Zwischen Stand und Geschlecht Frauen schaffen sich Freiräume mit einer geschichtsdidaktischen Aufarbeitung.

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra im Lehramtsstudium Geschichte & Deutsch

eingereicht bei Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Margret Friedrich Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie Philosophisch-Historische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Unter Mitwirkung von Mag. Mag. Dr. Claus Oberhauser

eingereicht von: Alena Judith Hackl Matrikelnummer 01316025

Imst, Juni 2018

Für meinen geliebten Opa Willi

Seite 2 Inhaltsverzeichnis

Teil I – Fachwissenschaftlicher Teil der Diplomarbeit ...... 8

1. Einleitung ...... 8

2. Elisabeth von Österreich ...... 11

2.1. Elisabeth – eine kurze Biographie ...... 11

2.2. Situation am Hof – Kritik – Widerstand ...... 14

2.2.1. Situation am Hof ...... 14

2.2.1.1. Höfische Etikette ...... 16

2.2.1.2. Repräsentation des Kaiserhauses – Erwartungen an Kaiserin Elisabeth ...... 17

2.2.1.3. Elisabeth und Franz Joseph ...... 18

2.2.1.4. Erziehung der nächsten Generation ...... 21

2.2.1.5. Elisabeth und ihre Schwiegermutter Erzherzogin Sophie ...... 22

2.2.2. Kritik ...... 25

2.2.2.1. Kritik am Hofleben ...... 25

2.2.2.2. Elisabeth – Gegnerin der Monarchie? ...... 28

2.2.3. Widerstand ...... 29

2.2.3.1. Rückzug – eine Flucht vor der Öffentlichkeit und dem Hofleben ...... 29

2.2.3.1.1. Introversion und ‚Kränkeleien‘? ...... 29 2.2.3.1.2. Erholungsreise nach Madeira ...... 31 2.2.3.1.3. Erholungsreise nach Korfu ...... 33 2.2.3.2. Verweigerung ...... 35

2.2.3.2.1. Missachtung der Verpflichtungen ...... 35 2.2.3.2.2. Verweigerung bei Queen Victoria ...... 36 2.2.3.3. Elisabeths Machtkampf um die Entscheidungsfreiheit für ihre Kinder ...... 37

2.2.3.3.1. Das Ultimatum – die Erziehung von Kronprinz Rudolf ...... 38 2.2.3.3.2. Verheiratung von Elisabeths Kindern...... 40 2.3. Politische Einflussnahme Elisabeths ...... 42

2.3.1. Elisabeths Handeln gegen das Konkordat ...... 42

2.3.2. Politisches Desaster – Elisabeths Einsatz gegen Antisemitismus? ...... 43

2.3.3. Irlandreisen und politische Probleme ...... 44

2.3.4. Präsenzstärkung des Kaisers ...... 46

2.3.4.1. Beginn der Repräsentationsverpflichtungen...... 46

Seite 3 2.3.4.2. Verpflichtende Reisen nach Italien und Ungarn ...... 48

2.3.4.2.1. Reise nach Italien ...... 48 2.3.4.2.2. Reise nach Ungarn ...... 51 2.3.4.3. Krieg gegen Preußen und Elisabeths Einsatz ...... 52

2.3.5. Die Kaiserin und ihr Wirken im österreichisch-ungarischen Ausgleich ...... 54

2.3.5.1. Elisabeth und ihre Beziehung zu Ungarn ...... 54

2.3.5.2. Elisabeths politisches Engagement für Ungarn ...... 55

2.3.5.3. Elisabeths Einsatz für den österreichisch-ungarischen Ausgleich ...... 57

2.4. Elisabeths Verhältnis zur Frauenbewegung ...... 61

2.4.1. Handeln im Sinne der Wohltätigkeit ...... 61

2.4.2. Elisabeths Frauenbild ...... 63

2.5. Elisabeth schafft sich ihre eigene Welt ...... 66

2.5.1. „Schwalbe, leih‘ mir deine Flügel“ – Elisabeths Wanderleben und ihr damit verbundener Ausbruch aus dem Hofleben ...... 67

2.5.1.1. Ungarn – Schloss Gödöllö ...... 68

2.5.1.2. Österreich und Deutschland ...... 70

2.5.1.3. Weitere Reisetätigkeiten ...... 70

2.5.2. „Die Kunst ist nur die Schöpfung unserer Sehnsucht nach der Existenz“ – Elisabeth und die Dichtung ...... 71

2.5.3. Griechenlandbegeisterung ...... 73

2.5.4. Schönheit – Kampf um die ewige Jugend ...... 77

2.5.5. Die sportliche Kaiserin ...... 79

2.5.6. Beste Reiterin der Welt? ...... 80

2.6. Eine Legende lebt! – Präsenz in der Nachwelt und der ‚Sisi-Mythos‘ ...... 81

3. Victoria von Preußen ...... 85

3.1. Victoria – eine kurze Biographie ...... 85

3.2. Politische Zielvorstellungen von Victoria ...... 87

3.2.1. Einfluss und Prägung durch das Elternhaus ...... 87

3.2.2. Die Stellung Preußens in Europa ...... 89

3.2.3. Probleme am preußischen Hof ...... 90

3.2.4. Victoria und Friedrich ...... 96

Seite 4 3.2.5. Victoria und Bismarck ...... 98

3.3. Das sozialreformerische Engagement und die Förderung der deutschen Frauenbewegung durch Victoria ...... 100

3.3.1. Die Frauenbewegung in Preußen ...... 100

3.3.2. Die soziale Fürsorge im Gesundheitswesen ...... 103

3.3.3. Die Volkserziehung und die Frauenbildung in Preußen ...... 105

3.4. Victorias Tätigkeiten im künstlerischen Bereich ...... 107

3.4.1. Die Malerin Victoria ...... 107

3.4.2. Die Sammlerin und die Mäzenin Victoria ...... 110

3.5. Victoria – ein kurzes Resümee ...... 114

4. Frauen schaffen sich Freiräume – die Frauenbewegung im 19.

Jahrhundert...... 118

4.1. Die Stellung und die Rolle der Frau unter Berücksichtigung des sozialen Milieus ...... 118

4.1.1. Die Rolle der Frau in der Gesellschaft ...... 118

4.1.2. Probleme in der Gesellschaftsordnung ...... 119

4.2. Erste Proteste – Frauen während der Revolution von 1848 ...... 122

4.3. Nach der Revolution – Frauen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 126

4.3.1. Vereinsbildung zur Stärkung der Emanzipation ...... 127

4.4. Bildung als Grundvoraussetzung für den sozialen Aufstieg ...... 133

5. Ein Vergleich: Elisabeth von Österreich-Ungarn und Victoria von

Preußen ...... 137

5.1. Herkunft und standesgemäße Erziehung ...... 137

5.2. Die Situation am neuen Hof ...... 138

5.3. Maßnahmen zur politischen Einflussnahme ...... 141

5.4. Das Verhältnis zur zeitgenössischen Frauenbewegung ...... 142

5.5. Die eigene Lebensgestaltung ...... 143

6. Schlussbetrachtungen ...... 145

Seite 5 7. Literaturverzeichnis ...... 146

8. Internetquellen ...... 154

Teil II: Fachdidaktischer Teil der Diplomarbeit ...... 156

1. Einleitung ...... 156

2. Geschlecht in der Geschichte ...... 158

3. Lehrplanbezug und Lehrplanfokussierung ...... 160

3.1. Historischen Kompetenzen im Geschichtsunterricht ...... 163

3.2. Basiskonzepte im Geschichtsunterricht ...... 165

3.3. Methodische Überlegungen ...... 168

3.3.1. Arbeit mit Textquellen ...... 168

3.3.2. Arbeit mit Bildquellen ...... 171

4. Konkretisierung der Stundenplanungen...... 174

4.1. Konkretisierung der ersten Doppelstunde ...... 174

4.2. Konkretisierung der zweiten Doppelstunde ...... 175

4.3. Konkretisierung der dritten Doppelstunde ...... 176

4.4. Reflexion der Unterrichtseinheiten...... 178

5. Stundenplanungen, Arbeits- und Aufgabenblätter ...... 180

5.1. Planung der ersten Doppelstunde ...... 180

5.2. Planung der zweiten Doppelstunde ...... 187

5.3. Planung der dritten Doppelstunde ...... 194

6. Fazit ...... 201

7. Literaturverzeichnis ...... 203

8. Internetquellen ...... 204

9. Quellen der Arbeitsblätter ...... 204

Seite 6 Danksagung

An dieser Stelle möchte ich all jenen Personen danken, die mich beim Verfassen dieser Arbeit und während meines Studiums unterstützten.

Mein Dank gilt besonders Univ.-Prof. Mag. Dr. Margret Friedrich, die den Schreibprozess intensiv begleitete und mich in allen Belangen, seien es Anregungen und Verbesserungsvorschläge, mit Literaturhinweisen oder mit aufmunternden Worten sehr unterstützte. Vielen Dank für die kompetente, aber auch sehr menschliche Betreuung, dies ist nicht als selbstverständlich anzusehen.

Ebenfalls danke ich MMag. Dr. Claus Oberhauser für die Betreuung des fachdidaktischen Teils der Arbeit, bei welchem er interessante Ideen lieferte, und mir kompetent zur Seite stand.

Ganz besonders möchte ich meinen Freund, Mag. Benjamin Trager, hervorheben, der mich stets unterstützte und mich bei jedem Tief auffing und wieder motivierte. Er nahm sich viel Zeit für die Korrektur der Arbeit und lieferte gute Ratschläge, die mir das Schreiben der Arbeit erheblich erleichterten. Ich danke dir, dass du als treuer Begleiter immer für mich da bist. Und du bist voll cool.

Des Weiteren möchte ich meinen Eltern Angelika und Hansjörg danken, die mich sehr unterstützten und es mir ermöglicht haben, dieses Studium zu belegen. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei meinen Großeltern und bei meiner Patentante bedanken, die mich zeitlebens begleiteten, inspirierten und mich sehr prägten. Ihr habt mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.

Abschließend möchte ich meiner besten Freundin seit Kindheitstagen, Theresa Schönherr, danken. Sie war immer für mich da, munterte mich in schwierigen Situationen auf und konnte mich in den nötigen Schreibpausen ablenken. Danke, ich könnte mir keine bessere Freundin wünschen.

Alena Hackl

Imst, Juni 2018

Seite 7 Teil I – Fachwissenschaftlicher Teil der Diplomarbeit

1. Einleitung

Diese Diplomarbeit soll untersuchen, inwiefern es Frauen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts möglich war, sich Freiräume zu verschaffen. Im Fokus der Betrachtung steht Elisabeth, die Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn. Es soll herausgefunden werden, welche Pflichten sie hatte und inwiefern sie ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten konnte. Um einen Vergleich zu ermöglichen, wird das Leben und Wirken der preußischen Kronprinzessin und kurzzeitigen Kaiserin Viktoria, die zeitgleich lebte, analysiert. In diesem Zusammenhang soll auch geklärt werden, in welchem Verhältnis die Monarchinnen zur aufkommenden Frauenbewegung standen, und ob sie die Stärkung der weiblichen Gleichberechtigung sogar maßgeblich unterstützten. In Verbindung damit wird das generelle Engagement der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert untersucht.

An dieser Stellte darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Elisabeth und Victoria, trotz des strengen Hoflebens, aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel mit Sicherheit mehr Möglichkeiten der politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Einflussnahme hatten, als eine Frau aus einer anderen Gesellschaftsschicht.

In der vorab aufgestellten These wird festgehalten, dass sich beide Frauen auf unterschiedliche Weise fernab der höfischen Welt ihre Freiräume schaffen konnten. Die selbstbezogene Elisabeth ging ihren Interessen nach, wohingegen Victoria sich dem sozialen Engagement, kunsthandwerklichen und künstlerischen Interessen verschrieb. Es wird vermutet, dass sich zahlreiche Unterschiede in der Lebensgestaltung der beiden Frauen finden lassen.

Im Grunde lässt sich der wissenschaftliche Teil der Diplomarbeit in vier große Kapitel, die im Teil I dargelegt werden, gliedern. Zu Beginn findet eine Auseinandersetzung mit der Kaiserin Elisabeth statt, anschließend wird das Leben der preußischen Kronprinzessin Victoria betrachtet, in der Folge werden Ziele und Leistungen der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert ausgeführt und abschließend ein Vergleich zwischen Elisabeth und Victoria gezogen. Für einen besseren Überblick gibt es jeweils am Beginn der Ausführungen über die beiden Frauen eine Kurzbiographie, wodurch die wichtigsten Lebensstationen aufgezeigt werden sollen.

Seite 8 Abschließend findet ein Vergleich zwischen Elisabeth und Victoria statt, der Unterschiede und Gemeinsamkeiten darlegen soll.

Um die Probleme der Kaiserin Elisabeth am Wiener Hof besser verstehen zu können, wird im ersten großen Kapitel vorab die dortige Situation und die Hofetikette erläutert. In diesem Zusammenhang werden auch die Erwartungen an die junge Kaiserin, das Verhältnis der Kaiserin zu ihrem Mann, Kaiser Franz Joseph, und zu ihrer Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie, dargelegt. Durch diese Ausführungen können die Probleme am Hof besser verstanden und die Kritik der Kaiserin am vorherrschenden System und dem Hofleben nachvollzogen werden. Die Unzufriedenheit von Elisabeth führte zu einem Widerstand, der sich durch einen Rückzug vom Hof und einer Verweigerung ihrer Pflichten und Aufgaben äußerte. In diesem Unterkapitel werden auch, die von der Kaiserin betriebene Auflehnung und die Machtkämpfe, beispielsweise in Bezug auf die Lebensgestaltung ihrer Kinder näher ausgeführt.

Als besonders wichtig für diese Arbeit wird das politische Schaffen von Kaiserin Elisabeth erachtet, welches anhand einiger Ereignisse dargestellt werden kann. Im Zuge dessen werden auch ihre Repräsentationspflichten untersucht, da sie für eine Kaiserin als äußerst erwähnenswert gelten.

Im Anschluss folgt eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie hoch der Einsatz der Kaiserin für die Wohltätigkeit und die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert war. Anschließend wird das Kapitel mit einer Erläuterung über Elisabeths Lebensstil abgerundet. Kaiserin Elisabeth ging in die Geschichte ein. Ihre Persönlichkeit und der später entstandene ‚Sisi-Mythos‘ beschäftigen die Menschen noch heute. Diese Auswirkungen werden in einem abschließenden Unterpunkt dieser Ausführungen dargelegt.

Das zweite große Kapitel behandelt die Kronprinzessin von Preußen und kurzzeitige Kaiserin Victoria und ist ähnlich dem Vorigen aufgebaut. Vorab wird in einer kurzen Biographie das Leben der Kronprinzessin überblicksmäßig dargestellt. Anschließend wird die Situation am Hof behandelt, wobei der Fokus auf den politischen Zielvorstellungen Victorias liegt. Anschließend werden der Einfluss des Elternhauses und die Schwierigkeiten, welche auf Victoria in Preußen zukamen, aufgezeigt und in der Folge die Beziehung zu ihrem Mann erläutert. Im Anschluss wird Victorias Verhältnis zu Otto von Bismarck beschrieben.

Seite 9 Victorias sozialreformerisches Engagement und die Förderung der Frauenbewegung sollen im nächsten Teil besonders hervorgehoben werden. Auch für das Leben der preußischen Kronprinzessin können Tätigkeiten, wie ihre Liebe zur Kunst, nachgewiesen werden.

Da in dieser Diplomarbeit der Schwerpunkt auf der Kaiserin Elisabeth liegt, werden die Ausführungen zu Kronprinzessin Victoria deutlich kürzer gehalten. Obwohl weit mehr zu dem interessanten Leben von Victoria gesagt werden könnte, würde eine weitere Vertiefung über den Rahmen der Arbeit hinausgehen.

Das dritte Großkapitel bespricht die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert. Dabei soll einerseits die Rolle der Frau in der Gesellschaft erläutert werden. Andererseits werden auch die Probleme in der Gesellschaftsordnung aufgezeigt werden, damit nachvollzogen werden kann, warum sich Frauen überhaupt für eine Veränderung ihrer Stellung einsetzten. Wichtige Proteste und die damit verbundenen Forderungen werden deshalb kurz dargestellt.

Abgeschlossen wird der wissenschaftliche Teil der Arbeit im vierten großen Kapitel mit einem Vergleich der beiden Frauen. Die Unterschiede und die Parallelen der zwei Frauen, die zur selben Zeit an unterschiedlichen Höfen lebten, sollen verdeutlicht werden. Dazu werden jeweils die Herkunft und die Erziehung von Elisabeth und Victoria miteinander verglichen und die Situation an den neuen Höfen gegenübergestellt. Es folgt eine vergleichende Betrachtung des politischen Einsatzes und des Verhältnisses zur Wohltätigkeit und der Frauenbewegung. Anschließend wird die Lebensgestaltung von Elisabeth mit jener von Victoria verglichen.

Nach dieser genauen Analyse wird das Thema im Teil II fachdidaktisch aufbereitet. Durch das Arbeiten mit Quellentexten und bildlichen Darstellungen werden vor allem die Frage- und die Methodenkompetenz der SchülerInnen gefördert sowie in weiterer Folge die Sach- und die Orientierungskompetenz ausdifferenziert.

Seite 10 2. Elisabeth von Österreich 2.1. Elisabeth – eine kurze Biographie

Am 24. Dezember 1837 wurde Elisabeth Amalie Eugenia als Tochter von Herzog Max Joseph in Bayern und Ludovika, der Tochter des bayrischen Königs Maximilian I., in München geboren. Elisabeth wuchs fernab der höfischen Gesellschaft auf, da ihr Vater keine Verpflichtungen am Königshof hatte und auch keinen Wert darauf legte, seine Kinder gemäß aristokratischer Etikette zu erziehen. Während der Sommermonate lebte die Familie, die insgesamt acht Kinder umfasste, in Schloss Possenhofen am Starnbergersee. Die Kinder des Herzogs konnten dort fischen, reiten, wandern und unbeschwert aufwachsen. Lediglich Helene, die älteste Schwester von Elisabeth, erhielt eine standesgemäße Ausbildung, da sie ihren Cousin Franz Joseph, den Kaiser Österreichs, heiraten sollte. Diese Heiratspläne legten ihre Mutter Ludovika und deren Schwester Sophie, die Kaisermutter, fest.1

Im Jahr 1853 sollte die Verlobung von Kaiser Franz Joseph und Helene vollzogen werden. Daher fuhr Ludovika im August mit ihren beiden Töchtern Helene und Elisabeth nach . Der junge Kaiser verliebte sich bei diesem Treffen in Elisabeth, woraufhin er die Verlobung mit Helene löste, um sich mit ihrer jüngeren Schwester zu verloben.2

Die knapp 16-jährige Elisabeth, die für die Rolle einer zukünftigen Kaiserin nicht adäquat ausgebildet worden war, musste im Schnelldurchlauf zahlreiche Fähigkeiten, Fertigkeiten und eine Fülle von Spezialwissen, wie zum Beispiel das Hofprotokoll, Tanzen, Fremdsprachen und Geschichte, erlernen.3 Schließlich fand am 24. April 1854 in der Wiener Augustinerkirche die Eheschließung zwischen Elisabeth und ihrem Cousin Franz Joseph statt.4

Das Leben am Wiener Hof missfiel der jungen Kaiserin bereits zu Beginn, da sie nicht viel von den Sitten des Hochadels hielt und sich aufgrund ihrer Verpflichtungen eingeengt fühlte. Ihre Tante, Erzherzogin Sophie, übernahm die weitere Erziehung der jungen Elisabeth und versuchte gemäß eigener Vorstellungen eine geeignete Kaiserin für Österreich auszubilden. Eine der Hauptaufgaben einer Kaiserin war es,

1 Brigitte Hamann, Lebensstationen der Kaiserin, in: Brigitte Hamann/Elisabeth Hassmann (Hrsg.), Elisabeth. Stationen ihres Lebens, Wien – München 1998, S. 8 – 29, hier S. 8 – 10. 2 Hamann, Lebensstationen der Kaiserin, S. 10. 3 Brigitte Hamann, Sissi. Kaiserin Elisabeth von Österreich, Köln 1997, S. 14. 4 Martha Schad, Elisabeth von Österreich, München 1998, S. 13.

Seite 11 möglichst bald einen männlichen Thronfolger zu gebären. Drei Jahre nach der ersten Geburt folgte auf Sophie (1855) und Gisela (1856) der ersehnte männliche Nachkomme, der auf den Namen Rudolf getauft wurde. Die Mutter des Kaisers leitete die Erziehung der drei Kinder, was Elisabeth missfiel und sie zunehmend unglücklicher machte. Sie flüchtete daher im Jahr 1860 zu ihren Eltern nach Possenhofen, was als erstes Aufbegehren gegen das stringente Hofleben gewertet werden kann.5

Franz Joseph schaffte es, seine Frau zur Rückkehr zu bewegen, doch der psychische Zustand von Elisabeth verschlechterte sich stetig. Sie litt an Appetitlosigkeit, Platzangst, galt als instabil und depressiv. Als die Kaiserin kurz darauf auch noch mit einer Lungenkrankheit ringen musste, reiste sie im November 1860 kurzerhand nach Madeira ab. Sie konnte sich gesundheitlich gut regenerieren und verweilte dort bis April 1861, ehe sie wieder nach Wien zurückkehrte. Nach kurzem Aufenthalt in der vermeintlichen Heimat verschlimmerte sich der Gesundheitszustand der Kaiserin wieder rapide und ihr wurde eine Reise nach Korfu verordnet. Es folgten zahlreiche weitere Aufenthalte in Venedig, Reichenau an der Rax, Bad Kissingen und Possenhofen, bis sie nach langer Reisezeit schlussendlich am 18. August 1862 nach Wien heimkehrte.6

Während ihrer Reisen entwickelte Elisabeth einen regelrechten Schönheitswahn, dem sie sich täglich mehrere Stunden widmete. Elisabeth entdeckte im Laufe der Zeit ihre Liebe zu Ungarn, und setzte sich intensiv für das Land ein7, sie engagierte sich für die Umsetzung des sogenannten ‚österreichisch-ungarischen Ausgleichs‘. Am 8. Juni 1867 wurden sie und ihr Mann zu Königin und König von Ungarn gekrönt. Das Königspaar erhielt als Krönungsgeschenk das Schloss Gödöllö. Für Elisabeth stellte es eine geeignete Möglichkeit dar, um Abstand von Wien zu gewinnen. Deshalb verbrachte sie dort mit ihrem vierten Kind Valerie, die auch als ‚ungarisches Kind‘ bezeichnet wurde und im Jahr 1868 auf die Welt kam, mehrere Monate jeden Jahres.8

Die Kaiserin widmete sich bevorzugt den von ihr geschätzten Tätigkeiten des Reisens, des Reitens, des Schreibens und ihres Schönheitskultes. Repräsentative

5 Hamann, Lebensstationen der Kaiserin, S. 15 – 16. 6 Ebd., S. 16 – 18. 7 Ebd., S. 18. 8 Ebd., S. 19 – 20.

Seite 12 Aufgaben langweilten die junge Herrscherin.9 Franz Joseph versuchte immer wieder, seine Frau in Wien zu halten, und ließ die sogenannte ‚‘ als Geschenk für sie errichten. Auch den Bau der Villa ‚‘ auf Korfu genehmigte der Kaiser seiner Frau, doch Elisabeth verlor bereits bald nach der Fertigstellung der Villa das Interesse und fühlte sich ihrer Freiheit beraubt. Im Jahr 1889, als die Kaiserin 51 Jahre alt war, beging ihr Sohn Rudolf im Jagdschloss Mayerling Selbstmord. Durch den Tod des Sohnes, der sich immer nach der Zuneigung seiner Mutter gesehnt hatte, verschlechterte sich Elisabeths psychischer Gesundheitszustand weiter. Sie vermied Menschenmengen, litt unter schweren Depressionen, konnte sich nicht mit ihrem Alterungsprozess abfinden und hegte in ihrem melancholischen Zustand sogar den Gedanken, Suizid zu begehen. Seit dem Selbstmord des Thronfolgers trug die Kaiserin ausschließlich schwarze Kleidung und duldete auf ihren extravaganten Reisen nur wenig Begleitung. Anders als in den Jahren zuvor, bereiste sie Ungarn und Griechenland nicht mehr so häufig. Sie bevorzugte Kurorte wie Karlsbad, Luxushotels wie das Bellevue in Rigi oder das Grand Hotel in Territet10 (Caux) am Genfer See.11

Trotz des Wissens, dass die Gefahr eines Attentates bestand, wollte die Kaiserin weiterhin ohne Sicherheitspersonal reisen. Dieser Umstand wurde ihr jedoch am 10. September 1898 zum Verhängnis. Als Elisabeth auf dem Weg zum Schiff am Genfer See unterwegs war, rammte ihr der italienische Anarchist Luigi Lucheni12 eine spitze Feile in den Körper.13 Eine Obduktion ergab, dass die Feile die Lunge und die Herzkammer durchbohrte und eine Rippe brach. Die Kaiserin konnte nach dem Angriff noch an Bord des Schiffes gehen, brach allerdings kurze Zeit darauf zusammen und erlag wenig später ihrer Verletzung.14 Nach der Obduktion wurde die Kaiserin nach Wien überstellt, wo sie am 17. September 1898 feierlich in der Kapuzinergruft beigesetzt wurde.15

9 Hamann, Lebensstationen der Kaiserin, S. 23 – 24. 10 Territet ist ein Dorf im Schweizer Kanton Waadt und gehört zur politischen Gemeinde Montreux. 11 Hamann, Lebensstationen der Kaiserin, S. 26 – 28. 12 Luigi Lucheni (* 22. April 1873 in Paris; † 19. Oktober 1910 in Genf) wollte ursprünglich den italieni- schen König Umberto I. töten, konnte sich aber eine Reise nach Italien nicht leisten. Es fasste den Plan, Prinz Henri Philippe d’Orléans zu ermorden, als dieser nicht nach Genf reiste, hörte er davon, dass Kaiserin Elisabeth in Genf war und beschloss diese mit einer spitzen Feile zu töten. Siehe hierzu: Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 97 – 98. 13 Hamann, Lebensstationen der Kaiserin, S. 29. 14 Schad, Elisabeth von Österreich, S. 121. 15 Michaela Vocelka/Karl Vocelka, Franz Joseph I. Kaiser von Österreich und König von Ungarn 1830 – 1916. Eine Biographie, München 2015, S. 311.

Seite 13 2.2. Situation am Hof – Kritik – Widerstand 2.2.1. Situation am Hof

Der Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kann als Wendepunkt der Position des habsburgischen Hofes gesehen werden. Kaiser Ferdinand I. wurde zur Abdankung angehalten und die eingeräumten Veränderungen der Revolution 1848/49 wurden von Kaiser Franz Joseph revoziert. Der junge Herrscher regierte „im Geiste des Neoabsolutismus“, was dazu führte, dass der Wiener Hof in neuem Glanz erschien.16

Immer häufiger wurde die Macht der Monarchen in Europa beschränkt, da politische Systeme in konstitutionelle Herrschaftsformen umgewandelt wurden. Franz Joseph achtete daher umso genauer darauf, dass die für ihn wichtige traditionelle Gesinnung und Macht eines habsburgischen Kaisers aufrechterhalten blieb. Zudem sollte die exklusive Beschaffenheit des Hofes bewahrt werden. Der Wiener Hof setzte sich deshalb gegen jegliche liberale, gar demokratische Entwicklung zur Wehr. Die Alleinherrschaft durch den Kaiser wurde anhand eines strikten Hofprotokolls, einer strengen Rangordnung und zahlreichen Vorschreibungen für die höfische Gesellschaft unterstützt.17

Die hierarchische Rangordnung am Hof war genauestens durchstrukturiert und musste strikt eingehalten werden. Die wichtigen Ämter des Hofes waren der Obersthofmeister, der Oberstkämmerer, der Obersthofmarschall und der Oberststallmeister. Diese Personen galten als besonders einflussreich und mächtig. Ihnen waren die verschiedensten Verwaltungsaufgaben zugeordnet. Zusätzlich gab es zahleiche weitere Posten wie Geheimräte, Palastdamen, Truchsesse und Edelknaben, die ausschließlich mit Adeligen besetzt wurden. Die verschiedenen Ämter dienten dazu, den Kaiser zu entlasten und ihn vom direkten Kontakt mit dem Volk abzuschirmen.18

16 Brigitte Hamann, Der Wiener Hof und die Hofgesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- derts, in: Karl Möckl (Hrsg.), Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19. und beginnen- den 20. Jahrhundert. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 1985 und 1986 (Deutsche Füh- rungsschichten in der Neuzeit 18), Boppard am Rhein 1990, S. 62 – 78, hier S. 61. 17 Hamann, Der Wiener Hof und die Hofgesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 62. 18 Ebd., S. 63 – 66.

Seite 14 Das Hofprotokoll galt als äußerst wichtig und wurde in Wien besonders streng durchgesetzt. Interessant ist, dass Erzherzog Albrecht19 anlässlich des 19. Geburtstages des Thronfolgers Rudolf am 21. August 1877 Kritik am preußischen Kronprinzenpaar Friedrich und Victoria übte, da er durch die liberale Gesinnung der beiden eine Gefahr für die höfischen Grundsätze sah: „Nach Kaiser Wilhelms Tod ist eine bedeutende Verweichlichung am preußischen Hofe zu erwarten. Gott soll Österreich vor Ähnlichem bewahren!“20

An diesem Beispiel kann gut nachgezeichnet werden, wie groß der Stellenwert der höfischen Etikette in Wien war und wie stark die zunehmende Aufweichung des Hofprotokolls verurteilt wurde. Es muss wohl auch befürchtet worden sein, dass die Alleinherrschaft des Kaisers in Gefahr war und die Herrschaftsform möglicherweise in eine konstitutionelle Monarchie umwandelt werden könnte. Durch die liberalen Ansichten des preußischen Kronprinzenpaares erwartete Albrecht hier Schwierigkeiten für das bestehende System.

Albrecht bemängelte auch das Verhalten des österreichischen Thronfolgers, der sich zu sehr an seiner Mutter, Kaiserin Elisabeth, als Vorbild orientiere und ihre kontroversen Ansichten hinsichtlich des Wiener Hofes teile. Hamann betonte diesbezüglich: „Kaiserin Elisabeth, die keinen Hehl aus ihrer Verachtung für das höfische Zeremoniell machte und kaum eine Gelegenheit ausließ, über die ewigen Rangfragen und Protokollprobleme des Hofes zu spotten und den hohen Anspruch des Gottesgnadentums [anzuzweifeln] […]“21 war aus Albrechts Sicht eine schlechte Leitfigur und kontraproduktiv für die Machterhaltung des Kaisers in der österreichischen Monarchie.

19 Erzherzog Albrecht Friedrich Rudolf von Österreich-Teschen (* 3. August 1817 in Wien; † 18. Feb- ruar 1895 in Arco) war Erzherzog von Österreich, Herzog von Teschen sowie Feldmarschall und Ge- neralinspektor der österreichisch-ungarischen Armee. Ruhm erlangte er mit dem Sieg bei Custozza am 24. Juni 1866 als er die Südarmee im preußisch-österreichischen Krieg anführte. Siehe hierzu: Hamann, Erzherzog Albrecht, S. 76. 20 Brigitte Hamann, Erzherzog Albrecht – die graue Eminenz des Habsburgerhofes. Hinweise auf ei- nen unterschätzten Politiker, in: Isabella Ackerl/Walter Hummelsberger/Hans Mommsen (Hrsg.), Poli- tik und Gesellschaft im alten und neuen Österreich. Festschrift für Rudolf Neck zum 60. Geburtstag, Band 1, Wien 1981, S. 62 – 77, hier S. 76. 21 Hamann, Der Wiener Hof und die Hofgesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 67.

Seite 15 2.2.1.1. Höfische Etikette

Als Elisabeth an den Wiener Kaiserhof kam, erlebte sie eine strikte Hofordnung. Kaiser Franz Joseph selbst pflegte sowohl in privaten als auch in öffentlichen Angelegenheiten nur Umgang mit Aristokraten.22

Elisabeth war mit dem Wiener Hofzeremoniell keineswegs vertraut, da sie in Bayern keine repräsentativen Aufgaben erfüllen musste.23 Der Grund dafür war, dass ihre Eltern, insbesondere ihr Vater, Herzog Maximilian, keinen Wert auf die höfische Etikette legte, und Umgang mit dem bürgerlichen und bäuerlichen Milieu pflegten.24 Hauptverantwortlich für Elisabeths Ausbildung war ihre Mutter Ludovika, welche ihre Kinder zu freiheitsliebenden und bodenständigen Menschen erzog.25 Elisabeth konnte in Possenhofen ungezwungen aufwachsen und sich mit den Dingen beschäftigen, welche ihr Freude bereiteten. Dazu zählten sämtliche Tätigkeiten in der Natur wie fischen, reiten, wandern und schwimmen. Elisabeth konnte sich frei bewegen und ihren Freundeskreis unabhängig von ständischen Rangvorstellungen wählen.26 Mit der Verheiratung nach Österreich endete ihr unbeschwertes Leben jedoch jäh.

Die Repräsentation an religiösen Feiertagen galt als Aufgabe der Kaiserin. Elisabeth war zwar religiös, wuchs aber im Gegensatz zu den Habsburgern nicht mit der ‚Pietas Austriaca‘27 auf. An zwei Feiertagen – dem Gründonnerstag und bei der Fronleichnamsprozession – kann die ‚österreichische Frömmigkeit‘ besonders gut nachempfunden werden. Elisabeth konnte mit dem Brauchtum wenig anfangen, wenngleich ihre Teilnahme als Höhepunkt für die Menschen galt.28

22 Karin Amtmann, Elisabeth von Österreich. Die politischen Geschäfte der Kaiserin, Regensburg 1998, S. 28. 23 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 30. 24 Michaela Vocelka/Karl Vocelka, Sisi. Leben und Legende einer Kaiserin, München 2014, S. 11. 25 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 22. 26Brigitte Hamann, Elisabeth. Kaiserin wider Willen, Wien – München 51982, S. 19. 27 Die Familie der Habsburger galt als streng katholisch. Mit der ‚Pietas Austriaca‘ ist die österreichi- sche Frömmigkeit gemeint. Diese betrifft allerdings nicht die Gesamtheit der Bevölkerung, sondern die Casa d’Austria. Die Ergebenheit an den katholischen Glauben galt als eine der wichtigsten Tugenden der habsburgischen Dynastie. Siehe hierzu: Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebs- ges.m.b.H.(Hrsg.), Die Welt der Habsburger. Pietas Austriaca, o. D., [http://www.habsburger.net/de/themen/pietas-austriaca], eingesehen am 19.03.2018. 28 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 136.

Seite 16 2.2.1.2. Repräsentation des Kaiserhauses – Erwartungen an Kaiserin Elisabeth

In der Zeit von der Verlobung bis zur Heirat mit dem österreichischen Kaiser hatte Elisabeth nur wenig Zeit, um ihre fehlende Ausbildung nachzuholen. Dazu zählten unter anderem Sprachkenntnisse in Französisch und Italienisch. Als besonders wichtig galt die österreichische Geschichte. Um Elisabeth das notwendige Wissen zu vermitteln, wurde ein ungarischer Historiker mit österreichischen Wurzeln, Graf Johann Mailáth von Székhely29, engagiert.30 Elisabeth wurde aber nicht nur historisch, sondern auch politisch ausgebildet, denn ihr wurden sowohl die Sonderstellung und die Verfassung der Ungarn erläutert als auch die Vorzüge einer Republik geschildert.31

Wie aus mehreren Festschriften entnommen werden kann, waren die Erwartungen an die zukünftige Kaiserin sehr hoch. Das Volk erhoffte sich, dass Elisabeth eine vermittelnde Rolle zwischen der Bevölkerung und dem Regenten einnehmen würde, da die Untertanen seit dem Ende der Revolution mit zahlreichen Missständen wie Hungersnöten, Arbeitslosigkeit und politischer Unterdrückung zu kämpfen hatten: „Wir glauben, daß Du die Vermittlerin werden wirst zwischen ihm und uns, daß Du, was wir scheu nicht zu gestehen wagen, für uns ihm sagen wirst, daß Manches durch Deine zarte Hand zum Guten gelenkt werden wird.“32

Durch ihre Erziehung hatte Elisabeth keine Berührungsängste mit weniger gut situierten Menschen. Die junge Aristokratin differenzierte nicht zwischen den Ständen, doch diese Einstellung wurde am Wiener Hof nicht gewürdigt. Aus der jungen Kaiserin sollte eine Repräsentationsfigur werden, welche die höfischen Gepflogenheiten schätzen und in der Öffentlichkeit verkörpern sollte.33

Hamann kommt in ihrer Biographie über Elisabeth zu dem Schluss, dass bereits früh der Grundstein aller Probleme Elisabeths gelegt wurde: „Alle Konflikte der späteren Zeit waren schon in diesen Monaten vor der Hochzeit vorgezeichnet. Sie alle

29 Graf Johann Mailáth von Székhely (*3. Oktober 1786 Pest (Ungarn); † 3.Jänner 1855 Starnberger See bei Ammerland) 30 Amtmann, Elisabeth von Österreich. S. 24. 31 Hamann, Elisabeth, S. 19. 32 Ebd., S. 61 – 62. Entnahm dies aus: Anton Langer, Dies Buch gehört der Kaiserin. Eine Volksstim- me aus Österreich. Wien 1854, S. 21. 33 Ebd., S. 60 – 63.

Seite 17 entsprangen der Diskrepanz zwischen einem aufrichtig denkenden, sensiblen Menschen und dessen ausschließlicher Verwendung als höfischer Figur.“34

2.2.1.3. Elisabeth und Franz Joseph

An dieser Stelle gilt es anzumerken, dass die Quellenlage hinsichtlich der intimen Beziehung des Kaiserpaares sehr eingeschränkt ist. Der Briefverkehr ist nur einseitig vorhanden, da die Briefe der Kaiserin entweder nicht öffentlich zugänglich sind oder beseitigt wurden. Daher können größtenteils nur das poetische Tagebuch von Elisabeth oder Schriften von Zeitzeugen als Quellen herangezogen werden.35

Die Beziehung zwischen Elisabeth und Franz Joseph kann bis Ende der 1850er- Jahre als gut beschrieben werden. Während der Kaiser seine Regierungsgeschäfte zu erledigen hatte, konnte er sich nur wenig Zeit für seine Frau freiräumen. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Elisabeth und ihrer Schwiegermutter Sophie führten zu wiederholten Konflikten des Ehepaares.36 In ihrer anfänglichen Regierungszeit nahm die junge Kaiserin an Empfängen teil und unterstützte ihren Mann noch.37 Im Zuge von Elisabeths Krankheit und aufgrund ihres späteren Reisefanatismus entfremdete sich das Paar jedoch. In den 1860er-Jahren erfolgte aufgrund der Geschehnisse in Ungarn eine erneute Annäherung der beiden, doch bereits 1865 verschlechterte sich ihr Verhältnis wieder, denn Elisabeth stellte dem Kaiser ein Ultimatum38, das ihr zu mehr Freiheit und Entscheidungsmacht verhelfen sollte. In der Folge entzog Elisabeth sich ihren Aufgaben durch Reisen und Besuche in Kuranstalten immer mehr.39 Die wenigen gemeinsamen Stunden verbrachte das Paar auf Jagdreisen, am Genfersee oder an der Côte d’Azur.40

Der Kaiser war ständig bestrebt, seine Frau in seiner Nähe zu haben und ihr ein Leben nach ihren Vorstellungen zu ermöglichen. Elisabeth fühlte sich allerdings weder in Schloss Schönbrunn, noch in der oder in der Laxenburg wohl. Daher entschied Franz Joseph, seiner Frau im eine Villa nach ihrem Geschmack erbauen zu lassen.41 Trotz der intensiven Bemühungen des

34 Hamann, Elisabeth, S. 63. 35 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 273. 36 Ebd., S. 133 – 135. 37 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 42. 38 Auf dieses Ultimatum, welches Elisabeth in schriftlicher Form ihrem Gatten übergab, wird in dem Unterkapitel: ‚2.2.3.3.1. Das Ultimatum – die Erziehung von Kronprinz Rudolf‘ näher eingegangen. 39 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 269. 40 Ebd., S. 272. 41 Hamann, Elisabeth, S. 441.

Seite 18 Kaisers, ein Zuhause und einen Rückzugsort für seine Ehefrau zu schaffen, brachten seine wiederholten Versuche nicht die gewünschte Stabilität. Elisabeth soll bei ihrer ersten Besichtigung der Lainzer Villa über den Bau enttäuscht gewesen sein und wegen dem überladenen Prunk nur den Kopf geschüttelt haben.42 Valerie, das vierte Kind des Paares, schrieb am 24. Mai 1886 anlässlich der ersten Besichtigung des neu errichteten Gebäudes in ihr Tagebuch:

„Nachmittags fuhren Papa, Mama und ich nach Lainz, um die ‚Villa Hermes‘, die nun fix und fertig ist, anzusehen; sie ist eigentlich ungemütlich schön und modern und sieht uns und was wir bis jetzt gewohnt waren, gar nicht gleich. ‚Ich werde mich immer fürchten, alles zu verderben‘, sagte Papa. Sehr schön ist die Lage mitten im Wald, an der grossen Wiese vor dem Haus (Schloss leider eher!) grasen ganze Rudel Wild.“43 Aufgrund des Tagebucheintrages kann erkannt werden, dass der Kaiser stets bemüht war, seiner Frau zu imponieren, seine Bemühungen jedoch häufig von Misserfolg gekrönt waren. Der Bau der Villa konnte die Kaiserin nicht an Wien binden und sie verbrachte nur wenige Wochen im Jahr auf dem kostspieligen Anwesen.44

Gräfin Marie Festetics erzählte in einem privaten Interview, welches am 29. Dezember 1910 stattfand, dass sie und die Kaiserin sich über das nachgiebige Verhalten des Kaisers unterhielten und Elisabeth daraufhin erklärte:

„Der Kaiser ist fein erzogen und hatte in seiner Jugend eine liebevolle Umgebung. Wenn jemand ihm in ehrfurchtvoller Weise eine Bitte vorlegt, und er sie nicht gewähren kann, so wird er in seiner liebenswürdigen Weise das Nein zu sagen wissen. Er ist aber, wenn ihm jemand heftig und anspruchsvoll entgegentritt, durch diese ungewöhnliche Art so überrascht, daß er sich gewissermaßen einschüchtern läßt und zustimmt.“45 Elisabeths Sichtweise auf die Beziehung zu ihrem Mann kann teilweise aus ihrem poetischen Tagebuch, indem sie häufig bösartige Zeilen über ihn und die Ehe verfasste, entnommen werden. Diese Worte müssen allerdings kritisch betrachtet werden, da es sich um rückblickend verfasste Gedichte handelt, die literarisch

42 Peter Haiko, Hermesvilla in Lainz – kaiserliche Jagdvilla – kein Heim und kein privates Refugium für Elisabeth, in: Brigitte Hamann/ Elisabeth Hassmann (Hrsg.), Elisabeth. Stationen ihres Lebens, Wien – München 1998, S. 92 – 97, hier S. 97. 43Martha Schad/Horst Schad (Hrsg.), Marie Valérie von Österreich. Das Tagebuch der Lieblingstochter von Kaiserin Elisabeth 1878 – 1899, München 1998, S. 75. 44 Hamann, Elisabeth, S. 443. 45 Heinrich Friedjung, Geschichte in Gesprächen. Aufzeichnungen 1898 – 1919 (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 87), Franz Adlgasser/Margret Friedrich (Hrsg.), Band 2, Wien – Köln – Weimar 1997, S. 293.

Seite 19 überhöht und metaphorisch zu verstehen sind. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass in den Verszeilen ein gewisser Kern an Wahrheit zu finden ist.46

Im November 1885 schrieb Elisabeth in Gödöllö das Gedicht ‚Novemberphantasie‘, in dem sie Bezug auf ihre Ehe mit Franz Joseph nahm. Ein paar ausgewählte Strophen zeigen die Beziehung aus der Sicht der Kaiserin:

„[…] In hellen Flammen steht die Brücke, Die mich dereinst mit dir verband; Nur einmal blickt mein Geist zurücke, Eh‘ er auf ewig abgewandt. […] Nur staune nicht, wenn beim Verrichten Nach altem Patriarchenbrauch Der legitimen Ehepflichten Dich streift ein eisigkalter Hauch. Es ist der Geist der alten Liebe, Der zieht mit leisem Flügelschlag An deinem Herze still vorüber, Dass es dir schier erstarren mag.“47 Es kann interpretiert werden, dass Elisabeth Franz Joseph in den ersten Ehejahren zugeneigt war, sich jedoch im Laufe der Zeit von ihm abwandte. Diese Interpretation wird durch die Metapher der brennenden Brücke verdeutlicht. Die Kaiserin nahm zudem Bezug auf ihre ehelichen Pflichten, denen sie nicht mehr nachkommen wollte und ihren Mann deshalb mit eisiger Kälte strafte. In der letzten Strophe wird erneut das Motiv der verflogenen Liebe aufgenommen. Wird diese Interpretation mit anderen Zeugnissen verglichen, so lassen sich durchaus Parallelen finden.

Die Ehe des Kaiserpaares verlief außerdem nicht ohne Affären. Es lassen sich zahlreiche Liebschaften des Kaisers nachweisen, wobei die wohl erwähnenswerteste die Beziehung mit der Schauspielerin Katharina Schratt48, die von 1885 bis zum Tod des Kaisers 1916 aufrechterhalten wurde, ist.49 Diese Liaison des Kaisers wurde von seiner Frau höchstpersönlich in die Wege geleitet und unterstützt. Natürlich tat Elisabeth dies nicht, ohne einen Nutzen daraus zu ziehen. Sie konnte sich durch die Verbindung mehr Freiräume schaffen, konnte vereisen und sich ihren zeitintensiven Beschäftigungen widmen.50

46 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 274 – 275. 47 Brigitte Hamann (Hrsg.), Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch (Fontes Rerum Austriacarum. Österreichische Geschichtequellen. Erste Abteilung. Scriptores 12), Wien 1984, S. 105 – 106. 48 Katharina Schratt (* 11. September 1853 in Baden bei Wien; † 17. April 1940 in Wien) 49 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 276. 50 Ebd., S. 280 – 281.

Seite 20 Paul Schlenther51, Burgtheaterdirektor in Wien, äußerte sich zu dem Verhältnis von Kaiser Franz Joseph und der Schauspielerin in einem Gespräch im März 1901, das er mit Heinrich Friedjung52 führte:

„[…] Die Schratt heitert den Kaiser auf, ihr Umgang ist die beste Erholung für ihn, sie ist ihm unentbehrlich. […] Die Schratt ist nicht etwa witzig, aber sie ist eine so prächtige Kernnatur, daß schon die Art, wie sie spricht, jedermann erheitert. […] Die Kaiserin nun hatte das Verhältnis gerne gesehen, da es dem Kaiser wohltue.“53 Dass die Kaiserin mit der Affäre einverstanden war, beweisen auch die Worte, die Elisabeth ihrer Hofdame Festetics gesagt haben soll: „Sie begreife sehr wohl, daß der Kaiser in Gesellschaft der Frau Schratt Aufheiterung suche. Sie selbst sei eine alte Frau und eine traurige Frau, und bei ihr finde der Kaiser nicht die Zerstreuung auf die er nach anstrengender Arbeit Anspruch habe.“54

2.2.1.4. Erziehung der nächsten Generation

Als wichtigste Pflicht der Kaiserin galt die schnellst mögliche Geburt eines Thronfolgers. Es dauerte auch nicht lange, bis Elisabeth zwei Monate nach der Heirat im Alter von sechzehn Jahren ihr erstes Kind erwartete.55 Am 5. März 1855 kam das erste Kind des Kaiserpaares auf die Welt, ein Mädchen, das auf den Namen Sophie getauft wurde.56 Bald nach ihrer Geburt wurde Elisabeth erneut schwanger und gebar am 15. Juli 1856 ihr zweites Kind. Gisela, wie das Kind getauft wurde, wurde – wie auch Sophie – umgehend der Aufsicht der Großmutter unterstellt.57

Knapp zwei Jahre später, am 21. August 1858, erhielt das Kaiserreich endlich den lang ersehnten männlichen Thronfolger, der den traditionsreichen Namen Rudolf erhielt.58 Die Strapazen der Geburt belasteten Elisabeth noch lange danach. Sie litt unter wiederholten Fieberschüben und Milchandrang, da ihr das eigenständige

51 Paul Schlenther (* 20. August 1854 in Insterburg; † 30. April 1916 in Berlin) 52 Heinrich Friedjung (* 18. Januar 1851 in Roschtin, Mähren; † 14. Juli 1920 in Wien) war Historiker und Journalist. Er zeichnet sich durch zahlreiche historische und politische Schriften aus, führte Inter- views und verarbeitete die Informationen in seinen Werken weiter. 53 Heinrich Friedjung, Geschichte in Gesprächen. Aufzeichnungen 1898 – 1919 (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 87), Franz Adlgasser/Margret Friedrich (Hrsg.), Band 1, Wien – Köln – Weimar 1997, S. 376. 54 Friedjung, Geschichte in Gesprächen, Band 2, S. 295. 55 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 32. 56 Egon Caesar Conte Corti, Elisabeth. »Die seltsame Frau«. Nach dem schriftlichen Nachlass der Kaiserin, den Tagebüchern ihrer Tochter und sonstigen unveröffentlichten Tagebüchern und Doku- menten, Graz – Salzburg 291941, S. 64. 57 Hamann, Elisabeth, S. 107. 58 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 33.

Seite 21 Stillen nicht gestattet wurde. Im Kaiserhaus war es üblich, dass eine Amme ausgewählt wurde, um diese Tätigkeit zu verrichten.59

Um die Situation objektiv beurteilen zu können, muss vor Augen gehalten werden, dass die Kindeserziehung im 19. Jahrhundert und im 21. Jahrhundert keineswegs miteinander vergleichbar sind. Es wurden Erzieher, Ammen, Vorsteher der Kindeskammer und die sogenannte Aja60, für die Kinder eingestellt. Diese Personen stellten für die Kinder wichtige Bezugspersonen dar, denn die Eltern waren häufig auf Reisen und mit politischen oder repräsentativen Aufgaben ausgelastet, weshalb die Eltern nur sehr wenig Zeit mit ihrem Nachwuchs verbringen konnten.61

Am 22. April 1868 bekam Elisabeth in Ofen (Ungarn) ihr viertes Kind, ein Mädchen, das auf den Namen Marie Valerie getauft wurde.62

Elisabeths Erziehung kann exemplarisch an Rudolfs Einstellung gegenüber dem Hof nachgezeichnet werden. In Wahrheit konnten weder Rudolf, noch seine Mutter Elisabeth mit dem strengen Hofleben umgehen, weshalb sie sich immer wieder dagegen auflehnten. Auf einer Studienreise 1877 verfasste der junge Rudolf gemeinsam mit seinem Lehrer Carl Menger eine Broschüre mit dem Titel ‚Der österreichische Adel und sein constitutioneller Beruf. Mahnruf an die aristokratische Jugend‘. Dieses Werk wurde 1878 anonym in München veröffentlicht. Der Autor blieb bis nach Rudolfs Tod unbekannt und auch die Kaiserfamilie wusste demnach vorerst nicht, dass die Broschüre eigentlich von Rudolf stammte. Der junge Thronfolger spricht sich in dieser Schrift für eine konstitutionelle und parlamentarische Regierungsform aus und übt Kritik an den vorherrschenden Zuständen bei Hof und an der Hofgesellschaft.63

2.2.1.5. Elisabeth und ihre Schwiegermutter Erzherzogin Sophie

Besonders das Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter Sophie machte Elisabeth zu schaffen. Immer wieder ließen sich Reibungspunkte aufgrund der kontroversen Ansichten zwischen den beiden Frauen finden. Sophie wollte Elisabeth zu einer

59 Hamann, Elisabeth, S. 125. 60 Aja ist eine Bezeichnung aus dem Spanischen für ein Kindermädchen, das sich um die Betreuung, Kinderpflege und Erziehung adeliger Kinder bis zum sechsten Lebensjahr kümmerte. Bei den Knaben wurde die Aja durch einen Ajo abgelöst, der sich um die Ausbildung der Söhne kümmerte. 61 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 33 – 34. 62 Conte Corti, Elisabeth, S. 207. 63 Brigitte Hamann (Hrsg.), Kronprinz Rudolf. Majestät, ich warne Sie… Geheime und private Schrif- ten, Wien – München 1979, S. 19 – 20.

Seite 22 pflichtbewussten Regentin erziehen und stieß bei der jungen Kaiserin auf Widerstand. Der Kaiser stand meistens zwischen diesen konträren Standpunkten und wollte sich nicht auf eine Seite stellen.64

Die Kaisermutter mischte sich bereits während der Hochzeitsvorbereitungen intensiv in das Leben ihrer künftigen Schwiegertochter ein. Sophie kritisierte beispielsweise Elisabeths Körperhygiene, denn eine zukünftige Kaiserin sollte eine bessere Zahnreinigung betreiben. Vor der Hochzeit pflegten die beiden Schwestern Ludovika und Sophie regen Kontakt und tauschten sich über die Ausstattung der Braut aus. Der Druck, der auf die zukünftige Kaiserin zukam, ging nicht spurlos an ihr vorüber. Elisabeth konnte mit den immer höher werdenden Erwartungen schlecht umgehen. Das ständige Probieren von neuen Kleidern, die zahlreichen Juwelen und die plötzlich auftretende Einengung verunsicherten und betrübten das junge Mädchen. Die Tatsache, dass Ludovika die Hochzeit in den Juni verschieben wollte, damit der Großteil der Adeligen, der während der Sommermonate die Stadt verließ, nicht anwesend sei, damit ihre schüchterne Tochter nicht mit so vielen Gästen konfrontiert sein würde, streicht die prekäre Situation deutlich hervor. Dieses Anliegen blieb Ludovika jedoch verwehrt, da eine Kaiserin, so die Argumentation der Verantwortlichen, bereits bei der Hochzeit Präsenz zeigen müsse.65

Kaiser Franz Josef schrieb seiner Mutter am 17. Oktober 1853 anlässlich seines Besuches in Possenhofen bei seiner Verlobten:

„[…] Alle Tage liebe ich Sisi mehr und immer überzeuge ich mich mehr, daß keine für mich besser passen kann als sie. Nebst vielen wichtigeren guten Eigenschaften reitet sie scharmant, wovon ich mich jedoch, Ihrem Wunsch gemäß, erst einmal überzeugte. Ich habe, wie Sie es mir rieten, die Schwiegermama gebeten, daß Sisi nicht zu viel reiten möge, doch, glaube ich, wird es schwer durchzusetzten sein, da Sisi es ungerne aufgibt. Es schlägt ihr übrigens sehr gut an; denn sie hat seit Ischl noch zugenommen und sieht jetzt nie übel aus. Ihre Zähne sich auch, dank Ihrer Fürsorge, ganz weiß geworden, so daß sie wirklich allerliebst ist. […]“66 Die Bevormundung Elisabeths durch ihre Schwiegermutter bereits vor der eigentlichen Vermählung wird anhand dieses Zitats deutlich. Die Kaisermutter richtete dem Paar eine prunkvoll ausgestattete Wohnung in der Wiener Hofburg ein,

64 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 28 – 29. 65 Hamann, Elisabeth, S. 47 – 49. 66 Franz Schnürer (Hrsg.), Briefe Kaiser Franz Josephs I. an seine Mutter 1838 – 1872, München 1930, S. 215 – 216.

Seite 23 die mit ihrem eigenen Wohnbereich verbunden war. Dadurch konnte Sophie den Überblick bewahren und das Kaiserpaar besser beaufsichtigen.67

Elisabeth wurde nach ihrer Heirat permanent darauf hingewiesen, sich standesgemäß zu benehmen. Wenn sie sich unschicklich verhielt, waren Erzherzogin Sophie oder eine der zahlreichen Bediensteten wie die Obersthofmeisterin Gräfin Sophie Esterházy68 vor Ort, um die junge Kaiserin umgehend zu verbessern.69

Mit Elisabeths erster Schwangerschaft wurde Sophie noch strenger und verbot der Kaiserin zahlreiche Beschäftigungen wie das Reiten, um Mutter und Kind zu schützen.70 Wie unwohl sich die junge Elisabeth damals fühlte, belegt ein Brief des Kaisers an seine Mutter vom 17. Juli 1854: „Sisi konnte nicht erscheinen, da sie gestern recht miserabel war. Sie mußte schon aus der Kirche weg und erbrach sich dann mehrere Male, auch litt sie an Kopfweh und brachte fast den ganzen Tag auf ihrem Bette liegend zu […].“71

Elisabeth, die ohnehin als sehr schüchtern und zurückhaltend galt, versuchte ihren schwangeren Zustand vor der Öffentlichkeit zu verbergen, indem sie ihre Korsage enger schnüren ließ und tagelang nichts aß. Erzherzogin Sophie tolerierte dieses Verhalten nicht, da sie sich an den Grundsatz hielt: „Der Kaiser gehört seinem Volk ebenso wie das Volk ihm, seine Fruchtbarkeit, seine Nachkommenschaft sichern die Stabilität und die Macht.“72 Sophie wollte, dass ihre Schwiegertochter täglich im Park in Laxenburg spazierte, damit das Volk die Schwangere beäugen konnte. Dazu ließ die Kaisermutter sogar die Tore des Parks öffnen.73 In dem Tagebucheintrag vom 14. Juni 1873 von Marie Festetics74 berichtete diese über einen Besuch mit der Kaiserin in Laxenburg, bei dem Elisabeth Festetics ihre Erlebnisse, die ihr im Schloss widerfuhren, schilderte:

„Kaum kam sie an, schleppte sie mich nach unten und erklärte, es sei meine Pflicht, meinen Bauch zu produciren, damit das Volk sieht, daß es wahr ist, daß

67 Hamann, Elisabeth, S. 50. 68 Sophie Esterházy-Liechtenstein (* 5. September 1798 in Wien; † 17. Juni 1869 in Wien) 69 Hamann, Elisabeth, S. 86. 70 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 32. 71 Schnürer, Briefe Kaiser Franz Josephs I., S. 227. 72 Johannes Thiele, Elisabeth. Das Buch ihres Lebens, München 1998, S. 191. 73 Thiele, Elisabeth, S. 190 – 191. 74 Maria Theresia Festetics, Gräfin von Tolna (* 20. Oktober 1839 in Tolna, Ungarn; † 17. April 1923 in Söjtör, Ungarn) gehörte zu den beliebtesten Hofdamen der Kaiserin Elisabeth. Ihr Tagebuch gehört zu den wichtigsten Zeitzeugnissen aus der Zeit der Kaiserin.

Seite 24 ich schwanger bin. Es war grauenhaft! Im Vergleich dazu war es eine Wohltat, allein zu sein und weinen zu dürfen.“75 Bereits nach kurzer Zeit weigerte sich Elisabeth aus Scham, das Haus zu verlassen. Sie wollte sich dem Wunsch von Sophie, in der Öffentlichkeit präsent zu sein, nicht länger beugen. Dieser Umstand verhärtete die Fronten im bereits angespannten Verhältnis der beiden Frauen zunehmend.76

Die Kaisermutter ließ bereits im Vorhinein das Kinderzimmer neben ihren Gemächern einrichten, welches für Elisabeth nur schwer und über schmale Stiegen erreichbar war.77 Elisabeth wurde dadurch bereits nach der Geburt jegliche Entscheidungsfreiheit über ihr Kind genommen.78 Wie bereits erwähnt, kam auch Gisela, das zweite Kind, in die Obhut der Schwiegermutter. Die Kaisermutter war davon überzeugt, dass Elisabeth noch nicht reif genug und fähig wäre, ihre Kinder nach den hofüblichen Regeln zu erziehen, da sie diese selbst nicht besäße. Elisabeth war mit Sophies Entscheidungen jedoch nicht einverstanden, weshalb das Thema Kindererziehung häufig für Diskussionsbedarf zwischen den beiden Frauen sorgte.79

2.2.2. Kritik 2.2.2.1. Kritik am Hofleben

Zusätzlich zu den Problemen mit der Schwiegermutter musste sich Elisabeth immer wieder in der Adelsgesellschaft beweisen. Diese Versuche des Gefallens missglückten aber meist, denn es wurde bemängelt, dass die Kaiserin das Hofzeremoniell nicht verstünde, nicht gut tanzen könne und für die höfische Welt generell zu wenig Bildung besitze. Auch wenn Intelligenz bei Hof anders definiert wurde, war Elisabeth keineswegs ungebildet. Die Kaiserin beschäftigte sich seit dem

75 Gudula Walterskirchen/Beatrix Meyer, Das Tagebuch der Gräfin Marie Festetics. Kaiserin Elisabe- ths intimste Freundin, St. Pölten – Salzburg – Wien 2014, S. 133. Anmerkung: Es lassen sich Abwei- chungen zu Hamanns bearbeiteten Tagebucheintrag der Gräfin finden. (Siehe hierzu: Elisabeth, S. 97) Dies liegt höchstwahrscheinlich daran, dass die Handschrift schwer zu entziffern war, da häufig nicht in ganzen Sätzen, sondern Notizform geschrieben wurde. Es wurden keine Satzzeichen, son- dern beliebig Gedankenstriche verwendet. Zudem sind die Einträge in unterschiedlichen Sprachen verfasst worden. Es können Teile in Deutsch, Ungarisch, Französisch und Englisch gefunden werden. Siehe hierzu: Walterskirchen/Meyer, Das Tagebuch der Gräfin Marie Festetics, S. 8. 76 Thiele, Elisabeth, S. 191. 77 Hamann, Elisabeth, S. 97. 78 Conte Corti, Elisabeth, S. 64. 79 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 33.

Seite 25 Kindheitsalter mit Literatur und Geschichte, doch diese Themen wurden bei Hof nicht anerkannt und hatten einen niedrigen Stellenwert.80

Wie sehr sich Elisabeth durch das strenge Leben am Hof ihrer Freiheit beraubt fühlte, zeigt sich in einem von ihr verfassten Gedicht mit dem Titel ‚Der gefangene Vogel‘.81 Sie vergleicht darin ihr Leben am Hof mit dem eines eingesperrten Vogels:

„Umsonst muß ich zum Himmelsblau, Gefangen, eingekerkert, schmachten. Die Eisenstäbe, kalt und rauh, Mein bitt’res Heimweh schnöd verachten. Im Seufzen springt bald meine Brust: Ihr könnt mich lange nicht mehr halten. – O überschwenglich süße Lust, Die geist’gen Schwingen zu entfalten.“82 Elisabeth musste, wenn auch ungern, die Umstände akzeptieren. Sie vermisste ihre Familie, die Natur und die Ungezwungenheit, mit der sie in Possenhofen aufgewachsen war. Diese Zustände, welche der Kaiserin zu schaffen machten, wandelten sich allmählich sogar in Angstzustände und Krankheiten um. Die junge Aristokratin war es nicht gewohnt, dauerhaft Bedienstete um sich zu haben, die ihr alle möglichen Aufgaben abnahmen, da sie zur Eigenständigkeit erzogen worden war.83

In dem von Kaiserin Elisabeth verfassten Gedicht mit dem Titel ‚Hofball‘ vom 20. Jänner 1887 kann die Abneigung gegen den Wiener Hof deutlich herausgelesen werden. Es werden sogar Personen namentlich erwähnt und mit verachtenden Worten beschrieben:

„Ach! wie endlos lange Stunden Hab ich, Meister, Dich entbehrt! Und mein Hirn, wie ward‘s geschwunden Und mit Blödigkeit genährt! […] Ja, wir krochen Ihrem Zaren In die Nasenlöcher schier; Und doch thut er sich gebaren Gegen uns jetzt, wie ein Tier. […] Doch mein Körper nur, der rastet; Denn mein vielgeplagter Geist wird noch ärger jetzt belastet und mit Wiener Tratsch gespeist.

80 Hamann, Elisabeth, S. 100 – 101. 81 Conte Corti geht davon aus, dass das Gedicht zirka im April 1854 verfasst wurde. 82 Conte Corti, Elisabeth, S. 58. 83 Hamann, Elisabeth, S. 83 – 84.

