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Ausland

ANKARA Heavy-Metal-Diplomatie GLOBAL VILLAGE: Ein israelischer Sänger will Türke werden und damit die frostigen Beziehungen zwischen beiden Ländern auftauen.

chwer vorstellbar, dass es einen bes - der sind sich so ähnlich: säkular, mit einer Land vor allem, weil Heavy Metal in ihrer seren Türken geben kann als Kobi langen Tradition und Geschichte.“ Heimat oft als Satanismus verfolgt wird, SFarhi. „Ich liebe Atatürk“, sagt er. Leider ist die Freundschaft trotz aller aber auch, weil die Band den Oriental- „Ich liebe die Türkei, das Essen, die Mu - Ähnlichkeit zuletzt etwas abgekühlt, seit Metal erfunden hat, was ein wenig klingt sik, den Kaffee.“ steht auf ei - dem Gaza-Krieg, mehr noch seit dem Tod wie mit Umm Kulthum. nem Hügel Ankaras, in einer Landschaft jener neun Türken auf der „Mavi Mar - An diesem Tag ist Kobi Farhi ohne aus Marmor und Travertin, unter der mara“, die die israelische Blockade von Band nach Ankara gekommen, er will an Mustafa Kemal Atatürk, der Gründer der Gaza durchbrechen wollte. Es gibt jetzt einer Pressekonferenz für das Anki-Rock- modernen Türkei, in Ewigkeit ruht. Ata - keinen israelischen Botschafter in Ankara Fest im September teilnehmen und, na - türk ist sein Held, gefolgt von Mahatma mehr und keinen türkischen Botschafter türlich, seinen Einbürgerungsantrag ein - Gandhi, Che Guevara, Jizchak Ra - reichen. „Wieso willst du ausgerech - bin und Jesus. Er lässt sich vor dem net Türke werden?“, fragt ihn ein Grab fotografieren, mit den Wach - türkischer Reporter, sichtlich fas - soldaten und schließlich vor Ata - sungslos. Farhi erzählt, dass er in türks in Stein gemeißeltem Leitsatz: Jaffa aufgewachsen ist, dass seine Glücklich ist, wer sich Türke nennt. Vorfahren aus Bulgarien kamen, Ach, seufzt Kobi Farhi, „wäre es und wenn seine Großmutter mit nur endlich so weit“. Das Problem ihm schimpfte, habe sie ihn Kütük ist, dass er kein Türke ist, noch genannt, das heißt so viel wie: du nicht. Kobi Farhi, 37, ist Israeli, er Stück Holz. Ihr Familienname war trägt Moses auf dem linken Bizeps, Kuyumjinski, das stamme ab von darunter in he bräischen Buchsta - Kuyumcu, türkisch für Gold - ben Liedzeilen von Jim Morrison schmied. Für ihn sind all das Zei - und Leonard Cohen sowie Kapitel chen, dass er tief in seinem Inneren 8, Vers 6 aus dem Hohelied Salo - schon längst Türke ist. mos: „Leg mich wie ein Siegel an Dann kommt Bülent Tanik, der deinen Arm.“ Und er ist Sänger, Bürgermeister von Çankaya, dem bei Konzerten seiner Metal-Band Regierungsbezirk von Ankara, er tritt er mit Kutte trägt einen großen Schnauzbart, und offenem Haar auf, er sieht und seine Visitenkarte ist aufklapp -

dann ein wenig wie Jesus aus und L bar, damit all seine Ämter Platz fin - E G E singt von Liebe, Gott und Glauben. I den. Sie umarmen sich, der Metal- P S

Die Botschaft ist meistens, dass alle R Sänger und der Bürgermeister. E D

/ friedlich zusammenleben können, Kobi Farhi hat ein Geschenk mit - K E N

Muslime, Christen und Juden. O gebracht, einen kleinen Teller mit R W

Das mit dem friedlichen Miteinan - O der Aufschrift „Jaffa“. „Schön“, K S

A sagt der Bürgermeister, und auch der will Kobi Farhi jetzt ausprobie - T A G ren – an sich selbst. Er will zusätzlich A noch, dass er alles dafür tun werde, die türkische Staatsbürgerschaft be - Musiker Farhi in Ankara dass der Israeli bald Türke wird. antragen, auch wenn nicht klar ist, Viele Fans in der arabischen Welt Am nächsten Morgen ruft der welche Regeln für Israelis gelten, die Bürgermeister an. Farhi solle sei - auch noch Türken werden wollen. nen Antrag sofort vorbeibringen, Aber er hat schon mal den Antrag er werde ihn dann seinem Freund ausgefüllt, bei „gute Türkischkenntnisse“ in Tel Aviv, und so hängt die israelisch- geben, dem Kulturminister, und der wer - hat er einen Haken gemacht. Seine türki - türkische Freundschaft an einem Metal- de ihn weiterreichen, und wenn alles gut - sche Managerin hat ihm ein paar Wörter Rocker und seiner Band. gehe, sei er vielleicht beim Anki-Rock- beigebracht: Mutlu, Glück, und Ekmek, Auch in der arabischen Welt ist die Fest schon Türke, zumindest Ehrentürke. Brot. Viel ist das noch nicht, aber er ist Band erfolgreicher als alle israelischen Kobi Farhi fährt zum Rathaus, gibt sei - zuversichtlich, dass er Türkisch lernen Diplomaten: Bei ihren Konzerten rocken nen Einbürgerungsantrag ab und trinkt wird. Wenn er erst mal Staatsbürger ist. neben Türken und Israelis vor allem Fans einen Tee. Die Angestellten lächeln. Der Nicht, dass er etwas gegen hätte. aus Syrien, Ägypten, Bahrain, dem Liba - Bürgermeister schüttelt seine Hand. Man Er ist gern Israeli, er war sogar in der Ar - non. Sogar Iraner kommen. „Ja, wirklich, verabredet sich zum Mittagessen. mee, ein Jahr lang reparierte er Panzer, die haben sogar die israelische Flagge ge - Er muss sich jetzt nur noch einen tür - bis er sich von einem Psychologen für sui - küsst“, sagt Kobi Farhi. Auf der Facebook- kischen Namen überlegen. Denn natür - zidgefährdet erklären ließ, um in Ruhe Seite der Band schreiben die Fans: lich kann ein Türke nicht Kobi heißen. sein erstes Album aufzunehmen. Das Tür - „Kommt nach Jordanien, wir lieben euch Mehmet? Ahmet? Deniz? Er grübelt. ke-Sein ist für Farhi eher eine natürliche hier“, oder „Wann spielt ihr in Tunesien?“. „Vielleicht Deniz, das klingt schön.“ Ergänzung zum Israeli-Sein. „Unsere Län - So viele arabische Fans hat Orphaned J&   '! M%% $%%

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