung“ 142 Prunkhof ...... 92 Demokratie, Not und Volkswohnungen 122 Bauen für eine neue Zeit ...... 143 Rathausturm und Glockenspiel . . . . .93 AufschwungDas Städtische und Hochhaus Weltwirtschaftskrise ...... 123 Trinkwasser, Kanalisation, Öffentliche Bauten ...... 124 146 Wohnungs- und Siedlungsbau Naturwissenschaft und Kunst ...... 94 Bayern (WSB)

96 Gründerzeit 126 Das Art déco Büro-Palais 148 „Weltstadt mit Herz“ und Olympia von BNP Paribas REIM Prinzregent, Friedensengel und Die Ära Vogel ...... 148 technische Entwicklung ...... 96 128 Klassische Moderne Fußgängerzone Stachus und U-Bahn 149 Stadterweiterung und Baulinien ...... 96 Postbauten der klassischen Moderne 128 Siedlungsbau ...... 149 Wohnungsbau und Terraingesellschaften 98 Die Borstei ...... 128 Siedlung am Hasenbergl ...... 150

6 MÜNCHENS BAUTEN UND ARCHITEKTUR IM WANDEL DER ZEIT Siedlung am Lerchenauer See . . . . .151 178 Kunst, Kultur und Lifestyle – Skygarden im Arnulfpark ...... 194 Geschäfts- und Bürogebäude ...... 152 das CityQuartier Fünf Höfe Pasing Arcaden und Riem Arcaden . .194 Paketpostamt und -halle ...... 152 ADAC ...... 194 180 Arbeiten und Wohnen in der Innenstadt Tantris und Schwabylon ...... 153 Wohnhochhäuser „Friends“ ...... 194 Olympia ...... 153 181 Steidle Architekten – wandelbare Räume Sternenhimmel und Alpenglühen . . . .195 154 Der Olympiapark – 182 Spektakuläre Bauten 1995 bis 2000 MO82 ...... 195 „München soll leuchten“ RE ...... 182 Bavaria Towers ...... 195 Olympiabauten ...... 156 Neue Messe in Riem ...... 182 196 Die Power der Bavaria Towers Olympisches Dorf und Pressestadt .157 Neues Technisches Rathaus ...... 182 200 SWM – Dantestraße 4 158 BMW – drei Buchstaben, die bewegen 184 RH Unternehmensgruppe – die 202 Solidarische Stadtgesellschaft Marke für herausragende Immobilien 160 Wechsel im Rathaus und und Ökologie ruhige Entwicklung 186 Spektakuläre Bauten 2000 bis 2002 Nachhaltiger Wohnungsbau ...... 202 Kleinere Wohnanlagen ...... 161 Herz-Jesu-Kirche ...... 186 203 International Campus – Munich City Tower ...... 186 162 Concept Bau – Exklusives Community erleben Wohnen in München 187 Residenz in prominenter Lage: 204 „Made in Munich“: Das ARRIAL – 163 Betriebe, Banken und Versicherungen MünchenerHyp Mediencampus von ARRI 164 Rischart – Handwerkskunst 188 Spektakuläre Bauten 2002 bis 2010 205 Christian Ude: Der Münchner und Gaumenschmaus Nymphe ...... 188 und seine Architektur Theresie ...... 188 165 Krankenhäuser und Verwaltung Fraunhofer-Haus ...... 188 206 Christian Ude: Dem Weltgeist Neue große Krankenhäuser ...... 165 Uptown Munich ...... 188 auf der Spur Öffentliche Verwaltung ...... 165 Highlight Towers ...... 189 212 Zukunft des Wohnungsbaus 166 Kulturbauten Allianz Arena ...... 189 214 Nachwort 167 Der Gasteig – Kulturzentrum über der Isar Schrannenhalle ...... 190 BMW Welt ...... 190 215 Autorinnen und Autoren 168 Flughafen München – das Entrée Bayerns MIRA ...... 190 216 Portraits beteiligter Firmen und 174 München wird Weltmetropole Zentraler Omnibusbahnhof (ZOB) . . .191 Institutionen Die Ära Ude ...... 174 Skyline Tower oder THE m.pire . . . . .191 218 Literatur- und Quellenangaben Wohnungsbau ...... 174 192 Highrise One: Hoch über dem Werksviertel Kulturbauten ...... 176 221 Stichwortverzeichnis erwähnter Bauten Staatliche Museen ...... 176 194 Spektakuläre Bauten 2010 bis 2018 und Orte Jüdisches Zentrum und Synagoge . .177 Medienbrücke ...... 194

MÜNCHENS BAUTEN UND ARCHITEKTUR IM WANDEL DER ZEIT 7 München von Osten1632 beim Einzug von König Einleitung Gustav Adolf

Der Charakter von Städten wird sowohl von ihrer Bewoh- Der Dichter Heinrich Heine aus Düsseldorf (1797–1856) nerschaft als auch von ihren Bauten geprägt. schrieb 1830 am Beginn des dritten Teils seiner „Reisebil- München sei ein „goldener Sattel auf einer dürren Mähre“, der“ über das „neue Athen“, in dem er vom November soll der Schwedenkönig Gustav Adolf gesagt haben, als er 1827 bis Juli 1928 gelebt hatte, teils kritisch, teils bewun- 1632 als Sieger in die Stadt einzog. Er charakterisiert damit dernd: die prächtige Residenzstadt im Gegensatz zum ärmlichen „München nämlich ist eine Stadt, gebaut von dem Volke Umland. Die Stadt verschonte er gegen hohe Zahlungen, selbst, und zwar von aufeinander folgenden Generationen, die Dörfer der Umgebung gab er seiner Soldateska zur deren Geist noch immer in ihren Bauwerken sichtbar, so Plünderung und Zerstörung preis. Die Residenz gefiel ihm daß man dort, wie in der Hexenszene des Macbeth, eine angeblich so gut, dass er sie gerne auf Rollen nach Stock- chronologische Geisterreihe erblickt, von dem dunkelroten holm mitgenommen hätte. In der ersten Beschreibung, die Geiste des Mittelalters, der geharnischt aus gotischen Kir- von der Stadt erhalten ist, wird München 1433 von einem chenpforten hervortritt, bis auf den gebildet lichten Geist burgundischen Edelmann als die „hübscheste kleine Stadt, unserer eignen Zeit, worin jeder sich selbst mit Vergnügen die ich jemals sah“ gerühmt und ihr die „Palme der Schönheit“ anschaut. [...] Wir sind ernst, aber nicht unmutig bei dem zuerkannt. Anblick jenes barbarischen Doms, der sich noch immer, in Für Reisende, die Städte beschrieben, war es üblich, deren stiefelknechtischer Gestalt, über die ganze Stadt erhebt und Bauten zu loben. Dies änderte sich erst im 19. Jahrhundert. die Schatten und Gespenster des Mittelalters in seinem Hier sahen Zeitgenossen die Architektur eher kritisch. Schoße verbirgt. Mit eben so wenig Unmut, ja sogar mit Der romantische Maler und Zeichner Ludwig Richter spaßhafter Rührung betrachten wir die haarbeuteligen (1803–1884) kam auf einer Reise nach Rom 1823 in die Schlösser der spätern Periode, die plump deutschen Nach- Stadt. Er schrieb dazu in seinen Lebenserinnerungen: äffungen der französischen Unnatur, die Prachtgebäude der „München sah damals noch sehr unscheinbar und altfrän- Abgeschmacktheit [...] dieser Anblick verstimmt uns nicht kisch aus, es hielt mich nur einen halben Tag.“ Am nächsten [...] und wenn wir die neuen Werke betrachten, die sich ne- Morgen wanderte er mit seinem Ränzel auf dem Rücken ben den alten erheben, so ists, als würde uns eine schwere den „lieben Alpen“ entgegen. Perücke vom Haupte genommen und das Herz befreit von Die Bauten von Ludwig I. wurden dann bewundert und das stählerner Fessel. Ich spreche hier von den heiteren Kunst- „Neue München“ wurde für viele zur architektonisch fort- tempeln und edlen Palästen, die in kühner Fülle hervorblühen schrittlichsten und sehenswertesten Stadt Deutschlands. aus dem Geiste Klenzes, des großen Meisters.“

8 EINLEITUNG 9 1158Die Gründung des Marktes München

An der mittleren Isar ist seit der Römerzeit ein Verkehrskno- dung der Stadt „Alter Ort“ ge- tenpunkt. Von Süden (Alpen) nach Norden (Freising, Re- nannt wurde. Heinrich der Lö- gensburg) war der Fluss mit Flößen schiffbar. Am Westufer we ließ den Markt München, befand sich ein wichtiger Fernhandelsweg, der Italien mit der nur ein kleines Oval um der Ostsee verband. Ihn kreuzten hier zwei Römerstraßen den heutigen Marienplatz in Ost-West-Richtung, die noch im Mittelalter befahren wur- umfasste, bereits um 1160

1110 den. Die „Salzstraße“ überquerte bei Oberföhring, auf Herr- mit einer Mauer befestigen. 1120 schaftsgebiet des Freisinger Bischofs, die Isar. Sie war ein Man bezeichnet diesen ältes- 1130 Haupttransportweg für das im Mittelalter bedeutsamste ten Kern als „Heinrichsstadt“. 1140 Handelsgut. Hier gab es eine Zollstelle, die dem Bischof Trotz des Schiedsspruchs 1150 von Freising Einkommen bot. gingen die Auseinanderset- 1160 zungen zwischen Herzog und

1170 Heinrich der Löwe (1130–1195), Herzog von Bayern und Bischof um die Rechte an den

1180 Sachsen, ließ auf herzoglichem Land weiter südlich 1156 Markt-, Zoll- und Münzein- 1190 eine Brücke bauen und den Salzhandel dahin umleiten. Der nahmen weiter. Nachdem der 1200 folgende Streit zwischen Bischof und Herzog wurde von Kaiser im Jahre 1180 Heinrich 1210 Kaiser Friedrich I., Barbarossa, auf dem Reichstag in Augs- den Löwen abgesetzt hatte, burg 1158 entschieden. In der Kaiserurkunde „Augsburger rollte der Freisinger Bischof Schiedsspruch“ wird München erstmals genannt. Eine An- Adalbert den Fall wieder auf. siedlung unter diesem Namen hat wohl schon bestanden, Er klagte, dass der „Edel- sonst wäre in der Urkunde erwähnt, dass sie neu gegründet mann Heinrich von Braun- wurde. Die natürliche Verwendung des Namens apud Mu- schweig, einst Herzog von nichen „bei (den) Mönchen“ lässt auf eine nahe Niederlas- Bayern und Sachsen“ den 1 sung von Mönchen schließen. Möglicherweise bestand hier Markt in Föhring mit einer 1 schon das Kloster St. Jakob am Anger (Jakobsplatz) als Pil- Brücke, den seine Kirche seit lange zurückliegenden Zeiten Idealisiertes Bild im Evangeliar Heinrichs des Löwen, das um 1180 entstand und ein Hauptwerk romanischer Buchmalerei ist. gerherberge, das älteste Kloster der Stadt. Eine dörfliche unangefochten besessen hatte, zerstört und gewaltsam in Im unteren Teil: Die Krönung des königsgleichen Heinrichs des Siedlung, die älter als der Markt München war, lag wohl im das „Dorf München“ verlegt habe. Auf einem Hoftag in Re- Löwen mit Mathilde von England. Links der Vetter Heinrichs Kai- Bereich des heutigen Altheimer Ecks, südwestlich vom Ma- gensburg wurde dann entschieden, dass die Tat Heinrichs ser Friedrich Barbarossa und Heinrichs Eltern, Herzog Heinrich der Stolze mit Kaisertochter Gertrud von Supplinburg. Rechts rienplatz. Der Name Altheim deutet darauf hin, dass hier rechtswidrig gewesen sei. Kaiser Friedrich widerrief die Ver- die Frau mit ihren Eltern, Heinrich II. von England und Eleonore Häuser „bei den Mönchen“ standen, die dann nach Grün- legung des Marktes nach München und bestätigte dem Bi- von Aquitanien.

