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SONATA-REMINISCENZA ANNA ZASSIMOVA

DEUTSCH Sonata-Reminiscenza – lebendigen musikalischen Ausschnitts aus ge Wyschnegradski fing ein Studium der wurde bald Vater und bekam im gleichen Russische Klaviermusik jener spannenden Periode, in der die euro- Rechtwissenschaft an, wechselte aber Jahr eine Professur am Moskauer Konser- an der Wende zum 20. Jahrhundert päische Welt sich rasend schnell und dra- schon mit 17 Jahren in das Petersburger vatorium. matisch veränderte. Dabei haben aber die Konservatorium. Mit 27, nach der Rus- Die Idee zu dieser CD entstand vor vielen Werke, die hier vorgestellt werden, eine sischen Revolution, verließ er das Land und Die starke und hochdramatische Musik der Jahren, als ich mein zweites Soloalbum – gemeinsame Stimmung und sind – bei ging nach , wo er bis zu seinem Tod Sonate enthält tatsächlich viele Momente „Vergessene Weisen – Russische Musik im allen Unterschieden – seelenverwandt. Sie lebte. Seine für jene Zeit noch höchst von strahlendem Glück. Stilistisch gesehen Aufbruch zum 20. Jahrhundert“ – veröffent- stammen aus der spätromantischen Tradi- modernen Ideen, z.B. die Verwendung von befindet sie sich genau in der Mitte seines lichte. Ich staune immer wieder darüber, tion oder, noch deutlicher formuliert, aus ei- Mikrointervallen oder ultrachromatischen kompositorischen Weges: frei und neu, wie viele Schätze noch zu entdecken sind ner bis zur Grenze zugespitzten Intensität Systemen, wurden erst gegen Ende seines aber noch tonal und in der traditionellen im Klavierrepertoire dieser Epoche und wie und erlesenen Schönheit des Stils „le fin du Lebens – u.a. von viel jüngeren Kollegen Sonatenform geschrieben. Interessanter hoch die Qualität dieser selten gespielten siècle“. Lediglich die Etüde von Wyschne- wie Olivier Messiaen und Pierre Boulez – Fakt: später wurde die Sonate – eventuell Werke ist. Naturlicḧ bringt die Zeit am gradski ragt aus dieser Reihe heraus. Aber anerkannt. Die Etüde auf dieser CD ist ei- von T. Schlötzer, der zweiten Ehefrau Ende alles an seinen Platz – nur dauert das auch hier besteht keine Konfrontation, son- nes der wenigen Werke des Komponisten Skrjabins – mit einem Programmtext ver- manchmal leider ziemlich lange... Oft dern vielmehr eine Art Nachwort, gleich- fur̈ „traditionell“ gestimmtes Klavier. Die sehen, den der Komponist autorisierte. musste ich denken: zur gleichen Zeit, in der sam als Ankündigung der nächsten Epoche: Etüde ist auch kein Fremdkörper in dieser I. Die freie, ungezähmte Seele stürzt sich diese Musik entstand, konnten diese Kom- Die alte Welt verblasst und wird zu einer Aufnahme, weil ihr Komponist fast der ein- mit Leidenschaft in Schmerz und Kampf. ponisten irgendwo in den Straßen von Reminiszenz, die sich in magischer, einem zige „Weiterentwickler“ des späten Stils II. [...] Der leichte Rhythmus, die duftenden Paris (wo sie oft auch waren) so unter- dunklen Kristall ähnlichen Struktur der Skrjabins war. Harmonien, sind nur ein Schleier, durch schiedlichen Menschen begegnen wie z.B. Etude sur le Carré Magique Sonore auflöst. welchen die unruhige Seele hindurchscheint. Vladimir Lenin oder Nikola Tesla... die Die Sonate von Alexander Skrjabin III. Die Seele treibt auf einem Meer von „Welt-Veränderer“ waren schon da – aber Der Pionier der mikrotonalen Musik, Ivan (1872–1915) Nr. 3 Op. 23 entstand – je- sanften Gefühlen und von Melancholie [...] keiner wusste es. Wyschnegradski (1893–1979) wurde in denfalls von außen „objektiv“ gesehen – in IV. Im Aufruhr der entfesselten Elemente St. Petersburg in einer sehr angesehenen einer glücklichen Zeit seines Lebens kämpft die Seele[...]. Aus den Tiefen des Trotzdem war die Idee zu dieser CD nicht Familie geboren. Sein Großvater war ein (1897/98). Er wurde endlich völlig aner- Seins erhebt sich die ungeheure Stimme die Ansammlung von Raritäten russischer bekannter Mathematiker und eine Zeitlang kannt als Komponist und Klaviervirtuose, des Gott-Menschen, dessen Siegesgesang Klaviermusik, sondern die Abbildung eines sogar Finanzminister des Landes. Der jun- heiratete die Pianistin Vera Isakowitsch, triumphierend widerhallt! [...].

