Schneeleopard Im Steilgelände
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Simone Moro SCHNEELEOPARD IM STEILGELÄNDE Der italienische Extrembergsteiger ist für seine spektakulären 8000er-Winter- erstbegehungen bekannt – Extremes am Berg musste er aber auch in ganz anderer Hinsicht erfahren. Von Stephanie Geiger eine NO2-Expedition hatte Si- mone an den Ort des Geschehens kam, Füßen ins Gesicht getreten, auf Knien mone Moro sich anders vorge- hat der Sherpa als Erster mit seinem Eis- musste er um Verzeihung flehen. stellt. Gemeinsam mit Ueli Steck gerät gegen Simone aufgezogen. Da sagt Simone Moro, 45 Jahre alt, fester Hände- (CH) und Jonathan Griffith (UK) man nicht einfach ‚Danke‘“, beschreibt druck, die Unterarme so muskulös, dass Swollte der italienische Höhenbergsteiger Ueli Steck die Situation. Ein Wort gab das die Adern hervortreten, durchtrainiert bis in diesem Frühjahr ohne Sauerstoff auf andere. „Was willst du, Motherf …?“, platz- in die Fingerspitzen, ist einer der erfolg- den Everest (8848 Meter) und direkt im te es plötzlich aus Moro heraus. Wer Si- reichsten Höhenbergsteiger der Gegen- Anschluss auf den Lhotse (8516 Meter). mone Moro kennt, der weiß, dass ihn so wart. Sein sportbegeisterter Vater nahm Doch dann kam der 27. April 2013 und schnell nichts aus der Ruhe bringt. Alles, ihn schon früh in die Berge mit, dort kam aus einer bis ins Detail geplanten und was er macht, ist wohlüberlegt. Es muss er auch zum Klettern. 1985 stieg er ins vorbereiteten Expedition wurde ein Alp- viel passieren, bis er die Fassung verliert. Wettkampfklettern ein, 1992 bis 1996 war traum, als am Mount Everest Spannun- Die Sherpas stoppten ihre Arbeit. Und er Trainer der italienischen Sportkletter- gen, die es seit vielen Jahren zwischen auch Moro, Steck und Griffith stiegen ab Nationalmannschaft. 1994 kletterte er Sherpas und Bergsteigern gibt, ein unge- ins Lager II. Doch dort, am Fuß der Lhot- seine erste 8b (X) – und bestieg im glei- ahntes Ausmaß erreichten. se-Flanke, warteten rund hundert aufge- chen Jahr seinen ersten Achttausender! Der Streit eskalierte in der vierzig Grad brachte Sherpas auf sie. Moro, Steck und Mit seinen spektakulären Wintererstbe- steilen Lhotse-Flanke. Die Sherpas fühl- Griffith dachten, es sei um ihr Leben ge- steigungen hat er schon heute einen fes- ten sich von den Bergsteigern beim An- schehen. Steck wurde von einem Stein ten Platz in den Geschichtsbüchern des Fotos: Archiv Simone Moro, Matteo Zanga bringen der Fixseile gestört. „Der Sherpa am Kopf getroffen und trug eine bluten- Bergsteigens. Gemeinsam mit dem Polen schrie mich seit fünf Minuten an. Als Si- de Wunde davon. Und Moro wurde mit Piotr Morawski stand er am 14. Januar 88 DAV 5/2013 Simone Moro PORTRÄT SCHNEELEOPARD IM STEILGELÄNDE 2004 auf dem Gipfel der Shishapangma halb Stunden zurück zum Zelt. Drei Tage nicht wie ein Tiger sein, der ewig seiner (8027 Meter). Wintererstbesteigung! 