Seite 26 Nah’n ja doch die höchsten Namen Unsrer Aristokratie, Sternkreuz- und Palastes Damen; (Fett und meistens dumm sind sie). […]“84 Bereits in der ersten Strophe kann erkannt werden, dass Elisabeth nicht sonderlich viel von den höfischen Festivitäten hielt. Die Verszeilen ‚Und mein Hirn, wie ward‘s geschwunden‘ und ‚Und mit Blödigkeit genährt‘ verdeutlichen, dass Elisabeth die Themen der Gäste als verblödend erachtete. In einer weiteren Strophe geht sie auf den Klatsch des Adels ein und beschreibt diesen sogar als belastend. Elisabeth hielt sich mit ihren Beleidigungen nicht zurück und bezeichnete einige hochadelige Damen sogar als ‚dumm‘ und ‚fett‘.

Elisabeth war zeitlebens dem Wiener Hof gegenüber kritisch eingestellt. Völlig gleichgültig war ihr die adelige Rangordnung. Die Kaiserin nutzte ihre Position aus und sorgte dafür, dass die Obersthofmeisterin Gräfin Sophia Esterházy 1864 entlassen und durch Elisabeths Hofdame Gräfin Bellegarde85 ersetzt wurde. Dieses Vorgehen führte in der vornehmen Hofgesellschaft zu Entsetzen und Verärgerung.86

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Elisabeth dem sogenannten ‚Sternkreuz-Orden‘ angehörte und als Kaiserin die Funktion der ‚Ordensschutzfrau‘ innehatte. Der Orden bestand ausschließlich aus Frauen des Hochadels, die einen makellosen Stammbaum nachweisen konnten. Elisabeth fand immer wieder kritische Worte in ihrem poetischen Tagebuch und verabscheute derartige Gemeinschaften. Die Mitgliedschaft des Ordens gehörte zu den Aufgaben der Kaiserin, allerdings macht ihre Kritik klar, was sie davon hielt. Es kann jedoch nicht genau gesagt werden, ob Elisabeths Ablehnung aus voller Überzeugung resultierte, oder ihre Abneigung mit der elterlichen Erziehung und Elisabeths Verlangen nach Freiheit und Selbstbestimmung in Bezug zu stellen ist.87

Die Auflehnung und die Kritik von Elisabeth und Rudolf bewegten jedoch nichts. Die Macht der Aristokratie blieb bestehen. Elisabeth kritisierte zwar die Gepflogenheiten des Adels, ihre Verpflichtungen als Kaiserin und das Hofprotokoll. Wird jedoch ihr Lebensstandard betrachtet, fällt deutlich auf, dass Elisabeth das luxuriöse Leben gern lebte und auskostete. Ein Widerspruch in sich.

84 Hamann, Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch, S. 153 – 159. 85 Pauline Marie Gräfin von Königsegg zu Aulendorf (* 2. April 1830 in Wien; † 27. Mai 1912 in Mün- chen) 86 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 33. 87 Ebd., S. 33 – 35.

Seite 27 Im Großen und Ganzen hatte Hamann recht, als sie feststellte:

„Freilich verfügten weder die Kaiserin noch der Kronprinz über irgendwelche reelle Macht. Da sie gegen den höfischen Apparat erfolglos blieben, zogen sie sich zurück: Elisabeth auf weite Reisen, der Kronprinz in eine anonyme Opposition, in der er sich letzten Endes selbst verbrauchte.“88 2.2.2.2. Elisabeth – Gegnerin der Monarchie? Grundsätzlich kann durch Auszüge aus Elisabeths Gedichten festgehalten werden, dass sie der Meinung war, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse würden nicht von Dauer sein.89 Die Kaiserin wusste sehr wohl, dass die sozialen Strukturen in ihrem Land schlecht waren. Verdeutlicht wird das durch den nachfolgenden Auszug aus dem von Marie Louise von Larisch-Wallersee90, der Nichte von Kaiserin Elisabeth, veröffentlichen Werk:

„Warum soll das Volk, ich meine das arme, niedrige Volk uns lieben, uns, die wir im Überfluß, im Glanze leben, während die anderen bei schwerer Arbeit kaum das tägliche Brot haben und darben? Unsere Kinder in Samt und Seide – die ihrigen oft in Lumpen! Sicherlich kann man nicht allen helfen, mag noch so viel geschehen, um Not zu lindern. Dennoch bleibt die Kluft! […] Jedem einzelnen möchte ich helfen, ja, oft möchte ich tauschen mit der ärmsten Frau. Aber das ‚Volk‘ als Masse fürchte ich. Warum? Ich weiß es nicht. Und unsere ‚Sippe‘! Die verachte ich mit all den Firlefanz um uns herum. Gern möchte ich zum Kaiser sagen: ‚Das beste wäre, Du bleibst zu Haus, Hier im alten Kyffhäuser. Bedenke ich die Sache ganz genau, So brauchen wir keinen Kaiser!‘“91 „Elisabeth war also ein freier liberaler Geist, der gegen ein festes, konservatives System kämpfte.“92 Die Kaiserin ‚kämpfte‘ nicht bewusst für eine Veränderung in ihrem Land, sondern äußerte sich mit ihrer Kritik an der Monarchie. Insgesamt war ihr politisches Interesse nicht so weit ausgereift, als dass sie eine Veränderung forderte und dafür auch eingestanden wäre. Dass sie über die sozialen Probleme in ihrem Reich Bescheid wusste, aber keine Verbesserungsmaßnahmen traf, spricht Bände in Bezug auf Elisabeths Engagement.

88 Hamann, Der Wiener Hof und die Hofgesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 68. 89 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 72. 90 Marie Louise Elisabeth Freiin von Wallersee, geborene Marie Louise Elisabeth Mendel, verheiratete Gräfin von Larisch-Moennich, in zweiter Ehe Marie Brucks, in dritter Marie Meyers (* 24. Februar 1858 in Augsburg; † 4. Juli 1940 ebenda) 91 Marie Louise von Wallersee, Kaiserin Elisabeth und ich. Nachdruck des Originals von 1935, Pader- born 2012, S. 253. 92 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 73.

Seite 28 Die Haltung des Kaiserpaares zum Militär konnte konträrer nicht sein. Der Kaiser, der bereits als Kind militärisch gedrillt wurde, und die Kaiserin, die alles Militärische strikt ablehnte. Elisabeth weigerte sich, auf militärischen Paraden aufzutreten und im Falle eines Zusammentreffens begegneten sich Elisabeth und die Militärs mit beiderseitiger Zurückhaltung. Die Kaiserin war dafür bekannt, mit kleinen Spitzen gegen das Heer zu provozieren. Als Beispiel gilt jene Parade, an der sie mit ihrem Pferd namens ‚Nihilist‘ teilnahm. Ihre Ansichten bezüglich des Militärs hielt sie auch in ihren Gedichten fest.93 So auch im bereits erwähnten Gedicht ‚Hofball‘ vom 20. Jänner 1887:

„[…] Schweden, o, da geht’s schon besser! Sieht man ordentlich mit Neid, Wie, dort über dem Gewässer, Glücklich sind die braven Leut‘.

Konnt‘ ihr Herrscher stolz gestehen, Dass Millionen er erspart, Freilich fehlen dort Armeen Und Kanonen aller Art.“ 94 Elisabeth kritisierte in diesen Zeilen die österreichische Monarchie und hebt das Land Schweden positiv hervor. Sie hielt fest, dass der Kaiser hohe Kosten einsparen könne, wenn er nur auf das Militär verzichten würde. Das schwedische Volk ist im Gegensatz zu dem österreichischen glücklich und werde nicht mit zahlreichen Kriegen und Kriegsgeräten übersät. Die Kaiserin kann demzufolge als Pazifistin bezeichnet werden.

2.2.3. Widerstand 2.2.3.1. Rückzug – eine Flucht vor der Öffentlichkeit und dem Hofleben

2.2.3.1.1. Introversion und ‚Kränkeleien‘? Elisabeth hatte bereits seit ihrer Heirat Probleme, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, was auf ihre Schüchternheit zurückgeführt werden kann. Dieser Umstand änderte sich bis zu ihrem Lebensende nicht und Elisabeth wurde sogar eher zunehmend menschenscheu.95.

93 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 60 – 61. 94 Hamann, Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch, S. 157 – 158. 95 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 49 – 50.

Seite 29 Die preußische Kronprinzessin Victoria beschrieb Elisabeth am 17. Dezember 1862 ihrer Mutter, der Queen von England96, nach einem Treffen in Wien kritisch:

„Sehr scheu und schüchtern (timid), spricht sie wenig. Es ist wirklich schwierig, ein Gespräch mit ihr in Fluß zu erhalten, denn sie scheint sehr wenig zu wissen und nur geringe Interessen zu haben. Die Kaiserin singt weder, noch zeichnet sie oder spielt Klavier und redet kaum von ihren Kindern. […] Der Kaiser scheint in sie vernarrt zu sein, aber ich habe nicht den Eindruck, daß sie es in ihn wäre. Er scheint höchst unbedeutend, sehr schlicht und einfach und sieht, was man nach seinen Gemälden und Photographien nicht glauben würde, alt und runzelig aus, während ein rötlicher Schnurrbart und seine Cotlettes ihm sehr schlecht stehen. Franz Joseph ist sehr wenig oder besser gar nicht gesprächig, alles in allem außerordentlich unbedeutend […].“97 Elisabeth erwarb in ihrer Kindheit nicht die Fähigkeiten, welche die Frau eines mächtigen Herrschers innehaben sollte. Die Kritik der adeligen Gesellschaft an der jungen Elisabeth wuchs im Laufe der Zeit und besserte sich auch durch Elisabeths ablehnendes Verhalten gegenüber dem Wiener Hof nicht.98

Zahlreiche Vorfälle, wie das Gerücht um die Liebschaften des Kaisers, führten dazu, dass die Kaiserin beschloss, sich endgültig quer zu stellen. Sie arrangierte aus Provokation einige kleinere Bälle, ohne ihre Schwiegermutter einzuladen. Mit derartigen Seitenhieben stellte Elisabeth ihre Unzufriedenheit öffentlich zur Schau. Die Dispute der beiden Frauen fanden 1860 durch Elisabeths fluchtartigen Aufbruch mit ihrer Tochter nach Possenhofen ihren Höhenpunkt.99

Die Ursachen für die mentalen und körperlichen Probleme der Kaiserin waren laut Hamann klar „ausgelöst durch Nervenkrisen und ständige Hungerkuren“100, wobei die Diagnose und das Krankheitsbild bis heute keine eindeutigen Schlüsse zulassen. Die Schwangerschaften schwächten Elisabeths Körper sehr. Sie hatte ständig Hustenanfälle, litt unter Blutarmut, weigerte sich vernünftig zu essen und strapazierte ihren Körper zusätzlich mit stundenlangen Märschen, exzessiven Ritten und anstrengenden Turnübungen. Im Oktober 1860 stellte der Arzt Dr. Josef Skoda101 die Diagnose, dass die Kaiserin an einer Lungenkrankheit leide. Aufgrund der

96 Victoria, Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland (* 24. Mai 1819 im Kensington Palace, London; † 22. Jänner 1901 in Osborne House, Isle of Wight). Ihre gleichnamige Tochter Victoria von Preußen wird in einem späteren Kapitel genauer behandelt. 97 Egon Caesar Conte Corti, Wenn… Sendung und Schicksal einer Kaiserin, Graz – Wien – Köln ²1954, S. 160. Entnahm dies aus: Victoria an die Queen, Wien, 17. Dezember 1862. 98 Thiele, Elisabeth, S. 184 – 185. 99 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 39. 100 Hamann, Elisabeth, S. 147. 101 Josef Skoda (* 10. Dezember 1805 in Pilsen; † 13. Juni 1881 in Wien) war ein böhmisch- österreichischer Mediziner und internistischer Kliniker.

Seite 30 lebensbedrohlichen Umstände wurde Elisabeth ein längerer Aufenthalt auf Madeira verordnet. Warum die Entscheidung gerade auf diese Insel gefallen war, bleibt unklar. Fakt ist jedoch, dass Elisabeths Schwager Erzherzog Max kurze Zeit zuvor auf Madeira war und voller Enthusiasmus von Portugal berichtete. Daher scheint es plausibel, dass die Kaiserin selbst über den Ort ihrer Genesung entschieden hatte.102 Hamann geht sogar noch einen Schritt weiter indem sie die Theorie annimmt, dass „Elisabeth mit diesem fernen Ziel häufige Besuche des Kaisers verhindern“103 wollte. Diese Einschätzung mag wohl in Anbetracht der Tatsache, dass es in den südlichen Teilen Österreichs durchaus auch ein passendes Klima gegeben hätte, gar nicht so falsch gewesen sein.104

Die Gesellschaft bei Hof war von der gestellten Diagnose nicht überzeugt und es breitete sich das Gerücht einer Ehekrise aus. Der Kaiser fuhr nach Bad Ischl auf die Jagd, während Elisabeth ihren negativen Befund erhielt, was das Gerücht als noch wahrscheinlicher erscheinen ließ.105 In jedem Fall war es Elisabeth durch ihre Krankheit möglich, Abstand vom Wiener Hof zu gewinnen. Wie schlecht es der Kaiserin wirklich ging, und ob akute Lebensgefahr bestand, bleibt reine Spekulation.

2.2.3.1.2. Erholungsreise nach Madeira Nach Madeira gelangte man nur mit dem Schiff. Da Elisabeth nicht wie eine normale Bürgerin auf einem Passagierschiff reisen konnte, war der Kaiser aufgrund der Tatsache, kein passendes Transportmittel zur Verfügung stellen zu können, auf Hilfe angewiesen. Königin Victoria von England, welche dem Habsburger Haus verbunden war, bot ihre Yacht ‚Victoria and Albert‘ für die Beförderung der jungen Kaiserin nach Funchal an. Am 17. November 1860 brach Elisabeth von Wien auf, um in Antwerpen die Yacht zu besteigen. Der Kaiser begleitete seine Frau bis Bamberg.106 Interessant war, dass Elisabeth trotz ihrer schweren Krankheit auf der Fahrt nach Antwerpen einen Zwischenstopp machen konnte, um ihre Familie zu besuchen.107

Auf der Insel mietete das Kaiserhaus den Landsitz ‚Quinta das Angústias‘ an, der sich durch einen wunderschönen Meerblick und prächtige Gärten auszeichnete. Elisabeth umgab sich auf der Insel mit großen Hunden, für die sie schon lange

102 Hamann, Elisabeth, S. 147 – 148. 103 Ebd., S. 147. 104 Ebd. 105 Ebd., S. 148. 106 Thiele, Elisabeth, S. 261 – 262. 107 Hamann, Elisabeth, S. 150.

Seite 31 Begeisterung hegte, und ließ sich ein Gehege für ihre Ansammlung von Papageien anlegen. Sie unternahm Ausflüge, spielte Karten und las Bücher. Zudem entschied sie, die ungarische Sprache zu lernen und fand mit Imre Hunyády108 einen geeigneten Lehrer.109

Graf Louis Rechberg schrieb am 12. Februar 1861 aus Funchal einen Brief an seine Tante Pauline Rechberg in dem er den Gesundheitszustand der österreichischen Kaiserin schilderte:

„Die arme Kaiserin […] tut mir schrecklich leid, denn, wirklich ganz unter uns gesagt, finde ich sie sehr, sehr leidend. Ihr Husten jetzt soll in gar keinem Verhältnis besser sein als vor ihrer Reise hieher, sie hustet auch im allgemeinen wenig… Moralisch ist aber die Kaiserin schrecklich gedrückt, beinahe melancholisch, wie es in ihrer Lage wohl nicht anders möglich ist – sie sperrt sich oft beinahe den ganzen Tag in ihrem Zimmer ein und weint. […] Sie ißt schrecklich wenig, so daß auch wir darunter leiden müssen, denn das Essen, vier Speisen, vier Desserts, Kaffee etc., dauert nie über fünfundzwanzig Minuten. In Ihrer Melancholie geht sie nie aus, sondern sitzt bloß am offenen Fenster, mit Ausnahme eines Spazierrittes im Schritt von höchstens einer Stunde.“110 Elisabeths Gesundheitszustand verbesserte sich durch den Aufenthalt auf der portugiesischen Insel.111 Besonders interessant ist, dass die Kaiserin, der immer wieder Desinteresse für ihr Land und dessen Probleme unterstellt wurde, Informationen über die politische Lage in Österreich einholte. Von ihrem Mann erhielt sie diese Auskünfte nicht, weshalb sie den Generaladjutanten Karl Ludwig Grünne112 damit beauftragte, ihr die gewünschten Informationen zukommen zu lassen.113

Im Frühjahr 1861 schien sich die Lunge der Kaiserin weitestgehend erholt zu haben und auch ihrer Psyche ging es besser. Daher stand einer Abreise nach Wien nichts mehr im Wege. Am 28. April 1861 stach Elisabeth erneut mit der Yacht von Queen Victoria in See, wobei sie sich dazu entschloss, einen Umweg über Spanien, Malta und Korfu zu nehmen. Der Kaiser und sein Bruder fuhren Elisabeth bis nach Triest entgegen, wo sie die Kaiserin feierlich empfingen. Am 25. Mai 1861 traf die

108 Imre Hunyády (*1827; † 1902) 109 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 41 – 42. 110 Conte Corti, Elisabeth, S. 110. Entnahm dies aus: Brief von Graf Louis Rechberg an seine Tante Pauline Rechberg, Funchal auf Madeira, 12. Februar 1861, aus dem Archiv der Gräfin Gabriele Rech- berg, Enns. 111 Hamann, Elisabeth, S. 154. 112 Karl Ludwig Grünne, Graf von Pinchard (* 25. August 1808 in Wien; † 15. Juni 1884 in Baden) war ein österreichischer General. 113 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 42.

Seite 32 Kaiserfamilie in Wien ein.114 Elisabeth kehrte Jahrzehnte später erneut nach Madeira zurück und verbrachte den Winter 1893-94 dort.115

Als Elisabeth von ihrer langen Portugalreise nach Wien zurückkam, dauerte es lediglich vier Tage, bis ihre gesundheitlichen Beschwerden erneut auftraten. Ob Elisabeths Symptome nur mit dem Druck, der als Kaiserin auf ihr lastete, in Kombination mit dem nasskalten Klima ausgelöst wurden, ist nicht klar nachvollziehbar. Das Krankheitsbild sorgte auf jeden Fall dafür, dass die Kaiserin genügend körperlichen Abstand von ihrem Mann erhielt. Inwiefern die Krankheit in Zusammenhang mit Elisabeths Eheproblemen stand, bleibt reine Spekulation. Jedenfalls diagnostizierte Dr. Skoda erneut eine lebensgefährliche Lungenschwindsucht, deren Behandlung umgehend ein milderes Klima erforderte. Korfu wurde von dem Arzt als neuer Heilungsort empfohlen, wobei wiederum Elisabeth an der Entscheidung beteiligt gewesen sein wird. Die Insel Korfu war nämlich, wie auch Madeira, nicht als Kurort zur Behandlung von Lungenkrankheiten bekannt. Zudem wollte die Kaiserin bei ihrem ersten Besuch ohnehin länger in Korfu bleiben, doch dieser Wunsch wurde ihr vorher verwehrt.116

2.2.3.1.3. Erholungsreise nach Korfu Elisabeths Schwester Helene reiste als Begleitung im Jahr 1861 nach Korfu mit. Die Frauen unternahmen gemeinsam ausgedehnte Spaziergänge, Ausflüge an die albanische Küste und gingen in das private Badehaus von Elisabeth. Des Weiteren schaffte es Helene, ihre Schwester dazu zu bewegen, täglich mehrmals Fleisch zu essen und Bier zu trinken. Dieser Umstand war in Anbetracht von Elisabeths Appetitlosigkeit keine Selbstverständlichkeit.117 Über die Genesung freute sich auch Franz Joseph, der seiner Mutter am 30. September 1861 aus Laxenburg schrieb:

„Helene hat mit Gottlob recht gute Nachrichten von Sisi gebracht. Sie hustet wohl noch etwas, sah aber bei Helenes Abreise wieder recht gut aus, da sie durch Helene, die über ihr aufgedunsenes und blasses Aussehen sehr erschrocken war, dazu gebracht wurde, jetzt dreimal des Tages Fleisch zu essen und vier Gläser Bier zu trinken. Sie war auch recht heiter, sah oft Leute bei Tisch und machte einige Ausflüge per Dampfschiff sowie im Boote und zu Wagen. Die letzte ärztliche Untersuchung hat auch kein Fortschreiten des Übels gezeigt.“118

114 Thiele, Elisabeth, S. 270 – 272. 115 Robert Holzschuh, Chronologie der Aufenthalte. Der Lebensweg Kaiserin Elisabeths, in: Brigitte Hamann/Elisabeth Hassmann (Hrsg.), Elisabeth. Stationen ihres Lebens, Wien – München 1998, S. 30 – 37, hier S. 36. 116 Hamann, Elisabeth, S. 157. 117 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 44. 118 Schnürer, Briefe Kaiser Franz Josephs I., S. 306.

Seite 33 Der Kaiser selbst reiste im Oktober zu seiner Frau. Franz Joseph, der eine gesundheitliche Besserung bei seiner Gattin feststellen konnte, ließ sich schnell von einem längeren Aufenthalt überzeugen, da ihm die Gesundheit seiner Frau sehr wichtig war.119 Aus Korfu schrieb er Erzherzogin Sophie daher am 16. Oktober 1861:

„[…] Sisi ist wirklich viel besser, besonders kräftiger, und sieht sehr gut aus. Sie ist stärker geworden, ist wohl noch ein wenig aufgedunsen im Gesicht, hat aber meistens gute Farben; sie hustet wenig und ohne Brustschmerz, und die Nerven sind viel ruhiger. […] Ich habe Sisi so wohl gefunden, daß ich mich entschlossen habe, sie für dem Winter nach Venedig gehen zu lassen, wo sie doch näher und innerhalb der Monarchie ist, wo ich sie leichter und öfter besuchen und wo sie auch die Kinder sehen kann, nach denen sie sich natürlich sehr sehnt.“120 Ende Oktober 1861 reiste die Kaiserin von Korfu ab und sah nach mehreren Monaten am 3. November 1861 ihre Kinder Gisela und Rudolf in Venedig wieder.121 Elisabeth zog sich während ihres Aufenthaltes in Venedig sehr zurück und verbrachte den Tag in ihrem Palast. Der Kaiser besuchte seine Frau einige Male, doch kann nicht festgestellt werden, ob in dieser Zeit eine Besserung der Spannungen zwischen den Eheleuten erfolgte. Elisabeth wollte mehr Eigenständigkeit gewinnen und frei von ihren Zwängen leben. Die körperliche Verfassung verbesserte sich allerdings immer nur phasenweise und es wurden immer wieder neue Diagnosen für gesundheitliche Probleme attestiert. Inwieweit diese Krankheiten auch wirklich auftraten, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer nachvollziehbar. Es war jedenfalls die Rede von Depressionen, Rheuma, Blutleere, Bleichsucht, Wassersucht und Lungenkrankheiten.122 Die labile Kaiserin konnte teilweise, weil ihre Füße derart geschwollen waren, nicht mehr ohne Hilfe aufstehen und sich fortbewegen. Dieser Umstand deutete auf Kwashiorkor123 hin und machte es der Kaiserin unmöglich, frei und selbstständig zu sein.124 Elisabeth wurde eine erneute Kur angeraten, welche sie nach einem kurzen Halt in Reichenau an der Rax im Mai nach Bad Kissingen führte.125

119 Schad, Elisabeth von Österreich, S. 58. 120 Schnürer, Briefe Kaiser Franz Josephs I., S. 308. 121 Schad, Elisabeth von Österreich, S. 58. 122 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 44 – 45. 123 Kwashiorkor ist eine Form der Protein-Energie-Mangelernährung. 124 Hamann, Elisabeth, S. 164. 125 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 45.

Seite 34 2.2.3.2. Verweigerung 2.2.3.2.1. Missachtung der Verpflichtungen Nach der ersten Phase der Reisetätigkeit von Elisabeth wurde das dafür vorgesehene Budget deutlich überzogen. Die Kaiserin blieb daher, abgesehen von ihrem Kuraufenthalt in Bad Kissingen, bis 1866 in Wien oder Bad Ischl. 126

Dass die Kaiserin immer häufiger ihren eigentlichen Pflichten nicht nachkam, ist bekannt. Sie erfand meist gesundheitliche Vorwände, um repräsentativen Veranstaltungen fern zu bleiben. Elisabeth machte kein Geheimnis daraus, dass sie sich lieber anderweitig beschäftigte, als mit ihrem Mann gemeinsam an Veranstaltungen teilzunehmen.127 Traditionell nahm das Paar am 1. Mai an einer Praterfahrt teil, doch im Jahr 1866 konnte Elisabeth der für sie lästigen Verpflichtung entgehen und schrieb ihrer Mutter am 4. Mai:

„Ich feiere den 1. Mai dieses Jahres nicht auf die gewöhnliche, langweilige Art, sondern bleibe, mich mit meinem Husten entschuldigend, ruhig hier, was im Vergleich angenehmer ist, als mit einer Erzherzogin im Schritt, angegafft von hunderten Menschen, die Allee auf und ab fahren […].“128 Zu den Aufgaben des Kaisers gehörte die Organisation zahlreicher Festlichkeiten wie unter anderem des Neujahrsempfangs, den er alljährlich ausrichten musste. Elisabeth sollte lediglich den Termin für den sogenannten ‚Hofball‘, der üblicherweise gegen Ende Jänner stattfand, festlegen. Der Kaiser richtete sich zeitlich immer mehr nach seiner Frau. Allerdings blieb Elisabeth Veranstaltungen oft fern oder versäumte ihre Pflicht, Termine festzusetzen, weshalb der Kaiser die terminlichen Angelegenheiten eigenständig managen musste.129

Eine weitere Aufgabe der Kaiserin wäre es gewesen, sich um die Förderung der Kultur zu kümmern. Elisabeth nahm zwar meistens an den zwei Hofbällen und der Fronleichnamsprozession teil, besuchte hin und wieder Vereine, die sich karitativ einsetzten, aber sich zusätzlich mäzenatisch für die Kunstszene einzusetzen, verweigerte sie. Politisch gesehen wäre Elisabeths Engagement und Auseinandersetzung mit dem Kunstmilieu von unschätzbarem Wert gewesen, da sich die Vormachtstellung des Hofes verschlechterte und sie durch ihren Einsatz den Hof hätte aufwerten können. Elisabeth kam diesen Pflichten hingegen nicht nach. Kaiser

126 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 46 – 47. 127 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 51. 128 Conte Corti, Elisabeth, S. 156. 129 Martina Winkelhofer, Der Alltag des Kaisers. Franz Joseph und sein Hof, Innsbruck – Wien 2010, S. 110 – 111.

Seite 35 Franz Joseph erkannte die Wichtigkeit der Kunstförderung, hatte jedoch weder die Zeit noch die Begabung, um sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.130 Daher beauftragte der Kaiser Konstantin und Marie Hohenlohe131, sich für die kulturellen Angelegenheiten zu engagieren.132 Das Ehepaar machte sich in künstlerischen Kreisen schnell einen Namen. ArchitektInnen und KünstlerInnen wurden von ihnen beispielsweise für den Bau der Wiener Ringstraße bestimmt und es wurden zahlreiche Salonabende abgehalten, um neue Talente zu entdecken.133

2.2.3.2.2. Verweigerung bei Queen Victoria Nicht nur in ihrer Heimat leistete die Kaiserin Widerstand. Auch während einer ihrer Jagd- und Reitreisen nach Großbritannien verhielt sich Elisabeth nicht standesgemäß, was zu Entsetzen bei Queen Victoria und ihrer Tochter, Kronprinzessin Victoria, führte.

Elisabeth war es zwar möglich, in Österreich oder Ungarn ihrer Freizeitbeschäftigung nachzugehen, allerdings war ihr die Jagd in Gödöllö zu wenig anspruchsvoll und sie sehnte sich nach einer neuen Herausforderung, um ihre Fähigkeiten als Reiterin unter Beweis zu stellen. Als Vorwand für eine Reise nach Großbritannien, die sie im Sommer 1874 antrat, gab die Kaiserin an, dass ihre jüngste Tochter Marie Valerie aus gesundheitlichen Gründen Seebäder brauche, wofür die englische Insel Wight bestens geeignet wäre. Die Kaiserin durfte die Reise problemlos unter dem Pseudonym Gräfin Hohenembs antreten, konnte einen kurzen Besuch bei Königin Victoria allerdings dennoch nicht umgehen. Über die (zu) kurzfristige Anmeldung eines Besuchs von Elisabeth freute sich die englische Königin nicht.134 Den Besuch empfand Elisabeth als lästige Pflichtveranstaltung, denn sie schrieb ihrem Mann am 2. August 1874: „[…] Ich war überhaupt sehr höflich, und alles schien erstaunt darüber. Aber jetzt habe ich auch alles getan. Sie sehen vollkommen ein, daß ich Ruhe haben will, und wollen mich nicht genieren […].“135

130 Winkelhofer, Der Alltag des Kaisers, S. 138 – 139. 131 Konstantin zu Hohenlohe-Schillingsfürst (* 8. September 1828 in Wildeck, Hessen; † 14. Februar 1896 in Wien) war erster Obersthofmeister und General der Kavallerie in Österreich-Ungarn. Marie zu Hohenlohe-Schillingsfürst, geb. Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Ludwigsburg (* 18. Februar 1837 in Woronice; † 21. Januar 1920 auf Schloss Friedstein bei Stainach) 132 Winkelhofer, Der Alltag des Kaisers, S.136 – 137. 133 Ebd., S. 139. 134 Hamann, Elisabeth, S. 331. 135 Conte Corti, Elisabeth, S. 287. Entnahm dies aus: Elisabeth an Franz Joseph, Steephill Castle, Ventnor, Isle of Wight, 2. August 1874.

Seite 36 Dem war nicht so, denn in einem Briefverkehr vom 2. und 3. August 1874 zwischen Queen Victoria und ihrer Tochter Victoria, die beide zur selben Zeit auf der Insel waren, lassen sich durchaus kritische Worte über Elisabeth finden. Die Queen schrieb ihrer Tochter nach einem Treffen mit der österreichischen Kaiserin.

„The Empress136 insisted on coming over to see me today. We are all disappointed. A great beauty I cannot call her. She has a beautiful complexion, a splendid figure, and pretty, small eyes and not a very pretty nose. I dare say that in grand tenue with her fine hair seen to advantage she looks much better. I think Alix much prettier than the Empress.”137 Daraufhin antwortete die preußische Kronprinzessin:

„The Empress of Austria was here yesterday also – she would not take any refreshment we offered, but afterwards we heard that she went to the hotel here at Sandown and dined, which we thought rather funny. She was not looking her best and I think her much gone off since last year but still lovely! She was not dressed to advantage either – because she is really dazzling of an evening. Alix’s features and expression are far prettier – but the Empress is more ‘piquante’ than any lady I have ever seen. The lovely Empress is a very funny person with her arrangements. She sleeps a great part of the forenoon on her sofa – dines at 4 and rides the whole evening quite alone – and never for a shorter time than 3 hours and becomes frantic if anything else is proposed. She does not wish to see a soul – or show herself anywhere. All the same I like her very much and she is very kind to me.”138 2.2.3.3. Elisabeths Machtkampf um die Entscheidungsfreiheit für ihre Kinder

Elisabeths Verhalten änderte sich im Laufe der Zeit, da ihr immer mehr bewusst wurde, welche Macht sie zum einen aufgrund ihrer Stellung als Kaiserin hatte, und welchen Einfluss sie zum anderen auf den Kaiser ausüben konnte, um sich ihre Wünsche zu erfüllen. Einer von Elisabeths ersten Versuchen, um ihren Willen durchzusetzen, war die Verlegung der Kinderzimmer ihrer beiden Töchter Sophie und Gisela, welche sich seit deren Geburten im Wohnbereich der Schwiegermutter befanden. Elisabeth konnte ihren Mann im September 1856 auf einer gemeinsamen Reise durch Kärnten und die Steiermark dazu überreden, die Kinder in ihrer Nähe zu haben139, woraufhin Franz Joseph am 18. September 1856 nach der Rückkehr folgenden Brief an seine Mutter Sophie schrieb:

„[…] Nach reiflicher Überlegung und nachdem ich die Sache nochmals mit Sisi besprochen, bin ich der festen Überzeugung, daß es am besten ist, wenn die Kinder in die Radetzky-Zimmer kommen, wo sie sehr gut und zweckmäßig

136 Gemeint ist die Empress Elizabeth of Austria. 137 Roger Fulford, Darling Child. Private Correspondence of Queen Victoria and the Crown Princess of Prussia 1871 – 1878, London 1976, S. 145. 138 Fulford, Darling Child, S. 145. 139 Hamann, Elisabeth, S. 111.

Seite 37 untergebracht sein werden. […] Ich bitte Sie jedoch inständigst, Sisi nachsichtig zu beurteilen, wenn sie vielleicht eine zu eifersüchtige Mutter ist, – sie ist ja doch so eine hingebende Gattin und Mutter! Wenn Sie die Gnade haben, die Sache ruhig zu überlegen, so werden Sie vielleicht unser peinliches Gefühl begreifen, unsere Kinder ganz in Ihrer Wohnung eingeschlossen mit fast gemeinschaftlichem Vorzimmer zu sehen, während die arme Sisi mit ihrem oft so schweren Volumen die Stiege hinaufkeuchen mußte, um dann selten die Kinder alleine zu finden, ja auch Fremde bei denselben zu sehen, denen Sie die Gnade hatten die Kinder zu zeigen, was besonders mir auch noch die wenigen Augenblicke verkürzte, die ich Zeit hatte bei den Kindern zuzubringen […] Übrigens fällt es Sisi gar nicht ein, Ihnen die Kinder entziehen zu wollen, und sie hat mir eigens aufgetragen Ihnen zu schreiben, daß dieselben immer ganz zu Ihrer Disposition sein werden, wie es ja auch immer in Schönbrunn und Laxenburg der Fall war.“140 Franz Joseph bezog in dem Schreiben Stellung zu einem vorherigen Brief, in dem seine Mutter mit einem Auszug aus der Hofburg gedroht hatte, wenn ihr Wille nicht eingehalten werden würde.

„Sehr betrübt hat mich alles, was Sie, liebe Mama, an diese so einfache Maßregel knüpfen. Nie würde ich es zugeben, daß Sie Ihre jetzige Wohnung verlassen oder gar, was ich nicht gelesen haben will, ganz aus der Burg ausziehen würden. Ich hoffe noch immer, daß sich alles sehr gut machen wird; die Kinder bekommen eine viel bessere Wohnung, in der sie auch künftig bleiben können und Alles wird zufrieden sein.“141 Trotz der Drohungen von Sophie konnte sich Elisabeth mit Erfolg gegen sie behaupten und ihren Willen durchsetzen. Die Kinderzimmer wurden verlegt, was der Schwiegermutter keineswegs gefiel.142 Elisabeth konnte kurze Zeit danach erneut ihre Wünsche gegen Sophie durchsetzen, indem sie ihre Töchter mit auf eine Reise nach Ungarn nahm. Dieser Widerstand endete allerdings mit dem Tod von der kleinen Sophie tragisch.143

2.2.3.3.1. Das Ultimatum – die Erziehung von Kronprinz Rudolf Als Rudolf geboren wurde, begann Erzherzogin Sophie sofort damit, alle Entscheidungen in Bezug auf den Jungen zu treffen.144 Elisabeth war geschwächt von der Geburt und unternahm nichts gegen die Beschlüsse ihrer Schwiegermutter. Das Verhältnis zu Rudolf verschlechterte sich bereits seit dessen Geburt und auch die Beziehung zu Gisela war nach dem Tod von Sophie distanziert.145 Der kleine Rudolf wurde bereits als Kleinkind auf die militärische Laufbahn vorbereitet. Seine Eltern hatten nicht viel Zeit für ihn, denn Franz Joseph verbrachte den Tag mit seinen

140 Schnürer, Briefe Kaiser Franz Josephs I., S. 256. 141 Ebd., S. 257. 142 Hamann, Elisabeth, S. 112. 143 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 36. 144 Brigitte Hamann, Kronprinz Rudolf. Ein Leben, München 2006, S. 19. 145 Hamann, Kronprinz Rudolf, S. 22.

Seite 38 Regierungsgeschäften und Elisabeth war aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes viel auf Reisen auf Madeira und Korfu.146 Ende 1860 unternahm Elisabeth ihre erste Reise nach Madeira, kam am 29. November dort an, blieb bis zum 28. April 1861 und reiste weiter nach Korfu. Nach einem kurzen Aufenthalt am Wiener Hof reiste sie im Jahr 1861 von Juni bis Ende Oktober erneut nach Korfu.147

Im Alter von sechs Jahren wurde Rudolf in die Obhut des Generals Graf Leopold de Gondrecourt148 gegeben, der ab diesem Zeitpunkt für die weitere Erziehung des Jungen zuständig war. Der kleine Thronfolger wurde von seiner Aja Baronin Katharina von Welden getrennt, zu der er eine sehr innige Bezeigung aufgebaut hatte. Die Kaiserin mischte sich bei der Wahl des Erziehers nicht ein, wohingegen Sophie maßgeblich in die Entscheidung involviert war.149 Die Erziehungsmethoden von Gondrecourt machten dem kleinen Rudolf aufgrund der militärischen Strenge sehr zu schaffen. Der Thronfolger sollte bereits als Kind abgehärtet werden, doch die grausamen Methoden bewirkten das genaue Gegenteil.150

Der Kaiser und seine Mutter wussten von den Arbeitsweisen des Generals, unternahmen jedoch nichts, da die Entwicklung von Rudolf zu einem starken geeigneten Herrscher von höchster Priorität war. Elisabeth, die in dieser Zeit sehr viel abwesend war, wusste nichts von den Qualen ihres Sohnes, bis Oberleutnant Joseph Latour von Thurmburg151, der Gondrecourt unterstellt war, der Herrscherin von den Verfahrensweisen erzählte.152 Die Kaiserin war außer sich und forderte vom Kaiser die sofortige Entlassung des harschen Erziehers. Aber Franz Joseph war davon überzeugt, dass seine Mutter bei der Wahl des Erziehers ein gutes Händchen bewies und wollte ihre Kompetenz nicht infrage stellen. Elisabeth soll ihren Mann

146 Hamann, Kronprinz Rudolf, S. 25. 147 Holzschuh, Chronologie der Aufenthalte, S. 34 – 35. 148 Graf Leopold Gondrecourt (* 1816 in Nancy; † 22. Mai 1888 in Salzburg) war General im österrei- chischen Kaisertum und zeichnete sich durch sein militärisches Geschick in Schlachten wie der von Oberselk, wo es um die Fürstentümer Schleswig-Holstein ging, aus. Mit ihm, glaubte man, war eine militärische Erziehung für den Thronfolger Rudolf gesichert. Siehe hierzu: Bled, Kronprinz Rudolf, S. 16. 149 Jean-Paul Bled, Kronprinz Rudolf, Wien – Köln – Weimar 2006, französisches Original: Rodolphe et Mayerling, o. O. 1989, S. 16. 150 Hamann, Kronprinz Rudolf, S. 30. 151 Josef Latour von Thurmburg (* 2. Februar 1820 in Wien; † 28. Dezember 1903 in Wien) war ein General in Österreich-Ungarn und Erzieher des österreichischen Thronfolgers Rudolf. 152 Hamann, Kronprinz Rudolf, S. 31 – 31.

Seite 39 daraufhin vor die Wahl zwischen sich und Gondrecourt gestellt haben.153 Sie entschloss sich dazu, ein Ultimatum an ihren Mann zu verfassen:

„Ich wünsche, daß mir vorbehalten bleibe unumschränkte Vollmacht in allem, was die Kinder betrifft, die Wahl ihrer Umgebung, den Ort ihres Aufenthaltes, die komplette Leitung ihrer Erziehung, mit einem Wort, alles bleibt mir ganz alleine zu bestimmen, bis zum Moment ihrer Volljährigkeit. Ferner wünsche ich, daß, was immer meine persönlichen Angelegenheiten betrifft, wie unter anderem die Wahl meiner Umgebung, den Ort meines Aufenthaltes, alle Änderungen im Haus etc. etc., mir allein zu bestimmen vorbehalten bleibt. Elisabeth.“154 Dieses Ultimatum, welches sie 1865 an den Kaiser stellte, bewegte ihn schließlich doch dazu, seine Meinung zu überdenken und er beschloss, Gondrecourt um des Friedens willen zu entlassen. Der neue Erzieher wurde – nach Elisabeths Wunsch – Oberleutnant Joseph Latour von Thurmburg, der sich durch seine liberale Art auszeichnete.155 Elisabeth schaffte es somit, sich erneut gegen ihre Schwiegermutter durchzusetzen und ihren Mann günstig zu beeinflussen.156

2.2.3.3.2. Verheiratung von Elisabeths Kindern Die oben geschilderten Ereignisse können als einige der wenigen Momente, bei denen sich Elisabeth wirklich für ihre Kinder einsetzte und ihrer Mutterrolle gerecht wurde, betrachtet werden. Dieser Umstand änderte sich dann mit der Geburt des vierten Kindes Valerie in Ungarn im Jahr 1868. Elisabeth wollte das Mädchen nach ihren persönlichen Vorstellungen erziehen.157 Festetics notierte am 2. Juni 1872 in ihrem Tagebuch, was Elisabeth einst zu ihr sagte: „[…] Erst jetzt weiß ich, was für eine Glückseligkeit ein Kind bedeutet. Jetzt habe ich Mut, es zu lieben und bei mir zu behalten. Meine anderen Kinder haben sie gleich weggebracht.“158

Die Kaiserin kümmerte sich intensiv um ihre Tochter und vernachlässigte ihren Sohn Rudolf, der keine elterliche Erziehung erfuhr und in der Obhut von Thurmburg war. Der junge Thronfolger entwickelte gegenüber seiner Schwester schnell eine

153 Conte Corti, Elisabeth, S. 142. 154 Ebd., 143. Entnahm dies aus: einem Brief der Kaiserin Elisabeth ohne Aufschrift, datiert mit Ischl, 24. August 1865. 155 Bled, Kronprinz Rudolf, S. 18. 156 Hamann, Kronprinz Rudolf, S. 32. 157 Gabriele Praschl-Bichler, Kaiserin Elisabeth. Mythos und Wahrheit, Wien 1996, S, 169 – 170. 158Walterskirchen/Meyer, Das Tagebuch der Gräfin Marie Festetics, S. 112. Anmerkung: Auch hier lassen sich Abweichungen in den bearbeiteten Versionen der Tagebuchquelle finden. Zudem geht Hamann davon aus, dass diese Zeilen vom 26. Juni 1872 stammen und nicht vom 2. Juni 1872. Siehe hierzu: Hamann, Elisabeth, S. 107.

Seite 40 tiefsitzende Eifersucht, woraufhin Elisabeth ihren Sohn durch zusätzliche Missachtung strafte.159

Als Rudolf die Königstochter Stephanie von Belgien heiratete, verschlechterte sich das Verhältnis zu seiner Mutter weiter, da Elisabeth für ihre Schwiegertochter nichts übrig hatte. Einen Vorteil zog die Kaiserin aus der Ehe ihres Sohnes dennoch: Da sie erkannte, dass Stephanie mit den Aufgaben einer Frau aus einem königlichen Haus vertraut war, übergab die Kaiserin ihr die meisten ihrer Repräsentationspflichten und konnte sich dadurch noch mehr ihrem Freiheitsdrang hingeben.160 Den Aufzeichnungen von Stephanie von Belgien ist folgendes zu entnehmen:

„Kaiserin Elisabeth verabscheute die Etikette und flüchtete gern in die Einsamkeit, fern von den Sitten und Gebräuchen des kaiserlichen Hofes. Sie beabsichtigte, sich nicht mehr zu zeigen und den Festlichkeiten und Zeremonien fernzubleiben. Diese Sklaverei, diese Marter, wie sie die Pflichten ihrer Stellung nannte, sei ihr verhaßt. Sie war als junges Mädchen nicht zu der hohen Bestimmung erzogen worden, zu der sie später berufen wurde. Sie war der Ansicht, daß Freiheit jedes Menschen Recht sei. Ihre Vorstellung vom Leben glich einem schönen Feentraum von einer Welt ohne Gram und Zwang.“161 Die Beziehung zwischen Elisabeth und ihrer jüngsten Tochter Valerie war sehr innig, teilweise sogar besitzergreifend: Die Kaiserin sorgte sich teilweise zu sehr um ihr Kind und übertrieb es mit ihrer Fürsorge.162

Bei der Partnerwahl ihrer jüngsten Tochter zeigte sich die gute Mutter-Tochter- Beziehung. Valerie wünschte sich eine Liebesheirat und sie wurde von Elisabeth in ihrem Wunsch unterstützt. Diese Entscheidung ist in Anbetracht der Tatsache, dass eine diktierte Ehe Elisabeths Grundsätzen der Freiheit widersprochen hätte, sehr gut nachvollziehbar. Die Kaiserin kümmerte sich um die Wahl des zukünftigen Partners ihrer Tochter und die beiden Frauen ‚begutachteten‘ gemeinsam die möglichen Heiratskandidaten. Valerie verliebte sich in Erzherzog Franz Salvator. Diese Wahl widerstrebte dem Kaiser aufgrund der verwandtschaftlichen Nähe. Doch die Bedenken des Kaisers hinderten Elisabeth nicht daran, ein Treffen zwischen dem Erzherzog und ihrer Tochter zu arrangieren. Zwei Jahre später fand schließlich 1888 die Verlobung statt. Die Einwände des Kaisers wurden bis zu diesem Zeitpunkt von seiner Frau aus dem Weg geräumt, sodass sie ihren Willen erneut durchsetzen

159 Hamann, Elisabeth, S. 524. 160 Ebd., S. 525. 161 Prinzessin Stephanie von Belgien Fürstin von Lónyay, Ich sollte Kaiserin werden. Lebenserinne- rungen der letzten Kronprinzessin von Österreich-Ungarn, Leipzig 31935, S. 95 – 96. 162 Praschl-Bichler, Kaiserin Elisabeth, S. 171.

Seite 41 konnte und ihrer Tochter zu ihrem ‚Wunschehemann‘ verhalf. Auch der Umstand, dass Rudolf mit der Ehe nicht einverstanden war, kümmerte die beiden Frauen nicht.163

Wie groß die Liebe und Toleranz gegenüber ihrer jüngsten Tochter war, unterstreicht wohl auch der Umstand, dass Elisabeth sich bei Giselas Verheiratung von einer ganz anderen Seite präsentierte. Sie engagierte sich zwar auch dafür, einen passenden Ehemann für ihre Tochter auszuwählen, nahm dabei aber keinerlei Rücksicht auf die Wünsche ihrer zweiten Tochter. Obwohl Elisabeth selbst früh verheiratet wurde und dies häufig kritisierte, schonte sie ihre Tochter Gisela nicht, die am 20. April 1873 im Alter von sechzehn Jahren mit Leopold Prinz von Bayern, der 10 Jahre älter war, verheiratet wurde.164

2.3. Politische Einflussnahme Elisabeths

Der Kaiser hatte die alleinige Macht, weshalb seiner Frau auch nur repräsentative und soziale Aufgaben übergeben wurden. Elisabeths Aufgaben waren klar abgegrenzt und sie hatte als Frau nicht das Recht, sich politisch zu engagieren und sich über den Kaiser zu stellen. Allerdings bedeutete diese fehlende politische Entscheidungsfreiheit nicht, dass sie politisch ungebildet sein sollte. Die Aufgabe der Kaiserin war es nämlich, die politischen Entscheidungen und Ansichten des Kaisers bei Audienzen zu vertreten.165

2.3.1. Elisabeths Handeln gegen das Konkordat

Es kam nicht oft vor, dass sich Kaiserin Elisabeth politisch engagierte, doch sie setzte sich im Jahr 1856 für die ProtestantInnen ein. Diese Tatsache galt als Gegenhandlung zu dem 1855 beschlossenen Konkordat, welches der katholischen Kirche enormen Machtzuwachs brachte. Die Gerichtsbarkeit bezüglich der Ehe und die Aufsicht über das Schulwesen wurden auf die Kirche übertragen. Diese von Erzherzogin Sophie geforderte Maßnahme bedeutete aber auch für alle Nicht- Katholiken eine Verschlimmerung ihrer Situation. Das Konkordat benachteilige nicht nur ProtestantInnen, sondern auch liberal Gesinnte und Menschen, die in der Wissenschaft, im künstlerischen oder im literarischen Bereich tätig waren. Die Gegnerschaft dieser politischen Maßnahme suchte Verbündete und in gewisser

163 Hamann, Elisabeth, S. 546 – 548. 164 Ebd., S. 301 – 302. 165 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 47.

Seite 42 Weise fanden sie in Elisabeth auch eine Unterstützerin. Als der evangelische Pastor der Gemeinde Attersee beim Kaiserhaus um Geld für einen Kirchturm fragte, wurde er an Elisabeth, die selbst in ihrer Familie protestantische Verwandte hatte, weitergeleitet. Der jungen Kaiserin war die Situation der ProtestantInnen in Bayern bekannt und sie konnte die österreichische Strenge gegen Andersgläubige nicht verstehen. Elisabeth spendete deshalb umgehend eine beachtliche Summe. Mit dieser Tat positionierte sich die Kaiserin als Gegnerin des Konkordats und zeigte, dass sie gegenüber anderen Konfessionen liberal gesinnt war. Bei der streng katholischen Sophie löste dieses Vorgehen allerdings Entsetzen und Unverständnis aus.166

Freiherr Johann von Chlumecky167, ein Mitglied des Herrenhauses, sagte am 9. Dezember 1901 in einem Interview folgendes über die Kaiserin, als es um ihr politisches Engagement ging:

„[…] Aber sie übte dadurch Einfluß, daß sie die klerikalen Einflüsse bei Hofe eindämmte und sie vom Kaiser nach Möglichkeit fernehielt. Darin war sie doch eine wichtige Bundesgenossin. Sie war überhaupt eine viel bedeutendere Frau, als man gewöhnlich glaubt. Wirklichen politischen Einfluß übte sie wohl nur, als sie die Versöhnung mit Ungarn durchsetzen half. Hier setzte sie sich voll und ganz ein.“168 2.3.2. Politisches Desaster – Elisabeths Einsatz gegen Antisemitismus?

Nicht nur in Hinblick auf die Unterstützung der Andersgläubigen, sondern auch für die Errichtung eines Denkmals ihres dichterischen Vorbilds Heinrich Heine setzte sich Elisabeth ein. Die Stadt Düsseldorf hegte anlässlich seines 90sten Geburtstages den Wunsch, ein Heine-Denkmal zu errichten. 1887 wurde sogar eigens dafür ein Komitee gegründet.169 Kaiserin Elisabeth hörte von der Idee und beteuerte prompt ihre Unterstützung für das Unternehmen, indem sie 12.950 Mark für den Bau einer Statue zur Verfügung stellte. Das Unterfangen war durch die Proteste gegen Heine getrübt, der zum einen Jude war, und zum anderen bekannt dafür, sich über das Herrscherhaus und die adelige Gesellschaft lustig zu machen. Die mögliche Errichtung eines Denkmales rief sowohl bei den AristokratInnen als auch bei den AntisemitInnen und allen Deutschnationalen Entsetzten hervor. In einer Versammlung der AntisemitInnen wurde der Einsatz der Kaiserin heftig kritisiert.

166 Hamann, Elisabeth, S. 110 – 111. 167 Johann von Chlumecký (* 23. März 1834 in Zara; † 11. Dezember 1924 in Bad Aussee) 168Friedjung, Geschichte in Gesprächen, Band 1, S. 425. 169 Michaela Lindinger, »Mein Herz ist aus Stein«. Die dunkle Seite der Kaiserin Elisabeth, Wien 2013, S. 107.

Seite 43 Elisabeth wurde nicht nur in zahlreichen Zeitungen für ihre Judenfreundlichkeit angegriffen, sondern auch dafür, dass sie sich für den Bau eines Denkmals in Deutschland einsetze, während in Wien schlechte soziale Verhältnisse herrschen würden. Der Name der Kaiserin wurde allerdings aufgrund der Zensur und der strengen Maßnahmen gegen Majestätsbeleidigungen nicht offen ausgesprochen.170

„Haben wir in Wien, in Österreich, nicht genug Noth und Elend, nicht genug unverschuldet Hungernde und Frierende, für welche zu sorgen unsere erste bürgerliche Pflicht wäre?“171 In der Zeit eines zunehmend wachsenden Antisemitismus, war die Unterstützung eines ohnehin kritisch betrachteten Literaten wohl keine gute Idee. Elisabeth ließ sich von den Kommentaren jedoch nicht beirren und setzte sich weiterhin für die Errichtung des Denkmales ein. Sie trat nicht aus tiefster Überzeugung direkt gegen den Antisemitismus auf, sondern wollte ihrem dichterischen Vorbild Ehre erweisen. Im Jahr 1889 beendete sie ihre Bemühungen schließlich, da sie erkannte, dass die Gegnerschaft zu stark war.172

Ein privates Anliegen der Kaiserin wurde durch ihr Tun in einer von ihr nicht gewollten Weise zu einer politischen Staatssache. Diese Aktion könnte als politscher Einsatz von Elisabeth gewertet werden, doch die Durchsetzung ihres eigenen Interesses stand auch hier wieder im Vordergrund.

2.3.3. Irlandreisen und politische Probleme

Elisabeths Irlandreisen, welche sie 1879 und 1880 unternahm, sollten ebenfalls nicht ohne politische Folgen bleiben. Die Beziehung zwischen Queen Victoria und Irland war schwierig und von diversen Spannungen und großer, beidseitiger Abneigung geprägt.173 Die problematische Situation zwischen England und Irland kümmerte Kaiserin Elisabeth allerdings wenig, denn die Begeisterung fürs Reiten stand bei ihr im Vordergrund. Als Elisabeth und ihre Begleitung bei einem ihrer Jagdausflüge in Irland über eine Klostermauer sprangen, um einen Hirsch zu jagen, wurde dieses Ereignis in der Presse mit Entsetzen festgehalten. Die Kaiserin beschloss, das Kloster und die dort stattfindenden Seminare als Entschuldigung für ihr unsittliches Verhalten zu besuchen. Diese Tatsache missfiel allerdings den Engländern, da diese

170 Hamann, Elisabeth, S. 492 – 494. 171 Ebd., S. 494. Entnahm dies aus: 6. Jahrgang, Nr. 4, 44. 172 Ebd., S. 495. 173 John Welcome, Die Kaiserin hinter der Meute. Elisabeth von Österreich und Bay Middleton, Wien – Berlin 1975, englisches Original: The Sporting Empress, London 1975, S. 186 – 187.

Seite 44 einerseits ohnehin schon einen Groll gegen Irland hegten und andererseits derartige Bildungseinrichtungen eine Gefahr für die Monarchie darstellten.174 Die Engländer, welche den irischen Aufstand für Unabhängigkeit wenige Jahre zuvor unterdrückt hatten, sorgten sich, „daß die Unruhestifter Elisabeth zu einer Art Galionsfigur machten, die ihren Forderungen nach Unabhängigkeit Rückhalt gaben.“175 Zudem sagten auch Revolutionäre aus Ungarn Irland ihre Unterstützung im Falle einer weiteren Auflehnung gegen England zu. Diese Ereignisse lösten Besorgnis und Bestürzung in England aus, war es ja Kaiserin Elisabeth, die den Ungarn eng verbunden war.176 Die Stimmung war kritisch und als Elisabeth am Aschermittwoch, dem sogenannten ‚Bye-day‘, an einer erneuten Jagd teilnahm, waren die Zeitungen mit kritischen Kommentaren gefüllt.177 Der Kaiserin, die ihre Jagdreise unter Ausschluss der Öffentlichkeit verbringen wollte, gelang es dadurch nicht, in Ruhe ihrer Leidenschaft nachzugehen.

„Ihre Schönheit und Anmut, ihre Erscheinung und der Name, den sie trug, aber vielleicht mehr noch ihre Gedankenlosigkeit und die unbeabsichtigten Taktlosigkeiten hatten zur Folge, daß sich, wohin sie auch kam, Eifersüchteleien und Rivalitäten, Klatsch und Gehässigkeit um sie rankten.“178 Elisabeth kümmerte sich allerdings um derartige Probleme nicht, denn ihr ging es ausschließlich um die Jagd. Ähnlich wie in Ungarn brachte ihr auch das irische Volk Respekt und Bewunderung entgegen. Die Kaiserin war ihrerseits ebenfalls sehr angetan von dem Land und seiner Bevölkerung.179 Als Elisabeth ein drittes Mal nach Irland reisen wollte, schritt der Kaiser aus politischen Beweggründen ein und verwehrte ihr den Aufenthalt. Die Kaiserin war dadurch gezwungen, wieder nach England zu reisen, was sie auch 1881 und 1882 tat.180

In diesem Fall setzte sich Elisabeth nicht ausdrücklich für das Volk in Irland ein, sondern geriet unbewusst in eine prekäre politische Angelegenheit. Der Umstand, dass sie trotz aller medialen Befürchtungen nur ihrer Jagdleidenschaft nachging, unterstreicht erneut, dass sich die Kaiserin nicht dem Adel zugehörig fühlte und sich der Etikette auch nicht fügen wollte.

174 Welcome, Die Kaiserin hinter der Meute, S. 198 – 200. 175 Ebd., S. 202. 176 Ebd. 177 Ebd., S. 207. 178 Ebd., S. 208. 179 Ebd., S. 209. 180 Elisabeth Hassmann, England und Irland – Elisabeths spektakuläre Parforce-Jagden, in: Brigitte Hamann/Elisabeth Hassmann (Hrsg.), Elisabeth. Stationen ihres Lebens, Wien – München 1998, S. 134 – 137, hier S. 135 – 137.

Seite 45 2.3.4. Präsenzstärkung des Kaisers

Das Kaiserpaar bereiste diverse Länder wie Böhmen und Mähren, Steiermark und Kärnten, Ungarn und Italien, um dort seinen repräsentativen Verpflichtungen nachzukommen. Diese Reisen wurden nach der Hochzeit unternommen und Elisabeth nahm an den zahlreichen Festempfängen und Festessen teil. Weiters kümmerte sich die Kaiserin während und nach Kriegen um die Verletzten und versuchte, wie etwa in der Auseinandersetzung mit dem Königreich Piemont- Sardinien, ihren Mann davon zu überzeugen, den Krieg zu beenden. Wie sich jedoch herausstellte, blieben ihre Bemühungen ohne Erfolg. Elisabeth war auch karitativ tätig, besuchte Lazarette und engagierte sich für die Belange der Armen.181 Dieses Vorgehen kann zum einen auf ihr soziales Engagement, aber zum anderen auch auf eine Präsenzstärkung des Kaisers zurückgeführt werden.

Das österreichische Volk glaubte, dass die Kaiserin die Lebenssituation der Menschen verbessern könnte. Franz Joseph lockerte im Zuge seiner Hochzeit die strengen Auflagen wie etwa die militärische Überwachung in den Städten oder begnadigte politisch Inhaftierte. Des Weiteren wurde das Militärstrafgesetz gemildert, indem unter anderem der Spießrutenlauf und die Kettenstrafe abgeschafft wurden. Dass Elisabeths Zutun der alleinige Grund für diese positiven Veränderungen war, ist aufgrund der Quellenlage nicht nachzuweisen. Aufgrund ihres liberalen Gedankengutes hatte Elisabeth jedoch sicher positiven Einfluss auf den Kaiser. Die junge Kaiserin wurde zur Hoffnungsträgerin für viele, die sich mit dem neoabsolutistischen System nicht identifizieren konnten.182

2.3.4.1. Beginn der Repräsentationsverpflichtungen

Die erste repräsentative Reise unternahm das Kaiserpaar im Juni 1854 in die beiden Kronländer Böhmen und Mähren. In Letzterem hatte die kaiserliche Familie Zuflucht während der Revolution von 1848 gesucht. Auch der Thronwechsel von Kaiser Ferdinand I. auf seinen Neffen Franz Joseph fand dort statt. Das böhmische Volk zeigte sich während des Aufstandes 1848 weniger loyal, doch der Prager

181 Friedrich Weissensteiner, Frauen auf Habsburgs Thron, Die österreichischen Kaiserinnen 1804 – 1918, Wien 1998, S. 143 – 144. 182 Hamann, Elisabeth, S. 109.

Seite 46 Pfingstaufstand konnte vom Kaiserhaus unterdrückt werden.183 Auf ihren Reisen sollte Elisabeth ihr Land und ihre Verpflichtungen als Kaiserin kennenlernen.184

Mit großer Gefolgschaft fuhr das Kaiserpaar mit der Nordeisenbahn in einem Salonwagen nach Mähren, wo es in der Hauptstadt Brünn festlich und standesgemäß begrüßt wurde.185 Zur Freude der Kaiserin standen keine hochoffiziellen, ‚steifen‘ Veranstaltungen auf dem Programm. Elisabeth besichtigte Heime für elternlose Kinder, Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen. Die junge Kaiserin zeigte ein besonders sensibles Gespür für die Bevölkerung und ließ die Menschen keine Distanz spüren. Das Volk begrüßte die Herangehensweise der Herrscherin, das Kaiserhaus hingegen missbilligte dieses Verhalten und hielt Elisabeth dazu an, sich von den BürgerInnen zu distanzieren und ihr Auftreten einem absolutistischen Staat anzupassen.186 „Aufgaben im Sinne der christlichen Caritas waren formale Verpflichtungen, die nicht mit emotionalem Engagement verwechselt werden durften.“187

Nach einigen Tagen ging die Reise weiter nach Prag, wo das Kaiserpaar zahlreiche Festempfänge, Diners und Audienzen absolvierte. Der Zeitplan war straff, was für den Kaiser nichts Ungewöhnliches war, Elisabeth aber zusetzte. Franz Joseph und seine Frau besuchten karitative Anstalten, Ausstellungen und zahlreiche traditionelle Veranstaltungen, wobei die offiziellen Auftritte des Adels klar im Vordergrund standen. Elisabeth machte der Aufenthalt in Böhmen weit weniger Spaß als jener zuvor in Mähren.188 In der Nähe von Prag lebte Franz Josephs Onkel und Vorgänger Ferdinand. Das Kaiserpaar besuchte den ehemaligen Kaiser von Österreich in seiner Sommerresidenz auf Schloss Ploschkowitz. Dieser Besuch sollte symbolisch und als Ausdruck der Dankbarkeit aufgefasst werden, weil er Teil der ersten Reise des frisch vermählten Kaiserpaares war. Am Ende der Reise traf sich das junge Paar mit dem König von Sachsen und dem König von Preußen. Das Treffen fungierte nicht nur als ‚nettes Kennenlernen‘, sondern diente auch dem Austausch und der Diskussion politischer Themen wie beispielsweise der Orientkrise. Nach zweiwöchigem

183 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 30 – 31. 184 Conte Corti, Elisabeth, S. 60 – 61. 185 Peter Müller, » Schwalbe, leih' mir deine Flügel ... «. Die Reisen der Kaiserin Elisabeth, Wien 1991, S. 16. 186 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 31. 187 Ebd. 188 Hamann, Elisabeth, S. 88 – 89.

