DIPLOMARBEIT

Titel der Diplomarbeit SOSHANA Das malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde

Verfasserin Birgit Prunner

angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag. a phil.)

Wien, im März 2011

Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 315 Studienrichtung lt. Studienblatt: Kunstgeschichte Betreuerin: Univ.-Prof. Dr. Martina Pippal

... Wo sich berühren Raum und Zeit, Am Kreuzpunkt der Unendlichkeit Wie Windeswehen in gemalten Bäumen Umrauscht uns diese Welt, die wir nur träumen. Mascha Kaléko

INHALTSVERZEICHNIS

Danksagung ...... 2

1. Einleitung...... 4

1.1. Forschungslage ...... 6 1.2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ...... 8

2. Die Kunst des Informel...... 12

2.1. Historischer Abriss ...... 13 2.2. Kunstgeschichtliche Voraussetzungen ...... 16 2.3. Charakterisierung...... 17

3. Werk...... 21

3.1. Vom Erwachen: Das frühe Werk...... 21 3.2. Vom Aufbrechen: Die Dominanz des Informel in und im Oeuvre Soshanas. 28 3.3. Vom Entdecken: Der Einfluss fernöstlicher Schrift- und Malkunst auf Soshana ... 52 3.4. Vom Abheben: Surrealistische Tendenzen im Werk Soshanas...... 63 3.5. Vom Ausbrechen und vom Zerbrechen: Soshanas figurativ-narrative Malerei im Kontext persönlicher Geschichte/n...... 72 3.6. Vom Heimkehren: Verortung von Soshanas Malerei innerhalb der österreichischen Moderne ...... 86

4. Schlussbemerkung ...... 95

Literaturverzeichnis ...... 100

Abbildungsverzeichnis...... 112

Abbildungen ...... 115

Tabellarischer Lebenslauf Soshanas...... 143

Anhang...... 146

1 Danksagung

Eine Diplomarbeit markiert den Studienabschluss und damit auch das Ende eines Lebensabschnittes. Zudem gilt es für uns angehende Kunsthistoriker 1, damit am (Arbeits-) Markt zu reüssieren. Umso besser also, wenn eine solche Arbeit die Chance bietet mit dem breiten Aufgabenspektrum des zukünftigen Betätigungsfeldes in Berührung zu treten und noch besser, wenn man sich auch tatsächlich darin erproben kann. Meine Diplomarbeit bot mir diese einzigartige Gelegenheit: Über die Bearbeitung des umfangreichen Werkkorpus einer von der Öffentlichkeit bislang zu wenig wahrgenommenen und von der Forschung bis vor kurzem vernachlässigten Künstlerin konnte ich mich mit den vielfältigen Herausforderungen und Möglichkeiten, welche das Berufsbild des Kunsthistorikers mit sich bringen, vertraut machen. Wissenschaftliches Arbeiten interagierte mit praktischer Kompetenzbildung – ich kann also auf eine abwechslungsreiche Palette an gesammelten Erfahrungen zurückblicken und zurückgreifen. Besonders schön für mich war der persönliche Kontakt zum Sohn der Künstlerin, Amos Schueller, sowie zur Künstlerin selbst. Herr Schueller ermöglichte es mir, Soshanas Oeuvre aus nächster Nähe kennen zu lernen, es im wahrsten Sinne des Wortes zu befühlen (fast ein jedes ihrer Werke, die in einem Bilderlager im fünfzehnten Wiener Gemeindebezirk aufbewahrt sind, wanderte im Laufe der Zeit auch einmal durch meine Hände). Außerdem wurde mir die Ehre zuteil, eine Ausstellung mit Malereien Soshanas in der Wiener Galerie Böck durch eine Ansprache zu eröffnen. Das wissenschaftliche Instrumentarium, das ich mir während meiner Studienzeit in Wien angeeignet habe, kam in der hier vorliegenden Diplomarbeit zur Anwendung. Der anregende Austausch mit namhaften bzw. sich gerade profilierenden Kunsthistorikern innerhalb (vor allem während konspirativer Treffen im Rahmen der Privatissima unter der Leitung von Prof. Martina Pippal) und außerhalb des universitären Betriebes (mein besonderer Dank geht an den ehemaligen Leiter des Lentos Kunstmuseum Linz Peter Baum, der sich gleich zu Beginn meiner Arbeit zu einem Interview bereit erklärte, das mir wichtige Denkanstöße lieferte) hinterließ seine Spuren in dieser Studie wie auch in meiner persönlichen Arbeitsweise. Das

1 Um den Lesefluss zu erleichtern wird in der Arbeit auf das gleichzeitige Verwenden von männlicher und weiblicher Form verzichtet, entsprechende Formulierungen inkludieren aber beide Geschlechter. 2 Ganze gipfelte für mich schließlich im Verfassen eines Artikels und dem daran gebundenen Aufscheinen des eigenen Namens neben jenen etablierter Kunstwissenschaftler in der kürzlich im renommierten Springer-Verlag erschienenen Monographie über Soshanas Leben und Werk. Für die Möglichkeit zur Ausübung dieser mannigfaltigen Tätigkeiten, vor allem aber für das mir diesbezüglich gegenüber gebrachte Vertrauen, kann ich meiner Professorin und Betreuerin Martina Pippal, die mich zu dieser Diplomarbeit angeregt hat, und natürlich Amos Schueller, der meine Recherchen stets mit Aufmerksamkeit und Interesse begleitet hat, nicht genügend danken. Mag. Michaela Zöschg bemühte sich mit viel Geduld und Akribie um das Lektorat der Arbeit, auch ihr sei hiermit von Herzen gedankt. Weiters möchte ich allen Freunden danken, die mir während dieser Zeit zur Seite gestanden und durch ihren Input einen wesentlichen Teil zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben – insbesondere Markus Viehbeck, Verena Lageder, Simon Reitstätter und Ulrike Hofer. Der innigste Dank gebührt aber meinen Eltern für ihre liebevolle Unterstützung.

3 1. Einleitung

„Soshana heißt Rose. Oder Lilie.“, 2 erklärte Marlene Streeruwitz gleich zu Beginn ihres einleitenden Essays in der kürzlich erschienenen Monographie zur Künstlerin, die bis 1948 auf den Namen Susanne Schüller hörte. In jenem Jahr verwendete die junge Malerin anlässlich einer Ausstellung im Circulo de Bellas Artes in Havanna erstmals die hebräische Form für Susanne. Ihr damaliger Ehemann und Lehrer, der aus Polen stammende und seit 1912 in den USA lebende Künstler Beys Afroyim, gab ihr den Künstlernamen Soshana, den sie seitdem beibehielt (Abb. 1 bis 4). Geboren wurde Susanne Schüller 1927 in Wien als Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie. Schon das Geburtsdatum und ihre Herkunft brandmarken sie als ein Opfer der größten Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts, die sich in die Biographien vieler Millionen und Generationen geätzt hat. Beschäftigt man sich mit Leben und Werk der Künstlerin, kommt man unweigerlich damit in Berührung. Eine menschenverachtende Diktatur zwang sie und ihre Familie 1938 zum Verlassen der Heimat. Die Flucht vor dem Nationalsozialismus führte das elfjährige Mädchen in Begleitung der Eltern Fritz und Margarete sowie des jüngeren Bruders Maximilian von Österreich über die Schweiz und Frankreich nach England, von wo aus die Schüllers 1941 in die USA emigrierten. Die ersten Jahre in den Vereinigten Staaten waren für die Eltern mit großen finanziellen Sorgen verbunden und ihre Ehe, die nie eine glückliche gewesen war, zerbrach an den Folgen des Krieges. Soshana floh abermals, dieses Mal aus dem Schoß der Familie auf eine Reise kreuz und quer durch Amerika mit ihrem damaligen Lehrer Beys Afroyim. 1945 heiratete die junge Frau den um etliche Jahre älteren Künstler, der ihr malerisches Talent gezielt förderte. Doch auch ihre Ehe scheiterte, schon 1950 ließ sich das Paar scheiden. Soshana kehrte mit dem gemeinsamen Sohn Amos nach Wien zurück, von wo aus sie 1952 den Sprung in die Kunstmetropole Paris wagte, der von einer neuerlichen Trennung begleitet war. Als Künstlerin und allein stehende Mutter hätte sie ihrem sechsjährigen Sohn kein festes Zuhause und finanziell abgesichertes Leben bieten können, weshalb sie Amos der Obhut ihres Vaters überließ, der mittlerweile aus den USA wieder nach Wien zurückgekehrt war. Der zu zahlende Preis dafür war allerdings ein hoher – für beide Seiten. Die Malerin rief ihn sich (und dem Betrachter ihrer Werke) anhand eines immer wieder kehrenden Bildmotivs beharrlich in