18 DIE GRÜNDUNG DES MARKTES MÜNCHEN 1 Stich von Michael Wening 1701

St. Jakob schof Marktrecht mit Brückenzoll. Diese Anordnung blieb aber ohne Folgen. Wahrscheinlich wurde der Bischof finan- Das älteste Kloster, das ziell entschädigt und verzichtete auf eine Vollstreckung des wohl schon bei der Grün- Urteils. dung des Marktes Muni- chen bestand, war St. Ja- kob (am Anger). Die Kirche

Die Pfarrei St. Peter wurde wohl schon um 1160 errichtet. Um 1250 wurde, damals 1150 1171 wird „Heribortus decanus de Munichen“ erwähnt, der noch außerhalb der Stadt- 1 1160 1168 als „Priester und Dekan von Feldmoching“ bezeugt mauern, über einem Vor- 1170 ist. Die kirchlichen Rechte mussten von umliegenden alten läuferbau eine Basilika im spätromanischen Stil mit 1404 stürzten Teile der Klosterkirche ein, die 1408 1180 Pfarrsprengeln (Feldmoching, Sendling) übertragen werden. breitrechteckigem Drei-Apsiden-Chor errichtet. Die wieder erstand. Um 1600 wurde im Stil der Renais- 1190 Die Pfarrkirche St. Peter wurde bald zu klein für die Stadt, Romanik kam im 10. Jahrhundert in Italien auf und sance umgestaltet und die gotischen Fresken über- 1200 die „ins Unermessliche“ wuchs. Am 14. November 1271 prägte bis zum Beginn der Gotik im 12. Jahrhundert tüncht. 1738 erfolgte dann eine Barockisierung mit 1210 teilte Bischof Konrad von Freising die Pfarrei und erhob die die Bauwerke in Europa. Merkmale der romanischen Fresken und Stuckarbeiten von Johann Baptist. 1220 Frauenkapelle zur zweiten Pfarrkirche. Die Grenze zwischen Architektur sind massive Bauwerke mit halbkreis- 1230 den beiden Sprengeln bildete die Achse Tal–Neuhauser förmigen Bögen für Fenster und Öffnungen. Nach der Säkularisation wurde das Kloster 1804 1240 Straße. Außer dem alten Kloster St. Jakob der Franziskaner aufgegeben und es zogen kommerzielle Nutzungen 1250 wurden am Ende des 13. Jahrhunderts auch das Männer- Das Kloster wurde bis 1287 von Franziskanern ge- ein. 1811 wurde die Westfassade von Gustav Vor- kloster der Augustiner sowie zwei Nonnenhäuser, benannt führt, die hier seit 1257 auch Ablässe erteilten. Dann herr klassizistisch gestaltet. 1843 übernahmen die nach ihren Stifterfamilien Püttrich und Ridler, gegründet. wurde an der Stelle des heutigen Nationaltheaters Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau Dazu kamen dann im Laufe des Mittelalters weitere Klöster ein neues Franziskanerkloster errichtet und der Kon- Klostergebäude und Kirche. Im Dezember 1944 und Seelhäuser, letztere gestiftet von den Familien Kazmair, vent dahin verlegt. wurden die Gebäude durch Bomben bis auf die Au- Mäusel, Rudolf, Pienzenauer, Schluder, Schrenk, Sendlinger ßenmauern zerstört, darunter auch der Chor der ro- und Wilbrecht. Außerdem hatten die Klöster des Herzog- Den Bau von St. Jakob am Anger übernahm der manischen Basilika. Damit verschwand 1954 durch tums oft noch Häuser in der Residenzstadt. Nonnenorden der Clarissinnen. 1378 wurde die Kir- Abriss das letzte erhaltene romanische Gebäude in che gotisiert. Die Überwölbung mit einem spitzbo- der Altstadt. 1955 bis 1957 wurde dann die Kirche gigen Kreuzrippengewölbe galt als ältestes Zeugnis nach Plänen von Friedrich Haindl als Backsteinbau der Gotik in Oberbayern. Der filigrane Stil der Gotik neu errichtet. prägte, von Frankreich ausgehend, vom 12. Jahr- hundert bis nach 1500 Gebäude in Europa.

DIE GRÜNDUNG DES MARKTES MÜNCHEN 19 Residenzstadt in Mit Religionsverhören zwischen 1567 und 1571, in deren 1500 Folge auch vermögende Personen und Mitglieder des Äu- ßeren Rats mit ihren Familien der Stadt den Rücken kehrten und sich meist in den umliegenden Reichsstädten nieder- Humanismus und Renaissance ließen, endete die reformatorische Phase. Hunderte waren betroffen und der Stadtrat befürchtete daher Verödung München hatte um 1500 13 500 Einwohner. Davon waren Reformation und Gegenreformation und Verarmung der Stadt. etwa 700 Geistliche und Pfründner und 600 Angehörige des herzoglichen Hofes. Der Hofstaat wuchs bis um 1600 Die durch Martin Luther ausgelöste Reformation fand auch 1559 holte Herzog Albrecht V. die Jesuiten nach München, auf über 800 an. Die Entwicklung der Stadt wurde immer in München viele Anhänger, besonders in gebildeten Krei- um ihnen den Kampf gegen Ketzer zu übertragen. Zunächst stärker vom Hof bestimmt. Nur noch von ihm gingen be- sen. Zu Verfolgungen von Kritikern der römisch-katholischen residierten sie im Augustinerkloster, wo sie sofort das Gym- deutende Bauaufträge aus. Kirche führte schon das erste Religionsmandat von 1522 nasium eröffneten, das als Erziehungsanstalt ein wirksames

1450 (Verbot der Verbreitung der Lehren Luthers). Wiedertäufer Instrument der Glaubensvermittlung wurde. Bald überflügelte 1460 Wilhelm IV. (1493–1550) verband zeitgemäß mittelalterliche und Lutherische wurden verhört, gefoltert und hingerichtet, es die anderen Schulen in München. Auch der alltägliche 1470 Ritterideale mit Ideen des Humanismus und der Renais- teilweise sogar öffentlich verbrannt. Zunächst war wohl eher Kultus der Gläubigen wurde von den Jesuiten bestimmt. In 1480 sance. Diese von Italien ausgehenden Bewegungen er- die Furcht vor politischen Unruhen, „Aufruhr, Rumor und den Kongregationen konnten die Menschen, nach gesell- 1490 reichten nun auch Bayern. Zum Kreis der vom Herzog ge- Überfall“, ausschlaggebend für die harte Haltung der Her- schaftlicher Stellung unterteilt, sich aktiv der Religionsaus- 1500 förderten Humanisten gehörte der Universalgelehrte Aven- zöge, weniger der theologische Aspekt. übung auch außerhalb der Gottesdienste widmen.

1510 tinus (Johannes Turmair aus Abensberg, 1477–1534), der 1 1520 Prinzenerzieher sowie seit 1517 Landeshistoriograf war und 1530 u. a. die „Bairische Chronik“ verfasste. 1540 1550 Der Wohnsitz der Herzöge wurde vom Alten Hof in die Neu- veste verlegt und diese Residenz zu einem Palast ausge- baut. 1540 wurde an der Stelle des heutigen Marstallplatzes der erste Hofgarten angelegt. Der zweigeschossige Gar- tenpavillon in der Mitte, das Lusthaus, diente dem Fürsten zur Erholung und Repräsentation. Für dieses Haus malten Albrecht Altdorfer (1480–1538), Barthel Behaim (1502– 1540) und Hans Burgkmair (1473–1531) Bilder, deren The- men die „hervorragende[n] Äußerungen männlicher Tugend und Tapferkeit“ sowie „Taten berühmter Frauen“ waren. Das bekannteste dieser Bilder wurde „Alexanderschlacht“ von Altdorfer. Bei der Einbeziehung der Gartenanlage in die Stadtbefestigung wurde das Gebäude dann um 1630 ab- 1 Blick über das Dorf Pasing von Westen auf München – die Peterskirche noch mit zwei Türmen. Gerichtszeichnung, die 1557 anlässlich eines Prozesses angefertigt wurde. Hier ist zu sehen, wie die Häuser in den Dörfern – aber auch in der Stadt – aussahen. Sie sind teilweise gebrochen. noch mit Stroh gedeckt.

36 RESIDENZSTADT IN HUMANISMUS UND RENAISSANCE Münzhof Antiquarium und Grottenhof 4

Unter Herzog Albrecht V. (1528–1579) wurde 1567 nördlich 1568 ließ der Herzog nach Plänen des aus Mantua stam- vom Alten Hof das Marstallgebäude mit seinem Renaissance- menden Jacopo Strada Hofbaumeister Wilhelm Egkl einen hof errichtet. Im oberen Teil diente es auch als Kunstkammer, freistehenden, zweigeschossigen Bau für seine umfangrei- eines der ersten Museen, und Sitz der 1558 gegründeten Bi- che Skulpturensammlung (im Erdgeschoss) und Bibliothek bliothek. In dieser Vierflügelanlage sind im Innenhof drei Arka- (im Obergeschoss) errichten. Dieses später in die Residenz denreihen übereinander angeordnet. Mit Laubengängen wird integrierte Antiquarium war mit 69 Meter Länge der größte das Gebäude erschlossen. Hier wurde Architektur der italie- Profanbau der Renaissance nördlich der Alpen. Das durch- nischen Renaissance durch eher gedrungene Proportionen laufende Tonnengewölbe wird von den Stichkappen der 17 in ein Beispiel der deutschen umgeformt. 1809 entstand Fensterpaare ausgehöhlt und wirkt so transparent. Das Durch eine Bombe und Feuchtigkeit wurde der Raum nach Plänen von Johann Andreas Gärtner eine frühklassizis- Erdgeschoss wurde 1584 von Friedrich Sustris zum Fest- schwer beschädigt, aber unter Leitung von Otto Meitinger tische Fassade für das neue Hauptmünzamt. und Bankettsaal umgestaltet. Die prunkvolle Ausmalung originalgetreu wieder aufgebaut. Der Saal gehört zum Resi- 1450 mit 102 Ansichten bairischer Städte wurde bis 1600 durch denzmuseum und wird für Empfänge und Konzerte genutzt. 1460 Bomben und Feuer zerstörten 1945 das Gebäude, die Ar- Künstler wie Peter Candid, Hans Donauer den Älteren, 1470 kaden und der barockisierte Dachstuhl des Südflügels blie- Alessandro Scalzi, genannt Padovano, und Antonio Maria Bis 1588 entstand daneben die bedeutende Vierflügelanla- 1480 ben aber erhalten. Seit 1986 ist das Gebäude Sitz des Viviani vollendet. ge des Grottenhofs von Friedrich Sustris mit dem Perseus- 1490 Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Der Arka- brunnen. Es war ein „Geheimes Lust- und Residenzgärtlein“ 1500 denhof ist öffentlich zugänglich und gelegentlich finden hier mit Grotesken und Muschelverkleidung im manieristischen 1510

Theateraufführungen und Feste statt. Stil. Auch dieser prächtige Teil der Residenz wurde nach 1520 Kriegszerstörung stilgetreu restauriert und ist zugänglich. 1530 1540 1550 2 3

2 Der Innenhof der „Alten Münze“ im Hofgraben. Das Gebäude beher- bergt heute das Bayerische Landes- amt für Denkmalpflege 3 Im Hof des Münzgebäudes um 1880. Colorierte Federzeichnung von Anton Doll 4 Antiquarium in der Residenz

RESIDENZSTADT IN HUMANISMUS UND RENAISSANCE 37 1830Antike am Königsplatz – Glyptothek und Antikensammlungen