Seite 47 Aufenthalt in Böhmen reiste das Paar nach Wien ab, wo bald wieder der Alltag einkehrte.189

2.3.4.2. Verpflichtende Reisen nach Italien und Ungarn

2.3.4.2.1. Reise nach Italien Am 17. November 1856 brach das Kaiserpaar zu einer repräsentativen Reise nach Italien auf. Komplikationen waren aufgrund der Unruhen und der damals gereizten Stimmung gegen das Kaiserhaus vorprogrammiert. In den Provinzen Lombardei und Venetien war die Atmosphäre gegen das Kaiserhaus besonders angespannt und das Verhältnis zur Bevölkerung kompliziert. Grund dafür waren zahlreiche Aufstände und die Revolution von 1848, die von den Habsburgern niedergeschlagen wurde.190 Ein zusätzliches Problem war der hohe Kostenaufwand für den Kaiser, weil Lombardo- Venetien nach der Revolution unter Militärverwaltung stand. Diese Art der Regentschaft kostete mehr, als durch die Provinzen erwirtschaftet werden konnte. Die Gemütslage der Bevölkerung verschlechterte sich durch diesen Umstand weiter. Weiters trug die Tatsache, dass sämtliche Aufstände mit Verurteilungen beendet wurden, nicht zu einer Verbesserung der gegenseitigen Beziehung bei und auch von Seiten des Adels konnte der Kaiser keinen Rückhalt erwarten. Franz Joseph war daher gezwungen, die Wogen zu glätten und reiste auf Anraten des Innenministers Alexander Bach191 mit seiner Frau und Tochter Sophie nach Italien.192

Elisabeth setzte sich gegen den Willen ihrer Schwiegermutter durch, indem sie darauf beharrte, ihre Tochter nach Italien mitzunehmen. In Italien selbst schrieben die Zeitungen, das Kaiserpaar hätte die Tochter nur mitgenommen, um sich vor möglichen Attentaten zu schützen. Das in Italien stationierte Militär war für etwaige Zwischenfälle bereitgestellt, was die italienische Bevölkerung noch mehr verärgerte. Die ItalienerInnen begegneten dem österreichischen Kaiser und der Kaiserin daher mit gesteigerter Missachtung und Respektlosigkeit.193 Einige heikle Zwischenfälle rechtfertigten jedoch das vorsichtige Auftreten des Kaiserpaares. Auf dem Schiff in Triest zersprang eine gigantische Kaiserkrone aus Glas und in Mailand wurde in der

189 Hamann, Elisabeth, 90 – 91. 190 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 34 – 35. 191 Alexander von Bach (* 4. Jänner 1813 in Loosdorf; † 12. November 1893 in Unterwaltersdorf) 192 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 79 – 82. 193 Hamann, Elisabeth, S. 114 – 115.

Seite 48 kaiserlichen Burg eine Lunte in Brand gesetzt, welche Bierflaschen, die mit Pulver gefüllt waren in die Luft jagte.194

Das Kaiserpaar musste während seiner Reise zahlreiche Provokationen erdulden, so wurde es in Venedig am Markusplatz nicht durch die jubelnde Bevölkerung begrüßt, und auch in Mailand konnten Franz Joseph und Elisabeth weder das Volk noch den Adel für sich begeistern. In Mailand sandte der Adel stellvertretend seine DienstbotInnen zu einer gemeinsamen Opernvorstellung. Eine derartige Beleidigung des Herrscherhauses war nahezu nicht mehr zu übertreffen.195

Elisabeth nahm ihre Pflichten in Italien sehr ernst und stand Franz Joseph tapfer und anmutig, wie es sich für eine Kaiserin gehörte, zur Seite. Kaiser Franz Joseph unterstrich die positive Wirkung von Elisabeth in einem Brief an seine Mutter, welchen er am 4. Dezember 1856 in Venedig verfasste: „Die Bevölkerung war sehr anständig, ohne besonderen Enthusiasmus zu zeigen. Seitdem hat sich die gute Stimmung aus verschiedenen Ursachen sehr gehoben, besonders durch den guten Eindruck, den Sisi gemacht hat.“196 Während die Kaiserin in Wien gerne öffentlichen Veranstaltungen fernblieb, präsentierte sie sich in Italien vorbildlich und ignorierte gekonnt die zahlreichen Anfeindungen des Volkes.197

Das Kaiserpaar wollte sich von seiner besten Seite zeigen, um die Stimmung in Italien zu verbessern. Die Bevölkerung war zwar anfänglich äußerst skeptisch, doch das Volk begegnete dem Herrscher und seiner Gattin mit der Zeit etwas freundlicher. Conte Corti berichtet von Situationen, in denen sich die Kaiserin gnädig und liebreizend verhalten habe, was die Einstellung mancher ItalienerInnen hinsichtlich der Majestät verbesserte. Einem ehemaligen Offizier wurde seine Majorspension wegen der Teilnahme an der Revolution 1848 gestrichen. Als dieser bei einem Spaziergang des Kaiserpaares mit einer Bittschrift auf die beiden zukam, wurde er von Franz Joseph abgewimmelt und ihm wurde empfohlen, er solle ein anders Mal in das Schloss kommen. Der Mann entgegnete, dass er dort bereits zurückgewiesen wurde, woraufhin Elisabeth ihren Mann bat, dem Major einen Handschuh von sich zu geben, damit er das nächste Mal unbeschwert zu ihm gelangen könne.198 In derartigen Situationen konnte die Kaiserin mit ihrer einfühlsamen Art bei der

194 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 35. 195 Hamann, Elisabeth, S. 116 – 117. 196 Schnürer, Briefe Kaiser Franz Josephs I., S. 259. 197 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 83. 198 Conte Corti, Elisabeth, S. 76.

Seite 49 Bevölkerung punkten und in weiterer Folge das Herrscherhaus in ein besseres Licht rücken. Während der Reise nach Italien erfüllte Elisabeth trotz der schwierigen Situation ihre Aufgaben und Pflichten als Kaiserin und Ehefrau.

Zur damaligen Zeit wusste das Paar noch nicht, dass ihre Bemühungen umsonst waren, und ihnen die Niederlage in der berühmten Schlacht von Solferino, am 24. Juni 1859, bevorstand. Das Kaiserreich verlor als Unterlegener große Teile Norditaliens, unter anderem auch die Lombardei war.199 Auch während dieser schwierigen Zeit stand Elisabeth ihrem Mann bei und interessierte sich für die Ereignisse am Schlachtfeld, von denen Franz Joseph ihr ausführlich berichtete.200 Elisabeths Aufgabe während der Abwesenheit ihres Mannes in Wien war es, in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Kaiser Franz Joseph erinnerte seine Frau in mehreren Briefen daran. Aus dem Schreiben vom 2. Juni 1859 geht hervor, dass Elisabeth nicht zu ihm nach Verona reisen durfte, sich jedoch in Wien zeigen sollte:

„[…] Ich kann leider Deinem Wunsche für jetzt nicht entsprechen, so unendlich gerne ich es thäte. In das bewegte Hauptquartiersleben passen keine Frauen, ich kann meiner Armee nicht mit schlechtem Beispiel voran gehen, auch weiß ich selbst nicht, wie lange ich hier bleibe. […] Vergesse auch nicht nach Wien in Anstalten zu fahren, damit sich die gute Stimmung in Wien erhalte.“201 Dass Elisabeth zu ihrem Mann nach Verona fahren wollte, zeigt zum einen ihr Interesse an seinem Leben, aber auch die Neugier der Kaiserin an der politischen Situation des Reiches. Franz Joseph war es, wie aus den Zeilen hervorgeht, jedoch wichtiger, dass seine Frau in seiner Abwesenheit die Stellung in Wien hielt und für Ruhe beim Volk sorgte.

Am 7. Juni 1859 schrieb Franz Joseph erneut an seine Frau:

„[…] Du mußt auf Deinem Posten ausharren, wo Du mir durch Deine Gegenwart mit den Kindern in dieser so sehr schweren Zeit so viel helfen kannst. Ich bitte Dich, um der Liebe willen, die Du mir geweiht hast, nehme Dich zusammen, zeige Dich manchmal in der Stadt, besuche Anstalten. Du weißt garnicht, was Du mir dadurch helfen kannst. Das wird die Leute in Wien aufrichten und den guten Geist erhalten, den ich so dringend brauche. Sorge durch Gräfin Esterházy, daß

199 Piemont-Sardinien und das verbündeten Frankreich siegten gegen das Habsburgerreich, welches daraufhin Landteile von Norditalien abtreten musste. Des Weiteren mussten die Nebenlinien der Habsburger in der Toskana, in Modena und in Parma ihre Besitzungen abgeben. Durch die großen Verluste konnte sich das Königreich Italien unter dem Haus Savoyen etablieren. Siehe hierzu: Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H (Hrsg.), Die Welt der Habsburger. Schlacht von Solferino 1859, o.D., [http://www.habsburger.net/de/ereignisse/schlacht-von-solferino-1859], eingesehen am 02.03.2018. 200 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 90 – 91. 201 Georg Nostitz-Rieneck, Briefe Kaiser Franz Josephs an Kaiserin Elisabeth 1859 – 1898, Band 1, Wien – München 1966, S. 10 – 11.

Seite 50 der Hülfsverein recht viel schicke, besonders charpie202 bandagen für die vielen, sehr vielen Blessirten, vielleicht auch Wein.“203 2.3.4.2.2. Reise nach Ungarn Kurze Zeit nach der Italienreise unternahmen Franz Joseph und Elisabeth im Jahr 1857 die nächste repräsentative Reise, die sie nach Ungarn führte. Wie auch in Italien war in Ungarn die Stimmung hinsichtlich des Kaiserhauses problematisch. Die Nachwirkungen der Revolution von 1848/1849 waren immer noch spürbar, denn es hatten zahlreiche Verurteilungen, auch Hinrichtungen stattgefunden, auch Vermögen wurde beschlagnahmt. Franz Joseph wollte die eingezogenen Güter zurückgeben und den geflüchteten Revolutionären den Weg für eine Rückkehr erleichtern.204

Elisabeth bestand darauf, ihre beiden Töchter auf die Reise nach Ungarn mitzunehmen und setzte sich nach langem hin und her erneut gegen ihre Schwiegermutter, die gegen dieses Anliegen intervenierte, durch.205 Dieser Disput kann als weiterer gelungener Emanzipationsversuch der jungen Herrscherin gesehen werden.

Die Familie reiste mit dem Schiff nach . Dort hielten sie sich vom 4. bis zum 13. Mai 1857 auf.206 Die Hoffnung des ungarischen Volks auf eine Besserung der eigenen Situation durch den Einfluss der Kaiserin auf ihren Mann war groß. Es war bekannt, dass sich Elisabeth durch ihren Unterricht für die Geschichte Ungarns interessierte. Die Kaisermutter war dem ungarischen Volk feindlich gesinnt und wollte unter keinen Umständen in ein Land reisen, gegen das sie eine so große Antipathie hegte. Die junge Kaiserin und die Erzherzogin Sophie hatten meist kontroverse Ansichten, weshalb das ungarische Volk umso mehr hoffte, dass sich die beiden Frauen auch in Bezug auf Ungarn nicht einig waren.207

Die gute Stimmung der Bevölkerung hielt sich bei der Ankunft zunächst noch in Grenzen. Elisabeth schaffte es jedoch auf dieser Ungarn-Reise, das Volk für sich zu gewinnen. Die Hoffnungen der UngarInnen bestätigten sich, als sie die Bemühungen der Kaiserin sahen, die auf den Bällen ein typisch ungarisches Ballkleid trug, oder

202 Scharpie oder Charpie war ein bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts gebräuchliches Wundver- bandmaterial, das aus Fasern bestand, die durch Zerzupfen von Baumwoll- oder Leinenstoffen ge- wonnen wurden. 203 Nostitz-Rieneck, Briefe Kaiser Franz Josephs an Kaiserin Elisabeth, S. 14. 204 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 140. 205 Conte Corti, Elisabeth, S. 82. 206 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 106. 207 Hamann, Elisabeth, S. 118.

Seite 51 sich für ein Kleid in den Landesfarben rot, grün und weiß entschied. Der Kaiser hingegen kleidete sich wie gewohnt in seiner österreichischen Uniform, was den Unmut des Volkes aufleben ließ.208 Elisabeth konnte überall mit ihrer Schönheit überzeugen und auch ihre Reitkünste fanden einige BewunderInnen. Die Zuneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, denn Elisabeth erkannte schnell, dass der ungarische sich sehr vom österreichischen Adel unterschied. Die Kaiserin fühlte sich auf den Bällen wohl und nahm an traditionellen Tänzen teil. Während des Aufenthaltes verbesserte sich die Atmosphäre zwischen dem Volk und dem Kaiserpaar, was zum Großteil auf Elisabeth und ihre gezeigte Liebenswürdigkeit, und Unkompliziertheit zurückzuführen war.209

Die erfolgreiche Reise wurde allerdings von einem traurigen Ereignis überschattet. Die beiden Töchter des Kaiserpaares erkrankten schwer, weshalb die Reise nach Debrezin verschoben werden musste. Die jüngere Tochter Gisela erholte sich bald, doch Sophie überlebte die Krankheit nicht und verstarb am 29. Mai 1857.210 Am gleichen Tag schrieb der Kaiser an seine Eltern: „Unsere Kleine ist ein Engel im Himmel. Nach langem Kampfe ist sie zuletzt ruhig um 1/2 10 verschieden. Wir sind vernichtet.“211 Elisabeth verbrachte elf lange Stunden am Bett ihrer Tochter und blieb auch in ihren letzten Stunden an ihrer Seite. Nach dem Tod von Sophie isolierte sich die Kaiserin, verweigerte das Essen und weinte über Monate. Nicht einmal Erzherzogin Sophie wagte es, Elisabeth in diesem Zustand zu kritisieren. Trotzdem verschlechterte sich die ohnehin schon schwierige Beziehung der beiden Frauen durch den Tod des Kindes noch mehr, da Elisabeth mit aller Gewalt dafür gesorgt hatte, ihre beiden Kinder Sophie und Gisela mit auf ihre Reisen zunehmen, während ihre Schwiegermutter strikt dagegen gewesen war.212

2.3.4.3. Krieg gegen Preußen und Elisabeths Einsatz Die politische Situation eskalierte mit Preußen, das immer konsequenter eine kleindeutsche Lösung anstrebte.213 Verantwortlich für dieses Vorhaben war

208 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 106. 209 Hamann, Elisabeth, S. 118 – 119. Anmerkung: Zumindest ist dies die Einschätzung von Brigitte Hamann. 210 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 140 – 141. 211 Schnürer, Briefe Kaiser Franz Josephs I., S. 270. 212 Hamann, Elisabeth, S. 120. 213 Nähere Informationen zu dem Kriegshergang können aus dem Werk: ‚Thomas Nipperdey, Deut- sche Geschichte 1800 – 1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 21984‘, im Speziellen aus dem Kapitel VI., Unterpunkt 8. Die Entscheidung über Deutschland: deutsche und europäische Politik 1863 – 1866, S. 768 – 790 entnommen werden.

Seite 52 Ministerpräsident Otto von Bismarck214, der kritisierte, dass das Herzogtum Holstein in einem gemeinsamen Krieg 1865 an Österreich ging. Die Lage spitzte sich zu, bis Preußen am 15. Juni 1866 dem österreichischen Kaiserreich den Krieg erklärte. Den Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung bei der Schlacht von Königgrätz215, bei der Österreich eine blamable Niederlage erlitt.216

Kaiserin Elisabeth zeigte sich in dieser problematischen Lage interessiert und versuchte alles in ihrer Macht Stehende, um unterstützend auf ihren Mann und ihr Land einzuwirken. Elisabeth besuchte die zahlreichen Verletzten in den Spitälern und spendete ihnen Trost. Auch die politische Situation verfolgte sie aufmerksam und ließ sich stets von ihrem Mann über alle Neuigkeiten unterrichten.217 Wie gut die Kaiserin informiert war, beweisen die Briefe an ihren Sohn Rudolf. Am 29. Juni 1866218 schrieb Elisabeth ihm von Wien aus:

„Von den letzten großen Treffen bekam Papa heute Nachmittag Berichte, die beßer sind, als er dachte, nur der Verlust ist furchtbar, da die Truppen zu tapfer u. hitzig sind, so daß der Feldzeugmeister einen Armeebefehl erließ, sie sollen mit dem Bajonette Angriff warten bis die Artillerie mehr gewirkt hat. […] Dein Regiment hat sich sehr ausgezeichnet, hat aber auch leider sehr viel Verlust gehabt. […] Die Piemontesen benehmen sich ganz unmenschlich gegen die Gefangenen, sie bringen die Verwundeten, Gemeine wie Offiziere um, ja sie erhängen sogar einige Jäger, zwei konnte man noch retten, einer wurde aber verrückt. Onkel Albert drohte ihnen auch mit Repreßalien. Es hat allen Anschein, daß in Italien jetzt einige Zeit Ruhe sein wird, denn die Piemontesen haben genug zu thun sich von dem Schlag zu erholen. Wenn wir nur mit den Preußen auch schon so weit wären.“219 Franz Joseph war in dieser schwierigen Situation auf die Unterstützung seiner Frau angewiesen. Dass die Kaiserin ihrem Sohn, der damals knapp acht Jahre alt war, (zu) viel zutraute, ist nicht abzustreiten. Der Thronfolger wurde bereits früh in das politische Geschehen seines Vaters eingebunden, weshalb die Weitergabe von Informationen als legitim erachtet wurde. Dieser Brief, der für ein Kind in seinem Alter

214 Otto von Bismarck-Schönhausen (* 1. April 1815 in Schönhausen (Elbe); † 30. Juli 1898 in Fried- richsruh bei Aumühle) war Ministerpräsident in Preußen, Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes sowie erster Reichskanzler des Deutschen Reiches. 215 Die Schlacht bei Königgrätz war mit 450 000 Soldaten eine der größten und verlustreichsten Aus- einandersetzungen der modernen Geschichte. Preußen wurde durch den Sieg über Österreich am 3. Juli 1866 zu einer europäischen Großmacht. Siehe hierzu: Hamann, Elisabeth, S. 235. 216 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 55 – 56. 217 Ebd., S. 56. 218 Es gilt anzumerken, dass Weissensteiner für das Verfassen des Briefes den 29. Juli 1866 angibt, allerdings ist dies aufgrund des Textinhalts nicht möglich. Es ist daher davon auszugehen, dass der 29. Juni gemeint ist. 219 Friedrich Weissensteiner (Hrsg.), Lieber Rudolf. Briefe von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth an ihren Sohn, Wien 1991, S. 145 – 146.

Seite 53 absolut ungeeignet erschien, deutet die Erziehung in Vorbereitung auf eine Regentschaft Rudolfs an.

2.3.5. Die Kaiserin und ihr Wirken im österreichisch-ungarischen Ausgleich

Im Zuge der Revolutionsbewegung von 1848/49 wurde eine Restriktion der Macht des Kaisers durch das Parlament und die Verfassung gefordert. Des Weiteren wurde gesetzliche Gleichberechtigung für alle Menschen und eine Gleichstellung der Nationalitäten verlangt. Für die Länder der Stephanskrone wurde von Ungarn der Anspruch auf Unabhängigkeit erhoben. Kaiser Franz Joseph schaffte es, diese Forderungen abzuwehren und den Aufstand mit Hilfe des russischen Zaren zu unterdrücken.220 Die Ungarn war jedoch nicht dazu bereit, klein bei zu geben und versuchten, sich mit Boykotten und Widerständen zur Wehr zu setzen. Die Magyaren wollten die erkämpften Verhältnisse, die sich vor der Revolution etabliert hatten, wiederhergestellt wissen. 1865 verfasste Ferenc Deák221 den sogenannten ‚Osterartikel‘, in welchem er die Grundidee einer dualistischen Reichsverfassung formulierte. Gemeinsam mit ihm engagierte sich Julius Graf Andrássy222 in den darauffolgenden Verhandlungen für den geforderten Ausgleich.223

2.3.5.1. Elisabeth und ihre Beziehung zu Ungarn Elisabeth bekam in ihrer Ausbildung von ihrem Lehrer Mailáth Einblicke in die ungarische Kultur, Geschichte und politische Situation. Als die Kaiserin 1863 von ihrem Kuraufenthalt zurückkehrte, forderte sie Unterrichtsstunden in Ungarisch, um die Sprache zu lernen.224 Der Lehrer Emerich Homoky wurde eingestellt, um die Kenntnisse der Kaiserin zu verbessern. In den Unterrichtsstunden beschäftigte sie sich unter anderem mit Zeitungen aus Ungarn, die ihr ein Verständnis für die politische Lage erbringen sollten. Um ihren Einblick weiter zu verbessern, stellte

220 Stefan Malfèr, Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867, in: Susanne Walther (Hrsg.), Elisabeth von Österreich. Einsamkeit, Macht und Freiheit. 99. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Hermesvilla, Lainzer Tiergarten. 22. März 1986 bis 22. März 1987, Wien 1986/1987, S. 24 – 28, hier S. 24. 221 Ferenc Deák (* 17. Oktober 1803 in Söjtör; † 28. Januar 1876 in Budapest) war ein ungarischer Politiker. 222 Gyula Graf Andrássy (* 8. März 1823 in Kaschau; † 18. Februar 1890 in Volosca) 223 Bertrand Michael Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie (Geschichte Österreichs 5), Wien 2003, S. 108 – 109. 224 Hamann, Elisabeth, S. 218.

Seite 54 Elisabeth zusätzlich Ida Ferenczy225 ein, welche aus dem ungarischen Landadel stammte. Die Ungarin wurde zu einer der wichtigsten Vertrauten der Kaiserin und stellte den Kontakt zwischen Elisabeth und den ungarischen Liberalen Gyula Andrássy, Ferenc Deák und József Eötvös226 her.227

Elisabeth wollte sich über die Geschichte eines Landes informieren, das sich 1848 gegen das Kaiserhaus aufgelehnt hatte. Die Revolutionäre erfreuten sich des Interesses der Kaiserin und auch sie nützte das neu erworbene Wissen aus, um sich gegen den Wiener Hof aufzulehnen, indem sie zum einen dafür sorgte, dass immer mehr UngarInnen in ihrer Nähe waren und zum anderen Ungarisch sprach.228

2.3.5.2. Elisabeths politisches Engagement für Ungarn Durch die gute Beziehung zu Ida Ferenczy entwickelte die Kaiserin ein Gespür für die ungarischen Verhältnisse. Sie setzte sich für die Idee eines Ausgleiches, für die Wiederherstellung der Sonderrechte, welche vor der Revolution bestand hatten, und für eine Krönung ihres Mannes zum König der Ungarn ein. Die Ungarn nützten Elisabeths ablehnende Haltung gegenüber dem Wiener Hof, das schlechte Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter und die hohe Stellung der Kaiserin am Hof gekonnt aus.229

Als Kaiserin Elisabeth ihren Mann davon überzeugen wollte, dass eine Verbesserung mit den Ungarn notwendig war, gab Franz Joseph vorerst nichts auf die Meinung seiner Frau. Elisabeth versuchte deshalb ihren Mann über General Benedek230 zu erreichen. Benedek, welcher der Kaiserin nicht freundlich gesinnt war, sah in diesem Anliegen eine Chance, die Regentin in ein schlechtes Licht zu rücken und machte die Bitte seiner Herrscherin öffentlich. Damit war es kein Geheimnis mehr, dass sich die österreichische Kaiserin für die Belange der Ungarn einsetzte. Auf Nachdruck Elisabeths und der Ungarn fuhr Franz Joseph schlussendlich im Juni 1865 nach

225 Ida Ferenczy von Vecseszék (* 7. April 1839 in Kecskemét in der ungarischen Tiefebene; † 28. Juni 1928 in Wien) 226 József Eötvös (* 13. September 1813 in Buda; † 2. Februar 1871 in Pest) war ein ungarischer Poli- tiker. 227 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 184. 228 Hamann, Sissi, S. 48. 229 Hamann, Elisabeth, S. 221. 230 Ludwig von Benedek (* 14. Juli 1804 in Ödenburg, Ungarn; † 27. April 1881 in Graz)

Seite 55 Ungarn.231 Auf dieser politischen Reise setzte der Kaiser ein Zeichen in Richtung Besserung und hob unter anderem die Militärgerichtsbarkeit auf.232

Der Revolutionär, Gyula Andrássy, der maßgeblich an der Revolution von 1848 beteilig war, wurde nach der Niederlage zum Tode verurteilt, konnte aber nach Frankreich und anschließend nach England flüchten. Nachdem er begnadigt worden war und wieder nach Ungarn reisen durfte, setzte er sich für eine Verbesserung der ungarischen Situation und Stellung in der Monarchie ein.233 Andrássy und Elisabeth begegneten sich das erste Mal am 8. Jänner 1866, als einige ungarische Politiker nach Wien reisten, um die Kaiserin anlässlich ihres Geburtstages zu beglückwünschen und sie persönlich nach Ungarn einzuladen. Der in ungarischer Tracht gekleideten Elisabeth, die sich um die Gunst der UngarInnen stets bemühte und die Einladung schließlich auf Ungarisch annahm, wurde Jubel entgegengebracht. Endlich konnte sich die Kaiserin für etwas begeistern, wofür sie auch die geforderte Anerkennung erhielt.234

Ende Jänner 1866 brach das Kaiserpaar nach Ungarn auf, um dort für mehrere Wochen zu verweilen. Die Stimmung im Land hatte sich seit dem letzten Besuch der Kaiserin 1857 sehr verbessert. Elisabeth kam ihren repräsentativen Pflichten nach und nahm freudig an den diversen Empfängen und Veranstaltungen teil. Besonderen Eindruck konnte sie bei ihrer Ansprache auf Ungarisch vor der Reichsdeputation machen. Das Verhalten der Kaiserin bei den MagyarInnen stand im kompletten Gegensatz zu ihrem Desinteresse für die öffentlichen Verpflichtungen in Wien. Das ungarische Volk aber auch der Adel zeichneten sich durch ihre Freiheitsliebe, Ungezwungenheit aber auch Eleganz aus, was ganz nach dem Geschmack der Kaiserin war, die sich in dieser Umgebung sehr wohl fühlte. Gyula Andrássy wich während der vielen Veranstaltungen nicht von Elisabeths Seite und führte lange Unterredungen in der Landessprache mit ihr.235

Durch die tiefe Verbundenheit von Elisabeth und Andrássy entstand das Gerücht einer möglichen Affäre, die aus heutiger Sicht als höchst unwahrscheinlich erscheint. Nichtsdestotrotz konnten beide aus der freundschaftlichen Beziehung ihre Vorteile

231 Hamann, Elisabeth, S. 222. 232 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 53. 233 Ebd., S. 54. 234 Rainer F. Schmidt, Graf Julius Andrássy. Vom Revolutionär zum Außenminister (Persönlichkeit und Geschichte 145/146), Göttingen 1995, S. 37. 235 Hamann, Elisabeth, S. 228 – 229.

Seite 56 herausziehen. Der Ungar kam durch das gute Verhältnis seinem Ziel näher, die Situation in seinem Land zu verbessern, und Elisabeth fand die Anerkennung und Bestätigung, die sie schon lange suchte.236

Auch Franz Joseph zeigte Begeisterung für das Verhalten seiner Frau und schrieb seiner Mutter am 17. Februar 1866: „[…] Sisi ist mir von großer Hilfe durch ihre Höflichkeit, ihren maßhaltenden Takt und ihre gute ungarische Sprache, in welcher die Leute aus schönem Munde manche Ermahnung lieber anhören.“237 Nach einem fünfwöchigen Aufenthalt in Ungarn kehrte das Paar wieder nach Wien zurück. Elisabeth, die von dem Land und dem Volk begeistert war, und dort ihre Freiheit vermutete, wollte so bald als möglich dorthin zurückkehren.238

2.3.5.3. Elisabeths Einsatz für den österreichisch-ungarischen Ausgleich Da sich der Krieg mit Preußen zuspitzte und auf Wien überzugehen drohte, verließen alle, die es sich leisten konnten, die Hauptstadt. Die Kaiserin entschied sich, entgegen der Anordnung von Erzherzogin Sophie, mit ihren Kindern nach Budapest auszuweichen. Dieser politisch kluge Schachzug der Kaiserin, welche die Zuneigung der UngarInnen nützte, entpuppte sich als äußerst positiv. Freudig wurde die Monarchin am Bahnhof begrüßt und ihre Entscheidung, nach Ungarn zu fahren, war sowohl für die Beziehung zwischen Österreich und Ungarn sehr wichtig als auch für die liberale Strömung der Ungarn, die gegen eine Abspaltung von Österreich war. Von Ungarn aus versuchte Elisabeth, ihren Mann von der Idee eines Ausgleichs zu überzeugen und ihn zu einem Treffen mit Deák, dem Anführer der liberalen Deák- Partei, zu bewegen.239 Als der Kaiser ihren Rat nicht befolgen wollte, griff Elisabeth zu neuen Maßnahmen, um ihren Willen durchzusetzen und schrieb an den ungarischen Hofkanzler in Wien, dass er den Kaiser von ihrem Vorschlag überzeugen solle:

„[…] Vor allem eine Bitte, seien Sie mein Stellvertreter beim Kaiser, übernehmen Sie mein Amt, dem Kaiser die Augen zu öffnen über die Gefahr, in die er sich unwiderbringlich stürzt, wenn er noch immer keine Konzessionen an Ungarn machen will. Seien sie unser Retter, darum beschwöre ich Sie jetzt im Namen unseres armen Vaterlandes und meines Sohnes und zähle dabei auch auf die Freundschaft, die Sie, wie ich mir vielleicht einbilde, doch ein wenig für mich fühlen. Das Zugeständnis, zu dem ich den Kaiser zu bewegen trachtete, das er

236 Schmidt, Graf Julius Andrássy, S. 38 – 39. 237 Schnürer, Briefe Kaiser Franz Josephs I., S. 351. 238 Hamann, Elisabeth, S. 230. 239 Ebd., S. 237 – 239.

Seite 57 mir aber leider noch nicht machte, ist die jetzigen Regierungsmänner zu entfernen und als Minister der Äußeren Gyula Andrássy zu ernennen.“240 Dieser Brief an den Hofkanzler beweist, wie groß der Einsatz der Kaiserin in dieser Angelegenheit war, und dass sie voller Eifer versuchte, die Länder Österreich und Ungarn zusammenzuführen. Der Kaiser schenkte ihr vorerst keine Beachtung, doch Elisabeth wollte nicht so einfach aufgeben. Die Kaiserin, die das zögerliche Verhalten ihres Mannes nicht nachvollziehen konnte, schrieb Franz Joseph erneut einen Brief indem sie forderte:

„Eben komme ich zurück von Königseggs, wo ich eine Unterredung mit Andrássy hatte, natürlich allein. Er sprach seine Ansichten klar und deutlich aus. Ich habe sie verstanden und die Überzeugung gewonnen, daß, wenn Du ihm vertraust, aber ganz, so sind wir, und nicht Ungarn allein, sondern die Monarchie, noch zu retten. Du mußt aber jedenfalls selbst mit ihm reden, und zwar gleich […]. Zum letztenmal bitte ich Dich im Namen Rudolfs, versäume den letzten Moment nicht. […] Ich bitte Dich, telegraphiere mir gleich nach Erhalt meines Briefes, ob Andrássy abends mit dem Zug nach Wien fahren soll. […] Sagst Du ‚nein‘, willst Du in der letzten Stunde nicht einmal mehr einen uneigennützigen Rat hören, dann handelst Du wirklich un.lich an uns allen. […] [B]ist Du dann für immer enthoben, dann bleibt mir nichts mehr übrig, als mich mit dem Bewußtsein zu beruhigen, daß ich, was immer auch geschehe, Rudolf einmal ehrlich sagen kann: ‚Ich habe alles getan, was in meinen Kräften stand. Dein Unglück habe ich nicht am Gewissen.‘“241 Die harten Worte der Kaiserin bewegten den Kaiser zu einem Treffen mit Andrássy. Kaiserin Elisabeth konnte sich durchsetzen. Am 17. Juli 1866 traf der Ungar bei Franz Joseph in Wien ein. Auf dem Kaiser lasteten zu dieser Zeit mehrere Sorgen: Die Preußen waren bereits bis Pressburg vorgedrungen, zahlreiche Verletzte kamen jeden Tag nach Wien zurück und die Kaiserin bedrängte ihn ständig mit Briefen, die Situation mit den Ungarn zu klären. Gleichzeitig übte jedoch der anti-ungarische Wiener Hof erheblichen Druck auf Franz Joseph aus.242

Elisabeth vernachlässigte ihre Pflichten in der schweren Zeit und blieb, bis auf wenige kurze Aufenthalte beim Kaiser, in Ungarn. Zusätzlich machte sie ihrem Gatten noch Vorwürfe, dass er sie nicht besuchen komme. Der Krieg gegen die Preußen dauerte an, jedoch wurde der sogenannte ‚Vorfrieden von Nikolsburg‘ ausgehandelt, der besagte, dass Österreich 20 Millionen Taler an Preußen zahlen müsse, damit diese ihr Truppe abziehen würden. Ein Monat später, am 23. August

240 Conte Corti, Elisabeth, S. 165 – 166. Entnahm dies aus: Elisabeth an Georg von Majláth. Unverän- dert abgesandter Entwurf, wahrscheinlich am 14. Juli 1866 geschrieben. 241 Ebd., S. 167 – 168. Entnahm dies aus: Elisabeth an Franz Joseph, am 15. Juli 1866, eigenhändi- ges Briefkonzept. 242 Hamann, Elisabeth, S. 242 – 243.

Seite 58 1866, wurde der Prager Frieden geschlossen. Das vom Krieg gebeutelte Österreich musste zahlreiche Einsparungen treffen. Die Kaiserin kümmerten diese finanziellen Probleme indes nicht. Sie wollte zu diesem Zeitpunkt sogar ein Schloss in Ungarn kaufen.243 Nach zweimonatigem Aufenthalt in Ungarn reiste die Kaiserin mit ihren Kindern über Bad Ischl weiter nach Wien, blieb mit den ungarischen Vertrauten aber weiterhin in Kontakt.244

Am 1. Februar 1867245 trat der ungarische Ministerpräsident Graf Richard Belcredi246 zurück. Er war ein Gegnerspieler von Andrássy und der Idee eines österreichisch- ungarischen Ausgleichs. Belcredis Nachfolger war Graf Ferdinand von Beust247, durch dessen Ernennung das politische Vorhaben der Kaiserin und Andrássys kaltgestellt schien. Allerdings kristallisierte sich bald heraus, dass sie in Beust einen neuen Verbündeten gefunden hatten.248

Belcredi unterstellte Elisabeth, dass sie in der Phase des Krieges Franz Joseph Schwäche ausnützte, „um die spezifisch und egoistisch ungarischen Bestrebungen, die sie schon lange, aber bisher erfolglos patronisierte, nun mit noch mehr Nachdruck zu unterstützen.“249 Zudem kritisierte er die Kaiserin, weil sie ihren Mann während des Krieges alleine in Wien zurückgelassen und bedrängt habe. Die Kaiserin setzte sich weiterhin für die Anliegen der Ungarn ein und ließ sich über die politischen Geschehnisse stetig Bericht erstatten. Da ein direkter Briefverkehr mit Andrássy und den anderen Befürwortern des Ausgleichs nicht möglich war, wurden die Briefe über Mittelsmänner, oder in diesem Fall über Ida Ferenczy, zugestellt.250

Der unermüdliche Einsatz der UngarInnen und Elisabeths hatte sich schlussendlich jedoch gelohnt. Deák, der vom Kaiser angeboten bekam, die ungarische Regierung zusammenzusetzen, übertrug die Regierungsbildung an Graf Andrássy. Graf Beust

243 Hamann, Elisabeth, S. 247 – 248. 244 Ebd., S. 250. 245 Nähere Informationen zu den Ausgleichsverhandlungen und der damit verbundenen Sistierung des Februarpatents lassen sich in dem Werk von Helmut Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerli- che Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie (Österreichische Geschichte 1804 – 1914), Wien 2005, in dem Kapitel II. 4. finden. 246 Richard Graf von Belcredi (* 12. Februar 1823 in Ingrowitz, Mähren; † 2. Dezember 1902 in Gmun- den) 247 Friedrich Ferdinand von Beust (* 13. Januar 1809 in Dresden; † 24. Oktober 1886 auf Schloss Al- tenberg, bei St. Andrä-Wördern) 248 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 58. 249 Hamann, Elisabeth, S. 260. Entnahm dies aus: Fragmenten aus dem Nachlass des ehemaligen Staatsministers Grafen Richard Belcredi. 250 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 58.

Seite 59 setzte schlussendlich ein unabhängiges Ministerium mit Andrássy als Minister durch, der am 17. Februar 1867 in dieses Amt gewählt wurde.251 Der ungarische Landtag wurde in einen Reichstag umgewandelt, Ungarn wurde nun von Budapest aus verwaltet und nicht mehr von Wien.252 Andrássy formulierte im Zuge dessen die weiteren Ziele für Ungarn:

„Das eine ist die Erlangung der Sicherheit nach außen auf dem Wege, daß der ungarische Staat Participient einer Großmacht werde; das andere, daß daneben die Krone Stephans des Heiligen ihre tausendjährige Souveränität und ihr ungarisches Gepräge bewahren könne.“253 Durch den Amtsantritt Andrássys wurde die alte Verfassung von 1848 wieder gültig und ab dem 10. Mai 1867 standen Ungarn und Siebenbürger unter der Obhut seiner Regierung. Die Gesetze des Ausgleichs wurden am 29. Mai 1867 verabschiedet. Bei genauerer Betrachtung des Ausgleichs aus rechtlicher Sicht, galten der ungarische König – Franz Joseph – und der Adel als Vertragspartner, die für eine Personal- und Realunion des ungarischen Königreiches und die im Reichsrat anwesenden Länder und Königreiche einstanden. Ungarn wurde im Zuge der Ausgleichsverhandlungen selbständig. Allerdings hatte Österreich-Ungarn ein zusammengeschlossenes Heer, führte eine gemeinsame Außenpolitik und verwaltete die Finanzen zusammen.254

Die Kaiserin war im Hintergrund an den Verhandlungen beteiligt und ihr Einsatz muss ihr durchaus hoch angerechnet werden. Das Engagement von Franz Joseph und seiner Gemahlin wurde belohnt, denn das zukünftige Königspaar erhielt als Geschenk der Anerkennung das ungarische Schloss Gödöllö, welches Elisabeth bei einem vorigen Besuch bereits bestaunte.255 Am 8. Mai 1867 fuhren Franz Joseph und Elisabeth nach Ungarn und wurden dort feierlich von jubelnden Menschen begrüßt. Der Kaiser fuhr nach einiger Zeit zurück nach Wien, während seine Gattin in Budapest verweilte. Sie war weiterhin an den politischen Verhandlungen im Reichstag interessiert und ließ sich über wichtige Vorkommnisse informieren.256

Einen Monat später, am 8. Juni 1867, wurden Franz Joseph und Elisabeth zu König und Königin von Ungarn gekrönt. Für gewöhnlich war es üblich, dass die Frau erst

251 Anton Radvánszky, Das ungarische Ausgleichsgesetz vom Jahr 1867, in: Peter Berger (Hrsg.), Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867. Vorgeschichte und Wirkung, Wien, München 1967, S. 90 – 112, hier, S. 100 – 101. 252 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 142. 253 Graf Julius Andrássy, Ungarns Ausgleich mit Österreich vom Jahre 1867, Leipzig 1897, S. 144. 254 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 59. 255 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 142 – 143. 256 Ebd., S. 144 – 145.

Seite 60 einen Tag nach dem Mann gekrönt wurde, allerdings sollte eine gleichzeitige Krönung wohl die Dankbarkeit für Elisabeths Einsatz symbolisieren.257

Am 22. April 1868 kam in Budapest das vierte Kind des Paares, Marie Valerie, auf die Welt. Das Neugeborene hatte eine besondere Bedeutung für die UngarInnen und wurde auch ‚Ausgleichs-Kind‘ oder ‚ungarisches Kind‘ genannt. Böse Zungen behaupteten, dass Andrássy der Vater sei, allerdings geht die heutige Forschung davon aus, dass es sich hier lediglich um ein Gerücht handelte. Mit ihrer Tochter verbrachte Elisabeth viel Zeit in ihrer neuen Wahlheimat Ungarn.258 Mit Andrássy verband Elisabeth bis zu seinem Tod 1890 eine freundschaftliche Beziehung.259

2.4. Elisabeths Verhältnis zur Frauenbewegung 2.4.1. Handeln im Sinne der Wohltätigkeit

Die Kaiserin besuchte soziale Einrichtungen wie psychiatrische Anstalten, Bürgerversorgungsanstalten und Kinderheime, welche für die Erziehung von Kindern verantwortlich waren.260 Es muss hier jedoch zwischen öffentlichen und inoffiziellen Besuchen, welche die Kaiserin je nach Belieben unternahm, unterschieden werden. Als Beispiele für öffentliche, repräsentative Unternehmungen dienen ein Besuch des Kaiserpaares im Wiener Bürgerversorgungshaus, welchen es am 10. April 1863 absolvierte, die feierliche Eröffnung des Rudolfspitales am 12. Dezember 1864 oder ein Besuch von Elisabeth in der Landesirrenanstalt im Jahr 1886.261

Während ihren Besuchen in den verschiedenen sozialen Anstalten versuchte sie mit den Menschen in direkten Kontakt zu treten, um sich ein eigenes Bild von der Situation machen zu können. Die Krankheiten der Bedürftigen schreckten die Kaiserin bei ihren Besichtigungen nicht ab, was ihr einerseits zugutegehalten werden muss, andererseits jedoch auch grob fahrlässig war. In dieser Hinsicht unterschied sich Elisabeth von den anderen adeligen Frauen, die sehr wohl in sozialen Bereichen tätig waren, einen derartigen Kontakt mit dem Volk allerdings nie herstellen konnten

257 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 61. 258 Ebd., S. 62. 259 Andrew Sinclair, Elisabeth. Kaiserin von Österreich, München 1998, englisches Original: Death by Fame, London 1998, S. 106. 260 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 269. 261 Susanne Walther (Hrsg.), Elisabeth von Österreich. Einsamkeit, Macht und Freiheit. 99. Sonder- ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Hermesvilla, Lainzer Tiergarten. 22. März 1986 bis 22. März 1987, Wien 1986/1987, S. 273 – 274.

Seite 61 und wollten.262 Mit diesem Verhalten stand die Kaiserin im damaligen Adel allein da. Kaiserin Elisabeth war ebenfalls dafür bekannt, dass sie großzügig sein konnte, und Bedürftigen Geschenke machte. Durch die Spontaneität der Besuche zeigte Elisabeth, dass sie derartige Verpflichtungen lediglich nach ihren Bedingungen gestalten wollte. Diese offiziellen Auftritte blieben allerdings Einzelfälle und wurden nicht in der Häufigkeit durchgeführt, wie es für eine Kaiserin wünschenswert gewesen wäre.

Elisabeth, die ein Interesse für psychiatrische Anstalten und den PatientInnen hatte, besuchte derartige Einrichtungen in mehreren Städten. Dies tat sie auch in Bedlam (England), wo sie die Institution mit großem Interesse und Entspanntheit begutachtete.263 Die Kaiserin besuchte 1886 weitere ‚Irrenanstalten‘, wie sie damals genannt wurden, in Budapest oder Bründlfeld. Ihr Interesse kann darin begründet werden, dass viele ihrer Verwandten, wie Ludwig II.264 oder ihre Schwester Sophie265, psychisch krank waren und Elisabeth selbst oft Angst davor hatte, ein derartiges Schicksal zu erleiden.266

Weiters können anhand der Literatur nur wenige wohltätige Aktivitäten der Kaiserin nachgewiesen werden. Es muss intensiv recherchiert werden, um Elisabeth mit Wohltätigkeit in Verbindung setzen zu können. Aus der Zeitschrift des Roten Kreuzes aus dem Jahr 1905 kann entnommen werden, dass die Kaiserin das Patronat für die ‚Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz‘ übernahm, als diese 1880 gegründet wurde.267 Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kaiserin diese Funktion lediglich annahm, weil sie in ihrer Position als Kaiserin dazu verpflichtet war und nicht, weil die Entscheidung aus ihrer tiefsten Überzeugung resultierte.

262 Walther, Elisabeth von Österreich, S. 271. 263 Conte Corti, Elisabeth, S. 288 – 289. 264 Ludwig II, König von Bayern (* 25. August 1845 München; † 13. Juni 1886 Starnberger See, bei Schloss Berg), der aus dem Hause der Wittelsbacher stammende bayrische König, wurde am 9. Juni 1886 aufgrund seiner geistigen Umnachtung entmündigt. Die Regentschaft übernahm sein Onkel Lu- itpold. Als sich Ludwig am 13.6. im Starnberger See umbrachte, wurde sein jüngerer Bruder Otto als König proklamiert, allerdings galt dieser ebenfalls als gemütskrank, weshalb der Onkel Prinz Luitpold die weiteren Regierungsgeschäfte übernahm. Siehe hierzu: Brigitte Beier/Raphaela Drexhage/Jens Firsching u.a., Chronik der Deutschen, Gütersloh – München 19953, S. 633 – 635. 265 Sophie Charlotte Auguste (* 22. Februar 1847 in München; † 4. Mai 1897 in Paris) 266 Lindinger, »Mein Herz ist aus Stein«, S. 100 – 103. 267 Fünfundzwanzig Jahre Protektor der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuze, in: Das Rote Kreuz. Zentral-Organ für alle Wohlfahrts- und Wohltätigkeitsbestrebungen. Offizielle Zeitschrift des patriotischen Landes- und Frauenhilfsvereines vom Roten Kreuze für Mähren, des Vereines Kai- ser Franz Josef-Mädchen-Blindenheim in Brünn und des Landesvereines zur Bekämpfung der Tuber- kulose in Mähren, Heft 1, Jänner 1950, S. 2.

Seite 62 Die Aufgabe der adeligen Frauen war es, wohltätig zu sein, was bedeutete, sich um die Hilfsbedürftigen im Land zu kümmern. Für gewöhnlich kamen die aristokratischen Frauen diesem Grundsatz nach.268 Elisabeth praktizierte keine öffentliche Wohltätigkeit. Sie versuchte in diesem Bereich nach ihren Vorstellungen zu agieren. Sie hasste repräsentative Auftritte, half jedoch als Privatperson nur, wenn sie wollte und nach ihren eigenen Interessen. In den Abrechnungen der Kaiserin wurden große Summen für Spenden und wohltätige Zwecke verbucht. „Sie half unorganisiert und unauffällig.“269 Es ließ sich sogar beobachten, dass die Kaiserin unbemerkt in armselige Häuser ging, und dort Geld hinterlegte.270 Dass Elisabeth sich nicht öffentlich für das Gemeinwohl engagierte, bedeutet nicht, dass ihr die Armut der Bevölkerung egal war, sondern unterstreicht, wie unlieb ihr die auferlegten Verpflichtungen waren.

2.4.2. Elisabeths Frauenbild

Die Anfänge der Frauenbewegung fallen genau in die Lebenszeit der jungen Kaiserin, weshalb mögliche Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Elisabeth und der Bewegung herausgearbeitet werden müssen. Frauen forderten das Recht nach Bildung, die selbstständige Gestaltung ihrer Bedürfnisse, adäquate Arbeitsplätze und schlussendlich politische Mitbestimmung und rechtliche Gleichstellung mit den Männern. Im Zuge der Revolution der 1848er-Jahre schlossen sich Frauen, aber auch Männer für eine Verbesserung der Situation zusammen.271 Im Laufe der Zeit änderten sich die Forderungen, der immer zahlreicher auftretenden Vereine und zu Beginn „wurde die Erziehung der Frau zu selbstständiger wirtschaftlicher und geistiger Tätigkeit im Dienste nationaler und sozialer Ideen“272 postuliert.

Werden diese Forderungen mit dem Leben der Kaiserin verglichen, dann wird schnell klar, dass hinsichtlich des Freiheitsgedankens Parallelen vorhanden sind. Elisabeth setzte sich zwar nicht intensiv für die Frauenbewegung ein, oder teilte ihre Ansichten öffentlich mit, dennoch entsprach ihre Auffassung von Freiheit und Selbstverwirklichung den Grundprinzipen der Bewegung. Die Kaiserin lebte zwar das

268 Martina Winkelhofer, Das Leben adeliger Frauen. Alltag in der k.u.k. Monarchie, Innsbruck – Wien 2011, S. 123. 269 Hamann, Elisabeth, S. 197. 270 Ebd. 271 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 63 – 64. 272 Ebd., S. 64.

Seite 63 Maxim der Freiheit aus, fand allerdings auch kritische Worte für die Gleichstellungsbemühungen der Frauen.273 Der Griechischlehrer der Kaiserin Christomanos schrieb am 9. Dezember 1891 in seinem Tagebuch, wie sich Elisabeth bei ihm zur Emanzipationsbewegung äußerte:

„Frei sollen die Frauen sein; sie sind oft würdiger es zu sein als die Männer. Als bestes Beispiel haben wir die George Sand274. Aber was die sogenannte Bildung betrifft, so bin ich dagegen. Je weniger die Frauen lernen, desto wertvoller sind sie, dann wissen sie alles aus sich selbst heraus. Was sie lernen, lenkt sie eigentlich nur ab auf einen Abweg ihres Inneren, sie verlernen dadurch ein Stück ihrer selbst, um anstatt dessen Grammatik oder Logik unvollkommen sich anzueignen. In jenen Ländern, wo die Frauen weniger lernen, sind sie viel tiefere Wesen, als unsere Blaustrümpfe. Es ist eine Täuschung, wenn die Freunde der Emanzipation zu Gunsten der Bewegung vorbringen, daß gebildete Mütter geistig begabtere Söhne der Menschheit schenken würden. […] Im Gegenteil, sie würden wohltätiger wirken als Mütter, wenn sie wie die Bäume wären, frei von jeder Fessel und Verkrümmung unter dem offenen Himmel. Die Frauen sollen nicht da sein, um den Männern in ihren Geschäften zu helfen, indem sie ihnen Gedanken und Ratschläge soufflieren, sondern sie sollen durch ihre bloße Nähe Gedanken und Entschlüsse in den Männern wachrufen und reifen lassen, die diese dann selbst aus sich selbst zu schöpfen haben.“275 Natürlich können die Worte der Kaiserin auch als Phantasterei abgetan werden. Elisabeth war der Meinung, dass Frauen frei sein sollten, doch beim Thema Bildung werden eklatante Unterschiede zwischen der Einstellung der Kaiserin und der Frauenbewegung augenscheinlich. Elisabeth glaubte, dass Frauen dann wertvoller seien, wenn sie weniger lernten. Die Frau sollte nach Möglichkeit auf eine Art ‚natürliche Urkraft‘ zurückgreifen.276 Gebildete Frauen würden sich, so die Kaiserin, nur selbst verlieren. Elisabeth vertrat diese Ansicht wahrscheinlich, weil sie selbst wissbegierig war, aber erkannte, dass sie in ihrer Weiterbildung keine Erfüllung fand und diese Tatsache die Monarchin zunehmend frustrierte.277

Die Kaiserin plädierte dafür, dass es weit effektiver sei, die Männer indirekt zu beeinflussen, als dies offensichtlich zu machen. Das planmäßige Handeln sei nicht so erfolgreich, sondern die Männer sollten ihre Entscheidungen selbstständig treffen,

273 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 64. 274 George Sand, eigentlich Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil (* 1. Juli 1804 in Paris; † 8. Juni 1876 in Nohant, Département Indre), war eine Schriftstellerin aus Frankreich. Sie schrieb Roma- ne, aber auch gesellschaftskritische Werke. Sie trug Männerkleider und rauchte Pfeifen und Zigarren. Sie wollte gleichgestellt mit einem Mann sein, um, wie sie es nannte, in Bereiche und Milieus eindrin- gen zu können, die ihr als Frau für gewöhnlich verborgen blieben. Sie wollte ihr Leben und das ihrer Kinder gezielt unabhängig gestalten. Siehe hierzu: Susanne Gretter, Biografie George Sand, o.D., [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/george-sand/], eingesehen am 12.04.2018. 275 Verena von der Heyden-Rynsch (Hrsg.), Elisabeth von Österreich. Tagebuchblätter von Constantin Christomanos, München 1983, S. 50 – 51. 276 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 64 – 65. 277 Ebd., S. 65.

Seite 64 während die Frauen sie unbemerkt lenkten.278 Die Kaiserin erwähnte auch George Sand, die häufig rauchend in Männerkleidern beobachtet werden konnte. Elisabeth nahm sich diese Frau wohl zum Vorbild, denn wie aus Briefen von ihrer Nichte, Marie von Larisch-Wallersee, hervorgeht, trug die Kaiserin auch hin und wieder geheim männliche Kleidung und gönnte sich manchmal sogar eine Zigarette.279

Die Ausbildungsmöglichkeiten, die Verbesserung der Fortbewegungsmöglichkeiten und die damit verbundene legerere Kleidung verhalfen den Frauen allmählich zu mehr Selbstbestimmung. Rosa Mayreder280 betonte, dass der Fortschritt der Emanzipation mehr mit der Errungenschaft des Fahrradfahrens für Frauen zu tun habe, als die Arbeit der Frauenbewegung. Zudem wurde erwähnt, dass der Sport die Kleiderordnung der weiblichen Personen veränderte und dadurch mehr Bequemlichkeit geschaffen werden konnte. Unpraktische, viel zu eng geschnürte Mieder wurden gegen praktikable, sportliche Gewänder eingetauscht.281 Die Turnerin Matha Thum282 setzte sich für das Mädchen- und Frauenturnen in Deutschland ein und äußerte einst: „Die Hose ist die Tracht der Emanzipation, des Auffallenden (der Radfahrer, Reiter), der leichtlebigen Muse (Zirkus, Variété, Chantant) und des Mannweibsports (Fechten, ringen usw.).“ Durch dieses Zitat wird verdeutlicht, dass sich die Entfaltung der Frau auch durch Sport und legere Kleidung verbesserte.283

Elisabeth lebte gemäß dem Motto ‚Freiheit durch Bewegung‘. Besonders die Turnleidenschaft stand im krassen Gegensatz zur damaligen Vorstellung, wie eine Frau sich verhalten sollte. Dass gerade die Kaiserin von Österreich diesem Sport exzessiv nachging, stieß auf erhebliches Unverständnis.284 Auch das Fechten war eine für Frauen untypische Tätigkeit. Kaiserin Elisabeth lernte es auf ihren Kuraufenthalten bei den Studentenverbindungen in Heidelberg kennen und fand prompt Gefallen an der Kampfsportart.285

278 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 65. 279 Hamann, Elisabeth, S. 328 – 329. 280 Rosa Mayreder (* 30. November 1858 in Wien; † 19. Jänner 1938 ebenda) war eine österreichi- sche Frauenrechtlerin und Schriftstellerin. Sie betonte immer, dass sie nicht in ein Gymnasium gehen konnte. 281 Roman Sandgruber, „Frauen in Bewegung“. Verkehr und Frauenemanzipation, in: Lisa Fi- scher/Emil Brix (Hrsg.), Die Frauen der Wiener Moderne, Wien 1997, S. 53 – 63, hier S. 53. 282 Martha Thurm (1865-1949) 283 Sandgruber, „Frauen in Bewegung“, S. 54. 284 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 66. 285 Ebd., S. 68.

Seite 65 Anhand dieser Beispiele kann festgehalten werden, dass Elisabeth immer wieder die Herausforderung und das Spezielle suchte. Die extravagante Kaiserin wandte sich Interessen zu, in denen sie Erfüllung suchte. Ihr Ehrgeiz brachte sie dazu, immer mehr zu trainieren und es gelang ihr, in vielen Sportarten besser als die meisten Männer zu sein. Elisabeths Ansichten überschneiden sich mit Heinrich Pudors286 Ausspruch von 1903: „Möge die so berechtigte Frauenbewegung der Frau Bewegung schaffen lehren und sie nicht nur die geistigen, sondern auch körperlichen Gebiete erobern lassen.“287

2.5. Elisabeth schafft sich ihre eigene Welt

Verschiedenste Ereignisse führten dazu, dass sich Elisabeth zusehends vom Wiener Hof entfernte. Sie widmete sich nicht mehr ihren Aufgaben, die ihr als Kaiserin auferlegt wurden. Diese Widerspenstigkeit und Emanzipation war zu dieser Zeit absolut ungewöhnlich für die Frau eines Herrschers. Elisabeth kam ihrer Mutterrolle nur spärlich nach, stand ihrem Mann Kaiser Franz Joseph später nicht mehr zur Seite und repräsentierte ihr Land nicht standesgemäß. Die Kaiserin entwickelte sich über die Jahre zu einer willensstarken Frau, die sich nicht mit der Rolle der ersten Frau eines Großreiches abfinden wollte.288

Es stellt sich natürlich auch die Frage, wie Elisabeths extravaganter Lebensstil finanziert wurde. Kaiser Franz Joseph verfügte nämlich erst ab 1875 über ein ansehnliches Vermögen, als Kaiser Ferdinand, der ihm zwar den Thron überlassen, nicht aber auf das kaiserliche Vermögen verzichtet hatte, verstarb.289 Als Franz Joseph über das Geld verfügte, wurde der Kaiserin kein Wunsch, sofern er mit finanziellen Mitteln erfüllt werden konnte, abgeschlagen. Die Apanage von Elisabeth wurde erhöht, daher war es ihr trotz enormer Ausgaben aufgrund ihres Lebensstils möglich, einen Teil ihres Geldes in Aktien oder Sparbüchern – zum Teil in der Schweiz – anzulegen. Es kann jedoch nicht nachgewiesen werden, dass der Kaiser

286 Pudor Heinrich (Pseudonyme: Heinrich Scham, Ernst Deutsch) (*31. August 1865 Loschwitz bei Dresden; † 22.Dezember 1943 Leipzig) Er war Musiker, Schriftsteller und Publizist und setzte sich für lebensreformerisches, völkisches und antisemitisches Gedankengut ein. Siehe hierzu: Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V. (Hrsg.), Sächsische Biografie. Pudor Heinrich. Pseudo- nyme: Heinrich Scham, Ernst Deutsch, 21.3.2011, [http://saebi.isgv.de/biografie/Heinrich_Pudor_(1865-1943)], eingesehen am 14.04.2018. 287 Sandgruber, „Frauen in Bewegung“, S. 54. 288 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 40 – 41. 289 Hamann, Der Wiener Hof und die Hofgesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 63.

Seite 66 von der Geldanhäufung seiner Frau wusste, denn sie verwaltete ihr Vermögen hauptsächlich eigenständig.290

2.5.1. „Schwalbe, leih‘ mir deine Flügel“ – Elisabeths Wanderleben und ihr damit verbundener Ausbruch aus dem Hofleben

„Das Leben auf dem Schiff ist viel schöner als jedes Ufer. Die Reiseziele sind nur deswegen begehrenswert, weil die Reise dazwischen liegt. Wenn ich irgendwo angekommen wäre und wüßte, daß ich nie mehr mich davon entfernen könnte, würde mir der Aufenthalt selbst in einem Paradies zur Hölle. Der Gedanke, einen Ort bald verlassen zu müssen, rührt mich und läßt mich ihn lieben. Und so begrabe ich jedesmal einen Traum, der zu rasch vergeht, um nach einem neuen zu seufzen.“291 Der Eisenbahnlinienbau quer durch Europa machte das Reisen deutlich einfacher und unkomplizierter. Der Adel und das reiche Bürgertum nutzten diese neue Errungenschaft häufig, denn sie konnten sich die Benutzung der modernen Transportmittel, welche mit erheblichen Kosten verbunden waren, leisten.292

Zusätzlich wurde der Schiffverkehr als weiteres Reisevehikel ausgebaut. Als Vorreiter galt die österreichische Dampfschiffahrts-Gesellschaft293 ‚Österreichischer Lloyd‘ mit dem Hauptstandort in Triest.294 Der Kaiserin war es vorbehalten, die Schiffe ‚Miramar‘, ‚Greif‘ und ‚Fantasie‘, welche der kaiserlich-königlichen Kriegsmarine angehörten, zu benutzen. Besonders die ‚Miramar‘ zeichnete sich durch sehr viel Komfort aus, weshalb Elisabeth sie mit besonderer Vorliebe nutzte.295

Elisabeth machte Gebrauch von dem gut ausgebauten Verkehrsnetz und erhielt, da sie gerne als Propagandaträgerin verwendet wurde, sogar ein Schiff mit ihrem Namen. 1860 fertigte der Bildhauer Hans Gasser296 außerdem eine Statue der Kaiserin Elisabeth an, die auf dem neu erbauten Bahnhof der Kaiserin-Elisabeth- Westbahn aufgestellt wurde.297 Die Benennung der Bahn nach der Kaiserin und der Bau der Statue widerspiegeln und unterstreichen Elisabeths Reisebegeisterung. Um

290 Hamann, Elisabeth, S. 19. 291 Von der Heyden-Rynsch, Elisabeth von Österreich, S. 90. 292 Müller, » Schwalbe, leih' mir deine Flügel ... «, S. 14. 293 Es handelt sich hier um keinen Rechtschreibfehler, denn in der Literatur wir die Dampfschifffahrts- Gesellschaft tatsächlich mit nur zwei F geschrieben. 294 Müller, » Schwalbe, leih' mir deine Flügel ... «, S. 15. 295 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 93. 296 Hans Gasser (* 2. Oktober 1817 in Eisentratten bei Gmünd in Kärnten; † 24. April 1868 in Pest) 297 Im Jahr 1945 wurde die Statue beschädigt und galt Jahrzehnte als verschwunden, bis sie schluss- endlich im Zuge von Recherchearbeiten für eine Ausstellung der Westbahn gefunden wurde. Die Sta- tue wurde restauriert und 1985 feierlich am Wiener Westbahnhof aufgestellt. Siehe hierzu: Müller, » Schwalbe, leih' mir deine Flügel ... «, S. 15.

Seite 67 ihre Unternehmungen bequemer zu gestalten, wurde ein eigener Hofsalonwagen angefertigt, der sich durch luxuriöses Equipment auszeichnete.298 Elisabeth reiste mit Unmengen an Gepäck, mit bis zu 70 Personen des Dienstpersonals und weiterer Entourage. Zusätzlich wurden häufig noch ihre Pferde – bis zu 18 Tiere – mitgeführt.299 Die Kaiserin nutzte zwar die modernen Transportmittel, fühlte sich jedoch während der Fahrt in ihrer Freiheit häufig eingeschränkt, da ihr die Möglichkeit zur Bewegung fehlte.300

In der Literatur wird sie häufig als immer abwesende Herrscherin beschrieben. Diese Bezeichnung ist teilweise auch passend, wenngleich Elisabeth zu Beginn ihrer Zeit in Österreich sehr wohl mehrere Monate in Wien oder auf den Jagdschlössern der Habsburger verbrachte. Gegen Ende der 1860er-Jahre hielt sie sich vermehrt in Gödöllö auf und kam nur zu wichtigen Terminen wie etwa der Vermählung ihrer Tochter Gisela oder für die Weltausstellung 1873 nach Wien. Auch für den Umzug zur Feier ihres 25-jährigen Ehejubiläums im April 1879 kam Elisabeth nach Wien.301

Auf ihren Reisen blieb die Kaiserin meist inkognito, denn Elisabeth empfand es als störend, wenn sie erkannt und von den Menschen angesprochen wurde. Um getarnt und unbeschwert reisen zu können, verwendete die Monarchin meist die Pseudonyme Gräfin Hohenembs, Frau Tolna, Megaliostos oder Mrs. Nicholson.302

2.5.1.1. Ungarn – Schloss Gödöllö „hier lebt man so ruhig ohne Verwandte und Seccaturen u. dort [in Wien] diese ganze kaiserliche Familie! Auch bin ich hier ungeniert wie am Lande, kann alleine gehen, fahren“- vor allem aber reiten.“303 Im Jahr 1867 erhielt das Kaiserpaar als Krönungsgeschenk das schön gelegene Schloss Gödöllö geschenkt. Elisabeth wollte sich dort einen Ort schaffen, wo sie sich von dem Leben in Wien zurückziehen konnte. Sie ließ das Schloss nach ihren

298 Müller, » Schwalbe, leih' mir deine Flügel ... «, S. 15 – 16. 299 Schad, Elisabeth von Österreich, S. 52. 300 Juliane Vogel, Elisabeth von Österreich. Momente aus dem Leben einer Kunstfigur. Mit einem kunstgeschichtlichen Exkurs von Gabriela Christen, Wien 1992, S. 67 – 68. 301 Vocelka/Vocelka, Franz Joseph I., S. 270 – 271. 302 Reinhard Heydenreuter, Spuren der Wehmut. Kaiserin Elisabeths Reisen durch das alte Europa. Unter Mitarbeit von Karin Amtmann, Regensburg 1998, S. 21 – 22. 303 Hamann, Elisabeth, S. 326. Entnahm dies aus: Nachlass von Egon Caesar Conte Corti, Materialien zur Elisabeth Biographie. Elisabeth schrieb diese Zeilen an ihre Mutter, ein Datum wird nicht angege- ben.