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Am Ende seines Lebens wurde Skrjabin für uber̈ den Tod seines Vaters in Moskau liche, höchst romantische, aber wunderbar stützung des großen Bewunderers seiner seine Musik, aber auch wegen seiner erreichte, lebte er in Baden-Baden und klar konstruierte Musik – mit betörend Musik, Sergej Rachmaninov (!), veröffent- mystischen Ideen, von vielen Anhängern in nahm Violinunterricht bei Karl Flesch. reinen Gefühlen und reiner Gedankenwelt. lichte Medtner das Buch „Muse und der Moskauer Musikwelt tatsächlich fast In manchen Aspekten ist es der Gegenpol Mode“, in welchem er sein künstlerisches vergöttert. Magisch wirkt jetzt der Gedan- Peter Catoire konzertierte als Violinist und der Sinnlichkeit und fast „Göttlicher Über- Credo in Worte fasste. „Ich wiederhole, ke, dass seine Erfindung – Musik mit Licht- wirkte in verschiedenen Orchestern mit, heblichkeit“ im Vergleich zur Musik was ich Ihnen schon in Russland sagte: farben-Partitur, Verbindung der Musik mit u.a. bei den Bayreuther – Festspielen. Für Skrjabins. Meiner Meinung nach sind Sie der aller- Farbe und Licht, – durch das ganze letzte einige Jahre zog er in die Türkei und spiel- größte Komponist der Gegenwart“ – so Jahrhundert bis in die heutige Zeit weiter te dort in einem Orchester, kehrte aber Die Sonate, mit verträumter Einführung und Sergei Rachmaninov an Nikolaj Medtner. lebt und wirkt – in Inszenierungen von nach zurück. Er hinterließ zahlreiche deklamatorisch gestaltendem Hauptthema, Opern, Kinofilmen, Rock-Konzerten, Disko- Kompositionen, überwiegend fur̈ Violine entfaltet sich gemächlich hin zu drama- Noch ein Komponist dieses Albums, theken... und für Klavier. Die „Méditation“ aus dem tischen Höhepunkten, einer alten Sage Georges Catoire (1861–1926), gehört zu Jahr 1943 ist eine Miniatur, eine zärtlich- gleichend. Sie geht vorwärts durch eine den „Russischen Westeuropäern“ – ein Peter Catoire (1895–1979), mit dessen verträumte, wunderschöne Erzählung, die polyphone und harmonisch komplexe Phänomen, das an sich schon ein beson- „Méditation“ das Album beginnt, befand offen und frei, fast wie eine Improvisation, Landschaft, baut langatmige Kulminationen deres, spannendes Thema ist. So viele sich schon als Junge mitten im Moskauer klingt. auf, und dann, nach dem Erreichen eines Bürger Russlands verließen ihr Land – nach Musikleben und war auf musikalische Höhepunkts, lässt sie unerwartet eine tänz- 1917, oder in den neunziger Jahren des Weise mit zwei weiteren Komponisten die- Das zweitgrößte Werk dieser Aufnahme, erische Geste erscheinen, die schnell 20. Jahrhunderts, aus politischen, ökono- ses Albums verwandt. Er nahm Violinunter- die „Sonata Reminiscenza“ aus dem Zyklus verfliegt und märchenhaft wirkt. Diese mischen und anderen Gründen. Aber es richt bei Alexander Medtner, dem Bruder „Vergessene Weisen“ von Nikolaj Medtner Mischung aus Passion, Märchen und Tanz gab auch andere Zeiten, in denen umge- des Komponisten Nikolaj Medtner. Sein (1880–1951), gab dem Album den ist einer der charakteristischen Züge der kehrt Westeuropäer ein besseres Schicksal Vater, der Komponist Georges Catoire, Namen. Fur̈ mich ist es ein sehr symbo- Musik Medtners. im Russischen Reich suchten. Sie integrier- gab dem Sohn des Komponisten Alexan- lisches Werk, eine Erinnerung, unter an- ten sich in die Gesellschaft und bereicher- der Skrjabin, Julian, Kompositionsunter- derem an ein Land, das nicht mehr existiert, Nach der Revolution ging Medtner – ein ten das Kulturleben Russlands enorm. richt. In den zwanziger Jahren verließ Peter mehr noch – an ein ideales Bild dieses Lan- russischer Deutscher, genialer Komponist, Bewundernswerterweise bewahrten sie Catoire Russland und ließ sich in Deutsch- des, das in solch vollkommen schöner Form Pianist und Musikdenker – nach Berlin, spä- dabei ihre Sprache und Kultur. Es gab land nieder. 1926, als ihn die Nachricht eigentlich nie existierte. Es ist leidenschaft- ter nach London. 1935, dank der Unter- deutsche und französische Schulen, evan-

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gelische und katholische Gemeinden mit Die „Six Morceaux Op. 6“ gehören an Besonders die Nr. 4 – „Kontraste“ in op.6 Im Jahre 1922 versuchte Catoire auszu- ihren Kirchen und Friedhöfen. Dieser das Ende seiner ersten Schaffensperiode. zeichnet sich durch emotionale Spannung, wandern und ging nach Paris. Doch er leb- Hintergrund vermischte sich oft auf eine Man hört hier noch den Einfluss Tschai- dunkle Farben, erlesene Harmonie und te sich dort nicht richtig ein und kehrte fruchtbare Art mit dem russischen Umfeld. kowskis, aber trotzdem verkörpert Op. 6 agogische Freiheit aus. Beeindruckend ist nach Moskau zurück – in der Hoffnung, es So ist die „Russische Note“ im Schaffen schon deutlich die charakteristischen Züge, auch in diesem Fruhwerk̈ Catoires, wie mu- gäbe dort trotz aller Ereignisse mehr Medtners und Catoires nicht zu überhören. die Catoires Musik fern von den zeitge- tig er – selbst ein wunderbarer Pianist – Möglichkeiten fur̈ ihn, aktiv in der Musik- Fur̈ beide – in Moskau geboren – war nössischen Strömungen halten und die mit weit voneinander entfernt liegenden Re- szene zu agieren. Nach der Rückkehr half Russisch genauso Muttersprache wie seine Persönlichkeit zu einer besonderen gistern des Flugels̈ arbeitet: die Kontraste. ihm ein Freund und Kollege, der Pianist Deutsch oder Französisch. Erscheinung in der Geschichte der rus- Alexander Goldenweiser, damals Direktor sischen Musik machen. Da ist beispiels- Gegen 1917 begann Catoire Musiktheorie des Konservatoriums, wieder seinen Profes- Catoires Vorfahren verließen Frankreich weise die Symbiose verschiedener musika- und Komposition am Moskauer Konserva- sorenposten anzunehmen. Aus den Erin- nach der Revolution. Zur Mitte des 19. lischer Traditionen, der russischen (seine torium zu lehren. Er erlebte die russische nerungen von Catoires Studenten sieht Jahrhunderts gehörten sie zur unterneh- Heimat), der französischen (Herkunft seiner Revolution und den Burgerkrieg,̈ den Tod man, wie engagiert und herzlich Catoire merischen Elite Moskaus. Als erster Musiker Vorfahren) sowie der deutschen (Studium der geliebten Frau und den Abschied von seine Klasse betreute. in seiner Familie studierte Catoire zuerst in Berlin, profunde Kenntnis der Musik seinem Sohn, der Russland fur̈ immer ver- Mathematik an der Moskauer Universität. Wagners). Catoire ist ein übernationaler ließ. In diesen Jahren verbrachte Catoire ei- „Ich kannte Catoire schon seit meinem Nach dem Abschluss begann er, im Unter- und eigentlich vorbildlicher Europäer, und nen Monat im Gefangnis,̈ der beruchtigten̈ zwölften Lebensjahr.... Er war damals noch nehmen seines Vaters zu arbeiten. Durch mit ihm auch sein Stil. Weitere Merkmale „Lubjanka“, aber zum Gluck̈ ohne größere ganz jung, aber genauso jung geblieben Zufall lernte Peter Tschaikowski eine seiner seiner Kompositionen sind die höchste In- Folgen: Seine Festnahme wurde relativ erschien er mir auch im Laufe seines ge- Kompositionen kennen. „Große schöpfer- tensität der Emotion, die edle Schönheit der schnell als Justizirrtum eingestuft. Spater̈ samten Lebens. Er hatte nie das, was ische Begabung“ – urteilte er uber̈ den musikalischen Gedanken, poetische Grazie schilderte er diese Episode mit gewisser jemanden charakteristischerweise alt er- 24-Jährigen und überzeugte Catoire, sich und die Abwesenheit jeglicher Art von Ironie etwa so: Ein Abenteuer, denn diese scheinen lässt, etwa jenes gewisse Etwas ganz der Musik zu widmen. Bald darauf Banalität. Man spürt, dass diese Musik im Tage wurden von spannenden Diskussio- von Ehrwürdigkeit und Respektabilität, die studierte Catoire Komposition in Berlin und „Fin du Siècle“ geschrieben wurde, mit nen in der Gesellschaft von verschiedenen erkennbare Selbstzufriedenheit über das Er- anschließend für kurze Zeit in St. Peters- ihrem Glanz und ihrer Noblesse, aber Kunstlern,̈ Wissenschaftlern, Ingenieuren reichte. Im Gegenteil, er war ein seltener burg. auch mit ihrer Fragilität, die so oft aus der und ähnlichen Feinden des Proletariats Mensch und Künstler, ein wirklicher Künst- Erlesenheit resultiert. gepragt.̈ ler, einer von der Art, von der es nur ganz