Eines der schönsten Museen der Stadt – wenn nicht das lichen Vorhabens, München in ein „Isar-Athen“ zu verwandeln. schönste: Das ist die Glyptothek seit ihrer Eröffnung 1830 Die Glyptothek ist das älteste öffentliche Museum in Mün- stets gewesen. Ein klassizistisches Gesamtkunstwerk, außen chen. Sie ist auch (neben dem Alten Museum in Berlin) das an einen griechischen Tempel, innen an römische Thermen älteste Antikenmuseum Deutschlands. Und sie ist das ein- erinnernd. Für Münchens Gäste ist sie ein Muss, für Antiken- zige Museum weltweit, das ausschließlich antike Skulpturen fans aus aller Welt eine Pilgerstätte. Bei gutem Wetter bieten zum Thema hat. Entsprechend groß ist das Interesse des

1800 ihre Stufen zudem Spaziergängern einen Logenplatz, um bei Publikums: Die Glyptothek hat 150 000 Besucher pro Jahr. 1810 einer ausgedehnten Pause die Sonne und das prachtvolle Zusammen mit den benachbarten Staatlichen Antiken- 1820 Ensemble des Königsplatzes zu genießen. sammlungen, mit denen sie ein Doppelmuseum bildet, 1830 kommt sie sogar auf bis zu 230 000 Besucher. weniger bedeutend. Die Keramik- 1840 2018 schloss die Glyptothek für eine Generalsanierung. sammlung mit der berühmten 1850 Technisch runderneuert, öffnet das Museum 2020 wieder. roten Dionysos-Schale des Töp- Weltweit bedeutendste Sammlung 1860 Wenn 2021 die letzten Gerüste abgebaut sind, erstrahlt fers und Vasenmalers Exekias

1870 auch die Gebäudehülle erneut in ihrem vollen klassizisti- Im Innern ist die Glyptothek in 14 Säle um einen qua- gilt als beste der Welt. Viele der 1880 schen Glanz. Sie ist dann sogar noch glanzvoller, als die dratischen Innenhof unterteilt. Hier ist eine der welt- schönsten Stücke in den 1890 meisten Münchner sie in Erinnerung haben: Die Seiten und weit bedeutendsten Sammlungen antiker Skulpturen Sammlungen hat der bedeu- 1900 die Rückseite haben wieder eine Stuckfassade in Stein - zu Hause: Meisterwerke wie der Barberinische Faun tendste Archäologe seiner Zeit zu- quaderoptik, passend zu den Steinen der Vorderseite und und die Ägineten, die Giebelskulpturen des Aphaiatem- sammengetragen: Im Auftrag König entsprechend der Ausführung im 19. Jahrhundert. Original- pels von Ägina, zählen zu ihren Highlights. Die Ägineten, Ludwig I. kaufte Martin von Wagner römi- getreue Schmuckelemente zieren das Dach und die Traufe. aus heutiger Sicht das wohl bedeutendste griechische schen Kardinälen, Bischöfen und Adligen ihre Schätze ab. Der Giebelfries schließt endlich wieder links mit einer ägyp- Skulpturenensemble, entstanden im Übergang von der ar- Es traf sich, dass der römische Kirchenstaat in der Krise tischen Statuette und rechts mit drei Gefäßen ab. chaischen zur klassischen Epoche um 500 v. Chr. und steckte und die Preise niedrig waren. stammen damit aus der Zeit der ersten Athener Demokra- tie. Der westliche Giebel ist im archaischen Stil gehalten, Doppelmuseum mit 230 000 Besuchern Rückgriff auf das ursprüngliche Konzept der östliche Giebel, der zehn Jahre später vermutlich von Mit der Glyptothek wollte König Ludwig I. seine private denselben Künstlern gestaltet wurde, ist bereits ein bei- Bis zum Zweiten Weltkrieg hatten die Innenräume der Glyp- Antikensammlung dem Volk zugänglich machen und die spielhaftes Werk der Klassik. tothek eine andere Wirkung als wir sie heute erleben: Die Bürger für die Ideale der Antike begeistern, die ihn selbst in- Figuren standen entlang der Wände in Räumen mit Fußbö- spirierten. Die Glyptothek, erbaut von Ludwigs Hofbaumeister Die Objekte der Staatlichen Antikensammlungen – Vasen, den aus farbigen Marmor sowie farbig stuckierten Wänden Leo von Klenze, war ein wichtiger Bestandteil des könig - Terrakotten, Goldschmuck – sind zwar kleiner, aber nicht und Gewölben. Nur wenig Tageslicht aus hochgelegenen,

80 ANTIKE AM KÖNIGSPLATZ – GLYPTOTHEK UND ANTIKENSAMMLUNGEN 2 Blick in den Westflügel mit klassischen griechischen Skulpturen 3 Der Barberinische Faun

Zeit der Provisorien. Zur Wiedereröffnung der Glyptothek 2 3 1972schlag griff des der königlichen Architekt Agenten Josef Wiedemann Martin von Wagner auf einen zurück: Vor- halbrunden Fenstern erhellte die Museumssäle. Mit Beginn Die Wände bekamen einen Schlämmüberzug auf sichtbaren des Zweiten Weltkrieges wurden die Kunstschätze auf dem Ziegelwänden, die Böden wurden mit blaugrauem Muschel- Landsen. Im in SicherheitSommer 1944 gebracht, wurden die Teile Glyptothek der Wände wurde und geschlos- des Da- kalk belegt, riesige Fenster zum Innenhof machten die Glyp- tothek zu einem Tageslichtmuseum. Die Figuren wurden in ches durch Bomben zerstört. Der farbige Stuck verfiel. 1800 die Mitte der Räume gerückt. 1810 1 Nach dem Krieg ging es vor allem darum, Dach und Wände 1820 1 Die Glyptothek 1855 © Münchner Stadtmuseum zu schließen. Ein umfassendes Sanierungskonzept gab es 1830 Inspiration aus Tradition zunächst nicht, es hätte auch das Geld gefehlt. Es war eine 1840 Das 45-köpfige Team der heutigen Glyptothek sieht sich in der 1850 4 Die Glyptothek 2007 von Ludwig I. begründeten Tradition: die Besucher mit der 1860 4 Schönheit der antiken Kunst zu begeistern und zu inspirieren. 1870 Über die eindrucksvolle Dauerausstellung hinaus gestalten 1880 die vier Archäologen um den Direktor Dr. Florian Knauß jedes 1890 Jahr mehrere Sonderausstellungen, die ihren Besuchern oft 1900 überEtrusker-Ausstellung Jahre im Gedächtnis 2015 oderbleiben: die „Charakterköpfe“beispielsweise die 2017. große

Im Zuge der Generalsanierung 2018 bis 2020 wurden Ge- bäudetechnik und Beleuchtung aufgerüstet, die sanitären Anlagen modernisiert und das Museum barrierefrei nutzbar gemacht. An der Ästhetik der Innenräume jedoch wurde nichts verändert – sie kommt höchstens noch besser zur Geltung, da die Fenster mit neuem, noch weißerem und kla- rerem Glas ausgestattet wurden: ein Tageslichtmuseum in Vollendung. Mit ihren schlichten, hohen Räumen und den weißschimmernden Skulpturen ist die Glyptothek ein Ge- nuss nicht nur für Antikenkenner, sondern für alle Ästheten.

ANTIKE AM KÖNIGSPLATZ – GLYPTOTHEK UND ANTIKENSAMMLUNGEN 81 Max-Joseph-Platz mit Oper und ehemaliger Hauptpost (rechts im Bild)

1800 1810 1820 1830

1840

1850

1860

1870 1880 1890 1900

82 MÜNCHENS BAUTEN UND ARCHITEKTUR IM WANDEL DER ZEIT Aufbruch zur Großstadt

Bauspekulation und der Häuserbankerott 1 2

Neben den prächtigen Bauten des Königs und des Staates 1 Hauptbahnhof von Georg Friedrich von Bürklein 2 Haupteingang mit Schalterhalle um 2016 entstanden natürlich viele private Häuser. Die Wohnungsnot und der Anstieg der Bevölkerung weckte die Erwartung 1800 hoher Renditen beim Bau von Mietshäusern. Ein erster Bis 1840 war diese Krise durch weiteren Zuzug in die Stadt Daher errichtete Georg Friedrich von Bürklein (1813–1872) 1810 Schritt war, dass Grundstücksspekulanten für Bauten in überwunden, und der Bauboom ging wieder weiter. 1849 den schönen Münchner Hauptbahnhof „in italieni- 1820 Frage kommende Gebäude aufkauften. Die meisten Häuser schem Stil“ mit Stahlkonstruktion, der ihn bekannt machte. 1830 wurden dann von Bauunternehmern als Bauherren errich- 1857 wurde er um zwei Flügelbauten erweitert und 1879 er- 1840 Eisenbahnbau, Bahnhof und Industrialisierung tet, da sie aufgrund der Konjunktur über gute Finanzreser- hielt die vierschiffige Halle als erste in Deutschland eine 1850 ven verfügten und kostengünstig arbeiten lassen konnten. Ludwig I. war zwar ein Freund der Wirtschaft, weil sie zur Fi- elektrische Beleuchtung. Der Architekt schuf weitere Bahn- 1860

nanzierung seiner Prachtbauten nützlich war, aber er lehnte hofsbauten, wie 1848 den in Pasing – ein zweigeschossiger 1870 Da sich in den 1820er-Jahren der Bau von Mietshäusern die Eisenbahn ab. Er konnte deren Vordringen aber nicht Backsteinbau mit zwei Seitenflügeln und einer Wartehalle. 1880 als sehr rentierlich erwies, wurde die „Bauwut auf solche aufhalten. 1839 entstand auch in München, damals weit Das Gebäude steht noch als ältestes erhaltenes Bahnhofs- 1890 Weise gesteigert“, dass 1831 plötzlich ein erhebliches außerhalb der Stadt, am Marsfeld ein Bahnhof. Die erste Li- gebäude in Oberbayern, 2011 restauriert als Gaststätte, 1900 Überangebot an Wohnungen vorhanden war. nie war eine Privatbahn, die 1840 über Pasing und Loch- östlich vom jetzigen Pasinger Bahnhof. hausen nach Augsburg führte. 1844 wurden alle Strecken 1831 standen etwa 1500 Wohnungen leer, rund 10 % des in die königlich bayerischen Staatsbahnen integriert, mit Der Bürklein-Bahnhof wurde nach Beschädigungen im Krieg in München vorhandenen Wohnraumes. Dadurch hatten denen man 1854 nach Starnberg, 1857 nach Lenggries abgerissen und durch einen Neubau im Stil der Zeit ersetzt, sich viele Bauherren verspekuliert und ihre Häuser mussten und 1860 bis nach Wien reisen konnte. München wurde ein der 2020 wiederum entfernt wurde, um einem modernen versteigert werden. So wurde z. B. das Haus Elisenstraße 2 Knotenpunkt im Nord-Süd- und West-Ost-Verkehr. Erst Bauwerk Platz zu schaffen. auf 40.000 Gulden geschätzt und fand nur für 16.250 Gul- durch die Eisenbahn wurden Fern- und Massenreisen pro- den einen Käufer. Dadurch konnte die Jahresmiete von blemlos möglich und ein Gütertransport in größeren Mengen 2.400 auf 1.000 Gulden gesenkt werden und das Objekt über Land rentabel. So wurde das Wachstum Münchens warf immer noch Rendite ab. Geschädigt wurden dabei zur Großstadt eingeleitet. Menschen, die auf dem Land kei- Handwerker, Geldgeber und Arme (Witwen und Waisen, ne Arbeit hatten oder keine Aufstiegsmöglichkeiten sahen, deren „Ewiggelder“ hier verlorengingen). fuhren in die Hauptstadt und boten ihre Arbeitskraft an.

