SCHALLMAUER UND PROJEKTIONSFLÄCHE – Musikvideos Von Beiden Seiten Der Mauer
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
SCHALLMAUER UND PROJEKTIONSFLÄCHE – Musikvideos von beiden Seiten der Mauer Quartett im Bett (Ausschnitt) BRD 1968 Regie: Ulrich Schamoni Interpret: Insterburg & Co. Song: Der müde Cowboy (Django) von Peter Ehlebracht s/w Länge (Ausschnitt) 3 min Ursprungsmaterial: 35mm Film Grenzgebiet-Drehorte: Waldemarstraße/Luckauer Straße, Leuschnerdamm (alle Kreuzberg) An einem Abschnitt der dritten Mauergeneration (gebaut ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in Plattenbauweise) in Kreuzberg singt die West Berliner Gruppe Insterburg & Co., die Popsongs mit Comedy verbanden und zu deren Mitglieder auch der später als TV-Star bekannte Karl Dall zählte, den Song“ Der müde Cowboy“, zu Pferd und Esel entlang der Mauer reitend. Die Sequenz ist eine von mehreren in sich abgeschlossenen Musiknummern im abendfüllenden Spielfilm Quartett im Bett von Ulrich Schamoni. Der Film ist eine Abfolge von weitestgehend improvisierten Sketchen und Songs mit Insterburg & Co. und der weiblichen Gesangsformation Jacob Sisters, die ursprünglich aus Sachsen stammten, dann 1958 in die BRD übergesiedelt sind. Der an weiteren West Berliner Wahrzeichen wie Rathaus Schöneberg (damals Sitz der West Berliner Landesregierung), Kurfürstendamm, Flughafen Tegel sowie im “alternativen” Kreuzberg, in dem die Hauptfiguren leben, gedrehte Film wurde weitestgehend improvisiert. Das war möglich, weil damals Drehgenehmigungen schnell erteilt wurden. In West Berlin war es kein Problem, an der Mauer zu drehen – in Ost Berlin dagegen wäre das nicht möglich © 2020 filmokratie SCHALLMAUER UND PROJEKTIONSFLÄCHE – Musikvideos von beiden Seiten der Mauer Quartett im Bett (Ausschnitt) gewesen. Die Szene an der Grenze wurde, obwohl der Mauerbau erst sieben Jahre zurücklag und noch für die West Berliner Bevölkerung ein Trauma darstellte, nicht weiter in der zeitgenössischen Berichterstattung über den Film kommentiert. Quartett im Bett gewann den Ernst-Lubitsch-Preis, eine Auszeichnung für Filmkomödien. Damals und noch heute gilt der Film als West Berliner Pendant zu den frechen Münchener “Gammlerkomödien” wie Zur Sache, Schätzchen (1967, Regie: May Spils), Vorboten des rebellischen 68er-Lebensgefühls. Sichtbar sind auch Einflüsse der Filme A Hard Day’s Night (1964) und Help! (1965), beide von Richard Lester, mit den britischen Rocksuperstars The Beatles. Wie Insterburg & Co. in Quartett im Bett spielen The Beatles in A Hard Day’s Night und Help! fiktionalisierte Versionen ihrer selbst und werden in skurrile Abenteuer verwickelt. Die Verweise auf die deutsch-deutsch Teilung – Musikauftritt an der Mauer, eine Szene mit amerikanischen Geschäftsleuten an einer Maueraufsichtsplattform und Mitwirkung der aus der DDR übergesiedelten Jacob Sisters – sind in Quartett im Bett eher beiläufig. Karl Dall sagte 2019 im Interview zur DVD-Veröffentlichung des Films, der Film wollte alle Facetten und “Unzulänglichkeiten” West Berlin zeigen, zu denen eben auch die Mauer gehöre. Später jedoch trat der CDU-nahe Ulrich Schamoni als glühender Fürsprecher für die Wiedervereinigung und scharfer DDR-Kritiker in Erscheinung. Der von Schamoni 