Ernst Hintermaier (RISM Arbeitsgruppe ) unter Mitarbeit von Lars E. Laubhold und Eva Neumayr

Luigi (Maria Baldassare) Gatti (1740−1817). Salzburgs letzter Hofkapellmeister*

Abstract Luigi Gatti’s life and career as a musician are divided in two by his appointment to the position of Salzburg Hokapellmeister at the age of 42: Ordained a priest in Mantua, he had emerged as an esteemed composer, who had been especially successful in operatic endeavors. His connections with Salzburg developed slow- ly and overlapped with Mozart’s increasing detachment from his home-town. When he was inally appointed Hokapellmeister, he had to cope with precincts that posed new challenges for him in style as well as organization. While Luigi Gatti, the person, still remains largely unknown, Luigi Gatti, the composer, is beginning to be recognized as a musician, whose importance for Salzburg music history has not been suiciently appreciated.

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Luigi (Maria Baldassare) Gatti wurde am 7. Oktober 1740 in Lazise am Gardasee (Provinz Verona) geboren und am 11. Oktober in der dortigen Pfarrkirche getaut (siehe Abb. 1). Sein Vater, Francesco Dalla Gatta, war vor Luigis Geburt in Cavriana (Provinz Mantua) als Organist tätig und nahm 1739 eine Berufung für ein Jahr an die Propsteikirche San Niccolo

* Dieser Beitrag entstand im Rahmen des vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschatlichen Forschung (FWF) inanzierten Projekts »Kirchenmusik am Neuen Dom zu Salzburg im Spiegel der Quellen« (P 23195). Für zahlreiche Hinweise auf großteils noch unpubli- zierte Forschungsergebnisse sowie für die Revision der italienischen Zitate danken wir Alessandro Lattanzi sehr herzlich. ∙ Ernst Hintermaier ∙ in Lazise an.1 Nach Ablauf des Vertrages kehrte er mit seiner Familie nach Cavriana zurück, wo sein Sohn Luigi aufwuchs. Dieser hatte vier Geschwis- ter: Giorgio (er wurde ebenfalls Priester), Angelo, Teresa sowie Giuseppe, der bei Gattis Ableben 1817 bereits verstorben war und dessen Söhne Francesco und Luigi von deren Onkel testamentarisch bedacht werden soll- ten.2 Die Familie änderte ihren Namen später von Dalla Gatta in Gatti.

Abbildung 1: Taufeintrag von Luigi Gatti vom 11. Oktober 1740: »Die 11 Octobris 1740. Aloÿsius Maria Balthassar f[ili]us Fran[cis]ci Dalla Gatta, et Felicitatis Con[iu]gu[m] 7.a huius natus bapt[izat]us fuit p[er] me Bentevoleu[m] Tevoi Cur[atum]. Sacra fuit unda susceptus a R[everendissi]mo D[omi]no Dom[ini]co Amadori Arch[i]p[resbitero] huius Plebis, et D[omi]na Julia Zanetti f[ili]a D[omi] ni Antonij de hac quoque P[leb]e.« Archivio Parrocchiale, Parrocchia dei SS. Ze- none e Martino, Lazise (Verona).

Bereits in jungen Jahren kam Luigi nach Mantua, einer der bedeutendsten Provinzstädte der Lombardei, um zu studieren und sich im Priesterseminar auf den Beruf eines Geistlichen vorzubereiten. Obwohl er hier zum Priester geweiht wurde, begann er sich mehr und mehr auf eine musikalische Lauf-

1. Kontrakt vom 15. November 1739 mit der Propsteikirche in Lazise, vgl. Monika Geh- macher, Luigi Gatti. Sein Leben und seine Oratorien. Mit thematischem Katalog des Gesamtschaf- fens, Universität Wien (Phil. Diss.) 1959, S. 4. 2. Salzburger Landesarchiv (SLA), Stadt- und Landrecht Salzburg (STLRSBG), VI 1818, Nr. 14: Verlassenschatsabhandlung nach dem Tode Luigi Gattis. ∙ 24 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ bahn einzustellen. Seine bereits vom Vater vermittelte musikalische Grund- ausbildung, vervollständigte er in Mantua, was ihn dazu befähigte, im Kar- neval des Jahres 1768 am 24. Jänner erstmals als Komponist mit der Oper Alessandro nell’Indie (LG 1.13) nach einem Libretto von (1698−1782) vor das Mantuaner Publikum treten zu können. Die Resonanz in der Gazzetta di Mantova vom 29. Jänner 1768 iel für Gatti überaus posi- tiv aus und trug wohl dazu bei, dass ihm als Opernkomponist in Mantua selbst und später in Mailand eine erfolgreiche Karriere bevorstand.4 Motiviert durch diesen Erfolg bewarb er sich wenige Monate später an der Hokirche Santa Barbara, an der er gelegentlich als Sänger und Orga- nist tätig gewesen war, um die freigewordene Stelle eines zweiten Teno- risten. Dank eines Zeugnisses, das ihm der Kapellmeister von Santa Bar- bara, Giovanni Battista Pattoni (1713−1773), ausgestellt hatte, erhielt Gatti diese Anstellung.5 Im folgenden Jahr 1769 wurde Gatti zum zweiten Ka- pellmeister der Reale Accademia di Scienze, Lettere ed Arti (auch Reale Accademia di Scienze e Belle Lettere di Mantova) bestellt. Diese in Ober- italien angesehene Kunst- und Wissenschatsakademie, deren Ursprung auf eine Gründung von Cesare i. Gonzaga (1530–1575) im Jahre 1562 zu- rückzuführen ist, erfuhr auch durch Kaiserin Maria heresia (1717−1780) besondere Förderung. Noch im gleichen Jahr hatte Gatti Gelegenheit, sein Können als Komponist unter Beweis zu stellen, als anlässlich der Er- öfnung des Teatro Scientiico am 3. Dezember 1769 die Reale Accademia di Scienze, Lettere ed Arti ihr erstes Konzert veranstaltete, wofür Gatti die verloren gegangene Kantate Virgilio e Manto (LG 2.2) komponierte.6

3. Die Nummerierung der weltlichen Werke folgt dem neuen, im Druck beindlichen Werkverzeichnis: Alessandro Lattanzi, Catalogo tematico delle opere di Luigi Gatti (1740–1817), 2 Bde., Libreria Musicale Italiana, Lucca (in vorb), Bd. i.; für die geistlichen Werke musste auf das ältere Verzeichnis in Gehmacher, Luigi Gatti zurückgegrifen werden. 4. »Non si può omettere di fare onorevole rimembranza del Professore di musica Sig. Don Luigi Gatti nostro Mantovano, il quale nella fresca età di soli 26 [!] anni ha composto la musica del secondo dramma che si è posto in scena il 24, intitolato ›Alessandro nell’Indie‹ con tal maestria, grazia, novità et espressione, che si è, a giusto titolo, meritato il pieno comune aggradimento.« Zit. nach Gian Giuseppe Bernardi, La musica nella Reale Accademia Virgiliana di Mantova, Casa Editrice Mondovi, Mantua 1923, S. 27. 5. »il Sig. D. Luigi Gatti sicuro professore per cantare la parte di tenore in qual si sia musi- ca di chiesa, ed anche capace di cantare la parte del basso, come pure bravo suonatore d’organo e compositore di musica.« Ebd., S. 24. 6. »Il compositore della musica è stato il nostro degno concittadino abate Luigi Gatti, uno dei maestri di cappella della R. Accademia dei Filarmonici«, »Gazzetta di Mantova«, 8.12.1769, zit. nach ebd., S. 30. ∙ 25 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙

Abbildung 2: Gedruckter Programmzettel zu Mozarts Gastspiel im Teatro Scienti- ico am 16. Jänner 1770. Accademia Nazionale Virgiliana, Mantua.

Zu Beginn des neuen Jahres, am 16. Jänner 1770, stellte sich der 14-jäh- rige W. A. Mozart im zweiten Konzert der Reale Accademia dem Mantu- aner Publikum mit einem umfangreichen Programm vor (vgl. Abb. 2).

∙ 26 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙

Leopold Mozart schilderte seiner Frau in diesem Zusammenhang im Brief vom 26. Jänner 1770 das heater mit überschwänglichen Worten:

»Ich wünschte daß du den Ort gesehen hättest, wo die accademia war: nämlich das so genannte heatrino della Academia Philharmonica. Ich habe in meinem Leben von dieser Art nichts schöners gesehen; und da ich hofe, daß du alle briefe leisig aubehalten wirst, so werde dir solches seiner zeit beschreiben. Es ist kein heater, sondern ein wie die opernHauser gebauter Saal mit Logen; wo das heater stehen soll, ist eine Erhehung für die Musik, und hinter der Musik abermahl eine, wie Logen, gebaute Gallerie für die Zuhörer. Die Menge der Menschen, – – das zuruf- fen, klatschen, Lermen, und Bravo über Bravo, – kurz, das allgemeine zurufen, und die Bewunderung so die Zuhörer zeigten kann ich dir nicht genug beschreiben.«7 Bei dieser Gelegenheit trafen Vater und Sohn Mozart auch mit Luigi Gatti zusammen, der sich vom Können des jungen Mozart so sehr beein- druckt zeigte, dass er sich von diesem eine Messe zur Abschrit erbat.8 Der Aufenthalt der Mozarts in Mantua auf ihrer Reise nach Mailand war je- doch zu kurz bemessen, um eine nähere und nachhaltige Bekanntschat zu schließen. Damals ahnten vermutlich weder Gatti noch die Mozarts, dass sie einander später in Salzburg wieder begegnen sollten. Im Jahre 1771 bot sich Gatti erneut eine Gelegenheit, seine Begabung unter Beweis zu stellen. Für die bevorstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten des Generalgouverneurs der Lombardei, Erzherzog Ferdinand Karl von Österreich (1754−1806), mit Prinzessin Maria Beatrice d’Este (1750−1829), die am 15. Oktober 1771 in Mailand vermählt wurden und wofür der 15-jährige Mozart seinen Ascanio in Alba KV 111 als Autragswerk schrieb und am 17. Oktober im Teatro Ducale zu Mailand auführte, komponierte Gatti anlässlich der Ankunt des Brautpaares in Mantua die »Azione liri- co-drammatica« Il certame (LG 2.3), die mit vier eingeschobenen Instru- mentalkonzerten für verschiedene Streichinstrumente im Teatro Scienti-

7. Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, hrsg. v. der Internationalen Stif- tung Mozarteum Salzburg, gesammelt und erläutert von Wilhelm A. Bauer − Otto Erich Deutsch, Bd. 5−7 aufgrund deren Vorarbeiten erläutert von Joseph Heinz Eibl, 7 Bde., Bären- reiter, Kassel u. a. 1962–1975, Bd. i, S. 306, Z. 12–21. 8. Brief Leopold Mozarts an Frau und Sohn vom 11. Juni 1778, Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. ii, S. 373, Z. 160. Welche Messe Gatti sich damals von Mozart zum Kopieren erbeten hatte − die Dominicus-Messe KV 66 oder die Missa brevis KV 65 −, lässt sich nicht eruieren. ∙ 27 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ ico aufgeführt wurde.9 Vergeblich bewarb sich Gatti allerdings im Jahre 1773 um die erste Kapellmeisterstelle an Santa Barbara.10 In den folgenden Jahren machte er jedoch mit weiteren dramatischen Kompositionen auf sich aufmerksam. So trat er am 29. Jänner 1775 mit Armida (LG 1.2) auf einen Text von Giovanni De Gamerra (1742−1803) in Mantua an die Öfentlichkeit.11 Kurz darauf, am 2. April 1775, folgte die Auführung des 29 Nummern umfassenden Oratoriums La madre dei Maccabei (LG 5.1), das ein Jahr später in Padua wiederholt wurde. Am 11. Juni 1775 trug Gatti zu den Einweihungsfeierlichkeiten des neuen von Kaiserin Maria heresia in Autrag gegebenen Akademiegebäudes mit »una breve ma bellissima Cantata« (LG 2.4) bei, deren Text der Sekretär der Reale Accademia, zugleich eine führende Persönlichkeit der Accade- mia dei Timidi, Giovanni Battista Buganza, verfasste. Bedauerlicherweise sind weder Musik noch Titel überliefert. Aber gerade diese Auführung machte Gattis Namen erstmals über Mantua hinaus bekannt. Das Ereig- nis fand nicht nur in der Lokalpresse, sondern auch im Wienerischen Di- arium Erwähnung.12 Im Karneval 1777/78 wurde auch in Mailand erstmals ein Werk Gattis zur Auführung gebracht: der »Ballo eroico-pantomimo« Germanico in Germania (LG 4.1) nach einem Libretto von I. Gambuzzi am Teatro Inte-