83 Klassische Moderne Postämter. Dieser Stil der Neuen Sachlichkeit war damals Die Borstei 1920 ungewohnt und wurde kritisiert. Es entstanden hier 1929 das Postamt an der Tegernseer Landstraße (TeLaPost) in Ober- Größte Anerkennung fand ein Siedlungsprojekt mit künst- giesing, 1931 der Umbau des Postgebäudes in der Fraunho- lerischem, ökologischem und sozialem Anspruch. Es war Postbauten der klassischen Moderne ferstraße, 1932 die Post am Goetheplatz und 1932 das Ge- der geglückte Versuch, historisierende Bauformen mit mo- bäude am Harras in Sendling mit einem von einer Rotunde derner Funktionalität zu verbinden. Während der Zeitgeschmack in München eher traditionellen abgeschlossenen, vorgelagerten weißen Amtsgebäude, hin- Stilen nachhing, baute die Post modern. Der dafür bekannte ter dem sich hohe Wohnblöcke erheben, die der Platzwand Der Architekt und Bauunternehmer Bernhard Borst (1883– Architekt war der Leiter des Baureferats der Münchner Tiefe geben. Diese Bauten nehmen jeweils auch Bezug auf 1960), der damals bereits über 100 Villen gebaut hatte, er- Oberpostdirektion und spätere Professor an der Techni- die Umgebung und wurden prägend für ihre Viertel. warb 1922 ein 90 000 qm großes Grundstück an der Dach- schen Hochschule München Robert Vorhoelzer (1884– auer Straße zwischen Landshuter Allee und Westfriedhof 1954). Das von 1922 bis 1924 errichtete monumentale 1 als Lagerplatz für seine Baufirma. Von 1924 bis 1929 er-

1870 nüchtern-funktionale Gebäude der Oberpostdirektion an richtete er darauf nach eigenen Plänen (ab 1927 beraten 1880 der Arnulfstraße mit Verzierungen im Art-déco-Stil war Ge- von Architekt Prof. Oswald E. Bieber) den „Lebensraum“ 1890 genstück zum Kuppelbau des Verkehrsministeriums. für Menschen. 1900

1910 Das auch von Vorhoelzer 1926 östlich daneben erbaute Pa- Es entstanden mit Krediten der Stadt und aus den USA 1920 ketzustellamt hat im Zentrum einen Rundbau mit 52 Meter 772 Wohnungen mit 3778 Räumen, Läden, Wäscherei, 1930 Durchmesser und 58 Türen nach allen Seiten. Der „Postpa- Heizwerk und Kindergärten. Borst wollte „Das Schöne des

1940 last“ wurde von 1930 bis 1985 als Verteilzentrum genutzt. Einfamilienhauses mit dem Praktischen einer Etagenwoh- 1950 nung verbinden [...] und auf die Gesundheit der Menschen 1960 Westlich an der Arnulfstraße schuf der Architekt zusammen abstimmen.“ Grundgedanke war die „Entlastung der Haus- 1970 mit Walther Schmidt und Hanna Löv 1929 die Versuchssied- frau“ durch Zentralheizung, Wäscheservice, Staubsauger- lung des Bayerischen Post- und Telegraphenverbandes. und Dienstbotenverleih, Einkaufsservice, Telefonzentrale, Einstellräume für Kinderwagen und Fahrräder, ausgestat- Vorhoelzers erste Postämter, wie das in der Ismaninger tete Bäder (inkl. Bidet) und Küchen. Nur beste Baumateria- Straße 142 in Bogenhausen von 1926, lassen noch den lien, möglichst aus eigener Herstellung, fanden Verwen- Einfluss des Heimatstils erkennen. Das Amt mit Wohnge- dung. bäude in der Agnesstraße in Schwabing von 1926 erinnert mit seinen Spitzbögen im Eingangsbereich und den Post- Für die sorgfältige Gestaltung der Türen, Oberlichter, Ge- Heiligenfiguren darüber (Thurn und Taxis, Steinheil, Stephan, länder, Fensterumrahmungen, Laternen und Treppenhäu- Ohm) an einen spätgotischen Dom. Es hat aber auch spät- ser war Oswald E. Bieber verantwortlich. impressionistische Zick-Zack-Formen an den Erkern. Die grafische Gestaltung des Borstei-Logos, der Haus- Vorhoelzer schuf dann aber, teilweise zusammen mit Walther nummern und der Beschriftung über den Läden besorgte Schmidt, zahlreiche entschieden moderne und funktionale der Grafiker Eduard Ege, der u. a. auch das Bayerische

128 KLASSISCHE MODERNE Staatswappen und das Münchner Stadtwappen entwarf. beauftragt. Für sein Engagement bekam er 1938 den Titel 1912 errichtete er mit seinem Partner die neue katholische Die Wohnanlage hat sieben unterschiedliche Gartenanlagen Professor h.c. und 1940 den eines „Reichslandschaftsan- Pfarrkirche St. Georg in Milbertshofen im Stil des Neuba- in Höfen; nur etwa ein Viertel der Grundfläche ist überbaut. walts“. rock. Dann war er seit 1917 der Architekt der BMW, für die Die Gärten sind durch hohe Aufenthaltsqualität als Treff- er bis 1927 klassisch repräsentative Gebäude und Werk- punkt konzipiert und ermöglichen ein soziales Miteinander. hallen errichtete. Neue Sachlichkeit in Nord-Schwabing Borst sorgte für die Ausgestaltung mit Skulpturen, Brunnen und Fresken, wobei Rückgriffe auf Renaissance und Barock Der Architekt Otho Orlando Kurz schuf, teilweise zusammen In neuem Stil einer gemäßigten Moderne mit eigenen Ak- das Völkische überwiegen. mit Eduard Herbert, mit dem er ein Architekturbüro hatte, zenten entwarf Kurz dann u. a. ab 1926 in Schwabing neben anderen Bauten, zwischen 1910 und 1912 die feu- Wohnblocks an der Mainzer Straße, Rheinstraße und Sim- Bei der Anlage des Grüns beriet der Gartenarchitekt Alwin dalen Mietshäuser Tengstraße 20, 22, 24, 26, 33, 35, 37, mernstraße. Höhepunkt war 1929 der Bau der katholischen Seifert (1890–1972), Schwager des Komponisten Carl Orff. 43 und Agnesstraße 10 bis 16. Er bevorzugte, seit 1911 Pfarrkirche St. Sebastian (Ecke Karl-Theodor-/Schleißheimer Er war für Heimat- und Naturschutz engagiert und wurde auch Professor an der TH, dabei den Neuklassizismus, Straße) als spätexpressionistische dreischiffige Basilika mit

1933 von Fritz Todt mit der Beratung beim Autobahnbau auch mit Anklängen an den Jugendstil. markantem Westturm aus unverputzten Klinkersteinen. Da- 1870 rum herum baute Kurz für den Kirchenbauverein St. Sebas- 1880 1890 2 2 tian, die Münchner Wohnungsbau AG und den Verein für Volkswohnungen bis 1931 mehrere Wohnanlagen, im Stil 1900 angepasst an die gemäßigte Moderne. Balkone sind teil- 1910 weise mit Klinker verkleidet, Hauseingänge aufwendig ge- 1920

staltet und mit Reliefs geschmückt. 1930

1940 3 1950 1960 1970

1 Das Postamt in der Agnesstraße 2 Borstei 3 Kirche St. Sebastian

KLASSISCHE MODERNE 129 Stadtplanung und Rama dama mer räumten an diesem Tag 7000 Menschen 15 000 Kubik- meter Trümmer weg. Die Aktion war ein Signal zur Stärkung von Gemeinschaftsgeist und Zuversicht. Ständig fuhren Schmalspurdampfloks durch die Straßen und schleppten Stadtplanung und Rama dama Die Stadt wuchs, besonders durch Zuzug, stetig. Hatte Schutt zu den Ablagen am Warnberg im Süden, am Luit- München 1950 noch 755 000 Einwohner, so wurde 1957 poldpark und auf dem Oberwiesenfeld. Die Schutträumung In den Trümmern machten sich Öffentlichkeit und Politiker die Millionenmarke erreicht und 1960 waren es 1 056 000. konnte dann bis 1956 weitgehend abgeschlossen werden. noch kaum grundsätzliche Gedanken über die Stadtgestalt. Der Wiederaufbaureferent Helmut Fischer meinte noch Oberbürgermeister Scharnagl war schon immer Gegner 1947, der Wiederaufbau der Stadt sei eine „Angelegenheit Renovierung und „Zweite Zerstörung“ von Neuerungen und formulierte jetzt die Devise: „München von 30 bis 50 Jahren“. Um den Aufbauwillen zu demons- will stark am alten Stadtbild und seiner Behaglichkeit fest- trieren, wurde mit Unterstützung der Amerikaner am 29. Hauptanliegen von Stadt und Staat war „Die Wiederher- halten.“ Es soll so wiedererstehen, wie es sich selbst und Oktober 1949 am Marienplatz ein großes „Rama dama“ stellung der kulturellen Wahrzeichen der Stadt“. Die von

1900 wie die Welt es gekannt hat. Man plante nicht systematisch, veranstaltet. Unter der tatkräftigen Anleitung von OB Wim- Hans Döllgast vertretene Linie, Ruinenelemente einzupla- 1910 sondern „wurschtelte“ sich von Fall zu Fall durch. Kahl- 1920 schläge und große Neubaukomplexe aus Beton blieben so 1 1930 der Innenstadt weitgehend erspart. 1940

1950 Bereits am 30. Mai 1948 stand der Stadtrat erneut zur

1960 Wahl. Diesmal wurde die SPD mit 15 von 60 Sitzen stärkste

1970 Fraktion, denn die Stimmen des konservativen Lagers hat- 1980 ten sich geteilt: Die Bayernpartei erreichte 13 Sitze, die mit 1990 ihr rivalisierende CSU nur zehn. Die KPD bekam sechs 2000 Mandate, daneben gab es noch kleinere Parteien. Nun wur- de der populäre Thomas Wimmer (1897–1964) Oberbür- germeister. Der „Wimmer Dammerl“ wurde dann 1952 von der Bevölkerung mit 60,9 % direkt gewählt und 1956 gelang die Wiederwahl. Der gelernte Schreiner („Holzwurm“) war ein Mann aus dem Volk, kam vom Bau und aus der Praxis. Er war, da seit 1918 politisch engagiert, mehrmals von den Nazis inhaftiert worden, zuletzt im KZ Dachau, wo er auch Scharnagl begegnete. Planungen und Theorien stand er skeptisch gegenüber und seine Taktik war Abwarten. Aka- demikern, besonders Juristen, misstraute er grundsätzlich. Er sorgte dafür, dass München nicht zur Allerweltsstadt wurde, sondern sein „altes, liebes Gesicht“ erstaunlich schnell zurückerhielt.