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wenige gibt...“ – so Nikolai Medtner uber̈ schen symphonischen Konzerten und war seinen Briefen, um diesen Idealisten besser den Geschwistern keine Nachteile zu be- G. Catoire in einem Brief an den gemein- Vater zweier Kinder. In der Literatur über zu verstehen: „Ganzer Sinn ist in der reiten. Es gelang ihm, sein Musikstudium samen Freund und Komponist Alexander den Komponisten findet man seltsamer- Kunst, allerwichtigstes ist der Sieg des an der freien Schule der Philharmonischen Goedicke, 1926. weise immer noch zwar amüsante, aber „Geistes“ über den „Bauch“ und die Aner- Gesellschaft abzuschließen. Als Student leider weit von der Wirklichkeit entfernte kennung der Schönheit als einzige Zarin arbeitete er als Notenkopist und spielte in Der Komponist, der dem jungen Catoire in Hinweise, dass Ljadow „wenig gearbeitet“ der Welt“. Und noch etwas ganz persön- diversen Orchestern. Dank der Empfehlung St. Petersburg Kompositionsunterricht gab, hat und ein „Faulenzer“ war. liches, rührendes: „ich habe mal gedacht – Tschaikowskis bekam er den Dirigenten- war Anatoly Ljadow (1855-1914). In einer was ist, wenn alle, die ich liebe, oder die posten am Kleinen Theater in Moskau. Musikerfamilie geboren (sein Großvater In Wahrheit lehnte er die finanzielle Hilfe mich lieben, nicht mehr sind? Dann, wofur̈ und sein Vater waren beide Dirigenten), seiner Freunde oder von Mäzenen, wie denn sollte ich noch komponieren?“ Seine erste Symphonie hatte großen Erfolg. studierte er am Petersburger Konservato- z.B. von Belajev, ab, und lebte vom Unter- Seine zwei Miniaturen die ich hier aufge- Er komponierte weiter viel und seine Musik, rium. Die Mutter Ljadows starb, als er noch richt und den Konzerten. Mehr noch, in nommen habe, strahlen auch diese unend- mit ihrer tiefen Ehrlichkeit, wurde gleicher- ein kleines Kind war, sein Vater war allein- einem Brief an seinen Verleger Belajev liche menschliche Wärme aus. Das zauber- maßen von Musikern und dem Publikum erziehend. Sein Studium am Konservato- schreibt er: „Lieber Freund, bitte schaffe es hafte Thema des Prélude h-moll nimmt geliebt. Aber die Zeit der Armut und Über- rium wurde einmal „wegen Disziplinlosig- doch endlich, mit mir nicht uber̈ das Geld einen wie an der Hand zärtlich mit, und es forderung hatte ihre Spuren hinerlassen: keit“ unterbrochen. Doch später erhielt zu reden, denn fur̈ mich ist es eine Qual. führt in seine Welt. Man kann dieser liebe- sechs Jahre lang kämpfte der Komponist Ljadow nicht nur das Diplom dieser ange- Bitte zahle mir fur̈ meine Werke so viel, wie vollen weichen Kraft nicht widerstehen. mit Tuberkulose. „Verdammtes Geld ist an sehenen Institution mit Auszeichnung, son- Du möchtest, ich bin mit allem einverstan- allem schuld! Wegen der unmöglichen Le- dern er unterrichtete auch dort, leitete den. Nur bitte zahle mir nicht mehr, als Wassily Kalinnikov (1866–1900) studierte bensumstände, in denen ich studierte und Konzerte der Petersburger Amateurge- den anderen“. Man kann es heute als un- zunächst Theologie in seiner Heimatregion, arbeitete, habe ich diese Krankheit bekom- sellschaft, wurde Lektor des neu gegrün- praktische Sturheit ansehen, aber so war in der Stadt Orjel. Bald ging er nach men“, schrieb er in einem Brief. Kalinnikov deten progressiven Musikverlages von M. sein Charakter. Auch seine eigenen Worte Moskau, um Musik zu studieren, musste starb mit 44 Jahren, zu der Zeit, als er ge- Belajev, unterrichtete an der Petersburger sagen viel über Ljadov aus: „ich möchte aber das Studium am dortigen Konservato- rade auf dem Weg zu Annerkennung und Hofkapelle, dirigierte die von Anton Rubin- nur so komponieren, dass jeder Takt er- rium aus finanziellen Gründen abbrechen. Erfolg war. stein gegründeten Konzerte der sympho- freut“. Daher arbeitete Ljadow an jedem Die Familie war arm, und Kalinnikov be- nischen Gesellschaft, leitete Konzerte der Stuck̈ präzise und so lange, wie er es für stand als eines von vielen Kindern darauf, Die „Elegie“ auf dieser CD war in jener freien Musikschule, dirigierte bei den Russi- nötig hielt. Hier noch einige Worte aus dass er sein Studium selbst finanziert, um Zeit ein beliebtes Stück im Repertoire für