9. Bernardi, La musica nella Reale Accademia Virgiliana di Mantova, S. 30. 10. Im Protokoll des Magistrato Camerale vom 2. September wurde dennoch über Gatti berichtet: »Egli è giovine di Capacità, di fantasia e di aspettativa. Ha composto un’ teatrale di stile serio rappresentata in questo teatro con applauso. Così hanno incontrato altre sue produzioni sagre e presso l’Accademia de ilarmonici sentiamo che è in riputazione.« Zit. nach ebd., S. 24. 11. »Gazzetta di Mantova«, 3.2.1775: »Li 29 dello scorso gennajo è andato in scena il dramma intitolato l’Armida. La Poesia è del famoso Sig. de Gamera [!] poeta nel Regio Ducal Teatro di Milano. Il nostro sig. Abate Don Luigi Gatti ne ha composto la musica. Questa è così magistral- mente condotta e con tanta espressione, che veramente ha meritato non solo gli applausi degl’In- tendenti ma eziando di chiunque ha il dono dalla natura d’aver sortito un’armonica organizzazio- ne, cioè di tutto, per così dire, questo rispettabile pubblico.« Zit. nach ebd., S. 28. 12. »Gazzetta di Mantova«, 30.06.1775: »Per componimento di si lieta funzione ne seguì una breve ma bellissima Cantata composta dal Sig. Ab(ate) D. Giambattista Buganza, Accademico Votante, e posta in musica dal nostro valoroso Sig. Ab. D. Luigi Gatti« Zit. nach ebd., S. 30; der Nachdruck − laut Gehmacher, Luigi Gatti, S. 13 erschienen in »Wiener Diarium 1775, 25. Juni« − ist in einem umfangreichen, am 23. Juni gezeichneten, aber erst ab dem 8. Juli in Fortsetzungen gedruckten Artikel aus Mantua enthalten: »Endlich ward dieses Musenfest mit einer überaus schönen Kantate, wovon die Worte den Herrn Johann Baptist Buganza, die Musik aber unsern berühmten Herrn Gatti zu Verfassern hatten, beschlossen.« Vgl. »Wienerisches Diarium«, 12. Juli 1775, S. [11], Volltext: (24.07.2012). ∙ 28 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ rinale, dessen Premiere zusammen mit Antonio Rosettis L’Olimpiade am 27. Dezember 1777 stattfand. Im folgenden Jahr kam es zu Ereignissen13, durch die sich Gattis Bezie- hungen zum Salzburger Hof anbahnen sollten: Anton heodor Graf Col- loredo (1729−1811), Cousin Fürsterzbischof Hieronymus Colloredos, war am 6. Oktober 1777 vom Olmützer Domkapitel zum Bischof gewählt und mit einer zwei Monate später erfolgten Aufwertung der Diözese Olmütz zur Erzdiözese zu deren Erzbischof erhoben worden. Kurz nach diesen Ereignissen begab sich Anton heodor auf die Reise nach Mantua, wo er seine Mutter − eine geborene Gonzaga − und andere Verwandte besuchte und wo er am 30. März 1778 das Pallium entgegennahm. Anton heodors über vier Monate währender Aufenthalt in Mantua war von einigem öf- fentlichen Interesse begleitet und so ließ es sich auch Luigi Gatti nicht nehmen, dem zuküntigen Olmützer Erzbischof die Ehre zu erweisen; am 8. März 1778 führte Gatti im Teatro Scientiico auf eigene Kosten die Kan- tate Religione e Mantova14 (LG 2.5) auf, die vom Publikum mit großem Applaus angenommen wurde und auch Anton heodor so beeindruckt haben dürte, dass er seinem Vetter Hieronymus, der am 17. Mai 1778 im Dom zu Salzburg seine Weihe zum Erzbischof vollzog15, kaum anders als in lobenden Worten von dem Mantuaner Abbate Gatti berichten konnte.

13. Zum Folgenden ausführlich Alessandro Lattanzi, Luigi Gatti and Anton heodor Colloredo, Archbishop of Olomouc im vorliegenden Band. 14. Da das originale Libretto neben dem Gattungstitel »Cantata« nur den Auführungsort, den Widmungsträger und den Komponisten nennt, wurde das Werk von Alessandro Lattanzi nach den beiden Hauptprotagonisten benannt und unter dem Namen Religione e Mantova in das neue Werkverzeichnis aufgenommen. Vgl. ebd. 15. berichtete Frau und Sohn am 28. Mai 1778 nicht nur, dass er in seiner Funktion als Vizekapellmeister zu Anton heodors Konsekration »des Wolfg(angs) Messe mit dem Orgl Solo: das Kyrie aber aus der Spaur Messe« aufgeführt hatte, sondern brachte auch sein Bedauern zum Ausdruck, dass sein Sohn in Mannheim zu sehr beschätigt sei, um − wie Gatti in Mantua − eine Gelegenheit zur öfentlichkeitswirksamen Darstellung der eigenen Fähigkeiten zu ergreifen: »der Erzbischof von Ollmütz ist den 17ten gewecht [= geweiht] worden. hättest du in Manheim nicht so viel für andere Leute zu thun gehabt, so hättest Du Deine Messe aus machen [= komponieren] und mir schicken können. Es war vom Brunetti [dem damaligen Hokonzertmeister] bey der Musik immer ein Geplau- der, wer denn die Consecrations Messe machen sollte, und er glaubte es dahin zu bringen, daß Haydn vom Erzbischof einen Befehl bekommen sollte: allein der Erzbischof gab keine Antwort, und auch [die Domkapitulare] gr: Czernin und Starnberg, an den [recte: die] sich Brunetti und die Haydin [Michael Haydns Gemahlin] wanden, gaben ihnen gar keine Antwort. ich machte des Wolfg: Messe mit dem Orgl Solo: das Kyrie aber aus der Spaur Messe [KV 259 bzw. 257]; ließ sie schreiben, und bekamm die 6 duccatten richtig. Da nun am Ende der Olmützer=Fürst auch 30 ∙ 29 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙

Wenig später, am 11. Juni 1778, berichtete Leopold Mozart seinem Sohn über die vergeblichen Mühen des Fürsterzbischofs, nicht nur ei- nen Hokapellmeister, sondern auch »Organisten und Clavieristen« für seine Hofmusik zu inden. In diesem Zusammenhang habe der Olmüt- zer Erzbischof Luigi Gatti auch »als einen vornehmen Clavierspieler an- gerühmt«, worauf Hieronymus seinen Vetter ersucht habe, Gatti das Salzburger Hokapellmeisteramt anzubieten. Doch Gatti zierte sich und zeigte zunächst kein allzu großes Interesse, Mantua zu verlassen, son- dern habe lediglich angeboten, für zwei oder drei Monate nach Salzburg zu kommen.16 Gatti hatte damals auch keine Gründe, Mantua den Rücken zu kehren, denn die nächsten Jahre brachten ihm neben seiner Ernennung zum Vi- zekapellmeister an der Hokirche Santa Barbara (bestätigt mit Patent vom 16. Juli 177917) weitere große heatererfolge: Am 1. Mai 1779 kamen La Nitteti (P. Metastasio, LG 1.3)18 und im April 1780 das Ballett Il ratto delle Sabine (LG 4.4) zusammen mit Domenico Cimarosas (1749−1801) Melo- duggaten extra für die gesellschat Musiken und die Serenata hergab, so schickte der Erzbischof solche mir, um die Austheilung zu machen. Ich machte eine schritliche austheilung, machte sie dem Erzb: zur approbation, und damit er sehen konnte, daß ich mich nicht auf die Lista gesetzt hatte, um mich vor aller Nachrede sicher zu stellen, und theilte es dann aus. NB den Abbate Vare- sco hat er aus der Lista weggestrichen.« Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. ii, S. 362 f., Z. 140–55. Bei der von Leopold Mozart erwähnten »Serenata« handelte es sich um Il Parnaso confuso (Text von P. Metastasio), um jenes Werk, mit dem Hokapellmeister Giacomo Rust für die Kon- sekrationsfeier beautragt worden war. Rust bediente sich laut Leopold Mozart ofensichtlich meist früher verfasster Kompositionen. Die bisher verschollen geglaubte Musik wurde von Kur- zem von A. Lattanzi wieder gefunden. Vgl. seinen Beitrag im vorliegenden Band. Weshalb Vizekapellmeister Leopold Mozart Hokaplan Abbate Varesco in die Liste aufgenom- men hatte, Hieronymus ihn jedoch streichen ließ, ist nicht bekannt. 16. Brief Leopold Mozarts an seinen Sohn vom 11. Juni 1778: »Der Erzbischof schreibt ganz Italien aus, und bekommt keinen Capellmeister, – er schreibt nach Wienn und Prag und Königs- grez und bekommt keinen anständigen Organisten und Clavieristen – unter den Capellmstrn ist mit Bertoni nichts zu machen – und – lache! Luigi gatti von Mantua, den der Erzb: von Ollmütz als einen vornehmen Clavierspieler angerühmt, den du kennst, der deine Messe in Mantua abge- schrieben, und dem der Olmützer fürst hat schreiben müssen, will Mantua nicht verlassen, son- dern nur auf 2, 3, Monate herauskommen.« Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnun- gen, Bd. ii, S. 373. Z. 155 f. 17. Gehmacher, Luigi Gatti, S. 28. 18. »Gazzetta di Mantova«, 7.5.1779: »Fin dal sera del dì primo del corrente si mise in scena in questo Regio-Ducal Teatro vecchio […] il dramma intitolato la Nitteti […] scelta musica novel- lamente composto dall’eccellente Sig. Abate Luigi Gatti, Maestro di Cappella Mantovano.« Zit. nach Bernardi, La musica nella Reale Accademia Virgiliana di Mantova, S. 28. ∙ 30 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ dramma Cajo Mario19 heraus. Die bisherige Annahme, dass das 26 Num- mern umfassende Oratorium Il martirio dei Santi Nazario e Celso (LG 5.4) für Mailand komponiert und dort wahrscheinlich am 28. Juli 1780 aufge- führt worden sei20, dürte auf einen Lesefehler zurückgehen; das Werk entstand für die Collegiata dei Santi Nazaro e Celso in Brescia, wo auch das Libretto verlegt wurde.21 Mit dieser Auführung bahnte sich Gatti ver- mutlich auch den Weg zum Höhepunkt seines Wirkens in Italien. Am 3. Februar 1781 (nahezu zeitgleich mit der Urauführung von Mozarts Ido- meneo in München) fand am Teatro alla Scala in Mailand die Auführung seines Opernpasticcios (P. Metastasio, LG 1.4) statt, zu dem Pa- squale Anfossi (1727−1797), zum überwiegenden Teil aber Luigi Gatti die Musik komponiert hatten.22 Am 13. Mai 1781, brachte Gatti außerdem L’Olimpiade (P. Metastasio, LG 1.5) in Mantua auf die Bühne. Am Salzburger geistlich-weltlichen Fürstenhof waren die Verhandlun- gen des Fürsterzbischofs mit Gatti nun soweit fortgeschritten, dass Hiero- nymus ihm einen Vertrag mit allen Anstellungsbedingungen zukommen ließ. Man wird nicht fehlgehen anzunehmen, dass Gattis Erfolge in Man- tua und Mailand wesentlich zu dieser Berufung nach Salzbug beigetragen haben. Gatti unterschrieb den aus Salzburg übermittelten Vertrag in Mantua am 11. Februar 1781, reiste aber erst eineinhalb Jahre (!) später ab. Nach seiner Ankunt in Salzburg suchte er um Dekretierung an, die ihm mit 1. Juli 1782 gewährt wurde. Allerdings verlangte Colloredo von ihm eine halbjährige Probezeit.23 Gleichzeitig erging die fürsterzbischöliche Anordnung an die Hokammer, dass »dieselbe bey dem Hofzahlamt zu verfügen habe, womit dem vermög gegenwärtig wohl zu verwahrenden Contracts auf Wohlverhalten auf ein halbes Jahr zu einen Kapellmeistern aufgenomenen Luigi Gatti jährlich acht hundert Gulden oder 160 Duca- ten, das halbe Jahr somit 80 Ducaten in monatlichen Ratis verabfolget […] werden.«24

19. In der Gazzetta di Mantova erschien am 14. April eine Besprechung. Vgl. ebd., S. 29. 20. Vgl. Gehmacher, Luigi Gatti, S. 74 f. 21. Freundliche Mitteilung von Alessandro Lattanzi. 22. Gehmacher, Luigi Gatti, S. 271. 23. Vgl. Ernst Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle von 1700 bis 1806. Organisation und Personal, Universität Salzburg (Phil. Diss.) 1972. S. 134. 24. SLA, HZA 1783/1/H. ∙ 31 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙

Abbildung 3: »Ein Kappellmeister im Chorroke«, Aquarell-Gouache aus der Ku- enburg-Sammlung, Werkstatt Lederwasch, Salzburg 1782−1790, Privatbesitz. Auf- grund der Datierung des Bilderzyklus sowie der Tatsache, dass die ebenfalls darin enthaltenen Darstellungen des Erzbischofs eine große Ähnlichkeit mit den be- kannten Portraits Hieronymus Colloredos aufweisen, ist zu schließen, dass es sich hier um eine naturalistische Abbildung Luigi Gattis und mithin um dessen einzi- ges bisher bekanntes Portrait handelt.

∙ 32 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙

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Mit seinem Wechsel nach Salzburg begab sich Gatti in ein seinem bishe- rigen Wirkungsbereich sehr verschiedenes Umfeld. Als Fürsterzbischof Hieronymus im Jahre 1772 das Erzstit und Erzbistum Salzburg über- nahm, fand er eine gut organisierte Hofmusikkapelle mit einzelnen her- vorragenden Instrumentalisten vor. Höchster Musiker am Hof war der aus Bologna stammende Kapellmeister Giuseppe Francesco Lolli (1701– 1778)25, der bereits 1722 in Hofdienste getreten war. Am 4. Oktober 1743 zum Vizekapellmeister dekretiert, war Lolli nach dem Tod des seit 1749 amtierenden Hokapellmeisters (1702−1762) zu des- sen Nachfolger bestellt worden. Gleichzeitig hatte der seit 1746 in Hof- diensten stehende Leopold Mozart (1719–1787) das Amt des Vizekapell- meisters erhalten. Die übrige Besetzung der Hofmusik entsprach sicher- lich nicht den Standards, die Colloredo am Wiener Hof, wo sein Vater, Rudolph Joseph Fürst Colloredo, als Reichsvizekanzler eine hohe Stellung einnahm, kennen gelernt hatte. Andererseits hatte ihm aber als Bischof von Gurk (1762–1771) eine Hofmusik überhaupt nicht zur Verfügung ge- standen. Insgesamt entsprach die Salzburger Hofmusik zwar den Bedürf- nissen eines kleinen geistlich-weltlichen Fürstentums der Zeit, konnte aber keinesfalls mit jenen zu Wien, München oder Paris konkurrieren. Vor allem die theatralische Musik bei Hof wurde unter Colloredo vernachlässigt. Das einst blühende Schultheater an der Benediktineruni- versität, das stets mit Musik verbunden war, fand mit Kompositionen von Anton Cajetan Adlgasser (1729−1777) und (1737−1806) zunächst noch kreative Bereicherung, mit seiner Schulord- nung De publicis perorationibus vom 30. November 1776 bescherte Col- loredo dem Universitätstheater aber das endgültige Ende. Der ehemali- ge Reichtum des kleinen Erzstites und Fürsterzbistums war verlossen und vom neuen Landesherrn wurde verlangt, das Erzstit Salzburg i- nanziell zu sanieren. Er hatte dabei durchaus respektablen Erfolg und

25. Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle, S. 232–7; Doris Pellegrini-Rainer − Wer- ner Rainer, Guiseppe [sic] Lolli (1701–1778). Ein biographischer Beitrag zur Musikgeschichte Salz- burgs, »Mitteilungen der Gesellschat für Salzburger Landeskunde«, cvi, 1966, S. 281–91; Thomas Hochradner, ›B-Komponist‹ oder: Wie wird man ›Kleinmeister‹?, in Bruckner-Symposion »Der Künstler und seine Welt«. Brucknerhaus, Linz, 25.–27. September 2008. Bericht, hrsg. v. Theophil Antonicek – Andreas Lindner – Klaus Petermayr, Musikwissenschatlicher Verlag, Wien 2010, S. 115–29. ∙ 33 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ beseitigte durch seinen eisernen Sparwillen die größte Armut im Lande. Doch die Sparmaßnahmen zogen auch Einschnitte im kulturellen Sektor nach sich. Dies bedeutete: auf vorgefundene Organisationen zurückgrei- fen, bei Neueinstellungen Personalausgaben einsparen und die Befriedi- gung der heaterleidenschat der Stadtbewohner anderen übertragen.26 Trotz aller inanziellen Zwänge war Colloredo bemüht, seine Hofmu- sik aufzuwerten. So trachtete er für Lolli Ersatz zu inden und glaubte in Domenico Fischietti (ca. 1725−nach 1783) den Richtigen gefunden zu ha- ben.27 Mit ihm hatte er freilich wenig Glück, denn Fischietti sollte zum Ansehen der Salzburger Hofmusikkapelle keinen nennenswerten Beitrag leisten. Colloredo hatte sich vermutlich für ihn entschieden, weil Fischi- etti durch seine Verbindungen mit (1707−1793) in Venedig so großen Erfolg hatte28, dass seine »drammi giocosi« in ganz Europa eine ungewöhnlich große Verbreitung fanden. Sein Ruhm verblasste jedoch wenige Jahre später. Fischiettis Anstellung war bereits in Dresden im April 1766 nur als Übergangslösung gedacht gewesen, weil »man vor 600 hlr. schwerlich einen anderen Capell-Meister, welcher nur einen mäßigen Ruf erwor- ben, bekommen würde«29. Johann Gottlieb Naumann (1741–1801) war der eigentliche Favorit am Dresdener Hof gewesen. Hieronymus wurde auf Fischietti aufmerksam, als dieser sich nach Ablauf seines Vertrages in Dresden am 30. April 1772 nach Wien wandte. Damals begannen die Ver- handlungen Colloredos mit Fischietti, mit denen er Ludwig Gottfried Freiherr von Moll (1727–1804) beautragte. Der Vertrag wurde geschlos- sen, nachdem Fischietti eine »Probemesse« vorgelegt hatte.30 Die ihm an-

26. Im Jahre 1775 zwang der Fürsterzbischof den Bürgermeister der Stadt, das »Ballhaus« in ein heater umbauen zu lassen. Dieser wehrte sich erfolglos und nahm seinen Abschied. Ernst Hintermaier, Das fürsterzbischöliche Hotheater zu Salzburg (1775–1803), »Österreichische Mu- sikzeitschrit«, xxx, 1975, S. 351–63: 351 f. 27. Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle, S. 117–27; Gerhard Poppe, Fischietti, Dome- nico, in Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, begr. v. Friedrich Blume, zweite, neubearbeitete Ausgabe hrsg. v. Ludwig Finscher, Personenteil, Bd. vi, Bärenreiter, Kassel 2001, Sp. 1275−8. 28. Im Karneval 1754 mit Lo speziale, 1756 mit La ritornata di Londra, im Karneval 1758 mit Il mercato di Malmantile und im Herbst 1758 mit Il signor dottore. 29. Akten der Dresdner Hokapelle, zit. nach Poppe, Fischietti, Domenico, Sp. 1275 f. 30. Missa solennis a 4 Voci 2 Violini 2 Viole 2 Oboe 2 Corni 2 Flauti Fagotto 3 Trombini [!] e Organo Del Sig:re Domenico Fischietti (A-Sd, A 1131). Poppe, Fischietti, Domenico, Sp. 1277 geht davon aus, dass die »erhaltene Kirchenmusik Fischiettis […] wahrscheinlich ausschließlich wäh- rend seiner sechs Kapellmeisterjahre am sächsischen Hof [entstand]« und mithin auch die ∙ 34 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ gebotene Besoldung in Höhe von jährlich 600 Gulden plus 200 Gulden »Tafelgeld« nahm er an und wurde bereits am 5. September 1772 dekre- tiert. Die im Vertrag zugesicherte »Hauszinszulage« von jährlich 80 Gul- den erhielt er ab April 1773. Mehr wollte der Landesfürst nicht geben, hat- te er ja immer noch zusätzlich den vom Vorgänger übernommenen Hof- kapellmeister Lolli zu versorgen. Neben Kirchenkompositionen31 schuf Fischietti während seines Wir- kens in Salzburg gerade in dem ihm eigenen Genre nur drei bisher be- kannt gewordene Werke: 1) Talestri Regina dell’Amazoni (»Opera drammatica« nach dem Text von E(rmelinda) T(alèa) P(astorella) A(rcade) [= Maria Antonia Walpurgis von Sachsen (1744–1780)]). Die Auführung am fürsterzbi- schölichen Hotheater in der Residenz kann mit einem Textbuch belegt werden, das 1773 aufgelegt wurde.32 Es muss sich dabei um jenes Werk gehandelt haben, nach dem sich Mozart in seinem Brief aus Mailand am 5. Dezember 1772 bei seiner Schwester erkundigte: »der ischietti wird wohl bald anfangen an seiner opera bufa /:auf Teutsch:/ an seiner närri- schen opera zu arbeiten«33. Zu dieser Oper ist im Gegensatz zu den beiden

Salzburger »Probemesse« bereits in Dresden zum gleichen Zweck vorgelegt und aufgeführt wor- den war. Gestützt wird diese Annahme u. a. durch den Umstand, dass im Dommusikarchiv neben den von Salzburger Schreibern angefertigten Stimmen der Messe auch eine nicht in Salzburg ent- standene Partiturabschrit der Sätze »Sanctus« und »Agnus Dei« überliefert ist. Die anonyme Par- titur der übrigen Sätze gelangte aus ungeklärten Gründen mit Luigi Gattis Nachlass an die Biblio- teca Musicale Greggiati in Ostiglia (I-OS, Mss.Mus.B 4483), wo sie von Alessandro Lattanzi iden- tiiziert und Fischietti zugeschrieben werden konnte. Siehe Alessandro Lattanzi, La biblioteca musicale di Luigi Gatti, in Tagungsbericht des Symposiums »Giuseppe Greggiati (1703–1866) e il collezionismo musicale«. (Ostiglia und Mantua, April 2011), hrsg. v. Paola Besutti, Olschki, Flo- renz (in Vorb.). 31. Im Dommusikarchiv sind von Fischietti unter den Signaturen A-Sd, A 1131−1137 sowie A 1164 insgesamt acht geistliche Werke verschiedener Gattungen erhalten geblieben. 32. Archiv der Erzdiözese Salzburg (AES), Bibliothek 37/96. Das Textbuch weist Mitglieder der Hofmusik als Ausführende aus: Johann Michael Haydns Gattin Anna Magdalena Lipp (1745−1827) als Talestri, als deren Schwester Antiope Magdalena Dax, als Oronte Joseph Meissner (1725?−1795), als Tomiri (»Gran Sacerdotessa«) Maria Anna Braunhofer (1748−1819) und als Learco (Orontes Freund) Franz Anton Spitzeder (1735−1796). Vgl. Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle, S. 227 f., 263 f., 45 f. und 413 f. Magdalena Daxin wird nicht wie alle anderen mit dem Beisatz »in attuàl Servizio« be- zeichnet. Sie muss als bisher unbekannte Gastsängerin mitgewirkt haben. 33. Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. i, S. 466. Dass Mozart mit der »närrischen opera« ofensichtlich − wie in diesen Zeilen an seine Schwester noch öter − ein Sprachspiel treibt, mag erklären, warum er die Komposition eines ernsten Sujets, das der Text der Talestri darstellt, als »opera bufa« anspricht. Hinweise auf ein anderes Werk Fischiettis aus dieser Zeit, das Mozart gemeint haben könnte, gibt es derzeit nicht. ∙ 35 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ folgenden Werken Fischiettis keine Musik überliefert.34 Aus dem Titel- blatt des Textbuches geht jedoch eindeutig hervor, dass Fischietti die Mu- sik dazu komponierte: »La Musica è del Celebre Signor Domenico Fischi- etti Napolitano, Attual Maestro di Cappella della Prefata S. A. R.« 2) L’isola disabitata (»Azione per musica« von P. Metastasio). Die Auführung muss 1774 vermutlich ebenfalls im alten Hotheater stattge- funden haben, da das für die Allgemeinheit bestimmte neue Hotheater im umgebauten Ballhaus erst im darauf folgenden Jahr zur Verfügung stand. Die Auführung kann anhand einer authentischen Salzburger Par- titurabschrit des Hokopisten Maximilian Raab (um 1720–1780) im Mu- sikarchiv der Heiligen Kapelle in Altötting nachgewiesen werden.35 3) Höhepunkt von Fischiettis Karriere am Salzburger Hof war wohl die Auführung einer »Serenata« anlässlich des Besuches von Kurfürst und Erzbischof von Köln, Maximilian Franz von Österreich (1756–1801), Kaiserin Maria heresias jüngstem Sohn, im April 1775. Für diesen Anlass hatte Hieronymus sowohl seinen Hokapellmeister als auch seinen Hof- konzertmeister Mozart mit der Komposition einer »Serenata« beautragt: Mozart komponierte darauf hin KV 208 und Fischietti Gli orti Esperidi, beide nach Texten von P. Metastasio. Wie wenig man diese Konstellation in Salzburg als einen Wettstreit aufasste, zeigen die damit in Verbindung stehenden Tagebucheintragungen des hochrangigen Hof- beamten Joachim Ferdinand von Schidenhofen (1747–1823): Er erwähnte zwar die Auführungen in seinem Tagebuch, ohne jedoch darauf näher einzugehen, geschweige sie vergleichend zu beurteilen.36 Die musikalische Quelle und der von Schidenhofen nicht genannte Titel der »Serenata« konnte anhand einer weiteren Partiturabschrit Maximilian Raabs, die

34. Allerdings inden sich im Archiv der Erzdiözese Salzburg unter der Signatur O 5 sowohl die gedruckte Partitur (Breitkopf und Härtel, Leipzig, 1765) des ersten und dritten Aktes als auch handschritliches, nicht in Salzburg entstandenes Stimmenmaterial der Oper in der Vertonung von Maria Antonia Walpurgis von Sachsen. 35. Die Handschrit (D-AÖhk/472) umfasst 114 Blatt. Der vermutlich prachtvoll gestaltete Einband wurde entfernt, der Buchblock weist jedoch Goldschnitt auf, was auf ein Widmungsex- emplar hindeutet. 36. Joachim Ferdinand von Schidenhofen. Ein Freund der Mozarts. Die Tagebücher des Salz- burger Hofrats, hrsg. v. Hannelore und Rudolf Angermüller unter Mitarbeit von Günther Bauer, Bock, Bad Honnef, 2006 (Mitteilungen der Gesellschat für Salzburger Landeskunde: Er- gänzungsband, 24), S. 60 f. ∙ 36 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ sich im Musikalienbestand der Stitung Mozart Salzburg erhalten hat, nachgewiesen werden.37 Kurze Zeit nach der Auführung von Gli orti Esperidi muss Domenico Fischietti den Salzburger Hof verlassen haben, möglicherweise noch vor Ablauf seines bis Ende August 1775 laufenden Vertrages. Weshalb Fischi- etti dennoch als »Titular-Kapellmeister« bis 1783 in die oiziellen Salz- burger Hokalender aufgenommen wurde, bleibt ein Rätsel. Wollte Col- loredo seine Hofmusik nur mit dem Namen eines Hokapellmeisters von − wenn auch bescheidenem − europäischem Ruf schmücken oder erwar- tete er noch Kompositionen von ihm? Letztere blieben jedenfalls aus. Obwohl Fischietti bereits Mitte 1775 abgereist war und nicht mehr für Dienste bei Hof und im Dom zur Verfügung stand, wandte sich Collore- do erst zwei Jahre später an Giacomo Rust (geb. 1741 in Rom, gest. 1786 in Barcelona), den er mit der gegenüber Fischietti noch um 120 Gulden er- höhten Besoldung von jährlich 1.000 Gulden (inklusive Tafelgeld und Hauszinszulage) als Hokapellmeister nach Salzburg verplichtete und am 12. Juni 1777 dekretierte. Zum Vergleich: Vizekapellmeister Leopold und Hokonzertmeister verdienten gemeinsam inklusive aller Zulagen damals 540 Gulden und Haydn 400 Gulden (in- klusive Kostgeld). Trotz seines hohen Salärs hinterließ Giacomo Rust im Musikleben Salzburgs kaum Spuren. Dass Colloredo ihn an seinen Hof geholt hatte, dürte auch Rust seinen Erfolgen als Komponist von Drammi giocosi (Opere bufe) in Venedig, wie sie auch Fischietti vorzuweisen hatte, zu verdanken haben. Als Kirchenkomponist trat er in Salzburg nicht in Er- scheinung.38 Während seines Aufenthaltes in Salzburg, den Rust krank- heitshalber bereits im Februar 1778 beendete, entstand lediglich die Sere- nata Il Parnaso confuso (P. Metastasio)39, die der Fürsterzbischof für die Konsekrationsfeierlichkeiten des Erzbischofs von Olmütz, Anton heo- dor Graf Colloredo, in Autrag gegeben hatte. Rust selbst war bei der Auf- führung im Hotheater am 17. Mai 1778 nicht mehr anwesend. Sowohl der Fürsterzbischof als auch Leopold Mozart waren mit Rusts Beitrag zum Konsekrationsfest nicht zufrieden.