Seite 68 Wünschen umbauen, damit sie sich uneingeschränkt wohlfühlen konnte.304 Das Anwesen bestand aus mehreren Appartements. Ein besonderes ‚Highlight‘ waren die Pferdestallungen mit teuren Tieren, aber auch eine Reitschule mit eigener Manege gehörte zu dem Anwesen.305

Die seit 1867 zur ungarischen Königin gekrönte Elisabeth stellte in dem Schloss ihre eigenen Regeln auf, denn sie lud zum Beispiel diverse Reitbegabte ein, ohne Rücksicht auf das strenge Rangprotokoll zu nehmen. Einer von ihnen war Elemér Batthyány306, der Sohn von Lajos Batthyány von Németújvár307, dem ersten ungarischen Ministerpräsidenten, der auf Geheiß von Kaiser Franz Joseph 1849 hingerichtet wurde, weshalb die Familie Franz Joseph zeitlebens feindselig gesinnt war. Elisabeth machte kein Geheimnis daraus, dass sie die Vorgehensweisen nach der Revolution verachtete. Sie lud Batthyány auch dann nach Gödöllö ein, wenn ihr Mann anwesend war. Franz Joseph musste das oftmals respektlose und beleidigende Verhalten des Ungarn über sich ergehen lassen. Dadurch wollte der Kaiser vermutlich jedoch nur einer Auseinandersetzung mit seiner Gemahlin aus dem Weg gehen, die sehr einfühlsam mit ihrem Gast umzugehen schien.308

Elisabeth lebte sich in Ungarn aus: Sie trug Männerkleidung und übte in ihrer Manege mit bekannten KunstreiterInnen Kunststücke wie Reifenspringen oder Dressurreiten. Häufig lud die Kaiserin auch Roma ein, da sie deren Musik sehr liebte. Das Dienstpersonal und die adelige Gesellschaft waren entsetzt, doch der Kaiser duldete dieses ungebührliche Verhalten seiner Frau.309

Elisabeth lebte in Gödöllö unbeschwert. Sie schuf sich ihre eigene Umgebung und stellte ihre eigenen Regeln auf. In Wien wäre ihr ein derart ungezwungenes Auftreten nie möglich gewesen.

304 Ferenc Dávid, Schloss Gödöllö – Krönungsgeschenk der ungarischen Nation, in: Brigitte Ha- mann/Elisabeth Hassmann (Hrsg.), Elisabeth. Stationen ihres Lebens, Wien – München 1998, S. 104 – 109, hier S. 104. 305 Dávid, Schloss Gödöllö, S. 108. 306 Elemér Batthyány (* 28. April 1847 in Pest; † 9. Jänner 1932 in Budapest,) 307 Lajos Batthyány von Németújvár (* 10. Februar 1807 in Pressburg; † 6. Oktober 1849 in Budapest) war der erste ungarische Ministerpräsident, der im Zuge des ungarischen Unabhängigkeitskrieges hingerichtet wurde. Die Ermordung löste weltweite Entrüstung aus. Der Todestag gilt in Ungarn als nationaler Trauertag. Siehe hierzu: Batthyány-Strattmann (Hrsg.), o.D., [http://www.batthyany.at/19_jahrhundert.html], eingesehen am 09.04.2018. 308 Hamann, Elisabeth, S. 326 – 327. 309 Ebd., S. 328 – 330.

Seite 69 2.5.1.2. Österreich und Deutschland Die Kaiserfamilie verbrachte häufig die ‚Sommerfrische‘ in Österreich, wobei die Standard-Reisedestination der Sommersitz in Bad Ischl war.310 Elisabeth verbrachte viele Tage mit ihrer jüngsten Tochter Marie Valerie in der und nutzte die umliegende Natur für Bergwanderungen und Reitausflüge.311

In Deutschland war der Starnbergersee Elisabeths beliebtestes Reiseziel. Besonders in Possenhofen fühlte sich die naturverbundene Kaiserin wohl. Mit Marie Valerie reiste sie häufig nach Bayern und quartierte sich meist für mehrere Wochen im ‚Hotel Strauch‘ in Feldafing ein.312 Nach Possenhofen flüchtete Elisabeth immer dann, wenn Wien sie zu sehr einengte, oder Ungereimtheiten mit ihrer Wiener Verwandtschaft auftraten.

Elisabeth reiste, wie damals üblich, auch zu zahlreichen Kurorten wie nach Meran, wo sie 1870 mit ihren beiden Töchtern Gisela und Marie Valerie für einige Monate auf Schloss Trauttmannsdorff residierte. Im Dezember des gleichen Jahres reiste Franz Joseph mit Rudolf nach, damit die Familie das Weihnachtsfest gemeinsam verbringen konnte. Es folgten noch weitere Aufenthalte der Kaiserin in Meran.313

Die Kaiserin reiste mit Marie Valerie auch nach Baden-Baden, Heidelberg und Amsterdam. In Amsterdam hielt sich Elisabeth mehrere Male auf, um zu kuren. In den Jahren 1884, 1889 und 1890 unternahm die Kaiserin Reisen nach Wiesbaden, wo sie unter anderem Besuch von Kaiser Wilhelm II. und seiner Mutter, Kaiserin Friedrich, erhielt. Diese Aufzählung stellt nur eine kleine Auswahl der Kurorte, in denen Elisabeth sich aufhielt, dar.314

2.5.1.3. Weitere Reisetätigkeiten Elisabeths Reisetätigkeit nahm nach dem tragischen Tod des Thronfolgers, der gemeinsam mit seiner jungen Geliebten Mary Vetsera315 in dem Jagdschloss

310 Schad, Elisabeth von Österreich, S. 52. 311 Monika Oberhammer, Kaiservilla in Bad Ischl, in: Brigitte Hamann/Elisabeth Hassmann (Hrsg.), Elisabeth. Stationen ihres Lebens, Wien – München 1998, S. 88 – 91, hier S. 91. 312 Schad, Elisabeth von Österreich, S. 52. 313 Ebd., S. 53. 314 Ebd., S. 54 – 57. 315 Marie Alexandrine Freiin von Vetsera, genannt Mary (* 19. März 1871 in Wien; † 30. Jänner 1889 auf Schloss Mayerling)

Seite 70 Mayerling Selbstmord beging, zu.316 Elisabeth trug nach dem Suizid vorzugsweise schwarze Kleidung.317

Das östliche Mittelmeer faszinierte die Monarchin immer mehr. Besonders die Entdeckung des vermeintlichen Troja durch Heinrich Julius Schliemann318 beeindruckte die Kaiserin nachhaltig. 1885 brach Elisabeth zu ihrer ersten Orientreise auf, wo sie von Korfu über Patras, Korinth, Zakynthos, Milos, Santorin nach Zypern, zur ägyptischen Hafenstadt Port Said aufbrach und anschließend über Alexandrien und Ithaka nach Korfu zurückreiste.319 Mit wenig Personal reiste sie in ihren letzten Lebensjahren wirr und konzeptlos durch die Gegend. Diese Reisetätigkeit der Kaiserin kann als „ziellose […] Odyssee“ bezeichnet werden.320

Den Kaiser traf Elisabeth währenddessen nur höchst selten an, stand mit ihm aber in einem aktiven Briefkontakt. Der ständige Ortswechsel und stundenlange Gewaltmärsche strapazierten das Personal der Kaiserin sehr. Doch die Kaiserin hielt es nicht lange an einem Ort aus und fuhr rastlos bis zu ihrem Tod weiter. Ihre letzte Reise unternahm Elisabeth am 16. Juli 1898, als sie von Bad Ischl über München nach Territet reisen wollte. Als die Kaiserin von ihrer Kur von Bad Nauheim und einem Besuch in Bad Homburg am 9. September in Genf ankam, übernachtete sie im Hotel ‚Beau Rivage‘. Am darauffolgenden Tag wollte sie zu einer weiteren Reise nach Montreux aufbrechen und fiel auf dem Weg zum Schiff einem Attentat durch den Anarchisten Luigi Lucheni zum Opfer.321

2.5.2. „Die Kunst ist nur die Schöpfung unserer Sehnsucht nach der Existenz“ – Elisabeth und die Dichtung

Ihre Gedichtsammlung, welche sie in den 1880er-Jahren verfasste, wollte Elisabeth den Menschen zur Verfügung stellen. Die Kaiserin plante eine Veröffentlichung für das Jahr 1950, also zu einer Zeit, in der kein Bekannter mehr leben würde. Sie wollte in der Nachfolgegeneration „Rechtfertigung, Verständnis, Nachruhm“ 322 erlangen, was ihr bis dato verwehrt blieb. Zu Lebzeiten organisierte sie die Übergabe ihrer verschlossenen Kassette mit der Sammlung, die an den Präsidenten der Schweizer

316 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 91. 317 Ebd., S. 92. 318 Heinrich Julius Schliemann (*6. Januar 1822 in Neubukow, Großherzogtum Mecklenburg- Schwerin; † 26. Dezember 1890 in Neapel) 319 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 86 – 87. 320 Ebd., S. 92. 321 Ebd., S. 92 – 96. 322 Hamann, Elisabeth, S. 444.

Seite 71 Eidgenossenschaft weitergegeben werden sollte. Sie legte ein Schreiben bei, indem sie forderte: „Der Ertrag soll ausschließlich verwendet werden für hilflose Kinder von politisch Verurteilten der österreichisch-ungarischen Monarchie nach 60 Jahren.“323

Das poetische Tagebuch der Kaiserin umfasst Gedichte aus den Jahren 1885 bis 1888 und stellte für Elisabeth eine Fluchtmöglichkeit aus dem realen Leben dar. Bereits als Jugendliche befasste sich die Kaiserin mit der Dichtkunst und nahm diese Leidenschaft im vorangeschrittenen Alter wieder auf.324 In ihren Gedichten schrieb die Monarchin sich in eine andere Welt und nahm die Rolle der Feenkönigin Titania325 an. Sie floh in eine Welt der Träume und bildete sich ein, dass ihr verstorbenes Vorbild Heinrich Heine ihr die geschriebenen Zeilen im Geiste diktieren würde. Häufig widmete sie ihm deshalb ihre Gedichte und sprach ihn direkt an:326

„An meinen Meister. Ich eil‘ ins Reich der Träume, Mein Meister, da bist Du, Es jubelt meine Seele Begeistert schon Dir zu. […]“327 Elisabeths Verehrung nahm beträchtliche Ausmaße an, denn sie sammelte Bilder und Drucke des Dichters, besuchte seine Verwandten und sogar sein Grab. Sie studierte das Leben des Dichters genauestens und wurde sogar von Literaturhistorikern um ihre Meinung gefragt. Die belesene Kaiserin befasste sich aber auch mit anderen Literaten wie etwa William Shakespeare.328

Die höfische Schicht missbilligte die literarische, philosophische und historische Bildung der Kaiserin. Sogar dem Kaiser war das Verhalten seiner Frau suspekt und es verunsicherte ihn, wie er in einem Brief zugab. Die Kaiserin lebte in einer anderen Welt, die für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar war. Franz Joseph musste sich sehr bemühen, mit Elisabeths geistigen Fortschritten mitzuhalten, denn die Kaiserin traf sich gelegentlich mit Schriftstellerinnen und entwickelte sich schnell zu einer gebildeten Frau.329

323 Hamann, Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch, S. 18. 324 Ebd., S. 12 – 14. 325 Titania war die Feenkönigin aus dem Stück ‚Sommernachtstraum‘ von William Shakespeare. Elisa- beth stellte Franz Joseph häufig in ihren Gedichten als den Feenkönig Oberon dar. Siehe hierzu: Ha- mann, Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch, S. 18. 326 Hamann, Elisabeth, S. 449 – 451. 327 Hamann, Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch, S.152. 328 Hamann, Elisabeth, S. 454 – 456. 329 Ebd., S. 465.

Seite 72 Viele von Elisabeths Gedichten behandeln Themen wie Weltflucht, die Verachtung von Menschen und die Isolation. In ihren Zeilen lassen sich oft boshafte Beschreibungen von Familienmitgliedern und der adeligen Gesellschaft finden. Da die Texte für die Nachwelt bestimmt waren, ist davon auszugehen, dass die Kaiserin mit ihrer Kritik – zumindest aus ihrer Sicht – für Aufklärung sorgen wollte. Sie selbst distanzierte sich von der aristokratischen Welt und sah sich Zeit ihres Lebens als Außenseiterin.330

Durch die Zeilen der Kaiserin kann viel über ihre Ansichten erfahren werden. Hamann bewertet den Einsatz der Kaiserin mit den folgenden Worten:

„Überraschungen gibt es in diesen gedichteten Selbstbekenntnissen viele: war die Monarchin doch eine glühende Verfechterin der republikanischen Staatsform, war sie als Kaiserin eines derart eng mit der Kirche verbundenen Reiches wie Österreich-Ungarn antiklerikal, war sie als erste Repräsentantin auch des österreichisch-ungarischen Adels eine Feindin der Aristokratie und schließlich – als Gattin eines stark von militärischem Denken bestimmten Kaisers – ausgerechnet Pazifistin und scharfe Kritikerin des Militärs.“331 Elisabeths Engagement sollte allerdings nicht zu hoch bewertet werden, denn sie lebte in ihrer ‚Wunsch- beziehungsweise Traumwelt‘ und gestaltete ihr Leben gemäß ihren Vorlieben.

2.5.3. Griechenlandbegeisterung

„Doch kehr‘ ich heim in deine Buchten, Wenn mir des Lebens Sturm missfällt. Was ich und meine Möven suchten, Hier find‘ ich’s- Ruhe von der Welt.“332 Elisabeths Liebe zu Griechenland wurde 1861 durch ihren Aufenthalt auf Korfu gesteigert. Sie interessierte sich für die griechische Geschichte und Mythologie und versuchte Alt- und Neugriechisch zu lernen. Über die Jahre folgten zahlreiche ‚Entdeckungsreisen‘ nach Griechenland.333

Auf einer der Reisen im Jahr 1888 bewohnte die Kaiserin die Villa ‚Braila‘, die sich durch eine einzigartige Lage auszeichnete. Elisabeths Griechenlandliebe war so groß, dass sie die Villa erwerben und nach ihren Vorstellungen umbauen lassen

330 Hamann, Elisabeth, S. 466 – 468. 331 Hamann, Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch, S. 10. 332 Ebd., S. 330. Diese Zeilen schrieb die Kaiserin am 15. November 1887 im Zuge ihrer Abreise von Korfu. 333 Hamann, Elisabeth, S. 457.

Seite 73 wollte.334 Den Kaiser erfreute dieses Vorhaben nicht, da der Kauf mit vermehrter Abwesenheit der Kaiserin in Verbindung zu stehen schien. Franz Joseph willigte jedoch schlussendlich in den Erwerb und den Umbau der Villa ein. Elisabeth beauftragte umgehend Freiherr Alexander von Warsberg335, der das Gebäude in Korfu nach ihrem Geschmack umbauen sollte.336 Wieder einmal konnte Elisabeth ihren Willen beim Kaiser durchsetzen und erhielt zusätzlich die Gelegenheit, dem Wiener Hof fern zu bleiben.

Franz Joseph kaufte allerdings nicht nur das Anwesen, sondern erwarb zusätzlich noch umliegende Grundstücke, um so eine Fläche von über 200.000 Quadratmeter zu erhalten. Die Kosten wurden durch die Privateinkünfte Elisabeths und das Privatvermögen des Kaisers beglichen. Das Gebäude sollte nach pompejanischem Stil und den Vorstellungen von Elisabeth umgestaltet werden.337 An dem Gebäude kann erkannt werden, wie sehr die Kaiserin Griechenland, der griechischen Mythologie und der Zeitepoche der Antike zugetan war. Das Schloss benannte die Kaiserin nach ihrem Lieblingshelden, dem bekannten Achill.338 Das ‚Achilleion‘, wie es von Elisabeth getauft wurde, zeichnete sich durch einen antiken Stil vereint mit Prunk und modernem Komfort, wie elektrischem Licht, aus. In der Parkanlage ließ sie sich unter anderem eine Statue von ihrem literarischen Vorbild Heinrich Heine anfertigen.339 Auch weitere Büsten von Literaten und Philosophen wie Homer, Euripides, Platon und Shakespeare zierten das Anwesen. Es wurden eigens angefertigte Malereien mit dem Inhalt griechischer Sagen hergestellt. Die Möbel ließ die Kaiserin von Handwerkern aus Neapel kostspielig produzieren.340

An dieser Stelle ist anzumerken, dass Elisabeth die Möbel zum Unmut der österreichischen Bevölkerung vorerst im Wiener Kunstgewerbemuseum ausstellen ließ. Der Museumsdirektor empfand die Zurschaustellung als Platzverschwendung

334 Ingrid Haslinger, Achilleion auf Korfu. Kaiserin Elisabeths griechische Villa, in: Brigitte Ha- mann/Elisabeth Hassmann (Hrsg.), Elisabeth. Stationen ihres Lebens, Wien – München 1998, S. 110 – 117, hier S. 111. 335 Alexander Freiherr von Warsberg (* 30. März 1836, Saarburg bei Trier; † 28. Mai 1889, Venedig). Als dieser noch vor dem Umbau verstarb, übernahm seine Aufgabe, den Bau und die Gärten zu be- aufsichtigen, sein Bruder Gustav Freiherr von Warsberg (*12. Mai 1838; †1916 o.O.). Dieser zog sich allerdings bereits 1890 von seiner Tätigkeit zurück. Die Beratertätigkeiten bezüglich des Umbaus wur- den von August Freiherr von Bucovich (* 7. September 1852 Triest; † 19. Janner 1913 Wien) weiter- geführt. Siehe hierzu: Haslinger, Achilleion auf Korfu, S. 112. 336 Conte Corti, Elisabeth, S. 437. 337 Haslinger, Achilleion auf Korfu, S. 111 – 112. 338 Hamann, Elisabeth, S. 489. 339 Schad, Elisabeth von Österreich, S. 67. 340 Hamann, Elisabeth, S. 489 – 490.

Seite 74 und die angeschlagene Wiener Wirtschaft fühlte sich ob des auswärtig hergestellten Mobiliars vor den Kopf gestoßen. Die Kaiserin selbst besuchte die Ausstellung nur einmal kurz, besichtigte ihre Möbel und verließ anschließend wortkarg das Gebäude.341

Dieses Beispiel zeigt gut, wie selbstbezogen die Kaiserin agierte. Passend dazu berichtete der Wiener Rechtsanwalt Wilhelm Schneeberger in einem privaten Interview vom 26. September 1898, dass Christomanos, der Lehrer Elisabeths, im privaten Kreis nicht gut über die Kaiserin sprach: „Die Kaiserin nützt Leute aus, dann werde sie ihrer überdrüssig und schiebe sie zur Seite.“342

Die Kaiserin war so sehr von der griechischen Kultur und Sprache angetan, dass sie ab den 1880er-Jahren meist nur mehr Wanderungen und Ausflüge mit ihrem griechischen Vorleser Constantin Christomanos343 unternahm. Mit ihm unterhielt sie sich auf Griechisch und gab sich häufig sogar als Griechin aus.344

Als Elisabeth 1892 mit ihrem Lehrer zum ‚Achilleion‘ reiste, beschrieb Christomanos seine Eindrücke während des Aufenthaltes in seinem Tagebuch, welches nach dem Tod der Kaiserin 1898 veröffentlicht wurde. Der Wiener Hof war von der Veröffentlichung nicht begeistert, fühlte sich desavouiert und legte Christomanos daher nahe, das Kaiserreich zu verlassen.345 Als die Kaiserin ihrem Vorleser das Gebäude und den Garten zeigte, erklärte sie ihm bezüglich der gigantischen Statue des sterbenden Achilles:

„Es ist der sterbende Achilles dem ich meinen Palast geweiht habe, weil er für mich die griechische Seele personifiziert und die Schönheit der Landschaft und der Menschen. Ich liebe ihn auch, weil er so schnellfüßig war. Er war stark und trotzig und hat alle Könige und Traditionen verachtet und die Menschenmassen für nichtig gehalten, gut genug, um wie Halme vom Tode abgemäht zu werden. Er hat nur seinen eigenen Willen heilig gehalten und nur seinen Träumen gelebt, und seine Trauer war ihm wertvoller als das ganze Leben.“346 Interessant ist, welche Eigenschaften Elisabeth an dem Helden bewunderte. Sie bewunderte seine Schnellfüßigkeit, die Auflehnung gegen den König und die Einhaltung der Traditionen. Die Kaiserin verehrte ihn, weil sie glaubte, dass er nur

341 Hamann, Elisabeth, S. 490. 342 Friedjung, Geschichte in Gesprächen, Band 1, S. 188. 343 Constantin Christomanos (* 1. August 1867 Athen; † 14. November 1911 Wien) 344 Hamann, Elisabeth, S. 491. 345 Robert Holzschuh (Hrsg.), Die letzte Griechin. Die Reise der Kaiserin Elisabeth nach Korfu im Frühjahr 1892 – erzählt aus den Tagebuchblättern von Constantin Christomanos –, Aschaffenburg am Main 1996, S. 7. 346 Von der Heyden-Rynsch, Elisabeth von Österreich, S. 107.

Seite 75 seine Träume verfolgt und seinen Willen durchgesetzt hatte. Wird Elisabeths Lebensstil betrachtet, dann lassen sich einige Parallelen zum griechischen Held finden. Ihr Verhalten war ebenfalls trotzig, sie missachtete die Traditionen des Wiener Hofes und alles, was dem Kaiser wichtig war. Sie schuf sich eine Welt nach ihren Vorstellungen und setzte gekonnt ihre Wünsche durch, um ihre Träume und Vorstellungen zu verwirklichen.

Im Jahr 1891 wurde das ‚Achilleion‘ fertiggestellt und bald im Anschluss verlor Elisabeth das Interesse an dem kostspieligen Schlösschen. Die Kaiserin beschwerte sich, dass das Anwesen sie in ihrer Freiheit einschränke und daher wollte sie es bereits 1893 wieder verkaufen, um nicht an einen Ort gebunden zu sein.347 Franz Joseph zeigte sich aufgrund des abrupten Sinneswandels seiner Frau entgeistert und schrieb ihr am 6. April 1893:

„[...] Wenn ich auch schon seit einiger Zeit merkte, daß Dich Dein Haus in Gasturi nicht mehr freut, seit es fertig ist, so war ich doch durch Deinen Entschluß, es jetzt schon zu verkaufen, etwas erstaunt und ich glaube, daß Du Dir die Sache doch noch überlegen solltest. Valérie und ihre wahrscheinlich zahlreichen Kinder werden auch ohne den Erlös für Dein Haus nicht verhungern und es wird sich doch ganz sonderbar machen und zu keinen angenehmen Bemerkungen Anlaß geben, wenn Du gleich, nachdem Du die Villa mit so vieler Mühe, mit sovieler Sorgfalt und mit so vielen Kosten gebaut, so Vieles hintransportirt hast, nachdem noch in aller letzter Zeit ein Terrain dazu gekauft wurde, plötzlich den ganzen Besitz losschlagen willst. […] Für mich hat Deine Absicht auch eine traurige Seite. Ich hatte die stille Hoffnung, daß Du, nachdem du Gasturi mit so vieler Freude, mit so vielem Eifer gebaut hast, wenigstens den größten Theil der Zeit, welche Du leider im Süden zubringst, ruhig in Deiner neuen Schöpfung bleiben würdest. Nun soll auch das wegfallen und Du wirst nur mehr reisen und in der Welt herum irren.“348 Aus dem Brief geht klar hervor, dass Franz Joseph wollte, dass seine Frau ihren bereits gefassten Entschluss überdenkt. Doch als Ausrede für den Verkauf führte Elisabeth an, dass ihre Tochter Marie Valerie den Erlös benötige. Diese Argumentation empfand der Kaiser als lächerlich, denn eine Kaisertochter musste, wie er treffend festhielt, bestimmt nicht verhungern. Der Kaiser spielte auch auf die beträchtlichen Kosten des Hauses an und betonte, dass das Volk diese Entscheidung nicht gut aufnehmen würde, da die Forderungen der Kaiserin ohnehin schon schwer vertretbar waren. Franz Josef schrieb in seinem Brief, dass er durch den Umbau hoffte, dass Sisi ihre Reiselust ablegen und sie, wenn auch in weiter Ferne, sesshaft werde. Durch den Verkauf konnte Elisabeth weiterreisen, oder

347 Haslinger, Achilleion auf Korfu, S. 114. 348 Nostitz-Rieneck, Briefe Kaiser Franz Josephs an Kaiserin Elisabeth, S. 307 – 308.

Seite 76 herumirren, wie der Kaiser es nannte. Trotz der Zweifel des Kaisers sollte die Prunkbaute verkauft werden.

Der Wert des Gebäudes war jedoch derart hoch, dass es lange Zeit nicht möglich war, einen passenden Käufer zu finden. Einige Möbel wurden 1897 in die ‚Hermes- Villa‘ nach Wien transportiert, wo zwei sogenannte ‚Korfu-Salons‘ eingerichtet wurden. Als die Kaiserin ermordet wurde, erhielt Gisela das Anwesen auf dem Franz Josef zeitlebens ein Nutzungsrecht hatte. Im Mai 1907 erwarb Kaiser Wilhelm II. das ‚Achilleion‘.349

2.5.4. Schönheit – Kampf um die ewige Jugend

Das Volk war von der Schönheit seiner Herrscherin begeistert und egal wo sich die Kaiserin befand, sie wurde zum Publikumsmagnet und zog große Menschenmengen an. In adeligen Kreisen wurden der Anmut und Liebreiz nur ungern anerkannt. Durch ihre ersten Reisen und zahlreichen BewundererInnen gewann Elisabeth an Charakterstärke und bekam ein Gespür dafür, wie sie ihre Schönheit zu ihren Gunsten einsetzen konnte.350

„Sie war die unnahbare, kalte Schöne, die sich bis zur Selbstaufgabe des Mannes huldigen ließ, nie aber die allerkleinste Annäherung erlaubte. Bei aller Lieblichkeit ihrer Erscheinung betonte sie zunehmend das Hoheitsvolle, ja Majestätische – gegenüber Männern.“351 Elisabeth legte Wert darauf, dass ihr Aussehen natürlich und exklusiv war. Die kastanienbraunen, langen Haare galten als besonderes Markenzeichen der Kaiserin. Für eine optimale Pflege engagierte sie eine Theaterfrisörin, die diverse Haarkreationen entwarf, darunter auch die bekannten ‚Steckbrieffrisuren‘ und ‚Sternenfrisuren‘, welche meist allerdings nur erfolglos nachgeahmt wurden. Elisabeths Haare wurden nur alle paar Wochen mit speziellen, natürlichen Mitteln wie Cognac und Ei gewaschen, da diese Prozedur einen ganzen Tag beanspruchte. Die Haare waren ihr heilig, weshalb sie häufig Wutausbrüchen erlag, wenn sie gekämmt wurde und ihr dabei zu viele Haare ausgingen.352 Diese Eindrücke verdeutlichen, wie schwierig der Charakter der Kaiserin sein konnte und dass sie, wenn ihr etwas gegen den Strich ging, alle Beteiligten dafür büßen ließ.

349 Haslinger, Achilleion auf Korfu, S. 114 – 116. 350 Hamann, Elisabeth, S. 190 – 191. 351 Ebd., S. 191. 352 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 66 – 67.

Seite 77 In zunehmendem Alter wurde die tägliche Pflege der Kaiserin aufwendiger, da sie sich nicht mit dem natürlichen Alterungsprozess abfinden wollte. Ständige Diäten und exzessiver Sport halfen ihr, das Gewicht zu halten.353 Ihre Haut pflegte sie mit besonderer Sorgfalt. Sie ließ Tinkturen aus Ölen, Bienenwachs, Kakaobutter und vielen andern natürlichen Inhaltsstoffen herstellen. In der Erdbeerzeit wurden Masken aus Früchten angefertigt und Elisabeth legte sich auch Kalbsfleisch auf das Gesicht.354

Die Quellenlage bezüglich des Essverhaltens zeigt Unterschiede. Zum einen hungerte Elisabeth oft wochenweise und zum anderen aß sie dann wieder ordentlich. Dieser Tatsache liegen höchstwahrscheinlich auch die Stimmungsschwankungen der Kaiserin zu Grunde. Um ihre psychischen Probleme und ihre Anämie zu lindern, wurde Elisabeth empfohlen, sich von rohem ausgepressten Fleisch oder dem Blut von Tieren zu ernähren. Ein weiteres Mittel, das bei gesundheitlichen Problemen eingesetzt wurde, war Milch. Daher hielt Elisabeth mehrere Kühe aus fremden Ländern und auch Schafe und Ziegen, die sie auf ihren Reisen mitnahm.355

Doch nicht immer achtete die Kaiserin streng auf ihr Gewicht und ihren Körper, denn sie liebte süße Köstlichkeiten und war oft gesehene Besucherin in Konditoreien wie dem ‚Café Sacher‘ in Wien. Nach ihrem Geschmack wurde sogar ein Veilcheneis nach speziellem Rezept hergestellt. Außerdem rauchte Elisabeth nicht ungern Zigaretten, was für eine Frau sehr untypisch war und zu Entsetzen führte.356

Im Dezember 1888 schockierte Elisabeth ihren Mann mit einem in Griechenland gestochenen Tattoo. Das Motiv stellte einen Anker dar, den sie sich auf ihre Schulter tätowieren ließ. Ihr neues Accessoire hatte sie sich im Zusammenhang mit der bevorstehenden Heirat ihrer Tochter Marie Valerie stechen lassen. Der Anker war im 19. Jahrhundert ein weit verbreitetes Motiv im Zusammenhang mit dem Tod und lässt sich auf vielen Grabstätten finden.357 Dass sich die Kaiserin gerade für dieses Tattoo entschied, spricht für sich.

353 Hamann, Elisabeth, S. 207 – 208. 354 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 68. 355 Ebd., S. 70 – 71. 356 Brigitte Reisinger, Elisabeth. Kaiserin von Österreich. Ein Frauenleben, St. Pölten – Wien 1998, S. 64. 357 Lindinger, »Mein Herz ist aus Stein«, S. 18 – 19.

Seite 78 2.5.5. Die sportliche Kaiserin Der Schlankheitswahn der Kaiserin wurde nicht nur mit strikter Ernährung geregelt. Sie strapazierte ihren Körper in den eigens für sie errichteten Turnzimmern, welche sie sich in jedem ihrer Schlösser einrichten ließ. Dass eine Frau am Barren und an Ringen turnte, und ihren Körper mit Hanteln und Gewichten trainierte, war in der damaligen Zeit verpönt. Die Hofgesellschaft war erneut von der Kaiserin bestürzt.358

Das Geschick für die Turnerei kam der Kaiserin beim Voltigieren auf dem Pferd zugute. Neben dem Reitsport ging sie auch dem Schwimmen und dem Fechten nach. Elisabeth war gut bei Fuß, daher unternahm sie gern ausgedehnte Spaziergänge und Wanderungen, ohne Rücksicht auf ihre BegleiterInnen, die ihrer Majestät nicht nachkamen und bei jeder Witterung mit ihr mitzuhalten versuchten.359 Elisabeths Wanderungen konnten auch über acht Stunden andauern. Die Monarchin forderte später sogar, ihre Wanderungen in der Nacht unternehmen zu können, da ihr untertags zu viele Menschen begegneten.360

Elisabeths Einsatz hatte sich in jedem Fall gelohnt, denn sie galt als eine der schönsten Frauen der Welt. Dieser Tatsache war sich die Kaiserin auch bewusst. Die Narzisstin sorgte dafür, dass nach 1868 keine Bilder mehr von ihr entstanden, um dieses Bild aufrechtzuerhalten. Alle heute erhaltenen Fotos und Portraits sind vor ihrem 32. Lebensjahr aufgenommen worden. Spätere Fotographien sind zwar vorhanden, allerdings verhüllte die Kaiserin stets ihr Gesicht mit einem Fächer. Der Mythos um die Kaiserin war also bereits damals aktuell und lebt bis heute auf.361

Franz Joseph selbst galt als einer der größten Bewunderer seiner Frau. Elisabeth hatte ihren Mann in der Hand, konnte sich gegen ihre Schwiegermutter Sophie durchsetzen. Hamann findet passende und klare Worte, wenn es um die Machterhaltung der Kaiserin geht und stellt folgende These auf: „Diesen Wandel hatte Sisi nicht durch Leistung, Liebenswürdigkeit oder Intelligenz erworben, sondern ausschließlich durch ihre Schönheit.“362

358 Hamann, Elisabeth, S. 210. 359 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 72. 360 Lindinger, »Mein Herz ist aus Stein«, S. 134. 361 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 73 – 74. 362 Hamann, Elisabeth, S. 215.

Seite 79 2.5.6. Beste Reiterin der Welt? Eine der wenigen Gemeinsamkeiten des Kaiserpaares war das Reiten. Die Ausübung dieses Sports galt für einen Mann zur damaligen Zeit durchaus als normal, war jedoch für eine Frau unüblich, weshalb sich Elisabeth den Respekt als Reiterin erst hart erarbeiten musste.363 Bereits als Kind zeichnete sich Elisabeth durch ihre Reitbegabung aus. Elisabeth war sehr talentiert, mutig und ambitioniert und schaffte es durch ihr unermüdliches Training, sich einen Ruf als professionelle Reiterin zu verdienen.364

Mit ihren sorgfältig ausgewählten Tieren nahm sie an Parforcejagden und Wettkämpfen im Dressurreiten teil. Elisabeth lernte, wie man Wagen fuhr und führte akrobatische Übungen am Pferd durch.365

Als die Kaiserin 1875 ihren Reiturlaub in der Normandie verbrachte, widmete sie sich hauptsächlich dem Hindernisreiten. Am 11. September 1875 hatte die Kaiserin während ihres Trainings einen Reitunfall, bei dem sie für kurze Zeit ohnmächtig war. Dieser Sturz hielt sie allerdings nicht davon ab, ihre Vorliebe weiterhin auszuleben.366

Um ihr Reitvergnügen zu optimieren, suchte die Kaiserin geeignete Reiseziele. Bestens geeignet waren die Länder England und Irland, welche bekannt für die Jagd auf heimisches Wild waren. Elisabeth reiste in den Jahren 1874 bis 1882 mehrmals in ihre dortigen Domizile, um zu reiten und jagen. In den darauffolgenden Jahren kam sie nur mehr zur Erholung ihrer Rheumaerkrankung dort hin.367 Ihre luxuriösen Reitreisen in Sonderzügen mit zahlreicher Begleitung und kostbaren Pferden wurden vom Kaiser toleriert und finanziert.368 Elisabeth genoss ihre Reise nach England und verbrachte die meiste Zeit auf der Jagd.369 Wenn sie nicht auf der Jagd war, besuchte Elisabeth Gestüte und begutachtete die dortigen Pferde, die ihr zwar

363 Georg Kugler, Elisabeth. Kaiserin von Österreich – Königin von Ungarn, Florenz 1998, S. 51. 364 Elfriede Tesnohlidek, Die Kaiserin und der Sport, in: Susanne Walther (Hrsg.), Elisabeth von Öster- reich. Einsamkeit, Macht und Freiheit. 99. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Hermesvilla, Lainzer Tiergarten. 22. März 1986 bis 22. März 1987, Wien 1986/1987, S. 28 – 34, hier S. 31. 365 Renate Stephan (Hrsg.), Kaiserin Elisabeth von Österreich 1837 – 1898. Das Schicksal einer Frau in den Zwängen des kaiserlichen Hofes, Wien 1998, S. 84. 366 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 83. 367 Hassmann, England und Irland, S. 134. 368 Hamann, Sissi, S. 60. 369 Hassmann, England und Irland, S. 134.

Seite 80 äußerst gut gefielen, aber zu teuer waren. Zur Blamage des Kaisers bekam Kaiserin Elisabeth dann allerdings ein Reitpferd geschenkt.370

Auf ihrer zweiten Englandreise ließ sich Elisabeth in Northamptonshire nieder, wo Captain William George "Bay" Middleton371 dafür verantwortlich war, mit der Kaiserin auf die Jagden zu gehen. Es entstand eine Freundschaft zwischen den beiden Reitfanatikern und Middleton besuchte Elisabeth sogar in Gödöllö für gemeinsame Reitausflüge. Häufig wurde über eine Liebesbeziehung zwischen der Kaiserin und ihrem Gefährten spekuliert, doch sie konnte bis heute nicht nachgewiesen werden. Im Anschluss an weitere Reisen nach England zog es Elisabeth 1879 und 1880 nach Irland.372

Ihr Begleiter Bay Middleton war auf ihrer letzten Reise nicht mehr anzutreffen, denn offenbar sollten die bestehenden Gerüchte einer Affäre nicht weiter forciert werden. Middleton, der sich 1882 verlobte, stand der Kaiserin dann auch nicht mehr als Begleitung zur Verfügung, was Kaiserin Elisabeth derart deprimierte, dass sie ihre Pferde in England verkaufte.373 Kurze Zeit danach gab sie in den 1890er-Jahren ihre große Leidenschaft für die Jagd auf. Ob es an Middletons Verlobung oder an ihrer Rheumaerkrankung lag, bleibt unklar.374

2.6. Eine Legende lebt! – Präsenz in der Nachwelt und der ‚Sisi-Mythos‘ Elisabeth wurde bereits zu Lebzeiten zur Mythosfigur. Ihre Schönheit wurde mittels Bildern und Fotographien festgehalten und inszeniert. Die Kaiserin ließ sie sich im Alter von knapp über 30 Jahren nicht mehr ablichten und verschleierte ihr Gesicht. Der Mythos war geboren. Fürst Alfons Clary-Aldringen375 sah die Kaiserin 1896/97 in Territet am Genfer See als Kind und berichtete von einem zufälligen Treffen, bei dem sich Elisabeth nicht den Fächer vor das Gesicht hielt. Allerdings erzählte er: „[…] sie lächelte uns freundlich zu – aber ich war wie aus den Wolken gefallen, denn ich sah ein mir uralt vorkommendes Gesicht voller Runzeln.“376 In den letzten Lebensjahren

370 Hamann, Elisabeth, S. 332. 371 Captain William George "Bay" Middleton (* 16 April 1846 in Glasgow; †9 April 1892 in Kineton) 372 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 83 – 84. 373 Hassmann, England und Irland, S. 137. 374 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 84. 375 Alfons von Clary und Aldringen (* 1887; † 1978) 376 Hamann, Elisabeth, S. 587.

Seite 81 durften nur wenige Vertraute die Kaiserin sehen. Meist wurde sie durch ihre Verschleierungstaktik nicht erkannt.377

Bereits zu Lebzeiten der Monarchin beschäftigten sich die Zeitgenossen sowohl auf medialem als auch auf literarischem Gebiet mit Elisabeth. Nach ihrem Tod entwickelte sich eine Art Legendenbildung um die Kaiserin. Vocelka greift in diesem Zusammenhang den Begriff ‚europäischer Erinnerungsort‘ auf, der „nicht nur die topographische, sondern auch die nicht materielle Erinnerungskultur“378 meint. „Die ‚memoria‘, also das Gedenken an Menschen, erfährt damit eine Erweiterung, die durch verschiedene Interpretationen zu einer Mythologisierung beiträgt.“379

Nach ihrem Tod blühte der ‚Sisi-Kult‘ erst richtig auf. Die Kaiserin lieferte Stoff für Bücher, Filme, Musik, diente als Werbebild der Marke Märklin, um auf einem der Modellzüge abgelichtet zu werden und sogar eine Playmobil-Figur wurde 2006 nach ihrem Vorbild für einen guten Zweck hergestellt.380. “There is even a Sissi381 ‘syndrom', a condition ‘when the soul loses its balance’, and there are of course minutes of spiritualist sessions with Sissi.”382

Bereits zu Lebzeiten von Elisabeth entstanden zahlreiche Denkmäler wie etwa am Wiener Westbahnhof oder am Stephandom in Wien. Es lassen sich allerdings außergewöhnlich viele Erinnerungsorte finden, die nach dem Tod der Kaiserin errichtet wurden.383

Der Architekt Friedrich Ohmann384 plante in seinem Entwurf ein Denkmal mit einer sitzend dargestellten Kaiserin Elisabeth im Wiener Volksgarten. Die Planung sah eine Einbettung des Monuments in der Gartenanlage vor, welches schlussendlich 1907 eingeweiht wurde. Ein weiteres Denkmal wurde am Salzburger Hauptbahnhof

377 Hamann, Elisabeth, S. 586 – 587. 378 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 115. 379 Ebd., S. 115. 380 Sylvia Schraut, Sissi. Popular Representations of an Empress, in: Sylvia Paletschek (Hrsg.), Popu- lar Historiographies in den 19th and 20th Centuries. Cultural meanings, social practices (New German historical perspectives 4), Oxford 2011, S. 155 – 205, hier S. 155. 381 Es lassen sich unterschiedliche Schreibweisen des Namens der Kaiserin finden. HistorikerInnen wie Brigitte Hamann bevorzugen die Schreibung ‚Sisi‘. Wohingegen festzustellen ist, dass für Werbe- zwecken, in Filmen, Musik u.v.m. meist die Schreibung ‚Sissi‘ verwendet wird. Ein gutes Beispiel hier- für ist die bekannte ‚Sissi-Trilogie‘ von Ernst Marischka, bei der auf die Schreibweise ‚Sissi‘ zurückge- griffen wird. 382 Schraut, Sissi, S. 156. 383 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 116. 384 Friedrich Ohmann (* 21. Dezember 1858 in Lemberg, Galizien, Österreich-Ungarn; † 6. April 1927 in Wien) war ein Architekt in Österreich.

Seite 82 errichtet und 1901 dem Kaiser präsentiert.385 Zudem widmete die ‚Gesellschaft vom Roten Kreuz‘ der Monarchin die ‚Kaiserin-Elisabeth-Gedächtniskapelle‘, welche 1908 eröffnet wurde.386

Besonders in Ungarn, es war nicht anders zu erwarten, entwickelte sich ein ‚Hype‘ für Elisabeth-Gedenkorte. Mehr als 40 Denkmäler und 100 Parkanlagen wurden im Gedenken an die Kaiserin zu ihren Ehren errichtet. Zum Teil sind die Skulpturen heute aber nicht mehr erhalten. Nicht nur in dem geliebten Ungarn lassen sich Erinnerungen an die Monarchin finden, sondern auch in den von ihr bereisten Orten wie Korfu, Madeira, Passau und in den zahlreichen Kurorten wie Bad Kissingen, Meran, Territet und vielen anderen lassen sich Andenken finden. Es wurden nicht nur Denkmäler errichtet, sondern auch Straßen, Plätzte, Hotels und Restaurants, Eisenbahnen, Brücken und vieles mehr nach der Kaiserin benannt.387 Auf den Spuren der Kaiserin kann auch gewandert werden: In Meran wurde der sogenannte ‚Sissi-Weg‘ angelegt, der vom Zentrum bis zum Schloss Trauttmansdorff führt, wo sich die Kaiserin gerne aufhielt. Die populäre Kaiserin wurde zum Werbegesicht vieler Orte und lockt auch heute zahlreiche Besucher an, die gerne in ihre Welt eintauchen wollen.

Die Person der Elisabeth erhielt in der literarischen Welt einen Fixplatz, denn über sie wurden zahlreiche Werke herausgegeben, wobei viele Werke der Trivialliteratur zugeordnet werden müssen. Das Leben der Kaiserin liefert auch heute noch jede Menge Schreibstoff. Es fand zudem eine bemerkenswerte Auseinandersetzung mit der Kaiserin im wissenschaftlichen Bereich statt.388

Besonders die Filmbranche verbreitete den ‚Sisi-Kult‘. Elisabeth wird in der Nachkriegszeit „als lebenslustiger und freiheitsliebender Wildfang, Kind ihrer Heimat und der Kirche, bezaubernde Tochter eines bezaubernden, klar nach Geschlechterrollen operierenden Paares sowie als aufopfernde Mutter und Ehefrau“ dargestellt. Passend dazu wird sie auch in dem berühmeten Dreiteiler ‚Sissi‘ von Ernst Marischka389 dargestellt. Der erste Teil wurde von etwa 25 Millionen

385 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 116. 386 Renata Kassal-Mikula, „Kaiserin Elisabeth – Denkmäler“ in Wien 1854 -1914, in: Susanne Walther (Hrsg.), Elisabeth von Österreich. Einsamkeit, Macht und Freiheit. 99. Sonderausstellung des Histori- schen Museums der Stadt Wien. Hermesvilla, Lainzer Tiergarten. 22. März 1986 bis 22. März 1987, Wien 1986/1987, S.84 – 101, hier, S. 96. 387 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 116 – 117. 388 Ebd., S. 117 – 118. 389 Ernst Marischka (* 2. Jänner 1893 in Wien; † 12. Mai 1963 in Chur, Graubünden)

Seite 83 Kinobesuchern im deutschen Raum gesehen und war ein voller Erfolg. Das positive Bild der Kaiserin und das schöne Leben, sollte vorallem die Erlebnisse des Krieges mildern und die Menschen von den negativen Erfahrungen distanzieren. „Als Versinnbildlichung für die katastrophalen Ausmaße gesellschaftlicher Konventionen und das verzweifelte Bemühen um Flucht vor traditionellen Erwartungen konnte Sisi durchaus Sehnsüchte stimulieren“ 390.

Im Bereich des Theaters und der Musik nahm der ‚Sisi-Stoff‘ ebenfalls einen Platz ein. Besonders das Musical ‚Elisabeth‘, welches 1992 in Wien uraufgeführt wurde, erfreute sich großer Beliebtheit. Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Museen und Ausstellungen, die sich mit der Kaiserin befassen. 2004 wurde in der Wiener Hofburg das beliebte ‚Sisi Museum‘ installiert. Auch in den zahlreichen Residenzen können Räume besichtigt werden, die mit originalen Ausstellungsgegenständen aufgewertet wurden.391

Durch die extravagante Art, ihre sprunghafte Lebensgeschichte und den tragischen Tod, ist die Kaiserin bis heute ein interessantes Thema für die Nachwelt. Recht unterschiedlich wurde Elisabeth als „rebellisches Naturkind, egozentrische Schönheitsikone, Feministin und Esoterikerin oder als depressives Wesen“392 in den verschiedenen Interpretationen und Werken dargestellt und verarbeitet. Die Legende der schönen Kaiserin wurde durch die zahlreichen Medien und Erinnerungsorte verstärkt und am Leben erhalten.393

390 Annemarie Hackl, Der Mythos der Elisabeth von Österreich. Das Beispiel der Romy-Schneider- Filme, in: Markus Raasch (Hrsg.), Adeligkeit, Katholizismus, Mythos. Neue Perspektiven auf die Adelsgeschichte der Moderne (Elitenwandel in der Moderne. Elites and Modernity 15), München 2014, S. 336 – 356, hier S. 355 – 356. 391 Vocelka/Vocelka, Sisi, S. 121 – 122. 392 Ebd., S. 123. 393 Ebd.

Seite 84 3. Victoria von Preußen 3.1. Victoria – eine kurze Biographie

Am 21. November 1840 wurde Victoria Adelaide Mary Louisa als erstes Kind Alberts von Sachsen-Coburg394 und Victorias von England geboren.395 Albert übernahm die Erziehung der Prinzessin, da die Regierungsgeschäfte in der Hand seiner Ehefrau, der Königin von England lagen. Vicky, wie sie am Hof genannt wurde, hatte ein sehr inniges Verhältnis zu ihrem Vater, der – wie aus mehreren Briefen hervorgeht – sehr stolz auf seine Tochter war.396 Bereits im frühen Alter von achtzehn Monaten wurde mit Victoria auch Französisch gesprochen und später auch Deutsch. Victoria galt als äußerst begabt und intelligent.397

Als 1851 die Weltausstellung in London stattfand, reisten Wilhelm398 und Augusta399 von Preußen mit ihrer Familie auf Einladung von Victorias Eltern nach England.400 Die junge Prinzessin traf die Gäste erstmals im chinesischen Salon des Buckingham Palace. Albert erteilte seiner Tochter die Aufgabe, Friedrich Wilhelm, den Sohn der deutschen Gäste, am nächsten Tag durch die Weltausstellung zu führen. Friedrich war zu diesem Zeitpunkt bereits neunzehn, Victoria erst zehn Jahre alt. Die beiden verstanden sich jedoch von Anfang an sehr gut und unterhielten nach Abreise der Gäste weiterhin einen regen Briefwechsel. Die beiden Elternpaare hatten eine eheliche Verbindung von Victoria und Fritz, wie er genannt wurde, bereits vor dem Treffen in London geplant, machten dies aber während des gemeinsamen Aufenthaltes nicht zum Thema.401 Als Victoria vierzehn Jahre alt war, kam Friedrich erneut nach London, um seine zukünftige Frau näher kennen zu lernen.402 Er beschloss, bei ihren Eltern offiziell um ihre Hand anzuhalten. Queen Victoria und

394 Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (* 26. August 1819 auf Schloss Rosenau, Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld; † 14. Dezember 1861 auf Windsor Castle, Berkshire) 395 Rainer von Hessen, Einführung, in: Rainer von Hessen (Hrsg.), Victoria Kaiserin Friedrich. Mission und Schicksal einer englischen Prinzessin in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 11 – 27, hier S. 15. 396 Karin Feuerstein-Praßer, Die deutschen Kaiserinnen. 1871 – 1918, Regensburg 1997, S. 98. 397 Hannah Pakula, Victoria. Tochter Queen Victorias, Gemahlin des preußischen Kronprinzen, Mutter Wilhelms II., München 1995, amerikanisches Original: An Uncommon Woman. The Empress Freder- ick, daughter of Queen Victoria, wife of the Crown Prince of Prussia, mother of Kaiser Wilhelm, New York 1996, S. 21 – 22. 398 Wilhelm I. (* 22. März 1797 in Berlin; † 9. März 1888 ebenda) 399 Augusta Marie Luise Katharina von Sachsen-Weimar-Eisenach (* 30. September 1811 in Weimar; † 7. Januar 1890 in Berlin) 400 Feuerstein-Praßer, Die deutschen Kaiserinnen, S. 106 – 107. 401 Pakula, Victoria, S. 37 – 39. 402 Ebd., S. 57.

Seite 85 Albert willigten ein, wollten aber, dass Victoria nicht vor ihrem siebzehnten Geburtstag heirateten würde.403

Am 25. Januar 1858 wurde die feierliche Vermählung von Victoria und Friedrich von Preußen in der Kapelle des St. James Palasts vollzogen. Nach kurzen Flitterwochen in Windsor reiste das Paar nach Preußen.404 Ein Jahr später brachte Victoria in einer äußerst schwierigen Geburt ihr erstes Kind zur Welt, welches auf den Namen Wilhelm getauft wurde.405 Innerhalb der folgenden dreizehn Jahre bekam das Kronprinzenpaar sieben weitere gemeinsame Kinder, wobei zwei Jungen bereits im Kindesalter verstarben.406

Der Thronfolger Friedrich wurde in Preußen mit rein repräsentativen Tätigkeiten beauftragt und politisch wenig involviert. Gemeinsam mit seiner Frau oblag ihm unter anderem die Schirmherrschaft über die königlichen Museen. Victoria engagierte sich für den Bau des ‚Berliner Kunstwerbemuseums‘ und des ‚Kaiser-Friedrich-Museums‘. Bereits seit den 1860er-Jahren setzte sich Victoria für die „Frauenerwerbstätigkeit, für wissenschaftliche und akademische Frauenbildung“ ein.407

Im Jahr 1886 erkrankte Friedrich und die Ärzte stellten eine Kehlkopf-Geschwulst fest. Ein Jahr später musste ein Luftröhrenschnitt vorgenommen werden. Friedrich verlor sein Sprechvermögen und konnte sich ab diesem Zeitpunkt nur mehr schriftlich verständigen. Im Frühjahr 1888 starb Kaiser Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich konnte nach langem Warten, allerdings selbst schwer erkrankt, den Thron besteigen.408

Friedrich regierte nur vom 9. März bis zum 15. Juni 1888, da er bald nach seinem Vater verstarb. Die Kaiserin Friedrich – wie sie sich seit dem Tod ihres Gatten bezeichnete – zog sich in der Folge nach Kronberg im Taunus auf den sogenannten ‚Friedrichshof‘ zurück. Sie befand sich aufgrund von Differenzen mit ihrem Sohn Wilhelm und dem Kanzler Bismarck in einer schwierigen Situation und hatte daher

403 Pakula, Victoria, S. 59 – 60. 404 Feuerstein-Praßer, Die deutschen Kaiserinnen, S. 113. 405 Das Kind befand sich in einer Steißlage und konnte nur durch Eingreifen eines kompetenten Arztes gedreht und herausgeholt werden. Victoria wurde Chloroform verabreicht, um die Schmerzen zu lin- dern. Nur durch den Arzt konnten Victoria und ihr Kind gerettet werden. Allerdings atmete das Neuge- borene erst nach einiger Zeit und Tage später wurde erkannt, dass der linke Arm des Thronfolgers beeinträchtigt war. Dies war häufig eine negative Nebenerscheinung einer Steißgeburt. Siehe hierzu: Pakula, Victoria, S. 115 – 118. 406 Von Hessen, Einführung, S. 16. 407 Ebd., S. 19. 408 Feuerstein-Praßer, Die deutschen Kaiserinnen, S. 159 – 161.

Seite 86 den Entschluss gefasst, Berlin zu verlassen. In ihren letzten Lebensjahren zeichnete sie sich durch ihr karitatives Engagement aus und ging ihrer Leidenschaft, der Malerei, nach.409

Im Jahre 1898 wurde bei Victoria Brustkrebs diagnostiziert. Sie starb nach längerem Leiden am 5. August 1901 in Friedrichshof. Begraben wurde Kaiserin Friedrich in Potsdam neben ihrem Mann.410

3.2. Politische Zielvorstellungen von Victoria

3.2.1. Einfluss und Prägung durch das Elternhaus Um die politischen Ansichten der Kronprinzessin erläutern zu können, bedarf es der Differenzierung zwischen der Zeit, als sie an den preußischen Hof gekommen war, und der Zeit, als sie bereits mehrere Jahre dort gelebt hatte. Ihr ursprünglich durch ihren Vater und die Erzieher geschultes Verständnis von Politik entwickelte sich, auch altersbedingt, erst nach und nach zu einer persönlichen Einstellung zu diversen politischen Themen. Dass Viktoria im Alter von siebzehn Jahren schon mit ausgeprägten, individuellen, politischen Vorstellungen an den preußischen Hof kam, erscheint äußerst unrealistisch.411

Jarno Jessen412 schrieb in einem 1907 publizierten Nachruf zu Kaiserin Friedrich über den Einfluss des Vaters Albert: „Im Prinzen Albert haben wir die Wurzel aller geistigen und ästhetischen Anlagen der Kaiserin Friedrich zu suchen. Ihn kennen, heißt ihre ungewöhnliche Frauenbegabung recht begreifen.“ Durch Jessens Worte wird verdeutlich, wie umfassend der Einfluss des Vaters auf Victorias Charakter und Intellekt war und dass er sie in ihrer politischen Einstellung mitprägte.413 Diese Einstellung ist typisch für die damalige Zeit, denn es wird nicht die Eigenleistung der Frau, in diesem Fall von Victoria, thematisiert.

An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass auch Victorias Mutter, Königin Victoria, großen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Tochter hatte. Denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Queen Victoria mit ihrer Krönung am

409 Von Hessen, Einführung, S. 23. 410 Ebd. 411 Hannah Pakula, Victoria in Deutschland. Politische Zielvorstellungen der jungen Kronprinzessin, in: Rainer von Hessen (Hrsg.), Victoria Kaiserin Friedrich. Mission und Schicksal einer englischen Prin- zessin in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 69 – 80, hier S. 69. 412 Anna Michaelson schreibt unter dem Pseudonym Jarno Jessen. In dieser Arbeit wird die männliche Form übernommen. 413 Jarno Jessen, Die Kaiserin Friedrich (Die Kultur 14), Berlin 1907, S. 9.

Seite 87 20. Juni 1837 zur Herrscherin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland wurde und daher großen Machteinfluss erhielt.414 Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht klar, dass sich Großbritannien in der Regierungszeit der Queen zu einer derart bedeutenden Weltmacht entwickeln würde. Im Jahre 1876 wurde Queen Victoria zur Kaiserin von Indien ernannt. Das Königreich Großbritannien wurde dadurch nicht nur politisch gestärkt, sondern entwickelte sich auch in wirtschaftlichem Hinblick, durch den zunehmenden Warenexport, weiter. Die Zeit ihrer Regentschaft von 1837 bis 1901 zeichnete sich durch Prosperität und enorme Ausdehnung des Einflussbereiches aus. Diese Fakten sprechen eindeutig für die Führungsqualitäten der Regentin und die Tatsache, dass Königin Victoria als eine der mächtigsten Frauen des 19. Jahrhunderts mit Sicherheit eine Vorbildfunktion für ihre gleichnamige Tochter einnehmen konnte.415

Die Heirat von Prinzessin Victoria und Friedrich war politischen Ursprungs. Seit der Verlobung erhielt die junge Britin von ihrem Vater Unterricht in europäischer Politik und der politischen Ausrichtung Preußens. Der Grund dafür war nicht, dass Vitoria lernen sollte, sich in einem fremden Reich zurechtzufinden, sondern sie sollte erkennen, wie sie das Land verändern konnte. Der Vater hatte den festen Glauben „die Zukunft der deutschen Staaten liege in einem ‚nationalen Bund‘, den Preußen schaffen könne, indem es von seiner militärischen Macht Gebrauch mache, in Verbindung mit dem, was in den Augen Alberts ‚Fortschritte in den konstitutionellen Institutionen‘ waren.“416 Diese Vorstellungen waren allerdings irreal, denn sie galten für die Hohenzollern als nicht lukrativ genug, um weiter verfolgt zu werden.417 Zudem war Albert der Meinung, dass nur all jene Reiche zukünftig weiterbestehen könnten, welche sich „zu liberal-konstitutionellen Reformen“ entschließen würden.418

Neben dem bereits erwähnten Unterricht in Politik erhielt Victoria auch eine fundierte historische, geographische und naturwissenschaftliche Ausbildung. Außerdem war

414 Stanley Weintraub, Queen Victoria. Eine Biographie, Zürich 1987, amerikanisches Original: Victo- ria. An Intimate Biography, New York 1987, S. 90. 415 Detlef Wienecke-Janz/Johannes Ebert/Andreas Schmid u a., Die Chronik: Geschichte des 20. Jahrhunderts bis heute, Gütersloh – München 2006, S. 20. 416 Pakula, Victoria in Deutschland, S. 70, Entnahm dies aus: Royal Airlines, Windsor Castle: I 31/85, Prinz Albert an John Russell, 18. März 1860. 417 Ebd., S. 69 – 70. 418 Wiltrud-Irene Krakau, Kaiserin Friedrich, ein Leben im Widerstreit zwischen politischen Idealen und preußisch-deutscher Realität, in: Karoline Müller/Friedrich Rothe (Hrsg.), Victoria von Preußen 1840- 1901 in Berlin 2001 (Katalog des Vereins der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V.), Berlin 2001, S. 94 – 202, hier Kapitel: Entwicklung einer kosmopolitischen Persönlichkeit namens Vicky, Unterkapitel: 1.2. Die Persönlichkeit Prinz Alberts.

Seite 88 es den Eltern wichtig, dass sich ihre Kinder ausreichend im Freien befanden, weshalb Victoria Sportarten wie Reiten oder Schwimmern lernen konnte. Im Laufe ihrer Ausbildung stach Victoria immer durch ihre Intelligenz hervor, welche sie situationsadäquat einsetzen konnte.419 „Ihr Lerneifer auf allen Gebieten wurde durch ein seltenes Gedächtnis unterstützt, das jeden, den sie ihres Umgangs würdigte, schwer auf die Probe stellte.“420

Die junge Prinzessin wurde bereits früh zu zahlreichen Veranstaltungen mitgenommen, wie beispielsweise zu der bereits erwähnten ersten Weltausstellung 1851 in London. Ein für sie bedeutsames Ereignis war der Staatsbesuch in Paris von 1855 bei Napoleon III. und dessen Frau Eugenie. Für die Ausbildung und politische Prägung der jungen Victoria galten solche Auftritte internationalen Ausmaßes als äußerst förderlich und einflussreich.421

3.2.2. Die Stellung Preußens in Europa Da Victoria 1858 nach Preußen verheiratet wurde, soll die Stellung Preußens zu dieser Zeit kurz betrachtet werden. Seit dem Jahr 1840 herrschte dort König Friedrich Wilhelm IV.422 Die napoleonischen Kriege hatten Preußen geschwächt und so musste sich das Land erst von diesen Strapazen erholen. Durch den Wiener Kongress 1815 erhielt das preußische Hoheitsgebiet einen erheblichen Gebietszuwachs423, wobei die Herrschaftsgebiete jedoch nicht miteinander verbunden waren. Würden die damaligen Machtverhältnisse von England und Preußen miteinander verglichen werden, so würde England als eindeutiger Gewinner hervorgehen. Während England als Vorreiter der Industrialisierung galt, hinkte Preußen wirtschaftlich hinterher. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts charakterisierte sich der Osten Preußens noch immer durch die feudal-ständischen Institutionen und eine vorherrschend agrarische Produktion, welche auch als innenpolitisches

419 Krakau, Entwicklung einer kosmopolitischen Persönlichkeit namens Vicky, Unterkapitel: 1.3. Vickys Erziehung, ihre Begabungen und Interessen. 420 Jessen, Die Kaiserin Friedrich, S. 35. 421 Sheila de Bellaigue, Victorias Kindheit und Erziehung, in: Rainer von Hessen (Hrsg.), Victoria Kai- serin Friedrich. Mission und Schicksal einer englischen Prinzessin in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 49 – 68, hier S. 62 – 63. 422 Friedrich Wilhelm IV. (* 15. Oktober 1795 in Berlin; † 2. Januar 1861 in Potsdam) 423 Preußen erhielt durch die Verhandlungen des Wiener Kongresses neue Gebieten: Westpreußen mit Danzing und Thorn, Posen, Westfalen, Rheinprovinz, Neuvorpommern mit Rügen und Gebietser- weiterungen zu Sachsen, Brandenburg und Schlesien. Siehe hierzu: Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Hrsg.), Historischer Atlas. 1815-1861 Preußen nach dem Wiener Kongreß, 2018, [https://www.gsta.spk-berlin.de/historischer_atlas_547.html], eingesehen am 22.4.2018.

Seite 89 Hauptmerkmal bezeichnet werden kann. Außenpolitisch – und dieser Umstand ist auch der geographischen Nähe geschuldet – pflegten die Preußen gute Beziehungen mit dem russischen Königreich.424

3.2.3. Probleme am preußischen Hof „Mit Feuereifer ging meine Mutter daran, in der neuen Heimat alles für den Bau eines Volksglückes vorzubereiten, was nach ihrer englischen Erziehung, Überzeugung und Weltanschauung allein das Volksglück ausmachen konnte.“425 Am preußischen Hof angekommen, dauerte es nicht lange, bis Victoria sich durch ihre direkte Art und die Offenlegung ihrer Ansichten Feinde machte. Victoria unterschied sich von der preußischen Königsfamilie nicht nur aufgrund ihrer politischen Haltung, sondern auch in ihren Vorstellungen bezüglich eines funktionierenden Familienlebens. Die Schwiegereltern Wilhelm und Augusta führten eine äußerst distanzierte Ehe und pflegten ein sehr kühles Verhältnis zu ihrem Sohn. Friedrichs liberale Einstellung missfiel seinem Vater, der in seinem Sohn viele revolutionäre Gedanken verortete. Seine Mutter stellte Friedrichs intellektuellen Fähigkeiten in Frage. In England erlebten Victoria und Friedrich ein vollkommen unterschiedliches Zusammenleben der Familie. Beide erfuhren Geborgenheit und Friedrich erhielt die Unterstützung und Anerkennung der Schwiegereltern für seine politische Einstellung.426

Neben den innovativen Ideen wurde auch Friedrichs Selbstwertgefühl in Preußen nicht gefördert. Victoria sah ihre Aufgabe deshalb zunehmend darin, ihrem Mann beizustehen. Für Victoria selbst führte ihre englische Abstammung zu einem erheblichen Integrationsproblem, da viele Angehörige des preußischen Hofes ein Problem mit ihrer Herkunft hatten. Trotz dieser Schwierigkeiten und den differierenden Ansichten bezüglich Familie und Politik, musste Victoria sich mit ihren Schwiegereltern arrangieren. Dieses Bemühen, welches mit Wilhelm noch ansatzweise zu funktionieren schien, scheiterte bei Augusta.427

424 Krakau, Preußische Realitäten zur Zeit von Victorias Heirat, Unterkapitel: 2.1. Preußen, eine "zweitklassige Macht". 425 Sir Frederick Ponsonby (Hrsg.), Briefe der Kaiserin Friedrich. Eingeleitet von Wilhelm II., Berlin 1929, englisches Original: Letters of the Empress Frederick, o.O. o.J., S. 13. Diese Worte stammen von Kaiser Wilhelm II., der den Eifer seiner Mutter in der Einleitung von Ponsonby beschreibt. 426 Pakula, Victoria in Deutschland, S. 71 – 73. 427 Ebd., S. 73.