142 STADTPLANUNG UND RAMA DAMA nen, wurde nur bei einigen Bauten wie der Alten Pinakothek Namhafte Architekten fanden für den neuen Zeitgeist einen mit Naturstein verkleidet. Ein nach vorn herausragendes verwirklicht. Die meisten Kirchen und öffentlichen Gebäude modernen Stil, vielfach geprägt von Ästhetik und Leichtig- erstes Obergeschoss verbindet mit elegantem Schwung wurden schrittweise mehr oder weniger originalgetreu res- keit, um auch auf diese Weise die Last der Vergangenheit das Hauptgebäude an der Sonnenstraße mit dem niedrige- tauriert. Der Chor der Kirche St. Jakob, des einzigen teil- abzuschütteln. Einige herausragende Beispiele werden hier ren Baukörper an der Bayerstraße. Für das Erdgeschoss weise erhaltenen romanischen Baus, wurde abgerissen aufgeführt: mit großen Schaufensterflächen entstand eine überdachte und 1956 durch einen schlichten Ziegelbau von Friedrich Eingangszone. Heigl ersetzt. 1948 entwarf der damalige Architekturstudent Werner Wir- sing (1919–2017) in der für ihn später typischen leichten 1952 errichtete Sep Ruf das elegante siebenstöckige Wohn- Nur wenige wichtige Bauten, wie der Hauptbahnhof oder Bauweise die Wohnheimsiedlung Maßmannplatz, die Jung- und Geschäftshaus an der Theresien-/Ecke Türkenstraße, die Neue Pinakothek, wurden, da sie als künstlerisch nicht arbeiter und Studenten in Selbsthilfe mit errichteten. ein Beispiel für zeitgemäßes Bauen. wertvoll galten, nach Kriegsbeschädigung völlig abgetra- gen. Die meisten Adelspaläste, bzw. ihre Fassaden, die 1951 wurde der erste große Kaufhausbau nach dem Krieg 1952 baute Eugen Hönig das von seinem Vater mit dem den Krieg überstanden hatten, wurden dagegen, um das am Stachus errichtet. Auf der Fläche des Stachusgartens Architekturbüro Eugen Hönig & Karl Söldner 1912 gestaltete 1900 auf den Grundstücken ruhende Baurecht auszunützen, plante der Architekt Theo Pabst (1905–1979) für den Kauf- Geschäftshaus des Delikatessengeschäfts A. Dallmayr der 1910 durch Beton mit mehr Stockwerken ergänzt. Dies entsprach hof ein prägnantes Ensemble mit strenger Fassadenteilung Familie Randlkofer (Dienerstraße 14/15) wieder auf. 1920 nur bedingt dem Motto „München wird schöner“, das lange 1930 1940 auf Bautafeln zu lesen war. Wegen dieses Umgangs mit 3 Baudenkmälern prägte der Architekt Erwin Schleich in ei- 1950 nem Buch den Begriff „Die zweite Zerstörung Münchens“. 1960

Damit ist gemeint, dass nach dem Beginn der „Verschöne- 1970 rungen“ durch die Nazis und der ersten Zerstörung durch 1980 die Bomben dann nach dem Krieg, deren Werk mit Billigung 1990 der Behörden vollendet wurde. „Zerstörung durch Beden- 2000 kenlosigkeit, durch Vorsatz, durch Skrupellosigkeit ist Dau- erzustand“. Von den Nazis errichtete Bauwerke hatten den

Krieg relativ gut überstanden und wurden renoviert weiter verwendet. 2 Bauen für eine neue Zeit

An das Bauen wurden in der Nachkriegszeit vielfältige An- 1 Zerstörtes Altes Rathaus und St. Peter 1946 2 Haus des Delikatessengeschäfts Dallmayr an der Dienerstraße sprüche gestellt. Es ging um Bewahren und Wiederaufbau, 3 Das erste „Wohnhochhaus“ an der Theresienstraße 46 aber auch um den bewussten Aufbruch in eine neue Zeit. Neben Wohnungen und öffentlichen Einrichtungen sowie Anlagen für den Verkehr musste Raum für Verwaltung, Handel und produzierendes Gewerbe geschaffen werden.

STADTPLANUNG UND RAMA DAMA 143 1960„Weltstadt mit Herz“ und Olympia Die Ära Vogel ringsum für Bedürfnisse von Verkehr und Wirtschaft freizu- Synthese, die die historisch gewachsene Stadt mit ihrem geben. Der Altstadtring wurde angelegt und man schlug kulturellen Reichtum bewahrte und sie mit dem modernen Als Nachfolger von Wimmer erreichte 1960 der junge Breschen in die Bausubstanz. Neben Mittlerem und Äuße- München in einem gut gegliederten Organismus zu einer Rechtsreferent der Stadt Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD) als rem Ring für Autos wurden aber auch U-Bahn und S-Bahn neuen „Einheit verflicht und verwebt“. Das Vorhaben, we- Oberbürgermeister 64,2% und seine Partei die absolute gebaut. sentliche Teile der Altstadt in Fußgängerbereiche zu ver- Mehrheit. wandeln, beweist, dass gerade im Herzstück der Stadt der Die Isarmetropole wurde „heimliche Hauptstadt“ Deutsch- Mensch und nicht der Verkehr das „Maß der Dinge“ sein Vogel wurde am 3. Februar 1926 in Göttingen als Sohn lands. In einer Umfrage gaben schon damals viele Deutsche soll. München wächst weder planlos, noch nach einem eines Professors geboren. Er kann aber sagen, dass alle an, dass sie am liebsten hier wohnen würden. Die Stadt vom kühl rechnenden Verstand ausgeklügelten Konzept,

1910 vier Großeltern in München geboren sind und er Nachkom- selbst nannte sich gerne „Weltstadt mit Herz“. Die illustrierte sondern nach einer Idee. Das entspricht seinem altherge- 1920 me von Stadtbaurat Zenetti ist. Nach seiner Zeit als OB war Monatszeitschrift „Bayerland“ widmete 1968 ein Heft dem brachten Wesen, seiner „Stadtpersönlichkeit“, die immer 1930 er, von 1972 bis 1974, Bundesminister für Raumordnung, Thema „München auf dem Weg zur Weltstadt“. Vogel erläu- „Intimität, Liberalität, Überschaubarkeit, menschliches Maß 1940 Bauwesen und Städtebau, dann Bundestagsabgeordneter terte hier die Ziele seiner Stadtpolitik. Das Ziel sei keinesfalls und damit Spielraum für ein kräftiges, farbiges Leben zu 1950 für München-Nord und bis 1981 Bundesminister der Justiz eine „Allerweltsstadt“, eine zwar technisch perfekte, aber wahren wusste“. 1960 (unter Bundeskanzler Helmut Schmidt auf dem Höhepunkt seelenlose „Stadtmaschine“, sondern vielmehr eine sinnvolle

1970 der RAF-Zeit). Anschließend wurde er 1981 Regierender

1980 Bürgermeister von Berlin und dann Kanzlerkandidat der 1 1990 SPD bei der Bundestagswahl 1983 sowie Nachfolger Willy 2000 Brandts als Parteivorsitzender der SPD und Herbert Weh- 2010 ners als Vorsitzender der SPD-Fraktion. Der älteste Ehren- bürger der Stadt war auch nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik 1994 für die Stadt engagiert.

Bei seiner Wiederwahl 1966 kam Vogel auf 78 %. In den zwölf Jahren seiner Amtszeit gab es im Stadtrat keine Ent- scheidung gegen seine Stimme. Vogel forcierte die Ent- wicklung zur modernen Großstadt und machte die Stadt- entwicklung zur Chefsache. Er entwickelte mit seinem Mit- arbeiter Hubert Abreß den „Jensen-Plan“ von Professor Herbert Jensen (Gedenktafel am Karlstor) zum Stadtent- wicklungsplan. Dieser sah vor, die Altstadt von Umbauten 1 U-Bahn-Baustelle und und Straßenverkehr möglichst zu verschonen, Ringe für Umbau zur Fußgängerzone in den Autoverkehr um die Altstadt anzulegen und den Rest der Neuhauser Straße

148 „WELTSTADT MIT HERZ“ UND OLYMPIA Fußgängerzone Stachus und U-Bahn nommen. Das Netz, seitdem laufend erweitert auf inzwi- und bis 1993 auf etwa 5.000 DM. Hauptsächlich durch die schen über 100 km Länge mit 96 Haltestellen, ist Voraus- Neue Heimat, die städtische GWG und andere Bauträger Die Verkehrssituation in der Altstadt war in den 1960er-Jahren setzung für das Funktionieren der Stadt. Die Bahnhöfe sind wurden große Neubauviertel mit Sozialwohnungen errichtet. unerträglich. Den Stolz, im Stachus den „verkehrsreichsten teilweise architektonische Schmuckstücke, gestaltet von Die Siedlungen mit einheitlicher Bevölkerungsstruktur hat- Platz Europas“ zu besitzen, erkaufte man sich mit endlosen namhaften Architekt(inn)en und Künstler(inne)n. So schuf ten anfangs Mängel. Besonders wurden fehlende Massen- Staus für Autos und Trambahnen zwischen Karlstor und Alexander von Branca Marienplatz (1971), Theresienwiese verkehrsmittel, Kindergärten, Schulen und Einkaufsmög- Isartor. Das Überqueren der Straße war gefahrvoll. Der (1984) und Prinzregentenplatz (1984). lichkeiten beklagt. Doch die Bewohner dieser Viertel fühlten Stadtrat beschloss, diese Situation zu ändern. Ziele waren: sich in ihnen bald meist sehr wohl und haben im Lauf der Stärkung des Einzelhandels, Darstellung des historischen Jahre ein starkes Heimatgefühl entwickelt. Siedlungsbau Stadtbildes und des Fremdenverkehrs, Belebung von Frei- zeitaktivitäten, Schaffung einer erlebbaren Stadtmitte, Be- Größte Herausforderung war weiter die Wohnungsnot. Trotz So entstanden seit 1960 Fürstenried Ost und Fürstenried- freiung von Verkehrsemissionen und Förderung der Wohn- Anstrengungen und Erfolgen beim Aufbau blieben bezahl- West im Süden, Hasenbergl und Lerchenauer See im Nor- funktion in der Altstadt. Man legte, befördert durch die bare Wohnungen Mangelware. Es fehlten über 60 000, um den, Blumenau im Westen, Fideliopark sowie Cosima-Park 1910 Olympia-Planungen, für 15 Millionen Mark eine Fußgänger- eine ordnungsgemäße Unterbringung der Menschen zu si- in Bogenhausen und schließlich seit 1967 als größte „Sa- 1920 zone an, die im Juli 1972 eröffnet wurde. Voraussetzung chern. Von 1960 bis 1972 nahm die Bevölkerung der Stadt tellitenstadt“ Neuperlach im Osten. Viele der Anlagen und 1930 war, dass der öffentliche Ost-West-Verkehr in die unterirdi- weiter um 300 000 Personen zu. Die durchschnittlichen Gebäude sind inzwischen als bedeutsam anerkannt und 1940 sche S-Bahn verlagert wurde und die Fertigstellung des Baukosten der Wohneinheit im sozialen Wohnungsbau stie- ihre Kirchen wurden unter Denkmalschutz gestellt. 1950 Altstadtringes für den Individualverkehr. Der Fußgängerbe- gen pro qm von 1960 mit 602 DM bis 1972 auf 1.485 DM 1960 reich wurde später noch ausgedehnt. 1970 2 1980 Großes Aufsehen erregte 1967 der Umbau am Stachus. 1990 Statt den genehmigten 93,5 Mio. DM sollte das unterirdi- 2000 sche Bauwerk 145 Mio. DM kosten. Als 1970 das Unter - 2010 geschoss der Öffentlichkeit übergeben wurde, verglich es Vogel mit der Cheopspyramide und Erzbischof Julius Kardinal Döpfner in der Dimension mit den Bauwerken in Babylon oder Jerusalem.

Die U-Bahn ist (neben der S-Bahn) das größte, wichtigste Bauwerk in München. Der Bau begann am 1. Februar 1965 mit dem ersten Spatenstich am Nordfriedhof. Wegen der Olympischen Spiele wurden die Arbeiten beschleunigt. Be- reits am 19. Oktober 1971 rollten die Züge der U 6 zwischen Goetheplatz und Kieferngarten und am 8. Mai 1972 konnte 2 Die achteckige Anordnung Neuper- die „Olympialinie“ U3 zum Olympiapark eröffnet werden. lachs ist gut aus Zehn Tage vorher hatte die S-Bahn ihren Betrieb aufge- der Luft zu sehen

„WELTSTADT MIT HERZ“ UND OLYMPIA 149 Der Olympiapark – „München soll leuchten“

Erbaut für die Olympischen Sommerspiele die daraus entstand, hinterließ ein State- und wetterten über die hohen Kosten, die 1972, ist die lichte schwebende Architektur ment für Toleranz und demokratische Offen- – allein für das Dach – auf 20 Millionen des Olympiaparks bis heute ein Touristen- heit. Mark geschätzt wurden. Noch vor Baube- magnet und Indiz des politischen Zeitgeists ginn wäre das „Zelt“ um ein Haar ins Wan- der Nachkriegsgeneration. „Menschliches Maß, Leichtigkeit, kühne ken geraten. Doch Behnisch, sein Team Eleganz, Einheit von Landschaft und Natur, und Befürworter des Projekts setzten sich Die Stadt sollte leuchten, wenn die Welt auf mit der Möglichkeit die Anlage auch nach durch.

