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Der Einzige Jahrbuch der Max Stirner Gesellschaft Band 3 / 2010 Die Max Stirner-Rezeption im Werk von Ret Marut/B. Traven Der Einzige Jahrbuch der Max Stirner Gesellschaft Herausgeber: Bernd Kast Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. Ferruccio Andolfi Parma/Italien Prof. Dr. Wolfgang Eßbach Freiburg i.Br./Deutschland Prof. Dr. Nikos Psarros Leipzig/Deutschland Univ. Prof. Doz. Ing. Mag. Dr. Gerhard Senft Wien/Österreich Prof. Dr. Adriana Conceição Guimarães Veríssimo Serrão Lisboa/Portugal Prof. Dr. Jean-Claude Wolf Fribourg/Schweiz Editorial Berühmt wurde der Bestsellerautor B. Traven mit seinen Romanen „Das To- tenschiff“ und „Der Schatz der Sierra Madre“. Während des Ersten Welt- kriegs gab der mysteriöse Autor unter dem Pseudonym Ret Marut die Zeit- schrift „Der Ziegelbrenner“ heraus. Auch vierzig Jahre nach seinem Tod in Mexiko im Jahr 1969 weist seine Biographie eine Reihe von Lücken auf. Mittels immer neuer Pseudonyme und widersprüchlicher, für Verwirrung sorgender autobiographischer Angaben spielte er mit seiner „Identität“: Im- mer wieder verbarg er sich hinter neuen Masken, schlüpfte er in neue Rollen und nahm andere Perspektiven ein. Diesen Prozess der regelmäßigen Neu- konstituierung seiner eigenen Identität führt die Forschung, aufbauend auf den Erkenntnissen von Rolf Recknagel, seit den 60er Jahren auf Ret Maruts/ B. Travens Rezeption von Max Stirner zurück, dessen Einziger sich in einem Akt der Autopoiesis immer wieder neu schafft. Anlässlich des 40. Todestages von Ret Marut/B. Traven widmete daher die Max Stirner-Gesellschaft der Frage nach der Stirnerrezeption Ret Maruts/ B. Travens ein Symposion an der FU Berlin. Im Zentrum standen dabei die Fragen nach einer Korrektur von einzelnen kolportierten Irrtümern in der Forschung sowie nach einer Spezifikation der Quantität und Qualität der Ma- rutschen/Travenschen Stirnerrezeption. Mit Prof. Dr. Gerhard Bauer und Dr. Christoph Ludszuweit konnten wir für das Symposion u.a. zwei Vertreter der Internationalen B. Traven-Gesellschaft als Referenten gewinnen. Die Beiträge des Symposions machen den Schwerpunkt des diesjährigen Jahrbuchs aus. Er- gänzt werden sie um eine Forschungsstandanalyse und eine Kommentierung des Marutschen Textes „Die Zerstörung der Welt durch die Markurve“, der wie- derholt als Beleg für die Stirnerrezeption Ret Maruts genannt wird. Eher zufällig fügt sich der Vortrag von Geert-Lueke Lueken über Land- auers Auseinandersetzung mit der Stirnerschen Philosophie in das Schwer- punktthema ein, den er 2008 in Lissabon im Rahmen des Symposions „Die Kritik Stirners und die Kritik an Stirner“ hielt. Schließlich war es mögli- cherweise Gustav Landauer, über den Ret Marut mit der Philosophie Max Stirners in Kontakt kam. Hinzu kommen die beiden Beiträgen „Nichts und Mittelpunkt der Welt. Der Einfluss Max Stirners auf Fernando Pessoa“1 und „Ideologiekritik als letzte Kon- 1 Siehe S. 210-242. 