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Hausmusik in Russland. Später, in der Seine Tante war eine Hofdame bei der Der zukünftige Komponist hatte die Auf- bringen sie zu ihr, über eine hohe schöne sowjetischen Zeit, war dieses „Salon- letzten Zarin und spielte die Elegie noch als nahmeprüfung am Moskauer Konserva- Treppe. Am Ende sieht man wieder die Genre“ logischerweise weniger begehrt, schöne junge Frau in Petersburger Salons. torium nicht bestanden. Seine Werke Straße, auf der das Mädchen stand, – jetzt (mit Ausnahme der „Jahreszeiten“ von Dann vergingen die Jahre, die Welt und waren „zu dissonant“ und modern, und ein liegt sie tot da, es gibt kein Licht mehr im Tschaikowski, die doch ebenfalls als „Haus- die Gesellschaft veränderten sich, zwei Professor der Prüfungskommission meinte Haus. Und das Orchester spielt wieder den musik“ komponiert wurden). Die Elegie Kriege brachen aus und gingen vorbei – sogar, dass der junge Mann kein Gehör Walzer, den sie davor durch das Fenster Kalinnikovs wurde selten gespielt, und und sie spielte nicht mehr Klavier ... Nur habe... Man kann es schwer nachvoll- hörte. wenn, dann befand sie sich eher im einmal noch, als alte Dame, setzte sie sich ziehen, wenn man den Walzer aus der Studienrepertoire. wieder ans Klavier und mit ihren alten, Kammeroper „Tannenbaum“ hört – dieses Als Idee der Oper dienten zwei Erzählun- steifen Fingern spielte sie langsam diese Stück ist sehr harmonisch. gen von und Für mich persönlich war die erste „be- wunderschöne Melodie. Der Duft der alten Fjedor Dostojewski. Man mag sich fragen, wusste“ Begegnung mit diesem Stück etwas Zeit und die Poesie waren im Zimmer, und Der „Tannenbaum“ von Rebikov ist fast wie diese so verschiedenen Autoren zu sehr Besonderes und erfolgte relativ spät. mein Lehrer, damals ein kleines Kind, saß eine Mono-Oper und hat eine moderne „verbinden“ sind. Aber Ungerechtigkeit, Mein Lehrer aus Moskau, der wunderbare unter dem Flügel und wollte nur, dass sie Struktur: Nur das Mädchen und die Stimme Unglück eines unschuldigen Kindes – das Pianist Vladimir Tropp, kam fur̈ einen weiterspielt – und dass er Musiker wird. ihrer verstorbenen Mutter haben bedeuten- hat beide Schriftsteller beschäftigt, beide Meisterkurs nach Karlsruhe und gab einen de Rollen. Der musikalische Stoff ist nicht haben daruber̈ geschrieben – und einmal Klavierabend mit dem Titel: „Die Welt des In der Tat, diese Melodie mit ihrer zarten, me- als Reihe von abgeschlossenen Nummern mit sehr ähnlichem Sujet. Dieses Thema Hausmusizierens in Russland“. Er moderier- lancholischen Ausstrahlung geht einem sofort organisiert, sondern fließt ununterbrochen war auch fur̈ Rebikov kein fremdes Thema: te das Konzert und ich war die Dolmet- ins Herz, man kann und will sie nicht vergessen. weiter, so dass die Oper einem vokal- Er und seine Frau haben ein Mädchen scherin. Er fing mit der „Elegie“ an, und symphonischen Poem gleicht. Es ist die adoptiert. Später wurde die Tochter spielte sie derart bezaubernd, dass ich sie „Es gab eine Zeit, in der alles anerkannt Geschichte eines armen Mädchens, das Rebikovs Star der neuen Kunst – Kinema- unbedingt lernen wollte. Dazu aber erzähl- war, was grandios ist. Aber irgendwann von außen den Tannenbaum in einem tografie; u.a. spielte sie mit Vladimir te er auch, wie er selbst zu dem Stück kam. nahm der Mensch die Mikroskope in die reichen Haus sieht. Sie hört, wie dort ein Majakowski in seinem Film „Vom Film Diese poetische Geschichte möchte ich hier Hand, und entdeckte eine neue Welt, Walzer gespielt wird, und weiß, dass sie gefesselt“... wiedergeben, wie ich sie in Erinnerung welche nicht weniger interessant war als nie hineinkommen kann. Sie träumt von behielt. die, die man mit dem Teleskop sah“ – so einem Fest, bei dem sie glücklich ist, sie Das Sujet der Oper „Tannenbaum“ könnte Vladimir Rebikov (1866 –1920). hört die Stimme ihrer Mutter, und Engel überall in der Welt geschehen, und des-