2 Vgl. Bäumer/Schueller 2010, S. 8. 4 Erinnerung: dem isolierten, in Einsamkeit ausharrenden Menschen (Abb. 7 bis 9 und 71 bis 72). Paris markierte den Aufbruch in ein neues Leben, ein Leben, das sich von nun an ganz und gar der Kunst und ihren Protagonisten verschrieben hatte. Soshana kreuzte die Wege der Großen in der Kunstgeschichte – Brancusi, Giacometti, Picasso etc. – und hing ihrer zweiten großen Leidenschaft nach, dem Reisen. Unermüdlich tingelte sie um die Welt. Ihre ausgedehnten Streifzüge führten sie unter anderem nach Kuba, Indien, Japan, China, Afrika, Israel und Mexiko. Manchmal lebte die Künstlerin für mehrere Monate an einem Ort, dann kehrte sie wieder an den Ausgangspunkt ihrer Reisen – Paris oder New York und ab 1985 wieder Wien – zurück. Letzten Endes spiegelt sich darin wohl die Rastlosigkeit wider, der sie als Kind und junge Frau im Zuge der Vertreibung schutzlos ausgeliefert war. Die frühe Entwurzelung und der Verlust der Heimat hatten sie zu einer Nomadin gemacht, die sich ihr Leben lang auf der ganzen Welt herumtrieb, immer auf der Suche nach neuen Orten und Menschen, Bergen und Meeren und womöglich auch nach einem geeigneten Boden, wo sie hätte neue und feste Wurzeln schlagen können. Von alledem berichtet ihr umfangreicher Werkkorpus, der sich durch seine Heterogenität und stilistische Vielseitigkeit auszeichnet. Ausgehend vom sozialen Realismus gelangte Soshana über einen gestisch-expressiven Duktus zur Abstraktion, gab die Gegenständlichkeit aber niemals völlig auf, sondern platzierte figurative Bildmotive vor surrealistisch anmutende Bildräume und zwischen informelles Liniengeflecht. Die Farbpalette reicht von hellrosa bis dunkelschwarz, das Themenspektrum von verwüsteten Kriegsschauplätzen bis zu naiv-verspielten, fast kitschig-romantischen Landschaftsansichten. „Die Begegnungen und Reisen im Leben Soshana Afroyims sind manchmal für die Wahrnehmung des künstlerischen Schaffens von beinahe erdrückender Bedeutung“, 3 betonte Christian Kircher in seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Wien an Soshana im September 2009. Dieser Umstand ist sicher richtig, allerdings hatte Angelica Bäumer zwei Jahre zuvor, in einer Festrede an Soshanas achtzigstem Geburtstag, zu Bedenken gegeben, dass „ihre künstlerische Entwicklung allzu lange und viel zu eng mit ihrer Biographie

3 Vgl. Laudatio Christian Kircher abgedruckt in Neider-Olufs 2010, S. 366 sowie in Bäumer/Schueller 2010, S. 48–51. Siehe auch Soshanas Website unter der Rubrik Texte. In der vorliegenden Arbeit wird wie folgt auf die Website verwiesen: Vgl. Website Soshana/Texte (als Beispiel für die jeweilige Rubrik unter der die Angaben im Internet aufscheinen). Für den Link zur Website siehe Literaturverzeichnis. 5 verbunden und über sie definiert“ 4 wurde. Für die Autoren sei es immer verführerisch gewesen über Soshanas bewegten und unkonventionellen Lebenswandel zu berichten, damit würde man aber nur einer Seite der Künstlerin gerecht, so Bäumer. Und tatsächlich standen bis vor kurzem die lebensgeschichtlichen Aspekte in den schriftlichen Abhandlungen zur Malerin im Vordergrund. Die kunstwissenschaftlichen Betrachtungen beschränkten sich meistens auf die Aufzählung unterschiedlicher stilistischer Einflüsse bzw. Verweise auf beeinflussende Künstlerpersönlichkeiten. Ausführliche Werkanalysen oder vergleichende Gegenüberstellungen fehlten aber bis zum Erscheinen der ersten umfassenden Soshana-Monographie im Herbst 2010.

1.1. Forschungslage Erst vor wenigen Monaten publizierte der renommierte Springer-Verlag die von Angelica Bäumer und Amos Schueller herausgegebene Monographie Soshana. Leben und Werk 5 . Zahlreiche namhafte Autoren haben Beiträge dafür verfasst, welche die bisherige Beschäftigung mit der Künstlerin in ein ganz neues Licht rücken. 6 Matthias Boeckl etwa beleuchtete als erster ausführlich ihr frühes Werk, Martina Pippal leistete mit der Positionierung von Soshanas Oeuvre innerhalb der österreichischen Moderne Pionierarbeit und Christian Kloyber enthüllte ganz neue Aspekte bezüglich der Bedeutung Mexikos für die Malerin. 7 Daneben kann das Buch mit einem literarischer Text der österreichischen Schriftstellerin Marlene Streeruwitz aufwarten und Afnan Al-Jaderi, die sich schon seit längerer Zeit mit dem Vorlass der Künstlerin beschäftigt, verfasste ein einfühlsames Portrait, gespickt mit Auszügen aus den persönlichen Tagebüchern und Manuskripten Soshanas. 8 Auf all die wertvollen Erkenntnisse in diesen Beiträgen konnte ich mich in weiterer Folge