2009 Abstieg mit Schnee, der teilweise bis zur Beute hinterherjagt, du musst ein Schnee- folgte mit Denis Urubko (KAZ) die Win- Brust reichte – oftmals konnten sie nur leopard sein“, sagt Moro. tererstbesteigung des 8463 Meter hohen vier Meter weit schauen. Mehr als zehn Die Gasherbrum-II-Expedition zeigt, wie Makalu. Nur 19 Tage waren sie unter- Spaltenstürze, eine Lawine. Fünf aufein- akribisch der Italiener seine Expeditio- wegs. Zwischen 1980 und 2007 hatten anderfolgende Nächte in großer Höhe, nen plant. Gerade im Winter legt er be- sich 13 Expeditionen im Winter an die- kein zusätzlicher Sauerstoff aus Fla- sonderen Wert auf eine genaue Wetter- sem Berg versucht – ohne Erfolg. schen, keine Hochträger, ein Hubschrau- Und dann kam der Februar 2011. Der ber, der eineinhalb Stunden flog. „Das ist Erfolg am Gasherbrum II adelte Moro. der neue Expeditionsstil“, sagt Moro. So Spaltenstürze, eine Lawine, Mit der ersten Winterbesteigung eines wie sich in der Mode der Stil ändere, so Karakorum-Achttausenders hat Moro unterliege eben auch das Bergsteigen ei- fünf Nächte in großer Höhe und zusammen mit Denis Urubko und Cory nem ständigen Wandel. kein zusätzlicher Sauerstoff Richards (CAN) Grenzen verschoben. Moro spricht laut, als ob er gegen einen Drei Bergsteiger, drei Hochlager. Acht- Höhensturm anschreien müsse. Dabei ist einhalb Stunden zwischen dem letzten er aber immer konzentriert, hört genau prognose. Seinen „Guru“ nennt Simone Hochlager und dem Gipfel und vierein- zu, lässt sich nicht ablenken. Auch bei sei- Moro den Meteorologen Karl Gabl (siehe nen Expeditionen überlässt er nichts dem auch DAV Panorama 1/2012, S. 64ff.). Zufall. Und er geht keine Kompromisse Moro vertraut Gabl blind, liefert sich des- ein. Dann zupacken, wenn der richtige sen Prognosen auf Gedeih und Verderb Augenblick gekommen ist, das ist seine aus. Und Gabl sagt über Moro: „Simone ist Strategie. „Wenn du im Winter auf einen einer der wenigen Bergsteiger, der die Achttausender rauf willst, dann darfst du Chancen der Wetterprognosen für sich optimal nutzen kann.“ Während Moro, Urubko und Richards sich in der Eises- Simone Moro wurde am 27. Oktober 1967 in Berga - kälte des Karakorum akklimatisierten, be- mo/Italien geboren, hat ein Sportstudium absolviert und ist staatlich geprüfter Bergführer. Der Extrem- obachtete der Meteorologe in seinem bergsteiger ist verheiratet und hat zwei Kinder. warmen Büro in Innsbruck das Wetterge- DAV 5/2013 89 schehen. Für den 2. Februar 2011 prognos- besteigungen von Achttausendern für Lebensphilosophie bei Skype. Die Gren- tizierte Gabl in 8000 Metern nur noch sich reklamieren. zen nur im Kopf? Simone Moro weiß ganz Temperaturen um minus 35 Grad und Wieso tut er sich das freiwillig an? Was genau, wie weit er es verantworten kann, Windgeschwindigkeiten von 65 Kilome- treibt Moro dorthin? „Die Höhe ist mein zu gehen. Zu Hause in Bozen, wo Moro, tern pro Stunde. Gabls Ansage war eindeu- Ort. Dort oben schränkt dich niemand der aus Bergamo stammt, seit vielen Jah- tig und ließ keine Zweifel zu: Ein Schön- ein. Dorthin kommst du nur aus eigener ren lebt, warten Frau und Kinder auf ihn. wetterfenster von 36 Stunden werde sich Kraft. Und dort oben hilft dir auch keine „Ich habe Verantwortung. Bin Ehemann, auftun. Bis 2. Februar um 12 Uhr hatten sie Technologie. Du bist auf dich allein ge- Vater und natürlich auch Sohn und Bru- Zeit, den Gipfel zu erreichen. Egal wo sie stellt. Und im Winter erlebst du Berge, der“, erzählte Moro im vergangenen No- dann seien, sie müssten umkehren. Auch wie sie vor tausend Jahren auch schon vember in München, wo er unter den ohne Gipfelerfolg. Dieses Versprechen hat- dastanden“, erklärt er seine Faszination. Stuckdecken des Künstlerhauses am Len- te Gabl ihnen