37. Bibliothek der Stitung Mozarteum Salzburg, Rara Hs Fisch 10. 38. Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle, S. 343–51. 39. Diese lange verloren geglaubte Serenata wurde vor kurzem von Alessandro Lattanzi in einer Abschrit Maximilian Raabs unter der Signatur I-OS, Mss. Mus. 248 in der Biblioteca »Greg- giati« in Ostiglia wiederentdeckt. Ein Aufsatz darüber ist in Vorbereitung. ∙ 37 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙

Auch in organisatorischer Hinsicht dürte Colloredo mit Giacomo Rusts Berufung erneut keine glückliche Entscheidung getrofen haben. Statt Beruhigung brachte sie nur Unruhe in die Hofmusik, worüber Leo- pold Mozart in zynischen und detaillierten Schilderungen in Briefen an seinen Sohn zu berichten wusste.40 In diesen spürt man Leopold Mozarts Schadenfreude und Genugtuung, waren doch die Demütigungen, die der Fürsterzbischof ihm und seinem Sohn im August 1777 zugefügt hatte, noch nicht vergessen. Da die Fähigkeiten der Mozarts bei der Besetzung des Hokapellmeisteramtes nicht berücksichtigt worden waren, wollten sie ihr Glück auf einer neuen Reise, die sie nach Paris führen sollte, versu- chen. Colloredo bewilligte sie jedoch nicht und nahm sogar die Kündi- gung beider Mozarts, die Leopold im letzten Augenblick zumindest für seine Person verhindern konnte, in Kauf. Vermutlich schweren Herzens schickte er Sohn und Frau allein auf die Reise, von der nur sein Sohn zu- rückkehren sollte. Durch die letztlich treuen Dienste seines Vizekapellmeisters41 konnte Colloredo guten Gewissens und ohne Qualitätsverlust seiner Hofmusik auf Rust verzichten, zumal er mit diesem nicht zufrieden war. Für Collo- redo war aber auch der junge Mozart entbehrlich. Dieser trug zwar − wie Michael Haydn − den Titel eines Konzertmeisters; doch stand mit Anto- nio Brunetti (1744−1786) seit März 1776 ein fähiger Violinist für den Pos- ten des »Primo Direttore d’Orchestra« zur Verfügung, der auch die Gunst seines Dienstherren besaß. Der Fürsterzbischof sparte sich sogar Gehalts- kosten von monatlich 12 Gulden 30 Kreuzer. Der Vergleich mit Brunettis Salär, der inklusive der Nebenbezüge monatlich 45 Gulden verdiente, be- stätigt, dass Mozart zu den schlecht bezahlten Hofmusikern zählte und in dieser Position keine Besserung erwarten konnte. Rusts nach einigem Tauziehen um seine Vertragslösung bereits Mitte Februar 1778 erfolgten Abgang kommentierte Leopold Mozart lapidar mit den Worten: »Rust ist

40. Ein Streit, der sich kurz nach Mozarts Abreise nach Paris und nach Rusts Bestellung zum Hokapellmeister ereignete, sei hier pars pro toto angeführt: »Gestern war ein Lermen zwi- schen dem Haydn und Capellm(ei)str. Nach der Vesper sollte abermahl das engl. Horn Concert probiert werden, das doch schon einmahl gemacht worden, und Ferlendis und Brunetti waren nicht da; Haydn wurde böse, und sagte die Probe wäre ohnehin ohnnöthig, und sie sollten auf die welschen Esel [nicht] warten, der Rust sagte er hätte zu befehlen etc.« Brief vom 25. September 1777, Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. ii, S. 10 f., Z. 96–100. 41. Vgl. dazu Anja Morgenstern, Das Verhältnis von Leopold Mozart und Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo. Neue Quellenfunde zu Mozarts Tätigkeiten als Vizekapellmeister im vorlie- genden Band. ∙ 38 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ nun fort. itzt bin ich nun wieder Capellmeister alleine«42. Keinen Monat später sollten sich mit der für Anton heodor Graf Colloredo in Mantua organisierten Auführung der Kantate Religione e Mantova aus der Feder Luigi Gattis dessen Beziehungen zum Salzburger Hof anbahnen. Fürsterzbischof Hieronymus zeigte nach dem Weggang von Giacomo Rust keinerlei Eile, die anstehende Nachbesetzung des Hokapellmeister- amtes vorzunehmen, da Vizekapellmeister Leopold Mozart die Aufsicht über den Kirchendienst seit 1762 plichtbewusst versah und Konzertmeis- ter Antonio Brunetti für die Musik bei Hof Sorge trug. Letzterem stand zudem Hokonzertmeister Michael Haydn bis zu seiner Ernennung zum Hoforganisten in der Nachfolge Mozarts am 30. Mai 1782 zur Seite. Auch die allgemeine Qualität der Musiker war zu dieser Zeit mindestens akzep- tabel. Wolfgang Amadé Mozart vermisste in Salzburg ofensichtlich nur die Verwendung von »clarinetti«. Im Brief vom 3. Dezember 1778 – inzwi- schen hatte er sich nolens volens für den Verbleib in Salzburg entschlos- sen – schrieb er jedoch noch ausführlicher seinem Vater: »ach, wenn wir nur auch clarinetti hätten! – sie glauben nicht was eine sinfone mit lau- ten, oboen und clarinetten einen herrlichen Efect macht; – ich werde dem Erzbischof bey der ersten audienz viell neües erzehlen, und vielleicht auch einige vorschläge machen; – ach, die Musique könnte bey uns viell schöner und besser seyn, wenn der Erzbischof nur wollte; – die hauptur- sach warum sie es nicht ist, ist wohl weil gar zu vielle Musicken sind; – ich habe gegen die Cabinetts=Musick nichts einzuwenden. – nur gegen die grossen«43. An den Qualitäten der Musiker selbst hatte Mozart ofensichtlich nichts auszusetzen, nur über deren Autritte, schlechte Sitten und Cha- raktere beschwerte er sich. Seine im Sommer 1778 verfasste Beschreibung der »haupt=sachen was mir Salzburg verhast macht« geben ein plasti- sches Bild vom desolaten Zustand der Salzburger Hofmusik, den zu behe- ben er vom Fürsten »alle gewalt« und »ganz freyen willen« haben müsste, wollte er sich wieder an Salzburg binden.44 Wenig später erläuterte er sei-

42. Brief vom 25./26. Februar 1778. Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. II, S. 303, Z. 288 f. 43. Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. ii, S. 517, Z. 30−7. 44. Brief an Vater Leopold vom 9. Juli 1778 aus Paris. Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. ii, S. 395 f., Z. 64–104: »[…] dies ist auch eins von den haupt=sachen was mir Salzburg verhast macht – die grobe, lumpenhate und liederliche Hof=Musique – es kann ja ein honneter Mann, der lebensart hat, nicht mit ihnen leben; – er muß sich ja, anstatt daß er sich ihrer ∙ 39 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ nem Freund Joseph Bullinger (1744−1810) in noch anschaulicheren Wor- ten, wieso Salzburg, wie er schreibt, »kein ort für mein Talent ist«45. Of- fensichtlich erkannte auch Fürsterzbischof Hieronymus den von Mozart diagnostizierten misslichen Zustand seiner Hofmusik, sodass er bei Neu- besetzungen vorsichtiger agierte und Probezeiten vereinbarte. Einen Grund, den von einer erfolglos verlaufenen Paris-Reise zurückgekehrten gerade 23-jährigen Sohn seines Vizekapellmeisters für die Besetzung des Hokapellmeisteramtes in Betracht zu ziehen, hatte Colloredo nicht. Mo- zart wurde am 17. Jänner 1779 als Hoforganist wieder in Salzburger Hof- dienste aufgenommen. Zwei Jahre später, Ende 1780, bewilligte ihm der Fürsterzbischof eine Reise nach München, wo er sein Autragswerk für den Münchener Hof, den Idomeneo, vorzubereiten und die Auführung zu leiten hatte. Mozart annehmen könnte, ihrer schämmen! – dann ist auch, und vielleicht aus dieser ursache, die Musick bey uns nicht beliebt, und in gar keinen ansehen – ja wenn die Musique so bestellt wäre wie zu Mannheim! – die subordination die in diesem orchestre herscht! – die auctorität die der Canna- bich hat – da wird alles Ernsthat verichtet; Cannabich, welcher der beste Director ist den ich je gesehen, hat die liebe und forcht von seinen untergebenen. – er ist auch in der ganzen stadt ange- sehen, und seine Soldaten auch – sie führen sich aber auch anderst auf – haben lebens=art, sind gut gekleidet, gehen nicht in die wirths=häüser und saufen – bey ihnen kann dies aber nicht seyn, ausgenommen der fürst vertrauet sich ihnen oder mir, und giebt uns alle gewalt, was nur immer zur Musick nothwendig ist – sonst ist es umsonst; denn zu Salzb: hat jeder von der Musique – oder auch – keiner zu schafen – wenn ich mich darum annehmen müste, so müste ich ganz freyen willen haben – der obersthofmeister müste mir in Musique sachen, alles was die Musique betrit, nichts zu sagen haben. denn ein Cavalier kann keinen kapellmeister abgeben, aber ein kapellmeis- ter wohl einen Cavalier […] wenn mich die salzburger haben wollen, so müssen sie mich und alle meine wünsche befriedigen – sonst bekommen sie mich gewis nicht […]« 45. Brief an Abbé Joseph Bullinger vom 7. August 1778 aus Paris. Bauer – Deutsch, Mo- zart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. ii, S. 438 f., Z. 68−86: »[…] ich habe meinem vattern schon einige ursachen darüber geschrieben; unterdessen begnügen sie sich auch mit dieser, daß Salzburg kein ort für mein Talent ist! – Erstens sind die leüte von der Musick in keinem ansehen, und zwey- tens hört man nichts; es ist kein heater da, keine opera! – wenn man wircklich eine spiellen wollte, wer würde denn singen? – seit 5 gegen 6 jahre war die Salzburgische Musick noch immer Reich am unnützlichen, – unothwendigen – aber sehr arm am nothwendigen, und des unentber- lichen gänzlich beraubt; wie nun wirklich der fall ist! – die grausamen franzosen sind nun ursache daß die Musique ohne kapellmeister ist! – izt wird nun, wie ich dessen gewis versichert bin, Ruhe und ordnung bey der Musick herrschen! – ja, so geht es, wenn man nicht vorbauet! – Mann muß allzeit ein halb duzend kapellmeister bereit haben, daß, wenn einer fehlt, man gleich einen andern einsetzen kann – wo izt einen hernehmen? – – und die gefahr ist doch dringend! – Mann kann die ordnung, Ruhe, und das gute vernehmen bey der Musique nicht überhand nehmen lassen! – – sonst reisst das übel immer weiter – und auf die lezt ist gar nicht mehr zu helfen; sollte es denn gar keine Eselohrn=Perücke – keinen lauskopf mehr geben, der die sache wieder im vorigen hinken- den gang bringen könnte? […]« ∙ 40 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ reiste am 5. November 1780 ab, sein Urlaub war bis 16. Dezember 1780 befristet. Die Premiere verzögerte sich jedoch und fand erst am 29. Jänner 1781 statt, zu der aus Salzburg nur wenige anreisten: Vater und Schwester, Frau Viktoria Robinig von Rottenfeld (1716−1783) mit ihren beiden Töch- tern und deren Sohn Georg Sigmund (1760−1823), der mit Mozart be- freundet war und regen Anteil an dessen Schafen nahm. Weder Salzbur- ger Domkapitulare noch der Salzburger Fürsterzbischof selbst waren an- wesend.46 Obwohl Kurfürst Karl heodor (1724−1799) gegenüber Mozart geäußert haben soll, »man sollte nicht meynen, daß in einem so kleinen kopf, so was grosses stecke«47, erschien in der Münchener Presse nur ein kurzer Hinweis über die Auführung, ohne Namensnennung des Salzbur- ger Komponisten und seines Librettisten, Colloredos Hokaplan Giam- battista Varesco (1735−1805): »Verfassung, Musik und Uebersetzung – sind Geburten von Salzburg.«48 Mozarts Wunsch, eine Anstellung am Münchener Hof zu erlangen, blieb erneut unerfüllt.49 Auch seitens des

46. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert und für die Wertschätzung Mozarts sei- tens seines Dienstgebers signiikant, dass dieser bereits im Jahre 1775 während seines Aufenthaltes in München der Auführung des Dramma giocoso La inta giardiniera seines Hokonzertmeisters am 13. Januar 1775 am Salvatortheater in München fernblieb, auch nicht eine der Wiederholungen besuchte, sondern in Begleitung von hohen Beamten im Residenztheater eine Auführung von Antonio Tozzis vorzog, der ein Jahr zuvor Münchner Hokapellmeister gewor- den war. 47. Brief Mozarts vom 27. Dezember 1780 an seinen Vater, Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. iii, S. 72, Z. 23 f. 48. »Münchner Stats- [!], gelehrte und vermischte Nachrichten«, cxxv, 1. Februar 1781, zit. nach Robert Münster, Mozarts Münchener Aufenthalt 1780/81 und die Urauführung des »Idomeneo«, in Wolfgang Amadeus Mozart. Idomeneo. 1781−1981, hrsg. v. Robert Münster − Ru- dolph angermüller, R. Piper & Co., München − Zürich 1981, S. 71−105: 97. 49. Bereits Ende September 1777 war Mozarts Versuch, am Münchner Hof bei Karl heo- dors Vorgänger Max iii. Joseph eine Anstellung zu erlangen, erfolglos geblieben. Damals wurde Mozart wegen Mangels einer freien Stelle auf später vertröstet und ihm geraten, er möge »nach italien reisen, sich berühmt machen«. Trotz Interventionen von Joseph Anton Graf Seeau, dem Münchner Hotheaterintendanten, und Weihbischof Ferdinand Christoph Graf Waldburg-Zeil, der in der Wahl zum Salzburger Fürsterzbischof 1772 Hieronymus Graf Colloredo unterlegen war, machte der Kurfürst Mozart klar, dass keine Chance bestünde, in München Fuß zu fassen. Die von Mozart seinem Vater am 29. September 1777 mitgeteilten Informationen nach einem Gespräch mit dem Weihbischof, lassen erahnen, was in München – ganz ähnlich wie in Salzburg – gespielt wurde: »daß ist wahr! sehr viel gute freunde: aber leider die meisten die nichts oder wenig vermö- gen. ich war gestern um halbe 11 uhr beym graf Seau und habe ihn aber viel ernsthater und nicht so natürlich wie das erste mahl befunden. doch war es nur schein. dann [= denn] heutte war ich beym Fürst Zeil und der hat mir folgendes mit aller hölichkeit gesagt. ›ich glaube hier werden wir nicht viell ausrichten. ich habe bey der tafel zu Nümphenburg heimlich mit den Churfürsten ge- sprochen. er sagte mir. ietzt ist es noch zu früh. er soll gehen, nach italien reisen, sich berühmt ∙ 41 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙

Salzburger Landesfürsten bestand kein Interesse, eine solche »Salzburger Geburt« mit dem höchsten Hofmusikamt an seinen Hof zu betrauen. Als Mozart am 12. März 1781 München verlässt und auf Weisung des Fürsterzbischofs nach Wien reist, wo es am 8. Juni 1781 zum Eklat kom- men sollte, hat Luigi Gatti seinen Salzburger Anstellungsvertrag bereits unterzeichnet.