1987 mitbegründete private Radiosender 100,6, das mit konservativ-gefärbte Berichterstattung und einem Musikprogramm aus damals aktuellen Hits und Oldies gute Einschaltquoten in West Berlin (auch illegalerweise in Ost Berlin) erzielte. Pikanterweise teilte sich 100,6 einige Monate lang die Sendefrequenz mit dem links-alternativen und somit ideologisch diametral entgegengesetzten freien Sender Radio 100, das dezidiert nicht-antikommunistisch war, trotzdem auch ein DDR-Dissident:innen ein Forum bot. (Schamoni wiederum rekrutierte Ex-DDR-Fernsehen Mitarbeiter:innen für seinen TV-Sender IA nach der Wende, weil er ihre Expertise schätzte.) Während 100,6 zum Sendeschluss die deutsche Nationalhymne spielte, ging Radio 100 unmittelbar danach mit dem Geräusch einer Toilettenspülung auf Sendung – hier wird ein Clash der Einstellungen zur deutschen Frage besonders erfahrbar. Rückwirkend gewinnt damit auch der Ausschnitt aus Quartett im Bett eine besondere Bedeutung. © 2020 filmokratie SCHALLMAUER UND PROJEKTIONSFLÄCHE – Musikvideos von beiden Seiten der Mauer DEFA Disco-Film 18 „Berlin“ © DEFA Stiftung/Stiftung Deutsche Kinemathek, Christian Lehmann DDR 1977 Lied: Komm‘ in die Stadt Interpretin: Uschi Brüning Musik: Günther Fischer Regie: Uwe Belz Farbe Länge 6 min Ursprungsmaterial: 35mm Film Grenzgebiet-Drehort: Brandeburger Tor/Pariser Platz (Mitte) Der Film gehört zu den DEFA Disco-Filmen, die vom DEFA Dokumentarfilmstudio, Teil des staatlichen Filmherstellers der DDR, als Vorfilme im Kino und zur Vorführung in Jugendclubs produziert wurden. Unter diesem Label wurden, oft innerhalb desselben Films, Liveauftritte, Interviews und musikclipartige Sequenzen gemischt. Den großen Musikstars der DDR wie Manfred Krug, Karat, Puhdys und City wurden Disco-Filme gewidmet, ebenso wie Acts aus den sozialistischen Bruderländern wie der ungarischen Hardrockband Omega. Diese musikzentrierten Kurzfilme werden heute als „Musikvideos made in DDR“ lanciert. Tatsächlich funktionieren sie ähnlich wie westliche Musikclips, indem sie den Bekanntheitsgrad der darin porträtierten Acts steigerten und zum Imagebuilding beitrugen. Im Unterschied zu westlichen Clips wiesen die Disco-Filme eine eine freiere Form auf. Ende der 1980er, unter dem Einfluß von MTV und © 2020 filmokratie SCHALLMAUER UND PROJEKTIONSFLÄCHE – Musikvideos von beiden Seiten der Mauer DEFA Disco-Film 18 „Berlin“ bundesdeutschen Musikclipsendungen wie Formel Eins (im ARD ausgestrahlt), wurden für DDR Musikacts Clips produziert, die sich stärker an westliche Muster anlehnten und weniger eigenwillig waren als die Disco-Filme. In DEFA Disco-Film 18 wird die Stadt Ost Berlin von seiner Schokoladenseite präsentiert. Die populäre Sängerin Uschi Brüning fordert ihre Hörer auf, in die schöne Altstadt mit seinen freundlichen Menschen zu kommen. Der Song wird durch Herrenwitze, vorgetragen im Berliner Dialekt, unterbrochen, als Beispiele für den stadteigenen harten, aber herzlichen Humor. Abgerundet wird der Film durch Rezepte von typischen Berliner Gerichten. Neben den Sehenswürdigkeiten wie Palast der Republik, Alexanderplatz mit Fernsehturm, Nikolaiviertel und Altes Museum ist auch das nahe der Mauer gelegene Brandenburger Tor zu sehen. Die Einstellung ist