1920 Deutschland blickt und internationale den olympischen Spielen zu nutzen“, lautete 1930 Sportler und Touristen nach München der Auftrag. Den Wettbewerb für die Ge- Souvenirs der Vergangenheit 1 1940 strömen. Nach „Olympia 1936“ forderten samtkonzeption gewann 1967 der Archi- 1950 Vertreter der damals noch jungen Bundes- tekt Günter Behnisch mit seinen Partnern. „Rasen betreten … erlaubt“ – die Maxime 1960 republik eine bedingungslose Abkehr von Vorbild war der Deutsche Pavillon bei der des „demokratischen Grüns“ war Ende der 1970 den finsteren Machenschaften des Nazire- Weltausstellung in Montreal, entworfen von Sechzigerjahre keine Selbstverständlichkeit

1980 gimes und wollten der Welt ein demokra - Frei Otto, Philosoph, Utopist und Architekt. und bedeutete einen Wendepunkt in der

1990 tisches, tolerantes und modernes Land Die Bauweise gab Behnisch den Impuls, Landschaftsarchitektur. Günther Grzimek 2000 präsentieren. Die einzigartige Architektur, aus einem Nylonstrumpf seiner Frau die schuf für jedermann großzügige Nutzungs- 2010 Dachkonstruktion zu spannen. Das legen- möglichkeiten der Grünanlagen. Wenn 2020 däre „Strumpf-Modell“ entstand und Frei heute in der Arena die Gemüter explodie- Otto wurde ins Team geholt. Die Dach - ren bei Konzerten der Rolling Stones, von 2 statik war heikel und Ed Sheeran, Paul McCartney oder Helene Pessimisten stachel- Fischer, dann sitzen viele tausend Men- ten dagegen an schen im Mondschein rund um den Olym- piasee und feiern friedlich mit. Der Olympiapark gehört mit 160 Hektar neben dem Englischen Garten zu den größten Grünanlagen der Stadt. Landschaftsarchi-

tekt Grzimek schuf eine Einheit von Ar - 3 chitektur und Landschaft. Die sanften 1 Olympiapark © fotolia 1972 Konturen der Hügellandschaft setzen 2 München leuchtet, wie beim jährlichen sich in der wellenartigen Linie des Sommernachtstraum-Event. © Olympiapark München Daches fort. 3 Theatron-Festival am Olympiasee © Olympiapark München

154 DER OLYMPIAPARK – „MÜNCHEN SOLL LEUCHTEN“ 4 Unverwechselbar, einzigartig, ohnegleichen: Mit seiner spektakulären Bauweise ist das Olympia- stadion architektonisch das Herzstück des Olympiaparks. © Olympiapark München

1920 1930 4 1940 1950 In diese weich konturierte Landschaft Status Welterbe Athleten vom zehn Meter Turm ins Wasser Innerhalb kurzer Zeit wurde damals unter 1960 setzte Behnisch die Gebäude in eine Bo- springen. Der Olympiaturm beherbergt auf großen Zwängen etwas eindrucksvoll Un- 1970 densenke unterhalb der Parkhorizontale Als Gerd Müller am 7. Juli 1974 das ent- einer Höhe von 190 Metern eine Aussichts- gezwungenes geschaffen. Als Oberbürger- 1980 und integrierte so die Bauten in die wellen- scheidende 2:1 im Finale gegen die Nie- plattform mit eindrucksvollem Rundum- meister Hans-Jochen Vogel jener Zeit sich 1990 artige Formation des Parks. Das verschaffte derlande schoss, gewann Deutschland blick. Wem das zu windig ist, kann das für das viel kritisierte Projekt einsetzte, 2000 Übersichtlichkeit, Offenheit und einen ent- zum zweiten Mal den Fußball-Weltmeister- 360-Grad-Panorama im Drehrestaurant sprach er davon, dass eine Gesellschaft 2010 spannten Zugang. titel. Ein unvergesslicher Moment im da- genießen und danach im Rockmuseum Ex- auch mal die Kraft und den Mut aufbringen 2020 mals noch jungen Olympiastadion. 33 ponate von Pink Floyd, Jagger, Mercury muss, einen großen Betrag für ein zweck- Wegweisend für die visuelle Gestaltung war Jahre lang spielte sich der FC Bayern von oder anderen Rockgrößen bewundern. freies Vorhaben aufzuwenden. „Anders Otl Aicher mit seinem Team. Er kreierte die Tor zu Tor in die Herzen der Fans. Die Fuß- Das gesamte Ensemble ist ein bedeuten- wären viele Bauwerke, die wir heute mit Piktogramme, die der Orientierung dienten ballspiele des FC Bayern im Stadion sind des Bauwerk der Nachkriegsgeschichte; Stolz zu den unverzichtbaren Bestandteilen und zu einem Klassiker avancierten. Mit sanf- passé und finden nun in der Allianz Arena die intensive, fast 50-jährige olympische der menschlichen Kultur zählen, nicht ent- ten und freundlichen Pastelltönen, wie Hell- statt. Nachnutzung obliegt der Verantwortung standen.“ Heute soll der Olympiapark, als grün, -blau, Orange und Silber, konz ipierte er des Betreibers, einer Tochtergesellschaft architektonisches Meisterwerk, UNESCO- das Erscheinungsbild als Gesamtkonzept. Eine beliebte Sommerveranstaltung sind der Stadt München, der Olympiapark Mün- Weltkulturerbe werden. Schirmherr und Der Olympia-Waldi, das Maskottchen von die kostenlosen Open-Air-Konzerte auf der chen GmbH und ihren 157 Mitarbeitern. prominenter Befürworter war kein geringe- Olympia 72, entstand in seiner Ideen- Theatronbühne am Olympiasee. In der Ob Veranstaltungen jeglicher Couleur, ob rer als Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen schmiede, sowie die Dreifarbigkeit der grü- prominenten Olympia-Schwimmhalle, in Sport- und Tourismusangebote oder als Vogel. Ab 2025 wird man hoffentlich mehr nen Bestuhlung im Olympiastadion, die der einst Mark Spitz sieben Goldmedaillen Oase der Entspannung und Erholung – der wissen. unbesetzt das Grün der Landschaft fortsetzt. gewann, können heute noch waghalsige Olympiapark hat viel zu bieten.

DER OLYMPIAPARK – „MÜNCHEN SOLL LEUCHTEN“ 155 Die Backstube befindet sich seit Anfang der Achtzigerjahre Rischart – Handwerkskunst in der Buttermelcherstraße. Die Firma Rischart ist ein wirt- schaftlich unabhängiger Familienbetrieb. Seit der Grün- dung steht der Name Rischart für Genuss und Backwaren und Gaumenschmaus in bester Qualität. Dafür sorgen 100 Bäcker und Kondito- ren jeden Tag mit viel Liebe zum Detail und in bester Hand- Mit seiner Frau Helene und seiner Tochter Sophie verließ werkstradition. Max Rischart 1872 sein Heimatdorf Pöcking am Starnber- ger See, um in München sein Glück zu machen. Genau zur Nun baut die Traditionsbäckerei eine neue Unternehmens- rechten Zeit, denn im ausgehenden 19. Jahrhundert führ- zentrale an der Theresienhöhe. Es entsteht ein modernes, ten Strukturwandel und Industrialisierung dazu, dass viele offenes Gebäude mit rund 5300 Quadratmeter Fläche. Menschen vom Land in die Stadt zogen: Die Stadtbevöl- „Der Umzug auf die Theresienhöhe bietet hervorragende kerung und damit der Bedarf an Brot wuchsen exponentiell 2 3 Möglichkeiten, die positive Wachstumsentwicklung der

1930 an. 1883 gründete Max Rischart seine Backstube in der 4 vergangenen Jahre fortzusetzen. In der gläsernen Manu- 1940 Ickstattstraße. Fast 50 Jahre später schaffte sein Sohn faktur auf der Theresienhöhe wird unser Handwerk für 1950 Max Rischart jun. den Sprung an den Marienplatz und jeden sichtbar sein. Gleichzeitig fällt viel Tageslicht in die 1960 eröffnete die heute bestfrequentierteste Bäckerfiliale Backstube hinein und sorgt für eine angenehme Arbeits- 1970 Deutschlands mit nahezu 1,2 Millionen Kunden im Jahr. atmosphäre“, so Magnus Müller-Rischart. Die optimale 1980 Lage wird Arbeitsplätze sichern, nachhaltiges Wachstum

1990 Eine besondere Ehre wurde Gerhard Müller-Rischart zuteil, ermöglichen und garantieren, dass die Filialen weiterhin

2000 der das Unternehmen in vierter Generation leitete, als er mehrmals täglich mit frischen Backwaren beliefert werden. 2010 im Jahr 2015 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande 2020 ausgezeichnet wurde. Inzwischen führt Magnus Müller- Für die Mitarbeiter – besonders für die jüngeren – und für 2030 Rischart in fünfter Generation das Familienunternehmen die Auszubildenden entstehen Werkswohnungen. Neben mit 15 Filialen in bester Innenstadtlage, 600 Mitarbeitern einer einsehbaren Backstube soll es Führungen, einen 2 Hilfsbaracke nach dem Krieg an der Filiale am Marienplatz, 1946 und insgesamt acht Millionen Kunden jährlich. 3 Die Fassade am Marienplatz im Jahr 1962 Gastronomiebetrieb und weitere Attraktionen geben. 4 Die heutige Ladengestaltung an gleicher Stelle

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1 Die Backstube in der 5 Die Fassade an der Theresienhöhe wird mit Ziegeln verkleidet und spiegelt dadurch das traditionelle Handwerk wider. Die großen Buttermelcherstraße Verglasungen und hohen Produktionshallen erlauben Ein- und Ausblick und erinnern an die ehemaligen Messehallen des Standortes

164 RISCHART – HANDWERKSKUNST UND GAUMENSCHMAUS Krankenhäuser und Verwaltung 1979 wurde das Gebäude der Flurbereinigungsdirektion Neue große Krankenhäuser Öffentliche Verwaltung München (Infanteriestraße 1, jetzt Direktion für Ländliche Entwicklung) von Sepp Pogadl als sechsgeschossiger Trakt Nach Kriegszerstörungen mussten die meisten Kranken- 1974 entstand der Bau der Landesversicherungsanstalt mit umgebenden Flachbauten in Stahlbeton und Verklei- häuser in München, auch nach aktuellen medizinischen Er- Oberbayern (Thomas-Dehler-Straße 3) in Neuperlach von dung aus Jurakalk errichtet. fordernissen, neu gebaut werden. Alexander von Branca. Die massiven 53 000 qm Nutzfläche sollten durch eine Sechseckform aufgelockert werden. 1984 entstand der Neubau des Bayerischen Staatsminis- Bis 1982 wurden die Universitätskliniken in Großhadern teriums für Arbeit und Sozialordnung (Winzererstraße 9, von der Gemeinschaft Schwethelm, Schlempp, Eichberg in 1979 baute das Hamburger Architekturbüro Meinhard von zwischen Schelling- und Görresstraße) von Erhard Fischer. mehreren Bauabschnitten errichtet. Das Gelände wird vom Gerkan, Volkwin Marg und Partner das dominante Europäi- Es ist ein um zwei Höfe gruppierter natursteinverkleideter

205 Meter langen und 60 Meter hohen Bettenhaus geprägt. sche Patentamt (Bob-van-Benthem-Platz 1) an der Isar. Der Skelettbau mit viel Glas im Erdgeschoss. 18501930 Daneben liegen durch Innenhöfe gegliederte Flachbauten, Komplex besteht aus zwei Hoch- und verschiedenen Flach- 18601940 alle aus Stahlbeton mit nichttragenden Wänden aus Ziegeln. bauten in zwei geknickten miteinander verbundenen Büroflü- 1986 wurde von der Bundesanstalt für Arbeit mit GKK & 18701950 Durch die naturfarbene Aluminiumverkleidung ist eine Ein- geln. Bei den Fassaden dominiert Glas in horizontaler Gliede- Partner das Arbeitsamt mit Berufsbildungszentrum (Kapu- 18801960 heitlichkeit gewahrt. Das Bettenhaus ist dabei durch große rung, wobei sich der Gebäude- und Erschließungskern durch zinerstraße 26) in Stahlbeton mit Ziegelverblendung errich- 18901970 Platten, die Flachbauten sind durch feingliedrige Lamellen einen Wechsel in der Verglasung abhebt. Die Massivität der tet. Das Gebäude, in dem auch eine Stadtbibliothek unter- 19001980 gekennzeichnet. Baukörper scheint sich in den Spiegelungen aufzulösen. gebracht ist, wirkt durchlässig. 19101990

19202000 1984 wurde das Städtische Krankenhaus Bogenhausen, 20101930 geplant von Georg A. Roemmich und Partner, mit 52 040 qm 7 20201940 Nutzfläche für 1000 Betten errichtet. Die Baumasse ist 20301950 durch Höfe gegliedert und durch Lärmschutzhügel park- ähnlich umfriedet.