***

Nach Ablauf seiner Probezeit stand einer deinitiven Anstellung Gattis am Salzburger Hof nichts mehr im Wege. Am 14. Februar 1783 erging an Gatti schließlich folgendes Dekret:

»In der Zuversicht, daß der Kapellmeister Gatti sich besonders angelegen seyn lassen wird, daß furdersamst der Kirchen Dienst gut vollzochen, wie nicht minder die Kammer oder andere Musique gut besorget werde, und daß derselbe sowohl die Scholarn aus dem Kapellhaus, als andere, welche ihme werden anvertraut wer- den, gut unterrichte, daß alles mit gutter Ordnung und Würtschat geplogen, so- fort auch die Inventarien richtig gefasset und verwahret werden, damit von der Musique nichtes entzochen werde, daß er sich allem deme willig füge, was wir ihme sowohl in betref der Instruction als Composition autragen werden, wollen wir denselben hiemit zu einen Kapellmeistere an unseren Hof und bey unserer Kirche mit dem nemlichen Gehalt von acht hundert Gulden unter dem Vorbehalt aufnehmen, daß es in unserer Willkühr stehen solle, demselben einen heill des- sen Gehalts auch mittels eines Beneicii anweisen zu können. Hieronymus.«50 machen. ich versage ihm nichts. aber iezt ist es noch zu früh.‹ da haben wirs. die meisten grossen herrn haben einen so entzezlichn Welschland=Paroxismus [»im Allgemeinen eine hetige, leiden- schatliche Aufregung, namentlich aber bei Krankheiten derjenige Zustand, wo das Fieber seinen höchsten Graf erreicht hat.« Damen-Conversatións-Lexikon hrsg. im Verein mit Gelehrten und Schritstellerinnen von Karl Herlosssohn, 10 Bde., 1834−1838, Bd. viii, Verlags-Bureau, Adorf 1837, S. 112.] doch rieth er mir zum Churfürsten zu gehen, und meine sache vorzutragen wie sonst.« Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. ii, S. 21, Z. 9−19. Tatsächlich kam eine Begegnung mit dem Kurfürsten zustande, in der Mozart vorbrachte, dass er bereits mit drei Opern in Italien reüssiert habe und Mitglied der Accademia in Bologna sei. Er wurde dennoch vom Kur- fürsten mit den gleichen Argumenten abgewiesen: Es stünde keine freie Stelle zur Verfügung. Vgl. ebd., S. 21–4. 50. SLA, HZA 1783/1/H. Von der Möglichkeit, einen Teil des Gehaltes durch die Erträge eines Dombeneiziums abzu- gelten, machte der Fürsterzbischof keinen Gebrauch. Diese erwogene Absicherung geht auf einen Usus zurück, der im 17. Jahrhundert bis zur Bestellung Heinrich Ignaz Franz Bibers (1684) wahr- genommen wurde. Der letzte Hokapellmeister, der geweihter Priester war, war Andreas Hofer (um 1629–1684). Dieser besaß noch das »Beneicium S. Annae« an der Domkirche. Sein Vorgän- ger, Stefano Bernardi (1577–1637), war sogar noch »Schneeherr« in der hoch dotierten ∙ 42 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙

Ein in diesem Dekret angesprochener Aufgabenbereich war bis dahin nie vertraglich explizit festgelegt worden, nämlich die Obsorge des Hof- kapellmeisters über die Musikalien und deren Inventarisierung: »damit von der Musique nichtes entzochen werde«. Dass Gatti diesen Autrag erfüllte, beweisen zwei thematische Kataloge, mit deren Erstellung er den Hokopisten Joseph Richard Estlinger (1720−1791) beautragt hatte: Einer dieser Kataloge stand Gatti zum persönlichen Gebrauch (mit »Gatti« be- schritet) zur Verfügung, der andere war am Aubewahrungsort der Mu- sikalien (mit »Archivium« beschritet) hinterlegt.51 Mit diesem Autrag wurde allerdings nur der für die Liturgie im Dom erforderliche Musikali- enbestand erfasst. Ob damals gleichzeitig ein adäquater Katalog für den Musikalienbestand der Hofmusik (für theatralische und instrumentale Musik) entstanden ist, lässt sich nicht eruieren. Aus dem Wortlaut des Anstellungsdekretes zu schließen, wäre dies durchaus denkbar. Konkrete Hinweise darauf wurden bisher nicht gefunden. Aber nicht nur die In- ventare fehlen, sondern auch der gesamte Musikalienbestand der höi- schen Musik ging im Zuge der Aulösung des Hofstaates (1807) bzw. in den Jahren danach verloren. Wahrscheinlich sind nur wenige Abschriten aus diesem Bestand in einzelnen Bibliotheken und Musiksammlungen er- halten geblieben. Ein weiterer Punkt des Anstellungsdekretes betraf den Kapellhausun- terricht. Obwohl Gatti (wie auch Wolfgang Amadé Mozart in seinem Vertrag vom 17. Jänner 1779) vertraglich zum Unterricht der Kapellkna-

»Schneeherren-Stitung« am Salzburger Dom, die Fürsterzbischof Paris Lodron 1622 mit der Ab- sicht errichtet hatte, für die Verwaltung des Erzstites Salzburg kompetente Juristen geistlichen Standes zur Verfügung zu haben. Vgl. Manfred Josef Thaler, Das Schneeherrenstit am Dom zu Salzburg (1622 bis 1806). Ein Beitrag zur nachtridentinischen Kirchenreform, Lang, Frankfurt a. M. u. a. 2011 (Wissenschat und Religion, 23). Mit Abbate Luigi Gatti fand Fürsterzbischof Hieronymus nach langer Zeit wieder zumindest einen Musiker, der geistlichen Standes war, ofensichtlich aber nicht gewillt war, ein mit Arbeit verbundenes Beneizium zu übernehmen, mit dem ein Teil der vereinbarten Besoldung abgegol- ten werden sollte. 51. Vgl. Lars E. Laubhold − Eva Neumayr, Der Catalogus Musicalis des Salzburger Doms. Anmerkungen zur systematischen Erschließung einer problematischen Quelle, in Jahrbuch des RISM-Österreich 2010, hrsg. v. Michael Jahn − Klaus Petermayr, Der Apfel, Wien 2010 (Veröfentlichungen des rism-österreich, A/14), S. 25-48 sowie Lars E. Laubhold - Eva Neu- mayr, Luigi Gatti and the Catalogus Musicalis in Ecclesia Metropolitana of the Salzburg Cathedral, in Tagungsbericht des Symposiums »Luigi Gatti (1740–1817). La Musica a Mantova e a Salisburgo nel Settecento«. (Mantua, Oktober 2010), hrsg. v. Alessandro Lattanzi, Libreria Musicale Italia- na, Lucca (in Vorb.). ∙ 43 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ ben verplichtet war, hat Gatti zunächst (wie ofensichtlich auch Mozart) im Kapellhaus nicht unterrichtet.52 Erst am 26. Juni 1796 richtete Kapell- hauspräfekt und Domchorvikar Judas h. Hofmann (ca. 1741−1806) an den Fürsterzbischof das Ansuchen, ob nicht Gatti den Knaben wenigstens einmal in der Woche eine Stunde Unterricht im »cantu igurato« (Figu- ralgesang) geben könne, da die Stelle des »Gesangsinstruktors« durch den Tod Franz Anton Spitzeders (1735−1796) frei geworden sei. Hieronymus bewilligte das Gesuch und beautragte Gatti, die Hokapellknaben zu- nächst auf ein Jahr auf Probe gegen ein jährliches »Emolument« von 50 l. zu unterrichten. Das Dekret wurde darauhin jährlich von Hieronymus und später von Kurfürst Ferdinand verlängert. Gatti dürte auch noch die Domkapellknaben, wie sie später genannt wurden, unterrichtet haben.53 Im Hirtenbrief von 178254, den Fürsterzbischof Hieronymus zum 1200-Jahr-Jubiläum des Erzstites Salzburg erlassen hatte, nahm auch die Kirchenmusik einigen Raum ein. Dabei ging es vor allem um die Einfüh- rung des deutschen Kirchengesanges in der Erzdiözese Salzburg und die damit verbundene Reduzierung der Instrumentalbegleitung auf die Or- gel, die sich jedoch nicht nachhaltig durchsetzen ließ.55 Hatte der Fürsterz- bischof im Hinblick auf diese Reform auch einen theologisch gebildeten Musiker im Auge? Freilich, mit der Umsetzung dieser Reform wurde in erster Linie Michael Haydn betraut, sodass Gatti diese Reform nur am Rande betraf, da an Kirchen, in denen das Stundengebet in lateinischer Sprache gesungen oder gebetet wurde, der deutsche Volksgesang in redu- ziertem Maße zum Tragen kam, vor allem während der Messe, zu der je nach den Erfordernissen des liturgischen Festkalenders bisweilen groß besetzte und ausgedehnte Kompositionen nach wie vor aufgeführt wur-

52. Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle, S. 297. 53. SLA, HK Causa Domini 1803-8 Lit. D. 54. Sr. Hochfürstl. Gnaden des Hochwürdigsten Herrn Herrn Hieronymus Joseph Erzbischofs und des H. R. Reichs Fürsten zu Salzburg des heil Stuhls zu Rom gebornen Legaten, und Deutsch- lands Primatens &c. &c. Hirtenbrief auf die am 1ten Herbstm. dieses 1782ten Jahrs, nach zurückgeleg- ten zwölten Jahrhundert, eintretende Jubelfeyer Salzburgs, Waisenhausdruckerei, Salzburg 1782. 55. Nach hetigem Widerstand insbesondere aus den Salzburger Landgemeinden wurde zu bestimmten Festen »bey dem Kirchen Gesang der Gebrauch der jeden Orts üblich gewesenen In- strumente, oder wenigstens nebst der Orgel und Baß oder Violon, die blasenden Instrumente, wo diese schon vorhanden sind« wieder zugelassen. AES, 22/79, Kirchenmusik, Einführung des deut- schen Kirchengesanges. 1785, Generale vom 9.1.1788. Ausführlich zu dieser Reform Josef Manal, Die Einführung des Salzburger Diözesangesangbuches unter Fürsterzbischof Hieronymus von Collo- redo, Universität Salzburg (Dipl.-Arb.), 1979. Zur Teilrevidierung des Instrumentalmusikverbots besonders S. 30−36. ∙ 44 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ den. In einem eigenhändig verfassten Ordo Festivitatum et Functionum In hac Metropolitana Ecclesia Salisburg[e]nsi56 hatte sich Gatti alle Feste des Jahres, geordnet nach deren jeweiligem liturgischen Rang, notiert. Ein nachgestelltes »Notandum« hält die für jeden Festrang geltenden Beset- zungsregeln fest. Unter den knapp über 100 heute im Dommusikarchiv aubewahrten geistlichen Kompositionen Gattis gehören mehr als die Hälte dem »solennen« Typus an und folgen damit Besetzungskonventio- nen, die den − für den Dom als Metropolitankirche eben nicht geltenden − Bestimmungen des Hirtenbriefes in keiner Weise entsprechen.57 Bereits zu seinem Salzburger Einstand lieferte Gatti anlässlich der Jubiläumsfei- erlichkeiten mit seiner Missa in die S.ti Ruperti (GehG 213.25) ein in ver- schiedener Hinsicht monumentales Werk.58 Allerdings gibt es von Gatti eine geistliche Komposition, ein Ofertori- um de SS. Sacramento »O Jesu mi dulcissime« (GehG 232.32) für vier So- lostimmen, zwei Violinen, zwei Hörner, Orgel und Bass, das mit lateini- schem Text den Erfordernissen an der Kathedralkirche entsprach. Eine deutsche Fassung mit dem Text »O Jesu, du mein Einziger« eines anony- men Autors fand jedoch größere Verbreitung und entsprach mit deut- schem Text und bescheidener instrumentaler Begleitung wohl jenem Ty- pus von liturgischer Musik, der schlussendlich als Kompromiss von Geg- nern und Befürwortern der Reform akzeptiert wurde. Sogar eine eigen- händige Abschrit von Joseph Mohr (1792−1848), dem Textdichter des Weihnachtsliedes »Stille Nacht, heilige Nacht«, ist davon überliefert.59 Gattis Dienstvertrag enthielt keine Klausel, mit der ihm Verantwor- tung für die theatralische Musik übertragen worden wäre. Seit Errichtung bzw. Umbau eines ehemals sportlichen Zwecken dienenden »Ballhauses« zu einem Hotheater am Hannibalplatz (1775), an dessen Stelle heute das Salzburger Landestheater steht, konnten auch vom bürgerlichen Publi- kum heater- und Opernvorstellungen ohne Einschränkungen besucht