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wegen schrieb Rebikov in der Einleitung für Analyse der Musik niederschreiben, die ich Ich danke allen Kollegen, die mit mir an Swjatoslaw Richter sowie Emil Gilels ge- den Regisseur Folgendes: die Vorstellung spiele, denn gerade in unserer Zeit kann diesem Album mitgearbeitet haben, – und prägten Russischen Klavierschule in Verbin- findet in der Gegenwart statt, in jeder man alle Informationen so leicht mit einem hier im Impressum genannt sind. Mein dung bringen kann“ – so der Bayrische Stadt, in der die Oper aufgeführt wird. Klick in Internet finden. besonderer Dank gilt dem Autor, Kompo- Rundfunk über das Klavierspiel von Anna nisten und Visualkünstler Adam Donen, der Zassimova. Die Oper hatte Erfolg und wurde mehrere Und so entstand dieser Text, der vielleicht mir bei der Organisation dieser Aufnahme Male gespielt, in Russland und in West- in vielen Aspekten anders (vielleicht besser, half, seine Künstlerkollegen Robert Harder Sie gab Solo- und Kammermusikabende europa. Aber nach dem Ersten Weltkrieg logischer, vollendeter …) sein könnte. Aber und Magnus Arrevad fur̈ die Arbeit auf internationalen Festivals, wie dem geriet sie fur̈ lange Zeit in Vergessenheit. dennoch kann ich mit Überzeugung sagen: an dieser CD zu gewinnen. Und ich Klavierfestival Ruhr, dem Heidelberger Nur der Walzer, die einzige Nummer, die in diesem Text sind die Fakten und Schick- danke ganz herzlich Tatjana und Horst Frühling, Piano á Saint-Ursanne und dem man der Oper als separates Stück leicht sale, meine eigenen Empfindungen und Schmidmer, und Christian Mueller/ Herzogenberg-Festival in der Schweiz, entnehmen konnte, lebte weiter. Die Notiz Gedanken zu der Musik und zu den Consulting4IT GmbH, für die Unterstützung Pasqua Musicale Arcense in Arco, Italien, von Rebikov zur Aufführung der Oper: „Ich Persönlichkeiten der Komponisten, die mich bei dieser CD. Festival du Chablisien in Frankreich, dem möchte, dass der Walzer auf einem Flügel, bewegt haben, ganz offen niedergeschrie- Anna Zassimova Bloomsbury Festival in London, dem und nicht auf dem Klavier, gespielt wird, ben. Heidelberger Frühling, und dem Chopin- und von einem guten Pianisten“. Anna Zassimova Festival in der tschechischen Stadt Mariánské Und ich wünsche mir, dass dieses „Rus- Lázne. Sie spielte außerdem Uraufführun- Zum Schluss: sische Atlantis“, das in den großen Um- „Spielkultur, wo sich stupende Virtuosität gen bei den Festivals für zeitgenössische Wenn man acht Komponisten in einem wälzungen und Entdeckungen versunken und höchst sensible Anschlagskultur aufs Musik, wie dem Musica Viva München und Album vereinigt, ist es schwer zu entschei- war, in dem Moment, in dem diese Auf- beste vereinen. (...) Selten habe ich eine dem ECLAT Stuttgart. Konzertreisen führten den, welche biographischen Aspekte man nahme erklingt, wieder in unsere Welt fin- vielseitigere Künstlerin kennengelernt.“ die gebürtige Moskauerin durch Russland, bespricht, ob es nach dem Bekanntheits- det. Dass diese wunderschöne Musik und Wolfgang Rihm USA und China. grad erfolgen sollte, ob jede Biographie die Menschen, die sie schrieben, bewun- ähnlich strukturiert sein sollte, und wie viel dert werden – und unsere Liebe und Dank- „Ihr Spiel vereint glänzende Technik und Die Wiederentdeckung des russisch-fran- uber̈ das jeweilige Stück auf der CD zu barkeit erwecken. beseelte Musikalität – pianistische Quali- zösischen Komponisten Georges Catoire sagen ist. Ich wollte keinen allzu wissen- täten, die man mit der von Heinrich setzt man eindeutig in Verbindung mit schaftlichen Text schreiben oder gar eine Neuhaus und seinen Meisterschülern ihrem Namen. Mit dem Buch über Catoires

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Leben und Werk (Verlag Ernst Kuhn, Berlin 2011) sowie mit ihren Aufnahmen (cpo, Antes) eröffnete sie einen völlig neuen Blick auf diesen Wegbereiter der russischen Moderne. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer bereits beachtlichen Diskografie ist Klavier- und Kammermusik des 19. Jahrhunderts. “As good a performance as you could wish: Bold and romantic, but also clear and precise” –Classical CD reviews, UK; „entrückender Zauber; alles Ebenmaß und nichts Überschwang “ – Piano News; „One of the greatest Chopin pianists we had ever heard“ – Fachmagazin Fanfare, USA; “Überaus erlesen” – Frank- furter Allgemeine Zeitung.

Anna Zassimova studierte Klavier bei Vladimir Tropp (Musikakademie Gnessin, Moskau) und bei Michael Uhde und Markus Stange (Musikhochschule Karls- ruhe). Die vielseitige Künstlerin ist auch promovierte Musikwissenschaftlerin und studierte Kunsthistorikerin. Sie lehrt an der Musikhochschule in Karlsruhe und lebt in Baden-Baden. www.annazassimova.com