vergleichsweise kurz (lang genug, dass ein Trabi vor dem wenden kann, wieder in Richtung Osten) und man sieht kaum Hinweise darauf, dass das Bauwerk sich unmittelbar an der Staatsgrenze befindet. Tatsächlich waren unautorisierte Aufnahmen der Grenzanlage in DDR untersagt. Drehgenehmigungen wurden nur in Ausnahmefällen erteilt. Als die Mauer beiläufig in dem DEFA Spielfilm Hostess (1976) auftaucht, war das im Vorfeld Diskussionsthema. Hostess wurde ein großer Erfolg, aber bald aus anderen Gründen nicht mehr zu sehen, nämlich wegen der Mitwirkung einige vor und hinter der Kamera, die gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann protestiert haben und bald z.T. selber ausgereist sind. Außer in wenigen Spielfilmen, die als zentrales Thema die Rechtfertigung des „Antifaschistischen Schutzwalls“ haben (z.B. ...und deine Liebe auch 1962), Wochenschaubeiträgen zu Jahrestagen des Mauerbaus und Schulungsfilmen der Nationalen Volksarmee kommt die Mauer kaum in Filmen, die in DDR gedreht wurden, vor. © 2020 filmokratie SCHALLMAUER UND PROJEKTIONSFLÄCHE – Musikvideos von beiden Seiten der Mauer Everything Counts GB 1983 Musik: Depeche Mode Regie: Clive Richardson Farbe Länge 4 min Grenzgebiet-Drehorte: Stresemannstraße (Kreuzberg), Zimmerstraße (Kreuzberg), Niederkirchnerstraße (sichtbar; Mitte) Martin Gore, der Hauptsongschreiber der britischen Synthipop Band Depeche Mode, hat zur Entstehungszeit des Clips in West Berlin gelebt (Mitte der 1980er ist er wieder nach Großbritannien gezogen). Die Gruppe hat in den nahe am Musikclip-Drehort gelegenen Hansa Studios By The Wall ihr dazugehöriges Album Construction Time Again abgemischt. So hat es sich angeboten, den Clip zur ersten Singleauskopplung Everything Counts an markanten Berliner Orten zu drehen. Zu sehen sind touristische Orte wie der Kurfürstendamm, die Leuchtreklame am Europa Center, aber auch die Hochbahntrasse entlang der Gitschiner und Skalitzer Strasse in Kreuzberg und Abschnitte der Mauer nahe der Stresemannstraße. Bis auf die Schlußsequenz am Strandbad Wannsee, die interpretiert werden könnte als Erholung Depeche Modes von dem im Clip vorher Gezeigten, werden die Bandmitglieder mit den Stadtaufnahmen überblendet. Sänger Dave Gahan befindet sich also während des Drehs nicht an der Mauer, stattdessen entsteht aus der Mehrfachbelichtung seiner Tanzbewegungen (vermutlich in einem Studio aufgenommen) und der Maueraufnahmen ein irreales Bild. Nach einigen narrativen Clips, die Depeche Mode mit Regisseur Julien Temple realisiert hat, war die Band froh, dass Clive Richardsons Konzept kein Storyboard mit Handlung beinhaltete. Mit Richardson wollten sie ihr Image visuell „aufhärten“, analog zu ihrem von Industrial Music beeinflußten Sound. Die Aufnahmen an der Mauer dienten möglicherweise diesem Anliegen. So gelangen Bilder der Berliner Mauer zu einer Zeit, in dem der Kalten Krieg ein letztes Mal sich etwas eskalierte, in Popsendungen in Westeuropa und bis zu MTV. © 2020 filmokratie SCHALLMAUER UND PROJEKTIONSFLÄCHE – Musikvideos von beiden Seiten der Mauer Love Habit D/GB 1986 Musik: Shark Vegas Regie: Richard Price Farbe Länge 4 min Ursprungsmaterial: analoges Video Grenzgebiet-Drehort: Glienicker Brücke (Zehlendorf) Einer der Bandmitglieder