56. SLA, Reg. IX/185, fol. 76r−77v, siehe Faksimile im Anhang. 57. Zu den möglicherweise mit Colloredos Reform in Verbindung stehenden neuartigen Besetzungen in Gattis Werken vgl. Lars E. Laubhold, Luigi Gatti, Hieronymus Colloredo und die Salzburger Trompetenmusik ihrer Zeit im vorliegenden Band. 58. Vgl. dazu Petrus Eder, Luigi Gattis Rupertusmesse für das Erzstitsjubiläum 1782 im vorliegenden Band. 59. Vgl. Ernst Hintermaier, War der Dichter von »Stille Nacht, heilige Nacht« Verfasser auch anderer geistlicher Texte? – Eine Replik zum Beitrag von Hermann Spies »Über Joseph Mohr« in den Mitteilungen der Gesellschat für Salzburger Landeskunde, »Mitteilungen der Gesellschat für Salzburger Landeskunde«, cxl, 2000, S. 59–70. ∙ 45 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ werden: Sowohl der Fürsterzbischof selbst als auch Hobeamte und Bür- ger nahmen daran teil. Die Familie Mozart, die vom heater nur wenige Schritte entfernt wohnte, zählte zu dessen treuesten Besuchern. Das he- ater wurde jeweils für eine Saison von Wanderschauspielertruppen und ab 1796 von der ortsansässigen »Deutschen Hofschauspielergesellschat« (1796–1798) bespielt, deren Direktion in Händen von Lorenz Hübner (1751–1807) 60 und Giuseppe Tomaselli (1758–1836)61 lag.62 Hokonzertmeister Franz Otter (1760−1836) besorgte die Einstudie- rung und Leitung des den »Schauspielgesellschaten« zur Verfügung ge- stellten Hoforchesters, das ofensichtlich auch von den jeweiligen Impre- sarii inanziert werden musste.63 Damit waren die inanziellen Aufwen- dungen für die Verwaltung und die Organisation des Hotheaters aus dem Hofetat ausgegliedert. Eine heaterkommission, die dem Fürsterzbi- schof weisungsgebunden war und der auch Luigi Gatti angehörte, trug bis Ende 1797 Obhut über die Auswahl der »Schauspielergesellschaten« und zensurierte die gespielten Stücke, wobei die letzte Entscheidung dem Fürsten vorbehalten blieb. Luigi Gatti lernte in dieser Zeit auch Mozarts Wiener Opernschafen kennen: in der Saison 1784/85 das Singspiel Die Entführung aus dem Se- rail, das von der »Hochfürstlichen Ansbachischen-Bayreuthischen Hof- schauspieler-Gesellschat« acht Mal vorgestellt wurde und worüber Leo-

60. Lorenz Hübner gehörte dem Orden der Gesellschat Jesu an und wurde 1774 zum Pries- ter geweiht. Im Jahre 1779 übernahm er die Redaktion der Münchner Staatszeitung und der Münchner Gelehrten Beyträge. Unter dem Druck der von Kurfürst Karl heodor geforderten Zen- surbestimmungen verließ er München und nahm 1784 das Angebot des Salzburger Fürsterzbi- schofs an, in Salzburg die Ideen der Auklärung ›medial‹ umzusetzen. Mit der von 1785 bis 1799 in Salzburg erschienenen und über die Landesgrenzen hinaus verbreiteten Oberdeutschen Staatszei- tung schuf er ein für diese Zwecke dienliches Presseorgan. 61. Giuseppe Tomaselli, dessen Karriere in Mailand begann, wurde von Fürsterzbischof Hieronymus 1781 als Hotenorist nach Salzburg verplichtet. Nach Aulösung der Hokapelle wur- de er in die Wiener Hofmusikkapelle übernommen, die er 1833 verließ und worauf er sich nach Würzburg wandte, wo er verstarb. Vgl. Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle, S. 434 f. 62. Hintermaier, Das fürsterzbischöliche Hotheater; Sibylle Dahms, Das musikalische Repertoire des Salzburger fürsterzbischölichen Hotheaters (1775–1803), »Österreichische Musik- zeitschrit«, xxxi, 1976, S. 340–55. 63. Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle, S. 303–7. Zu Otters Qualiikation ist auf die Ausführungen von Domherr Friedrich Graf Spaur aus dem Jahre 1803 hinzuweisen. Vgl. Friedrich Graf von Spaur, Reise durch Oberdeutschland. In Briefen an einen vertrauten Freund, Bd. ii/1: Nachrichten Ueber das Erzstit Salzburg nach der Säkularisation. In vertrauten Briefen […], Ambrosi, Passau 1805, Faksimilenachdruck, Druckhaus Nonntal, Salzburg 1985, S. 161−3; Faksimi- lenachdruck des neunten Briefs im Anhang vorliegenden Beitrags. ∙ 46 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ pold Mozart seiner Tochter berichtete: »Die gantze Stadt ist damit ver- gnügt. Auch der Erzbischof hatte die große Gnade zu sagen: es wäre wirk- lich nicht übl. Sie sollen, wie höre, 191 l [Gulden] eingenommen haben«64. Das Singspiel erschien im Programm fast aller folgenden heatergesell- schaten und wurde von diesen stets mehrmals aufgeführt. Konkurrenz hinsichtlich der Auführungszahlen erhielt es nur selten, wie zum Beispiel 1783/84 mit Paisiellos Gli astrologi immaginari oder 1791/1792 mit Ditters- dorfs Hieronymus Knicker, einem Stück, das die Salzburger Bürger allein schon aufgrund des Titels anzog und womit sie wohl auch ihrer Unzufrie- denheit mit dem Landesfürsten Ausdruck verleihen wollten. »Die deut- sche Hofschauspielergesellschat« unter Hübner/Tomaselli wagte sich 1796/97 auch an Mozarts , Der Schauspieldirektor und Die Zau- berlöte. Unter der zweiten bzw. dritten Direktion 1798 bis 1803 kam 1798 von Mozart Figaros Hochzeit und 1803 Titus der Gütige hinzu. Allerdings zählten in dieser Zeit Mozarts Opern nicht mehr zu den am häuigsten gespielten Werken, sie wurden von leichter Kost wie zum Beispiel Cheru- binis Wasserträger, Paers Weiberkur und Kauers Donauweibchen in den Schatten gestellt. Interessanterweise wurde nach Colloredos Flucht nach Wien zwar noch einmal Dittersdorfs Hieronymus Knicker mit einer einzi- gen Vorstellung in den Spielplan aufgenommen, jedoch mit dem geän- derten Titel Chrysostomus Knicker.65 Gatti selbst trat in diesem Hotheater mit vier Auführungen dramati- scher Musik in Erscheinung, bei denen es sich allerdings um keine Dar- bietungen von Wanderschauspielergesellschaten, sondern um hofeigene Produktionen gehandelt haben dürte: Ein halbes Jahr nach seiner Ernen- nung per Dekret zum Hokapellmeister brachte Gatti am 19. Jänner 1783 die Serenata L’isola disabitata (P. Metastasio, LG 2.6) zur Auführung. Leopold Mozart merkte darüber in Nannerls Tagebuch an:

»Nachmittag um 3 uhr war auch im heater die Probe der Serenata l’Isola dishabi- tata vom Abbate Gatti. Sang die Haydin als Costanza. Bologna, gerardo. Ceccarel- li. das kleine junge herzige Mädl Sylvia. Spizeder, die hineingezwungene Rolle des Vetters Alphonso. Tomaselli als Enrico. hübsche Musik, welsch, mehr für die Oh- ren als fürs Herz, weils mit dem Worten Ausdruck und der wahren Leidenschat ot schlecht übereinkamm. den 18ten abermahl eine Probe im heater von der Serenata um 4 uhr, es war Vormittag das orchester vergrössert und das ganze No-

64. Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. iii, S. 344. 65. Dahms, Das musikalische Repertoire des Hotheaters, S. 345–52. ∙ 47 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙

ble parterre dazu genommen. den 19ten ist die Serenata im heater aufgeführt wor- den um 6 uhr. deswegen war keine Comœdie.«66 Eine weitere Auführung einer Oper Gattis im Hotheater folgte am 30. September 1783 – sehr wahrscheinlich zur Namenstagsfeier des Erzbi- schofs. Gatti grif dabei auf das von ihm am 13. Mai 1781 in Mantua im Regio Ducal Teatro Nuovo zur Auführung gebrachte Dramma per musi- ca L’Olimpiade (LG 1.5) nach P. Metastasios Libretto zurück.67 Das für Mantua geschriebene Dramma per musica (P. Me- tastasio, LG 1.6), das am 12. Mai 1787 in Mantua zur Auführung gelangte, lässt sich bis dato mit keiner Auführung in Salzburg nachweisen. Es scheint darauf hinzudeuten, dass Gatti auch als Salzburger Hokapell- meister in seiner Heimat nicht in Vergessenheit geraten war. Die in der Bibliothek des Salzburg Museum in nicht autographer Partitur überliefer- te Aria »Cara sorella amabile« (LG 3.8)68 schrieb Gatti als alternative Arie

66. Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. iii, S. 250 f.; vgl. auch ebd., S. 237. Gatti standen alle Hofsänger zur Verfügungen: Magdalena Haydn, geb. Lipp (1745−1827), die Kastraten Michelangelo Bologna (ca. 1760−nach 1800) und Francesco Ceccarelli (ca. 1752−1814) und die Hotenoristen Franz Spitzeder (1735−1796) und Giuseppe Tomaselli (1758−1836), vgl. Hin- termaier, Die Salzburger Hokapelle, passim. 67. Monika Gehmacher übernahm von A. J. Hammerle die falsche Behauptung, dass Gattis Oper L’Olimpiade bereits am 30. September 1775 in Salzburg aufgeführt worden sei. Gehmacher, Luigi Gatti, S. 14 f. mit Verweis auf Alois-Joseph Hammerle, Neue Beiträge für Salzburgische Geschichte, Literatur- und Musik. Mozart und einige Zeitgenossen. Zur Erg. der betr. Biographien und Nachrichten, Endl, Salzburg 1877, S. 64. Das erhaltene Textbuch (Salzburg Museum, Biblio- thek Signatur 6575), in dem kein Erscheinungsjahr angegeben ist, war für die Auführung 1783 beim Verleger Fr. Prodinger in Salzburg aufgelegt worden. Die in Nannerls Tagebuch (4.9.– 31.10.1783) angeführten Hofsänger und Hofsängerinnen bestätigen dies, obwohl Nannerl selbst den Titel der Oper nicht angibt. Vgl. Bauer – Deutsch, Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. iii, S. 284−8. Auch die neuere Biographik übernahm Hammerles Irrtum. Vgl. Daniel Bran- denburg, [Art.:] Gatti, Dalla Gatta, Luigi Maria Baldassarre, in Die Musik in Geschichte und Ge- genwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, begr. v. Friedrich Blume, zweite, neubearbeitete Ausgabe hrsg. v. Ludwig Finscher, Personenteil, Bd. vii, Bärenreiter, Kassel 2002, Sp. 612 f. Das Werk fand später noch so großes Interesse, dass es bis zum Ende der 1780er Jahre an verschiede- nen Orten nördlich und südlich der Alpen aufgeführt wurde. Eine Liste der Auführungen in Lattanzi, Catalogo tematico, Bd. i. (in Vorb.). 68. Salzburg Museum, Bibliothek (A-Sca), Hs 582. Vgl. Josef Gassner, Die Musikalien- sammlung im Salzburger Museum Carolino Augusteum, in Salzburger Museum Carolino Auguste- um. Jahresschrit 1961. 7, hrsg. v. Kurt Willvonseder, Salzburger Museum Carolino Augusteum, Salzburg 1962, S. 119−365: 191, dort mit dem Titel »Aria (›Cara sorella‹) dell’Opera I Due Castellani burlatti. Dal Sige Maestro Gatti.« und der Angabe »Orig.-Ms ?« als mutmaßliches Autograph aus- gewiesen, was jedoch nicht den Tatsachen entspricht; vgl. auch Gehmacher, Luigi Gatti, S. 289, dort unter dem Titel »Cara mia sorella amabile«. ∙ 48 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙

Abbildung 4: Pietro Metastasio/Luigi Gatti, L’Olimpiade. Titelblatt des Text- buches zu einer Auführung im Hotheater am 30. September 1783, Prodinger, Salzburg [1783]. Salzburg Museum, Bibliothek Signatur 6575.

∙ 49 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ zu Vincenzo Fabrizis Oper I Due Castellani burlati, die im Herbst 1787 in Salzburg aufgeführt wurde.69 Von Gattis Instrumentalmusik ist in Salzburg nahezu nichts erhalten geblieben, da der zu vermutende Musikalienbestand des Hofes verschol- len ist und Gattis musikalischer Nachlass über dessen Nefen an den Sammler Giuseppe Greggiati gelangte und heute in der Biblioteca Musi- cale Greggiati in Ostiglia, nahe Mantua aubewahrt wird.70 Lediglich ein Exemplar von VI Sonate Per Violino solo con accompagnamento di Viola (LG 10a.1−6)71 sowie eine Abschrit des Quartetts für Oboe, Violine, Viola und Violoncello (LG 11a.2)72 sind vor Ort überliefert. Vielfalt der erprob- ten Besetzungen, ein gewisser Hang zur Virtuosität, die auf die hohe Pro- fessionalität einzelner Hofmusiker abgestellt ist73, sowie ein deutlicher stilistischer Wandel kennzeichnen Gattis Salzburger Kammermusikpro- duktion. Die fürsterzbischöliche Hofmusikkapelle, der Hieronymus trotz sei- nes Sparwillens große Aufmerksamkeit schenkte, litt in seinen letzten beiden Regierungsjahren unter den Auswirkungen des ersten Franzosen- einfalles. Fürsterzbischof Hieronymus hatte am 10. Dezember 1800 lucht- artig Salzburg vor den heranrückenden Franzosen verlassen und regierte das Erzbistum Salzburg bis 1812 von Wien aus. Der verwaiste Salzburger

69. Zur Salzburger Auführung dieser Oper siehe den Kommentar zu LG 3.8 in Lattanzi, Catalogo tematico, Bd. i (in Vorb.). 70. Ein fundierter Überblick über die in Salzburg entstandene Instrumentalmusik Gattis wird mit Erscheinen des in Vorbereitung beindlichen Werkverzeichnisses möglich sein. Vgl. Lattanzi, Catalogo tematico, Bd. i., (in Vorb.). 71. A-Sca, Hs 579. Vgl. Gassner, Die Musikaliensammlung, S. 192, wo auch diese Quelle fälschlich als »Orig.-Ms.« ausgewiesen ist. Eine Autographe Partitur indet sich in I-OS, Mss.Mus. B 2107 (freundliche Mitteilung von Alessandro Lattanzi). Vgl. auch Michael Malkiewicz, 18 Duette für den Erzbischof. Hafeneder − Haydn/Mozart − Gatti im vorliegenden Band sowie die jüngst erschienene CD-Einspielung durch Paolo Ghidoni und Alfredo Zamarra Luigi Gatti. Six sonatas for Violin & Viola, 2 CDs, © 2011 Brilliant Classics, CD 94145. 72. Salzburg Museum, Bibliothek Hs 1702. 73. Zu den spieltechnischen Herausforderungen des genannten Oboenquartetts vgl. die kurze Besprechung Jürg Stenzls und die redaktionellen Anmerkungen dazu im Abdruck der Podi- umsdiskussion am Ende vorliegenden Bandes. Inwieweit homas Hochradners Feststellung ver- allgemeinerbar ist, dass »Virtuosität in Gattis Werken mehr der Schaustellung dient als tatsächlich spieltechnische Probleme stellt« (Hochradner, ›B-Komponist‹, S. 120), wird erst nach einer bes- seren Erschließung des Gesamtwerkes zu entscheiden sein. Vgl. dazu auch Alfredo Bernardini, Luigi Gatti e l’oboe, in Tagungsbericht der Konferenz »Luigi Gatti (1740–1817). La Musica a Man- tova e a Salisburgo nel Settecento«. (Mantua, Oktober 2010), hrsg. v. Alessandro Lattanzi, Li- breria Musicale Italiana, Lucca (in Vorb.). ∙ 50 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙

Hof erforderte kein Musikleben mehr. Einige Musiker wanderten ab, Neuaufnahmen wurden nicht bewilligt.