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6 Krankenhaus Großhadern 7 Europäisches Patentamt

KRANKENHÄUSER UND VERWALTUNG 165 Flughafen München – das Entrée Bayerns

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1 Flughafen München heute Foto: Michael Fritz

1940 1950 1960 Ein Flughafen ist ein Ort des Kommens und Gehens, des Damitvonstatten auf einemgeht, brauchtFlughafen er allesein funktionierendes schnell und reibungslos System Einheitlichkeit“, von der die „FAZ“ damals schwärmte. Das 1970 Abschieds und Wiedersehens, ein Ort des Wartens und für Abreise und Ankunft. Und er braucht Räume, die dem harmonische Zusammenspiel von Landschaft und Technik 1980 der großen Gefühle. Menschen auf Durchreise mit Akten- Reisenden das Gefühl vermitteln, Zeit zu gewinnen statt des Münchner Flughafens ist eine Meisterleistung der Pla- 1990 koffern und fliegendem Schlips. Andere mit Hoffnung auf Zeit zu verlieren. Der Flughafen München, wie wir ihn heute ner und Gestalter.

2000 Abenteuer im Gepäck. Die Motive und Facetten sind viel- erleben, ist ein enormer Transportbetrieb mit hoher Aufent- fältig und ließen sich unendlich erweitern: Ein Flughafen ist haltsqualität. Und Folge eines exzellenten Gestaltungs- 2010 Vom Flugfeld zum Welt-Flughafen 2020 eine Stätte der Flüchtigkeit – gelobt wird die Rasanz, geta- plans, der vor beinahe fünf Jahrzehnten entwickelt wurde. 2030 delt der Verzug. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts landeten auf dem 2040 Münchner Oberwiesenfeld, dem Areal der königlich baye- rischen Luftschiffer-Lehrabteilung und heutigen BMW- und Versailles der Lüfte Olympiagelände, Flugschiffe und Ballone. Seither prägen „Das Versailles der Lüfte“, titelte ein vielzitierter Bericht Leidenschaft und Geschick die Luftfahrt in München. Mit der „FAZ“ kurz nach der Eröffnung des Münchner derwiesenfeld rasanten ab Entwicklung 1920 für den der zivilen Flugzeuge Luftverkehr wurde genutzt das Ober- und Flughafens im Mai 1992. Darin bezeichnete der nur sieben Jahre später ausgebaut. Autor Manfred Sack Münchens neuen Airport als „auffallend schlanke, sehr strahlende Primadonna“ 1936 folgte auf Beschluss der Stadt die Verlagerung nach und zog den Vergleich zu „unförmigen“ Flughäfen München-Riem. Als das Areal 1968 für den Bau der olym- wie New York und London: Die Landung des pischen Sportstätten benötigt wurde, folgte die endgültige Flughafens München im Erdinger Moos – mit Schließung des Flugbetriebes auf dem Oberwiesenfeld. In seinem spektakulären Umzug aus München- Riem begannen bereits ein Jahr später – 1937 – nach Plä- Riem in nur einer Nacht – war geglückt. Ge- nen des Architekten Ernst Sagebiel die Bauarbeiten für ein blieben ist jene „überwältigende ästhetische

Riem 1970 168 1992

17. Dezember 1960 fiel der Motor eines Flugzeugs aus. Die erreichen, als das Verwaltungsgericht einen sofortigen Maschine streifte im Zentrum Münchens die Turmspitze der Baustopp verfügte. Peterskirche und stürzte in der Martin-Greif-Straße auf eine vollbesetzte Trambahn. Alle 20 Personen an Bord und 32 Doch zunächst galt es, die Standortsuche zu einem erfolg- 2 Personen am Boden verloren ihr Leben. reichen Abschluss zu bringen. 20 mögliche Flächen in und

2 Flughafen München-Riem 1970 um München wurden untersucht. 1969 war es so weit: Der neue Flughafenstandort hieß Freising/Erding-Nord, knapp Standortsuche und Widerstand 1940 40 km nordöstlich von München. Im gleichen Jahr ging in 1950 Flughafenterminal. Zwischen der Eröffnung 1939 und dem Aufgrund der tragischen Vorfälle und angesichts der wach- Riem die Boeing 747 mit doppeltem Sitzplatzangebot auf 1960 spektakulären Umzug ins Erdinger Moos – in der Nacht vom senden Bedeutung des Luftverkehrs fiel die Entscheidung, ihren Erstflug und in München kletterte die Passagierzahl 1970 16.tionaler auf denFlughafen 17. Mai der 1992 bayerischen – etablierte Landeshauptstadt. sich Riem als interna- einen neuen Großflughafen zu bauen. Dieser sollte später auf vier Millionen. 1980 den Namen des verstorbenen bayerischen Ministerpräsi- 1990

denten Franz Josef Strauß erhalten, um dessen visionäre Ein wichtiges Argument für das Erdinger Moos war die ver- 2000 Kraft und Verdienste um die Durchsetzung des Flughafen- gleichsweise geringe Besiedlung. Dadurch gab es genug Erschütternder Weckruf 2010 neubaus zu würdigen. Platz für eine großzügige Planung: viel Raum zwischen den 2020 Es war eine der größten Tragödien in der Geschichte des Start- und Landebahnen für einen unabhängigen Flugbe- 2030 europäischen Fußballs, als die aufstrebende Mannschaft Noch im Jahr 1963 etablierte der bayerische Arbeitsminis- trieb und eine versetzte Anordnung der Bahnen, um die 2040 von Manchester United am 6. Februar 1958 in München- ter Richard Oechsle eine Kommission, die einen neuen Lärmbelastung so gering wie möglich zu halten. Riem verunglückte. Das Team von Trainer Matt Busby hatte Flughafenstandort finden sollte. Vorausgegangene Unter- soeben das Halbfinale um den Europapokal erreicht und suchungen hatten ergeben, dass der Standort Riem den startete nach einer Zwischenlandung in München. Nach künftigen Ansprüchen des Flugbetriebs nicht gewachsen zwei missglückten Startmanövern rutschte die Maschine und aufgrund der dichten Besiedlung in Riem und Trude- durch die Umzäunung, traf mit einer Tragfläche ein Privat- ring auch nicht erweiterbar war. haus und ging um 15.03 Uhr in Flammen auf. 23 Menschen starben, nur 21 überlebten. Neben den Fußballspielern ge- So wie in den letzten Jahren bei der Diskussion um die hörten führende Vereinsmitglieder, Sportjournalisten und dritte Start- und Landebahn gab es auch im Zuge des die Besatzung zu den Opfern. Flughafenneubaus erheblichen Widerstand. Mit der Stand- ortsuche begann ein langjähriger Kampf der Gutachten Nur zwei Jahre später passierte das folgenreichste Flug- zwischen Flughafen-Gegnern und Flughafen-Befürwortern. unglück der Stadtgeschichte: Kurz nach dem Abflug am 1981 sollten die Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt

FLUGHAFEN MÜNCHEN – DAS ENTRÉE BAYERNS 169 München wird Weltmetropole 1993 1 Schwabinger Tor an der Leopoldstraße 1

Die Ära Ude Es folgte eine Zeit des Aufschwungs, kaum unterbrochen Damit die Stadt die nötige Infrastruktur wie Straßen, Kin- durch Finanzkrisen. München zog viele Menschen an. Die dergärten und Schulen dazu finanzieren kann, wurde ein 1993 legte Georg Kronawitter sein Amt nieder und wurde neuer Weg gefunden. Seit 1994 werden Bauträger und 1994 wieder Landtagsabgeordneter. Christian Ude (SPD) Zahl der Einwohner(innen) sank von 1993 (1 255 623) zwar Grundstückseigentümer, wenn Baurecht in München neu wurde als Oberbürgermeister gewählt und blieb dies bis bis 1998 auf einen Tiefststand von 1 188 897, stieg dann ausgewiesen wird, an Kosten der nötigen Infrastruktur be- 2014, von großen Mehrheiten bestätigt. Der 1947 geborene aber kontinuierlich immer schneller bis 2014 auf 1 429 584 teiligt. Die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) leistet Ude war seit seiner Schulzeit am Oskar-von-Miller- an. In 16 Jahren wuchs München also um 240 687 Perso- einen wesentlichen Beitrag zur zeitnahen Realisierung einer Gymnasium politisch aktiv. Er wurde erst Lokalredakteur nen, das sind durchschnittlich im Jahr 15 000. München ist bedarfsgerechten und qualitativ anspruchsvollen Stadtpla-

1940 bei der Süddeutschen Zeitung und 1978 Rechtsanwalt, eine der wenigen Großstädte, in der mehr Menschen gebo- nung. Mit ihrem sozialgerechten Ansatz trägt sie auch zur 1950 besonders für Mieterschutz. Er konnte mit SPD und Grünen ren werden als sterben. Dies liegt auch am hohen Anteil an „Münchener Mischung“ bei, einer breiten Streuung von 1960 jeweils eine sozial-ökologische Mehrheit im Rathaus bilden. Migrantinnen und Migranten. Die Umlandgemeinden wuch- Einkommensgruppen in den neuen Wohnquartieren. 1970 sen stärker. Da auch sie der Wirtschaft günstige Bedingun- 1980 Als Stadtbaurätinnen waren (bzw. sind) an der Seite der gen bieten, entstand ein „Speckgürtel“ um die Landes- Es entstanden viele kleinere, gediegene Wohnkomplexe, 1990 Oberbürgermeister profilierte Architekturkennerinnen tätig: hauptstadt. Die Landkreise Starnberg und München wurden wie die Lenbachgärten an der Karlstraße in der Maxvorstadt

2000 Prof. Christiane Thalgott 1992 bis 2007 und danach Prof. die reichsten in Deutschland. oder das Schwabinger Tor an der Leopoldstraße. Gebaut