4 Vgl. Laudatio Angelica Bäumer auf Website Soshana/Texte. 5 Bäumer/Schueller 2010. 6 Eine erste Monographie wurde 1973 von Soshana in Kooperation mit United Artists Ltd./Tel Aviv herausgegeben. Dafür haben renommierte Kunstkritiker wie Jean Cassou, Pierre Restany und Michel Georges-Michel kurze Aufsätze verfasst, vgl. Soshana 1973. Erwähnenswert ist weiters der 1997 erschienene Ausstellungskatalog mit einem Text von Barbara Baum, vgl. Ausst.-Kat. Palais Pàlffy 1997. 2006 schließlich veröffentlichte Amos Schueller ein Künstlerinnenbuch mit einer etwas umfassenderen Einführung von Martina Gabriel und Texten von Peter Baum und Ulli Sturm, siehe Schueller 2006. Daneben existieren zahlreiche Presseartikel seit den 1950er Jahren, welche teilweise auf Interviews basieren und in unterschiedlichen Längen das Leben und Werk Soshanas kommentieren. Außerdem können auf der Website Soshanas ausgewählte schriftliche Beiträge nachgelesen werden, auf Soshanas Datenbank liegen Scans der originalen Pressemeldungen. 7 Vgl. Boeckl 2010, Pippal 2010 sowie Kloyber 2010. 8 Vgl. Essay von Marlene Streeruwitz in Bäumer/Schueller 2010, S. 8f.; Al-Jaderi 2010. 6 meiner Arbeit stützen. Im Gegenzug habe auch ich einen Artikel zur Publikation beigesteuert, welcher sich auf das malerische Oeuvre Soshanas in den 1950er und 1960er Jahren konzentriert. 9 Die Malerei dieser Phase ist maßgeblich von der Annäherung an die Informelle Gestaltungsweise geprägt. Peter Baum kennzeichnete die informellen Gemälde der 1950er Jahre als den Höhepunkt im Schaffen Soshanas. 10 Grund genug, diesen Zeitabschnitt einmal gesondert zu behandeln und in das Zentrum der Betrachtung zu rücken. Denn obwohl die relevante Literatur gemeinhin die Nähe von Soshanas Arbeiten zum Informel erkannte, blieb es meist bei einem kurzen Verweis auf diese um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts dominierende piktorale Bewegung.11 Eine fundierte Analyse, begleitet von einer vergleichenden bildlichen Beweisführung, ist immer noch ausständig. Stattdessen wurde das Wissen um die Charakteristika und die Entstehungsbedingungen, welche zum internationalen Aufkeimen des Informel führten, scheinbar vorausgesetzt. Aufgabe dieser Diplomarbeit ist es daher eine ausführliche Darstellung dieser kunsthistorischen Strömung zu liefern sowie deren Reflektion im Oeuvre der Künstlerin sichtbar zu machen. Die wissenschaftliche Bearbeitung, wie sie im vergangen Jahr verstärkt eingesetzt hat, wäre ohne die wertvolle Vorarbeit und das Engagement von Amos Schueller nicht denkbar gewesen. Sein Wirken vollzog sich auf mehreren Ebenen: Im Jahr 2007 richtete er ein geräumiges Bilderlager im fünfzehnten Bezirk in Wien ein, wo die Werke seiner Mutter nach sorgfältiger Sortierung einen festen Platz gefunden haben. Auch forcierte er im vergangenen Jahrzehnt die Ausstellungstätigkeit und organisierte Werkschauen an ehemaligen Wirkungsorten der Malerin, und das heißt auf der ganzen Welt. Seit 2006 ist Soshanas Website online, wo neben biographischen und diversen anderen Informationen zur Künstlerin auch Texte von namhaften Autoren und Pressemeldungen sowie alle Bilder, 12 die sich im Besitz Soshanas bzw. ihres Sohnes befinden, abrufbar sind. An die Website gekoppelt ist

9 Vgl. Prunner 2010. 10 Vgl. Baum 2006, S. 37, wiederabgedruckt in Bäumer/Schueller 2010, S. 140. In einem persönlichen Gespräch im Mai 2009 bekräftigte Peter Baum diese Meinung. Schon 2003 hatte er Werke der Künstlerin im Rahmen der Ausstellung Paris 1945-1965 im Lentos Kunstmuseum Linz gezeigt und sie damit als eine Vertreterin der Nouvelle École de Paris charakterisiert, vgl. Baum 2003, S. 128f. 11 Lediglich Martina Pippal stellte im Zuge ihrer Positionierung von Soshanas Oeuvre innerhalb der österreichischen Moderne mehrmals konkrete Vergleiche mit Repräsentanten der abstrakt-gestischen Avantgarde Europas an, insbesondere mit Georges Mathieu. Vgl. Pippal 2010, S. 63. 12 Alle hier beschriebenen und im Anhang dieser Arbeit abgebildeten Werke Soshanas sind auf Website Soshana/Bilder bzw. Datenbank Soshana/Paintings und Paper Works in einem größeren Format abgespeichert und einsehbar. 7 eine Datenbank, 13 auf der in demselben Format all ihre Werke numerisch registriert sind. Weiters sind dort fast die gesamte briefliche Korrespondenz sowie eine Menge an Fotomaterial und persönlichen Dokumenten durch Scans einsehbar. Der gesamte biographische Vorlass, der Tagebücher, Manuskripte, Typoskripte und vieles mehr enthält, ging 2009 in den Bestand der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek über, wo ihm nun die gebührende Aufmerksamkeit durch eine fachgerechte Betreuung entgegengebracht wird. 14 So enthüllt sich nicht nur Soshanas persönliche Lebensgeschichte und die ihres unmittelbaren Umfelds (der Vorlass enthält beispielsweise auch zahlreiche Dokumente und Korrespondenz von Beys Afroyim, dessen künstlerisches Schaffen noch weitgehend im Dunkeln liegt), sondern auch ein Kapitel österreichischer Geschichte. Darüber hinaus streift der Rezipient ihrer Schriften wie der Betrachter ihrer Werke global-gesellschaftliche, - politische, -kulturelle sowie -künstlerische Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts. Soshanas ausgeprägte Umtriebigkeit bescherten ihr ein weit verzweigtes Netzwerk an Kontakten, wie es für die Facebook-Generation des einundzwanzigsten Jahrhunderts zum Alltag geworden ist, für eine Frau ihres Jahrgangs aber beinahe visionär anmutet. Fast neige ich dazu, im Falle von Soshanas Kosmopolitentum von Globalisierung (in ihren positivsten Erscheinungsformen) avant la lettre zu sprechen.

1.2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit Die Ziele, welche diese Diplomarbeit verfolgt, wurden zum Teil schon angedeutet. In erster Linie, und das liegt bei einer monografischen Studie auf der Hand, geht es darum, das umfangreiche Oeuvre Soshanas mit den Werkzeugen eines Kunsthistorikers zu bearbeiten und ihm durch die Einführung in den wissenschaftlichen Diskurs Bedeutung zu verleihen bzw. seinen Mehrwert publik zu machen.