Seite 90 Friedrichs Mutter Augusta war die Tochter des Großherzogs von Sachsen-Weimar- Eisenach Carl Friedrich428 und der russischen Großfürstin Maria Pawlowna Romanowa429, einer Enkelin Katharinas der Großen.430 Augusta wuchs in Weimar auf und erhielt eine standesgemäße Ausbildung.431 Weimar war ein kulturelles Zentrum, daher bekam Augusta unter anderem Einblicke in die literarische Welt. Zu dieser Zeit hielt sich beispielweise Johann Wolfgang von Goethe am Hof auf. Durch einen Vergleich von Augusta mit ihrer Schwiegertochter Victoria wird deutlich, dass sich die beiden Frauen eigentlich sehr ähnlich waren.432

„[Sie] waren ausgesprochen interessante und hochgebildete Frauen, die sich zudem in hohem Maße der Politik verschrieben hatten und ernsthaft bemüht waren, die reaktionären Verkrustungen Preußens und des Deutschen Reiches durch liberale Impulse aufzubrechen.“433 Die liberalen Bestrebungen beider Frauen hatten jedoch aufgrund heftigen ideologischen Widerstandes keinen Erfolg. Als größter Kritiker trat Bismarck auf, der die politischen Vorstellungen von Augusta und Victoria nicht teilte.434

Wie bereits erwähnt, sorgte die Tatsache, dass die junge Prinzessin ihre englischen Gepflogenheiten und ihre politische Meinung nicht ändern wollte, für wiederholte Kontroversen. Die Ratschläge ihres Vaters Albert halfen ihr bei der Integration am preußischen Hof ebenfalls nicht weiter.435 Laut den konservativen Preußen sollte die geeignete Ehefrau sich um folgende Belange kümmern436: „[A]ls ideale Frau in Preußen galt diejenige, die sich, ihrer geistigen Minderwertigkeit bewußt, mit ,Küche, Kinderstube, Krankenstube und Kirche – und sonst nichts‘ begnügte.“437 Es wurde bereits sehr stark in national(istisch)en Kategorien gedacht. Friedrich von Holstein438, ein preußischer Diplomat, merkte in einem seiner Briefe vom 6. Juli 1885 an:

„Die Prinzeß verträgt rauhe Behandlung, sie resigniert sich, wenn sie sieht, durch diese Wand kommst du nicht mit dem Kopf. Aber sie verträgt nicht, daß man sie

428 Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (* 2. Februar 1783 in Weimar; † 8. Juli 1853 ebenda) 429 Maria Pawlowna Romanowa, Großfürstin von Russland (*16. Februar 1786 in Pawlowsk bei Sankt Petersburg; † 23. Juni 1859 auf Schloss Belvedere bei Weimar) 430 Feuerstein-Praßer, Die deutschen Kaiserinnen, S. 15. 431 Ebd., S. 16. 432 Ebd., S. 9. 433 Ebd. 434 Ebd. 435 Sir Frederick Ponsonby (Hrsg.), Briefe der Kaiserin Friedrich, Berlin 1936, englisches Original: Let- ters of the Empress Frederick, o.O. o.J., S. 45. 436 Krakau, Preußische Realitäten zur Zeit von Victorias Heirat, Unterkapitel: 2.3. Das neue soziale Umfeld. 437 Ponsonby, Briefe der Kaiserin Friedrich, S. 45. 438 Friedrich von Holstein (* 24. April 1837 in Schwedt; † 8. Mai 1909 in Berlin)

Seite 91 ganz umgehen will. Sie verträgt, daß man ihr sagt, sie sei Engländerin geblieben und habe kein Herz für Deutschland, wenn man nur einräumt, daß sie ein politischer Kopf und auf dem klassischen Boden der Politik erzogen worden ist. Aber jede Andeutung, welche ihr politisches Verständnis anzweifelt, würde sie wütend machen.“439 Alfred von Kiderlen-Wächter440, der deutsche Staatssekretär des Auswertigen Amtes, wurde am 19. November 1912 in Berlin von Friedjung privat interviewt. Kiderlen- Wächter betonte: „Viktoria war antipreußisch gesinnt. […] Ja, antipreußisch. Alles Englische schien ihr größer, höher, die preußischen Verhältnisse fand sie gar zu eng.“441

Victorias Kritiker bemängelten weiter, dass das junge Ehepaar mit WissenschaftlerInnen und kulturell bedeutenden Zeitgenossen verkehrte, welche die politischen Entscheidungen des Hofes öffentlich beanstandeten. Victoria war es wichtig, über intellektuelle Themen zu diskutieren. Daher hatte die Abstammung der geladenen Gäste keine Bedeutung für sie. Victoria bemühte sich so gut als möglich, den abendlichen Veranstaltungen von Wilhelm und Augusta fern zu bleiben. Um ihren Horizont zu erweitern, besuchte Victoria bevorzugt Museen und setzte sich mit diversen Wissenschaften auseinander.442

Der Chemiker August Wilhelm Hofmann nannte die Kronprinzessin in einer seiner Gedächtnisreden443 „eine hochherzige Beschützerin der Wissenschaft.“ 444 Der Naturwissenschaftler dürfte sie mit diesen Worten wohl sehr treffend beschrieben haben. Victoria unternahm gemeinsam mit ihrem Ehemann Spaziergänge, was für die geborene Britin durchaus normal war, galt in der preußischen Adelsgesellschaft jedoch als absolut unüblich. Durch ihre authentische Art und ihren bodenständigen Charakter geriet Victoria im Laufe der Zeit zunehmend in Konflikt mit zahlreichen Adeligen.445

439 Norman Rich/M. H. Fisher (Hrsg.), Die geheimen Papiere Friedrich von Holsteins, Band 2, Göttin- gen – Berlin – Frankfurt 1957, englisches Original: The Holstein Papers. The Memoirs, Diaries and Correspondence of Friedrich von Holstein 1837-1909, o.O. o.J., S. 232. 440 Alfred von Kiderlen-Waechter (* 10. Juli 1852 in Stuttgart; † 30. Dezember 1912 ebenda) 441 Friedjung, Geschichte in Gesprächen, Band 2, S. 361. 442 Krakau, Victorias Leben in Preußen in den ersten Jahren nach ihrer Eheschließung, Unterkapitel: 3.1 Reibungen an höfischen Zwängen. 443 Es ist nicht erwähnt, in welcher seiner Gedächtnisreden er das sagt. 444 Wilhelm Treue, Kaiser Friedrich III., in: Wilhelm Treue (Hrsg.), Drei deutsche Kaiser. Wilhelm I. - Friedrich III. - Wilhelm II. Ihr Leben und ihre Zeit 1858 - 1918, Würzburg 1987, S. 76 – 132, hier S. 111. 445 Krakau, Victorias Leben in Preußen in den ersten Jahren nach ihrer Eheschließung, Unterkapitel: 3.1 Reibungen an höfischen Zwängen.

Seite 92 Im Jahr 1861 bestieg Victorias Schwiegervater Wilhelm den Thron. Er herrschte – wie nicht anders zu erwarten war – konservativ. Fünf Wochen nach der Krönung Wilhelms starb Victorias Vater Albert an einer Typhusinfektion.446 Victoria drückte in einem Brief an ihre Mutter ihre Trauer und Ratlosigkeit über den Tod des Vaters aus, der ihr als Mentor immer zur Seite gestanden war:

„Ich bin so entmutigt […] [A]lle meine Bemühungen, hier meine Pflicht zu erfüllen, in dieser Stellung, die nicht leicht ist, unternahm ich in der Hoffnung, Papa zu gefallen – ein Wort der Zufriedenheit von ihm war mir mehr wert als das Lob jedes anderen – und dafür hätte ich alles tun können. […] Ich stehe erst am Anfang meines Lebens und das unfehlbare Urteil, auf das ich mit so viel Sicherheit und so viel Vertrauen zählte, ist nun und für alle Zeit dahin! Wo soll ich mich um Rat hinwenden? Ich bin erst 21 und die Dinge hier sehen bedrohlich aus!“447 Die politischen und familiären Änderungen erforderten von Victoria, die sich selbst weiterhin treu bleiben wollte, ein erhebliches Maß an Anstrengung, da König Wilhelm Preußen durch seine Reformvorschläge in eine zunehmend angespannte Lage manövrierte. Der wohl problematischste Vorschlag von Wilhelm war die Einführung einer dreijährigen Militärdienstzeit, welche er als Voraussetzung für die ideale Ausbildung des Militärs betrachtete. Der preußische Landtag lehnte die Idee des Königs ab, indem in einer Versammlung gegen eine Erhöhung des Budgets gestimmt wurde. Diese Ereignisse führten zu der sogenannten ‚Verfassungskrise‘ von 1862.448

Die Rolle Bismarcks gestaltete sich während dieser Krise sehr klar und einschneidend.449 Wilhelm I. löste das Parlament zwei Mal auf und ordnete Neuwahlen an. Diese Aktionen führten allerdings auch nicht die gewünschte Heeresreform herbei, sondern brachten den Kaiser eher in eine missliche Lage. Wilhelms letzte Hoffnung ruhte auf Bismarck. Dieser versprach, sich gegen das Parlament und die Verfassung zu stellen und die Heeresreform zu erzwingen, wenn er im Gegenzug Minister werden würde. Vor dem preußischen Abgeordnetenhaus hielt Bismarck am 30. September 1862 seine erfolglose doch berühmte ‚Blut-und-

446 Pakula, Victoria in Deutschland, S. 74. 447 Pakula, Victoria, S. 151 – 152. Entnahm dies aus: The Royal Archives, Windsor Castle: Z 12/56, Vicky (Kaiserin Friedrich) an Queen Victoria, 26. Dezember 1861. 448 Pakula, Victoria in Deutschland, S. 75. 449 Nähere Informationen zu den innen- und außenpolitischen Geschehnissen lassen sich in folgen- dem Werk finden: Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800 – 1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 21984.

Seite 93 Eisen-Rede’. Bismarck widersetzte sich den Abgeordneten trotzdem und konnte mit seiner ‚Lückentheorie‘ die geforderte Heeresreform des Kaisers durchsetzen.450

Während Victoria im März 1862 auf Reisen in England war, entschied sich ihr Schwiegervater dazu, die aus linksliberalen Ministern bestehende Abgeordnetenkammer abzusetzen. Bismarck sollte der neue Minister werden, doch diese Ernennung lehnten Victoria und Friedrich aufgrund der unterschiedlichen politischen Ansichten ab.451 Victoria schrieb am 14. März 1862 aus England an ihren Mann:

„Ich wiederhole immer dasselbe und kann mich gar nicht stark genug ausdrücken, so erfüllt bin ich davon, daß es unsere einzige Aufgabe ist, das ganze Liebe Land durch freisinnige praktische Konstitutionen und durch Ordnung und Rechtlichkeit so vollkommen und so stark und mächtig zu machen. […] [D]ann werden wir auch das Vertrauen Deutschlands und Europas besitzen, das uns jetzt fehlt.“452 Der liberal eingestellte Friedrich wurde von seinem Vater aufgrund seiner Ansichten sogar des Treuebruchs bezichtigt. Victoria nahm die Position der tröstenden Ehefrau ein und versuchte ihn per Brief zu unterstützen. Sie riet Friedrich dazu, seine politische Haltung zu verschweigen und sich dem Kaiser nicht zu widersetzen. Die Situation in Preußen spitzte sich zu. Der Kaiser geriet weiter unter Zugzwang und plante bereits seine Abdankung. Friedrich versuchte seinen Vater zu einem Kompromiss mit dem Parlament zu bewegen. Victoria war hingegen anderer Meinung und teilte ihrem Mann mit, dass sie es als positiv empfinden würde, wenn Wilhelm erkenne, dass er nicht gegen seine tiefste Überzeugung handeln wolle und daher den Entschluss gefasst habe, abzudanken. Victoria agierte in dieser Situation erstmalig eigeninitiativ. Friedrich nahm den Rat seiner Frau allerdings nicht an. Bismarck wurde in weiterer Folge zum Minister ernannt, was dazu führte, dass die liberalen Vorhaben von Victoria und Friedrich in Preußen nicht verwirklicht werden konnten.453

Ein weiteres Thema, welches Victoria viele Jahre beschäftigte und wofür sie sich einsetzte, war die Verheiratung ihrer Tochter Victoria mit dem Prinzen Alexander von Battenberg.454 Allerdings stellte sich Bismarck gegen dieses Vorhaben, da sich der

450 Brigitte Beier/Raphaela Drexhage/Jens Firsching u.a., Chronik der Deutschen, Gütersloh – Mün- chen 19953, S. 576. 451 Pakula, Victoria in Deutschland, S. 75. 452 Conte Corti, Wenn…, S. 137. Entnahm dies aus: Archiv Kronberg, Windsor, 14. März 1862. 453 Pakula, Victoria in Deutschland, S. 75 – 77. 454 Prinz Alexander Joseph von Battenberg (* 5. April 1857 in Verona; † 17. November 1893 in Graz)

Seite 94 Prinz von Battenberg als Fürst von Bulgarien gegen Russland stellte und durch eine Verbindung mit dem preußischen Kaiserhaus lediglich seine Stellung absichern wollte. Sowohl Queen Victoria, als auch Kronprinzessin Victoria waren von Anfang an überzeugt von Battenberg, was dazu führte, dass sie sich nahezu unermüdlich für sein Vorhaben einsetzten. Bismarck, der kein Interesse daran hatte, eine dynastische Verbindung mit Bulgarien herzustellen, wollte den sogenannten ‚Drei-Kaiser-Bund‘ von 1881, bestehend aus Russland, Deutschland und Österreich, nicht gefährden. Für Victoria hatten diese Befürchtungen keine Bedeutung und sie arrangierte eine informelle Verlobung zwischen dem Prinzen von Battenberg und ihrer Tochter Victoria. Friedrich war hin und her gerissen zwischen seiner Frau auf der einen Seite und seinem Vater und Bismarck auf der anderen Seite, die sich klar gegen dieses Bündnis aussprachen. Da Victoria diese Heirat nicht ohne Zustimmung des Kaisers abwickeln lassen konnte, riet Friedrich ihr, die Bestrebungen bis zu seiner Thronbesteigung ad acta zu legen. Als Friedrich Kaiser wurde, lud er Battenberg, der mittlerweile nicht mehr Bulgariens Fürst war und in Darmstadt lebte, ein, um ihm einen hohen militärischen Posten zu offerieren und die Heiratspläne mit seiner Tochter fortzuführen. Bismarck wies den Kaiser erneut darauf hin, dass die Beziehung zu Russland durch eine Vermählung stark belastet werden würde, woraufhin Friedrich Alexander von Battenberg eine Absage erteilte.455 Kaiserin Victoria schrieb ihrer Freundin Bogumilla der Freifrau von Stockmar456 am 19. Mai 1888 in einem Brief:

„Und wir müssen unserer Tochter Glück auf die eine oder die andere Weise erreichen, wir können nicht zurück, weder vor uns selbst noch vor den anderen. Eine unpolitische Privatsache wird aus Haß, Rache, Hochmut ect. zu einer cause célèbres gemacht, um mich zu vernichten.“457 Victoria wollte das Vorhaben allerdings nicht auf sich beruhen lassen und diese Tatsache sollte zu einem Pressekrieg führen. Ihr wurde unterstellt, nicht im Sinne Preußens zu handeln und die Beziehung zu Russland ruinieren zu wollen, wodurch ihr Ruf nachhaltig geschädigt wurde.458

455 Franz Lorenz Müller, Der 99-Tage-Kaiser. Friedrich III. von Preußen. Prinz, Monarch, Mythos, München 2013, englisches Original: Our Fritz. Emperor Frederick III and the Political Culture of Impe- rial Germany, Cambridge – London 2011, S. 288 – 292. 456 Bogumilla der Freifrau von Stockmar (*1826; †1903) 457 Egon Caesar Conte Corti, Leben und Liebe Alexanders von Battenberg, Graz – Salzburg – Wien ²1950, S. 418. Entnahm dies aus: Brief Victoria an Freifrau von Stockmar, 19. Mai 1888. 458 Müller, Der 99-Tage-Kaiser, S. 292 – 293.

Seite 95 3.2.4. Victoria und Friedrich Wenngleich die Hochzeit ursprünglich aus politischen Gründen eingegangen worden war, waren Victoria und Friedrich einander sehr verbunden, da sie zahlreiche gemeinsame Vorlieben teilten. Ein besonderes Interesse galt den Naturwissenschaften. Das junge Ehepaar besuchte Vorlesungen und erhielt gemeinsamen Unterricht. Victorias Neugier bezüglich der Naturwissenschaften ist wahrscheinlich auf den Umstand zurückzuführen, dass sie in Zeiten des technischen Fortschritts immer auf dem neuesten Stand sein wollte.459

Victoria und Friedrich führten eine vorbildliche und moderne Ehe, in der beide Partner gleichberechtigt waren. Dieser Umstand mag für die damaligen Verhältnisse unüblich erscheinen, doch diese Gleichberechtigung wurde ausdrücklich von beiden gewünscht und gelebt. In politischen Fragen vertrat das Ehepaar meist die gleichen Ansichten. Victoria und Friedrich planten, sollten sie an die Macht kommen, Preußen vom russischen Kaiserreich abzukoppeln und vermehrt mit den Ländern in Westeuropa – besonders England, welches sich aufgrund der familiären Beziehungen von Victoria anbot – zu interagieren. Auf innenpolitischer Ebene wollte das Kronprinzenpaar, dass das Parlament rechtlich höhergestellt wird und sie verfolgten eine Weiterentwicklung der sozialen und ökonomischen Verhältnisse in Preußen. Dieses fortschrittliche Ziel sollte durch den Ausbau von Bildungsstätten, die Erweiterung des Gesundheitssystems und die Förderung der Wirtschaft erreicht werden. Zudem war Victoria die Förderung der Kultur ein wichtiges Anliegen.460

Als Friedrich am 15. Juni 1888 starb, schrieb Victoria über ihren Mann:

„[…] Wo sind freies Denken, edles Fühlen, – unerschrockene Rede und besonnenes Handeln!! – Dort – – in dem Grabe unseres geliebten Engels – liegen alle Hoffnungen – liegt alles Glück! Deutschlands guter Engel, – sein Schutzgeist, seine Zierde – sein Hoffnungsstern – sind dahin, die Macht gehört jetzt der rohen Gewalt – und der List! […] Wie haben Fritz und ich seit dreißig Jahren daran gearbeitet, das Vaterland in den Augen anderer Länder zu heben und ein besseres Verhältnis zuwege zu bringen […] Wie die Hefe den Teig hebt, sollte Kultur die Ansichten der Masse durchdringen, Regierung und Volk

459 Krakau, Victorias Leben in Preußen in den ersten Jahren nach ihrer Eheschließung, Unterkapitel: 3.2. Victoria, die "Frau ihres Mannes", das Kronprinzenpaar - ein Team. 460 Ebd.

Seite 96 zusammenarbeiten an dem Werk des Fortschritts, der Zivilisation und Humanisierung!“461 Das gute Verhältnis des Paares wurde nicht von allen Seiten positiv wahrgenommen. Graf Waldersee462, ein hochrangiges Mitglied des preußischen Militärs, stellte die Behauptung auf, dass Victoria über Friedrich herrsche. Victoria beriet ihren Mann, der ihre Meinung schätzte, zweifellos in gewissen Anliegen, doch die Entscheidungen traf Friedrich selbst. Aufgrund ihrer Unterstützung galt Victoria als Friedrichs Anker.463 Am 6. Juni 1863 schrieb Friedrich über seine Frau: „Frauchen ist mein treuester Ratgeber, meine ganze Stütze, mein unermüdlicher Tröster, wie’s keine Worte auszudrücken vermögen.“464

Die immerwährende Kritik an Friedrich und Victoria ging jedoch nicht spurlos an den beiden vorüber. Victoria schrieb 1888 anlässlich des Todes ihres Mannes:

„Sie kritisierten und tadelten unaufhörlich an uns, sowohl im Hause als in der Berliner Gesellschaft. Vornehmlich ich war ihnen ein Dorn im Auge, sie sahen in mir stets nur eine Fremde, deren Einfluß man brechen und untergraben soll, sie fanden immer Grund, von Intrige, unterirdischen Einflüssen, Herrschsucht, Einmischung etc. zu reden und in mir eine Gefahr zu erblicken, sie prätendierten, mir den Verkehr mit meinen Freunden als staatsgefährlich zu untersagen, sie drohten mit Einreichung ihrer Entlassung […]. Sie […] machten besonders mir manchmal das Leben ganz unerträglich.“465 Mit der Inthronisierung 1888 musste Friedrich bereits verabschiedete Neuregelungen unterzeichnen. Darunter waren auch eine zeitliche Ausdehnung der Legislaturperiode und eine Verlängerung des Sozialistengesetztes, welche Friedrich erst nach einiger Überzeugungsarbeit seiner Frau unterzeichnete.466 Da sich der Gesundheitszustand des Kaisers rapide verschlechterte, musste Victoria innerhalb kürzester Zeit immer mehr Entscheidungen treffen. Ein Beispiel hierfür ist die Unterzeichnung des Legislaturperioden-Gesetzes, bei der Friedrich seiner Frau die

461 Conte Corti, Wenn…, S. 484. Im elften Kapitel (S. 483 – 539) des Werks mit dem Titel ‚In den Au- gen der Kaiserin Friedrich‘ hat Conte Corti die Aufzeichnungen von Kaiserin Friedrich abgedruckt, welche sie nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1888 verfasste. Zudem merkte er zu Beginn des Ka- pitels an: „Der Leser wird gebeten, wenn er die das folgende Kapitel füllende Darstellung der Erinne- rungen des Jahres 1888 durch die Kaiserin Friedrich zur Hand nimmt, den Seelenzustand, in welchem dieser Bericht verfaßt wurde, zu berücksichtigen.“ 462 Alfred von Waldersee (* 8. April 1832 in Potsdam; † 5. März 1904 in Hannover) 463 Krakau, Victorias Leben in Preußen in den ersten Jahren nach ihrer Eheschließung, Unterkapitel: 3.2. Victoria, die "Frau ihres Mannes", das Kronprinzenpaar - ein Team. 464 Treue, Kaiser Friedrich III., S. 90. Es wird nicht angemerkt, an wen Friedrich diese Zeilen schrieb. 465 Conte Corti, Wenn…, S. 518. Diese Worte stammen aus dem bereits erwähnten Kapitel ‚In den Augen der Kaiserin Friedrich‘. 466 Iselin Gundermann, Die Regierungszeit Kaiser Friedrichs III., in: Rainer von Hessen (Hrsg.), Victo- ria Kaiserin Friedrich. Mission und Schicksal einer englischen Prinzessin in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 196 – 207, hier S. 201.

Seite 97 Verantwortung übertrug. Graf Waldersee mokierte sich darüber, dass der Kaiser nicht regierungsfähig sei und die Kaiserin seine Pflichten abdecken müsse.467

3.2.5. Victoria und Bismarck

Dass Victoria und Bismarck kein gutes Verhältnis miteinander pflegten, war unter anderem dem Umstand geschuldet, dass zwei Personen aufeinandertrafen, die komplett divergierende politische Haltungen besaßen und völlig konträre Vorstellungen von Geschlechterbeziehungen hatten. In der Literatur wird das Kronprinzenpaar als liberale, „moderne und zukunftsträchtige politische Alternative zu Bismarck“468 dargestellt, der den konservativen Konterpart verkörperte.469 Als Bismarck 1862 zum Ministerpräsident ernannt wurde, hofften Friedrich und Victoria auf eine baldige Inthronisierung und die damit verbundene liberale Wende. Zu dieser Zeit konnte jedoch nicht erahnt werden, dass Friedrichs Vater noch bis 1888 regieren und Bismarck seinen politischen Einfluss bis dahin stärken würde. Durch diese Umstände rückte der Wunsch eines liberalen Deutschlands jedoch in weite Ferne.470

Auf die kontroversen Ansichten von Victoria und Bismarck näher einzugehen, würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher wird exemplarisch die ‚Schleswig- Holstein-Krise‘ von 1863 bis 1865 besprochen. Das Kronprinzenpaar stand während dieses Konflikts auf der Seite der Nationalbewegung, welche die Herzogtümer befreien wollte. Damit verbunden war die Stärkung der nationalen Bewegung und die gleichzeitige Boykottierung Bismarcks und seiner Politik.471

Im August 1865 beklagte sich Victoria bei ihrer Mutter über Bismarck:

„Wenn Du schon erzürnt darüber bist, wie man die unglücklichen Elbherzogtümer und Fritz Holstein behandelt, wie, glaubst Du, ergeht es uns! […] Ich wünsche nur, wir und das Land wären ihn [Bismarck] los und alle, die sind wie er. Wenn mein Brief von den Postbeamten geöffnet wird, werde ich des Hochverrats angeklagt – dabei bin ich genauso loyal wie jeder andere, da ich den König liebe und alles tun würde, ihm zu dienen […].“472

467 Gundermann, Die Regierungszeit Kaiser Friedrichs III., S. 202 – 203. 468 Michael Epkenhans, Victoria und Bismarck, in: Rainer von Hessen (Hrsg.), Victoria Kaiserin Fried- rich. Mission und Schicksal einer englischen Prinzessin in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 151 – 178, hier S. 154. 469 Epkenhans, Victoria und Bismarck, S. 154. 470 Patricia Kollander, Die politischen Auswirkungen der Battenberg – Affäre, in: Rainer von Hessen (Hrsg.), Victoria Kaiserin Friedrich. Mission und Schicksal einer englischen Prinzessin in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 179 – 195, hier S. 179. 471 Epkenhans, Victoria und Bismarck, S. 157 – 158. 472 Pakula, Victoria, S. 216. Entnahm dies aus: Margaretha von Poschinger, Kaiser Friedrich, Band 2, Berlin 1899/1900, S. 147 – 148.

Seite 98 Victorias Abneigung gegenüber Bismarck geht aus diesem Dokument sehr deutlich hervor. Außerdem kann auch erfahren werden, dass die Kronprinzessin für Preußen andere Pläne hatte, die ihres Erachtens ohne Bismarck besser hätten umgesetzt werden können.

Die Antipathie beruhte jedoch auf Gegenseitigkeit. Bismarck ließ keine Gelegenheit aus, um das Kronprinzenpaar politisch einzuschränken, denn ihm war durchaus klar, dass Friedrich und Victoria bei einer Inthronisierung seine Dienste nicht länger in Anspruch nehmen würden. Als im Jahr 1878 ein Attentat auf den Kaiser verübt wurde, sorgte Bismarck dafür, dass das Kronprinzenpaar keinerlei Einfluss auf das politische Geschehen erhielt und – unter dem Vorwand des Schutzes – rein repräsentativen Verpflichtungen nachgehen musste.473 Bismarcks Einstellung gegenüber Victoria kann aus den Tagebucheinträgen Friedrichs von Holstein entnommen werden. Dieser schrieb am 5. Juli 1885, dass er zu Bismarck gegangen sei und ihm erzählt habe, dass Victoria mit Bismarck das Gespräch suchen wolle, woraufhin der preußische Kanzler antwortete: „Wir haben keine Brouille gehabt, die eine Auseinandersetzung nötig machte. Ich werfe der Frau nur eins vor, daß sie Engländerin geblieben ist und in dem Sinne auf ihren Gemahl wirkt. Sie hat kein deutsches Gefühl.“474 Holstein fügte hinzu, dass sie kein religiöses Verständnis besitze und dieser Umstand einen zusätzlichen Kritikpunkt darstelle, woraufhin Bismarck erwiderte: „Nun, das mag sie mit sich abmachen. Was ich ihr übelnehme, ist nur ihr schlechter politischer Einfluß.“475 Bismarck spielte damit offensichtlich auf die vermeintliche politische Beeinflussung Friedrichs durch seine Frau an.476

Das Verhältnis zwischen ihm und der Kaiserin Friedrich änderte sich über all die Jahre nicht. Nach dem Tod von Kaiser Friedrich veröffentlichte Bismarck dessen Kriegstagebuch, was die Kaiserin sehr verletzte. Victoria charakterisierte Bismarck in einem Brief an ihre Tochter als falschen Tyrann, der sehr viel Intelligenz besaß und auch wusste, diese einzusetzen.477

In Preußen war es Sitte, dass der Mann alle politischen Entscheidungen traf. Diese Tatsache stellte für Victoria, die durch ihre Erziehung einen anderen und liberaleren Standpunkt einnahm, ein Problem dar und brachte im Laufe der Zeit auch dauerhafte

473 Epkenhans, Victoria und Bismarck, S. 164. 474 Rich/Fisher (Hrsg.), Die geheimen Papiere Friedrich von Holsteins, S. 229 – 230. 475 Ebd., S. 230. 476 Ebd., S. 229 – 230. 477 Epkenhans, Victoria und Bismarck, S. 169.

Seite 99 Auseinandersetzungen mit sich. Ihr Sohn Wilhelm fasste die Schwierigkeiten für Victoria wie folgt zusammen:478

„Meine Frau Mutter hatte andere Überzeugungen, wie ein Volk zu führen sei, als mein Herr Großvater, und es fand sich von ihr, die in regem politischen Gedankenaustausch mit ihrem Herrn Vater stand, keine Brücke zu einem Manne, wie es der überlebensgroße, von einem alles beherrschenden Willen getragene Fürst Bismarck war.“479 3.3. Das sozialreformerische Engagement und die Förderung der deutschen Frauenbewegung durch Victoria

Bevor erläutert wird, wie Victoria die deutsche Frauenbewegung fördern konnte, soll zuerst kurz aufgezeigt werden, warum es überhaupt notwendig war, sich für Frauen starken zu machen. Ein großes Problem der damaligen Zeit waren die fehlende (Aus- )Bildung und Alternativen für Frauen aus der bürgerlichen Schicht und die totale Absenz von adäquaten Ausbildungsstätten. Der Beruf als Lehrerin oder Erzieherin konnte nur von wenigen Privilegierten ausgeübt werden. Die Suche nach Arbeit wurde für die Frau jedoch erst dann zu einer überlebenswichtigen Entscheidung, wenn sie keinen geeigneten Ehemann finden konnte, oder aus eigenem Antrieb ledig blieb. In jedem Fall gestaltete sich die Erwerbstätigkeit als große Herausforderung für den überwiegenden Großteil aller Frauen. Ein weiteres Problem stellte der Umstand dar, dass beispielsweise Arbeiten als Tagelöhnerinnen oder Handlangerinnen für Töchter aus der Mittelschicht als inakzeptabel galten.480 Die dargestellte Problematik war „eine unmittelbare Begleiterscheinung der Industrialisierung und Urbanisierung und der Ausbildung des modernen Staates […]. Forciert wurde sie noch durch eine akute volkswirtschaftliche Notlage.“481

3.3.1. Die Frauenbewegung in Preußen Kaiserin Friedrich förderte die deutsche Frauenbewegung, doch welchen Stellenwert ihre Unterstützung schlussendlich einnahm, wird in der Literatur kaum diskutiert. In den ersten Jahren Victorias in Preußen, konnten sich die Frauenvereine nicht etablieren. Die vor 1848 gegründeten Vereine wurden wieder abgeschafft und die

478 Ponsonby, Briefe der Kaiserin Friedrich. Eingeleitet von Wilhelm II., S. 14. 479 Ebd., 14 – 15. 480 Margret Friedrich, Versorgungsfall Frau? Der Wiener Frauen-Erwerb-Verein - Gründungszeit und erste Jahre des Aufbaus, in: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 47/48 (1991/92), S.263 – 308, hier S. 264 – 265. 481 Friedrich, Versorgungsfall Frau?, S. 265.

Seite 100 von Louise Otto-Peters482 gegründete Frauenzeitschrift ‚Dem Reich der Freiheit werb´ ich Bürgerinnen‘ wurde als illegal erachtet und verboten. Anders gestaltete sich die Situation in England. Dort waren Frauenvereine um die Mitte des 19. Jahrhunderts keine Seltenheit mehr und es konnten bereits beachtliche Erfolge wie etwa die Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen erzielt werden.483

Als sich um 1840 auch die ersten Frauenvereine in Deutschland formierten, begannen sich die Position der Frau und das Verhältnis der Geschlechter in der Gesellschaft fundamental zu ändern. Die Gleichstellung der Frau war und ist bis heute noch das zu erreichende Ziel der Frauenvereine. Victoria unterstützte bereits frühzeitig die Etablierung derartiger Vereine und kommunizierte fortlaufend mit den Mitgliedern. Im Mittelpunkt stand die Aus- und Weiterbildung und damit einhergehend die Erschließung neuer Arbeitsplätze für Frauen. Das Gedankengut dieser Vereine stand im krassen Gegensatz zur Einstellung der preußischen Bevölkerung.484

Die ersten Frauenvereine in Deutschland, zum einen der ‚Allgemeine Deutsche Frauenverein‘ und zum anderen der ‚Letteverein‘, entstanden in den 1860er-Jahren. Louise Otto-Peters war die Gründerin des ‚Allgemeinen Deutschen Frauenvereins‘, welcher in den damaligen Medien Aufsehen erregte, aufgrund seiner zu radikalen Ansichten, jedoch keinen großen Zuspruch erfuhr. Eine dieser Ansichten war der erweiterte Bildungsbegriff, der „auf eine umfassende Emanzipation der Frauen, was von der bürgerlichen Öffentlichkeit – auch von den Liberalen – damals fast einschlägig abgelehnt wurde [, abzielte].“485

Der ‚Letteverein‘ erhielt mehr Zulauf, da der Verein sein Hauptaugenmerk auf die Ausbildungsmöglichkeiten von Frauen aus der bürgerlichen Schicht legte und mit seinen Grundideen dem traditionellen Frauenbild entsprach. Gegründet wurde der

482 Louise Otto-Peters (* 26.März 1819 in Meißen; † 13. März 1895) setzte sich öffentlich für die recht- liche Gleichstellung der Frauen ein, was eine Neuheit in der damaligen Zeit war. Sie kann als eine der Begründerinnen des Feminismus angesehen werden und wird häufig als ‚Mutter der deutschen Frau- enbewegung‘ bezeichnet. Otto-Peters arbeitete als Journalistin und Dichterin und gründete gemein- sam mit Auguste Schmidt den ‚Allgemeinen Deutschen Frauenverein‘. Besonders bekannt sind ihre Worte: „Die Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates ist nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht.“ Siehe hierzu: Ute Gerhard, Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Ham- burg 1990, S. 39 – 40. 483 Margit Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, in: Rainer von Hessen (Hrsg.), Victoria Kaiserin Friedrich. Mission und Schicksal einer englischen Prinzessin in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 94 – 113, hier S. 94 – 95. 484 Dorothée Arden, Kronprinzessin Victoria Kaiserin Friedrich (1840 - 1901). Eine Frau fördert Kunst und Frauenbildung im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2000, Kapitel: 5. Victorias Engagement für die Frauenbewegung. 485 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 96.

Seite 101 Verein 1866 von liberal gesinnten Männern aus dem Bürgertum – allen voran Adolf Lette – vorerst unter dem Namen ‚Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts‘. Victoria erhielt die Schirmherrschaft über den – später so bezeichneten – ‚Letteverein‘, förderte die Organisation mit Spenden und verhalf dem Verein zu weiteren Stiftern, wodurch auch seine Finanzierung erleichtert wurde. Der ‚Letteverein‘ wuchs in kürzester Zeit, was zu einem Großteil dem Einsatz der Kronprinzessin anzurechnen war. Durch die Tätigkeit des Vereins wurde ein Heim für Lehrerinnen aus dem Ausland eingerichtet, ein Damenrestaurant gegründet und eine Handelsschule für junge Mädchen eröffnet. Victoria machte sich für den Bau eines Vereinshauses, welches schließlich 1873 bezugsbereit war, stark und unterstützte das Vorhaben finanziell.486 Auch mit eigens hergestellten Bildern, die unter anderem auch auf Verkaufsausstellungen angeboten wurden, unterstützte die Prinzessin den ‚Letteverein‘.487 Zudem eröffnete sie den sogenannten ‚Victoriabazar‘, bei dem kunsthandliche Arbeiten, welche teilweise von ihren Kindern geschaffen wurden, für den guten Zweck verkauft wurden.488 Außerdem förderte sie den Verein durch ihre Anwesenheit in Unterrichtseinheiten, was dem Verein zusätzliches Renommee einbrachte.489

Ungeklärt bleibt die Frage, weshalb sich die Kronprinzessin dem ‚Letteverein‘ zuwandte, vorerst jedoch dem ‚Allgemeinen Deutschen Frauenverein‘ keine Unterstützung zukommen ließ. Plausibel erscheint die Argumentation, dass die Mitglieder des ‚Allgemeinen Deutschen Frauenvereins‘ eine stark demokratische Haltung einnahmen und Victoria, obwohl durch und durch liberal, nicht demokratisch gesinnt war. Ein weiterer Grund für Victorias Ablehnung gegenüber dem Verein von Louise Otto-Peters war das Konzept der Emanzipation, welches sich „stark an naturrechtlichen Gleichheitsgrundsätzen und dem Menschenrechtsgedanken orientierte.“490 Eine Förderung des ‚Allgemein Deutschen Frauenvereins‘ hätte für die Prinzessin Schwierigkeiten mit der höfischen Gesellschaft, mit der die Beziehung ohnehin problematisch war, aber auch mit den ihr nahestehenden liberal Gesinnten bedeutet.491 Zudem wäre eine Förderung des Vereins nur unter erheblichem

486 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 96 – 97. 487 Arden, Victorias Engagement für die Frauenbewegung, Unterkapitel: 5.5. Lette-Verein. 488 Jessen, Die Kaiserin Friedrich, S. 50. 489 Arden, Victorias Engagement für die Frauenbewegung, Unterkapitel: 5.5. Lette-Verein. 490 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 98. 491 Ebd.

Seite 102 Aufwand möglich gewesen, da er in Sachsen gegründet wurde und auch dort agierte, wohingegen Victoria selbst in Berlin wohnhaft war.

Im Jahr 1868 wurde das nach der Kronprinzessin benannte ‚Victoria-Lyceum‘ installiert. Als die Gründerin Miss Georgina Archer492 Victoria von dem Plan berichtete, ein Damenlyceum erschaffen zu wollen, war die Prinzessin davon überzeugt, dass diese Einrichtung für die Bildung junger Frauen wesentliche Verbesserungen bewirken würde. Nach Beendigung der Töchterschulen wurde jungen Frauen und Mädchen durch das ‚Victoria-Lyceum‘ die Option geboten, ihre Kenntnisse in kunstgeschichtlichen, naturwissenschaftlichen, literarischen und philosophischen Bereichen durch Vorträge von Universitätslehrern zu erweitern. Nicht umsonst wurde also Victoria im Namen der Institution verewigt, denn sie setzte sich für den Bildungszugang der Frauen ein, auch wenn die allgemeine Zulassung zu den Universitäten in Preußen für Frauen erst ab 1908 möglich gemacht wurde.493 Trotz aller intensiven Bemühungen war es ihr nicht möglich, eine Art Frauenuniversität nach den Vorbildern amerikanischer und englischer Colleges zu schaffen.494

3.3.2. Die soziale Fürsorge im Gesundheitswesen Ein Herzensanliegen der Kronprinzessin war die Gründung von Ausbildungsmöglichkeit in Richtung qualifizierter Erwerbstätigkeit für Frauen.495 Die Verbesserung des Gesundheitsbereichs und die Ausbildung von Frauen zu qualifizierten Krankenschwestern war ein zentrales Anliegen der damaligen Frauenbewegung. Federführend in diesem Bereich war Florence Nightingale496, die Victoria bereits in ihrem Heimatland England kennen lernte. Die Kronprinzessin wollte das preußische Gesundheitswesen reformieren, um den Menschen einen besseren Lebensstandard zu ermöglichen. Daher gründete sie unter Mithilfe den ‚Verein für häusliche Gesundheitspflege‘.497 Auch das Gedankengut von Florence Nightingale sollte in Deutschland Platz finden.498 Der Verein setzte deshalb das

492 Georgina Archer (* 27. September 1827 in Edinburgh; † 21. November 1882 in Montreux) 493 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 98 – 98. 494 Jessen, Die Kaiserin Friedrich, S. 43. 495 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 102. 496 Florence Nightingale (* 12. Mai 1820 in Florenz, Großherzogtum Toskana; † 13. August 1910 in London, England) gilt als Reformerin des modernen Sanitätswesens, besonders im Krimkrieg zeichne- te sie sich durch ihre Leitungen aus. Mit ihrer Tätigkeit leistete sie Vorarbeit für das Internationale Rote Kreuz. Siehe hierzu: Gerhard, Unerhört, S. 92. 497 Arden, Victorias Engagement für die Frauenbewegung, Unterkapitel: 5.6. Krankenpflege. 498 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 102.

Seite 103 Anliegen für bessere Lebensumstände um und unterstützte bedürftige Menschen, indem zum Beispiel Lebensmittel wie Vollmilch verteilt oder Tageskliniken und Badeeinrichtungen geschaffen wurden.499 Die Mitglieder gaben zudem Anregungen für eine bessere Bewältigung des Haushalts und der Erziehung. Des Weiteren wurden von den Vereinsfrauen Empfehlungen zur Hygiene gegeben.500

Einer der Vereinsparagraphen zeigt auf, wo der Fokus des ‚Vereins für häusliche Gesundheitspflege‘ lag und mit welchen Problemen sich dieser auseinandersetzte.

„Der Verein hat zum Zwecke die Förderung der Gesundheitspflege in der Familie durch 1. Vorbereitung richtiger Kenntnisse über Gesundheitspflege mittels der Presse und mittels mündlicher Belehrung in Vorträgen und Besprechungen; 2. praktische Anleitung zu gesundheitlich richtigem Leben und in besonderen Fällen Gewährung von zweckentsprechender Hilfe […]. Die Thätigkeit des Vereins beschränkt sich auf Berlin und wird sich vornehmlich den ärmeren Kreisen der Bevölkerung zuwenden.“501 Louise Fuhrmann502 wurde von Victoria nach England gesandt, um dort in einer Schule von Nightingale ausgebildet zu werden. Als Fuhrmann nach Berlin zurückkehrte, erhielt sie die Leitung der ‚Victoriaschwestern‘.503 Dies waren Krankenschwestern, die im sogenannten Victoriahaus504, welches von dem Kronprinzenpaar finanziert wurde, ausgebildet wurden. Sie übernahmen nach der Ausbildung für die Bewohner eines Bezirk die gesundheitliche Betreuung. Victoria hat „einen entscheidenden Beitrag zur Professionalisierung der Krankenpflege in Deutschland geleistet.“505

Prinzessin Victoria wollte Nightingale in den Orient begleiten, um sich dort der Fürsorge der Kriegsopfer des Krimkriegs zu widmen, doch dieses Anliegen blieb ihr verwehrt. Erst einige Zeit später wurde ihr genehmigt, sich um Verwundete zu kümmern, was zur Folge hatte, dass sie 1866 im schlesischen Schloss Erdmannsdorf Zimmer für Kriegsverwundete freiräumen ließ. In der Zeit des deutsch- französischen Krieges von 1870/71 zog die Kronprinzessin nach Homburg, um dort den Verletzten zu helfen. Victoria veranlasste die Errichtung eines Lazaretts, in dem

499 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 101 – 102. 500 Meinolf Nitsch, Private Wohltätigkeitsvereine im Kaiserreich. Die praktische Umsetzung der bürger- lichen Sozialform in Berlin (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 98), Berlin – New York 1999, S. 121. 501 Nitsch, Private Wohltätigkeitsvereine im Kaiserreich, S. 86. 502 Louise Fuhrmann (1843-1896) 503 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 102. 504 Das Victoriahaus für Krankenpflege wurde am 4. Jänner 1883 eröffnet. Siehe hierzu: Nitsch, Pri- vate Wohltätigkeitsvereine im Kaiserreich, S. 124. 505 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 102.

Seite 104 eine medizinische Erstversorgung stattfinden konnte. Sie gestaltete dabei die Versorgungsstätte nach englischem Vorbild und sandte nach Louise Fuhrmann, deren Expertise zur Versorgungsverbesserung des Lazarettes beitragen sollte.506 Victoria war nicht nur um eine rasche Versorgung der Verletzten bemüht, sondern legte auch besonderen Wert auf gute hygienische Zustände, wie sie mit der Errichtung einer intakten Wasserleitung in die Versorgungsstätte unter Beweis stellen konnte. Die Kronprinzessin versuchte auch, den Gemütszustand der Verwundeten durch Konzerte zu verbessern. Der Ausbau des Gesundheitssystems stand bei der Prinzessin immer im Vordergrund, was dazu führte, dass sie den Bau von Krankenhäusern, wie etwa das nach ihr benannte Kaiserin Friedrich Krankenhaus, welches in den Jahren von 1896 bis 1899 errichtet wurde, anordnete.507

In adeligen Kreisen gehörte es zu den Aufgaben und Pflichten, sich sozial zu engagieren und sich zum Beispiel für Kriegsopfer und Hinterbliebene einzusetzen. Kaiserin Augusta gründete 1864 den ‚Vaterländischen Frauenverein‘, der sich mit der Pflege von verwundeten und kranken Soldaten befasste. Dieser Verein galt als eine Vorstufe des heutigen ‚Roten Kreuzes‘. Augusta setzte sich intensiv für die Kriegsopfer ein und erhielt, wie auch Victoria, Unterstützung von Florence Nightingale.508

3.3.3. Die Volkserziehung und die Frauenbildung in Preußen 1874 wurde der von Henriette Schrader-Breymann509 gegründete und von Victoria geförderte Berliner ‚Verein für Volkserziehung’ ins Leben gerufen. Im Zuge der Vereinsgründung wurde das ‚Pestalozzi-Fröbel-Haus‘ eröffnet, für welches wiederum die Kronprinzessin protektiv einstand.510 In dem Gebäude befanden sich zahlreiche Ausbildungszweige für weibliche Sozialberufe wie etwa den der Kindergärtnerin, sowie zahlreiche Weiterbildungskurse und -seminare. Die Ausbildungsmöglichkeiten sollten den Frauen die Erwerbstätigkeit in den jeweiligen Berufssparten ermöglichen.

506 Jessen, Die Kaiserin Friedrich, S. 58 – 59. 507 Barbara Dölemeyer, Victoria in Kronberg und Homburg, in: Rainer von Hessen (Hrsg.), Victoria Kaiserin Friedrich. Mission und Schicksal einer englischen Prinzessin in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 114 – 133, hier S. 128 – 129. 508 Feuerstein-Praßer, Die deutschen Kaiserinnen, S. 82. 509 Henriette Schrader-Breymann (* 14. September 1827 in Mahlum; † 25. August 1899 in Schlachten- see) ging in die Geschichte der Pädagogik und in die Annalen der deutschen Frauenbewegung ein. Sie und ihr Mann Karl Schrader waren mit der Kronprinzessin über viele Jahre hinweg befreundet. Siehe hierzu: Arden, Victorias Engagement für die Frauenbewegung, Unterkapitel: 5.3. Helene Lange und die "Gelbe Broschüre". 510 Arden, Victorias Engagement für die Frauenbewegung, Unterkapitel: 5.2. Pestalozzi-Fröbel-Haus.

Seite 105 Zudem wurde in dem Haus eine Kinderkrippe installiert, in der Kleinkinder zum einen betreut und zum anderen mit frischen Lebensmitteln und neuer Kleidung versorgt wurden.511 Die Perspektive der ehemaligen Kaiserin bezüglich der Volkserziehung und des Pestalozzi-Fröbelhauses wird in folgendem Absatz verdeutlicht:

„Hier in diesem, dem Familienleben nachgebildeten Institut mit seinen Säuglingskrippen, Volkskindergärten, Kindergärtnerinnenseminar, Koch- und Haushaltungsschule sah sie den Ausgangspunkt für bedeutsame Reformen der Volkserziehung. […] Von hier aus sah sie ein gesundes Bürgertum vorbereitet. […] Durch Lehren edler Pädagogen findet sie im Pestalozzi-Fröbelhaus im Sinne der Familie den Grundstein für Schule und Haus gelegt.“512 Victoria übernahm nicht nur das Protektorat für den ‚Verein für Volkserziehung‘, sondern auch für Institutionen, die sich beispielsweise mit der Förderung von Gouvernanten und Lehrerinnen befassten. Die Kronprinzessin war ebenfalls daran interessiert, dass Frauen sich auf wissenschaftlicher Ebene im Bereich der Frauenbildung weiterbilden und verdient machen konnten. Daher erhielten unter anderem Henriette Schrader-Breymann und Helene Lange513 für eine Englandreise Empfehlungsschreiben und Unterstützungsbekundungen von Victoria, um so die Fortbildung auf dem Gebiet der Frauenbildung zu erleichtern. Als Victoria Kaiserin war, wollte sie mit den beiden Damen eine Frauenbildungsanstalt gründen, die Frauen eine akademische Ausbildung ermöglichen, aber auch auf dem Gebiet der Hausarbeit weiterbilden sollte. Allerdings erfüllte sich dieser Traum der Kaiserin aufgrund der kurzen Regentschaft ihres Mannes nicht, da ihr Sohn Wilhelm II., der den Thron gleich nach seinem Vater bestieg, kein Interesse an der Frauenbildung hatte und diese Bemühungen nicht weiterverfolgte.514

Victorias Engagement für die Frauenbildung endete zwar nicht mit dem Tod ihres Mannes, doch konnte sie aufgrund ihrer neuen, eingeschränkten Macht, ihre Bemühungen nicht in dem gewohnten Ausmaß fortsetzen, wenngleich sie versuchte, sich auch weiterhin so intensiv als möglich für die weiblichen Bildungsmöglichkeiten einzusetzen. Als Beispiel kann auf den Neubau des Schulhauses in Schönberg, einem Ortsteil von Kronberg, Bezug genommen werden, der nach seiner

511 Nitsch, Private Wohltätigkeitsvereine im Kaiserreich, S. 58 – 59. 512 Jessen, Die Kaiserin Friedrich, S. 53 – 54. 513 Helene Lange (* 9. April 1848 in Oldenburg; † 13. Mai 1930 in Berlin) zeichnete sich durch ihr En- gagement für die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland aus. Sie war Gründungsmitglied zahl- reicher Vereine wie etwa dem ‚Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein‘. Sie war auch im Vorstand des ‚Allgemeinen Deutschen Frauenvereins‘ und im ‚Bund Deutscher Frauenvereine‘ tätig. Im Jahr 1887 veröffentlichte sie die sogenannte ‚Gelbe Broschüre‘ in der sie unter anderem für die Ausbildung von Lehrerinnen plädierte. Siehe hierzu: Gerhard, Unerhört, S. 140 – 146. 514 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 102 – 104.

Seite 106 Fertigstellung den Namen ‚Victoria-Schule‘ trug. Sie förderte zudem die Errichtung einer Stadtbibliothek in Kronberg, die 1891 in Betrieb genommen werden konnte. Außerdem übernahm die Kaiserin Witwe diverse weitere Protektorate wie beispielsweise für das ‚Victoria-Pensionat‘. Victoria übernahm die Repräsentation ihres neuen, mehrjährigen Wohnsitzes Kronberg.515

3.4. Victorias Tätigkeiten im künstlerischen Bereich

3.4.1. Die Malerin Victoria Victorias große Leidenschaft galt der Malerei. Das Interesse und die Begabung wurden ihr regelrecht in die Wiege gelegt, denn ihre Eltern malten mit Begeisterung und nahmen bei zahlreichen Künstlern wie unter anderem bei William Leighton Leitch516 Unterricht.517 Jessen schreibt in seinem Nachruf: „Im Kultus der schönen Künste war sie erzogen worden. Früh hatte sie ein Verhältnis zu Shakespeare und Goethe, Byron, Dante und Tennyson gefunden. Mit Zeichenstift, Pinsel und Modellierholz ging sie wie mit der Feder um.“518 Für Kinder aus dem Adelshaus galt es als selbstverständlich, eine Kunstausbildung zu erhalten und deshalb wurde der renommierte Maler Edward Henry Corbould519 engagiert, um die Prinzessin in der Malerei zu unterrichten. Victoria bewies bereits in jungen Jahren große Begeisterung für die Malerei und zeigte ihr Geschick durch ihre selbstgemalten Bilder.520

In Preußen angekommen, wollte Victoria mit der Malerei keinesfalls brechen, daher gestaltete sie sich ein Atelier im Kronprinzenpalais und stellte Carl Gottfried Pfannschmidt521 an, sie zu unterrichten, um ihre Technik zu verbessern. Als besonders förderlich für die Ausformung ihres Talents erwies sich die Anstellung des

515 Dölemeyer, Victoria in Kronberg und Homburg, S. 118 – 119. 516 William Leighton Leitch (* 22. November 1804 in Glasgow; † 25. April 1883 in St. John's Wood, London) war ein bekannter Aquarellmaler in Großbritannien. 517 Inge Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, in: Rainer von Hessen (Hrsg.), Victoria Kaiserin Friedrich. Mission und Schicksal einer englischen Prinzessin in Deutschland, Frankfurt am Main 2002, S. 134 – 150, hier S. 136. 518 Jessen, Die Kaiserin Friedrich, S. 30. 519 Edward Henry Corbould (* 5. Dezember 1815 in London; † 18 Jänner 1905 in London) zeichnete sich durch seine Aquarellbilder aus. 520 Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 136. 521Carl Gottfried Pfannschmidt (* 15. September 1819 in Mühlhausen/Thüringen; † 5. Juli 1887 in Ber- lin) war ein deutscher Maler.

Seite 107 Aquarellmalers William Callow522, der bereits in Paris und England Ruhm und Ehre erworben hatte und von der Kronprinzessin damit beauftragt wurde, mit ihr im Potsdamer Schlosspark zu malen. Da Victoria gerne in Begleitung malte, lud sie immer wieder jemanden ein, der oder die sie auf ihren Malerei-Ausflügen begleiten sollte. So unternahm sie 1899 mit Marie von Bunsen523 eine Reise nach Bordighera (Italien), auf der sich die beiden Frauen ausführlich über die dort gemalten Bilder und Techniken austauschen konnten.524

Auch ihren Kindern versuchte Victoria die Liebe zur Malerei zu vermitteln und absolvierte im Zuge ihrer Bemühungen mit ihnen gemeinsam Lehrgänge. Für gewöhnlich malte die Kronprinzessin täglich an ihren Bildern, vorausgesetzt es ließen gesellschaftliche Termine oder Amtsgeschäfte dies zu. Das Kronprinzenpaar, aber auch Victoria alleine, besuchte umliegende Galerien von Künstlern wie Anton von Werner525 und Georg Bleibtreu526, aber auch Werkstätten wie beispielsweise vom Bildhauer Albert Wolff.527 Häufig war Victoria von den Techniken der Künstler so begeistert, dass sie diese für private Lehrstunden bezahlte. Die Kronprinzessin modellierte auch mit Erfolg Skulpturen ihrer Familienmitglieder.528

Die spätere Kaiserin versuchte auf den Reisen so viele Eindrücke wie möglich mitzunehmen, besuchte zu diesem Zwecke berühmte Künstler und malte zum Teil auch mit ihnen gemeinsam.529 Anton von Werner verfasste in der ‚Gartenlaube‘ einen Beitrag über die Prinzessin aus dem das folgende Zitat zu entnehmen ist:

„Seit jener Zeit hat die Frau Kronprinzessin trotz der vielfachen Pflichten, welche ihre hohe Stellung ihr auferlegt, unausgesetzt künstlerische Studien nach den verschiedensten Richtungen hin verfolgt, mit immer offenem Auge für die Offenbarungen der Natur und für die Schöpfungen alter und moderner Kunst.“530

522 William Callow (* 28. Juli 1812 in Greenwich, heute ein Teil von London; † Februar 1908 in Great Missenden, Buckinghamshire, England) war ein englischer Landschaftsmaler, Graveur und Aquarel- list. 523 Marie von Bunsen (* 17. Januar 1860 in London; † 28. Juni 1941 in Berlin) war deutsche Schrift- stellerin, Aquarellistin und Salonnière. Sie war eine langjährige Freundin von Victoria von Preußen. Marie von Bunsen unternahm mehrere Reisen, wie etwa nach Asien, die sie für literarische und male- rische Zwecke nützte. 1905 wurde der Lycium-Club auf Anregung von Marie von Bunsen in Berlin gegründet. Siehe unter: Silke Helling, Marie von Bunsen, o. D., [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/marie-von-bunsen/], eingesehen am 07.03.2018. 524 Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 136 – 137. 525 Anton von Werner (* 9. Mai 1843 in Frankfurt; † 4. Januar 1915 in Berlin) 526 Georg Bleibtreu (* 27. März 1828 in Xanten; † 16. Oktober 1892 in Berlin) 527 Albert Wolff (* 14. November 1815 in Neustrelitz; † 20. Juni 1892 in Berlin) 528 Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 137 – 138. 529 Ebd., S. 138. 530 Anton von Werner, Eine fürstliche Malerin, in: Die Gartenlaube 33 (1885), Nummer 46, Seite 761.

Seite 108 Häufig stellte Victoria sich KünstlerInnen zur Verfügung, die die Kronprinzessin als Vorlage für ihre Werke verwendeten. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass der Künstler Friedrich Drake531, der den Auftrag erhielt, die Berliner Siegessäule anzufertigen, den Kopf der Kronprinzessin als Modell für die Anfertigung der Siegesgöttin verwendete.532

Im Jahr 1860 wurde Victoria zum Ehrenmitglied der ‚Berliner Akademie für Künste‘.533 Durch ihr Talent und Engagement wurde die Kronprinzessin 1881 zudem noch zu einem Ehrenmitglied des in London ansässigen Institutes für Aquarellmalerei.534 Ihr Schwiegervater kritisierte ihr Engagement für die Malerei, da es sie von ihren eigentlichen Aufgaben abhalte. Diese Bemängelung war gerade deswegen ungerechtfertigt, weil Wilhelm sehr viel dazu beitrug, dass Victoria sich im politischen und sozialen Bereich nicht verwirklichen konnte.535 „Sie suchte und fand in der Kunst jene Erfüllung, die ihr in den öffentlichen Funktionen versagt blieb.“536

Viele ihrer Werke ließ die Kronprinzessin in Alben binden, einige Bilder präsentierte sie auf Veranstaltungen des ‚Vereins für Berliner Künstlerinnen‘. Victoria organisierte einen Markt im ‚Neuen Palais‘, um für die Kriegsopfer und Familien von Soldaten des preußisch-dänischen Krieges von 1864 zu sammeln und einige ihrer Bilder für den guten Zweck zu verkaufen. Diese karitative Tätigkeit blieb kein Einzelfall, denn sie engagierte sich beispielsweise auch für Opfer des deutsch-französischen Krieges, indem sie Bilder stiftete und Geld sammelte. Für die Errichtung eines Hospitals und die Förderung von Künstlerinnen, übergab sie der Künstlergesellschaft in Frankfurt drei Bilder, die für diese Institutionen auktioniert werden sollten.537 Durch derartige Spenden- und Hilfsaktionen gelang es Victoria, sich großes Ansehen in der Bevölkerung zu verschaffen.538

Die Kronprinzessin stellte ihr Talent in den verschiedensten Gattungen der Malerei unter Beweis. Sie malte hauptsächlich Portraits und Stillleben. Ihr Interesse galt aber auch der Landschaftsmalerei. Sie produzierte Skizzen für Inventare, Kostüme und fertigte Glückwunschadressen an. Victoria gab sich nicht nur der Malerei hin,

531 Friedrich Drake (* 23. Juni 1805 in Pyrmont; † 6. April 1882 in Berlin) 532 Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 138. 533 Ebd. 534 Arden, Mäzenatentum des Kronprinzenpaares, Unterkapitel: Exkurs: Victoria als Künstlerin. 535 Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 138. 536 Ebd. 537 Ebd., S. 140. 538 Arden, Mäzenatentum des Kronprinzenpaares, Unterkapitel: Exkurs: Victoria als Künstlerin.

Seite 109 sondern stellte ebenfalls Holzschnitte her, formte aus verschiedenen Materialien Gegenstände, fertigte Flechtarbeiten an und stickte.539 Eine weitere große Leidenschaft war die Bildhauerei, und so nahm Victoria Unterricht bei dem bekannten Marmor- und Bronzebildhauer Albert Wolff.540

Das künstlerische Talent von Kaiserin Friedrich kann wohl sehr gut mit folgendem Ausspruch zusammengefasst werden: „Alle Meister, die ihr nahetraten, beurteilten sie übereinstimmend als starke, künstlerische Begabung. […] Ihr Wissen und Können imponierte den Anspruchsvollsten.“541 Victorias Kunsttätigkeit hatte für viele weibliche Kunstschaffende eine treibende Vorbildwirkung und verbesserte die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber der Frau als Künstlerin.542

3.4.2. Die Sammlerin und die Mäzenin Victoria Ein weiteres Interessensgebiet der späteren Kaiserin Victoria war die Sammlung von Kunstgegenständen und Antiquitäten. Ihre Eltern Queen Victoria und Prinz Albert waren sehr kunstbegeistert. Vom 1. Mai bis zum 11. Oktober 1851 fand die erste Weltausstellung in London statt. England konnte sich als fortschrittliches, modernes Land präsentieren. Besonders Albert setzte sich für das Stattfinden der Ausstellung in London ein, da er stets bemüht war, den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt voranzutreiben.543 Er förderte die Errichtung des 1852 gegründeten ‚South Kensington Museums‘. Queen Victoria lies das Museum 1899 in ‚Victoria and Albert Museum‘ umbenennen, weil sich ihr Mann zeitlebens mit seinen umfassenden Visionen für die Kunst und die Wissenschaft eingesetzt hatte. Das Museum beinhaltet die größte Kunst- und Designsammlung der Welt. Der damalige Grundbestand setzte sich vor allem aus Gegenständen der Weltausstellung zusammen.544

Aufgrund ihrer Position erhielt Victoria immer wieder Präsente, welche in der Sammlerszene hohen Wert besaßen. Die Kronprinzessin engagierte sich für das

539 Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 140. 540 Arden, Mäzenatentum des Kronprinzenpaares, Unterkapitel: Exkurs: Victoria als Künstlerin. 541 Jessen, Die Kaiserin Friedrich, S. 31. 542 Arden, Mäzenatentum des Kronprinzenpaares, Unterkapitel: 4.3. Mäzenatentum im Bereich der Bildenden Kunst. 543Johannes Ebert/Christian Jahnel/Alexandra Minisdorfer u. a., Industrialisierung und nationaler Auf- bruch (Die große Chronik-Weltgeschichte von den Anfängen bis Gegenwart 13), Gütersloh – München 2008, S. 50 – 51. 544 Gabriele König, Kinder- und Jugendmuseen. Genese und Entwicklung einer Museumsgattung. Impulse für besucherorientierte Museumskonzepte (Berliner Schriften zur Museumskunde 16), Opla- den 2002, S. 17 – 18.