3 Maurice Schuhmann / Kurt W. Fleming sequenz des Stirner’schen Atheismus“2; letzterer im Rahmen des von der Max Stirner-Gesellschaft unterstützten Symposions „Religion and Enlightment. The Young Hegelian Perspective“ in Antwerpen gehalten. Maurice Schuhmann Kurt W. Fleming (Vorsitzender der Max Stirner Gesellschaft) (Max Stirner Archiv Leipzig) 4 2 Siehe S. 186-189 Gefördert von Werner Kieser, Zürich. Copyright © by Verlag Max Stirner Archiv / edition unica Leipzig 2011 Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages und der AutorIn nen. Alle Rechte vorbehalten. Maurice Schuhmann (Hrsg. von Band 3 des Jahrbuchs) Die Max Stirner-Rezeption im Werk von Ret Marut/B. Traven Gemeinsame Tagung der Traven- und der Max Stirner Gesellschaft 2. Auflage Satz & Umschlag: Kurt W. Fleming ISBN 978-3-933287-86-1 ISSN 1435-0432 Maurice Schuhmann (Hrsg. von Band 3 des Jahrbuchs) Die Max Stirner-Rezeption im Werk von Ret Marut / B. Traven Gemeinsame Tagung der Traven- und der Max Stirner Gesellschaft Verlag Max Stirner Archiv / edition unica Leipzig 2010 Inhalt Kurt W. Fleming/Maurice Schuhmann Editorial . 3 Bernd Kast Einleitung . 11 Maurice Schuhmann Die Stirner-Rezeption Ret Maruts/B. Travens. Eine Forschungsstandanalyse . .17 Gerhard Bauer Pfeifen im Dschungel . 27 Christoph Ludszuweit Spuren der Stirner-Rezeption in Ret Maruts Roman Die Fackel des Fürsten . 45 David Kergel Stirners Kritik des bürgerlichen Individuums als Erzählmotiv in Travens Roman „Das Totenschiff“ . .65 Beate Kramer ABÁCA + Coda – Rondo für Partisanen . .82 Maurice Schuhmann Ret Maruts Begriff von der Menschheit im Kontext seiner Stirner- und Nietzsche-Rezeption . 105 Dokumentation . 114 Ret Marut Die Zerstörung unseres Welt-Systems durch die Markurve . 115 Beate Kramer QED – Bemerkungen zur Markurve und Utsekunde . 157 Faksimile Brief von Max Stirner an David Kalisch . 162 9 Rezensionen. 164 Maurice Schuhmann Mathias Brandstädter/Matthias Schönberg (Hrsg.): Neue BT-Mitteilungen“. Studien zu B. Traven . 164 Maurice Schuhmann Frank-Christian Hansel, Dialektik der Abklärung. Grundrisse einer Nachkritischen Theorie . 166 Bernd Kast Stulpe, Alexander: Gesichter des Einzigen. Max Stirner und die Anatomie moderner Individualität . 168 Bernd A. Laska Stulpe, Alexander: Gesichter des Einzigen. Max Stirner und die Anatomie moderner Individualität . 175 Forum . 186 Maurice Schuhmann Ideologiekritik als letzte Konsequenz des Stirner’schen Atheismus . 186 Geert-Lueke Lueken Mit Stirner gegen Stirner. Landauers Weg zum Kommunitarismus . 190 Patricio Ferrari/Bernd Kast Nichts und Mittelpunkt der Welt. Der Einfluss Max Stirners auf Fernando Pessoa . 210 Jean-Claude Wolf Paternalismuskritik als Herrschaftskritik bei Max Stirner . 243 Die AutorInnen . 255 Personenregister. 257 Verlagsinformationen . 267 10 Einleitung Philosophie und Literatur haben ebenso viel gemeinsam, wie sie sich unter- scheiden. Sie unterscheiden sich im Gemeinsamen und haben Gemeinsames in den Unterschieden. Philosophie kann literarisch sein, Literatur philoso- phisch. Und Philosophen schreiben oft auch Literatur, wie Schriftsteller auch philosophieren. Mehr noch lassen sich Schriftsteller von Philosophen inspi- rieren und Philosophen von Schriftstellern und Dichtern. In diesem Vorwort kann es nicht darum gehen, die jeweiligen Formen der Weltaneignung von Literatur und Philosophie darzustellen, die unterschied- lichen Weisen von wissenschaftlichen und poetischen Weltentwürfen zu