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ENGLISH The idea of this CD arose many years ago, differences, are connected by their musical as the use of micro-intervals and ultra- ground of his compositional development: at the time I released my second solo soul. They are derived from the late-Roman- chromatic systems) were highly modern at free and new but still tonal and in traditio- album Vergessene Weisen (forgotten melo- tic tradition, or to be more precise, the the time and only towards the end of his nal sonata form. Interestingly, the sonata dies) – Russian music at the turn of the 20th fin-de-siècle style, which is characterised by life were they recognised, mainly by much was later given some programme notes, century. What keeps amazing me is the extreme intensity and exquisite beauty. younger composers including Olivier which were possibly written by Tatyana number of gems that are still to be discove- Wyschnegradsky’s Etude is the only piece Messiaen and Pierre Boulez. The Etude on Schloezer, Skryabin’s second wife, and red in the piano repertoire of this period here that does not fit into this category. The this CD is one of the few works written by authorised by the composer. I. The free, and the high quality of these rarely perfor- result, though, is not a clash of styles but this composer for a traditionally tuned untamed soul passionately plunges into med works. Of course, time eventually puts rather a kind of epilogue anticipating the piano. This piece is not out of place on this pain and battle. II. […] The light rhythm, everything in its place, though sometimes next musical era. The old world fades into recording because its composer is virtually the flavoursome harmonies are just a veil this process is rather slow. A thought that a distant recollection preserved in the the only one who developed Skryabin’s through which the troubled soul shines. III. has often occurred to me is that, at the time magic, dark crystalline structure of Etude late style. The soul floats on a sea of gentle feelings when this music was being written, these sur le Carré Magique Sonore (study on the and melancholy […] IV. The soul struggles Russian composers may well have bumped magic sound square). Alexander Skryabin (1872–1915) wrote in the uproar of unfettered elements […]. into people like Vladimir Lenin or Nikola his Sonata no. 3 op. 23 at a time of his life From the depths of the being there emerges Tesla on the streets of Paris (where the com- The pioneer of microtonal music, that would objectively appear to be happy the immense voice of creative man, whose posers spent much of their time), and Ivan Wyschnegradsky (1893–1979), was (1897/98). He had finally gained full song of victory triumphantly resounds! […]. nobody then knew the impact such people born into a highly respected family in recognition as a composer and piano On account of his music and also his were to have on world history. St Petersburg. His grandfather was a well- virtuoso, married the pianist Vera Isako- mystical ideas, Skryabin was idolised by known mathematician and, for a while, vich, soon became a father and, that same many of his enthusiasts on the That said, this CD was not intended as a served as finance minister of the Russian year, was appointed a professor at the music scene towards the end of his life. It compilation of rare Russian piano works Empire. The young Wyschnegradsky initial- . now seems quite magical that his concept but as a lively musical extract from this ly studied law but at just 17 years of age of associating music with colour and light exciting period in which Europe underwent entered the conservatory in St Petersburg. The powerful and highly dramatic sub- continued to be adopted throughout the rapid and dramatic change. At the same Aged 27, after the Russian Revolution, he stance of the sonata is in fact imbued 20th century and is still applied today in time, the works presented here all exude a left the country and moved to Paris, where with many moments of radiant happiness. operatic productions, rock conserts, discos common sentiment and, despite all their he spent the rest of his life. His ideas (such Stylistically, the sonata occupies the middle and Hollywood films.

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Peter Catoire (1895–1979), whose Medi- Sonata Reminiscenza from the cycle Medtner, who was a Russian of German sia. In doing so, they admirably succeeded tation opens the album, first gained pro- “Forgotten Melodies” by Nikolay Medtner ethnicity, an ingenious composer, pianist in preserving their native languages and minence in the musical life of Moscow as a (1880–1951), is what inspired the title of and musical theorist, went to Berlin after culture. There were German and French young boy and had musical ties with two this album. I find the work very symbolic as the revolution and later to London. Sergei schools, and Protestant and Catholic com- other composers on this album. He took it recalls bygone days of my Motherland Rakhmaninov, a great admirer of Medt- munities with their churches and cemete- violin tuition from the brother of the com- and moreover presents an idealised picture ner’s music, aided the latter in publishing ries. This western European background poser Nikolay Medtner, Alexander, while of this country, which never actually existed “The Muse and Fashion” in 1935, a book often blended with Russian influences to his father, the composer Georgy Catoire, in such a sublimely beautiful form. The in which Medtner documents his artistic produc-tive effect. And so the Russian tutored Alexander Skryabin’s son, Julian, in music is passionate, highly romantic and outlook. “To reiterate what I told you in character pervading the works of Medtner composition. Peter Catoire left during beautifully clear in its conception, with Russia: you are in my opinion the greatest and Catoire can clearly be heard. Both the 1920s and settled in Germany. By bewitchingly pure emotion and ideas. In of all present-day composers,” are the composers, who were born in Moscow, 1926, when he received news of his father’s some respects, this piece creates a words of Sergei Rakhmaninov to Nikolay spoke Russian as fluently as they did death in Moscow, he was living in Baden- sentimental and almost “divinely elevated” Medtner. German and French respectively. Baden and taking violin tuition from Carl Flesch. antithesis to the music of Skryabin. Georgy Catoire (1861–1926) is one other Georgy Catoire was the first significant mu- Peter Catoire performed as a violinist and The Sonata, which has a dreamy introduc- composer on this album who belongs to sician in his family. His family had left Fran- played in various orchestras at such venues tion and declamatory main theme, slowly the “Russian West-European” camp, a ce in the early 19th century to escape the as the Wagner Festival in Bayreuth. He unfolds to present a series of dramatic phenomenon that is a special and exciting consequences of the French Revolution and went to Turkey for several years and escalations, like an ancient myth. Its topic in itself: many Russians left their enjoyed commercial prosperity in worked in an orchestra there before retur- progression runs through a polyphonic and country after 1917, and throughout the rest Moscow. He studied mathematics at ning to Berlin. He wrote numerous compo- harmonically complex landscape with of the 20th century, for political, economic Moscow University and, following his sitions, mostly for violin and piano. Médita- long-drawn-out build-ups and then, after and other reasons. Conversely, however, graduation, started to work in his father’s tion (1943) is a miniature – a tenderly reaching a peak, it unexpectedly presents there had been times when migrants from business. dreamy, beautiful narration that sounds a dance-like pattern that quickly vanishes to the west of Europe tended to fare better in happened to discover one of his compo- open and free, almost improvisatory. magical effect. This blend of passion, fairy- the than in their home- sitions. He commended the 24-year-old for tale and dance is one of the hallmarks of lands. They integrated into Russian society his “great creative talent” and persuaded The second-longest work on this release, Medtner’s music. and vastly enriched the arts scene in Rus- Catoire to devote himself fully to music. A