Abbildung 5: A-Sd, A 1165, Trombone Rip:no, S. 1: Bearbeitung in der Handschrit Luigi Gattis (Foto: Lars E. Laubhold).

Noch kurz vor Colloredos Flucht machte sich im August 1800 mit einer Serie von Auführungen von Joseph Haydns Oratorium Die Schöpfung auch in Salzburg verstärktes Interesse für konzertante Auführungen mu- sikalischer Werke großen Stils bemerkbar.74 Ob Luigi Gatti als einer der »drey hiesigen Herren Virtuosen«75 anzusehen ist, die die Auführungsse- rie initiierten, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Doch war Gatti in be- trächtlichem Umfang an der Herstellung des Salzburger Erstauführungs-

74. Lars E. Laubhold − Eva Neumayr, »…was mein Bruder in seinen Chören mit der Ewigkeit treibt…« Quellen zur frühen Rezeption von Joseph Haydns Schöpfung in Salzburg, »Haydn-Studien«, x/1, 2010, S. 55−70. Eine weitere Auführung fand im nun von Franzosen be- setzten Salzburg am 24. Jänner 1801 statt. 75. »Intelligenzblatt von Salzburg«, 20. September 1800. ∙ 51 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ materials76 beteiligt, kommt als Schreiber u.a. der Direktionsstimme even- tuell auch als Leiter der Auführungen in Betracht und erstellte − mögli- cherweise als Ersatz für in Salzburg nicht vorhandene Instrumentalkräte − eine so bei Haydn nicht vorkommende »Trombone Rip:no«-Stimme, er war also in jedem Fall an diesem Unternehmen maßgeblich beteiligt. Michael Haydn, der sich im Herbst 1800 mit dem Gedanken trug, eine Fortsetzung der Schöpfung zu komponieren77, verfertigte noch im Okto- ber 1800 ein Tischgebeth auf 4 Männerstimmen. aus der Schöpfung (MH 791), blieb aber die Erfüllung des größeren Vorhabens schuldig. Gatti hingegen, der bereits eigene Oratorien in Mantua aufgeführt hatte, ließ sich durch die Salzburger Auführungen zur Komposition seiner Schöpfungsmesse (GehG deest) inspirieren und schuf noch in seinen spä- teren Salzburger Jahren vier eigene Oratoriumskompositionen.78 Nachdem Fürsterzbischof Hieronymus am 11. Februar 1803 die Abdan- kungsurkunde und Großherzog Ferdinand iii. von Habsburg-Toskana am 17. das Besitzergreifungspatent unterschrieben hatten, hielt Letzterer, wie ehemals die Fürsterzbischöfe, als Kurfürst Ferdinand i. von Salzburg am 29. April 1803 Einzug in die Stadt. Das Erzstit Salzburg wurde ge- meinsam mit der Propstei Berchtesgaden, den Pfründen des Hochstits Passau und der Herrschat des Bistums Eichstätt als Kurfürstentum Salz- burg im Austausch mit dem Großherzogtum Toskana an Ferdinand übertragen. Damit erfuhr auch das Musikleben bei Hof für kurze Zeit eine Neubelebung, da nach mehr als zwei Jahren wieder ein Landesfürst in seiner Residenzstadt anwesend war. Am nunmehr kurfürstlichen Hof führte der neue Landesfürst keine grundlegenden Umstrukturierungen durch. Aus der Umbenennung der »Hochfürstlichen Hofmusik« in eine »Kurfürstliche Kammer- und Hof- kapellmusik« mag man vielleicht einen Wandel erkennen, der darin zum Ausdruck kam, dass der Schwerpunkt des musikalischen Lebens bei Hof eine Konzentration auf Kammermusiken und kleinere vokale Darbietun- gen in Form von Kantaten erfuhr. Diese Beschränkung war letztlich auch

76. A-Sd, A 1165. 77. [P. Werigand Rettensteiner − Georg Johann Schinn − Franz Joseph Otter], Biographische Skizze von Michael Haydn. Von des verklärten Tonkünstlers Freunden entworfen, und zum Beßten seiner Wittwe herausgegeben, May’rische Buchhandlung, Salzburg 1808, S. 17. 78. LG 5.6: Cantata per il giorno dell’Epifania (1805); LG 5.7 (GehG deest): Christus verurt- heilt (ca. 1805–06); LG 5.8: Abels Tod (ca. 1806), ein Werk, das mit LG 5.3 (La morte d’Abele, 1778) nichts zu tun hat; LG 5.9: Il trionfo di Gedeone (1808). ∙ 52 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ durch die immer prekärer gewordene inanzielle Lage des Fürstentums erforderlich geworden. Der Fürst, selbst gut ausgebildeter Musiker und Sänger und vor allem begeisterter Musikaliensammler, beteiligte sich an diesen Auführungen und muss zahlreiche Werke in Autrag gegeben ha- ben. Aus seiner Korrespondenz mit seiner Schwägerin, Kaiserin Marie herese79 erfahren wir von einem Oratorium Luigi Gattis, das am Tag der Hl. Drei Könige (6. Jänner) aufgeführt werden soll. Bei diesem handelt es sich um Gattis Kantate Per il Giorno dell’Epifania di N. S. Gesù Cristo (LG 5.6), dessen autographe Partitur sich samt Salzburger Stimmenmate- rials in der Sammlung Ferdinands erhalten hat.80 Nach der Auführung, bei der auch Dominikus Hagenauer zugegen war81, berichtet Ferdinand an die Kaiserin:

»Abbé Gattis Oratorium war ein großer Erfolg. Die Musik ist sehr schwierig zu spielen und zu singen, und wenn sie einen Fehler hat, so ist dieser, dass sie zu dick orchestriert ist und die Stimmen zudeckt; aber es hat allen gefallen. Sag mir ob du es möchtest und ich werde es kopieren lassen.«82 Auch Kurfürst Ferdinand musste sich notgedrungen als »Sparmeis- ter« erweisen. Dies zeigte sich darin, dass er das Hoforchester nicht nur bei Hof und in der Domkirche, sondern auch für Dienste »bey den Opern und Komödien« verplichtete. Diese Dienste hatte bereits Fürs- terzbischof Hieronymus verlangt; sie waren jedoch durch Sonderzula- gen abgegolten worden. So erhielt zum Beispiel Konzertmeister Joseph Otter für das Jahr 1803 zusätzlich zu seinem Jahresgehalt von 560 Gul- den für 64 Opern- und 70 Schauspielauführungen eine Zulage in Höhe von 209 Gulden. Im Zuge einer Gehaltsregulierung, die am 1. Jänner 1804 in Krat trat, wurde zwar Otters ixes Gehalt um 40 Gulden auf

79. Salzburg, 29. Dezember 1804, zitiert in John Rice, Empress Marie herese and Music at the Viennese Court, 1792−1807, Cambridge University Press, Cambridge 2003, S. 53. 80. I-Fc, F.P.T. 115/1. 81. »Sonntag den 6ten [Jänner] […] Abends wurde ich von Höchst Selben zur neu kompo- nirten Music des Kapelmeister Gatti bey der Krippe eingeladen, und blieb demnach beym Spiel und bei der Soupé«, Abt Dominikus Hagenauer (1746–1811) von St. Peter in Salzburg. Tagebücher 1786–1810, hrsg. v. der Historischen Sektion der Bayerischen Benediktinerabtei, bearbeitet und kommentiert von Adolf Hahnl, Hannelore und Rudolph Angermüller, Eos, St. Ottilien 2009, S. 1021. 82. Salzburg, 20. Jänner 1805, zitiert und übersetzt nach Rice, Empress Marie herese, S. 53. Die Abschrit, die Ferdinand der Kaiserin schickte, ist heute in der Österreichischen Nationalbib- liothek (Mus. Hs. 9897 1-2 Mus) verwahrt. ∙ 53 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ jährlich 600 Gulden erhöht, die Zulagen für die heaterdienste wurden jedoch gestrichen, was eine beachtliche Reduzierung seiner Gesamtbe- züge bedeutete.83 Gatti wurde am 1. Jänner 1804 mit seinem vorigen Gehalt von 800 Gul- den und mit jährlich 52 Gulden als Entschädigungspension neu dekre- tiert.84 Auch Hoforganist Michael Haydn erhielt ein mit gleichem Tag datiertes Dekret, das ihm zu seinem bisherigen Gehalt von 450 Gulden eine Zulage von jährlich 150 Gulden brachte, sodass er wie Konzertmeis- ter Otter jährlich 600 Gulden beziehen konnte. Für Haydn, der die Aus- sicht, dass der musikalisch höchst kompetente Ferdinand in Salzburg re- gieren würde, zum Anlass genommen hatte, ein sehr lukratives Angebot des Fürsten Esterházy auszuschlagen und in Salzburg zu bleiben85, war zwar zunächst eine Erhöhung um jährlich 350 Gulden vorgeschlagen worden, um ihm eine dem Hokapellmeister adäquate Besoldung von 800 Gulden zu garantieren. Sie wurde vom Kurfürsten jedoch abgelehnt. Dass dem Hofpersonal unter der Regierung des Kurfürsten der »freie Genuß des Arztes und der Arzneien« gewährt wurde, mag ein kleiner Trost ge- wesen sein.86 Am heater hatten Konzertmeister Franz Joseph Otter und Tenorist Giuseppe Tomaselli die künstlerische Leitung in die Hand genommen. Gatti selbst schuf seit seiner Anstellung bis auf die oben genannten zwei Werke, L’isola disabitata und L’Olimpiade, keine weiteren Opern mehr für Salzburg, sondern beschränkte sich in erster Linie auf Kirchenmusik, Kantaten, Arien und kammermusikalische Werke, die am Hof aufgeführt wurden. Darüber hinaus war Gatti − auch nach Aulösung des Fürsterzstites Salzburg (1802) und des kurfürstlichen Hofes (1805) − in das bürgerliche Musikleben eingebunden, wenn auch nicht so sehr wie Michael Haydn. So erfüllte Gatti einen Kompositionsautrag des Salzburger Buchdruckers und Verlegers Franz Xaver Duyle (um 1743–1804), für den er gemeinsam mit Adam Joseph Emmert (1765−1812) sowie Georg Schinn (1768−1833) anlässlich des Jahrestages des Einzuges von Kurfürst Ferdinand eine drei- teilige Kantate nach einem Text des fürsterzbischölichen Hokaplans

83. Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle, S. 303–7. 84. Ebd., S. 131–43. 85. Hans Jancik, Michael Haydn. Ein vergessener Meister, Amalthea-Verlag, Zürich − Leipzig − Wien, 1952, S. 242−6. 86. Ebd., S. 166–9. ∙ 54 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙

Giambattista Varesco komponierte.87 Die Auführung fand in Duyles Pri- vathaus am 29. April 1804 statt.88 Das Libretto publizierte Duyle selbst. Die Musik der Teile 1 und 2 von Emmert und Schinn ging verloren, jene des 3. Teils von Gatti, konnte jüngst wieder aufgefunden werden.89 Nachdem auch Ferdinand auf der Flucht vor der französisch-bayeri- schen Armee am 18. Oktober 1805, dem zweiten Franzoseneinfall, Salz- burg verlassen hatte, kam das institutionalisierte Salzburger Musikleben gänzlich zum Erliegen und sollte sich bis zur Gründung des »Dommusik- verein und Mozarteum« durch Erzbischof Friedrich Fürst Schwarzenberg (1809−1885) im Jahre 1841 nicht mehr erholen. 1806 wurde Salzburg Österreich angeschlossen, womit die Aulösung der Salzburger Hofmusik besiegelt war. Einige Mitglieder wanderten ab und nur wenige Musiker blieben in Salzburg zurück – besonders tüchtige wurden in die königliche Hofmusikkapelle nach München bzw. in die kaiserliche nach Wien über- nommen, sofern dort Bedarf bestand. Konzertmeister Otter schate die Übernahme in die Wiener Hokapelle erst Anfang 1809. Trotz der politisch unruhigen Zeiten verfasste Luigi Gatti während der nächsten Jahre einige zum Teil großformatige Werke. Am 23. Juli 1806 widmete Gatti Kaiser Franz ii./i. von Österreich (1768−1835), dem durch die Beschlüsse des Friedens von Pressburg (26. Dezember 1805) das ehe- malige Fürstentum Salzburg als Herzogtum zugesprochen wurde, seine Komposition Abels Tod (LG 5.8), eine »Azione tragico-sacra« in deut- scher Sprache nach Metastasios La morte di Abele für Soli, Chor und Or- chester. Das zweiteilige Oratorium, dessen Partitur sowohl im Auto- graph90 als auch in der Widmungspartitur91 überliefert ist, umfasst insge- samt 40 Nummern, die auf die Protagonisten Eva, Engel, Adam, Kain