be- schreiben. Es wäre eine Beschreibung dessen, was bereits beschrieben wurde, zu allen Zeiten und verstärkt in der so genannten Postmoderne, zum Beispiel bei Jean-François Lyotard, Gilles Deleuze und Jacques Derrida und vielen anderen. Vielmehr möchte ich darauf hinweisen, dass Max Stirner in diesem Kontext mehrfach Bedeutung zukommt: • Stirner hat viele Schriftsteller und Dichter angeregt, beeinflusst, fas- ziniert, hat ihnen Impulse gegeben; sie griffen Motive von ihm auf, entnahmen seiner Philosophie Anregungen für Lebensentwürfe, ent- deckten das emanzipatorische Potenzial seiner Ich-Philosophie. Das gilt für Bert Brecht (u.a. mit seinem Baal, der wesentliche Eigen- schaften vom Einzigen und Eigner übernommen hat), Alfred Döblin (der in seinen Essays von der „Einzigkeit und Hölleneinsamkeit“ des Einzelnen spricht und Franz Biberkopf in Berlin Alexanderplatz in ei- ner Kneipe über einen Kumpel auf Stirner hingewiesen wird), Hed- wig Dohm (die die Individuation ihrer Protagonistin Christa Ruland durch die Lektüre Stirners beschreibt), Fjodor Dostojewski (u.a. ist Raskolnikow in Schuld und Sühne von Stirner geprägt), Robert Gise- ke (der Stirner noch zu dessen Lebzeiten in seinen Modernen Titanen auftreten lässt), Oskar Maria Graf (der in Reden und Aufsätzen und in seinen Romanen immer wieder auf Stirner eingeht), Ernst Jünger (u.a. entspricht der Anarch in Eumeswil weitgehend Stirners Einzigem), Harry Mulisch (der in Die Entdeckung des Himmels mit Wolfgang De- lius einen überzeugten Nazi und Stirner-Verehrer beschreibt), Theo- dor Plievier (seine programmatische Schrift Anarchie und in seinen Romanen, u.a. in Des Kaisers Kulis), Carl Sternheim (dessen Dramen- helden oft mit Stirners Worten argumentieren, u.a. in Die Hose und 11 Bernd Kast Berlin Oder Juste Milieu). Um nur einige bekanntere Autoren zu nen- nen. Ausführlichere und weitere Belege siehe die Stirner-Bibliografie in www.msges.de • Stirner selbst wurde von vielen Dichtern und Schriftstellern beein- flusst. Allen voran ist hier Goethe zu nennen, dessen „Ich hab’ Mein’ Sach’ auf Nichts gestellt“ (EE, 13, 369) aus dem Gedicht „Vanitas! va- nitatum, vanitas“ und „Mir geht (in der Welt) nichts über Mich“ aus dem Drama „Satyros oder der vergötterte Waldteufel“ die zentralen Leitmotive des EE sind, aber auch Friedrich Schiller, Georg Herwegh, Friedrich Gottlieb Klopstock, Gotthold Ephraim Lessing und viele andere. Kennzeichnend für Stirner ist sein Rückgriff auf poetische Formulierungen, wenn philosophische Rede, – besser vielleicht: phi- losophische Konstitutionsweisen von Wirklichkeit – an die Grenzen des Sagbaren stoßen, so z.B. wenn er mit Adelbert von Chamissos Gedicht „Das Mordtal“ seine ethischen Reflexionen über Mord und Selbstmord veranschaulicht. Über Stirners vordergründig ach so skan- dalösen Satz „Ich aber bin durch Mich berechtigt zu morden, wenn Ich Mir’s selbst nicht verbiete, wenn Ich selbst Mich nicht vorm Morde als vor einem ‚Unrecht‘ fürchte“ (EE, 195) haben sich viele entrüstet, was umso überzeugender zu sein schien, je weniger die Kritiker den Kon- text berücksichtigten, in dem Stirner das sagt, einschließlich Stirners Hinweis auf „Das Mordtal“ (vgl. dazu EE, 382 ff.). Oder Stirner weist auf