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short time later, Catoire studied com- Notably, “Contrasts”, the fourth piece of In 1922, Catoire went to Paris in search of The composer who taught composition to position in Berlin and then briefly in op. 6, is characterised by emotional a new life. However, he did not truly settle the young Catoire in St Petersburg was St Petersburg. tension, dark colours, intricate harmonies there and returned to Moscow in the hope (1855 –1914). Born into and agogic freedom. What is also impres- that, despite all that had happened, there a family of musicians (his grandfather and Six Morceaux op. 6 mark the end of his sive in this early work by Catoire, who was would be more opportunities for him to his father were both conductors), he stu- first compositional phase. Echoes of Tchai- himself a brilliant pianist, is his bold use play an active part on the music scene. died at the conservatory in St Petersburg. kovsky can still be heard; nonetheless, op. of far-removed registers on the piano to After he returned, he resumed his post as Lyadov’s father raised him as a single 6 clearly embodies the characteristic featu- create contrasts. professor with the help of the pianist parent after his mother died during his res that set Catoire’s music apart from con- Alexander Goldenweiser, a friend and early childhood. Lyadov once had to temporary initiatives and make him a signi- In around 1917, Catoire began teaching colleague who at the time was director of discontinue his studies at the conservatory ficant figure in the history of Russian music. music theory and composition at the the conservatory. The memoirs of Catoire’s “due to a lack of discipline”. Lyadov later He unites a variety of musical traditions: Moscow Conservatory. students document how committed and attained a diploma with distinction from Russian, French (inherited from his ances- conscientious Catoire was as a teacher. this renowned institution and also taught tors) and German (he studied in Berlin He experienced the Russian Revolution and there. At the same time, he conducted and acquired an extensive knowledge of Civil War, endured the death of his “I had known Catoire since I was eleven concerts given by the St Petersburg ama- Wagner’s music). Catoire’s style is thus beloved wife and bid farewell to his son, years of age.... He was very young back teur society, became editor of Mitrofan transnational and typically European. who left Russia for ever. It was during this then, but to me he seemed to stay just as Belyayev’s newly founded progressive Further hallmarks of his compositions are period that Catoire spent a month in the young throughout his life. He never exhi- music publishing house, taught at the St extreme intensity of emotion, elegant notorious Lubyanka prison, but fortunately bited any of the features that typically Petersburg court music establishment, con- beauty of musical ideas, poetic grace- without any further consequences: before make one look old, such as an air of ve- ducted the Symphonic Society’s concerts fulness and the absence of any kind of too long, his detention was found to be a nerability or respectability or overt satisfac- initiated by Anton Rubinstein, conducted banality. This music sounds typical of the “judicial error”. With a touch of irony, he tion with what one has achieved. On the concerts of the independent music school, fin-de-siècle period, imbued with splendour later described this ordeal as an ex- contrary, he was an unusual person and directed the Russian Concerts and refinement but also with the fragility perience typical of a time when society artist, a true artist, one of a very rare and was father to two children. It is curious that so often results from delicacy. was gripped by riveting discussions about kind...,” wrote Nikolay Medtner of Georgy that the literature on this composer re- “various artists, academics, engineers and Catoire in a letter to a mutual friend, the peatedly refers to Lyadov as a “lazybones” similar enemies of the proletariat”. composer Alexander Goedicke in 1926. and “workshy”, descriptions that, although

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amusing, are far removed from the truth. yone I love and everyone who loves me His first symphony was highly successful; late. My teacher from Moscow, the brilliant was no longer around. What reason he continued to write many works and his pianist Vladimir Tropp, came to Karlsruhe In fact, he declined financial support from would I then have to compose?” music, characterised by profound sincerity, for a master class and gave a piano recital his friends and patrons, including Belyayev, was loved by musicians and audiences in titled “The world of domestic music-making and lived off his income from tuition and The two miniatures recorded here radiate equal measure. However, all the years of in Russia”. He presented the concert; I inter- concerts. Moreover, he wrote in a letter to this endless human warmth. The enchan- poverty and excessive workload took their preted what he said into German. He his publisher Belyayev: “Dear Friend, ting theme of the Prelude in B minor gently toll of the composer, who battled tuber- started with the Elegy, and his performance please will you for once refrain from tal- takes the listener by the hand on an excur- culosis for six years: “Accursed money is to was so enchanting that I was determined to king to me about money, as the matter tor- sion into another world. Its delightfully soft blame for everything! I have contracted this learn the piece. He also explained how he ments me. Please pay as much as you like allure is irresistible. illness as a result of the awful conditions in himself came across the piece. I would like for my works; I agree to anything. Just which I was studying and working,” he to relay this poetic story as I remember it don’t pay me any more than the others”. Vasily Kalinnikov (1866 –1900) initially wrote in a letter. Kalinnikov died at 44 being told. Such insistent selflessness might to us now studied theology in Oryol, the city closest years of age, at a time when he was seem impractical, but such was his charac- to his birthplace. He soon went to Moscow heading towards recognition and success. His aunt was lady-in-waiting to the last ter. Lyadov’s own words are very revealing in order to study music there but had to Russian empress and, as a beautiful young too: “I would like to compose in a way that discontinue his studies at the conservatory The Elegy on this CD was at the time a lady, she used to play the Elegy in the makes every bar pleasing”. Lyadov therefo- for financial reasons. His family was poor, popular piece in Russian households. It salons of St Petersburg. Then the years re worked meticulously on every piece and and Kalinnikov, who was one of many stands to reason that later, in Soviet times, went by, the world and society changed, for as long as he considered necessary. children, insisted on funding his own this “salon genre” was less sought-after two wars passed, and she no longer The following citations from his letters give studies so as not to put his siblings at a (besides Tchaikovsky’s The Seasons, a set played the piano... On just one occasion, further insights into this idealist: “The full disadvantage. He succeeded in completing of pieces likewise composed for domestic as an old lady, she sat at the piano again meaning is found in art; what is most im- his music studies at the independent school use). The Elegy was rarely played, and and with her old, stiff fingers slowly played portant is the triumph of the ‘spirit’ over of the Philharmonic Society. As a student, when it was, it was treated mainly as a this beautiful melody. The aura of the old ‘gut instinct’ and the recognition of beauty he worked as a music copyist and played study piece. times and poetry filled the room, and my as the only tsarina in the world”. And now in various orchestras. He was appointed teacher, then a young child, sat under the something very personal and touching: director of the in Moscow on My first “deliberate” encounter with this piano and just wanted her to keep playing – “I once thought how it would be if ever- Tchaikovsky’s recommendation. piece was very special and came rather and he longed to be a musician one day.