87. Per il gloriosissimo giorno anniversario del desideratissimo ingresso … in Salisburgo di Sua Altezza … L’Arciduca Ferdinando … Cantata, ordinata da Francesco Duyle, stampatore aulico … prodotta in casa sua propria li XXIX. Aprile MDCCCIV, alla ore VI. di sera. (Musica: Parte prima del Sigr. Adam Joseph Emmert, Parte seconda del Sigr. Giangiorgio Schinn, Parte terza del Sigr. Luigi Gatti. La Poesia è dell’Abate Gianbattista Varesco.). [Salzburg 1804]. Textbuch. Salzburg Museum, Bibliothek, Sign. 12556. 88. Vgl. dazu Hans Glaser, Salzburgs Buchdrucker, »Mitteilungen der Gesellschat für Salzburger Landeskunde«, iic, 1958, S. 149–98: 157 f. Duyle erwarb 1795 eine vornehm eingerich- tete Wohnung am Michaeliplatz 117 (heute Mozartplatz 4), die für diese Auführung die erforder- lichen Voraussetzungen geboten haben dürte. 89. LG 2.9, freundliche Mitteilung von Alessandro Lattanzi. 90. I-OS, Mss.Mus.B 249/1-2. 91. ÖNB, Mus. Hs. 9894–95. ∙ 55 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ und Abel sowie Chor verteilt sind. Obwohl sich keine Auführung in Salz- burg nachweisen lässt, wird von Gehmacher vermutet, dass Gatti das Oratorium im Kapellhaus anlässlich einer öfentlichen »Musikalischen Prüfung« der »Domsingknaben« am 30. Jänner 1814 auführte.92 Ob die in der Partitur sich indenden Anmerkungen auf eine szenische Auführung schließen lassen, bleibt fraglich. Wäre dies der Fall gewesen, hätte man dafür das Universitätstheater in Anspruch nehmen müssen. Ein schwerer Schlag traf das Musikleben Salzburgs mit dem Tod des »verehrungswürdigen Tonkünstlers« Michael Haydn: Er starb am 10. Au- gust 1806 und hinterließ eine große Schar von Schülern, die sein Werk vor allem im süddeutsch-österreichischen Raum in Klosterkirchen in der ersten Hälte des 19. Jahrhunderts verbreiteten. Die von Abt Dominikus Hagenauer noch so genannten »Hofmusikanten« führten »8 Tage hi- nach« ihm zu Ehren Mozarts Requiem in der Universitätskirche auf.93 Möglicherweise aus diesem Anlass − und in diesem Fall wohl für Haydns Schüler und Freund Georg Schinn − fertigte Luigi Gatti eine Bearbeitung des Posaunensolos im »Tuba mirum« für Flöte an, die sich noch heute im Auführungsmaterial des Dommusikarchivs beindet.94 Gatti, der »wegen Alter nicht mehr zu Reisen geeignet«, als Kapellmeis- ter jedoch noch »tauglich« war, blieb erspart, Salzburg verlassen zu müs- sen. Er leitete weiterhin jene kleine Schar von Musikern, die ihm Kaiser Franz i. am 21. Juni 1807 für die Dienste im Dom bewilligte. Der Besuch des Kaisers im Oktober 1807 in Salzburg veranlasste Gatti, ihm die »Azi- one teatrale con musica e ballo« La grotta di Merlino (LG 2.11)95 zu dedi- zieren. Im darauf folgenden Jahr entstand Gattis letzte große dramatische Komposition, das »Dramma sacro per azione ed a sei voci con cori« Il Trionfo di Gedeone (LG 5.9), das Gatti im Jahre 1808 seinem ehemaligen Dienstgeber in Salzburg und nunmehrigen Großherzog von Würzburg, Ferdinand von Habsburg-Toskana, widmete. Der unbekannte Textdich- ter entnahm dem Alten Testament (Buch der Richter, 6,1–8, 35) die Er- zählung über Gideon, einen der vierzehn alttestamentarischen Richter,

92. Gehmacher, Luigi Gatti, S. 65 f. u. 94; »Königl. Bayerisches Salzachkreisblatt«, 1814, S. 882. 93. Hagenauer, Tagebücher, S. 1132 f. 94. A-Sd, A 1349. Vgl. S. 410, Abb. 2 und Eva Neumayr – Lars Laubhold, Quellen zur Rezeption des Requiems von W. A. Mozart in Salzburg im 19. Jahrhundert, »Mozart-Jahrbuch«, 2009/2010, Bärenreiter, Kassel u. a. 2012, S. 187−209. 95. ÖNB, Mus. Hs. 10118−10120. ∙ 56 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙ der das Volk Israel aus der Hand der Medianiter befreit hatte. Um dem »Dramma sacro« einen szenischen Ablauf zu geben, wird eine Neben- handlung nicht biblischer Herkunt eingeführt. Das zweiteilige Oratori- um zählt mit 67 Nummern, großer Orchesterbesetzung sowie sechs Pro- tagonisten, von denen Gedeone allein mit sechs Arien herausragt, zu den umfangreichsten Werken Luigi Gattis. Die autographe Niederschrit der Partitur beindet sich in der heute im »Fondo Pitti« am Archiv des Con- servatorio »Luigi Cherubini« zu Florenz verwahrten Sammlung Ferdi- nands. Für eine Auführung des Werkes in Salzburg fehlt jedes Indiz. An- ders verhält es sich mit Gattis groß besetztem Requiem in C, von dem sich in der gleichen Sammlung neben Salzburger Stimmen eine autographe Partitur beindet, die mit der Notiz »prodotta li 14: Giugno 1808 nella Chiesa dell’ Università di Salisburgo« einen diesbezüglich eindeutigen Hinweis gibt.96 Obwohl ihm die bayerische Regierung bereits am 15. Juli 1813 eine Pen- sion von 852 l. bewilligt hatte, versah Gatti den aktiven Dienst auch in seinem achten Lebensjahrzehnt, so gut es ging, weiter. Sein Gesundheits- zustand dürte sich in den folgenden Jahren jedoch zusehends verschlech- tert haben, sodass er, nachdem Salzburg am 1. Mai 1816 endgültig Öster- reich angegliedert worden war, am 16. Mai das Ansuchen an den Kaiser stellte, »ihm die Substituierung eines tauglichen Individuums bewilligen zu wollen«, zumal sein »76jähriges Alter und die durch dasselbe herbeige- führten Gebrechen, die Erfüllung seiner Dienstobliegenheiten unmöglich machen«. Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt. Er zog sich von allen Äm- tern zurück und lebte abgeschieden in seiner Wohnung im zweiten Stock des Barisani-Hauses in der Pfarrgasse Nr. 2097, wo er im Alter von 77 Jah- ren am 1. März 1817 um halb zwei Uhr früh an »Entkrätigung« verstarb. Gemäß seinem testamentarischen Wunsch setzte man ihn am darauf fol- genden Tag um halb zwei Uhr nachmittags in einem stillen Begräbnis dritter Klasse in der Kommunegrut Nr. 83 auf dem St. Sebastian-Fried- hof, in der auch sein am 28. Mai 1787 verstorbener Vizekapellmeister Leo- pold Mozart am 29. abends seine letzte Ruhestätte gefunden hatte, bei.98

96. Dazu ausführlich Eva Neumayr, Die Requiemkompositionen Luigi Gattis (1740–1817) im vorliegenden Band. 97. − heute Sigmund-Hafner-Gasse 12; seine Nachbarin einen Stock über ihm war übrigens 16 Jahre lang Maria Anna von Berchtold zu Sonnenburg, die Schwester Mozarts. 98. Walther Brauneis, Am Grabe Leopold Mozarts. Tod und Begräbnis von Mozarts Va- ter im Spiegel der Berchtold zu Sonnenburgschen Familienchronik, in Auf eigenem Terrain. Beiträge ∙ 57 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙

Gatti hinterließ, da er für niemanden zu sorgen hatte, ein beachtliches Vermögen, dessen Vergabe testamentarisch festgelegt war.99 Nach seinem Tod übernahm Dombassist Matthias Schittra (um 1750– 1824)100, der seit 1786 als Hobassist der Hofmusik angehörte und ofen- sichtlich ein Favorit des Erzbischofs war101, die Leitung des Domchores. Ihm folgte Gattis Freund und ›Nachlassverwalter‹ Joachim Fuetsch (1766–1852).102 Gatti war als Komponist im Laufe seines Lebens mit drei verschiede- nen musikalischen Epochen konfrontiert. Solange er sich in Italien auf- hielt, komponierte er in der Tradition der neapolitanischen Oper. In Salz- burg eröfnete sich ihm Neues, das er im Umgang mit Michael Haydn persönlich und den Werken von Wolfgang Amadé Mozart, die ihm sein Vizekapellmeister Leopold Mozart bei Hof und in der Domkirche vermit- telte, erfuhr. Was schon Constantin Schneider zu einem von Gattis letz- ten Werken, der dramatischen Solokantate Ino für Sopran und obligate Klavierbegleitung (LG 2.12), feststellte, dass Gatti hier bereits Neuland betrat und Elemente romantischen Stilempindens in sein Werk einlie- ßen ließ103, beginnt sich langsam auch für andere Teile seines späten Œu- vres abzuzeichnen.104

zur Salzburger Musikgeschichte. Festschrit Gerhard Walterskirchen zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Andrea Lindmayr-Brandl − Thomas Hochradner, Selke Verlag, Salzburg 2004, S. 401–416. 99. Verlassenschatsabhandlung SLA, Stadt- und Landrecht Salzburg (STLRSBG) VI 1818 Nr. 14. Das Originaltestament Gattis liegt dort allerdings nicht vor. 100. Eva Neumayr – Lars E. Laubhold, Luigi Gatti and the Collection of Salzburg Sources in the Library of the Conservatorio ›Luigi Cherubini‹ in , in Tagungsbericht der Konferenz »Luigi Gatti (1740–1817). La Musica a Mantova e a Salisburgo nel Settecento«. (Mantua, Oktober 2010), hrsg. v. Alessandro Lattanzi, Libreria Musicale Italiana, Lucca (in Vorbereitung). 101. Hintermaier, Die Salzburger Hokapelle, S. 375 f. 102. Ebd., S. 188 f. 103. Constantin Schneider, Geschichte der Musik in Salzburg von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart, R. Kiesel, Salzburg 1935, S. 142. Die seither verschollene Kantate konnte von Eva Neu- mayr vor kurzem im Zuge von Ordnungsarbeiten im Dommusikarchiv wieder aufgefunden wer- den. Eine Ausgabe wird von ihr vorbereitet. 104. Vgl. dazu Manfred Hermann Schmids Einschätzung von Gattis spätem Klarinettentrio (LG 10c.7) im Abdruck der Podiumsdiskussion am Ende vorliegenden Bandes sowie die durch das Symposium initiierte ORF-CD KEINE CHANCE FÜR MOZART … Salzburger Kammermusik um 1800. GATTI − HAYDN − MOZART, © 2012 ORF, CD 3136. ∙ 58 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙

Abbildung 6: Luigi Gatti, Ino, Kantate für Sopran-Solo mit Klavierbegleitung, Au- tograph, A-Sd, B 3 (Foto: Joseph Kral).

∙ 59 ∙ ∙ Ernst Hintermaier ∙ Anhang

Friedrich von Spaur, Reise durch Oberdeutschland. In Briefen an einen ver- trauten Freund, Bd. ii/1: Nachrichten Ueber das Erzstit Salzburg nach der Säku- larisation. In vertrauten Briefen […], Ambrosi, Passau 1805. Daraus: »Neunter Brief, Salzburg im Dezember 1803«, S. 154–65.

Friedrich Graf Spaur105 (* 1756 in Mainz, † 1821 in Wien) war seit 1777 Domherr in Salzburg und besaß zwei weitere Kanonikate: eines in Brixen, das er abgab, als er jenes in Passau erhielt. Er zählte zu Salzburgs bedeutendsten Auklärern. Da ihm die Karriere eines Domdechanten versagt blieb, proilierte er sich als geach- teter Schritsteller. Er erlangte aber auch als geistiger Vater der Landwirtschat hohe Anerkennung. Besondere Verdienste erwarb er sich gemeinsam mit Jo- hann Ernst Fürst Schwarzenberg um das Salzburger Kulturleben. Dennoch ent- schloss er sich 1819, das »sterbende« Salzburg zu verlassen und nach Wien zu ziehen, wo er zwei Jahre später verstarb. In Salzburg war er Präsident der unter bayerischer Regierung errichteten »literarischen und harmonischen Gesell- schat« mit dem Namen »Musäum«, in der sich 250 Mitglieder auch zu musika- lischen Tanz- und Spielunterhaltungen zusammenfanden. Die Gesellschat ging auf das 1784 vom Publizisten und Topographen Lorenz Hübner (1751–1807) ge- gründete »Lektürenkabinett« zurück. Große Verehrung brachte Spaur Michael Haydn entgegen, von dem er sich eine Vertonung seines Gedichtes »An den Hain von Aigen« erbat, das er im April 1804 dem Besitzer des Schlosses Aigen, Ernst Fürst Schwarzenberg, widmete. Mit diesem war er nicht nur als Mitglied des Salzburger Domkapitels, sondern auch durch das kulturelle Interesse eng verbunden. Eine vor 1813 erschienene Schrit zur Biographie des salzburgischen Conzert=Meisters Michael Haydn ließ sich bisher nicht nachweisen. Erwähnt wird sie von Franz Xaver Weilmeyr in seinem 1813 erschienenen Handbuch zu Salzburg.106 Spaurs besonderes Naheverhältnis zu Haydn spiegelt sich auch in dem hier wiedergegebenen »Brief«, in dem Luigi Gatti nur marginale Erwäh- nung fand. Gleichwohl stellt der Text einen atmosphärisch eindrücklichen Zeit- zeugenbericht zum Musikleben in der Salzachstadt zur Zeit des letzten Salzbur- ger Hokapellmeisters dar.

105. Zu Spaurs Leben und Wirken vgl. Begleithet zu den Faksimileausgaben: Friedrich von Spaur, Reisen durch Oberdeutschland […] In Briefen an einen vertrauten Freund. […] Mit Biographie Friedrich Graf Spaurs sowie Personen- und Ortsregister zur Neuaulage 1985. Verf. v. Ulrich Salzmann, Druckhaus Nonntal, Salzburg 1985. 106. Franz Xaver Weilmeyr, Salzburg, die Hauptstadt des Salzach=Kreises. Ein Hand= und Addreß=Buch für Jedermann, Mayer’sche Buchhandlung, Salzburg 1813. ∙ 60 ∙ ∙ Luigi (Maria Baldassare) Gatti ∙

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Ordo Festivitatum et Functionum In hac Metropolitana Ecclesia Salisburg[e]nsi, Handschrit Luigi Gattis (vermutl. um 1782/83), SLA, Reg. IX/185, fol. 76r-77v.

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