2010 Elisabeth Merk. Baureferent war von 1988 bis 2004 Horst wurden auch mehrere große Wohngebiete wie die Nord- 2020 Haffner. Seine Nachfolgerin, die Architektin und Bauinge- München ist Sitz der meisten DAX-Konzerne und alle wich- haide auf der ehemaligen „Panzerwiese“ am Harthof und 2030 nieurin Rosemarie Hingerl ist seitdem für die Durchführung tigen Staaten der Erde haben hier General- und andere we- die Parkstadt Schwabing im Norden, die Messestadt Riem 2040 der Baumaßnahmen der Stadt zuständig. Es wurden viele nigstens Honorarkonsulate. Grundlage für den Aufstieg der auf dem ehemaligen Flugplatzgelände im Osten und der bemerkenswerte Gebäude renoviert und errichtet sowie Stadt war natürlich, aufbauend auf ihrer hohen Attraktivität, Arnulfpark bei Neuhausen sowie anschließend Am Hirsch- sehenswerte Plätze geschaffen oder aufgewertet. Das Stre- die günstige Wirtschaftslage und die Gewerbepolitik mit garten bei Nymphenburg auf ehemaligem Bahngelände im ckennetz der U-Bahn wurde in dieser Zeit fast verdoppelt Ausbau der Messe und des Flughafens. Das Wachstum Westen. Hierbei war immer die Berücksichtigung der Öko- und U-Bahnhöfe künstlerisch gestaltet. Die für Störungen von Unternehmen wurde gefördert und neue Firmen ange- logie, aber auch die Integration von Arbeitsplätzen wichtig. anfällige S-Bahn, für die der Freistaat zuständig ist, soll zogen. Durch das höhere Steueraufkommen war die Stadt Ein besonders gelungenes Beispiel sei hier näher beschrie- durch eine „Zweite Stammstrecke“ vom Haupt- zum Ost- ben: bahnhof, die im Bau ist, gestärkt werden. dann auch in der Lage, mehr zu investieren. Wohnungsbau Am Ackermannbogen konnte die Stadt 1996 das südlich Nach dem Ende der DDR und des Warschauer Paktes 1990 Von 1993 bis 2014 wurden in München über 120 000 Woh- vom Olympiapark in Schwabing-West gelegene Areal der wurden schrittweise bis dahin militärisch genutzte Flächen nungen fertiggestellt. Das Ziel, jährlich 7000 neue Wohnein- ehemaligen Waldmann- und Stettenkaserne mit 39,5 ha frei. Außerdem konnten große Bahn- und Gewerbeareale, heiten pro Jahr zu errichten, um den Mangel einzudämmen, erwerben und als städtebauliche Entwicklungsmaßnahme die als solche nicht mehr benötigt wurden, umgewidmet konnte allerdings nie erreicht werden. beplanen. 1997 entwickelten Architekt Christian Vogel und werden. Dies ermöglichte langfristige neue Planungen. Landschaftsarchitektin Rita Lex-Kerfers einen Plan. Vorga-

174 MÜNCHEN WIRD WELTMETROPOLE be waren dabei sparsamer Flächenverbrauch mit Erhaltung standen unterschiedliche Wohnformen für alle Altersgrup- zur sozialen Infrastruktur Kindertagesstätten, Krippen und des Baumbestands und von Grünflächen sowie die Anlage pen, wie ein Studentenwohnheim, Betreutes Wohnen, Se- Schulen. Es entstanden 550 Arbeitsplätze in Hotels, Läden, von Nachbarschaftsgärten. Die unterschiedlichen Größen niorenresidenz mit Tagespflege sowie Apartments für tem- Ärztehaus und Büros. Tragende Säulen waren Urbanes der 2250 Wohnungen bieten ebenso Single-Haushalten poräres Wohnen. Die GEWOFAG realisierte mit zehn Woh- Wohnen und die Wohnbaugenossenschaft wagnis (Wohnen wie auch Familien Raum. Neben frei finanzierten Wohnun- nungen und einem Wohncafé das Projekt „Wohnen im Vier- und Arbeiten in Gemeinschaft – natürlich, innovativ, selbst- gen gibt es Projekte im sozialen Wohnungsbau und im tel“. Die GWG bietet „WGplus – Wohnen in Gemeinschaft bestimmt), zusammengeschlossen im „FORUM Quartiers- München Modell. Baugruppen, Baugemeinschaften und plus Service“ an, bei dem haushaltsnahe Dienst- und Pfle- entwicklung“. Projektgruppen kümmern sich um Kultur, Baugenossenschaften schlossen sich zusammen. Es ent- geleistungen beauftragt werden können. Weiter gehören Ökologie, Älter werden und eine Quartierszeitung.

2 1940 2 Parkstadt Schwabing 1950 3 Am Ackermannbogen 1960 4 Große Wiese am Ackermannbogen 1970 3 1980

1990

2000

2010 2020 2030 2040

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MÜNCHEN WIRD WELTMETROPOLE 175 RH Unternehmensgruppe – die Marke für herausragende Immobilien

Die RH Unternehmensgruppe ist ein inhabergeführtes Fa- Haar-Trockenhauben. 1977 übernahmen sie eine Elektro- milienunternehmen, das auf die Projektentwicklung und technik-Fabrik in Dachau und nutzten diese fortan als Pro- Verwaltung von Bürogebäuden, Hotels sowie Wohn- und duktionsstandort des Familienunternehmens Euras. Nach Geschäftshäusern spezialisiert ist. Im Fokus stehen dabei dem Tod des Vaters befand sich das als Gewerbehof Projekte in Wachstumsregionen Deutschlands und Öster- Dachau bekannte Gebäude lange im Besitz der Erbenge-

1950 reichs. Darüber hinaus führt das Unternehmen diverse Ob- meinschaft. 2016 erwarb Robert Hübner die Immobilie als 1960 jekte in Berlin, München und Kitzbühel im Eigenbestand. alleiniger Eigentümer, um sie langfristig zu halten und nach- 1970 Robert Hübner, Inhaber in dritter Generation, leitet das Un- haltig zu bewirtschaften. 1980 ternehmen seit 1995. Traditionelle und bodenständige 1990 Werte sind in seiner Unternehmensführung essentiell: Qua- Berliner Zeiten 2000 lität, stabile und kontinuierliche Firmen- und Teamstruktu-

2010 ren sowie ein breites Portfolio. In jungen Jahren zog es Robert Hübner nach Berlin, wo er

2020 Betriebswirtschaft studierte. 1983 schloss er das Studium mit der jahrgangsbesten Diplomarbeit über „Absatz- und 2030 Das „Käfer-Haus“ 2040 Beschaffungsmarketing von Immobilienunternehmen“ ab. 2050 Den Grundstein der Immobiliengeschäfte legte 1956 Anschließend gründete er mit Peter Pistor die Droste AG, Käthe Stelzer, die Großmutter Robert Hübners, als sie in die auf die Sanierung und Revitalisierung von Altbauten in München-Bogenhausen ein Wohngebäude erwarb. Im Berlin spezialisiert war. Das Unternehmen war besonders er- Haus befand sich ein Kolonialwarenladen, der wenige folgreich und erwirtschaftete bereits im ersten Geschäftsjahr Jahre später – unter der Leitung von Helmut und Gerd einen Umsatz von mehr als zehn Millionen DM; im zweiten Käfer – zu Münchens berühmtestem Gourmet-Tempel mehr als sechzig Millionen. Ab 1993 begann Robert Hübner wurde: der „Feinkost Käfer“ in der Prinzregentenstraße. gemeinsam mit Manfred Weingärtner mit dem Bau von Der prächtige Altbau aus dem Jahre 1902 hat einen be- Büro- und Hotelimmobilien in Berlin, darunter das 4-Sterne- sonderen Stellenwert für die Eigentümerfamilie und wurde Hotel Holiday Inn Berlin City Center East Prenzlauer Berg. mehrmals saniert und erweitert. 2005 erwarb Hübner mit Weingärtner und Dr. Karlheinz 1 Otto Hübner sen. und Otto Hübner jun., Großvater und Hauptmann das Hotel Zoo Berlin am Kurfürstendamm. Ein Vater von Robert Hübner, produzierten in München und Gebäude mit schillernder Geschichte, das 1891 erbaut und 1 Das „Käfer-Haus“, mit dem die Unternehmensgeschichte begann © RH Unternehmensgruppe, Foto: Tommy Lösch Umgebung elektrische Pflegeprodukte, wie Rasierer und 1911 zum Hotel umgewidmet wurde. Erich Kästner und

184 RH UNTERNEHMENSGRUPPE – DIE MARKE FÜR HERAUSRAGENDE IMMOBILIEN JosephdasGraceHotelDetail. HausVIP-Hotel mit DerKelly Roth außergewöhnlichen zeit- Aufwand und logierten undder Romy kostenintensivBerlinerlohnte Schneider.dort, sich: Filmfestspielein Elementen den2015 Dieals Fünfzigerjahren wählteglanzvollesEigentümer und mit hotelforum viel Gästen LiebeBoutique- sanierten war zumdaswie es Haus zur „Hotelimmobilie des Jahres“ und es bekam die Aus- zeichnung „Bestes City-Hotel Europas“. 2017 erwarb das Un- ternehmen zusammen mit Michael Heinritzi ein weiteres Glanzstück: das Luxushotel Schloss Lebenberg in Kitzbühel.

Moderne trifft Klassik

Kreativität und Qualitätsbewusstsein zeichnen die Immobi- 1950 lienprojekte des Unternehmens aus. Die Geschäftsführung 1960 1970 ist geprägt von Tradition, schneller Urteilsfähigkeit und 2 3 Flexibilität. Aus der globalen Immobilienkrise ging die RH Un- 1980 ternehmensgruppe gestärkt hervor, weil sie bodenständig 1990 Verbunden mit München kalkuliert hatte. 2000

Nach 15 Jahren in Berlin zog es Hübner zurück nach Mün- 2010

Ab dem Jahr 2000 errichtete die Unternehmensgruppe in chen, wo er 1996 die RH Unternehmensgruppe gründete, 2020 München-Sendling den Büropark Zielstatt Quartier. Der um alle familieninternen Einzelgesellschaften unter einer 2030 vom Bauhausstil geprägte Campus umfasst rund 50 000 Dachmarke zu zentralisieren. Seitdem agiert Hübner als Pro- 2040 qm Büroflächen. Die Architektur der Atelieroffices und jektentwickler von Immobilien sowie als Hotelbetreiber und 2050 Büros zeichnet sich durch eine feingliedrige, regelmäßige beschäftigt heute über 200 Mitarbeiter. Fassade mit großen Fensterflächen und geradliniger Optik aus. Die regionale Verbundenheit zur Stadt München zeigt sich auch im sozialen und gesellschaftlichen Engagement des 2013 erwarb das Unternehmen das ehemalige Verwaltungs- Unternehmens. Seit der Spielzeit 2019/2020 unterstützt die gebäude der Restaurantkette Wienerwald in der Elsen - Unternehmensgruppe die Bayerische Staatsoper als „Ex- heimer straße und sanierte den Bürokomplex. Durch die cellence Partner“ und ist der erste und exklusive Partner in

Revitalisierung weist die Gebäudestruktur einen modernen diesem neuen Programm, das die Förderung hochkarätiger 4 Ausbaustandard für eine Multi-Tenant-Nutzung auf. Die RH Opernproduktionen zum Ziel hat. Robert Hübner hat damit Unternehmensgruppe legte dabei größten Wert auf Nach- seine langjährige private Unterstützung der Bayerischen 2 Das Hotel Zoo Berlin © Jakob Hoff haltigkeit und Energieeffizienz: Das M Square erhielt 2016 Staatsoper ausgeweitet. Zudem ist Robert Hübner Kurato- 3 Bürokomplex M Square in der Elsenheimerstraße © RH Unternehmensgruppe, Foto: Robert Doppelbauer das renommierte Green-Building-Zertifikat in LEED Gold. riumsmitglied der gemeinnützigen Stiftung ICP, eine Reha- 4 Das Zielstatt Quartier: Der Büropark in Sendlings Zielstattstraße Das Büroensemble wechselte 2016 in den Besitz der Real I.S. bilitationseinrichtung für Menschen mit Behinderung. © RH Unternehmensgruppe, Foto: Patrick Scharf

RH UNTERNEHMENSGRUPPE – DIE MARKE FÜR HERAUSRAGENDE IMMOBILIEN 185

Auch wer München schon gut zu kennen glaubt, wird hier Neues entdecken! Das Buch stellt kurz und anschaulich die wichtigsten Bauten Münchens vor, eingeordnet in die Geschichte der Stadt von der Steinzeit bis heute. Reich ausgestattet mit historischen www.wikom-media.de und aktuellen Bildern, geht die Chronik auch auf die spektakuläre Entwicklung der letzten Jahrzehnte ein.

Der Autor Dr. Reinhard Bauer ist einer der pro;liertesten Autoren zur Geschichte Münchens. Mit verschiedenen Fachleuten werden spannende Sonderthemen wie Unternehmens- ISBN: 978-3-98193-406-9 gebäude dargestellt. Mit Beiträgen von Christian Ude, Miryam Gümbel, Thomas Jacobi und Renate Kürzdörfer sowie Firmenportraits von Céline Tognon-Hofer und Kathrin Schirmer.

Fotogra;en von Dorrit Wess und Sven Eichhorn. 9 783981 934069