13 Verweise darauf werden in der vorliegenden Arbeit wie folgt angeführt: Vgl. Datenbank Soshana/Letters (als Beispiel für die jeweilige Rubrik unter der die Informationen auf der Datenbank abgespeichert sind). Für den Link zur Datenbank siehe Literaturverzeichnis; die Datenbank ist allerdings nicht frei zugänglich, die Benützung erfolgt nach Anmelden über einen persönlichen Account mit dazugehörigem Passwort. Die Berechtigung erteilt Amos Schueller. 14 Der Vorlass wird derzeit archiviert und die Daten werden in den ÖNB-HANNA-Katalog eingespeist. 8 Die Orientierung an biographischen Begebenheiten zur Einteilung von Soshanas Schaffen in Werkphasen, wie es bereits andere Autoren vor mir unternahmen, 15 liegt auch der vorliegenden Analyse weitgehend zugrunde. Allerdings wollen die anschließenden Ausführungen im Sinne Angelica Bäumers das Werk nicht allein unter den lebensgeschichtlichen Voraussetzungen betrachten 16 – dass diese in den Schöpfungen (beinahe) eines jeden Künstlers anklingen, muss nicht eigens belegt werden –, sondern es der kunstwissenschaftlichen Methodik entsprechend nach ikonographischen wie stilistischen Gesichtspunkten untersuchen und zusammenfassen sowie anhand von Vergleichen und unter Berücksichtigung zeithistorischer Geschehnisse, im Kanon der Kunstgeschichte positionieren. Dabei sollen Soshanas individuelle Entwicklungsschritte sowie die originären Weiterentwicklungen innerhalb ihrer Malerei sichtbar werden. Das erste Kapitel des Werkteils gibt eine Vorstellung von Soshanas frühem Schaffen bis 1952. Hiefür konnte ich auf die wertvollen Ergebnisse des Kunsthistorikers Matthias Boeckl zurückgreifen. 17 Der Fokus dieser Diplomarbeit liegt aber, wie bereits angedeutet wurde, auf Soshanas schöpferischen Aktivitäten der 1950er und 1960er Jahre. Der Grund dafür findet sich in deren Hervorhebung im Großteil der bisher erschienenen kunstwissenschaftlichen Betrachtungen bei gleichzeitigem Versäumnis einer eingehenden Analyse. Eine solche will die vorliegende Studie nun liefern. Noch bevor die Betrachtung ihres Frühwerkes den Werkteil eröffnet, werden deshalb die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vorherrschenden informellen Tendenzen in der Malerei, deren Entstehungsbedingungen und Wesenmerkmale umrissen. 18 Das Informel als dominierende Strömung innerhalb und außerhalb Europas hatte mit seinem anarchisch anmutenden Duktus und seiner ihm immanenten Pluralität massiven Eindruck bei der Malerin hinterlassen und ihre Arbeitsweise nachhaltig beeinflusst, wie sich im konfrontierenden Dialog mit prominenten Werken etablierter Kunstschaffender noch zeigen bzw. im internen Werkabgleich herausstellen wird. 19

15 Insbesondere Gabriel 2006. 16 Ein tabellarischer Lebenslauf der Künstlerin befindet sich am Ende dieser Arbeit, siehe S. 143–145. Er deckt sich mit den Angaben auf Website Soshana/Biographie. Vgl. außerdem Al-Jaderi 2010. 17 Vgl. Kapitel 3.1 . Vom Erwachen: Das frühe Werk in der vorliegenden Arbeit, S. 21–28. 18 Vgl. Kapitel 2 . Die Kunst des Informel in der vorliegenden Arbeit, S. 12–20. 19 Vgl. Kapitel 3.2. Vom Aufbrechen: Die Dominanz des Informel in Paris und im Oeuvre Soshanas in der vorliegenden Arbeit, S. 28–52. 9 Dennoch waren die gestisch-abstrakten Gestaltungsweisen nicht die alleinige Quelle von Soshanas kreativem Potenzial. Eine wichtige, weil das Werk vorantreibende, Entdeckung lag in der Nutzbarmachung ostasiatischer Mal- und Schrifttechniken für ihre Malweise, wie dies bei westlichen Künstlern des Öfteren zu beobachten war und besonders im Informel einen erneuten Aufschwung erlebte. In der befruchtenden Auseinandersetzung mit der fernöstlichen Kalligraphie eröffnete Soshana ihrem Werk eine neue Qualität und bereicherte das traditionelle Inspirationsverhältnis zwischen Ost und West um einen originellen künstlerischen Beitrag. 20 Ferner gelang es ihr die ostasiatischen Errungenschaften vom Papier auf die Leinwand zu übertragen, wo sich diese mit surrealen Raumvorstellungen kreuzten und in der reizvollen Verschmelzung auratisch aufgeladene Bilder erzeugten. Vereinzelt wies die relevante Literatur bereits auf Soshanas surrealistische Tendenzen hin, 21 es fehlen aber bislang nähere Untersuchungen dazu. Einen Erklärungsversuch hinsichtlich deren Herkunft und Inszenierung in der Malerei Soshanas versucht diese Arbeit in einem weiteren Schwerpunkt zu erbringen. 22 Obwohl ihr der gestisch-expressionistische Modus den Weg vom frühen Realismus hin zu einer abstrakten Darstellungsweise ebnete, blieben figurative Versatzstücke im Werk der Künstlerin stets präsent. In einem eigenen Kapitel werden die im Verlauf der Arbeit vorgestellten Deutungsversuche ihrer Bildmotive zusammengefasst bzw. um neue Aspekte erweitert. 23 Biographische Details, die bis dahin vernachlässigt werden, kommen unter Berufung auf Tagebücher, Manuskripte und Typoskripte dann ebenfalls zur Sprache. Der Verweis auf die schriftstellerischen Aktivitäten Soshanas erklärt möglicherweise die lebenslange Affinität der Malerin zu narrativen Exkursen in manchen Darstellungen. Am Ende der Werkbetrachtung wird die Beziehung von Soshanas Kunst zur österreichischen Moderne untersucht, um schließlich zu einer Verortung innerhalb der heimischen Kunsttradition zu gelangen. Zwar gab Martina Pippal in ihrem

20 Vgl. Kapitel 3.3. Vom Entdecken: Der Einfluss fernöstlicher Schrift- und Malkunst auf Soshana in der vorliegenden Arbeit, S. 52–63. 21 Vgl. Soshana 1973, S. 147; Baum 1997, S.7; Gabriel 2006, S. 18; Kloyber 2010, S. 224. 22 Vgl. Kapitel 3.4. Vom Abheben: Surrealistische Tendenzen im Werk Soshanas in der vorliegenden Arbeit, S. 63–72. 23 Vgl. Kapitel 3.5. Vom Ausbrechen und vom Zerbrechen: Soshanas figurativ-narrative Malerei im Kontext persönlicher Geschichte/n in der vorliegenden Arbeit, S. 72–86. 10 Beitrag bereits die Messlatte dafür vor, darüber hinaus aber versuche ich den Blickwinkel ein wenig auszuweiten. 24 Auf Soshanas New Yorker Jahre (1974-1985) sowie ihre spätere Werkentwicklung wird in der vorliegenden Untersuchung nicht mehr dezidiert eingegangen. Zum Einen hätte das den Umfang der Arbeit gesprengt, zum Anderen handelt es sich bei den Werken ab den 1980er Jahren im Grunde um Wiederholungen und Variationen bekannter Themen und vielfach erprobter Modi. Die nicht erst von mir getroffene Feststellung, der Höhepunkt von Soshanas Schaffen läge in den fünfziger und sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, erhärtet sich im Zuge dieser konzentrierten Studie, welche ihre Malerei mit dem letzten Aufbäumen der internationalen Moderne in Gleichklang setzt.

24 Vgl. Kapitel 3.6. Vom Heimkehren: Verortung von Soshanas Malerei innerhalb der österreichischen Kunstgeschichte in der vorliegenden Arbeit, S. 86–94. 11 2. Die Kunst des Informel

Nun ist der Weg frei. An uns Malern liegt es, zu zeigen, wie wir diese Freiheit gebrauchen. 25