Seite 110 Museum des Kunstgewerbes und lernte dadurch namhafte Persönlichkeiten wie Sir Richard Wallace545, der in London die ‚Wallace Collection‘ ins Leben rief, kennen. Von Wallace erhielt Victoria einen Spiegel, der höchstwahrscheinlich Marie- Antoinette gehört hatte. Victoria freundete sich außerdem mit dem berühmten Kunstsammler Ferdinand Robert Tornow546 an, der ihr nach seinem Ableben nahezu seine komplette Sammlung vermachte. Die Kostbarkeiten, darunter Skulpturen, Plastiken, Sternhöhenmesser, Bücher und vieles mehr wurden im Kronprinzenpalais aufbewahrt. Auf Victorias Reisen besuchte sie Antiquitätengeschäfte, um ihre Sammlung zu erweitern. Ihr Fokus lag schlussendlich darauf, einen Querschnitt an Antiquitäten vom Altertum bis zu ihren Lebzeiten aus dem In- und auch aus dem Ausland zu erwerben. Unterstützt wurde Victoria bei den Käufen von Julius Lessing547 und Wilhelm vom Bode548, die nach Victorias Ableben die Kostbarkeiten erfassten und publizierten.549

Im Kunstgewerbemuseum strukturierte Victoria die Ausstellungsstücke so, dass sie miteinander harmonierten, um die BetrachterInnen keineswegs zu ermüden. Dies war für die damalige Zeit eine atypische Darbietungsweise in Museen, da ähnliche Ausstellungsstücke meist nebeneinander präsentiert wurden.550

Als Erben ihrer Kunstsammlung bestimmte die Kaiserin ihre Nachkommen. Sollten diese das Erbe ablehnen, oder die männliche Thronfolge nicht mehr gewährleistet werden können, dann würde die Sammlung dem ‚Städelschen Kunstinstitut‘ in Frankfurt vermacht werden, für das Victoria bereits als Sammlerin und Mäzenin auftrat.551 Während des Zweiten Weltkrieges wurden zahlreiche Kunstgegenstände entweder verkauft oder geraubt, was die beachtliche Anzahl der Kunststücke stark reduzierte.552

Friedrich und seine Frau machten es sich zur Aufgabe, mäzenatisch tätig zu sein. Besonders Victoria initiierte immer wieder die Förderung von KünstlerInnen und deren künstlerische Vorhaben. Das liberale Kronprinzenpaar musste sich ab den 1880er-Jahren damit abfinden, dass es politisch kaltgestellt war, da Wilhelm I. bis zu

545 Richard Wallace (* 21. Juni 1818; † 20. Juli 1890) war ein englischer Kunstsammler und Mäzen. 546 Ferdinand Alexander Robert Tornow (* 18. Oktober 1812 in Berlin; † 13. September 1875 ebenda) 547 Julius Lessing (* 20. September 1843 in Stettin; † 14. März 1908 in Berlin) 548 Wilhelm von Bode (* 10. Dezember 1845 in Calvörde; † 1. März 1929 in Berlin) 549 Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 143 – 144. 550 Ebd., S. 144 – 145. 551 Ebd., S. 146. 552 Ebd., S. 145.

Seite 111 seinem Tod 1888 regierte. Victoria und Friedrich vertraten nicht die gleiche politische Agenda wie der Kaiser, was als ein Mitgrund für den Ausschluss aus den politischen Geschäften betrachtet werden kann. Victoria versuchte deshalb, sich anderen Gebieten wie etwa der Wohltätigkeit oder Förderung von Kunst zu widmen.553 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden Vereine, welche sich im künstlerischen oder musikalischen Bereich engagierten. Diese Organisationen förderten die Kunst zum einen indem Veranstaltungen zum Verkauf der Werke oder zur Unterstützung abgehalten wurden und zum anderen durch den Ankauf neuer Werke, um die Kunstsammlung zu erweitern. Victoria setzte sich intensiv für diese Vereine ein und war mäzenatisch tätig.554

Im Jahr 1871 erhielt der Thronfolger Friedrich die Schirmherrschaft über die Berliner Museen. Diese Tatsache erfreute ihn wenig, da er befürchtete, politisch noch mehr exkludiert zu werden. Victoria erkannte in dieser Ernennung große Chancen für die Förderung im künstlerischen Bereich. Sie engagierte sich schon Jahre lang in dieser Szene, war seit den 1860er-Jahren Anhängerin des ‚Berliner Kunstgewerbevereins‘ und unterstützte diesen finanziell. Um die Ausbildung der Handwerker zu verbessern und sich an England zu orientieren, beauftragte Victoria Anfang der 1860er-Jahre einen Gesandten, der sich in Großbritannien über diesen Wirtschaftszweig informieren sollte. Victoria bewirkte, dass 1867 in Berlin ein Gewerbemuseum nach dem englischen Modell entstand, dem eine Schule mit Bibliothek angehörte, wodurch den Schülern des Handwerks eine bestmögliche Ausbildung ermöglicht werden konnte. Die Kronprinzessin wollte gemeinsam mit Julius Lessing, dem damaligen Direktor des Museums, den Bestand der ausgestellten Exponate erweitern und suchte in Adelskreisen nach Unterstützung für ihr Vorhaben. In Folge ihres Engagements stiftete beispielsweise Prinz Karl von Preußen kostbares Inventar und Werke aus Ton. Sowohl das Museum als auch die Schule gewannen anschließend zunehmend an Beliebtheit und deshalb bewirkte Friedrich in der Folge eine Erweiterung und Verlegung des Museums in ein größeres Gebäude. Die Sammlung erfuhr durch 6.500 zusätzlich gewonnene Ausstellungsstücke aus der Kunstkammer des Königshauses eine enorme Ausdehnung. Durch diverse Veranstaltungen,

553 Barbara Ohm, Victoria, eine englische Prinzessin in Berlin. Zu unserer Ausstellungsführung am 14. Januar 1997, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 93 (1997), Heft 1, S. 167 – 172, hier S. 168 – 169. 554 Jürgen Kocka/Manuel Frey, Einleitung und einige Ergebnisse, in: Jürgen Kocka/Manuel Frey (Hrsg.), Bürgerkultur und Mäzenatentum im 19. Jahrhundert (Bürgerlichkeit, Wertewandel, Mäzena- tentum 2), Zwickau 1998, S. 7 – 18, hier S. 11.

Seite 112 welche vom Kronprinzenpaar organsiert wurden, wuchs die Sammlung im Museum weiter und es ließen sich immer mehr Unterstützer und Befürworter finden. Von einer Bandbreite an Vorlagen und Modellen, welche den Auszubildenden als Vorbild dienen sollten, entwickelte sich das Museum zu einer hochwertigen Kollektion. Ein Neubau wurde aufgrund der Größe unerlässlich und vom Kronprinzenpaar veranlasst. Anlässlich des 41. Geburtstags von Victoria wurde das Gebäude schließlich am 21. November 1881 feierlich eröffnet. Victoria präsentierte anlässlich der Eröffnung Kunstwerke aus Indien, welche in den überdachten Innenhöfen für eine kurz eingerichtete Ausstellung Platz fanden.555

Ein wichtiger Umstand, weshalb sich Victoria für den Ausbau und Erhalt des Kunstgewerbes aussprach, war jener, dass es auch Frauen aus dem Bürgertum möglich sein sollte, in dieser Branche eine Ausbildung zu absolvieren und eine standesgemäße Erwerbstätigkeit zu finden. Sticken und Nähen gehörte schon längst zu Tätigkeiten, welche ‚gute‘ Hausfrauen im 19. Jahrhundert verrichten sollten. In den höhergestellten Familien war es üblich, dass Frauen in den Töchterschulen Malunterricht erhielten, wobei das Malen als Beschäftigung in der Freizeit dienen sollte. Viele Frauen mussten den Lohn des Mannes aufbessern und nahmen dadurch schlecht bezahlte Stellen im Kunstgewerbe, meist in Heimarbeit, an, was zum Teil dem Umstand geschuldet war, dass die Frauen keine spezifische Ausbildung erhielten. Victoria war die Gleichstellung der Frau besonders wichtig. Daher förderte sie auch den Ausbau der Ausbildungsstätten, damit die Arbeit der Frau durch eine fundierte Ausbildung aufgewertet werden konnte. Selbiges galt für den ‚Verein der Bildenden Künstlerinnen‘, der es sich zur Aufgabe machte, Frauen im künstlerischen Bereich auszubilden.556

Obwohl das Kunstgewerbemuseum mit Sicherheit die größte Unterstützung der Kronprinzessin erfuhr, war es nicht die einzige Institution, der sich Victoria verpflichtet fühlte. Sie nahm die Rolle der Mäzenin für diverse weitere Projekte wie etwa die Schaffung einer Ausbildungsstätte für Holzschnitzer oder für den Kirchenbau der englischen Gemeinde ein. Mit dem Umzug nach Kronberg in die Villa Schönbusch machte sich die Kaiserin für die Restaurierung der dort liegenden Kronberger Burg stark. Vorerst waren ihr allerdings die Hände gebunden. Das änderte sich zu dem Zeitpunkt, als Kaiser Willem II. die Burg ankaufte und sie seiner Mutter übergab.

555 Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 146 – 148. 556 Arden, Mäzenatentum des Kronprinzenpaares, Unterkapitel: 4.6. Kunstgewerbe.

Seite 113 Victoria ließ die Baut restaurieren, erlebte jedoch nicht mehr die komplette Vollendung des Umbaus. Die ehemalige Kaiserin setzte sich zudem für die Rekonstruktion der verloren gegangen Malereien in der Johanniskirche in Kronberg ein. Victoria stiftete dem Ort eine Statue aus Bronze, welche den Ritter Hartmut XII. darstellt und den Garten der Schule zieren sollte.557

Diese Verschönerung und kulturelle Verbesserung der Stadt Kronberg durch Victoria blieb nicht die Einzige. Sie ließ den ‚Kaiser-Friedrich-Park‘ erbauen, anschließend gestalten und trat mäzenatisch für das Geschichtswerk der Stadt Kronberg ein.558

Neben Victoria übernahm auch Friedrich zu seinen Lebzeiten für mehrere Institutionen das Protektorat und war im sozialen Bereich tätig. Allerdings muss in dieser Arbeit aufgrund des Fokus auf Victoria von diesen Ausführungen Abstand genommen werden. Festgehalten soll jedoch in jedem Fall werden, dass sein Engagement, ähnlich wie das seiner Frau, bemerkenswert war, da er sich um eine Ausweitung der königlichen Sammlung bemüht zeigte und ebenfalls finanzielle Mittel für die Museen sammelte und zur Verfügung stellte.559

Das folgende Zitat fasst die Kaiserin Friedrich in der Diktion der vorigen Jahrhundertwende als Person sehr gut zusammen „Wir erkennen das Weib in all seiner Mütterlichkeit und häuslichen Tugend, die Künstlerin voller Talent und feinem Ästhetensinn, die Gelehrte mit scharfsinnigem Intellekt und die Fürstin mit ihrem Verantwortlichkeitsgefühl für die Gesamtheit.“560 Eine derartige Beschreibung war typisch für die damalige Zeit, in der ein sehr traditionelles Frauenbild vorherrschte.

3.5. Victoria – ein kurzes Resümee

Es kann festgehalten werden, dass ein zunächst positives, zeitgenössisches Bild von Victoria über all die Jahre durch diverse Anfeindungen beträchtlich zerstört wurde. Grund dafür war unter anderem ihre Herkunft, ihre liberale Ausbildung und auch die Angst davor, dass sie durch eine verstärkte politische Machtstellung Änderungen herbeiführen könnte. Victoria wurde vorgeworfen, dass sie ihr Geburtsland ihrer

557 Der Bildhauer Eduard Schmidt von Launitz fertigte die Bronzestatue des Reichsritters Hartmut XII. für Jacques Reiss an, der diese in seiner Villa Schönbusch aufstellte. Wilhelm erwarb das Gelände für seine Mutter und schenkte die Statue 1889 der Stadt Kronberg. Siehe hierzu: Eichler, Victoria als Ma- lerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 149. 558 Eichler, Victoria als Malerin, Sammlerin und Mäzenin, S. 148 – 149. 559 Arden, Mäzenatentum des Kronprinzenpaares, Unterkapitel: 4.4. Kronprinz Friedrich Wilhelm als Protektor der Schönen Künste und der Königlichen Museen. 560 Jessen, Die Kaiserin Friedrich, S. 1 – 2.

Seite 114 neuen Heimat vorziehe. Die Verhetzungen gegen die Adelige kann mit den folgenden Worten zusammengefasst werden: „Der Vorwurf einer landesverräterischen Haltung ist also unzutreffend.“561 Victoria präsentierte sich als ehrgeizige Verfechterin des Liberalismus, doch kann nicht nachgewiesen werden, dass sie ihren Mann Friedrich dadurch in ungünstiger Weise beeinflusst hätte. Er handelte nach seiner persönlichen Überzeugung, dass das liberale Gedankengut die politische Zukunft Preußens sei.562 Beide hatten eine reflektierte politische Haltung, hatten jedoch nur wenig Gelegenheit, sie einzusetzen.

„Sie [Victoria] war eine ehrgeizige Politikerin, welche ihren für richtig befundenen Standpunkt hartnäckig vertreten konnte. […] Trotz ihrer Leidenschaftlichkeit war aber ihr Einfluß unbedeutend. Bei politisch wichtigen Ereignissen – etwa zu Kriegszeiten – kann man sie nicht als selbstständige Politikerin betrachten.“563 Dennoch sollten Victorias Bemühungen, einen modernen und innovativen Staat zu schaffen, der mehr Freiheit beinhalten würde, nicht außer Acht gelassen werden.564

Die Unterdrückung Victorias am preußischen Hof war mit Sicherheit auch ein Grund dafür, dass sich die Kronprinzessin derart im sozialen Bereich, aber auch für die Frauenbewegung engagierte. Allerdings muss hier festgehalten werden, dass ihr soziales Engagement nicht aus einer Trotzhandlung resultierte, sondern aus Überzeugung und als Herzensanliegen unternommen wurde. Die Notwendigkeit der Verbesserung und der Weiterentwicklung der Lebensumstände für Frauen war in vielen Ländern gegeben. Aufgrund der Tatsache, dass viele Frauen weder heiraten konnten oder wollten, mussten neue Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden. Nur so hatten Frauen die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen. Die Lebenssituation einer Kronprinzessin und zukünftigen Kaiserin kann nicht mit der einer Bürgerlichen oder Arbeiterfrau verglichen werden. Trotzdem spricht Victorias Handeln für „ihre individuelle Intelligenz, ihre politische Bildung, ihr soziales Engagement und ihre Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen […].“565 Victoria kritisierte bereits früh die Stellung der Frau in der Bevölkerung und entwickelte ihr eigenes Emanzipationskonzept. Als ein weiterer Grund für den nachhaltigen Einsatz der Kronprinzessin in sozialen Belangen kann die elterliche Prägung betrachtet werden, denn sowohl der Vater, der Victoria gleichermaßen respektvoll wie seinen

561 Johannes Friese, Die politische Haltung der Kronprinzessin Victoria bis zum Jahre 1871, in: Histo- rische Abhandlungen (1933), Heft 4, Berlin, S. 77. 562 Friese, Die politische Haltung der Kronprinzessin, S. 76 – 78. 563 Ebd., S. 78 – 79. 564 Ebd., S. 79. 565 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 104.

Seite 115 Söhnen begegnete, als auch ihre Mutter, die durch ihre Stellung als Regentin Vorbildwirkung hatte und großen Einfluss auf ihre Tochter ausübte, waren für ihr späteres Heranwachsen ausschlaggebende Einflüsse. Victorias Eifer und unermüdlicher Einsatz für die Frauenbewegung, aber auch für soziale Projekte, waren für eine Frau ihres Ranges keineswegs selbstverständlich und „sie steht somit einzigartig da unter Europas Fürstinnen.“566 Äußerst untypisch war auch ihr Umgang mit den bürgerlichen Frauen, mit denen sie sich häufig zum Austausch traf.567

Victorias Wunsch war es, Preußen zu einer konstitutionellen Monarchie mit liberalen Grundgesetzen und einer Milderung der Klassengegensätze zu entwickeln. Helene Lange meinte, dass die Prinzessin, hätte sie die Zeit, die Möglichkeit und den Einfluss gehabt, mit ihren zahlreichen fortschrittlichen Ideen zur Begründerin der Wohlfahrtspflege geworden wäre.568

„Dafür dachte sie letztlich zu systematisch, zu planvoll und zu wissenschaftlich, um sich neueren Erkenntnissen und Entwicklungen zu entziehen, dafür spricht auch ihre praktische Tätigkeit, in der sie fast immer moderne reformerische Entwicklungen aufnahm und auf deren Weiterentwicklung drängte.“569 Ein gutes Beispiel ist Victorias Unterstützung des ‚Lettevereins‘, den sie ständig weiterentwickeln und durch neueste Erkenntnisse verbessern wollte. Hinsichtlich der Frauenbewegung zeichnete sich die Kronprinzessin durch ihre finanzielle Hilfestellung aus. In Bezug auf das Emanzipationskonzept nahm Victoria die Position ein, dass zwischen Mann und Frau zwar eine Disparität herrsche, Bestrebungen des weiblichen Geschlechts in puncto Kultur und Öffentlichkeit jedoch nach Möglichkeit gefördert werden müssen.570

Victoria konnte zwar immens viele und wichtige Beiträge zu unterschiedlichen Bereichen leisten, doch da sie und ihr Mann durch die politische Kaltstellung in den 1880er-Jahren immer weniger Einfluss in sozialen Anliegen geltend machen konnten, nahmen auch – wenngleich ungewollt – die Unterstützungsmöglichkeiten für zahlreiche Vereine und die Frauenbewegung kontinuierlich ab. Nach dem Tod von Friedrich III. wurde Victoria politisch zur Gänze isoliert. Sie versuchte bis zu ihrem Tod weiterhin die zahlreichen Ideen und Vereine zu unterstützen, doch ihre

566 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 106. 567 Ebd., S. 104 – 106. 568 Ebd., S. 107. 569 Ebd. 570 Ebd., S. 106 – 108.

Seite 116 zunehmend schwächere Argumentationsposition wirkte sich auf ihr weiteres Schaffen negativ aus.571

571 Göttert, Victoria und die deutsche Frauenbewegung, S. 108.

Seite 117 4. Frauen schaffen sich Freiräume – die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert

Da in dieser Arbeit der Fokus auf der Habsburgermonarchie liegt, wird die Situation der Frauen in Österreich behandelt. Natürlich treffen die Zustände der ArbeiterInnen und Bürgerlichen in ähnlichem Ausmaß auch für Deutschland zu. Ein Teil der in Deutschland gegründeten Frauenvereine wurde bereits umfangreich in den Ausführungen zu Victoria erwähnt und näher besprochen. Louise Otto-Peters, die als ‚Mutter der deutschen Frauenbewegung‘ bezeichnet werden kann, setzte sich im 19. Jahrhundert federführend für die Entwicklung der deutschen Frauenbewegung ein. Sie gilt nicht nur als Anführerin, sondern strukturierte die Frauenbewegung und lieferte wichtige Beiträge, die für die Weiterentwicklung der weiblichen Gleichberechtigung weittragende Folgen haben sollten.572 Die Entwicklung der Frauenbewegung kann zeitversetzt in allen Ländern und Städten Europas nachgewiesen werden.

4.1. Die Stellung und die Rolle der Frau unter Berücksichtigung des sozialen Milieus

4.1.1. Die Rolle der Frau in der Gesellschaft Die Rolle der Frau war im 19. Jahrhundert klar festgelegt und wurde rechtlich auch im ‚Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch‘ verankert. Während es die Pflicht des Mannes war, für die Familie zu sorgen, war der Frau die eigenständige Erwerbstätigkeit nur dann erlaubt, wenn sie der Familie und dem Haushalt weiterhin genügend Aufmerksamkeit widmen und diese Tätigkeiten weiterhin mit Sorgfalt ausüben konnte. Der Verdienst des Mannes sollte jedoch im Normalfall für die Ernährung der Familie ausreichen. Auch alle Entscheidungen in Bezug auf die Kindererziehung wurden vom Mann getroffen. Selbst wenn das männliche Familienoberhaupt nicht mehr dazu in der Lage war, ging die Entscheidungsgewalt nicht auf seine Partnerin, sondern auf einen Vormund über. Diese gesetzlichen Vorgaben entsprachen allerdings nicht der Praxis, und trafen meist nur auf das reiche Bürgertum, die Beamtenschaft und den Adel zu. Die weniger gut situierten

572 Gerhard, Unerhört, S. 39.

Seite 118 Familien waren nämlich darauf angewiesen, dass sich auch die Frauen am Familieneinkommen beteiligten.573

4.1.2. Probleme in der Gesellschaftsordnung Werden die bürokratisch strengen und teuren Hürden betrachtet, welche im Falle einer Eheschließung auf die Paare zukamen, dann verwundert es nicht, dass sich viele Männer und Frauen eine Heirat gar nicht leisten oder die erforderlichen Nachweise nicht erbringen konnten. Diese Tatsache wird auch durch die Geburtenaufzeichnungen bestätigt, denn in der Zeit von 1846 bis 1859 wurden 51% aller in Wien geboren Säuglinge von unverheirateten Frauen zur Welt gebracht. Viele dieser Mütter konnten es sich aufgrund ihrer schlechten Lebenssituation auch nicht leisten, die Kinder bei sich zu behalten, weshalb die Neugeborenen oft zu Pflegeeltern kamen.574

Die von der Gesellschaft so bezeichnete ‚Frauenfrage‘ beschäftigte sich mit der Neugestaltung der Frauenerwerbstätigkeit. Es wurde die Notwendigkeit thematisiert, dass auch Frauen aus dem Bürgertum einen finanziellen Zuverdienst für die Familie erwirtschaften mussten. Bürgerliche Frauen konnten jedoch aufgrund des ‚bürgerlichen Frauenideals‘ nicht den gleichen Tätigkeiten wie Frauen aus unteren Schichten nachgehen, weshalb neue Berufe geschaffen werden mussten.575

Bürgerinnen tangierten die Probleme der weiblichen Erwerbstätigkeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts eigentlich nicht. Zahlreiche Faktoren führten allerdings dazu, dass in Österreich eine Wirtschaftskrise ausbrach und damit wurde auch den bürgerlichen Frauen schlagartig die Wichtigkeit der eigenen Erwerbstätigkeit bewusst. 1860/61 wurde die neoabsolutistische Regierungsform, die mehr als 3 Milliarden Gulden Schulden verursachte, durch eine parlamentarische Instanz mit Kontrollfunktion abgelöst. Es wurde eine allgemeine Verfassung verabschiedet und ein Reichsrat installiert. Durch die finanziell schlechte Situation mussten in Österreich im Zuge einer Umgestaltung Sparmaßnahmen getroffen werden. Territoriale Kriegsverluste, wie beispielsweise das Wegfallen der Lombardei, verschlechterten

573 Gabriella Hauch, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, in: Ma- ria Mesner/Hildegard Steger-Mauerhofer (Hrsg.), Der Tod der Olympe de Gouges. 200 Jahre Kampf um Gleichberechtigung und Grundrechte, Wien 1994, S. 27 – 43, hier S. 29. 574 Hauch, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, S. 30. 575 Gunda Barth-Scalmani, Die Thematisierung der Haus-/Frauenarbeit bei Lorenz von Stein, in: Brigit- te Mazohl-Wallnig (Hrsg.), Bürgerliche Frauenkultur im 19. Jahrhundert (L‘Homme Schriften. Reihe zur feministischen Geschichtswissenschaft 2), Wien – Köln – Weimar 1995, S. 81 – 121, hier S. 95.

Seite 119 die Wirtschaftssituation zusätzlich. Zeitgleich führte der amerikanische Bürgerkrieg zu einer Krise der Baumwollindustrie, welche auch Auswirkungen auf Österreich hatte, da der Preis für Baumwolle vier bis fünf Mal so hoch wurde. Der Baumwollimport wurde kostspielig, wodurch in weiterer Folge viele Menschen, die in der Textilbranche tätig waren, arbeitslos wurden. Diese Ereignisse führten 1863 zu einer totalen Wirtschaftskrise, die durch schlechte Ernten in den Jahren 1863 und 1864 noch weit schlimmere Ausmaße annehmen sollte.576 Sandgruber hält fest, dass „[d]ie Mißernte, die Kriegsauswirkungen und das international schlechte Konjunkturklima“ ein Zusammenspiel war, das sich ungünstiger Weise beeinflusste.577

Die wirtschafts- und sozialpolitische Bevölkerungsbewegung seit den 1850er-Jahren macht deutlich, dass das männliche Geschlecht in der Unterzahl war. Viele Frauen blieben deshalb unverheiratet. Durch diesen Umstand und die schlechte Entwicklung der Wirtschaft kam es in vielen mittel- und kleinbürgerlichen Unternehmen zu einer Verarmung. Mit derartigen Schwierigkeiten mussten bald auch weitere Gruppen des Bürgertums ringen.578

Im Zuge der genannten Probleme mussten sich die Frauen aus dem Bürgertum damit auseinandersetzen, dass eine Verheiratung nicht gesichert war und wenn, dann keine Gewährleistung für Wohlstand bedeutete. Für die Frauen aus dem Bürgertum gab es nicht viele Optionen. Daher mussten in erster Linie, für eine standesgemäße Erwerbstätigkeit, Bildungseinrichtungen geschaffen werden, in denen Wissen und Fertigkeiten für adäquate Berufe erworben werden konnten, damit die Frauen sich ‚im Notfall‘ finanziell einbringen und auch selbst erhalten konnten.579

In den 1850er und 1860er-Jahren stieg die Armut im kleinbürgerlichen und proletarischen Milieu aufgrund erheblicher Probleme in der Hausindustrie und den Manufakturen rapide an. Vom finanziellen Standpunkt aus betrachtet, war es damals also unumgänglich, dass sich beide Ehepartner am Familieneinkommen beteiligen

576 Roman Sandgruber, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Österreichische Geschichte), Wien 1995, S. 243. 577 Sandgruber, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, S. 244. 578 Waltraud Heindl, Geschlechterbilder und Geschlechterrollen. Ideologie und Realitäten, in: Helmut Rumpler/Peter Urbanitsch (Hrsg.), Soziale Strukturen. Von der feudal – agrarischen zur bürgerlich – industriellen Gesellschaft. Lebens- und Arbeitswelten in der industriellen Revolution (Die Habsburger- monarchie 1848 – 1918 9), Teilband 1, Wien 2010, S. 701 – 741, hier S. 711 – 712. 579 Sabine Weiss, Die Österreicherin. Die Rolle der Frau in 1000 Jahren Geschichte, Graz – Wien – Köln 1996, S. 297 – 298.

Seite 120 mussten.580 Die aufkommende Berufstätigkeit der Bürgerlichen wurde nicht durch fadisierte, reiche Frauen verursacht, sondern entstand aus dem einfachen Grund, dass Ledige und auch verheiratete Frauen, oft ihr eigenes oder das Leben der

Familie finanziell mittragen mussten. Diesen Entwicklungen war es auch geschuldet, dass die Geschlechterverhältnisse neu geordnet werden mussten und die Frauen mit der Zeit zu ‚Konkurrentinnen‘ der Männer wurden. 581

Die Wirtschaftskrise und die unsichere Situation vieler Familien sollte durch Erneuerungen im Bereich der Frauenbildung verbessert werden. Es konstituierten sich Vereine, die sich für den Einsatz der Frau in der Berufswelt, aber auch für ihre Bildung und Ausbildung in entsprechenden Einrichtungen stark machten. Genaue Zahlen fehlen aufgrund des Umstandes, dass zur Erwerbtätigkeit der Frau keine repräsentativen Statistiken vorhanden sind. Der damalige Minister für öffentliche Arbeiten ging jedoch davon aus, dass im Jahr 1857 unter den 14 Millionen Erwerbstätigen etwa 2,4 Millionen Frauen waren.582

Im Zuge der Wiener Weltausstellung von 1873 wurde eine Erhebung durchgeführt, die aufzeigen sollte, wie viele Frauen in der Industrie und im Gewerbe tätig waren. Insgesamt schlug ein Verdienst von 40 Millionen Gulden durch 150.000 bis 160.000 Frauen zu Buche. Werden diese Zahlen mit denen im Jahr 1890 verglichen, wo davon ausgegangen wurde, dass 167.678 Frauen in den genannten Bereichen tätig waren, dann fällt auf, dass die berufliche Integration der Frau in den Berufen der Industrie steigend war. Damit kann festgehalten werden, dass die Frau einen großen Anteil an der Arbeitswelt hatte.583 „Egal an welche Zahlen man sich hält, die Erwerbstätigkeit war ein Strukturmerkmal weiblichen Lebenszusammenhanges, war am stärksten in der Land- und Forstwirtschaft und wuchs am schnellsten in den anderen Sektoren und urbanen Ballungsräumen.“584

Im Zeitraum von 1848 bis 1918 lassen sich in Bezug auf die Stellung und Weiterentwicklung der Frau zahlreiche Schwerpunkte und Ausdifferenzierungen finden. In den 1850ern wurde noch die Position der Frau in der Familie diskutiert, wohingegen ab 1865 die Frage nach Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Frauen in den Vordergrund rückte. In den 1890er-Jahren strebten die Frauen nach

580 Heindl, Geschlechterbilder und Geschlechterrollen, S. 719. 581 Ebd., S. 713. 582 Ebd., S. 712 – 713. 583 Barth-Scalmani, Die Thematisierung der Haus-/Frauenarbeit, S. 94 – 95. 584 Ebd., S. 95.

Seite 121 politischen Rechten, wodurch wiederrum die Debatte um das biologische Geschlecht und seine Auswirkungen auf die Rolle der Frauen in der Gesellschaft entfacht wurde.585

4.2. Erste Proteste – Frauen während der Revolution von 1848 Die wirtschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert führten dazu, dass die Ordnung der patriarchalischen Gesellschaft, die sich durch eine Hegemonialstellung des Mannes auszeichnete, neu strukturiert werden musste. Frauen forderten zunehmend Gleichstellung. Als eine der ersten Protestaktionen in Österreich versammelten sich am 21. August 1848 Frauen und Männer, um gemeinsam gegen die Dezimierung der Gehälter von Erdarbeiterinnen zu demonstrieren. Der Streik wurde gewaltvoll durch die österreichische Armee beendet. Wenige Tage später wurde am 28. August 1848 als weiterer Prostest der ‚Wiener demokratische Frauenverein‘ gegründet, der sich mit politischen Fragen und Frauenrechten auseinandersetzte. Es dauerte allerdings nur wenige Monate, bis der Kaiser diesen Verein verbieten ließ.586

An den Geschehnissen der Revolution 1848 waren Männer und Frauen maßgeblich beteiligt. Bereits im März waren Frauen im Hintergrund tätig, da sie Fahnen nähten und Abzeichen sowie Schleifen anfertigten, um diese zu verteilen und selbst zu tragen.587 Frauen kamen zwar ihren üblichen Tätigkeiten nach, doch sie wurden zunehmend politisch aktiv. Damen aus den besseren Schichten jubelten mit dem Dienstpersonal den protestierenden Menschen zu und verteilten Schmuck und Blumen.588 Am 26. Mai 1848 hatte der kaiserliche Hof einen Beschluss gefasst, der die Akademische Legion589 für nichtig erklärte. Daraufhin schlossen sich Studenten, BürgerInnen und ArbeiterInnen zusammen, um gegen die Entscheidung zu protestieren. Der Bau von Barrikaden wurde bereits früh morgens gestartet und

585 Heindl, Geschlechterbilder und Geschlechterrollen, S. 702. 586 Weiss, Die Österreicherin, S. 297. Für mehr Informationen siehe auch: Gabriella Hauch, Frau Bie- dermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik 49), Wien 1990. 587 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 15. 588 Gabrielle Hauch, Blumenkranz und Selbstbewaffnung. Frauenengagement in der Wiener Revoluti- on 1848, in: Helga Grubitzsch/Hannelore Cyrus/Elke Haarbusch (Hrsg.), Grenzgängerinnen. Revoluti- onäre Frauen im 18. und 19. Jahrhundert. Weibliche Wirklichkeit und männliche Phantasien (Ge- schichtsdidaktik. Studien, Materialien 33), Düsseldorf 1995, S. 93 – 133, hier S. 96 – 98. 589 Studentenfreikorps der Wiener Revolution 1848

Seite 122 Frauen aus allen Bevölkerungsschichten waren maßgeblich daran beteiligt.590 „Solidarisierendes Verhalten der weiblichen Angehörigen höherer Schichten durchbrach an diesem Tag ‚symbolisch‘ die gesellschaftlichen Hierarchien.“591 Allein die Tatsache, dass Frauen aus den besseren Schichten in ihren teuren Kleidern beim Barrikadenbau mithalfen, war mehr als revolutionär. Anlässlich der Barrikadenkämpfe sorgten sich die Frauen nicht nur um die Versorgung der HelferInnen, sondern auch um Kampfgeräte und das passende Zubehör. Protestierende Männer und Frauen wurden gleichermaßen mit Waffen ausgestattet. Frauen waren also auch aktiv am Protest beteiligt und mischten sich in das politische Geschehen ein. Für ihren Einsatz wurden sie allerdings auch heftig kritisiert.592 Dass Frauen gar als verantwortungsbewusste Staatsbürgerinnen anerkannt werden, oder im Parlament tätig sein könnten, sollte ihnen, so die überwiegende Überzeugung der Gesellschaft, auch weiterhin untersagt bleiben.593

Durch das politische Engagement der Frauen während der Revolution waren sie „in die demokratische Öffentlichkeit eingedrungen.“ Es wurden einige Texte veröffentlicht, die sich mit der Situation der Frau befassten.594 Eine Dame595 formulierte ihre Forderungen wie folgt:

„Meine Herren, […] hüten sie sich zu glauben, daß wir nicht vom lebhaftesten Interesse für die Emanzipation der Menschheit durchdrungen sind. Es gibt keine Frau von Geist, die nicht ein bißchen George Sand wäre […] Wir beanspruchen Gleichheit der Politischen Rechte. Weshalb sollen Frauen nicht in den Reichstag gewählt werden?“596 Einige Frauen forderten mit der Zeit eine Gleichstellung mit den Männern und erhofften sich dadurch, nicht mehr in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden. Dazu gehörte auch die rechtliche Gleichstellung. Das Wahlrecht für beide Geschlechter wurde während der Revolution zwar von einigen Teilen der Bevölkerung, allerdings noch nicht in staatlichen Ausschüssen, diskutiert.597

590 Hauch, Blumenkranz und Selbstbewaffnung, S. 101 – 102. 591 Ebd., S. 102. 592 Ebd., S. 102 – 104. 593 Brigitta Bader-Zaar, Frauenbewegung und Frauenwahlrecht, in: Helmut Rumpler/Peter Urbanitsch (Hrsg.), Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Vereine, Parteien und Interessenverbände als Träger der politischen Partizipation (Die Habsburgermonarchie 1848 – 1918 8), Teilband 1, Wien 2006, S. 1005 – 1027, hier S. 1007. 594 Hauch, Blumenkranz und Selbstbewaffnung, S. 107. 595 In der Literatur wird der Name der betreffenden Person nicht genannt. 596 Hauch, Blumenkranz und Selbstbewaffnung, S. 108. 597 Hauch, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, S. 34 – 35.

Seite 123 Präsidentin Karoline von Perin598 gründete den bereits erwähnten ‚Wiener demokratischen Frauenverein‘.599 Dieser Verein setzte sich als erster für die Gleichberechtigung von Frauen ein und wurde zu diesem Zweck politisch aktiv. Die Vereinsgründung wurde von vielen Männern kritisiert und deshalb wurden die Sitzungen wiederholt boykottiert.600

Den Statuten des ‚Wiener demokratischen Frauenvereins‘ sind folgende Aufgaben zu entnehmen:

„Die Aufgabe des Vereines ist eine dreifache: Eine politische, eine soziale und eine humane: a) eine politische, um sich durch Lektüre und belehrende Vorträge über das Wohl des Vaterlandes aufzuklären, das demokratische Prinzip in allen weiblichen Kreisen zu verbreiten, die Freiheitsliebe schon bei dem Beginne der Erziehung in der Kinderbrust anzufachen und zugleich das deutsche Element zu kräftigen; b) eine soziale, um die Gleichberechtigung der Frauen anzustreben, durch Gründung öffentlicher Volksschulen und höherer Bildungsanstalten, den gewerblichen Unterricht umzugestalten und die Lage der ärmeren Mädchen durch liebevolle Erhebung zu veredeln; c) eine humane, um den tiefgefühlten Dank der Frauen Wiens für die Segnungen der Freiheit durch sorgsame Verpflegung aller Opfer der Revolution auszusprechen.“ 601 Es wurde die Emanzipation der Frau und der damit verbundene, ungehinderte Zugang zur Bildung gefordert. Auch Wohltätigkeit und soziales Engagement sollten für ein positives Frauenbild sorgen. In der kurzen Zeit der Vereinsbeständigkeit wurde besonders das ‚demokratische Prinzip‘ hochgehalten.602 Perin organisierte am 17. Oktober einen Marsch mit zirka 300 Frauen, um den Abgeordneten im Reichstag die von ihr aufgesetzte Petition zu überreichen. In den Kämpfen im Oktober 1848 zogen sich die Bürgerinnen zurück, die Arbeiterinnen setzten sich jedoch bis zum Schluss ein. Trotz des eifrigen Einsatzes konnten die Frauen aufgrund der Gegenrevolution nichts erreichen. Auch der ‚Wiener demokratische Frauenverein‘ überlebte das Jahr nicht. Die Bürgerinnen konnten ihr Ziel, mehr Entscheidungsgewalt und Rechte zu erhalten, nicht verwirklichen und dadurch vorerst keine soziale Änderung ihrer Lebenssituation herbeiführen.603

598 Karoline von Perin (12. Februar 1806 in Wien; † 10. Dezember 1888 ebenda) war eine österreichi- sche Frauenrechtlerin. 599 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 147. 600 Hauch, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, S. 38 – 39. 601 Gabriella Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik 49), Wien 1990, S. 235. 602 Hauch, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, S. 39. 603 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 147 – 148.

Seite 124 Der ‚Erste Wiener Frauenverein‘ war nicht der einzige Verein, der 1848 gegründet wurde. Es entstand der ‚Erste konstitutionell-monarchische Frauenverein‘‚ der sich zwar öffentlich von politischen Angelegenheiten distanzierte, im Kern aber politische Züge aufwies. Der ‚Deutschkatholische Frauenverein‘ befasste sich ebenfalls nicht ausdrücklich mit politischen Themen, doch kann auch für ihn angenommen werden, dass politische Inhalte teilweise diskutiert wurden.604 „Frauen waren in ihnen Aktivistinnen, Betroffene und Thema. Sie agierten und reagierten in sozial, ökonomisch und kulturell zu differenzierenden Strukturen und Räumen.“605 Die eigenen Vereinsgründungen resultierten aus dem Umstand, dass Frauen nicht in die bestehenden Vereine integriert wurden. Die Anliegen der Vereine unterschieden sich je nach sozialer Schicht.606 All die gegründeten Vereine wurden am 31. Oktober 1848, nach dem gewaltvollen Niederschlagen der Revolutionsbewegung, untersagt. Die Überprüfung auf unerlaubte Inhalte in Druckschriften wurde widerhergestellt.607 Nichtsdestotrotz kann der Einsatz der Frauen während der Revolution 1848 als erster öffentlich organisierter Protest gegen das vorherrschende System betrachtet werden und diente als erster Impuls für weitere Gleichstellungsbestrebungen.

Aufgrund der Schichtunterschiede muss zwischen den Arbeiterinnen und Bürgerinnen differenziert werden. Der Begriff Arbeiterin meint in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht wie zu einem späteren Zeitpunkt die klassischen Fabrikarbeiterinnen, sondern beinhaltet Frauen, die sich in einem lohnabhängigen Arbeitsverhältnis befanden. Die Lebenssituationen dieser Frauen waten teilweise derart schlecht, dass ihnen oft nur die Prostitution übrigblieb.608

Zu Beginn des Jahrhunderts war ein bürgerliches Frauenleitbild formuliert worden, es etablierte sich erst allmählich, und wurde von den unteren Schichten lange Zeit gar nicht angenommen. Dies zeigen die Verhaltensweisen während der Revolution, als sich die Frauen nicht am bürgerlichen Frauenleitbild orientierten, sondern mit kämpferischem Anstrich für ihre Überzeugung eintraten. Dieser Einsatz passierte nicht, um Männer zu unterstützen, oder als Mitläuferinnen tätig zu sein, sondern aus Eigenständigkeit. Die Frauen kämpften, um dieselben Rechte wie die Männer zu erhalten. „Die Normen und Werte des bürgerlichen Frauenleitbildes konnten ‚noch

604 Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden, S. 166. 605 Ebd., S. 230. 606 Ebd., S. 230 – 231. 607 Hauch, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, S. 41. 608 Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden, S. 185 – 186.

Seite 125 nicht‘ für Frauen aller Schichten gelten und wurden von ihnen ‚noch nicht‘ explizit angestrebt. Und es gab Ausbruchsversuche der Frauen, die bereits in diesem Korsett lebten, liebten und arbeiteten.“609

4.3. Nach der Revolution – Frauen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Der weibliche Einsatz für Selbstbestimmung, Verbesserung der Rechts-, Bildungs- und Ausbildungssituation während der Revolution scheiterte nach 1848 und dies sollte sich so bald nicht ändern. Als im Gemeindegesetz von 17. März 1849 verankert wurde, dass steuerzahlende Frauen das Wahlrecht erhalten würden, war dies ein erster Lichtblick, wenngleich diese Genehmigung nicht in allen Städten gewährt wurde. In den Fällen von Wien oder Prag war die Annahme des Gemeindegesetzes beispielsweise der Stadt vorbehalten.610 Festzuhalten ist jedoch, dass die Stimme nur durch den Ehemann oder einen Vormund abgegeben werden konnte. „Hier fanden letztendlich die verankerten Vorstellungen des Geschlechterdualismus und der geschlechtlich getrennten Lebensbereiche ihren Niederschlag.“611

Steuerzahlende Frauen erhielten zwei Jahre später auch das Recht, im Landtag zu wählen, und ab 1873 durften diese Frauen in der Wählerklasse der Großgrundbesitzer mitwählen. Je nach Gesetzgebung des Landtags wurde jedoch vorgegeben, ob die Frauen in persona ihre Stimme abgeben konnten, oder die Stimmenabgabe durch einen männlichen Vertreter vorgenommen werden musste.612 Trotz der Staatsgrundgesetze vom Dezember 1867, in denen die allgemeinen Rechte der Staatsbürger festgelegt wurden, mussten die Frauen sich bis 1919 gedulden, um endlich das allgemeine Wahlrecht zu erhalten.613 Die Gesetze zeichneten sich nämlich durch allgemeine und geschlechtsneutrale Formulierungen aus, durch die unklar blieb, ob die Gesetzesänderungen beide Geschlechter betrafen.614 Mittels weiterer Vereinsgründungen verliehen die Frauen ihren Forderungen Ausdruck und arbeiteten an der Umsetzung.

609 Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden, S. 231. 610 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 148. 611 Bader-Zaar, Frauenbewegung und Frauenwahlrecht, S. 1010. 612 Weiss, Die Österreicherin, S. 298. 613 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 148. 614 Bader-Zaar, Frauenbewegung und Frauenwahlrecht, S. 1010.

Seite 126 4.3.1. Vereinsbildung zur Stärkung der Emanzipation Die Anerkennung der Frau als Individuum mit persönlichen Wünschen, abseits der Rolle als Mutter und Gattin, benötigte viel Zeit. Frauen mussten erst lernen, wie sie sich für die Umsetzung ihrer Bedürfnisse engagieren konnten. Die Gründung von Vereinen bot die Gelegenheit zur Weiterentwicklung. Die rhetorischen Fähigkeiten und das Erlernen demokratischer Grundzüge, welche bei Vereinen zunehmend großen Stellenwert einnahmen, wurden geschult. Die Vereine boten eine optimale Gelegenheit, um das Organisieren zu erlernen, finanzielle Mittel zu verwalten und politisches Wissen zu erwerben. Durch eine Vereinsgründung konnten die Anliegen der Frauen außerdem leichter an die Öffentlichkeit herangetragen werden. Zusätzlich agierten Frauen und Männer oft im Kollektiv, da der Staat somit eher auf die Anliegen aufmerksam wurde und darauf reagieren musste.615

Die Vereine dienten dem Austausch von Wissen, doch aufgrund des Bildungsstandes vieler Frauen waren oft einseitige Gespräche zu politischen und gesellschaftlichen Themen das Resultat. Aus diesem Grund musste in erster Linie dafür Sorge getragen werden, dass Bildungseinrichtungen, die den Charakter und das Wissen der Frauen festigten und vermehrten, geschaffen wurden. Nur so konnte der damalige ‚Ist-Zustand‘ verbessert werden. Neben der allgemeinen Ausbildung der Frauen und Mädchen wurde vor allem die soziale Kompetenz gefördert. Die schlechten Lebensumstände und die Armut vieler Menschen in der Bevölkerung sollte durch Wohltätigkeit gelindert werden.616

Bürgerliche Frauen, die in der damaligen Gesellschaft ledig waren, oder keine Kinder bekamen, hatten ihre ‚Berufung‘ nicht erfüllt. Durch das Engagement in einem Verein verrichteten diese Frauen soziale Arbeiten, nützen dem Gemeinwohl und erhielten dadurch einen besseren Stellenwert in der Gesellschaft. Auch Damen aus den besseren Schichten, die sich lediglich oberflächlichen Aufgaben widmeten, konnten durch einen Vereinsbeitritt und das daraus resultierende Engagement ihrem Leben einen neuen Sinn verleihen.617 Gerade bei den sozialen Frauenvereinen war auffallend, dass sich Frauen aus den höherklassigen Schichten

615 Margret Friedrich, Zur Tätigkeit und Bedeutung bürgerlicher Frauenvereine im 19. Jahrhundert in Peripherie und Zentrum, in: Brigitte Mazohl-Wallnig (Hrsg.), Bürgerliche Frauenkultur im 19. Jahrhun- dert (L‘Homme Schriften. Reihe zur feministischen Geschichtswissenschaft 2), Wien – Köln – Weimar 1995, S. 125 – 173, hier S. 126 – 127. 616 Friedrich, Zur Tätigkeit und Bedeutung bürgerlicher Frauenvereine, S. 128 – 129. 617 Ebd., S. 130.

Seite 127 zusammenschlossen, um den Ärmeren zu helfen und sich der sozialen Wohltätigkeit zu widmen:618

„Der Schritt zu Vereinsgründung und Vereinstätigkeit bedeutete für Frauen die partielle Überwindung der ihnen durch bürgerliche Normen vorgegebenen Schranken und die Mitgestaltung der neuen, bürgerlichen Öffentlichkeit – zunächst in eher re-agierender sozialer Tätigkeit, nach einigen Jahrzehnten erfolgreicher Vereinsarbeit schließlich auch in der Anmeldung und Durchsetzung einiger Forderungen zur Veränderung der gesellschaftlichen Situation.“619 Speziell in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Frauenvereine, die unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte setzten. Es lassen sich beispielsweise religiös ausgerichtete Vereine wie etwa der ‚Katholische Frauenverein‘ finden, die sich mit der Versorgung von Notleidenden befassten.620 Besonders wichtig erschien den religiösen Vereinen, dass die Kinder den jeweiligen Glauben vermittelt bekamen, und nach den speziellen Vorstellungen erzogen wurden.621

Als Einschnitt kann der 1866 gegründete ‚Wiener Frauenerwerbsverein‘ betrachtet werden. Mit dieser Gründung wurde eine neue Richtung in der Frauenbewegung eingeschlagen. Aus den bei Friedrich abgedruckten Statuten des Vereins kann der Zweck, nämlich „die Unterstützung wirthschaftlichen Thätigkeit der Frauen und Mädchen, sie mögen in Familien leben, oder auf sich alleine angewiesen sein“622, entnommen werden. Diese Ziele sollten unter anderem „durch Vorträge und Veröffentlichung von Schriften über die Erwerbsfähigkeit der Frauen und Mädchen“623, „durch Unterricht für Berufs-, Gewerbs- und Handelsgeschäfte der Frauen“624 sowie „durch Errichtung von Ausstellungs- und Verkaufslocalen für Frauenarbeiten jeder Art“625 erreicht werden.

618 Friedrich, Zur Tätigkeit und Bedeutung bürgerlicher Frauenvereine, S. 131. 619 Ebd., S. 130. 620 Ebd., S. 136 – 137. 621 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 149. 622 Friedrich, Zur Tätigkeit und Bedeutung bürgerlicher Frauenvereine, S. 168. 623 Ebd. 624 Ebd. 625 Ebd.

Seite 128 Der Verein machte es sich zur Aufgabe, den bürgerlichen Frauen eine Möglichkeit zu bieten, ausgebildet zu werden, um einen standesgemäßen Beruf annehmen zu können.626

Noch kurz vor dem Krieg gegen Preußen wurde 1866 in Salzburg der ‚Militärisch- Patriotische Frauen-Hilfs-Verein‘ konstituiert. Der Verein gewann zunehmend an Popularität und konnte bereits im ersten halben Jahr nach der Gründung 12.428 Gulden Spenden verzeichnen. Diese wurden in Equipment für Zimmer und Küchen in den Notkrankenhäusern, aber auch in die Verpflegung und Ernährung der Patienten investiert. Im Jahr 1879 schloss sich der Verein nach seiner Neugründung und unter dem neuen Namen ‚Patriotischer Frauen-Hilfsverein für das Hzgt. Salzburg‘ dem Roten Kreuz an. Die Mitglieder trafen Vorsorgemaßnahmen, um im wahrscheinlichen Kriegsfall vorbereitet zu sein. Im Sanitäts- und Gesundheitswesen sollten die modernsten Mittel und Techniken verwendet werden.627 Durch die Schaffung von Kursen für KrankenpflegerInnen, konnte das Pflege- und Fürsorgewesen professionalisiert werden. Es wurde gewünscht, dass sich die ausgebildeten Frauen im Falle eines Krieges für die Pflege der Verwundeten engagierten.628

Die bekannte Frauenrechtlerin Bertha von Suttner629, welche bereits im Zusammenhang mit Kaiserin Elisabeth kurz erwähnt wurde, unterschied sich von diesen Vereinen und rief 1891 die ‚Österreichische Gesellschaft für Friedensfreunde‘ ins Leben. Suttner differenzierte nicht zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht, daher öffnete sie ihren Verein für alle Menschen. Suttner war der Meinung, dass die Friedens- und Frauenbewegung voneinander getrennt werden sollten. Zu erwähnen ist, dass Suttner zwar für die Frauenvereine spendete, sich selbst jedoch nie in einen eingliederte.630 Bertha von Suttner schrieb einen Roman mit dem aussagekräftigen Titel ‚Die Waffen nieder‘, welcher 1889 veröffentlicht

626 Renate Flich, Bildungsbestrebungen und Frauenbewegungen, in: Helmut Rumpler/Peter Urbani- tsch (Hrsg.), Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Vereine, Parteien und Interessenverbände als Träger der politischen Partizipation (Die Habsburgermonarchie 1848 – 1918 8), Teilband 1, Wien 2006, S. 941 – 964, hier S. 947. 627 Friedrich, Zur Tätigkeit und Bedeutung bürgerlicher Frauenvereine, S. 147. 628 Ebd., S. 148. 629 Bertha von Suttner (* 9. Juni 1843 in Prag; † 21. Juni 1914 in Wien) Im Zuge dessen muss die Historikerin Laurie Cohen erwähnt werden, deren Forschungsschwerpunkte unter anderem internationale Frauen- und Friedensbewegungen und Genderforschung sind. Sie befasst sich intensiv mit der Person Bertha von Suttner und veröffentlichte 2005 das Werk: “Gera- de weil Sie eine Frau sind…”. Erkundungen über Bertha von Suttner, die unbekannte Friedensnobel- preisträgerin. 630 Weiss, Die Österreicherin, S. 302.

Seite 129 wurde. Sie ging 1905 in die Geschichte ein, da sie als erste Frau den Friedensnobelpreis erhielt. Suttners reger Kontakt mit der Kaiserin von Österreich kann einerseits in Elisabeths Dichtungen und andererseits in Einflüssen von Suttners geschriebenem Werk nachgewiesen werden.631

Hinsichtlich des Frauenwahlrechts kann festgehalten werden, dass dieses nur von einem kleinen Teil der Frauenbewegung massiv geforderte wurde. Die Mehrheit der Frauen verlangten „eine schrittweise Erringung von Rechten, die schließlich in der Erteilung der politischen Bürgerrechte gipfeln sollte.“632 Es können auch Unterschiede innerhalb der Bewegung verortet werden, denn den bürgerlich-liberal gesinnten Frauen auf der einen Seite standen die sozialdemokratischen Frauen, welche zum Teil das Wahlrecht postulierten, auf der anderen Seite gegenüber.633 Die anhaltende Forderung für ein allgemeines Wahlrecht wurde erst ab den 1880er- Jahren thematisiert.634

Frauen wurden nicht komplett von der Politik abgeschirmt, denn in schwierigen politischen Situationen wie etwa bei den sogenannten ‚Barrikadenkämpfen‘, oder bei Tätigkeiten innerhalb der Partei wie Teilnahme an Demonstrationen für das männliche Wahlrecht, wurde die Hilfe der Frauen durchaus toleriert.635

Frauen wie Auguste Fickert636 und Marie Schwarz637 wollten ihre politisch-rechtliche Situation verbessern. Beide Frauen waren steuerzahlende Lehrerinnen in Wien, und organisierten 1890 eine Versammlung, die das Wahlrecht für Frauen in der Hauptstadt thematisierte, doch ihr Einsatz brachte keine zählbaren Resultate. Im Jahr darauf forderten sie, dass das Verbot für Frauen, Mitglieder in politischen Vereinen zu sein oder diese auch zu gründen, aufgehoben und der Frau zusätzlich auch das Wahlrecht zugesprochen werden sollte. Abermals scheiterten die Bemühungen jedoch.638

Mit diesen Niederlagen wollte sich Auguste Fickert allerdings nicht abfinden und gründete 1893 den ‚Allgemeinen Österreichischen Frauenverein‘, der sich unter anderem für eine Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten für Mädchen einsetzte,

631 Amtmann, Elisabeth von Österreich, S. 63. 632 Bader-Zaar, Frauenbewegung und Frauenwahlrecht, S. 1005. 633 Ebd. 634 Ebd., S. 1012. 635 Ebd., S. 1007. 636 Auguste Fickert (* 25. Mai 1855 in Wien; † 9. Juni 1910 in Maria Enzersdorf) 637 Marie Schwarz (* 17. Oktober 1852 Wien; † 6. März 1920 Wien) 638 Weiss, Die Österreicherin, S. 299 – 300.

Seite 130 aber auch mit der politisch-rechtlichen Gleichstellung der Frauen befasste.639 Das Frauenbild sollte verbessert werden und die Frau eine angesehenere Position in der Gesellschaft einnehmen.640 Um das Verbot der politischen Aktivität zu umgehen, befasste sich der Verein offiziell mit der Frauenbildung und der weiblichen Stellung in der Gesellschaft.641

Die Gründung des ‚Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins‘ zog zahlreiche bekannte Frauen wie etwa Rosa Mayreder, die sogar Gründungsmitglied war, an. Zusammen mit Marianne Hainisch642 gründete sie 1893 die ‚Kunstschule für Frauen und Mädchen‘. Diese Vereinsgründung diente dazu, den kunstbegeisterten Mädchen bessere Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Hainisch veranlasste 1902 außerdem, dass sich 13 bürgerlich-liberal ausgerichtete Frauenvereine zu einem Dachverband, dem ‚Bund Österreichischer Frauenvereine‘, zusammenschlossen. Zwei Jahre später bewirkte Hainisch zusätzlich eine Vereinigung mit dem ‚International Council of Women‘.643

Mayreder, Fickert und Marie Lang644 veröffentlichten ab 1899 die österreichische Zeitschrift ‚Dokumente der Frauen‘, um ein breiteres Publikum mit ihren Inhalten zu erreichen. In der Zeitschrift thematisierten sie die Bedingungen, unter denen Frauen arbeiten und leben mussten. Die drei Herausgeberinnen waren der Meinung, dass die Umgestaltung der Gesellschaft durch die Teilnahme der Frauen am öffentlichen Leben vorangetrieben werden könnte.645

Die sozialdemokratischen Vereine hingegen schlossen sich nicht dem ‚Bund Österreichischer Frauenvereine‘ an. Ein Grund dafür war, dass die Methoden als nicht zielführend empfunden wurden, und die sozialdemokratischen Vereine beispielsweise Streiks durchführen wollten, um ihre politischen Forderungen zu erreichen.646 Zudem äußerte Adelheit Popp647 am 9. Dezember 1893, dass die SozialdemokratInnen „ihre Emanzipation nicht ‚gegen die Männer‘, sondern ‚mit den

639 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 149. 640 Friedrich, Zur Tätigkeit und Bedeutung bürgerlicher Frauenvereine, S. 158. 641 Weiss, Die Österreicherin, S. 300. 642 Marianne Hainisch (* 25. März 1839 Baden in Niederösterreich; † 5. Mai 1936 Wien) 643 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 149. 644 Marie Lang (* 8. März 1858 in Wien; † 14. Oktober 1934 in Altmünster) 645 Weiss, Die Österreicherin, S. 300 – 301. 646 Ebd., S. 302. 647 Adelheid Popp (* 11. Februar 1869 in Wien; † 7. März 1939 in Wien)

Seite 131 Männern‘ durchführen.“648 Schon im Jahr 1890 wurde der ‚Arbeiterinnen- Bildungsverein‘ gegründet und Adelheit Popp brachte 1892 die ‚Arbeiterinnen- Zeitung‘ heraus, die Arbeiterinnen und deren Emanzipationsversuche thematisierte.649 Um bessere Arbeitsumstände und kürze Arbeitszeiten für Frauen zu erreichen, demonstrierten und streikten am 3. Mai 1893 zirka 500 Arbeiterinnen. Diese Frauen hatten eine andere Ideologie, denn sie waren der Meinung, dass eine Gleichheit zwischen Mann und Frau erst nach der Überwindung des Klassenkampfes realisiert werden könnte.650

Am 1. Oktober 1893 wurde auf der ersten Frauenversammlung der Sozialdemokratinnen, der zirka 1.000 Frauen und Männer beiwohnten, das „aktive und passive, allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für alle Vertretungskörper, für alle Staatbürger ohne Unterschied des Geschlechtes“ gefordert.651 Mehrere Versuche, das Frauenwahlrecht durchzusetzen, scheiterten, da selbst die Anhängerinnen der Arbeiterinnenbewegung der Auffassung waren, dass vorerst die Forderung des allgemeinen Männerwahlrechtes durchgesetzt werden müsse.652 Am 26. Jänner 1907 erwirkten die Männer das allgemeine Wahlrecht für sich. Durch das Erreichen dieses Meilensteins konnte endlich der Fokus auf das Wahlrecht für Frauen gelegt werden.653 Am 21. Oktober 1918 schloss sich eine beträchtliche Menge an Frauenvereinen, darunter „der ‚Allgemeine Österreichische Frauenverein‘ der ‚Bund Österreichischer Frauenvereine‘, die ‚Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs‘, das ‚Österreichische Frauenstimmrechtskomitee‘, der ‚Verein der Lehrerinnen und Erzieherinnen‘, die ‚Vereinigung der arbeitenden Frauen‘ sowie die ‚Sozialdemokratische Frauenrechtsorganisation‘“654 zusammen, um eine gesetzliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erwirken. Dieses Vorgehen war erfolgreich, denn wenige Tage später wurde am 30. Oktober das Verbot der Versammlungs- und Vereinsgründung durch Frauen aufgelöst. Am 12. November 1918 wurde beschlossen, dass sowohl Männer als auch Frauen wahlberechtigt sind. Das aktive Wahlrecht für Frauen wurde in der Wahlrechtsordnung vom 18. Dezember

648 Bader-Zaar, Frauenbewegung und Frauenwahlrecht, S. 1015. 649 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 150. 650 Weiss, Die Österreicherin, S. 302 – 303. 651 Bader-Zaar, Frauenbewegung und Frauenwahlrecht, S. 1014. 652 Ebd. 653 Weiss, Die Österreicherin, S. 303. 654 Ebd., S. 303 – 304.

Seite 132 1918 festgehalten. Durch den Erhalt des Wahlrechts wurde den Frauen nach langem Kampf der Weg zur politischen Gleichstellung geebnet.655

4.4. Bildung als Grundvoraussetzung für den sozialen Aufstieg „Die Erziehung des Weibes muß eine andere werden. Der Unterricht darf nicht da enden, wo die eigentliche Denkfähigkeit erst beginnt.“656 Ein besonders wichtiger Aspekt, der sich für die Weiterentwicklung der Stellung von Frauen in der Gesellschaft als essentiell erwies, war die Mädchenbildung. Rosa Mayreder und Irma von Troll-Borostyáni657 kritisierten, dass bürgerliche junge Mädchen zur Unselbstständigkeit erzogen würden und nicht die Möglichkeit hätten, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten auszubilden. Die beiden Frauen bemängelten zudem, dass die Mädchen realitätsfremd erzogen und lediglich auf ihre Rolle als verheiratete Frauen vorbereitet werden würden. Mayreder und Troll-Borostyáni stellten aber auch fest, dass sogar die Ausbildung zu einer geeigneten Ehefrau mangelhaft war. Der Fall einer Nichtverheiratung wurde trotz der hohen Wahrscheinlichkeit, keinen geeigneten Ehepartner zu finden, nicht in Betracht gezogen.658

„Selbsthilfe zur Beseitigung von Mißständen und Defiziten [war] der Motor der Organisierung“659, als sich in den 1860er-Jahren Frauen vereinten. Mit der Selbsthilfe allein war es allerdings nicht getan, denn der Staat musste ein Verständnis für die Problematik erhalten, um die Situation der Frau durch Bildungseinrichtungen und Schaffung von adäquaten Arbeitsplätzen zu verbessern. Die Forderungen an den Staat waren klar: Es sollten Mädchenschulen installiert und finanziert werden, die den gleichen Stellenwert wie die Schulen für Jungen hatten.660

Die schlechten sozialen Verhältnisse, die speziell durch die Kriege von 1859 und 1866 und den Börsenkrach 1873 entstanden waren, ließen der Gesellschaft keine

655 Weiss, Die Österreicherin, S. 304. 656 Louise Dittmar, Das Wesen der Ehe. Einige Aufsätze über die soziale Reform der Frauen, Leipzig 1849, S. 20. 657 Irma von Troll-Borostyáni (* 31. März 1847 in Salzburg; † 10. Februar 1912 ebenda) 658 Margret Friedrich, „Dornröschen schlafe hundert Jahr…“. Zur Geschichte der Mädchenbildung in Österreich im 19.Jahrhundert, in: Margret Friedrich/Peter Urbanitsch (Hrsg.), Von Bürgern und ihren Frauen (Bürgertum in der Habsburger Monarchie 5), Wien – Köln – Weimar 1996, S. 181 – 195, hier S. 182 – 183. 659 Flich, Bildungsbestrebungen und Frauenbewegungen, S. 949. 660 Ebd.

Seite 133 Wahl mehr. Ein Umdenken musste passieren und die Frauen – hauptsächlich aus dem Bürgertum – mussten entsprechend ausgebildet werden.661

Als einschneidendes Ereignis hinsichtlich der Bildungsverhältnisse gilt das Reichsvolksschulgesetz von 1869. „Es war gekennzeichnet von liberaler Bildungsgläubigkeit und -freudigkeit, von Veränderung des kirchlichen Einflusses. Die staatliche Aufsicht über die Schulen wurde wiederhergestellt.“662

Da frauengerechte Berufe geschaffen werden mussten, und sich die Tätigkeit als Lehrerin dafür sehr gut eignete, wurde im Zuge der gesetzlichen Neuordnung 1869 die erste staatlich organisierte Bildungseinrichtung für Lehrerinnen ins Leben gerufen. Allerdings blieb ihnen die Chance auf einen Hochschulabschluss an einer Universität weiterhin verwehrt.663 Berufe zu finden, die in der Gesellschaft toleriert wurden, stellte sich als enorme Herausforderung heraus.664 Die Tätigkeit als Lehrerin war in der Öffentlichkeit beispielsweise weitaus anerkannter, als der Beruf der Erzieherin oder der Gouvernante.665 Marianne Hainisch setzte sich dafür ein, dass die Ausbildung für Mädchen derjenigen der Jungen angeglichen werden würde.666 Sie begründete 1888 den ‚Verein für erweiterte Frauenbildung‘ mit, der sich für die Schaffung von Mädchengymnasien einsetzte und Frauen den Zugang zu einem Hochschulstudium ermöglichen wollte.667 1892 wurde die erste gymnasiale Mädchenschule eröffnet. Es folgten weitere Einrichtungen für weiblichen Bildungszugang und auch der Hochschulzugang für Frauen sollte gewährleistet werden. An der Teilnahme dieser meist privaten Einrichtungen wurden jedoch viele Mädchen durch die geringe Verbreitung und durch die hohen Kosten gehindert.668

Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde den Frauen der Zugang zur Universität ermöglicht und sie konnten ab 1897 regulär, an der Philosophischen Fakultät

661 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 152. 662 Gunda Barth-Scalmani, Geschlecht: weiblich, Stand: ledig, Beruf: Lehrerin. Grundzüge der Profes- sionalisierung des weiblichen Lehrberufes im Primarschulbereich in Österreich bis zum Ersten Welt- krieg, in: Brigitte Mazohl-Wallnig (Hrsg.), Bürgerliche Frauenkultur im 19. Jahrhundert (L‘Homme Schriften. Reihe zur feministischen Geschichtswissenschaft 2), Wien – Köln – Weimar 1995, S. 343 – 401, S. 365. 663 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 153. 664 Barth-Scalmani, Geschlecht: weiblich, Stand: ledig, Beruf: Lehrerin, S. 344. 665 Ebd., S. 396. 666 Margret Friedrich, Hatte Vater Staat nur Stieftöchter? Die Maßnahmen des österreichischen Unter- richtsministeriums zur Mädchenbildung 1848 – 1919, in: Brigitte Mazohl-Wallnig (Hrsg.), Bürgerliche Frauenkultur im 19. Jahrhundert (L‘Homme Schriften. Reihe zur feministischen Geschichtswissen- schaft 2), Wien – Köln – Weimar 1995, S. 301 – 342, hier S. 317. 667 Friedrich, Zur Tätigkeit und Bedeutung bürgerlicher Frauenvereine, S. 150. 668 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 153.