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Indeed, this melody, with its tender, melan- mother. The musical content is not ordered drew on similar subject-matter. This topic To conclude: cholic radiance, goes right to the heart; it is in a series of self-contained numbers but in- was close to home for Rebikov: he and his When compiling eight composers in an unforgettable. stead flows continuously to give the opera wife adopted a girl. Rebikov’s daughter album, it is difficult to decide which bio- the semblance of a vocal symphonic poem. later became a star of a new form of art: graphical aspects should be discussed, “There was a time when all great things The story is that of a poor girl who, from cinematography; one of her appearances whether the weight given to each biogra- were duly acknowledged. At some point, the outside, sees the Christmas tree in a was with Vladimir Mayakovsky in his silent phy should depend on the composer’s however, humanity took the microscope rich house. She hears a waltz being film “Shackled by film”. prominence, whether each biography and found a whole new world that was no played and knows that she will never be should follow a similar structure and how less interesting than the one seen from the able to go in. She dreams of a party where The subject-matter of the opera The much should be said of each individual telescope,” according to Vladimir Rebikov she is happy, hears the voice of her Christmas Tree could relate to anywhere in piece on the CD. It was not my intention to (1866 –1920). mother, and angels bring the girl up a the world, so Rebikov left an opening note write an overly academic text or indeed an beautiful grand staircase to her mother. The instructing the director to set the opera in analysis of the music that I play. After all, The future composer failed his examination final scene once again shows the street on the time and place of its performance. such information can nowadays be found for entrance into the Moscow Conserva- which the girl was standing; now she lies so easily online at the click of a mouse. tory. His works were “too dissonant” and dead; the light no longer shines in the The opera was successful and was per- modern, and a professor on the exami- house. The orchestra once again plays the formed several times in Russia and western And so it is that this text might, in many nation committee even took the view that waltz she previously heard through the Europe. After the First World War, though, respects, have been written differently (that the young man had no ear for music. Such window. the opera was forgotten for a long time. All is to say, better, more logically, more comments are hard to understand when that survived was the waltz, the only piece thoroughly), but what I can say for sure is one listens to the waltz from his chamber This opera was inspired by two short that can easily be extracted from the opera that I have documented here the facts and opera The Christmas Tree, a most har- stories, one by Hans Christian Andersen as a self-contained piece. For the perfor- life stories, my feelings and thoughts on the monious piece. and the other by . One mance of the opera, Rebikov noted the fol- music and the personalities of the com- might wonder how such a link was made lowing: “I would like the waltz to be play- posers who have stirred me into action. Rebikov’s The Christmas Tree is virtually a between these two thoroughly different ed by a good pianist on a grand piano monodramatic opera with a modern struc- authors. Actually, they both took issue with and not on an upright piano”. I hope that the sound of this recording will ture: the only important roles are assumed the social injustice that leads to the misery bring this “Russian Atlantis”, which sank in by the girl and the voice of her deceased of an innocent child, and, in doing so, they the midst of great changes and discoveries,

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back to the surface of our world so that this Anna Zassimova music festivals, including at the Musica „One of the greatest Chopin pianists we beautiful music and the people who wrote “A playing style that unites stunning Viva festival in Munich and the ECLAT had ever heard“ it can be duly acknowledged through the virtuosity and a delicate touch in the best festival in Stuttgart. Zassimova, who hails Fanfare Magazine, USA love and gratitude of today’s listeners. possible way. […] Rarely have I met such from Moscow, has also given concert a versatile artist.” tours of Russia, the USA and China. “Quite exquisite” I would like to thank all those who have Wolfgang Rihm Frankfurter Allgemeine Zeitung. worked with me in recording this album Her name stands in close association with and are listed in the information below. My “Her playing blends sparkling technique the rediscovery of the Russo-French com- Anna Zassimova studied piano perfor- special thanks to the composer, author and and vibrant musicality – pianistic qualities poser Georges Catoire. With her book on mance under Vladimir Tropp (Gnessin visual artist Adam Donen, who helped me that one might associate with the Russian his life and works (Verlag Ernst Kuhn, Academy of Music, Moscow), and under by the organising this recording and piano school in the mould of Heinrich Berlin 2011), as well as her recordings of Michael Uhde and Markus Stange convincing his fellow artists Robert Harder Neuhaus and his pupils Sviatoslav Richter his compositions (cpo, Antes), she opened (University of Music Karlsruhe). A versatile and Magnus Arrevad to work on this CD. and Emil Gilels.” up entirely new perspectives on a com- artist, she also has a doctorate in musico- Bayrische Rundfunk poser whose work helped pave the way logy and a degree in art history. She Special thanks go to Tatjana and Horst on Anna Zassimova's piano playing for Russian modernism. Another key focus teaches at the University of Music in Schmidmer, and Christian Müller/Consul- in her already impressive discography is Karlsruhe and lives in Baden-Baden. ting4IT GmbH for supporting me in the Anna Zassimova has given solo and the piano and chamber music of the 19th making of this CD. chamber recitals at international festivals, century. www.annazassimova.com Anna Zassimova, such as the Klavierfestival Ruhr and the Translation: Fred Maltby Heidelberger Frühling in Germany, Piano “As good a performance as you could for JMB Translations, London á Saint-Ursanne and the Herzogenberg- wish: Bold and romantic, but also clear Festival in Switzerland, Pasqua Musicale and precise” Arcense in Arco, Italy, the Festival du Classical CD reviews, UK Chablisien in France, the Bloomsbury festival in London, and the Chopin Festival “Mesmerising enchantment; everything in in the Czech city of Mariánské Lázne. She proportion with not a hint of passionate has also premièred works at contemporary excess” Piano News

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Aufnahmen / Recording: No 1-13: Lisztzentrum Raiding, Österreich, 04.12.15 – 06.12.15 Recorded by: Robert Harder No 14: Hans-Rosbaud-Studio SWR Baden-Baden, 2009 Recordes by: Toomas Vana Editing & Mastering: Toomas Vana Piano: Steinway D Text / Programme Notes: Anna Zassimova Übersetzung / Translation: Janet & Michael Berridge, London Cover Photo: Magnus Arrevad Coverdesign: Sergey Lebedev/bigwings.ru Photo Booklet: Max Ott Layout: Birgit Fauseweh ൿ & Ꭿ 2018 by Profil Medien GmbH [email protected], www.haensslerprofil.de Manufactured in Austria CD HC18022

Support: Tatjana und Horst Schmidmer, Consulting4IT GmbH