abgenommen. Einen Hur- Mit seiner Begeisterung steckt er auch bachplatz über seine Abenteuer sprach. rikan hatte er angekündigt. „Wir wussten, seine Begleiter an: „Simone inspiriert je- Simone Moro könnte sich etwas einbilden was wir zu tun hatten“, sagt Moro. den. Mit ihm am Berg unterwegs zu sein, auf seine Erfolge. Zum Übermut wäre es Es war ihre Chance. Und sie nutzten ist für jeden eine große Freude“, sagt De- dann nicht mehr weit. Moro aber hat den sie. Am 2. Februar 2011 standen sie um nis Urubko. Und Ueli Steck ergänzt: „Si- Mut, dann aufzuhören, wenn er Gefahr 11.38 Uhr auf dem Gipfel des Gasher brum mone ist ein sehr ehrlicher Mensch. Er und Chance nicht mehr in Einklang brin- II. Bis dahin war 23 Jahre niemand mehr würde alles tun, um einem Freund zu hel- gen kann. Am 25. Dezember 1997 war er im Karakorum in die Todeszone über fen. Er ist nicht jemand, der etwas ver- mit Anatoli Bukrejew (RUS) und dem Ka- 8000 Metern vorgedrungen. Moro brach spricht und es dann nicht umsetzt. Zu- meramann Dimitri Sobolev (KAZ) in der die Dominanz der Polen beim Winter- mindest probiert er es.“ Südwand der Annapurna unterwegs. We- bergsteigen und reihte sich in eine Liga Schranken lässt Moro sich dabei keine gen der Lawinengefahr dort wollten sie ein mit Krzysztof Wielicki und Jerzy Ku- setzen. „Nothing is impossible. The limits eine neue Route zum Gipfel über die un- kuczka. Auch sie können drei Wintererst- are simply in our mind ...“, schreibt er als durchstiegene Ostwand finden. Weil aber Höhentauglicher Berg- kamerad: bei einem Ein- satz am Mount Everest; mit Ueli Steck bei der Tourenplanung und beim Fallschirmspringen. 90 DAV 5/2013 Simone Moro PORTRÄT Die Natur war stärker – 2012 brachen Simone Moro und Denis Urubko die Winterexpedition am Nanga Parbat ab (l.). Ein Jahr zuvor lief es besser: Der Aufstieg zum Gasher brum II (r.) war erfolgreich. Fit hält sich der Höhenberg- steiger unter andere m mit regelmäßigem Lauftraining. in der Südwand anderthalb Monate lang dort gesehen hat. Aufgereiht wie auf einer Bergsteiger oder flog deren sterbliche keine Lawinen abgegangen waren, wurde Perlenschnur bildeten die Everest-Aspi- Überreste ins Tal. Seit einigen Jahren hilft der ursprüngliche Plan wieder aufgenom- ranten in der Lhotse-Flanke eine lange er der nepalesischen Fishtail Air, eine Flug- men. Doch da passierte es: Die erste und Schlange. „Alle an einem Seil und an ei- staffel aufzubauen. Zwölfmal landete er im einzige Lawine verschüttete Bukrejew und nem einzigen Firnanker. Sie machten zwei vergangenen Jahr im Camp II auf 6500 Me- Sobolev. Moro wurde 800 Meter mit hin- Schritte und blieben dann eine oder zwei ter Höhe. Sogar den 8000 Meter hohen untergerissen. Er überlebte. Als Einziger. South Col überflog er. Und dann holte er Aus Erlebnissen wie diesem hat Moro ge- auch noch den Leichnam eines ukraini- lernt. „Du musst erkennen, wann das Risi- Sie ließen ihn nicht mehr ans schen Bergsteigers vom Teng-Kangpoche. ko zu groß wird. Dann musst du umkeh- Moro ließ sich an einem Tau baumelnd auf Fixseil. Von Kameradschaft ren.“ Moro sagt das nicht nur, er handelt 6380 Metern in die Wand bringen. Das war Fotos: Matteo Zanga (2), Archiv Simone Moro (3), Cory Richards auch so. Im Februar 2012 entschied er sich unter Bergsteigern keine Spur. die höchste Taubergung aus einer senk- für den Rückzug.