Seite 134 studieren. Drei Jahre später wurde die Medizinische Fakultät für sie geöffnet. Es dauerte bis 1919, dass sich die Frauen für ein rechtswissenschaftliches Studium als ordentliche Hörerin inskribieren konnten.669 Noch länger mussten die Frauen auf eine Zulassung zu den theologischen Studien warten. Erst 1922 durften Frauen an der Evangelisch-Theologischen Fakultät studieren und es dauerte sogar bis 1945, dass sie an der Katholisch-Theologischen Fakultät aufgenommen wurden.670

„Was als Bildungs- und Ausbildungsbewegung begonnen hatte, entwickelte sich zu einer Bewegung, die alle Lebensbereiche des weiblichen Geschlechts umspannte und die die Frau als mit allen Rechten ausgestatte Bürgerin dem Mann gleichwertig an die Seite stellen wollte.“671 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich das bürgerliche Frauenbild im Laufe des 19. Jahrhunderts kaum änderte. Für bürgerliche Frauen mussten standesgemäße Berufe geschaffen werden, die in die damalige Gesellschaft passten. Voraussetzung war eine fundierte Ausbildung, damit Frauen überhaupt einer passenden Tätigkeit nachgehen konnten. Frauen wurden etwa als Lehrerinnen, Krankenschwestern und Privatbeamtinnen ausgebildet. Die Frauenerwerbstätigkeit durfte außerdem nicht mit der männlichen Berufstätigkeit konkurrieren. Die Männer sahen sich in ihrer Vormachtstellung angegriffen, was zu Protesten führte. In der Phase der Entstehung der Frauenbewegung hätte Kaiserin Elisabeth als ‚Landesmutter‘ durchaus die Möglichkeit gehabt, unterstützend einzugreifen. In der liberalen Ära von 1866 bis 1873 und ab Ende der 1880er-Jahre vollzog sich ein gewaltiger Aufbruch, an dem Kaiserin Elisabeth allerdings keinen Anteil hatte. Trotz der fehlenden Unterstützung seitens des Kaiserhauses konnten die weiblichen Lebensumstände gegen Ende des 19. Jahrhunderts verbessert werden. Die Frauen konnten allmählich eigenständig ihre soziale Situation neu strukturieren und sich dadurch gleichzeitig zunehmend emanzipieren.

Die Charakteristika der bürgerlichen Frauenbewegung zu Elisabeths Lebzeiten sollten Frauen durch verbesserte Bildungssituationen eine standesgemäße, qualifizierte Erwerbstätigkeit ermöglichen. Es fand generell eine Stärkung der sozialen Situation statt. Besonders durch die weibliche Fürsorge in Kriegszeiten, konnte diese weiter erfolgreiche Fortschritte erzielen. Die bürgerliche Frauenbewegung setzte sich dafür ein, dass Frauen gleichwertige Staatsbürgerinnen

669 Gabriella Hauch, Frauen bewegen Politik. Österreich 1848 – 1938 (Studien zur Frauen- und Ge- schlechterforschung 10), Innsbruck 2009, S. 13. 670 Buchmann, Kaisertum und Doppelmonarchie, S. 153. 671 Flich, Bildungsbestrebungen und Frauenbewegungen, S. 959.

Seite 135 werden konnten. Dieses Ziel sollte durch die Absolvierung der Matura und die Möglichkeit, sich für ein Studium inskribieren zu können, realisiert werden. Frauen wurden zu eigenständigen Vertreterinnen ihrer Interessen. Durch die Konstituierung berufsspezifischer Vereine – wie etwa für Lehrerinnen – konnten die Bestrebungen der Frauen besser um- und durchgesetzt werden.

Seite 136 5. Ein Vergleich: Elisabeth von Österreich-Ungarn und Victoria von Preußen

Kaiserin Elisabeth von Österreich und Kronprinzessin/Kaiserin Victoria von Preußen weisen zahlreiche Unterschiede, aber auch Parallelen bezüglich Charakter, Verhalten, Handeln und ihrer Dilemmata auf.

5.1. Herkunft und standesgemäße Erziehung

Für ein besseres Verständnis ist es unumgänglich, die Herkunft und das Elternhaus der beiden Frauen zu analysieren und anschließend miteinander zu vergleichen. Kaiserin Elisabeth stammte aus einer Nebenlinie der Wittelsbacher. Ihr Vater war Herzog in Bayern, die Mutter war die Tochter des bayrischen Königs Maximilian I. Die Ehe der Eltern, Max und Ludovika, galt als nicht besonders glücklich. In Bezug auf die Kindererziehung war sich das Paar allerdings einig, denn ihr Nachwuchs sollte ungezwungen und fernab der höfischen Gesellschaft aufwachsen, um sich frei entfalten zu können. Der Herzog lehnte die höfische Gesellschaft ab und befasste sich mit adelsfernen Tätigkeiten. Elisabeth durfte sich in der Natur bewegen, beschäftigte sich mit Tieren und konnte ihre Kindheit genießen. Das Hofprotokoll war ihr fremd und es wurde auch kein Wert darauf gelegt, dass sich die junge Elisabeth mit einer standesgemäßen Erziehung auseinandersetzte.

Victorias Elternhaus steht im krassen Gegensatz zu dem von Elisabeth, denn ihre Mutter, Queen Victoria, war Herrscherin über Großbritannien und Irland. Der Vater, Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, war ein sehr gebildeter Mann, hatte großen Einfluss auf seine Frau, was auch auf ihr gutes Verhältnis zueinander zurückzuführen war. Victoria erhielt bereits als Kind eine standesgemäße Ausbildung, wobei ihre Eltern auch darauf achteten, dass sie und ihre Geschwister sich im Freien beschäftigen konnten. Victorias Eltern übertrugen ihre liberale Gesinnung eindeutig auf ihre Tochter.

Es kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die beiden Frauen unterschiedlich auf ihr späteres Leben und die standesgemäße Verheiratung vorbereitet wurden. Die jeweiligen Elternhäuser trugen stark zur Prägung von Elisabeth und Victoria bei. Elisabeths Streben nach Freiheit und Victorias liberale Einstellung wurden somit bereits in der Kindheit geweckt.

Seite 137 5.2. Die Situation am neuen Hof

Auch bei einem Vergleich des Verhältnisses der beiden Frauen gegenüber ihren Ehemännern lassen sich zu Beginn der Eheschließungen einige Parallelen finden. Victoria und Friedrich verstanden sich auf Anhieb sehr gut und führten eine glückliche Beziehung, wie es Victoria bereits von ihren Eltern kannte. Die Beziehung von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth gestaltete sich als problematischer. Nach kurzem Bemühen nahmen Elisabeths Gefühle für ihren Mann aufgrund zahlreicher Faktoren ab, die Kaiserin zog sich emotional von ihm zurück. Das Verhältnis des Kaiserpaares ist allerdings im Nachhinein sehr schwer nachvollziehbar. Als Gemeinsamkeit kann festgehalten werden, dass beiden Frauen unterstellt wurde, sie würden ihre Männer beeinflussen, und obwohl das bis zu einem gewissen Grad auch stimmt, unterschieden sich ihre Motive deutlich voneinander.

Die Beziehung der beiden Paare zeichnet sich durch den Unterschied aus, dass sich Victoria und Friedrich stärker verbunden waren, als Elisabeth und Franz Joseph und Victoria ihre Aufgaben als Kronprinzessin/Kaiserin pflichtbewusst und repräsentativen Tätigkeiten sorgsam durchführte. Victoria unterstützte ihren Mann, wo sie nur konnte und stand ihm als treue Ratgeberin zur Seite. Elisabeth stärkte ihrem Mann hingegen nur dann den Rücken, wenn sie spezielle Vorstellungen durchsetzen wollte, oder ausgefallene Wünsche äußerte.

Victoria wie Elisabeth redeten in der Heiratspolitik mit. Victoria setzte sich beispielweise für die Heirat ihrer Tochter Victoria mit Prinz Alexander von Battenberg ein, wobei ihr Mann in dieser Entscheidung das letzte Wort behielt und die Hochzeit schlussendlich nicht stattfand. Ein ähnliches Vorhaben mit anderem Ausgang geschah in Österreich. Elisabeth unterstützte den Heiratswunsch ihrer Tochter Marie Valerie mit Erzherzog Franz Salvator, und konnte sich trotz der Widersprüche ihres Mannes gegen ihn durchsetzen. Ihrer Rolle als Ehefrau, Mutter und Kronprinzessin/Kaiserin wurde Victoria insgesamt deutlicher gerecht als Elisabeth.

Beide Frauen erlebten in ihren Familien tragische Verluste. Kaiserin Elisabeth verlor in frühen Jahren ihr Kind Sophie und später noch ihren Sohn Rudolf. Der Tod der Kinder verschlechterte Elisabeths bereits labilen psychischen Zustand und sie lebte fortan noch einsamer und zurückgezogener. Auch Victoria war mit großen Schicksalsschlägen konfrontiert, da sie zum einen früh ihren Vater verlor, und zum anderen auch ihr geliebter Mann Friedrich nach langer Krankheit verstarb, als sie

Seite 138 endlich die Kaiserwürde erlangt hatte. Durch den Tod des Mannes wurde Victoria politisch isoliert und konnte sich nicht mehr in dem Ausmaß engagieren, wie sie es gerne getan hätte. Sie verließ Berlin und zog sich zurück, verfolgte aber weiterhin ihre Interessen und engagierte sich für gesellschaftliche und künstlerische Belange.

Wenn die Machtpositionen der beiden Frauen miteinander verglichen werden, können zahlreiche Unterschiede nachgewiesen werden. Elisabeth wurde durch ihre Heirat zur Kaiserin eines Großreiches und blieb zeitlebens auch in dieser Position. Victoria musste hingegen jahrelang als Kronprinzessin auf die Thronbesteigung warten und war anschließend aufgrund der Krankheit und des baldigen Todes ihres Mannes lediglich für 99 Tage Kaiserin. Für beide Frauen war die Position, in der sie sich befanden, zwar ungewünscht und unbefriedigend, doch sie mochten ihre Ränge aufgrund unterschiedlicher Gründe nicht. Elisabeth fühlte sich in ihrer Rolle als Kaiserin nicht wohl, hasste die damit verbunden Verpflichtungen und entzog sich ihnen sukzessive. Diese Kombination endete schlussendlich in einem Desaster. Im Gegensatz dazu steht Victoria, die sich in ihrer Position nicht wohl fühlte, weil sie Kaiserin werden wollte, um politisch besser agieren zu können und mehr Einfluss beziehungsweise Entscheidungsgewalt zu erhalten. Somit kann festgehalten werden, dass Elisabeth einerseits die Macht besaß, sie jedoch nicht wollte und Victoria andererseits stetig danach strebte, Kaiserin zu werden, doch zu ihrer Enttäuschung keine größere Machstellung auf lange Dauer erhielt.

Sowohl am Hof in Wien als auch in Berlin wurden die beiden Frauen mit einer Fülle an Problemen konfrontiert. In Wien machten Elisabeth das strenge Hofprotokoll, die rigide Schwiegermutter und der ungewohnte Druck durch die Repräsentationsgeschäfte schwer zu schaffen. Victoria hingegen hatte aufgrund ihrer britischen Wurzeln in Preußen immer wieder mit Anfeindungen zu kämpfen, wurde für ihr Vorgehen kritisiert und beschuldigt, antipreußisch zu agieren. Ihr größter Gegner war Otto von Bismarck, mit dem sie zahlreiche Machtkämpfe und Meinungsverschiedenheiten ausfechten musste. Beide Frauen hatten also ihre ‚Gegenspieler‘ am Hof und wurden für ihre Ansichten wiederholt kritisiert. Dadurch konnten sich weder Victoria noch Elisabeth wirklich in ihrer neuen Heimat integrieren.

Aufgrund der unterschiedlichen Erziehung fanden die österreichische Kaiserin und die preußische Kornprinzessin/Kaiserin bei ihrer jeweiligen Ankunft auch unterschiedliche Voraussetzungen an den Höfen vor. Elisabeth war das Leben am

Seite 139 Hof fremd, was zu zahlreichen Problemen führte. Der Freiheitsdrang entwickelte sich bei ihr bereits als Kind in Possenhofen und wurde durch ihr Elternhaus gefördert. Victoria hingegen wusste über die Sitten am Hof Bescheid, war jedoch unzufrieden, dass sie nicht politisch aktiv sein konnte, und dieselbe Macht besaß wie ihre Mutter. Die Positionen der Kronprinzessin und der Kaisergattin können zwar nicht auf die gleiche Stufe gestellt werden, doch es muss festgehalten werden, dass Victoria nach mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Einflussnahme in der preußischen Politik strebte.

Deutliche Unterschiede können bei näherer Betrachtung des Charakters der beiden Frauen entdeckt werden. Elisabeth kam als sehr junges Mädchen an den Wiener Hof, war schüchtern und ließ sich leicht unterdrücken. Durch ihre Introversion fühlte sich Elisabeth auch als Kaiserin bei großen Veranstaltungen nicht wohl und verhielt sich zurückhaltend. Victoria war als 17-jährige bei ihrer Ankunft in Preußen zwar ebenfalls jung, doch sie entpuppte sich als gefestigter und reifer als Elisabeth. Sie war die Teilnahme an großen Feierlichkeiten gewohnt. Victoria wurde von ihren Eltern zu einer selbstbewussten Frau erzogen, die jedoch für ihre direkte, offene Art und ihre politische Haltung viel Kritik erntete, da eine selbstsichere und politisch interessierte Frau in der damaligen preußischen Hof-Gesellschaft nicht erwünscht war.

Elisabeths Alltag wurde von Erzherzogin Sophie, die ihre 17-jährige Schwiegertochter und Nichte zu einer angemessenen Kaiserin erziehen wollte, bestimmt. Elisabeth empfand großes Unwohlsein und versuchte wiederholt, ihren lästigen Verpflichtungen zu entgehen. Die Kaiserin musste aufgrund des geschäftigen Tages ihres Mannes, den Großteil ihrer Zeit mit ihrer Schwiegermutter verbringen. Im Laufe der Zeit entstanden immer mehr Reibereien, die in regelrechten Machtkämpfen endeten. Erst viel später lernte Elisabeth, dass sie sich gegen ihre Schwiegermutter einfacher durchsetzen konnte, wenn sie ihren Mann beeinflusste.

In Preußen gestaltete sich die Lage anders. Victoria und ihre Schwiegermutter waren sich gar nicht so unähnlich, denn beide Frauen setzten sich – wenngleich wenig erfolgreich – politisch ein und wollten ihr liberales Gedankengut verbreiten und so den preußischen Staat modernisieren. Trotz ihrer gemeinsamen Haltungen, traten die beiden stets nur als Einzelpersonen auf. Auch zwischen der Schwiegermutter Kaiserin Augusta und der Kronprinzessin Victoria kam es zu zahlreichen Konflikten,

Seite 140 deren Ausmaß jedoch bei weitem nicht jenes am österreichischen Hof annahm. An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass die Positionen von Elisabeth beziehungsweise Sophie und Victoria beziehungsweise Augusta an den Höfen gegenteilig waren: Am Wiener Hof war Elisabeth die Kaiserin, während ihre Schwiegermutter eine Erzherzogin war. Am preußischen Hof war Victorias Schwiegermutter Königin und Kaiserin, während sie selbst den Großteil ihres Lebens Kronprinzessin war.

5.3. Maßnahmen zur politischen Einflussnahme

Kaiserin Elisabeths politische Tätigkeiten können nur sehr selten nachgewiesen werden. Ihr wohl größter politischer Erfolg bestand in ihrem Engagement in der Angelegenheit rund um den Ausgleich mit Ungarn. Sie wurde durch mehrere Personen über die Probleme in dem Land unterrichtet. Durch ihre Ungarnbesuche entwickelte sich eine Liebe und Verbindung zu Land und Bevölkerung. Elisabeth wollte sich folglich für Ungarn stark machen und mischte sich intensiv in die politischen Angelegenheiten des Kaisers ein, da ihr diese Thematik wirklich am Herzen zu liegen schien. Ständiger Nachdruck führte schlussendlich zum Erfolg. Doch nicht nur in Ungarn war die Kaiserin politisch aktiv. Elisabeth förderte auf Bitte eines Pastors eine protestantische Gemeinde, die durch das Konkordat von 1855 benachteiligt wurde. Durch ihre Spende positionierte sich die Kaiserin als Gegnerin des Konkordats. Auch während der Schlacht von Solferino 1859 zeigte Elisabeth Präsenz, als sie den Kaiser für die Dauer seiner Abwesenheit in der Wiener Öffentlichkeit vertrat. Abgesehen von diesen Situationen kann jedoch kein nennenswerter politischer Einfluss der Kaiserin Elisabeth festgestellt werden. Angemerkt muss jedoch werden, dass Elisabeth die Monarchie als überholt empfand und die Zustände immer wieder kritisierte. Schlussendlich unternahm die Kaiserin aber auch nichts, was ein Umdenken oder eine Veränderung auslösen hätte können.

Im Gegensatz zu Elisabeth interessierte sich Victoria für die politische Lage Preußens und wurde stetig von ihrem Mann über neue politische Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten. Sie galt als Friedrichs wichtigste Beraterin. Die Kronprinzessin verkehrte in liberalen Kreisen und machte kein Geheimnis aus ihrer politischen Orientierung. Das Kronprinzenpaar war liberal gesinnt und offen für Erneuerungen. Somit verwundert es auch nicht weiter, dass Bismarck die Rolle des Gegenspielers einnahm. Als ihr Mann zum Kaiser von Preußen gekrönt wurde,

Seite 141 musste Victoria aufgrund seiner Krankheit zahlreiche Entscheidungen an seiner Stelle treffen, konnte im Endeffekt allerdings nicht jenen Einfluss auf das Land haben, wie sie es wohl gerne getan hätte.

Kaiserin Elisabeth hätte die Möglichkeit gehabt, sich politisch stark zu machen und ihre Position zu nutzen. Allerdings hatte sie kein Interesse daran, in ihrem Land etwas zu verändern. Victoria war gewillt, in Preußen die politischen Strukturen zu verändern und kämpfte für mehr Macht, die ihr allerdings – bis auf kurze Zeit – verwehrt blieb. Somit stehen der Einsatz und die Repräsentationstätigkeiten der beiden Frauen im krassen Gegensatz miteinander.

Die höfische Exklusivität und das Hofprotokoll betreffend kann festgestellt werden, dass sich weder Victoria noch Elisabeth vollständig an die Regeln hielten. Victoria verkehrte mit bekannten WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und Damen aus den Frauenbewegungen, die keine adeligen Wurzeln vorweisen konnten. Derartiger Umgang wurden in Preußen nicht gerne gesehen, doch Victoria ignorierte die andauernde Kritik. Elisabeth war es seit ihrer Kindheit gewöhnt, Menschen nicht nach ihrem Rang zu beurteilen, und diese Tatsache änderte sich auch mit der Ankunft am Wiener Hof nicht.

Unterschiede sind jedoch bei der ‚Amtsausführung‘ der beiden Frauen augenscheinlich. Victoria erfüllte ihre repräsentativen Pflichten und stand ihrem Mann als liebevolle Ehefrau und treue Ratgeberin zur Seite. Elisabeth kam diesen Verpflichtungen nur dürftig nach. Bereits kurz nach ihrer Heirat war Elisabeth nur noch selten auf öffentlichen Veranstaltungen anzutreffen, da sie sich meist aufgrund ihrer Krankheit und Reiselust im Ausland aufhielt.

5.4. Das Verhältnis zur zeitgenössischen Frauenbewegung

Einer der eklatantesten Unterschiede zwischen den beiden Herrscherinnen lässt sich in ihrem Engagement für die Situation der Menschen, insbesondere der Frauen finden. Victoria setzte sich für eine Verbesserung der weiblichen Ausbildungsmöglichkeiten ein und sorgte zudem dafür, dass das Gesundheitswesen reformiert und Ausbildungsplätze geschaffen wurden, damit dadurch eine Verbesserung der Lebensumstände für Frauen erzielt werden konnte. Victorias Einsatz führte dazu, dass die Frauenerwerbstätigkeit durch die Errichtung von Schulen verbessert werden konnte. Sie diskutierte mit bekannten Frauenaktivistinnen

Seite 142 der damaligen Zeit und positionierte sich und ihre Einstellung klar. Die Kaiserin wollte die Stellung der Frau verbessern und ihren Einflussbereich stärken. Victoria übernahm das Protektorat für diverse Vereine, wie etwa für den ‚Verein für Volkserziehung’ oder für das ‚Pestalozzi-Fröbel-Haus‘. Sie war außerdem Mitglied in Vereinen wie dem ‚Letteverein‘. Diese Vereine und Einrichtungen wurden finanziell tatkräftig von der Kronprinzessin gefördert und durch ihre Präsenz und ihre Ideen bereichert. Häufig organisierte sie Veranstaltungen, bei denen Spenden für soziale Einrichtungen gesammelt wurden. Victoria engagierte sich für wohltätige Zwecke und ihr Einsatz ging weit über ihr Aufgabengebiet als Kronprinzessin hinaus. Diese Tatsache unterstreicht ihr großes soziales Engagement.

Elisabeths Einsatz für das Allgemeinwohl, aber auch für eine bessere Stellung der Frau, war begrenzt. Sie lehnte öffentliche Besuche in wohltätigen Einrichtungen ab und besuchte bevorzugt ausgewählte Privatpersonen. Wenngleich der österreichischen Kaiserin die Armut in ihrem Land missfiel, rief ihr mangelnder Einsatz keine Veränderung hervor. Demnach kann auch nicht behauptet werden, dass Elisabeth Verbesserungen für die Situation der Frauen aus eigenem Antrieb initiierte. Elisabeth war zwar für ihre Großzügigkeit bekannt, doch ihr Engagement im sozialen Bereich lässt sich nicht einmal ansatzweise mit dem Victorias vergleichen. Diese Tatsache wird schon durch die unterschiedlichen Charakterzüge beider Frauen augenscheinlich. Im Gegensatz zur starken Persönlichkeit Victorias erschien Elisabeth instabil, launisch und egozentrisch.

5.5. Die eigene Lebensgestaltung

Auch in Bezug auf die Vorlieben von Victoria und Elisabeth können einige Divergenzen aufgezeigt werden. Die österreichische Kaiserin beschäftigte sich mit sportlichen Aktivitäten wie dem Reiten, dem Turnen und dem Wandern. Der Fanatismus für den Sport kann mit ihrem Schönheitswahn in Verbindung gesetzt werden, denn Elisabeth achtete stets auf ihre Erscheinung.

Victoria stellte derartige Schönheitsprozeduren nicht in den Mittelpunkt ihres Tagesablaufes. In Anbetracht der extremen Ausmaße von Elisabeths Schönheitswahn darf diese Tatsache allerdings auch nicht weiter verwundern. Die Kronprinzessin war auch nicht derart sportbegeistert. Victorias Fokus konzentrierte sich auf die Erfüllung ihrer Pflichten, auf soziales Engagement und ihre Leidenschaft für die Kunst. Sie liebte die Malerei und trat auch als Sammlerin auf. Die preußische

Seite 143 Kaiserin unterstützte KünstlerInnen mäzenatisch und setzte sich für den Bau von Ausbildungsstätten und Vereinen ein.

Beide Kaiserinnen galten als kluge Frauen. Elisabeth interessierte sich für Geschichte, Literatur und Griechenland. Derartiges Wissen wurde jedoch am Wiener Hof nicht gewürdigt und Elisabeth konnte keine Veränderungen erwirken, wobei die Frage offen bleibt, ob sie eine Umgestaltung jemals versucht hatte. Victoria galt bereits in ihrer Kindheit als sehr wissbegierig und zeichnete sich durch ihren Eifer aus. Sie konnte ihrem Mann durch ihr Wissen eine gute Gefährtin sein und bei politischen Problemstellungen Hilfe anbieten.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass beide Frauen in ihrem Leben nicht die vollkommene, persönliche Erfüllung erfuhren. Elisabeth versuchte sich auf ihren Reisen, durch den Sport und ihren Schönheitskult zu verwirklichen, wohingegen Victoria die Befriedigung durch ihre mäzenatische Tätigkeit im Kunstbereich und den Einsatz für die Wohlfahrt suchte. Kaiserin Friedrich fand sich nach dem Tod ihres Mannes mit ihrer Stellung ab, versuchte sich zu fügen und widmete sich ihren Vorlieben. Elisabeth war zeitlebens auf der Suche nach ihrer Identität und konnte sich nicht mit ihrer Rolle als Kaiserin abfinden. Sie lernte, wie es ihr möglich war, sich Freiräume zu schaffen, um dem strengen Hofleben zu entfliehen. Elisabeth konnte ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten und ihrem Vergnügen nachgehen. Dass sich eine Frau gegen ihren Mann derart durchsetzen konnte, war im 19. Jahrhundert eine Seltenheit. Vergleicht man die erkämpften Freiräume der österreichischen Kaiserin Elisabeth mit denen der preußischen Kronprinzessin Victoria, so lassen sich einerseits Unterschiede andererseits aber auch Gemeinsamkeiten finden. Die Frauen hatten unterschiedliche Prioritäten: Elisabeth war ihr eigenes Wohl wichtiger, und Victoria kümmerte sich um eine Verbesserung der sozialen und politischen Situation im Land und die Stellung der Frau.

Seite 144 6. Schlussbetrachtungen

Es lässt sich zusammenfassend sagen, dass im 19. Jahrhundert ein Aufschwung hinsichtlich der Frauenbewegung stattfand. Eine Veränderung passierte nicht nur innerhalb des Volkes, sondern auch auf der Ebene des Hochadels und wie in diesem Fall, sogar bei den Kaiserinnen Elisabeth und Victoria. Dass sich Frauen mehr Selbstbestimmung, Macht und Einfluss wünschten, zeigen die Beispiele der beiden Frauen. Elisabeth widersetzte sich dem höfischen Leben und ihren Aufgaben, um mehr Freiräume zu erhalten. Dies schaffte sie zu Beginn durch ihre ‚Kränkeleien‘, und im späteren Verlauf durch ihr dazugewonnenes Selbstbewusstsein. Elisabeth setzte sich durch und konnte schlussendlich ein Leben nach ihren Wünschen führen. Ob dies am Ende die Erfüllung war, bleibt dahingestellt.

Victoria war in ihrer Rolle der politisch machtlosen Kronprinzessin unglücklich und versuchte sich, andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Sie legte den Schwerpunkt auf die Wohltätigkeit, die Emanzipationsentwicklung der Frauen und die Kunst. Schlussendlich schaffte auch sie es, sich Freiräume zu schaffen.

So unterschiedlich die beiden Frauen in ihren Tätigkeiten und ihrem sozialen Engagement waren, so ähnlich war ihre ungenügende Situation, was die Erfüllung an den jeweiligen Höfen anbelangte. Überraschend ist, dass sich nicht nur Unterschiede bei den beiden Frauen finden lassen, sondern auch einige Parallelen.

Das Verhalten der beiden Frauen widerspiegelt die Aufbruchsstimmung, welche im 19. Jahrhundert einsetzte und zeigt, dass Frauen sich mehr wünschten, und ihre Bedürfnisse auch umsetzen konnten. Sie lebten als ‚relatives Wesen‘ an der Seite ihres Mannes. Durch den Einsatz der Frauen in der Bewegung, gelang ihnen eine bessere Stellung in der Gesellschaft und sie erhielten mehr Rechte und Selbstbestimmung. Besonders das Ende des 19. und der Anfang des 20 Jahrhunderts kann als Schnittstelle gesehen werden, wenngleich angemerkt werden muss, dass eine Gleichstellung von Frau und Mann bis heute noch nicht in allen Bereichen selbstverständlich ist.

Seite 145 7. Literaturverzeichnis

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Seite 155 Teil II: Fachdidaktischer Teil der Diplomarbeit

1. Einleitung

Passend zu der Thematik wie sich Frauen in der Geschichte weiterentwickelt und wie sie es geschafft haben, sich Rechte und Freiräume zu schaffen, soll Bezug auf das Geschlecht in der Geschichte genommen werden. Von besonders großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Begriff ‚Intersektionalität‘, welcher in dem Kapitel 2. genauer erläutert wird.

Weiters muss eine Auseinandersetzung mit dem Lehrplan für Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung der Sekundarstufe II erfolgen. Zudem wird auf den Lehrplan der Sekundarstufe I eingegangen. Dabei müssen die historischen Kompetenzen, welche durch Geschichtsunterricht erworben werden sollen, näher beschrieben werden. Anschließend müssen, um einen zielorientierten und sinnstiftenden Unterricht bereitstellen zu können, die für diese Unterrichtsplanungen wichtig erachteten Basiskonzepte dargestellt und kurz beschrieben werden.

Durch eine passende Methodik sollen die Unterrichtsziele umgesetzt und den SchülerInnen ein abwechslungsreicher Unterricht geboten werden. In dem Kapitel ‚Methodische Überlegungen‘ wird auf das Arbeiten mit Text- und Bildquellen Bezug genommen, denn hier soll dargestellt werden, wie derartige Quellen in den Unterricht eingebaut und bearbeitet werden können. Die SchülerInnen sollen an unterschiedliche Quellenarten herangeführt werden und damit arbeiten können.

Die SchülerInnen sollen anhand eines Vergleichs von Gesetzestexten aus 1811 und 2018 herausfinden, welchen Stellenwert Frauen vom 19. Jahrhundert bis heute einnahmen. Besonders wichtig ist in diesem Fall der Gegenwartsbezug.

In einer weiteren Unterrichtsstunde sollen sich die SchülerInnen mit Darstellungen der Revolution 1848 befassen, diese analysieren und auch interpretieren. Auch hier wird wieder das Arbeiten mit Textquellen geschult.

Anhand von Aussagen von Personen, welche sich zur Frauentätigkeit während der Revolutionsjahre äußerten, sollen die SchülerInnen ein tieferes Verständnis der Situation erhalten. Die historischen Kompetenzen der SchülerInnen sollen ebenso wie der quellenkritische Umgang mit Zeugnissen aus der Vergangenheit geschult

Seite 156 werden. Durch passende Aufgabenstellungen und einen abwechslungsreichen Unterricht können diese Ziele umgesetzt werden.

In der dritten Doppelstunde befassen sich die SchülerInnen selbstständig mit vier adeligen Frauen aus unterschiedlichen Zeitepochen. Dadurch sollen die SchülerInnen herausfinden, wie die Lebenssituation für adelige Frauen war/ist, und wie sie sich engagieren konnten/können, um ihre Machtposition zu sichern und für positive gesellschaftliche Veränderungen einzustehen. Zudem soll geklärt werden, wie sich diese Frauen Freiräume geschafft haben. Besonders wichtig ist an dieser Stelle wieder der Gegenwartsbezug.

Nach diesen methodischen Überlegungen folgt jeweils eine Konkretisierung der einzelnen Stunden, die für das Verständnis des Unterrichtsablaufs hilfreich sind. Eine allgemeine Reflexion der Unterrichtseinheiten soll mögliche Schwierigkeiten und Chancen darlegen und Aufschluss darüber geben, warum die Quellen verwendet wurden.

Weiterfolgend werden die Stundenplanungen der drei Doppelstunden mit den passenden Materialien und Quellen angeführt. Abschließend soll ein kurzes Fazit den fachdidaktischen Teil der Diplomarbeit abrunden.

Seite 157 2. Geschlecht in der Geschichte

Im Zuge des fachwissenschaftlichen Teiles der Diplomarbeit wurde näher erläutert, wie sich Frauen im 19. Jahrhundert Freiräume schaffen und ihr Leben eigenständig gestalten konnten. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass im fachdidaktischen Teil vorab erläutert wird, wie das Geschlecht als Kategorie konstruiert wird und didaktisch behandelt werden muss.

Die Geschichte der Frau nimmt in den heutigen Geschichtswissenschaften einen erheblichen Stellenwert ein. Es lassen sich zahlreiche Werke finden, die sich mit diesem Thema befassen und eine „methodische, theoretische und historiographische“ Aufbereitung liefern. Da die Frau als Forschungsobjekt vor 1970 in der Geschichtsliteratur kaum beachtet wurde, ist diese Tatsache ein Zeichen für das zunehmende wissenschaftliche Interesse an der Frau als Individuum.672

Geschlechterkonzepte stehen in enger Verbindung mit der Geschichte. Sowohl die Konstruktion der Geschlechter als auch deren Entwicklung im Laufe der Zeit bedingen einander, weshalb im vergangenen Jahrzehnt vor allem die Thematik ‚Gender‘ erheblich an Bedeutung zunahm.673 Gender umfasst im Bereich der Forschung zwei Bestandteile. Zum einen wird nicht mehr zwischen der Geschichte von Männern und Frauen differenziert, und zum andern soll der Grundgedanke, dass aufgrund der biologischen Gegebenheiten unterschiedliche Betrachtungsweisen notwendig sind, aufgebrochen werden.674

Alina Bothe u.a. halten fest: „Gender ist […] ein offener, diskursiver Begriff, der interdisziplinär entstanden ist und in Differenz zum zeitgleich als Gegensatzbegriff aufgekommenen ‚sex‘, der das sogenannte biologische Geschlecht beschreibt, in weitestem Sinne das sozial konstruierte Geschlecht beschreibt.“675 Es lässt sich zwar keine einheitliche Definition des Terminus ‚Gender‘ finden, jedoch formulierte Simone de Beauvoir 1949 die Aussage: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“676

672 Alina Bothe/Dominik Schuh, Geschlecht in der Geschichte? Zwischen Integration und Separation einer Forschungskategorie, in: Alina Bothe/Dominik Schuh (Hrsg.), Geschichte in der Geschichte. Integriert oder separiert? Gender als historische Forschungskategorie, Bielefeld 2014, S. 9 – 32, hier S. 10. 673 Bothe/Schuh, Geschlecht in der Geschichte?, S. 11. 674 Ebd., S. 12. 675 Ebd. 676 Ebd. Entnahm dies aus: DE BEAUVOIR, 1990, S. 265.

Seite 158 Anhand dieses Satzes wird exemplarisch veranschaulicht, dass Weiblichkeit von der Gesellschaft und Kultur konstruiert wird.677

Intersectionality Studies

Um weitere fachdidaktische Überlegungen anzustellen, erscheint es zentral, den Begriff der ‚Intersektionalität‘ näher zu behandeln. Kühberger versteht unter Intersektionalität

„eine interdependente Wechselbeziehung zwischen sozio-kulturell geprägten und historisch entstandenen Macht- und Herrschaftsverhältnissen, Subjektivierungsprozessen und sozialen Ungleichheiten verstanden, deren kategoriale Erschließung (u.a. Gender, Sexualität, Ethnizität, Krankheit, Behinderung, Schicht) als relationales Gewebe eines gemeinsamen Ganzen verstanden wird.“678 Im Zusammenhang mit Intersektionalität werden drei verschiedene Ebenen der Herrschaft genannt. Dies sind die Ebene der strukturellen Herrschaftsverhältnisse, die Ebene der symbolischen Repräsentation und die Ebene der Identitätskonstruktion. In Korrespondenz mit den Dimensionen „des Zeit- bzw. Temporalbewusstseins, des Wirklichkeitsbewusstseins und des Historizitätsbewusstseins“679 können die Schnittstellen historischer Sachverhalte besser dargestellt werden. Der Geschichtsunterricht wird also auch um ein ‚Ebenenbewusstsein‘ erweitert.680

Die sogenannten ‚Diversity- und Intersectionality Studies‘ befassen sich mit der Frage, „wie heterogene Gesellschaften in ihrer Vielfalt beschrieben und herrschaftskritisch analysiert werden können.“681 Sie versuchen demnach, soziale Gebilde über Unterscheidungsmerkmale zu erschließen. Durch eine Betrachtungsweise, welche die Heterogenität der Lernenden in das Zentrum rückt, entstehen immer ‚soziale Ungleichheiten‘. Je nach Gesellschaftsstruktur und Vernetzung mit historischen Ereignissen können die ‚Diversity- und Intersectionality

677 Bothe/Schuh, Geschlecht in der Geschichte?, S. 12. 678 Christoph Kühberger, Intersektionalität – ein Weg für den geschlechtersensiblen Geschichtsunter- richt?, in: Nadja Bennewitz/Hannes Burkhardt (Hrsg.), Gender in Geschichtsdidaktik und Geschichts- unterricht. Neue Beiträge zu Theorie und Praxis (Historische Geschlechterforschung und Didaktik. Ergebnisse und Quellen 5), Berlin 2016, S. 55 – 86, hier S. 56. 679 Martin Lücke, Didaktik der Geschichte – Geschlechterkonstruktionen historische erzählen, in: Mari- ta Kampfshoff/Claudia Wiepcke (Hrsg.), Handbuch Geschlechterforschung und Fachdidaktik, Wiesba- den 2012, S. 185 – 197, hier S. 192. Entnahm dies aus: Winker/Degele 2009, S. 59 – 62. 680 Lücke, Didaktik der Geschichte – Geschlechterkonstruktionen historische erzählen, S. 191 – 192. 681 Martin Lücke, Diversität und Intersektionalität als Konzept der Geschichtsdidaktik, in: Michele Bar- ricelli/Martin Lücke (Hrsg.), Handbuch. Praxis des Geschichtsunterrichts (Forum Historisches Lernen), Band 1, Schwalbach am Taunus 2012, S. 136 – 146, S. 137.

Seite 159 Studies‘ gesellschaftliche Besser- oder Schlechterstellung für die Menschen bedeuten. Lücke erachtet es als notwendig, historische Sachverhalte mit den Kategorien ‚Race, Class and Gender‘ aufzuarbeiten.682

Der Schwerpunkt dieser Diplomarbeit streicht besonders die Bedeutung der ‚historischen Genderkompetenz‘ – mit der sich Bergmann u.a. bereits befasst haben – hervor. Sie wird als „die Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft definiert […], die Frage zum Gegenstand von historischem Denken zu machen, auf welchen Ebenen und in Wechselwirkung mit welchen anderen sozialen Kategorien Gender in der Geschichte gewirkt hat.“683

Es muss allerdings festgehalten werden, dass die drei Blickwinkel ‚Race, Class and Gender‘ nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern erst in ihrer Kombination die Aufarbeitung der Geschichte erlauben. Die Unterscheidung der Gesellschafts- und Hierarchieformen kann durch die Anwendung der oben genannten Konzepte Abhängigkeiten und Divergenzen augenscheinlich machen, und dadurch im Besonderen soziale Ungleichheiten hervorheben.684

Gemäß dieser aufgezeigten Schwierigkeiten und Chancen muss die didaktische Herangehensweise und Planung der Lehrperson situationsadäquat erfolgen. Die Heterogenität von Schulklassen bedingt das Heranziehen unterschiedlicher Kategorien, um historisches Wissen zu vernetzen, die Vergangenheit aufzuarbeiten und für Gegenwart und Zukunft sinnstiftende Erkenntnisse zu erbringen.

3. Lehrplanbezug und Lehrplanfokussierung

Im aktuellen Lehrplan wird das Thema ‚Gleichberechtigung’ nicht mehr tabuisiert. Mehrmals wird die Einbindung dieses Schwerpunktes in den Unterricht genannt und auch gefordert. Mit 1. September 2017 traten die neuen, semestrierten, kompetenzorientierten Lehrpläne in der Oberstufe (ab der neunten Schulstufe) in Kraft. Im Lehrplan für Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung der Oberstufe werden gleich zu Beginn Bildungs- und Lehraufgaben formuliert, die beispielsweise besagen:

„Orientiert an der Chancengleichheit und Gleichstellung der Geschlechter sollen Schülerinnen und Schüler auch erkennen können, dass Geschlechterrollen und

682 Lücke, Diversität und Intersektionalität als Konzept der Geschichtsdidaktik, S. 137 – 138. 683 Lücke, Didaktik der Geschichte – Geschlechterkonstruktionen historische erzählen, S. 193. 684 Lücke, Diversität und Intersektionalität als Konzept der Geschichtsdidaktik, S. 140 – 141.

Seite 160 Geschlechterverhältnisse in Vergangenheit und Gegenwart unterschiedlich definiert waren und sind, demnach veränderbar und gestaltbar sind.“685 Durch eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau im 19. Jahrhundert soll den SchülerInnen klar werden, dass die Gleichberechtigung damals nichts Alltägliches war und Frauen lange Zeit und in vielen Bereichen – auch heute noch – für eine Entfaltung und Gleichstellung kämpfen mussten und müssen. Zudem soll dargelegt werden, welche Möglichkeiten für Frauen aus adeligen Häusern (z.B. Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn oder Kronprinzessin Victoria von Preußen) bestanden, um sich Freiräume zu schaffen.

Dadurch kann der Beitrag zu dem Bildungsbereich ‚Mensch und Gesellschaft‘ abgedeckt werden, der unter anderem eine Beschäftigung mit dem „Stellenwert und [der] Stellung von Frauen und Männern als Individuen und Sozialwesen im jeweiligen historischen und politischen Kontext“686 fordert.

Konkret eignet sich eine Auseinandersetzung mit der Frauenbewegung und dem damit verbundenen Thema rund um die Emanzipationsversuche im vierten Semester der sechsten Klasse einer allgemeinbildenden höheren Schule. In dem Themenbereich „Vom Beginn der Neuzeit bis zum Ersten Weltkrieg unter Berücksichtigung von Gegenwartsphänomenen“ wird unter anderem folgende Verarbeitung im Unterricht gefordert:

„die Ideen der Aufklärung, Menschenrechte und Revolutionen sowie deren Beitrag für die Entwicklung des modernen Verfassungsstaates mit seinen Partizipationsformen; Entwicklung der Frauenrechte Politische und ideologische Strömungen des 19. Jahrhunderts in Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik und ihre Folgen Instrumentalisierungen von Kultur und Ideologie in Politik und Gesellschaft über Geschichtsbilder und -mythen sowie historische Legitimationsversuche in Gegenwart und Vergangenheit“687 Prinzipiell lässt der Lehrplan den Lehrpersonen einen großen Spielraum, welche und wie Themenschwerpunkte im Unterricht behandelt werden sollen. Im vierten Semester bietet sich eine Einbettung des Themas ‚Frauenbewegung‘ allerdings sehr gut an.

685 Bundesministerium für Bildung Wissenschaft und Forschung (Hrsg.), Lehrplan der AHS-Oberstufe für Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, Bundesgesetzblatt 9.8.2016, Wien 2017, [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=100085 68&FassungVom=2017-09-01], eingesehen am 12.04.2018. 686 Ebd. 687 Ebd.

Seite 161 Der Lehrplan Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung für die Sekundärstufe I wurde neu strukturiert und 2016 veröffentlicht. Der Bereich Poltische Bildung ist im neuen Lehrplan ab der sechsten Schulstufe der Sekundarstufe I fest verankert. Eine weitere Erneuerung war die Gliederung der Unterrichtsthemen in Module. Durch diese Umstellung wird der traditionelle Geschichtsunterricht, der meist auf chronologische Erzählungen der einzelnen Epochen fokussierte, aufgebrochen. Kühberger meint dazu, dass der bestehende Unterricht durch die Änderungen „von einer fachspezifischen Kompetenzorientierung, dem Lernen mit Konzepten (auch: ‚konzeptionelles Lernen‘ bzw. ‚konzeptuelle Lernen‘) und durch eine ausschließlich modulare Gestaltung des ‚Lehrstoffes‘ abgelöst [wird].“688

Zwischen den Modulen können zwar Querverbindungen hergestellt werden, allerdings dürfen die einzelnen Module nicht aufgelöst werden. Die Erneuerung soll der Lehrperson aber weiterhin genügend Freiraum bieten, denn die einzelnen Module sind relativ frei formuliert. Daher kann die Lehrperson individuelle und exemplarische Schwerpunkte setzen. Durch diese Neuerungen soll das Wissen nicht, wie bisher, nur reproduziert werden, sondern den SchülerInnen mittels handlungsorientierter Methoden erhalten bleiben.689

Die Themen werden mit geschichtsdidaktischen Prinzipien wie etwa mit „Multiperspektivität, Gegenwartsbezug, Selbstreflexion, sowie Re-Konstruktion und De-Konstruktion“ aufgearbeitet. Dadurch ist es notwendig, dass die Lehrperson auf zeitliche Einteilungen und Abfolgen eingeht und die SchülerInnen im Umgang damit geschult werden.690

In den einzelnen Schulstufen sollen noch dazu Vergleiche angestellt werden, damit Wissen miteinander vernetzt wird. Vor allem zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft muss eine Verknüpfung erfolgen, damit SchülerInnen ein umfassendes und authentisches Bild der Geschichte erhalten und dieses auch eigenständig weiterentwickeln können.691

688 Thomas Hellmuth/Christoph Kühberger, Kommentar zum Lehrplan der Neuen Mittelschule und der AHS-Unterstufe „Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“, 2016, [https://www.politik- ler- nen.at/dl/mqslJMJKomlooJqx4KJK/GSKPB_Sek_I_2016_Kommentar_zum_Lehrplan_Stand_26_09_2 016.pdf], eingesehen am 27.5.2018, S. 3. 689 Hellmuth/Kühberger, Kommentar zum Lehrplan, S. 3. 690 Ebd. 691 Ebd., S. 4.

Seite 162 3.1. Historischen Kompetenzen im Geschichtsunterricht

Um überhaupt ein Verständnis davon zu erhalten, was im Unterricht unter dem Begriff ‚Kompetenz‘ verstanden werden kann, sollte dieser vorab erläutert werden. Weinert definiert Kompetenz als „die bei Individuen verfügbaren oder durch die erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“692

Im Lehrplan ist das ‚Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens‘ verankert. In der Geschichtsdidaktik herrscht Einigkeit darüber, dass die SchülerInnen ein Geschick erlernen sollen, welches sie dazu befähigt, mit dem Vergangenen umzugehen. Die reine Reproduktion von Faktenwissen ist nicht das Ziel des kompetenzorientierten Unterrichts.693

Damit ein historischer Denkprozess überhaupt stattfinden kann, muss es anfänglich einen Auslöser für das Interesse geben. Kühberger erklärt, dass es primär eine Verunsicherung im ‚Jetzt-Zustand‘ geben muss, und dadurch in weiterer Folge ein „zeitliches Orientierungs- bzw. Handlungsproblem“ bei Lernenden auftritt. Der Mensch will handeln und sich orientieren. Jörn Rüsen nennt dieses Phänomen „Interesse“. Er fügt hinzu: „Gemeint sind die Interessen, die Menschen daran haben, sich – um leben zu können – im Fluß der Zeit zurechtzufinden und deshalb die Vergangenheit erkennend zu vergegenwärtigen.“ Menschen können also nur den ‚Ist-Zustand‘ und das Zukünftige erschließen, wenn sie sich mit der Vergangenheit befassen.694

Historisches Denken steht unmittelbar im Zusammenhang mit den vier verschiedenen Kompetenzbereichen – die ‚historische Sach-‘, ‚Frage-‘, ‚Methoden-‘ und ‚Orientierungskompetenz‘ – die durch den Geschichtsunterricht erworben werden sollen. Die Kompetenzen werden im folgenden Abschnitt genauer erläutert.

692 Franz E. Weinert, Vergleichende Leistungsmessung in Schulen - eine umstrittene Selbstverständ- lichkeit, in: Franz E. Weinert (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim – Basel 22002, S. 17-31, hier S. 27 – 28. 693 Waltraud Schreiber, Ein Kompetenz – Strukturmodell historischen Denkens, in: Zeitschrift für Pä- dagogik 54 (2008), Heft 2, S. 198 – 212, hier S. 201. 694 Christoph Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didaktische Annäherung für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung (Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik. Geschichte – Sozialkunde – Politische Bildung), Band 2, Innsbruck – Wien – Bozen 20153, S. 19. Entnahm dies aus: Rüsen 1983, S. 24 – 25.

Seite 163 Die ‚historische Fragekompetenz‘ besteht einerseits daraus, dass selbstständig Fragen an die Vergangenheit und die Geschichte formuliert werden können, und andererseits aus dem Erkennen und Verstehen bereits bestehender Fragen.695 Das bedeutet, dass im Unterricht von den SchülerInnen selbstformulierte Fragen gestellt werden müssen, um die Absichten und Hintergründe bisher existierender Fragestellungen zu erkennen und bestenfalls neue Antworten darauf zu finden.696 Kühberger hält dazu fest: „Nur wer versteht, dass Geschichte immer die Antwort auf Fragen an die Vergangenheit ist, kennt den Unterschied zwischen Vergangenheit und Geschichte.“697 Durch das Fragen werden die Zeitdimensionen ‚Gegenwart‘ und ‚Vergangenheit‘ miteinander in Relation gesetzt.698

Die ‚historische Methodenkompetenz‘ behandelt den Umgang mit verschiedenen Methoden, die zur Erkenntnisgewinnung und -verarbeitung beitragen sollen. Im Fokus steht hier also das methodische Erarbeiten von Antworten auf historische Fragen.699 Die ‚historische Methodenkompetenz‘ wird in zwei Bereiche, zum einen in die ‚Re-Konstruktionskompetenz‘, und zum anderen in die ‚De- Konstruktionskompetenz‘, unterteilt. Schreiber stellt fest, dass eine Beherrschung der ‚historischen Methodenkompetenz‘, die Meisterung der ‚Re-‚ und ‚De-Konstruktion‘ voraussetzt.700

Die ‚De-Konstruktionskompetenz‘ befähigt die SchülerInnen zum Analysieren von Darstellungen der Vergangenheit. Sie können kritisch hinterfragt werden: „Es geht dabei um Aneignung eines kritischen Instrumentariums, das die De-Konstruktion historischer Narrationen (Spielfilme, Comics, Computerspiele, Sachbücher ect.) ermöglicht.“701 Es geht darum, historische Narrationen zu kreieren.702

Die ‚Re-Konstruktionskompetenz‘ ermöglicht den SchülerInnen das Arbeiten mit Quellen aus der Vergangenheit. Durch einen kritischen Umgang ist es den SchülerInnen besser möglich, die Probleme von HistorikerInnen nachvollziehen zu

695 Kühberger, Christoph/ Mittnik, Philipp/ Plattner, Irmgard/ Wenninger, Bernhard: Historische Kompe- tenzen und ihre Teilkompetenzen, Salzburg 2013. 696 Schreiber, Ein Kompetenz – Strukturmodell historischen Denkens, S. 204. 697 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21. 698 Ebd. 699 Ebd. 700 Schreiber, Ein Kompetenz – Strukturmodell historischen Denkens, S. 204. 701 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21. 702 Schreiber, Ein Kompetenz – Strukturmodell historischen Denkens, S. 204.

Seite 164 können.703 Schreiber fügt hinzu, dass es darum geht, dass Fragen, die an die Geschichte gestellt wurden, in ihrer Struktur verstanden und weiterverarbeitet werden müssen.704

Durch den Kompetenzbereich der ‚historischen Orientierungskompetenz‘ ist es möglich „historisches Wissen und die durch historisches Lernen erworbenen Kompetenzen zum besseren Verstehen von Gegenwartsphänomenen und aktuellen bzw. zukünftigen Problemen zu nutzen.“705 Durch das Geschichtsbewusstsein können die SchülerInnen ihre Umwelt besser verstehen und das Verhalten anderer besser nachvollziehen.706 Im Grunde geht es darum, sich anhand eigener Zeiterfahrungen in den drei Zeitdimensionen ‚Vergangenheit‘, ‚Gegenwart‘ und ‚Zukunft‘ zu orientieren und durch die Verknüpfung von vergangenen Ereignissen Schlüsse für die Gegenwart und die Zukunft ziehen zu können.707

Unter dem Begriff ‚historische Sachkompetenz‘ verstecken sich „jene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften, die sich mit Prinzipien, Konzepten und Kategorien auseinandersetzen, die das historische Denken ermöglichen, begleiten und stützen.“708 Begriffe, Konzepte und Prinzipien sollen nicht einfach nur verstanden, sondern auch kritisch betrachtet und hinterfragt werden.709

3.2. Basiskonzepte im Geschichtsunterricht

Von großer Bedeutung im Lehrplan für die Sekundarstufe I, aber auch für die Sekundarstufe II sind die Basiskonzepte. Jeder Mensch kreiert aufgrund von Umwelteinflüssen, Erlebnissen und sozialen Einflüssen eigene Konzepte, um die Welt einteilen und verstehen zu können. Es ist notwendig, dass SchülerInnen im Geschichtsunterricht mit den Konzepten anderer in Berührung kommen und dadurch ihre eigenen Vorstellungen überdenken und reflektieren können/müssen. „Damit entwickeln Lernende ein ‚selbstreflexives Ich‘, das in der Lage ist, Abhängigkeit von Erziehung und Sozialisationsprozessen zu erkennen.“710 Dieser Erwerb des „(selbst-

703 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21. 704 Schreiber, Ein Kompetenz – Strukturmodell historischen Denkens, S. 204. 705 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21. 706 Ebd. 707 Schreiber, Ein Kompetenz – Strukturmodell historischen Denkens, S. 205. 708 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 22. 709 Ebd. 710 Hellmuth/Kühberger, Kommentar zum Lehrplan, S. 5.

Seite 165 )reflexiven Geschichts- und Politikbewusstsein[s]“ ist das Ziel, welches durch den Unterricht mit den Kompetenzmodellen erreicht werden soll.711

Für den Lehrplan der Sekundarstufe I wurden Basiskonzepte entwickelt, welche auch in der Sekundarstufe II ihren Platz finden und als Orientierungshilfe dienen, um historisches Wissen zu strukturieren und ‚gesondertes‘ Wissen miteinander zu verknüpfen.712

Die verschiedenen Basiskonzepte werden in drei Gruppen unterteilt:

„1) Basiskonzepte, die das Zustandekommen von historischem und politischem Wissen reflektieren: Belegbarkeit, Konstruktivität, Kausalität, Perspektive und Auswahl; 2) Basiskonzepte, die Zeit als grundlegendes Konzept des historischen Denkens zwischen Kontinuität und Wandel beachten: Zeitverläufe, Zeiteinteilung, Zeitpunkte; 3) Basiskonzepte, die Zusammenhänge des menschlichen Zusammenlebens fokussieren: Struktur, Macht, Kommunikation, Handlungsspielräume, Lebens- /Naturraum, Normen, Arbeit, Diversität und Verteilung.“713 Für die geplanten Stunden spielen besonders die Basiskonzepte: Perspektive, Belegbarkeit, Vielfalt/Diversity, Handlungsspielräume/Agency, Normen, Macht, Struktur, Verteilung und Arbeit eine große Rolle, weshalb es Sinn macht, diese kurz zu erläutern.

Perspektive: Es können in der Vergangenheit, aber auch in der Gegenwart unterschiedliche Blickwinkel auf ein bestimmtes geschichtliches Ereignis eingenommen werden. Dies sollte den SchülerInnen bewusst werden und daher ist es nötig, die Perspektiven verschiedener Quellen und Darstellungen herauszuarbeiten.714

Belegbarkeit: Aus Quellen kann durch eine methodische Vorgehensweise Wissen herausgearbeitet werden. Diese Quellen müssen historisch kontextualisiert und je nach Quellengattung passend kritisch hinterfragt werden.715

Vielfalt/Diversity: Mit der Vielfalt von Menschen soll in diesem Basiskonzept gearbeitet werden. Durch die unterschiedlichen Ansichten von den Personen werden

711 Hellmuth/Kühberger, Kommentar zum Lehrplan, S. 5. 712 Ebd. 713 Ebd. 714 Ebd., S. 11. 715 Ebd., S. 12.

Seite 166 Faktoren wie Lebenssituationen, Glauben, Alter, Geschlechteridentitäten und vieles mehr beeinflusst.716

Handlungsspielräume/Agency: Die SchülerInnen können durch eine Betrachtung der Handlungsspielräume von Menschen, Rückschlüsse auf das gesellschaftliche Zusammenleben ziehen. Werden diese Handlungsspielräume analysiert, so kann der Kontext der Handlungen, auch wenn sie unbewusst praktiziert wurden, herausgefunden werden.717

Normen: Normen werden von den unterschiedlichsten Teilbereichen einer Gesellschaft erzeugt und können rechtliche Gesetze zur Folge haben. Die SchülerInnen sollen lernen, dass Normen die soziale Interaktion und Kommunikation vorgeben, bestimmen und verändern.718

Macht: Durch das Basiskonzept Macht sollen die SchülerInnen sich Gedanken machen, wie sich diese äußert und wie sie ausgeübt werden kann. Durch Machtausübungen können Veränderungen hervorgerufen werden. Damit kann nicht nur ein Wandel in der Gesellschaft gemeint sein, sondern beispielsweise auch ein Umbruch durch einen Krieg.719

Struktur: Das Basiskonzept zeigt wie Gruppen, Einzelpersonen oder Organisationen miteinander vernetzt sind und welche Handlungsspielräume es jeweils gibt. Es sollen vorrangig systemische Zusammenhänge erkannt werden.720

Verteilung: Durch das Basiskonzept Verteilung soll erkannt werden, wie diese innerhalb einer Gesellschaft, aber auch übergreifend, stattfindet. Damit stellt sich die Frage nach einer gerechten Verteilung, deren Beantwortung je nach Blickwinkel unterschiedlich ausfallen kann.721

Arbeit: Anhand des Basiskonzeptes Arbeit sollen die SchülerInnen die Erkenntnis gewinnen, dass Menschen durch ihr Handeln Grundbedürfnisse stillen, sich in einer Gemeinschaft einbringen, die eigene Persönlichkeit stärken beziehungsweise weiterbilden, um individuelle Wünsche befriedigen zu können.722

716 Hellmuth/Kühberger, Kommentar zum Lehrplan, S. 12. 717 Ebd. 718 Ebd. 719 Ebd. 720 Ebd., S. 13. 721 Ebd. 722 Ebd.

Seite 167 3.3. Methodische Überlegungen

Die Quellenarbeit ist im Unterricht von großer Bedeutung, denn dadurch kann Geschichte abwechslungsreich vermittelt werden und die SchülerInnen erwerben und schulen ihre Kompetenzen. Es gibt zahlreiche Quellenarten, welche im Unterricht verwendet werden. Dazu zählen eben auch die bildlichen Quellen oder die Arbeit mit Texten etc. Diese Quellenarbeit nimmt im Fach Geschichte einen großen Stellenwert ein, und ist für eine Erweiterung der Kompetenzen hilfreich, welche im heutigen Unterricht gelehrt und gelernt werden müssen.723

3.3.1. Arbeit mit Textquellen

Textquellen werden im Geschichtsunterricht häufig und gern verwendet. Es gibt in Bezug auf die Art von Textquellen allerdings zahlreiche Unterschiede, denn Briefe, Urkunden, Grabinschriften, Flugblätter, Gesetzestexte und Gedichte müssen differenziert bearbeitet werden. Wird von Quellen gesprochen, so muss eine Unterteilung zwischen ‚Tradition‘ und ‚Überrest‘ vorgenommen werden.724

‚Traditionen‘ umfassen Quellen, die mit einer bestimmten Absicht für die Nachwelt festgehalten wurden. Dies kann zum Beispiel eine Autobiographie sein, die mit einer Überlieferungsabsicht verfasst wurde. Im Gegensatz dazu steckt hinter ‚Überresten‘ im Regelfall keine bestimmte Absicht für die Nachwelt.725

Zu Selbstzeugnissen zählen etwa Briefe, Memoiren oder erzählende Quellen wie Reiseberichte oder Legenden. Für SchülerInnen ist eine Unterscheidung besonders schwer zu treffen, da die Textquellen aus den Schulbüchern in einer ähnlichen Art und Weise abgedruckt sind. Durch die Charakteristika eines Textes sollen die SchülerInnen in weiterem Sinn auch ein spezifisches Textverständnis erhalten und individuell ihre Schlüsse aus der Quelle ziehen können.726

Es ist besonders wichtig, dass den SchülerInnen klar gemacht wird, dass weder Quellen noch Darstellungstexte eine eindeutige, objektive Betrachtungsweise beinhalten. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei Inhalten immer um definitive Fakten handelt. Schriftliche Quellen müssen immer unter

723 Waldemar Grosch, Schriftliche Quellen und Darstellungen, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.), Ge- schichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 52011, S. 63 – 91, hier S. 63. 724 Michael Sauer, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, o.O. 92010, S. 187. 725 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 187. 726 Ebd.

Seite 168 Berücksichtigung der historischen, politischen oder gesellschaftlichen Zusammenhänge betrachtet werden. Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass es sich um Erzählungen handelt, die je nach Betrachtungsweise unterschiedliche Ergebnisse widerspiegeln.727 Es bietet sich an, den SchülerInnen die kontroversen Blickwinkel aufzuzeigen. Besonders deutlich kann dies beispielweise bei den unterschiedlichen Perspektiven einer Kriegsbeschreibung augenscheinlich gemacht werden, denn in diesem Fall weichen die Ansichten und Beschreibungen je nach Standpunkt häufig voneinander ab. In diesem Fall würde es Sinn machen, die beiden Seiten einer Darstellung miteinander zu vergleichen, um die Unterschiede oder Parallelen zu erkennen. Auch bei Briefen kann ein Vergleich sinnvoll sein, damit die SchülerInnen erkennen, dass es verschiedene Anschauungsweisen gibt.

Sauer erläutert in seinem Werk ‚Geschichte unterrichten‘, welche Zeugnisse die unterschiedlichen Textquellen ablegen können. Als Beispiel dient ein Brief, der eine „subjektive Sichtweise auf Ereignisse und Personen, Gefühle und Befindlichkeit des Autors“ darlegt, wohingegen beispielsweise Flugblätter Auskunft über „Überzeugungen, Kritik an Gegnern und Wirkungsabsichten politischer oder konfessioneller Gruppierungen in komprimierter Form“ geben.728

Derartige Unterschiede sollten gemeinsam mit den SchülerInnen aus den jeweiligen Textquellen herausgearbeitet werden. Nicht nur in der Sekundarstufe II, sondern bereits in der Sekundarstufe I sollten SchülerInnen den Umgang mit Quellen üben. Dabei kann immer nach dem gleichen Interpretationsschema vorgegangen werden.729 Je nach Textsorte müssen unterschiedliche Faktoren geprüft werden. So sind zum Beispiel bei einem Gedicht besonders die sprachlichen Mittel bedeutend, wohingegen diese bei Gesetzestexten nicht genauer überprüft werden müssen. Sauer liefert ein Schema, welches für das Erfassen von Textquellen hilfreich ist.730

„Textquellen interpretieren

 Verfasser: Wer war der Verfasser, welches Amt, welche Stellung hatte er inne, zu welcher sozialen Schicht gehörte er, in welcher Beziehung stand er zu dem beschriebenen Vorgang, was konnte er darüber wissen?  Entstehung der Quelle: Wann, wo und in welchem Zusammenhang wurde der Text verfasst? In welchem zeitlichen Verhältnis zum beschrieben Vorgang steht er?

727 Christina Brüning, Die Verwendung von Textquellen im Geschichtsunterricht, in: Michele Barricel- li/Martin Lücke (Hrsg.), Handbuch. Praxis des Geschichtsunterrichts (Forum Historisches Lernen), Band 2, Schwalbach am Taunus 2012, S. 92 – 107, S. 93. 728 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 188. 729 Ebd. 730 Ebd., S. 190.