Der Begriff „Informel“ kennzeichnet eine Variante der Abstraktion, welche nach dem zweiten Weltkrieg verstärkt an Bedeutung gewann und die europäische Kunstlandschaft – hauptsächlich die Malerei – bis Ende der 1950er Jahre dominierte. 26 Gegenüber der anfänglichen Auffächerung in unterschiedliche Benennungen wie beispielsweise Tachismus, Art Autre oder Lyrische Abstraktion konnte sich nur der Terminus Informel dauerhaft durchsetzen. Dieser wurde erstmals 1951 von dem französischen Kunstkritiker Michel Tapié in der von ihm kuratierten Schau Signifiants de l’Informel im Pariser Studio Fachetti zur Diskussion gestellt. Die Ausstellung versammelte künstlerische Positionen von Jean Fautrier, Jean Dubuffet, Georges Mathieu, Henri Michaux, Jean-Paul Riopelle und Jaroslav Serpan. Deren formlose, ungegenständliche Darstellungen standen in deutlicher Abgrenzung zu den zeitgleichen abstrakt-geometrischen Tendenzen. „Die Maler“, so Tapié in seiner ein Jahr später erschienenen Programmschrift Un art autre, „handeln [...] in einer Formlosigkeit, die sich gegenüber dem gewöhnlichen Imperativ der Form mit der größten Ungeniertheit und der fruchtbarsten Anarchie verhält.“ 27 Als „informe“ bezeichnete Tapié schon 1950 die Werke des aus Deutschland stammenden und in Paris lebenden Künstlers Wols, 28 der gemeinsam mit Hans Hartung, Jean Dubuffet und Jean Fautrier als wichtigster Wegbereiter der neuen Kunst in Europa gilt. Georges Mathieu sprach 1963 von einer durch Wols ausgelösten Wende in der Entwicklung westlicher Bildformen, 29 Werner Haftmann betonte die zündende Kraft seiner Werke für die junge Generation, 30 Peter Baum bezeichnete ihn als einen der authentischsten Maler und Zeichner sowie einen

25 Georges Mathieu im Katalog zur Ausstellung L’imaginaire im Jahr 1947. Zit. nach Claus 1963, S. 66. 26 Allgemein weiterführende Literatur zum Informel: Belgin 1997; Zuschlag/Gercke/Frese 1998; Althöfer 2002; Baum 2003; Wedewer 2007; Baus 2008, Reißer/Wolf 2008, S. 76–93. 27 Michel Tapié, Un art autre , 1952, übersetzt und auszugsweise wiederabgedruckt in Belgin 1997, S. 193–195, hier S. 194. 28 Vgl. Zuschlag 2002, S. 243. Zu Wols vgl. auch Baum 2003, S. 12, 300–303. 29 Vgl. Claus 1963, S. 110. 30 Vgl. Haftmann 1976, S. 474. 12 Seismographen seiner Zeit. 31 Tief erschüttert und geprägt von den Schrecken des Krieges entwarf Wols „Bilder, die aus der seelischen Verwundung strömten“ 32 und den „spontanen Charakter improvisierter Niederschriften“ 33 trugen. Haftmann deutete damit zwei Aspekte an, welche das Gesamtphänomen Informel prägen bzw. seine Internationalität zum Teil erklären: die gewaltsamen zeithistorischen Ereignisse einerseits, sein Anknüpfen an ein künstlerisches Verfahren der Moderne, nämlich an den im Surrealismus entwickelten psychischen Automatismus, andererseits. Das amorphe Netzwerk informeller Kunstproduktion spannte sich über die verschiedenen Länder und Kontinente, und sie gleicht rückblickend einer globalisierten Bewegung. Vor allem die Künstler der USA fanden im – von der Forschung so betitelten – Action Painting 34 oder im Abstrakten Expressionismus zu verwandten Lösungen wie die europäischen Informellen . Mit Hilfe neuer künstlerischer Methoden und Techniken wurde hier wie dort der universale Freiheitsdrang bildlich artikuliert und eine Intensivierung des subjektiven Ausdrucks erreicht. Die gestalterischen Mittel folgten nicht länger den Regeln der Komposition, sondern verteilten sich autonom und zwanglos über die Leinwände. Der Malakt verselbständigte sich und wurde in seiner Dynamik und gesteigerten Gestik zu einem „Symbol des Malens“ 35 an sich.

2.1. Historischer Abriss In ihrem anarchisch anmutenden Auftreten formulierte die „ganz andere Kunst“ 36 eine Anklage gegen die jahrelange kriegsbedingte Ausmergelung, Zerstörung und Unterdrückung der persönlichen und künstlerischen Freiheiten. Werner Haftmann sprach diesbezüglich im Vorwort des Ausstellungskataloges zur zweiten Documenta von dem Schicksalsjahr 1945. „In ihm ging der große Krieg zu Ende. Das hieß nicht nur, dass Deutschland, Italien, Japan aus einer fast vollständigen Vernichtung einen neuen Anfang finden mussten, sondern dass auch die weiteren staatlichen und zwischenstaatlichen Beziehungen unter neue Aspekte

31 Vgl. Baum 2003, S. 12. 32 Haftmann 1976, S. 474. 33 Ebd. 34 Der Begriff Action Painting wurde 1952 vom Kunstkritiker Harold Rosenberg vorgeschlagen. Vgl. Haftmann 1976, S. 483, Rosenberg 1994, S. 23–40. 35 Zuschlag 2002, S. 259. 36 Friedrich Bayl, Die ‚ganz andere Kunst’ – Ein Bericht über den malerischen Tachismus in der Alten und der Neuen Welt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Januar 1957, wiederabgedruckt in Belgin 1997, S. 210–213. 13 traten. Auch für das kulturelle Leben ergaben sich veränderte Voraussetzungen. In Europa wurde durch den Zusammenbruch der faschistischen Systeme in Deutschland und Italien die furchtbare Bevormundung der Kultur durch das Primat des Politischen von diesen Völkern genommen und den schöpferischen Geistern ihre Freiheit zurückgegeben. Aber auch in den anderen Nationen wirkte die endliche Befreiung von dem schweren Druck des Krieges im Sinne einer neuen kulturellen Selbstbesinnung, die bezeichnenderweise das Menschliche, das Selbsterlebnis der Persönlichkeit, die Deutung des eigenen Daseinserlebnisses in den Mittelpunkt stellte, und keineswegs von dem bitteren Protest gegen die geschundene Welt und ihre Schinder frei war.“ 37 Die vernichtende Kulturpolitik der totalitären Regime während des Zweiten Weltkrieges „mit ihrer Vertreibung der Moderne zugunsten einer Blut- und Bodenideologie in biederer naturalistischer Formensprache“ 38 ließ eine figürliche Malerei nach 1945 unmöglich erscheinen. Die kommunistischen Länder verordneten auch weiterhin den Sozialistischen Realismus, dessen platter Naturalismus und propagandistische Attitüde an die offizielle Kunst der NS-Zeit erinnerte, wie Patrick Werkner befand. Kein Wunder also, so Werkner weiter, dass im Westen in Abgrenzung dazu die Abstraktion als Weltsprache proklamiert wurde, welche die Ideale der Freiheit und Toleranz verkörpern sollte. 39 Von Paris – damals noch Zentrum der Avantgarde, das beständig Künstler aus aller Welt anlockte – strahlten die informellen Impulse auf das restliche Europa aus. Künstler aus Kopenhagen, Brüssel und Amsterdam schlossen sich 1948 unter der Bezeichnung CoBrA (die Anfangsbuchstaben der Städte) zu einem Kollektiv zusammen. 40 In Deutschland formierten sich sukzessive Künstlergruppen wie ZEN 49 (Rolf Cavael, Otto Stangl, Willi Baumeister u. a.), Quadriga (Karl Otto Götz, Otto Greis, Bernard Schultze, Heinz Kreutz) oder die Gruppe 53 (Gerhard Hoehme, Emil Schuhmacher, Karl Fred Dahmen).41 In Spanien waren Antoni Tàpies und Antonio Saura, in Italien Alberto Burri und Emilio Vedova die Aushängeschilder des Informel. 42 In Österreich bildeten Oswald Oberhuber, Maria Lassnig und Arnulf Rainer die Vorhut dieser Bewegung. 43