Seite 169  Quellengattung: Um welche Art von Quelle handelt es sich und welche Aussagen und Erkenntnisse kann man von ihr erwarten? Wie weit und auf welchem Wege wurde der Text verbreitet?  Thema und Aussage: Worüber spricht der Verfasser und was teilt er darüber mit?  Adressaten und Intention: Wen spricht der Verfasser an? Aus welcher Perspektive schreibt er, was ist Bericht, was Urteil, was Argument, welche Interessen vertritt er (Kritik, Rechtfertigung usw.)? Was will er bei seinen Lesern und Zuhörern erreichen?  Darstellungsweise: Welche sprachlichen Mittel verwendet der Verfasser? Aufbau und Gliederung des Textes, Satzgestalt (Satzart, -länge, -stellung), allgemeine Wortwahl (alltäglich, gewählt, konventionell), Argumente, Begriffe und ihre besondere Bedeutung, traditionelle Muster (Topoi), rhetorische Mittel (Symbole, Allegorien, Metaphern, Wiederholungen, Wortspiele, Lautmalereien usw.).“731 Anhand des ausführlichen ‚Fragenkatalogs‘ des Schemas kann erkannt werden, dass es ungenügend ist, den SchülerInnen lediglich einen abgedruckten Text ohne Informationen auszuhändigen. Um die Quelle vernünftig zu analysieren, benötigen die Lernenden mehrere Angaben (z.B. Verfasser, Entstehungszeit usw.). Damit die SchülerInnen eine Quelle aufschlussreich interpretieren können, muss dieses Schema geübt werden.732

Die Vorlage der Bearbeitung einer Textquelle von Sauer ist natürlich sehr genau und nicht immer müssen alle Kategorien für die Analyse einer Quelle herangezogen werden. Zudem kann eine Aufgabenstellung auch fächerübergreifend mit dem Fach Deutsch geplant und durchgeführt werden. Vor allem bei den Textsorten ‚Textanalyse‘ oder bei einer ‚Gedichts-Textinterpretation‘ bietet sich ein fächerübergreifender Unterricht an.

Sauer erklärt, dass es wichtig ist, durch wiederholtes Üben ein Gespür für die Bearbeitung von Textquellen zu entwickeln. Als Beispiel erklärt er, dass Gesetzestexte ein wünschenswertes Verhalten, welches meist jedoch nicht betriebenen wird, normieren sollen. Diese Tatsache wird durch das Beispiel einer ‚Policey-Verordnung‘ aus dem 18. Jahrhundert über die städtische Ordnung und Verhaltensweise gut dargestellt. Dabei deutet ein Gesetzeserlass allerdings nicht darauf hin, dass die geforderten Maßnahmen bereits eingetroffen sind. Das Gegenteil ist der Fall, da ansonsten nicht weitere Gesetzesänderungen folgen müssten.733

Häufig ist das Arbeiten mit Textquellen für SchülerInnen eine mühselige Angelegenheit, und es liegt somit an der Unterrichtsgestaltung der Lehrperson, diese

731 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 190. 732 Ebd. 733 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 190 – 191.

Seite 170 Beschäftigung spannend zu gestalten. Sauer bietet Vorschläge, wie das Arbeiten mit Quellentexten für die SchülerInnen besser aufbereitet werden kann:

 „Der Text wird in ‚Schnippseln‘ verteilt, die die Schülerinnen und Schüler zunächst einmal in die richtige Reihenfolge bringen müssen. Dafür ist genaues Lesen notwendig.  Der Quellentext bricht an einer entscheidenden Stelle ab. Schülerinnen und Schüler sollen versuchen, den Schluss zu ergänzen. Dafür müssen sie sich auf die Intention, den Argumentationsgang, die Denkfigur des Textes einlassen.  Ein Text oder mehrere Texte werden mit Informationen zur historischen Situation, nicht aber zum Verfasser versehen. Die Schülerinnen und Schüler müssen herausfinden, welcher politischen Gruppierung, sozialen Schicht etc. er angehört. Dafür eignen sich besonders gut programmatische Texte. Das Verfahren verschärft den Blick für die Perspektivität von Quellen.  Alle Angaben zur historischen Situation (im Text und zum Text) werden beiseite gelassen. Schülerinnen und Schüler müssen aus dem Text heraus den historischen Kontext rekonstruieren. Dafür ist genaues Lesen, Einordnen und Verknüpfen mit vorhandenen Kenntnissen notwendig. […]“734 3.3.2. Arbeit mit Bildquellen Nicht nur schriftliche Quellen können in den Geschichtsunterricht integriert werden, sondern auch Bildquellen dienen als Zeugnisse der Vergangenheit. Wie auch bei den Textquellen gibt es hier verschiedene, untergeordnete Quellenkategorien wie etwa Gemälde, Karikaturen, Höhlenmalereien oder Fotografien.735

Auch bei Bildern kann nicht davon ausgegangen werden, dass immer eine zuverlässige Darstellung der historischen Realität wiedergegeben wird. Dies trifft nicht einmal für Fotografien oder Portraitaufnahmen zu, bei denen vermutet werden kann, dass es sich um ein realistisches Abbild handelt. Auch Lampe vertritt diese Meinung: „Das Bild beinhaltet immer Interpretation von Wirklichkeit, und die scheinbar objektive Photographie ist ebenfalls kein ‚Abklatsch‘ der Wirklichkeit.736

Sauer stellt sich die Frage, wofür Bilder als Quelle dienen können und teilt seine Antwort in vier Bereiche ein. Als erstes nennt er die ‚Ereignisgeschichte‘, denn Bilder verdeutlichen, dass sich eine historische Begebenheit zugetragen hat und zeigen, wie und mit welchem Ergebnis etwas abgelaufen ist. Sauer betont in diesem Zusammenhang auch, dass bei derartigen Quellen Vorsicht geboten sein sollte, denn unter Umständen hatte die/der Künstler/in nicht unmittelbar mit den Geschehnissen

734 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 191 – 192. 735 Edda Grafe/Carsten Hinrichs, Visuelle Quellen und Darstellungen, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.), Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 52011, S. 92 – 124, S. 95. 736 Klaus Bergmann/Gerhard Schneider, Das Bild, in: Hans-Jürgen Pandel/Gerhard Schneider (Hrsg.), Handbuch. Medien im Geschichtsunterricht (Forum Historisches Lernen), Schwalbach am Taunus 20116, S. 225 – 268, hier S. 238. Entnahm dies aus: Lampe 1973, S. 195 – 196.

Seite 171 zu tun. Als zweiten Punkt nennt er die ‚Sachkultur‘, über die Bildquellen Informationen geben können, denn von Bildern ausgehend kann mehr über die Lebensumstände der Menschen erfahren werden. Drittens führt Sauer die ‚Mentalitätsgeschichte‘ an. Bilder gewähren Aufschluss über Grundsätze und Ideen der Personen unterschiedlicher Zeitepochen, aber auch über die sozialen Beziehungen. Diese Tatsache ist für SchülerInnen schwer zu erkennen, kann aber geübt werden. Als letzten Punkt nennt der Didaktiker die ‚Propaganda‘, denn Bilder können die Sichtweisen von KünstlerInnen verdeutlichen, oder wurden mit einer bestimmten Absicht für die Nachwelt kreiert. Zudem spiegeln diese Bilder beispielsweise auch die Vorstellungen der Herrscher wider oder verbreiten religiöses Gedankengut. Die Bilder sollen die Idealvorstellungen verbreiten und die Einstellung gegenüber Kontrahierendem festigen.737

Um eine Einteilung von Bildquellen vornehmen zu können, unterscheidet Sauer zwischen ‚Bildinhalten‘, ‚Zeitebenen‘, ‚Techniken und Präsentationsformen‘, ‚Einzelbildern‘ oder ‚Bildreihen‘.738 Es gibt aber zahlreiche weitere Unterscheidungskriterien und -möglichkeiten. Hamann nimmt beispielsweise eine andere Kategorisierung vor und unterteilt in ‚Abbildungszeitpunkt‘, ‚-absicht‘, ‚- technik‘, ‚-gegenstand‘ und ‚Bildrezeption‘.739 Die Inhalte und Schwierigkeiten der Einteilungsvarianten überschneiden sich teilweise.740

Im Geschichtsunterricht sind nicht alle Bildquellen gleich gut zur Verwendung geeignet und die Lehrperson sollte situationsadäquat entscheiden, welche Darstellung sich in der jeweiligen Situation eignet. Im Unterricht werden mit Vorliebe Bilder von Personen und aus dem Alltag verwendet.741 Das Arbeiten mit Bildern im Unterricht bedarf Übung und – wie auch bei der Textquelle – genügt es nicht, den SchülerInnen einfach nur ein Bild auszuhändigen. Daher sollte vorab der historische Entstehungskontext eruiert werden. Die SchülerInnen benötigen unter anderem Informationen über den/die Künstler/in, für wen und in welchem Zusammenhang das Bild geschaffen wurde und welche Wirkung es auslösen sollte. Um eine Darstellung

737 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 193 – 194. 738 Ebd., S. 195. 739 Christoph Hamann, Bildquellen im Geschichtsunterricht, in: Michele Barricelli/Martin Lücke (Hrsg.), Handbuch. Praxis des Geschichtsunterrichts (Forum Historisches Lernen), Band 2, Schwalbach am Taunus 2012, S. 108 – 124, hier S. 113 – 115. 740 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 195. 741 Ebd.

Seite 172 schlussendlich erschließen zu können, erstellte Sauer ein Schema, welches auf den Kunsthistoriker Erwin Panowsky zurückgeht.742

„1. Bildbeschreibung – der erste Eindruck (‚vorikonographische Bildbetrachtung‘)  Was ist auf dem Bild zu sehen?  Welchen Eindruck macht das Bild auf mich? 2. Bildanalyse – die genauere Untersuchung (‚ikonographische Bildanalyse‘)  Um welche Bildgattung handelt es sich?  Was sind Thema und Inhalt des Bildes?  Welche Personen, Gegenstände, Landschaften usw. sind im Einzelnen dargestellt?  Mit welchen künstlerischen Mitteln sind die Bildinhalte dargestellt? 3. Bildinterpretation – zusammenfassende Deutung und Einordnung in den historischen Kontext (‚ikonologische Bildinterpretation‘)  Welche Informationen über die Vergangenheit kann ich dem Bild entnehmen?  Wie deutet und wertet es seinen Gegenstand?  Was ist die Aussage, die ‚Botschaft‘ des Bildes?  Welche Bedeutung als Quelle hat das Bild aus heutiger Sicht?“743 Es können bei der Bildinterpretation auch Schwerpunkte gesetzt werden. Zusätzlich können auch die Darstellungsmittel der KünstlerInnen besprochen werden. Auch hier liefert Sauer ein Modell, das nach ‚Gattung und Darstellungstechnik‘, ‚inhaltlichem Bildtypus‘, ‚Größe und Präsentationsform‘, ‚Komposition‘, ‚Perspektive‘, ‚Proportionen‘, ‚Lichtführung‘, ‚Farbigkeit‘ und ‚Figurendarstellung‘ gegliedert ist.744

742 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 197. 743 Ebd. 744 Ebd., S. 198.

Seite 173 4. Konkretisierung der Stundenplanungen

4.1. Konkretisierung der ersten Doppelstunde Das Thema der ersten Doppelstunde behandelt die Stellung der Frau im 19. Jahrhundert. In weiterer Folge soll ein Gegenwartsbezug hergestellt werden. Die Lehrperson schreibt das Schlagwort „Gleichberechtigung“ an die Tafel und stellt den SchülerInnen die Frage: „Welche Dinge fallen euch zur weiblichen Gleichberechtigung ein und kennt ihr Unterschiede zwischen der damaligen und der heutigen Stellung der Frau?“ Während die SchülerInnen erste Überlegungen anstellen, übernimmt die Lehrperson die Moderation und hält wichtige Erkenntnisse an der Tafel fest. So entsteht ein Mind-Map, welches von den SchülerInnen stichwortartig in ihre Schulhefte übertragen werden soll.

Im Anschluss an diese Einführung soll die Erkenntnis gewonnen werden, dass der Stellenwert der Frau im 19. und im 21. Jahrhundert stark voneinander abweicht. Die SchülerInnen erhalten von der Lehrperson das Arbeitsblatt 1, bei dem sie gesetzliche Regelungen aus dem Jahr 1811 mit dem Jahr 2018 vergleichen sollen. Somit erfolgt eine Quellenarbeit der SchülerInnen, welche die Unterschiede zwischen damals und heute nochmals hervorheben soll. Zudem sollen die SchülerInnen anhand der Gesetze die Stellung der Frau erkennen. Das Aufgabenblatt 1 umfasst fünf Fragen, die durch die selbstständige Quellenarbeit beantwortet werden sollen. Für die SchülerInnen wird somit auch ein Gegenwartsbezug zum Thema der weiblichen Gleichberechtigung hergestellt. Die Lehrperson greift ausschließlich unterstützend ein und gibt anregende Tipps zum Verständnis der Gesetze. Nach kurzen Überlegungen in Einzelarbeit sollen die SchülerInnen in einer Partnerarbeit die festgehaltenen Ergebnisse miteinander vergleichen und dadurch selbst neue Erkenntnisse gewinnen. Die SchülerInnen sollen besprechen, welche Stellung die Frau in den unterschiedlichen Jahrhunderten hatte und in welchen Punkten diese zwischen damals und heute abweicht.

In der zweiten Stunde werden die Ergebnisse im Plenum besprochen. Dadurch können einerseits wichtige Erkenntnisse festgehalten und andererseits Unklarheiten ausgeräumt werden. Die Lehrperson übernimmt erneut die Funktion des/r Moderators/in und schreibt wichtige Stichworte an die Tafel, damit die SchülerInnen diese in ihre Unterlagen (Arbeitsblatt) aufnehmen können.

Seite 174 Da die SchülerInnen nun bereits zentrale Unterschiede der damaligen und heutigen Situation der Frau kennengelernt haben, soll deutlich werden, dass diese Änderungen Teil eines langjährigen Prozesses waren. Dazu wird das Video „100 Jahre Frauenwahlrecht“ gemeinsam angesehen. Die SchülerInnen erfahren somit etwas über die schlechten Lebensumstände der Menschen und welche einzelnen Schritte zur rechtlichen Besserstellung für Frauen, aber auch für Männer unternommen wurden. Sie sind dazu angehalten, wichtige Informationen oder etwaige Fragen zu notieren. Diese Ergebnisse können den gesetzlichen Änderungen gegenübergestellt werden, wodurch bei den SchülerInnen ein Verständnis der Prozesshaftigkeit entstehen sollte. Gegebenenfalls kann/muss das Video noch ein zweites Mal abgespielt werden.

Die Inhalte aus den Gesetzestexten und dem Video ergeben – in aller Kürze – eine gute Abbildung der Frauenemanzipation vom 19. Jahrhundert bis heute. Die wichtigsten Erkenntnisse sollen am Ende der Stunde im Plenum wiederholt werden, um sicher zu gehen, dass alle SchülerInnen die zentrale Aussage der Stundeninhalte verstanden haben.

In der ersten Doppelstunde wird der Fokus auf folgende Basiskonzepte gelegt: Belegbarkeit, Vielfalt/Diversity, Handlungsspielräume/Agency, Normen, und Verteilung.

4.2. Konkretisierung der zweiten Doppelstunde Zu Beginn der nächsten Doppeleinheit sollen nochmals die wichtigsten Erkenntnisse aus den beiden vorangegangenen Stunden reproduziert werden. Die SchülerInnen fassen dazu (unterstützt durch Fragen der Lehrperson) die zentralen Informationen zusammen.

Anschließend erhalten die SchülerInnen bildliche Darstellungen von Frauen während der Revolution 1848 auf dem Arbeitsblatt 2 und sollen die vier Fragen des Aufgabenblattes 2, nach näherer Betrachtung der Bilder, stichwortartig beantworten. Gemeinsam mit einem/r Partner/in sollen die SchülerInnen lernen, kritisch mit Darstellungen umzugehen und Fragen an diese zu stellen. Außerdem wird die Teamfähigkeit der SchülerInnen geschult und es soll die Erkenntnis reifen, dass sich Darstellungsweisen voneinander unterscheiden können. Die Lehrperson steht unterstützend zur Seite und hilft den SchülerInnen bei Unklarheiten.

Seite 175 Nach der Phase der Partnerarbeit werden die beiden Darstellungen an die Wand projiziert. Die Lehrperson liest die Fragen nacheinander vor, wobei so viele SchülerInnen wie möglich in die Beantwortung miteingebunden werden sollen. Informationen, welche von den SchülerInnen nicht herausgearbeitet werden konnten, sollten stichwortartig bei der jeweiligen Frage notiert werden.

In der zweiten Stunde des zweiten Unterrichtsblocks sollen die wichtigsten Erkenntnisse zu den Darstellungen erneut wiederholt werden, damit alle SchülerInnen sich die Ergebnisse notieren können. Nach dieser kurzen Wiederholungsphase erhalten die SchülerInnen das Arbeitsblatt 3 und das dazugehörige Aufgabenblatt 3. In Einzelarbeit sollen die SchülerInnen die Textquellen analysieren und die Fragen des Aufgabenblattes bestmöglich beantworten. Durch die Aufgabe sollen die SchülerInnen erkennen, dass Textquellen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden können und mit verschiedenen Zielen verfasst wurden.

Drei von der Lehrperson bestimmte SchülerInnen sollen im Anschluss ihre Erkenntnisse im Plenum vortragen. Die Lehrperson wiederholt in weiterer Folge die Beiträge der SchülerInnen, die von den KlassenkameradInnen ergänzt werden können. Es dürfen und sollen auch Verständnisfragen an die jeweiligen Vortragenden gestellt werden. Nach dieser Präsentationsphase wiederholen die Lehrperson und SchülerInnen gemeinsam die zentralen Informationen zum Einsatz der Frauen während der Revolution 1848, wodurch eine Ergebnissicherung durchgeführt werden soll.

In der zweiten Doppelstunde wird der Fokus auf folgende Basiskonzepte gelegt: Perspektive, Vielfalt/Diversity, Handlungsspielräume/Agency, Struktur und Arbeit.

4.3. Konkretisierung der dritten Doppelstunde In der dritten Doppelstunde befassen sich die SchülerInnen mit dem Thema „Frau – Macht – Politik.“ Das zentrale Stundenziel ist es, dass die SchülerInnen erkennen, wie Frauen in den unterschiedlichen Zeitepochen aktiv an der Entwicklung ihrer Umwelt beteiligt waren/sind, welche Macht sie innehatten/innehaben, und wie sie sinnvoll davon Gebrauch machen konnten/können.

Die Lehrperson schreibt vier Namen an die Tafel: Kaiserin Maria Theresia – Kaiserin Elisabeth – Kronprinzessin Victoria – Herzogin Catherine. Nach kurzer Überlegung

Seite 176 werden die SchülerInnen der Reihe nach dazu aufgefordert, bereits bekannte Informationen zu äußern, welche die Lehrperson an der Tafel festhält. Es ist durchaus möglich, dass die SchülerInnen eine der Frauen nicht kennen – besonders wahrscheinlich ist das bei Kronprinzessin Victoria – weshalb die Lehrperson in diesem Fall unterstützend und erklärend eingreifen muss. Damit die SchülerInnen auch einen Nutzen aus dem gesammelten Vorwissen ziehen können, werden die Notizen in das Heft übertragen. Die SchülerInnen sollen so an das Thema herangeführt werden und ein Interesse dafür entwickeln.

Anschließend teilt die Lehrperson die SchülerInnen in vier Gruppen ein und erklärt den Arbeitsauftrag. Jede Gruppe erhält den Namen einer Frau als Untersuchungsobjekt und die Lehrperson geht mit den SchülerInnen geschlossen in den Computerraum. Die SchülerInnen sollen Informationen über die jeweilige Frau im Internet suchen und sammeln, um im Anschluss eine kurz Präsentation (5-10 Minuten) für die MitschülerInnen halten zu können. Auf den Arbeitsblättern sind jeweils hilfreiche Internetseiten aufgelistet.

Die SchülerInnen sollen den hierarchischen Rang und die Stellung am Hof der zugeteilten Persönlichkeit ermitteln und abschließend kurz die wichtigsten biographischen Stationen zusammenfassen. Besonders wichtig ist, dass die SchülerInnen herausfinden, inwieweit die Frau politisch und wohltätig aktiv war/ist und inwiefern sie sich Freiräume am Hof schaffen konnte/kann. Zudem soll untersucht werden, ob die betreffende Person sich für die Emanzipation der Frauen einsetzte/einsetzt. Wie auf dem Arbeitsblatt bereits vermerkt ist, kann es durchaus sein, dass nicht alle Fragen zu jeder Frau beantwortet werden können. In diesem konkreten Fall sollen sich die SchülerInnen Gedanken machen, welche Gründe es dafür geben könnte. Dadurch sollen sie beispielsweise erkennen, dass Kaiserin Elisabeth nur in wenigen Fällen wohltätig war und ihr Interesse ihren Freizeitaktivitäten galt.

Die SchülerInnen sollen lernen, Informationen im Internet zu sammeln und die Quellen kritisch zu hinterfragen. Des Weiteren soll die Teamfähigkeit gestärkt werden. Die Lehrperson steht den SchülerInnen in der Zeit der Erarbeitung unterstützend zur Seite.

Nachdem die SchülerInnen alle Informationen gesammelt haben werden die Ergebnisse kurz der Klasse präsentiert. Ob die SchülerInnen als Hilfsmittel ein Plakat

Seite 177 oder eine Power-Point-Präsentation verwenden, können die Gruppen jeweils individuell entscheiden. Die SchülerInnen sollen ihre Präsentationsfähigkeiten verbessen, Wissen über verschiedene Frauen erwerben und erkennen, dass Frauen in jeder Epoche auf eine bestimmte Art und Weise für ihre Gleichstellung aktiv werden konnten/können. Nach jeder Präsentation fasst die Lehrperson die Ergebnisse zusammen, welche die SchülerInnen für eine Ergebnissicherung notieren sollen.

In der dritten Doppelstunde wird der Fokus auf folgende Basiskonzepte gelegt: Handlungsspielräume/Agency und Macht.

4.4. Reflexion der Unterrichtseinheiten Für alle geplanten Unterrichtseinheiten können gewisse Reflexionsfragen stellvertretend in diesem kurzen Absatz festgehalten werden. Die Lehrperson muss darauf achten, dass Fragen und Arbeitsaufträge klar formuliert und von allen SchülerInnen verstanden werden. Während der einzelnen Arbeitsphasen (Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit, Wortmeldungen im Plenum etc.) muss die Lehrperson dafür Sorge tragen, dass alle SchülerInnen sich aktiv in den Unterricht einbringen und die wichtigsten Ergebnisse notiert werden. Die Lehrperson sollte darauf achten, dass die SchülerInnen die Kernaussagen der Darstellungen/Quellentexte etc. erkennen und verarbeiten können. Bei Problemen muss die Lehrperson auf die SchülerInnen zugehen und ihnen durch Hilfestellung die Erarbeitung der Informationen erleichtern. Außerdem sollten nicht immer dieselben SchülerInnen in Partner- oder Gruppenarbeiten kooperieren. Dazu kann die Lehrperson die Teams auch zufällig (Abzählen, alphabetisch etc.) zusammenstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass einerseits nicht immer nur eine Person im Team arbeitet und andererseits die Teamfähigkeit der SchülerInnen geschult wird. Durch Wiederholung der Inhalte soll überprüft werden, ob die SchülerInnen zentrale Aussagen gelernt und verstanden haben. Bei den Wortmeldungen der SchülerInnen muss die Lehrperson darauf achten, dass die SchülerInnen laut, deutlich und in ganzen Sätzen sprechen. Hier bietet es sich an, die SchülerInnen bei Wortmeldungen aufstehen zu lassen und sie gegebenenfalls dazu zu ermutigen, ihre Meinung kund zu tun. Die anderen SchülerInnen sollen sich Notizen machen und ruhig sein, um den Vortragenden eine gewinnbringende Präsentationserfahrung zu ermöglichen. Wiederholungen am

Seite 178 Anfang und am Ende jeder Stunde sollen das Wissen der SchülerInnen aktivieren beziehungsweise festigen und ihnen neue Sachverhalte verständlich machen.

Zudem sollte noch kurz reflektiert werden, warum gerade diese Quellen und Materialien in der Planung verwenden wurden. Die Verwendung der gesetzlichen Regelungen von 1811 und 2018 während der ersten Unterrichtseinheit, verdeutlichen wie der Staat über die Stellung von Mann und Frau dachte/denkt. Daher erschien es auch sinnvoll diese Unterscheidung mit den SchülerInnen zu erarbeiten.

Die beiden bildlichen Darstellungen der zweiten Doppelstunde sollen den SchülerInnen aufzeigen, dass Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und geschaffen werden können. Die SchülerInnen sollen erkennen, dass die Frau in der ersten Abbildung als starkes Individuum dargestellt wird, wohingegen der Mann in der zweiten Abbildung als starkes Wesen abgebildet wird, während die Frau sexualisiert wird.

In weiterer Folge wird mit Textquellen gearbeitet, die wiederum die unterschiedlichen Blickwinkel und Ansichten widerspiegeln. Die SchülerInnen sollen durch die Quellen die verschiedenen Standpunkte der Gesellschaft erkennen.

In der dritten Doppelstunde wird der Gruppenauftrag unter Zuhilfenahme des Internets bearbeitet. Es erscheint als besonders wichtig, dass die neuen Medien in den Unterricht eingebunden werden und die SchülerInnen ihre Recherchefähigkeiten erweitern können.

Seite 179 5. Stundenplanungen, Arbeits- und Aufgabenblätter

5.1. Planung der ersten Doppelstunde Schule/Klasse: 6 Klasse Oberstufe

Arbeitszeit: Doppelstunde (100 Minuten)

Thema der Stunde: Stellung der Frau im 19 Jahrhundert mit einem Gegenwartsbezug

Zentrale Stundenziele und Lehrplanbezug: Die SchülerInnen sollen erkennen, dass die Frau im 19. Jahrhundert einen anderen Stellenwert hatte, als in der heutigen Zeit. Es sollen durch die gesetzlichen Textquellen von damals und heute Unterschiede herausgearbeitet werden, die den SchülerInnen neue Erkenntnisse bezüglich der Frauenemanzipation bringen sollen. Durch den Input des Videos, sollen die SchülerInnen einen Überblick erhalten, der gemeinsam mit den Gesetzestexten zu einem besseren Verständnis der weiblichen Gleichstellung als Prozess führen soll.

Zeit Lehr- u. Hist./Pol.bild. Inhalt / The- Organisati- Quellen bzw. Geschichtsdarstel- Tätigkeiten Tätigkei- Fragen Lernziele Kompetenz(en) & ma onsform: lungen & Lernmedien der Leh- ten der zur Basiskonzept(e) Sozialformen renden Lernen- (Selbst-) & Methoden den Reflexi- on Einstieg / Erschließung / Motivation / Interesse / Problematisierung Vorwissen Historische Stellung der Arbeiten im Tafel Die Lehr- zuhören, Werden aktivieren Sachkompetenz Frau im 19 Plenum: Es Schlagwort: Gleichberechtigung person erste die SuS 5-10 Jahrhundert wird das früher/heute übernimmt Überle- zuhören, Minu- Einführung Basiskonzept: mit einem Schlagwort die Modera- gungen mitden- ten zum Thema Verteilung Gegenwarts- Gleichberech- tion anstellen ken und bezug tigung auf die und diese mitarbei- Input Tafel ge- Schreibt das auch äu- ten? Die SUS er- schrieben genannte ßern halten einen Schlagwort SuS sollen

Seite 180 ersten Input auf die Tafel das Mind- zum Thema map in das Gleichstellung Heft über- der Frau tragen Erarbeitung / Problemlösung SuS sollen Historische Gesetzliche Einzelarbeit Arbeitsblatt mit den gesetzlichen Lehrperson Arbeits- Können Unterschiede Methodenkompetenz, Stellung der mit anschlie- Regelungen von 1811 und 2018 greift gege- blatt wird die SuS 40 zwischen Orientierungskompe- Frau im 19. ßender Part- benenfalls selbst- die Ge- Minu- den gesetzli- tenz Jahrhundert nerarbeit unterstüt- ständig setze von ten chen Rege- im Vergleich zend ein bearbeitet 1811 lungen von mit den ge- lesen? 1811 und setzlichen Gemein- den Ansich- Basiskonzepte: Grundlagen im sam mit ten von heu- Normen, Belegbarkeit 21. Jahrhun- Sitznach- te erkennen dert barIn ver- gleichen SuS befas- Das Arbeits- und vor- sen sich mit blatt gibt einen läufige Quellen aus gesetzlichen Ergebnis- dem rechtli- Überblick über se austau- chen Bereich die Stellung schen der Frau Es soll ein Gegen- wartsbezug hergestellt werden Festigung / Zusammenfassung / Ergebnissicherung Gemeinsam Historische Gesetzliche gemeinsame Bei Bedarf: Tafel für Notizen Lehrperson Die SuS Können sollen alle Sachkompetenz Stellung der Besprechung beantwortet sollen ihre die SuS 15-20 Unklarheiten Frau im 19. im Plenum Fragen und gewonne- ihre Er- Minu- beseitigt Jahrhundert übernimmt nen Er- kenntnis- ten werden Basiskonzepte: im Vergleich die kenntnisse se inner- Normen, Belegbarkeit mit dem 21. Moderation im Plenum halb der Die SuS Jahrhundert erläutern Klasse sollen die äußern? Erkenntnis gewinnen,

Seite 181 dass die Stellung der Frau 1811 eine andere war, als sie 2018 ist Erarbeitung / Problemlösung Die SuS Historische Fraueneman- Gemeinsam im Video: 100 Jahre Frauenwahlrecht Die Lehr- Die SuS Ist das 15-20 sollen einen Sachkompetenz zipation im 19. Plenum wird (Link für das Video: person stellt sollen Video für Minu- Überblick und 20. Jahr- das Video https://www.youtube.com/watch?v=t am Compu- aufmerk- alle SuS ten über die Basiskonzepte: hundert angeschaut PdqXFUnF3c) ter das Vi- sam das verständ- Situation der Vielfalt/Diversity, deo bereit Video lich? Frauen und Handlungsspielräu- mitverfol- der rechtli- me/Agency, gen und chen Bes- sich serstellung Stichwör- im Laufe der ter notie- Jahrhunderte ren erhalten gegebe- Sie sollen nenfalls lernen, dass sollen es nicht im- auch Fra- mer selbst- gen notiert verständlich werden war, dass Frauen z.B wählen ge- hen konnten Festigung / Zusammenfassung / Ergebnissicherung Die SuS Historische Fraueneman- Im Plenum Tafel für Notizen Die Lehr- Die SuS Arbeiten 10-15 sollen er- Sachkompetenz zipation im 19. werden die person fasst sollen die die SuS Minu- kennen, Jahrhundert Ergebnisse das Video wichtigs- mit? ten dass sich die Basiskonzepte: besprochen kurz zu- ten Punkte Situation der Vielfalt/Diversity, SuS festigen sammen des Vi- Frauen in Handlungsspielräu- ihr Wissen und ver- deos her- den letzten me/Agency, sucht ge- ausarbei- Jahrhunder- meinsam ten und

Seite 182 ten geändert mit den SuS sich Noti- hat und die die wichtigs- zen ma- wichtigsten ten Punkte chen Punkte her- herauszuar- ausfinden beiten

Seite 183 Aufgabenblatt 1: Arbeiten mit Gesetzen von 1811 und 2018

1) Benenne, wer der Verfasser dieser Quelle sein könnte und wann, wo und in welchem Zusammenhang der Text verfasst wurde.

2) Nenne, um welche Art von Quelle es sich handelt und welche Aussagen und Erkenntnisse von dieser erwartet werden können.

3) Beschreibe, welche Stellung und Position die Frauen laut dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 in der Gesellschaft haben sollten. Erläuterte, in welchem Verhältnis Mann und Frau laut diesem Gesetz stehen. Finde die Kernaussage der unterschiedlichen Paragraphen heraus.

4) Erkläre, wie die gesetzliche Situation 2018 ist und fasse die Kernaussagen zusammen.

5) Vergleiche die gesetzlichen Bestimmungen von damals mit heute. Arbeite die Unterschiede oder Parallelen heraus.

Seite 184 Arbeitsblatt 1: Arbeiten mit Gesetzen Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von 1811 In dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) von 1811 wird der rechtliche Rahmen für Familien in Österreich festgelegt. Um eine Differenzierung innerhalb der Bevölkerung vornehmen zu können, wird eine Einteilung nach Kriterien wie Religion, Region, Stand und Geschlecht vorgenommen.745 Besonders beim Thema Familienrecht nimmt das Unterscheidungsmerkmal ‚Geschlecht‘ einen großen Stellenwert ein.746

§. 1241. „In dringenden Fällen oder bey Gefahr eines Nachtheiles, kann dem Ehemanne die Ver- waltung des Vermögens, Abbildung 1 selbst wenn sie ihm ausdrück-

lich und auf immer verwilliget worden wäre, abgenommen werden. Hingegen ist auch er

befugt, der unordentlichen

Wirthschaft seiner Gattinn Einhalt zu thun, und sie unter

den gesetzlichen Vorschriften sogar als Verschwenderinn

erklären zu lassen.“

Abbildung 3

Abbildung 2

• Abbildung 1 und Abbildung 2: Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesamten deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie, 1811, [http://digital.bib- bvb.de/view/bvbmets/viewer.0.6.2.jsp?folder_id=0&dvs=1526557862111~699&pid=1169136&locale=de&usePid1=tru e&usePid2=true#], S. 32 – 33, eingesehen am 12. Mai 2018. • Abbildung 3: Repertorium digitaler Quellen zur österreichischen Rechtsgeschichte in der Frühen Neuzeit, Allgemeines Österreichisches Bürgerliches Gesetzbuch. Wien 1811 2013, [http://repoestrg.info/wp/abgb-1811/#2.28], eingesehen am 12. Mai 2018.

745 Gabriella Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik 49), Wien 1990, S. 22. 746 Gabriella Hauch, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, in: Ma- ria Mesner/Hildegard Steger-Mauerhofer (Hrsg.), Der Tod der Olympe de Gouges. 200 Jahre Kampf um Gleichberechtigung und Grundrechte, Wien 1994, S. 27 – 43, hier S. 29.

Seite 185 Wie ist die Situation im Jahr 2018 geregelt? Seit dem Staatsgrundgesetz von 1867 gilt der Gleichheitsgrundsatz in Österreich als Verfassungsgebot. 1920 hält die österreichische Bundesverfassung Folgendes zur Gleichberechtigung fest747: Im Artikel 2 des Staatsgrundgesetzes lassen sich folgende Zeilen finden: „Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich.“ Im Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes wird folgender Zusatz ausgeführt: „(1) Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. (2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig. (3) Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringt. Gleiches gilt für Titel, akademische Grade und Berufsbezeichnungen. (4) Den öffentlichen Bediensteten, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres, ist die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet.“ Im Artikel 14 für Europäische Menschenrechtskonvention wird folgendes verlautet: „Der Genuss der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ist ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die insbesondere im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist.“

Quelle: Alle Informationen wurden aus der Homepage des Bundeministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz entnommen.

747 Die einzelnen Artikel wurden aus folgender Quelle entnommen: Bundeskanzleramt Österreich (Hrsg.), Bundeministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Verfassungs- rechtliche Grundlagen für die Gleichbehandlung, o.D., [https://www.bmgf.gv.at/home/Frauen_Gleichstellung/Gleichbehandlung/Rechtliches/Verfassungsrecht liche_Grundlagen_fuer_die_Gleichbehandlung], eingesehen am 12. Mai 2018.

Seite 186 5.2. Planung der zweiten Doppelstunde Schule/Klasse: 6. Klasse Oberstufe

Arbeitszeit: Doppelstunde (100 Minuten)

Thema der Stunde: Frauenbewegung und das Schaffen der Frauen in der Revolution von 1848

Zentrale Stundenziele und Lehrplanbezug: Die SchülerInnen sollen mit verschiedenen Quellen arbeiten und erkennen, dass Frauen maßgeblich an der Revolution beteiligt waren. Anhand von Bildquellen soll herausgefunden werden, dass es unterschiedliche Darstellungsweisen eines Ereignisses gibt. Mittels Textquellen sollen die verschiedenen Ansichten herausgearbeitet werden.

Zeit Lehr- u. Hist./Pol.bild. Inhalt / Thema Organisati- Quellen bzw. Geschichtsdar- Tätigkeiten Tätigkeiten Fragen zur Lernziele Kompetenz(en) & onsform: stellungen & Lernmedien der Leh- der Ler- (Selbst-) Basiskonzept(e) Sozialformen renden nenden Reflexion & Methoden Einstieg / Erschließung / Motivation / Interesse / Problematisierung Wiederho- Historische Frauenbewe- Im Plenum Lehrperson SuS sollen Können sich 15 lung der Sachkompetenz gung wird das The- fasst ge- das erwor- die SuS er- Minu- wichtigsten ma der letzten meinsam mit bene Wis- innern? ten Punkte der Basiskonzepte: SuS sollen ei- Stunde wie- den SuS die sen wie- letzten Stun- Vielfalt/Diversity, nen kurzen derholt letzte Stun- derherstel- de Handlungsspiel- Überblick erhal- de zusam- len und räume/Agency ten men und gemeinsam SuS sollen stellt Fragen mit der ihr Vorwissen Lehrperson aktivieren die wich- tigsten Erkenntnis- se zusam- menfassen Erarbeitung / Problemlösung SuS sollen Historische Frauen in der Gemeinsam in Arbeitsblatt mit den Bildquellen Lehrperson SuS sollen Können die das kritische Methodenkompe- Revolution 1848 Partnerarbeit und der Aufgabenstellung teil ein Ar- eine Analy- SuS den

Seite 187 20 Arbeiten mit tenz, Fragekompe- wird das Ar- beitsblatt se der vor- Unterschied Minu- Quellen ver- tenz Quellenarbeit beitsblatt be- aus und gibt liegenden der beiden ten bessern und mit bildlichen arbeitet bei Fragen Bildquellen Quellen er- trainieren Basiskonzepte: Darstellungen Hilfestellung vornehmen kennen? Arbeit, Struktur SuS sollen ihre Teamfä- higkeit ver- bessern

SuS sollen erkennen, dass es Un- terschiede in den Darstel- lungsweisen gibt Festigung / Zusammenfassung / Ergebnissicherung SuS sollen Historische Frauen in der Im Plenum Bildquellen, Beamer, damit die Lehrperson SuS sollen Arbeiten die ihre Sprache Sachkompetenz Revolution 1848 werden die Quellen projiziert werden kön- projiziert die die Ergeb- SuS mit? 20 und Kommu- Quellenarbeit Ergebnisse nen Bildquellen nisse ge- Minu- nikation Basiskonzepte: mit bildlichen des Arbeits- an eine meinsam in ten schulen Arbeit, Struktur Darstellungen auftrages zu- Wand der Klasse sammengetra- zusammen- Ergebnisse gen Lehrperson tragen und sollen gefes- soll darauf ihr Arbeits- tigt werden achten, dass blatt ergän- alle SuS zen mitarbeiten Erarbeitung / Problemlösung SuS sollen Historische Quellen über die Einzelarbeit Arbeitsblatt mit den Textquel- Lehrperson SuS befas- Erkennen die 20 erkennen, Methodenkompe- Emanzipation len teilt das sen sich mit SuS die Minu- dass es un- tenz, Fragekompe- im 19. Jahrhun- Arbeitsblatt den Text- Kernaussage ten terschiedli- tenz dert aus und quellen der Textquel- che Perspek- bietet Hilfe- len? tiven gib Basiskonzepte: Textquellen mit stellung Perspektive Äußerungen Es gilt, diese über die Eman-

Seite 188 Sichtweisen zipationsbestre- hinsichtlich bungen der der Frauen- Frauen bewegung zu erkennen Festigung / Zusammenfassung / Ergebnissicherung 25 SuS sollen Historische Quellenarbeit Drei SuS prä- Notizen der SuS Lehrperson Drei SuS Werden die Minu- ihre Präsen- Sachkompetenz über die Frau- sentieren ihre sucht drei präsentie- Ergebnisse ten tationstech- enbewegung Ergebnisse SuS aus ren ihre der SuS niken ver- Basiskonzept: Ergebnisse verständlich bessern und Perspektive Gemeinsames Sorgt für vorgetragen? ihre Sprache Arbeiten im Ruhe SuS verfol- schulen Plenum gen die Fasst ab- Präsentati- SuS sollen schließend on und ihren Mit- das Wich- vervoll- schülerInnen tigste der ständigen verständlich letzten gegebe- Informatio- Stunden nenfalls nen vermit- zusammen teln

Festigung des Themas

Wiederho- lung der letz- ten Stunden

Seite 189 Aufgabenblatt 2: Bildern der Revolution 1848

1) Schildere, welchen Eindruck die beiden Bilder auf dich machen und beschreibe anschließend genau (Personen, Gegenstände, Landschaften usw.), was auf den Bildern abgebildet ist.

2) Erkläre, um welche Art von Zeugnissen es sich bei den Darstellungen handelt, welches Thema und welchen Inhalt die beiden haben.

3) Arbeite heraus, welche Informationen über die Vergangenheit aus den Bilder entnommen werden können und beurteile, was die Aussage, die ‚Botschaft‘, der Bilder ist.

4) Vergleiche die beiden Bilder und arbeite die Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus.

Seite 190 Arbeitsblatt 2: Frauenengagement in der Wiener Revolution 1848

Abbildung 1 Abbildung 2

Abbildung 1: „Hier ist der Sitz der Volkssouveränität. Merkt’s euch!“, in: Gabrielle Hauch, Blumenkranz und Selbstbewaffnung. Frauenengagement in der Wiener Revolution 1848, in: Helga Grubitzsch/Hannelore Cyrus/Elke Haarbusch (Hrsg.), Grenzgängerinnen. Revolutionäre Frauen im 18. und 19. Jahrhundert. Weibliche Wirklichkeit und männliche Phantasien (Geschichtsdidaktik. Studien, Materialien 33), Düsseldorf 1995, S. 93 – 133, hier S. 104. Entnahm dies aus: Kurt Melach, 1848. Protokolle einer Revolution, Wien 1968, S. 95.

Abbildung 2: „Die Barricaden in Wien am 26. May 1848“ ein Aquarell von Johann Christian Schoeller (1848), in: Gabriella Hauch, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, in: Maria Mesner/Hildegard Steger- Mauerhofer (Hrsg.), Der Tod der Olympe de Gouges. 200 Jahre Kampf um Gleichberechtigung und Grundrechte, Wien 1994, S. 27 – 43, hier S. 33.

Seite 191 Aufgabenblatt 3: Arbeiten mit Textquellen

1) Benenne, wer der Verfasser dieser Quelle sein könnte und wann, wo und in welchem Zusammenhang die Zeilen unter Umständen geäußert wurden. Um welche Art von Quelle handelt es sich?

2) Beschreibe, was die Quellenausschnitte ausdrücken und gehe auf die unterschiedlichen Sichtweisen ein.

3) Vergleiche die Aussagen miteinander und arbeite die Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus.

Seite 192 Arbeitsblatt 3: Arbeiten mit Textquellen

Zitat aus der Frauen-Zeitung von Louise Otto 1849, Nr. 5, Blick in die Runde: „Eine Jungfrau deren Bräutigam, ein Turner, am ersten Tage gefallen war, hat eine Barrikade drei Tage lang mit Löwen-Mut verteidigt und mit ihrem Pistol viele Soldaten niedergeschossen, bis sie selbst von einer feindlichen Kugel gefallen ist. Man erzählt noch von anderen Mädchen, die im persönlichen Kampf als wahre Heldinnen und durch ihr Beispiel die Männer begeistert haben“748

Zitat aus dem Unterhaltungsblatt, der Beilage zur Regensburger Zeitung von 1843, Nr. 20: „Gewiß, bald wird es keine Frauen mehr geben! – Sie wollen mit aller Gewalt zu dem männlichen Geschlechte übergeben. Schon helfen sie zu politischen Umwälzungen, […] thun es in allen Verhältnissen an Dreistigkeit den Männern nach und zuvor, eignen sich deren Rechte an und rauchen dazu ganz wohlgemuth ihre Cigarre.“749

Zitat aus Georgine. Die Arbeiterinnen, in: Frauen-Zeitung von Louise Otto, 1849, Nr. 11: „[…] lassen wir uns aber durch das Geschrei der ‚am alt Hergebrachten‘ festhängenden Mengen über Emanzipation nicht irre machen, verlieren wir den Mut nicht, wenn man uns lächerlich zu machen sucht, sondern legen wir kräftig Hand an, um die veralteten Schranken niederzureißen. […] Viele werden mit entgegenhalten, daß es in diesen unruhigen Tagen nicht an der Zeit sei, solche Neuerungen und Reformen zu beginnen, doch ich halte die Jetztzeit gerade für die passendste, weil die Not der Arbeiterinnen jetzt einen so hohen Grad erreicht hat, daß Zögerung Sünde wäre […]“750

748 Ute Gerhard, Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Hamburg 1990, S. 54. 749 Unterhaltungsblatt, als Beilage zur Regensburger Zeitung 1843, Nr. 20, S. 428. 750 Ute Gerhard, Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Hamburg 1990, S. 66.

Seite 193 5.3. Planung der dritten Doppelstunde Schule/Klasse: 6 Klasse Oberstufe

Arbeitszeit: Doppelstunde (100 Minuten)

Thema der Stunde: Frau – Macht – Politik

Zentrale Stundenziele und Lehrplanbezug: Die SchülerInnen sollen erkennen, dass bestimmte Frau in den unterschiedlichen Zeitepochen aktiv an ihrer Umwelt beteiligt waren und sehr wohl auch Macht innehatten, die sie, wenn sie wollten, sinnvoll nützten konnten.

Zeit Lehr- u. Hist./Pol.bild. Inhalt / Thema Organisati- Quellen bzw. Geschichtsdar- Tätigkeiten Tätigkeiten Fragen zur Lernziele Kompetenz(en) & onsform: stellungen & Lernmedien der Leh- der Lernen- (Selbst-) Basiskonzept(e) Sozialformen renden den Reflexion & Methoden Einstieg / Erschließung / Motivation / Interesse / Problematisierung SuS sollen Historische Frau – Macht – Blitzlicht Tafel Lehrperson SuS nennen Kennen die in das Sachkompetenz Politik schreibt die Schlagwörter SuS die 15-20 Thema Namen an zu den be- genannten Minu- eingeführt Basiskonzepte: Überblick über die Tafel: treffenden Frauen? ten werden Macht, Handlungs- die Tätigkeiten Kaiserin Frauen spielräume/ Agency der einzelnen Maria The- SuS sollen Frauen resia – Gesammelte einen kur- Kaiserin Informatio- zen Ein- Elisabeth – nen in das druck von Kronprin- Heft übertra- den unter- zessin Vic- gen schiedli- toria – Her- chen Frau- zogin Cat- en be- herine (Ka- kommen te Middle- ton)

Sie fordert

Seite 194 die SuS nach der Reihe auf, Schlagwör- ter zu den Frauen zu sagen

Sie notiert diese an der Tafel

Sie bietet Erklärun- gen, falls die SuS eine der Frauen nicht ken- nen Erarbeitung / Problemlösung Die SuS Historische Frau – Macht – Expertengrup- Computerraum oder Lap- Erklärt kurz SuS bearbei- Verstehen lernen, Sachkompetenz Politik pen top/Tablet der SuS den Ar- ten gemein- sich alle Informatio- beitsauftrag sam mit ihren SuS in der ca. 50 nen im Basiskonzepte: Fachwissen zu Es werden vier und teilt Gruppenmit- Gruppe Minu- Internet zu Macht, Handlungs- einer der Frau- Gruppen für SuS in gliedern den und werden ten sammeln spielräume/ Agency en eine Gruppen- Gruppen Arbeitsauf- alle in die und erhal- arbeit gebildet ein trag Arbeit inte- ten Exper- griert? tenwissen Jede Gruppe Passt auf, über je- beschäftigt dass alle weils eine sich mit einer aufmerk- Frau der genannten sam sind Frauen Teamfä- higkeit wird gestärkt Festigung / Zusammenfassung / Ergebnissicherung

Seite 195 35-40 Trainieren Historische Frau – Macht – Ergebnissiche- SuS können ihre Ergebnisse Lehrperson SuS stellen Haben die von Prä- Sachkompetenz Politik rung und Zu- entweder mit Plakat, PPP prä- nimmt eine gemeinsam SuS die sentations- sammenfas- sentieren moderie- mit ihrer wichtigsten situationen Basiskonzepte: Es wird durch sung von dem rende Rolle Gruppe die Fakten Macht, Handlungs- die Präsentati- erarbeiteten ein Ergebnisse herausge- SuS schaf- spielräume/ Agency onen ein Über- Wissen (ca. 5-10 funden und fen es, das blick über Nach jeder Minuten) vor sind sie wichtigste Frauen aus den Präsentati- fähig, diese Zusam- unterschied- on werden Der restliche gemeinsam menzufas- lichsten Jahr- die Ergeb- Teil der zu präsen- sen hunderten ge- nisse zu- Klasse no- tieren? geben sammenge- tiert sich die SuS haben fasst und wichtigsten Wissen notiert Dinge über die vier ver- schiedenen Frauen erworben und er- kannt, dass Frauen in jeder Epo- che auf eine be- stimmte Art und Weise Macht er- halten kann/konnt e

Seite 196 Arbeitsblatt 4: Machtausübung durch Frauen

Machtausübung von Frauen: Kaiserin Maria Theresia – Kaiserin Elisabeth – Kronprinzessin Victoria – Herzogin Catherine

Aufgabenstellung: Beantwortet die gestellten Fragen und arbeitet gemeinsam in der Gruppe eine Präsentation von ca. 5-10 Minuten aus. (ACHTUNG: Es ist durchaus möglich, dass für Fragen keine Ergebnisse zu finden sind. Überlegt in diesem Fall, welche Gründe das haben könnte)

Gruppe 1: Kaiserin Maria Theresia

• Ermittelt den hierarchischen Rang von Maria Theresia und ihre Stellung am Hof. • Beschreibt kurz die wichtigsten biographischen Stationen von Maria Theresia (Geburt, Hochzeit, Kinder, Erneuerungen, usw.). • Untersucht, inwieweit Maria Theresia politisch aktiv sein und inwiefern sie sich Freiräume am Hof schaffen konnte. • Arbeitet Maria Theresias Einsatz für die Emanzipation der Frauen heraus. • Beurteilt, ob Maria Theresia einen Beitrag für das Allgemeinwohl leistete und notiert die wichtigsten Punkte.

Nützliche Internetseiten:

• www.habsburger.net • www.aeiou.at

Seite 197 Machtausübung von Frauen: Kaiserin Maria Theresia – Kaiserin Elisabeth – Kronprinzessin Victoria – Herzogin Catherine

Aufgabenstellung: Beantwortet die gestellten Fragen und arbeitet gemeinsam in der Gruppe eine Präsentation von ca. 5-10 Minuten aus. (ACHTUNG: Es ist durchaus möglich, dass für Fragen keine Ergebnisse zu finden sind. Überlegt in diesem Fall, welche Gründe das haben könnte)

Gruppe 2: Kaiserin Elisabeth

• Ermittelt den hierarchischen Rang von Elisabeth und ihre Stellung am Hof. • Beschreibt kurz die wichtigsten biographischen Stationen von Elisabeth (Geburt, Hochzeit, Kinder, Erneuerungen, usw.). • Untersucht, inwieweit Elisabeth politisch aktiv sein und inwiefern sie sich Freiräume am Hof schaffen konnte. • Arbeitet Elisabeths Einsatz für die Emanzipation der Frauen heraus. • Beurteilt, ob Elisabeth einen Beitrag für das Allgemeinwohl leistete und notiert die wichtigsten Punkte.

Nützliche Internetseiten:

• www.habsburger.net • www.austria-forum.org

Seite 198 Machtausübung von Frauen: Kaiserin Maria Theresia – Kaiserin Elisabeth – Kronprinzessin Victoria – Herzogin Catherine

Aufgabenstellung: Beantwortet die gestellten Fragen und arbeitet gemeinsam in der Gruppe eine Präsentation von ca. 5-10 Minuten aus. (ACHTUNG: Es ist durchaus möglich, dass für Fragen keine Ergebnisse zu finden sind. Überlegt in diesem Fall, welche Gründe das haben könnte)

Gruppe 3: Kronprinzessin Victoria (Kaiserin Friedrich*)

• Ermittelt den hierarchischen Rang von Victoria und ihre Stellung am Hof. • Beschreibt kurz die wichtigsten biographischen Stationen von Victoria (Geburt, Hochzeit, Kinder, Erneuerungen, usw.). • Untersucht, inwieweit Victoria politisch aktiv sein und inwiefern sie sich Freiräume am Hof schaffen konnte. • Arbeitet Victorias Einsatz für die Emanzipation der Frauen heraus. • Beurteilt, ob Victoria einen Beitrag für das Allgemeinwohl leistete und notiert die wichtigsten Punkte.

Nützliche Internetseiten:

• www.fembio.org • Dorothee Arden, Kaiserin Friedrich: https://core.ac.uk/download/pdf/14502336.pdf

*Anmerkung: Kronprinzessin Victoria nannte sich, nachdem ihr Mann Friedrich III.1888 verstarb, Kaiserin Friedrich.

Seite 199 Machtausübung von Frauen: Kaiserin Maria Theresia – Kaiserin Elisabeth – Kronprinzessin Victoria – Herzogin Catherine

Aufgabenstellung: Beantwortet die gestellten Fragen und arbeitet gemeinsam in der Gruppe eine Präsentation von ca. 5-10 Minuten aus. (ACHTUNG: Es ist durchaus möglich, dass für Fragen keine Ergebnisse zu finden sind. Überlegt in diesem Fall, welche Gründe das haben könnte)

Gruppe 4: Herzogin Catherine (Kate Middleton)

• Ermittelt den hierarchischen Rang von Catherine und ihre Stellung am Hof. • Beschreibt kurz die wichtigsten biographischen Stationen von Catherine (Geburt, Hochzeit, Kinder, Erneuerungen, usw.). • Untersucht, inwieweit Catherine politisch aktiv ist und inwiefern sie sich Freiräume am Hof schafft. • Arbeitet Catherines Einsatz für die Emanzipation der Frauen heraus. • Beurteilt, ob Catherine einen Beitrag für das Allgemeinwohl leistet und notiert die wichtigsten Punkte.

Nützliche Internetseiten:

• www.womenweb.de • www.biography.com

Seite 200 6. Fazit Am Beginn dieses fachdidaktischen Teils war eine theoretische Annäherung an die für diese Arbeit relevanten Schwerpunkte notwendig. Deshalb wurde zuerst auf die Konstruktion des Geschlechts und die Intersektionalitätsforschung eingegangen. Darauf folgte der umfassende Lehrplanbezug mit Erläuterungen zu den historischen Kompetenzen, den Basiskonzepten und den notwendigen methodischen Überlegungen zur Arbeit mit Text- und Bildquellen.

Durch die Planungen, welche für die 10. Schulstufe erstellt wurden, sollen die SchülerInnen herausarbeiten, wie sich die Lebensbedingungen von Frauen im Laufe der Geschichte weiterentwickelten. Das Konzept des Geschlechts darf in der Geschichte nicht vernachlässigt werden und es wird daher deutlich in die Planung der drei Doppelstunden miteinbezogen.

Weiters wurden die Unterrichtsplanungen konkretisiert und verbalisiert, damit auch Außenstehende die Ziele und Vorgehensweise nachvollziehen können. Nachdem alle drei Doppelstunden konkretisiert wurden, musste noch eine Reflexion der Unterrichtseinheiten erfolgen, um etwaige Schwierigkeiten und Chancen herauszuarbeiten. Anschließend folgen die Unterrichtsplanungen und -materialien.

Anhand des Lehrplans wird festgehalten, dass sich die SchülerInnen mit historischen Kompetenzen und Basiskonzepten auseinandersetzen müssen. Damit durch die Unterrichtsarbeit die erforderlichen Kompetenzen geschult beziehungsweise Konzepte vermittelt werden können, wird der Unterricht abwechslungsreich, mit verschiedenen Methoden und unterschiedlichen Quellenarten gestaltet. Besonders eine Erarbeitung mit Bild- und Textquellen wurde für die vorliegenden Planungen in den Vordergrund gerückt.

Von großer Bedeutung ist im Geschichtsunterricht der Gegenwartsbezug. Er wird beispielsweise anhand der Arbeit mit Gesetzestextes besonders geschult. Durch das Arbeiten mit Textquellen sollen die SchülerInnen außerdem erkennen, dass Quellen immer aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden müssen und mit unterschiedlichen Intentionen erstellt wurden. Die SchülerInnen sollen das quellenkritische Arbeiten lernen, ihre historischen Kompetenzen verbessern und eine Vorstellung von den Basiskonzepten entwickeln.

Seite 201

Besonders wichtig war für die Planung, dass ein Bezug zu dem fachwissenschaftlichen Thema der Diplomarbeit ‚Zwischen Stand und Geschlecht. Frauen schaffen sich Freiräume‘ hergestellt wird. Daher wird vorerst mit dem Thema Frauenbewegung gearbeitet, und anschließend ein konkreter Bezug zu Elisabeth und Victoria hergestellt. Damit die SchülerInnen die Entscheidungsgewalt der beiden Frauen besser einschätzen können, wurden zwei weitere Frauen – Kaiserin Maria Theresia und Herzogin Catherine – aus anderen Jahrhunderten in der Planung berücksichtigt. Mit der Herzogin wird wieder ein direkter Gegenwartsbezug hergestellt, wodurch Unterscheidungsmerkmale deutlicher hervortreten.

Seite 202

7. Literaturverzeichnis Bergmann, Klaus/Schneider, Gerhard, Das Bild, in: Hans-Jürgen Pandel/Gerhard Schneider (Hrsg.), Handbuch. Medien im Geschichtsunterricht (Forum Historisches Lernen), Schwalbach am Taunus 20116, S. 225 – 268.

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Brüning, Christina, Die Verwendung von Textquellen im Geschichtsunterricht, in: Barricelli, Michele/Lücke, Martin (Hrsg.), Handbuch. Praxis des Geschichtsunterrichts (Forum Historisches Lernen), Band 2, Schwalbach am Taunus 2012, S. 92 – 107.

Grafe, Edda/Hinrichs, Carsten, Visuelle Quellen und Darstellungen, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.), Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 52011, S. 92 – 124.

Grosch, Waldemar, Schriftliche Quellen und Darstellungen, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.), Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 52011, S. 63 – 91.

Hamann, Christoph, Bildquellen im Geschichtsunterricht, in: Barricelli, Michele/Lücke, Martin (Hrsg.), Handbuch. Praxis des Geschichtsunterrichts (Forum Historisches Lernen), Band 2, Schwalbach am Taunus 2012, S. 108 – 124.

Kühberger, Christoph/ Mittnik, Philipp/ Plattner, Irmgard/ Wenninger, Bernhard: Historische Kompetenzen und ihre Teilkompetenzen, Salzburg 2013.

Kühberger, Christoph, Intersektionalität – ein Weg für den geschlechtersensiblen Geschichtsunterricht?, in: Bennewitz, Nadja/Burkhardt, Hannes (Hrsg.), Gender in Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht. Neue Beiträge zu Theorie und Praxis (Historische Geschlechterforschung und Didaktik. Ergebnisse und Quellen 5), Berlin 2016, S. 55 – 86.

Kühberger, Christoph, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didaktische Annäherung für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung (Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik. Geschichte – Sozialkunde – Politische Bildung), Band 2, Innsbruck – Wien – Bozen 20153.

Seite 203

Lücke, Martin, Diversität und Intersektionalität als Konzept der Geschichtsdidaktik, in: Barricelli, Michele/Lücke, Martin (Hrsg.), Handbuch. Praxis des Geschichtsunterrichts (Forum Historisches Lernen), Band 1, Schwalbach am Taunus 2012, S. 136 – 146.

Lücke, Martin, Didaktik der Geschichte – Geschlechterkonstruktionen historische erzählen, in: Kampfshoff, Marita/Wiepcke, Claudia (Hrsg.), Handbuch Geschlechterforschung und Fachdidaktik, Wiesbaden 2012, S. 185 – 197.

Sauer, Michael, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, o.O. 92010.

Schreiber, Waltraud, Ein Kompetenz – Strukturmodell historischen Denkens, in: Zeitschrift für Pädagogik 54 (2008), Heft 2, S. 198 – 212.

Weinert, Franz E., Vergleichende Leistungsmessung in Schulen - eine umstrittene Selbstverständlichkeit, in: Weinert, Franz E. (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim – Basel 22002, S. 17-31.

8. Internetquellen Bundesministerium für Bildung Wissenschaft und Forschung (Hrsg.), Lehrplan der AHS- Oberstufe für Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, Bundesgesetzblatt 9.8.2016, Wien 2017, [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnumme r=10008568&FassungVom=2017-09-01], eingesehen am 12.04.2018.

Hellmuth, Thomas/Kühberger, Christoph, Kommentar zum Lehrplan der Neuen Mittelschule und der AHS-Unterstufe „Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“, 2016, [https://www.politik- lernen.at/dl/mqslJMJKomlooJqx4KJK/GSKPB_Sek_I_2016_Kommentar_zum_Lehrplan_Sta nd_26_09_2016.pdf], eingesehen am 27.5.2018.

9. Quellen der Arbeitsblätter Bundeskanzleramt Österreich (Hrsg.), Bundeministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Verfassungsrechtliche Grundlagen für die Gleichbehandlung, o.D., [https://www.bmgf.gv.at/home/Frauen_Gleichstellung/Gleichbehandlung/Rechtliches/Verfass ungsrechtliche_Grundlagen_fuer_die_Gleichbehandlung], eingesehen am 12. Mai 2018.

Gerhard, Ute, Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Hamburg 1990.

Seite 204

Hauch, Gabriella, Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik 49), Wien 1990.

Hauch, Gabriella, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, in: Mesner, Maria / Steger-Mauerhofer, Hildegard (Hrsg.), Der Tod der Olympe de Gouges. 200 Jahre Kampf um Gleichberechtigung und Grundrechte, Wien 1994, S. 27 – 43.

Unterhaltungsblatt, als Beilage zur Regensburger Zeitung 1843, Nr. 20.

Arbeitsblatt 1: Arbeiten mit Gesetzen

Abbildung 1 und Abbildung 2: Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesamten deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie, 1811, [http://digital.bib- bvb.de/view/bvbmets/viewer.0.6.2.jsp?folder_id=0&dvs=1526557862111~699&pid=1169136 &locale=de&usePid1=true&usePid2=true#], S. 32 – 33, eingesehen am 12. Mai 2018.

Abbildung 3: Repertorium digitaler Quellen zur österreichischen Rechtsgeschichte in der Frühen Neuzeit, Allgemeines Österreichisches Bürgerliches Gesetzbuch. Wien 1811 2013, [http://repoestrg.info/wp/abgb-1811/#2.28], eingesehen am 12. Mai 2018.

Arbeitsblatt 2: Frauenengagement in der Wiener Revolution 1848

Abbildung 1: „Hier ist der Sitz der Volkssouveränität. Merkt’s euch!“, in: Gabrielle Hauch, Blumenkranz und Selbstbewaffnung. Frauenengagement in der Wiener Revolution 1848, in: Helga Grubitzsch/Hannelore Cyrus/Elke Haarbusch (Hrsg.), Grenzgängerinnen. Revolutionäre Frauen im 18. und 19. Jahrhundert. Weibliche Wirklichkeit und männliche Phantasien (Geschichtsdidaktik. Studien, Materialien 33), Düsseldorf 1995, S. 93 – 133, hier S. 104. Entnahm dies aus: Kurt Melach, 1848. Protokolle einer Revolution, Wien 1968, S. 95.

Abbildung 2: „Die Barricaden in Wien am 26. May 1848“ ein Aquarell von Johann Christian Schoeller (1848), in: Gabriella Hauch, Frauenrechte, Frauenengagement, Frauenforderungen in Wien um 1848, in: Maria Mesner/Hildegard Steger-Mauerhofer (Hrsg.), Der Tod der Olympe de Gouges. 200 Jahre Kampf um Gleichberechtigung und Grundrechte, Wien 1994, S. 27 – 43, hier S. 33.

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister-/Master-Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

Datum Unterschrift

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