37 Haftmann 1959, S. 15. 38 Werkner 2007, S. 33. 39 Ebd, S. 34. 40 Reißer/Wolf 2008, S. 82–84; ferner Stokvis 1987. 41 Vgl. Belgin 1997, S. 25–27. 42 Reißer/Wolf 2008, S. 85–87, 89–91. 43 Breicha 1997. 14 Die neuen Gestaltungsweisen fanden auch außerhalb Europas synchrone Verbreitung, vor allem in den USA. Das Action Painting, amerikanisches Pendent zum Informel, wurde in seiner Entstehungsphase maßgeblich getragen und vorangetrieben von der vulkanischen Ausdruckskraft und pathetischen Geste Jackson Pollocks. 44 Seine ersten abstrakt-expressiven Werke datieren bereits in die frühen 1940er Jahre (übrigens auch jene der französischen Pioniere Wols, Hans Hartung, Jean Fautrier, Jean Dubuffet). 1947 entwickelte er die Dripping-Technik (am Boden liegende Leinwände werden während des Umschreitens mit Farbe bekleckst und bespritzt, sodass sich Farbschlieren und ineinander verrinnende Formen ergeben), die rasch bekannt wurde und die Verfahrensweisen der Kunst bis heute nachhaltig beeinflusst hat. Die Gestalt Pollock steht auch symbolisch für das erstarkende Selbstbewusstsein der „Neuen“ gegenüber der „Alten Welt“. Den Erfolg des Abstrakten Expressionismus schaltete Werkner in seinen Ausführungen parallel zum Aufstieg der USA als Weltmacht:45 Nach 1945 hatten die Vereinigten Staaten in Folge des Krieges und der sich abzeichnenden Ost-West-Polarität die Rolle als Schutzmacht über die westlichen europäischen Länder übernommen und Europa damit in eine Nebenrolle auf der Bühne der Weltpolitik gedrängt. Dementsprechend, so Werkner, meldeten die USA auch einen Führungsanspruch im Bereich der modernen Kunst an, was sich in der sukzessiven Verschiebung des zentralen Kunstgeschehens von Paris nach New York manifestierte. In diesen Prozess der Verlagerung fallen auch die Ausklänge des Informel. Rolf Wedewer sprach von einer Ablösung informeller Malerei Mitte der 1950er Jahre durch die „Neuen Figurationen“ 46 . Peter Baum dehnte das Phänomen in der von ihm initiierten Ausstellung im Lentos Kunstmuseum bis 1965 aus. 47 Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass gegen Ende der 1950er Jahre neue künstlerische Ansätze wie Pop Art, Nouveau Réalisme, Konzeptkunst, Environment, Fluxus und Happening das Informel immer weiter in den Hintergrund drängten.

44 Vgl. Werkner 2007, S. 21–44. 45 Ebd., S 32–34. 46 Wedewer 2007, S. 22. 47 Baum 2003. 15 2.2. Kunstgeschichtliche Voraussetzungen Das bildnerische Erbe Wassily Kandinskys und Paul Klees gilt gemeinhin als wegweisend für die Herausbildung informeller Gestaltungsweisen. Der Name Wassily Kandinsky, darüber ist sich die Kunstwissenschaft einig, markiert den Anfang abstrakter Malerei. In seinen Werken und Schriften 48 entwarf der Russe die Grundlagen abstrakten Gestaltens. Noch vom Gegenständlichen ausgehend, gelangte er zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zur Verabsolutierung von Farbe und Form. 49 Ebenfalls früh, um 1914, wandte sich Paul Klee der abstrakten Formensprache zu, ohne jedoch eine endgültige Loslösung von der gegenständlichen Welt zu vollziehen. Sein malerisches Universum speiste sich aus sämtlichen wichtigen Kunstsprachen der Avantgarde, „vom Kubismus über Robert Delaunay und Wassily Kandinsky, über Dada und den Konstruktivismus bis zu Pablo Picasso und den Surrealismus“. 50 Klee begriff seinen Bildkosmos als Schöpfung analog zur göttlichen Schöpfung: „Kunst verhält sich zur Schöpfung gleichnisartig. Sie ist jeweils ein Beispiel, ähnlich wie das Irdische ein kosmisches Beispiel ist“, 51 so der Künstler in seinen Schöpferischen Konfessionen aus dem Jahr 1920. Damit erübrigt sich bei Klee eigentlich auch die Frage nach Gegenständlichkeit und Ungegenständlichkeit, weil sie gleichsam auf einer höheren Ebene gelöst scheint. Eine noch viel unmittelbarere Wirkung als die beiden geistigen Väter Kandinsky und Klee versprühten die befreienden Verfahren des psychischen Automatismus, wie sie von den Surrealisten André Masson, André Breton und Max Ernst betrieben worden waren, auf Informel und Action Painting. Die surrealistische Methode der écriture automatique sollte der freudianischen Formel des Unbewussten zum Ausdruck verhelfen und die aus ihm „strömenden psychischen Regungen möglichst unmittelbar, spontan, ungesteuert und ohne Kontrolle des Bewusstseins“ 52 aufzeichnen. Masson beschrieb die automatische Zeichnung als eine „unvoraussehbare Geburt. Die ersten graphischen Niederschläge auf dem Papier sind reine Gesten, Rhythmus, Beschwörung; Resultat reine Flecken (Geschmiere).“ 53 Spontaneität, Geschwindigkeit und Zufall waren wesentliche Faktoren, die zur Entstehung eines

48 Die wichtigste, Über das Geistige in Kunst, erschien bereits 1912. 49 Vgl. Friedel 2008. 50 Schuster 2008, S. 19. 51 Zit. nach Ebd., S. 15. 52 Zuschlag 1998, S. 39. 53 Zit. nach: Claus 1963, S. 18. 16 Bildes beitrugen. Die informellen Maler betonten zusätzlich die Notwendigkeit einer kontrollierenden Instanz (des Künstlers), da sich die automatisierte Geste ansonsten unendlich perpetuiere. 54 So schrieb Jean-Paul Riopelle 1951 im Katalog zur Ausstellung Véhémence Confrontées in der Pariser Galerie Nina Dausset: „Der Automatismus, der die totale Öffnung wollte, erwies sich als eine Behinderung des Zufalls. Die Ablehnung des Bewusstseins (die Hand des Malers, die unabsichtlich zeichnet, kann nur ins unendliche dieselbe Kurve wiederholen...) hat aus ihm einen systematischen Ismus gemacht. Als ergiebig kann sich ein totaler Zufall erweisen, der nicht mehr ausschließliche Funktion der Mittel ist, sondern im Gegenteil eine wirkliche Kontrolle gestattet, der physiologisch, physisch, psychisch dazu bestimmt ist, von der Organizität des Malers durchbrochen zu werden.“55 Die konzentrierte Beherrschung des Malaktes wird auch in der fernöstlichen Technik der Kalligraphie eingefordert. Neben der Fortführung der écriture automatique spielte daher der kalligraphische Duktus für zahlreiche Informelle eine wesentliche Rolle.56 Vor allem der zeichenhafte Charakter, die gestische Ausformulierung als auch das Konzept der Leere, wie sie für die Kalligraphie bezeichnend sind, wurden von den Künstlern rezipiert.

2.3. Charakterisierung Seit dem Aufflammen der informellen Gestaltungsweisen kreisen die theoretischen Überlegungen wiederholt um die Form-Frage. Der 1951 von Michel Tapié lancierte Begriff „Informel“ gab diese Perspektive ja bereits vor. In seinem Essay von 1952 plädierte Tapié für einen radikalen Bruch mit jeder Art von Tradition und Akademismus sowie für die Ablehnung gegenüber allen erprobten Techniken und Verfahren, um das Bild aus formalen wie kompositorischen Fesseln zu befreien. „Die Werke von heute existieren außerhalb dieser Begriffe [Schönheit, Form, Raum und Ästhetik] in einer totalen Gleichgültigkeit ihnen gegenüber, so, als wisse man nichts von ihnen, als wären sie niemals gewesen.“, 57 heißt es da beispielsweise. Das bedeute aber nicht, der Formbegriff habe generell ausgedient, wie Umberto Eco in seiner 1962 erstmals publizierten Theorie des offenen Kunstwerks konstatierte:

54 Vgl Zuschlag 1998, S. 40; Wedewer 2007, S. 205–206. 55 Zit. nach: Claus 1963, S. 18. 56 Vgl. Müller-Yao 1985 und 2002; Linsmann 1991, Westgeest 2002. 57 Michel Tapié, Un art autre , 1952, übersetzt und auszugsweise wiederabgedruckt in Belgin 1997, S. 193–195, hier S. 194. 17 „Informel “, so Eco, „heißt in diesem Sinne Ablehnung der klassischen, nur in einer Richtung zu verstehenden Formen, nicht Aufgeben der Form als die Grundbedingung für die Kommunikation. Das Beispiel des Informellen wird uns also, wie das jeden offenen Kunstwerks, nicht dazu veranlassen, den Tod der Form überhaupt zu dekretieren, sondern dazu, einen artikulierten Formbegriff, den der Form als eines Möglichkeitsfeldes zu bilden.“ 58 Was als Nicht-Form bezeichnet wurde, umging nicht generell die Form-Frage, gab auch Jürgen Claus nur wenige Jahre später zu bedenken. 59 „Man tut gut daran“, so Claus „den Begriff Informel in seinen Spannungen, seinen Antinomien zu sehen: als Nicht-Form und als Möglichkeit oder Offenheit zur Strukturierung, (wobei die Nicht-Form genauer die Noch-Nicht-Form zu nennen wäre). Auch liegt Paul Klees Diktum nahe, in der Form und als Form die form enden Kräfte, d.h. Form als Bewegungsprinzip zu sehen“. 60 Peter Baum bemerkte in diesem Zusammenhang 2003: „In denkerischer Konsequenz wie in jedweder bildnerischer Praxis gibt es jedoch keine absolute Formlosigkeit, da selbst sehr chaotische, zunächst uneinsehbare künstlerische Sachverhalte Formentdeckungen zulassen.“ 61 Rolf Wedewer sprach unlängst von dem, die Malerei des Informel einenden „Prinzip der Formlosigkeit“. 62 Ein Prinzip, so Wedewer, sei in gewissem Sinne stets eine Abstraktion und impliziere die Varietät seiner Erscheinungsweisen unter der Voraussetzung einer analogen Struktur. Das Prinzip der Formlosigkeit, welches sich durch eine offene aber zugleich präzise Strukturierung auszeichne, erkläre dem zu Folge die Diversität der unter dem Dachbegriff Informel versammelten Erscheinungen. 63 Formlosigkeit wollte Wedewer als temporären Zustand in der Ambivalenz zwischen Ende und Neubeginn, Formauflösung und Formwerdung verstanden wissen. Letzten Endes spiegle sich darin die zeithistorische Situation der Künstler wider, die geprägt war von den Erfahrungen der Zerstörung, des Verlusts jeglicher Ordnung, der Dekonstruktion des „Ich“ (=Ende/Formauflösung) einerseits und der neu erlebten Freiheit als auch dem Willen zur Selbstbehauptung (=Anfang/Formwerdung) andererseits. 64 So gesehen schließt Wedewer an die in der

58 Eco 1993, S. 182. 59 Vgl. Claus 1965, S. 27. 60 Ebd. 61 Baum 2003, S. 12. 62 Vgl. Wedewer 2007. 63 Vgl. Ebd., S. 17. 64 Ebd. 18 Forschung verbreitete Charakterisierung des Informel als einer „künstlerischen Haltung“ an. Friedrich Bayl schrieb schon 1957 vom Informel als einer „Haltung der Welt, dem Ich, der Kunst gegenüber“ 65 und Christoph Zuschlag griff diese Perspektive wieder auf und führte sie 1998 erneut in den „informellen“ Diskurs ein. 66 Die Kunstwissenschaft vermeidet es gemeinhin das Informel als Stil zu bezeichnen. Eine Beschreibung als Haltung oder Prinzip scheint einigen angemessener, wie eben aufgezeigt wurde. Wegen der grundsätzlichen Offenheit und Vielgestaltigkeit des Phänomens kann keine ein- bzw. abgrenzende Definition gelingen. Stattdessen bleibt das Informel ein dehnbarer Begriff, unter dem differente künstlerische Spielarten zusammengefasst werden. 67 Starke Akzente setzten die zum Gestischen und Zeichenhaften tendierenden Ausformulierungen, die auch als Lyrisches Informel bezeichnet wurden (z. B. Hans Hartung, Georges Mathieu, Jackson Pollock). Der dynamisierte Malakt stand dabei im Mittelpunkt: Die Maler gestalteten in hohem Tempo und mit ausladenden Gesten die nun auch am Boden liegenden Leinwände. Die Bewegtheit und Schnelligkeit des informellen Schaffensprozesses wurde in den fertigen Werken als expressive Malspur sichtbar, förderte zeichenhafte Gebilde zu Tage und trug wesentlich zu einer Steigerung des subjektiven Ausdrucks bei. Ein anderer Weg zur Formlosigkeit führte über das Material (z. B. Jean Fautrier, Antoni Tàpies).68 Die Verselbständigung der Farbe sowie deren Auftrag standen hier im Vordergrund. Diese spritzte und rann, schichtete und verteilte sich autonom und scheinbar ungeformt über die Bildflächen. Um die plastische Wirkung des Farbmaterials und also die haptischen Reize für den Betrachter zu erhöhen, wurden zum Teil auch Substanzen wie Kalk, Sand, Teer oder andere Stoffe beigemischt. Aber auch gegenständliche Anklänge blieben in den informellen Gestaltungsweisen durchaus präsent. So hauptsächlich in der von Jean Dubuffet proklamierten Art Brut, die sich an der Malweise von Kindern und psychisch erkrankten Menschen orientierte und dadurch versuchte das Rohe (brut) und das Ursprüngliche wieder in die Kunst zurückzuführen. 69 Auch die Künstler der CoBrA-Gruppe, einem von 1948- 1951 bestehenden Kollektiv, ließen sich von Dubuffets Ästhetik des Ursprünglichen

65 Friedrich Bayl, Die ‚ganz andere Kunst’ – Ein Bericht über den malerischen Tachismus in der Alten und der Neuen Welt , in: Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 12. Januar 1957, wiederabgedruckt in Belgin 1997, S. 210–213, hier S. 212. 66 Zuschlag 1998, S. 39. 67 Reißer/Wolf 2003, S. 76–93. 68 Reißer/Wolf 2003, S. 84f. 69 Vgl. Reißer/Wolf S. 78–82; ferner Martin 2005. 19 und Rohen inspirieren und flochten figurative und gegenständliche Formen in ihre Werke mit ein. Der von wilden Gesten dominierte Malakt sowie der spontane Farbauftrag dominieren die Bilder von Asger Jorn, Karel Appel oder Pierre Alechinsky, den Hauptvertretern dieser Vereinigung. Die programmatische Offenheit informeller Gestaltungsweisen dehnte Umberto Eco auch auf deren Interpretation aus. 70 Er verstand das informelle Kunstwerk „als eine grundsätzlich mehrdeutige Botschaft, als Mehrheit von Signifikaten (Bedeutungen), die in einem einzigen Signifikanten (Bedeutungsträger) enthalten sind.“ 71 Im Rahmen seiner Theorie des offenen Kunstwerks wertete Eco unter anderem die Rolle des Rezipienten auf, was für die weitere Beschäftigung mit der informellen Malerei prägend werden sollte, wie Christiane Baus unlängst analysierte. 72 Eco schrieb: „Der Künstler, so kann man sagen, bietet dem Interpretierenden ein zu vollendendes Werk : er weiß nicht genau, auf welche Weise das Werk zu Ende geführt werden kann, aber er weiß, dass das zu Ende geführte Werk immer noch sein Werk, nicht ein anderes sein wird, und dass am Ende des interpretativen Dialogs eine Form sich konkretisiert haben wird, die seine Form ist, auch wenn sie von einem anderen in einer Weise organisiert worden ist, die er nicht völlig vorhersehen konnte: denn die Möglichkeiten die er dargeboten hatte, waren schon rational organisiert, orientiert und mit organischen Entwicklungsdrängen begabt.“73 Die von Eco so bezeichneten „Kunstwerke in Bewegung“74 visualisierten eine ihnen innewohnende Mobilität und Mehrdeutigkeit sowie die Fähigkeit sich „kaleidoskopisch in den Augen des Betrachters als beständig neue zu formieren.“ 75 Vor der hier ausgebreiteten zeitgeschichtlichen und kunsthistorischen Folie gilt es Teile von Soshanas Oeuvre zu verorten. Inwieweit das Informel, das wohl auch mit Begriffen wie Offenheit, Selbstausdrücklichkeit, Unangepasstheit, Wandelbarkeit, Bewegtheit, Andersartigkeit umschrieben werden könnte, für die Kunst Soshanas von Bedeutung ist, welche anderen Einflüsse sie in ihrer Malerei einwebt bzw. welche neuen und originären Lösungen ihr Werk so facettenreich erscheinen lassen, werden im nun anschließenden Werkteil erörtert.

70 Vgl. Eco 1993. 71 Ebd., S. 8. 72 Baus 2008, S. 36. 73 Eco 1993, S. 55. 74 Ebd., S. 42. 75 Ebd. 20 3. Werk

HOWEVER, GO AHEAD AND FIND OUT ALL ABOUT ASTROLOGY AND EVERYTHING ELSE THAT COMES ALONG. THOSE WHO AREN’T INTERESTED ARE ALREADY DEAD FROM THE NECK UP. OR PERHAPS, THE MOUTH UP. THEY USUALLY FEED VERY WELL. AS LONG AS YOU ARE CURIOUS ABOUT LIFE, YOU’LL STILL BE ALIVE. REMEMBER WHAT I TOLD YOU ABOUT BEING CURIOUS. IT IS THE BASIS OF SCIENCE, AND WISDOM, AND WONDERING WHAT S UNDERNEATH YOU-KNOW-WHAT, AND THEREFORE THE BASIS OF LIFE – INS’T IT, SUSI? 76

3.1. Vom Erwachen: Das frühe Werk Bisher erschienene Artikel und Texte zu Soshana thematisierten vordergründig die lebensgeschichtlichen Aspekte ihrer jungen Jahre – die Kindheit in Wien, ihre Flucht ins Ausland aufgrund der Machtergreifung Hitlers in Österreich sowie den Neubeginn in den USA. Die künstlerischen Anfänge wurden meist nur marginal gestreift. Als erste erwähnte Barbara Baum 1997 mit Vincent van Gogh, Bernard Buffet und Georges Rouault drei Künstlernamen, zu deren Werke Soshanas früher Stil Ähnlichkeiten aufweist. 77 Martina Gabriel beschrieb ausgewählte frühe Malereien schon etwas näher und ordnete sie dem expressiven Realismus zu. 78 Aber erst Matthias Boeckl widmete sich in seinem kürzlich erschienenen Artikel ausführlich dem Frühwerk der Künstlerin. 79 Er untersuchte Vorgeschichte und Kontext von Soshanas frühen Arbeiten und leistete somit nicht nur einen signifikanten und erhellenden Beitrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung ihres Oeuvres, sondern ergänzte „die Rekonstruktion der Geschichte der österreichischen Moderne“80 , die auch außerhalb der Landesgrenzen im Exil zu wichtigen aber bisher oft zu wenig berücksichtigten künstlerischen Aussagen gelangte, um einen weiteren Puzzlestein. Gewaltsam abgeschnitten von der eigenen Tradition öffneten sich die Künstler im Exil den regionalen Entwicklungen und beschritten damit im Vergleich zu ihren Kollegen in der „Heimat“ oftmals recht ungewöhnliche Wege. Die bisher zu

76 Brief von Eric Cook, undatiert, in: Datenbank Soshana/Letters., Inv.-Nr. 30099. 77 Baum 1997, S. 8. 78 Gabriel 2006, S. 5f. 79 Boeckl 2010, S. 11–23. 80 Ebd., S. 12. 21 wenig im öffentlichen Fokus stehenden Oeuvres von Vertriebenen bieten vielfach Alternativen zu einer linearen Kunstgeschichtsschreibung, wie sie laut Boeckl bis zur Revision durch die Postmoderne praktiziert wurde. 81 Die Abstraktion nach 1945 verkörpere in dieser linearen Entwicklungsgeschichte die logische Folge des Surrealismus, erklärte Boeckl weiter. Soshanas frühes Werk variiert aber diese einseitige Auslegung, was der Autor in seiner Untersuchung ans Licht brachte. Seine Erkenntnisse bilden die Grundlage für die folgenden Ausführungen, in denen das künstlerische Erwachen Soshanas bis 1952, dem Jahr ihrer Übersiedelung nach Paris, skizziert und durch Werkbeispiele illustriert wird.

Unfreiwilliger Beginn einer lebenslangen Reise Als Kind liberaler jüdischer Eltern – der Vater Alexander Fritz Schüller war Inhaber einer Manschettenknopffabrik in Wien, die Mutter Margarete Schüller war Bildhauerin – und Schülerin an der von der Reformpädagogin Eugenie Schwarzwald gegründeten Bildungseinrichtung, deren Lehrer zum Teil aus den Wiener Avantgardezirkeln stammten, wurde die 1927 geborene Susanne Schüller schon früh in ein geistreiches und kunstsinniges Milieu eingeführt. 82 In London, wo sie mit der Mutter und dem Bruder Maximilian von 1939 bis zur Überfahrt nach Amerika im Jahr 1941 lebte, erhielt das Mädchen seine früheste künstlerische Ausbildung. An der Chelsea Polytechnic School belegte Soshana Mal- und Zeichenkurse. Dem zweijährigen Intermezzo in England waren traumatische Erfahrungen der Vertreibung und Flucht vor dem Naziregime im Jahr 1938 vorausgegangen. Eindrucksvolle, von der Hand eines Kindes ausgeführte Zeichnungen (Abb. 5 und 6) künden von dem gewaltsamen Einschnitt im Leben der damals erst Elfjährigen. Von der existenziellen Erschütterung durch die zerstörerischen Folgen des Krieges, die sie noch in Londons Luftschutzkellern während der Blitzbombardements hautnah miterleben musste, berichtet dann auch das weitere künstlerische Schaffen Soshanas. So könnte man Bilder wie Alone in a room (Abb. 7), Woman alone II (Abb. 8) und

81 Vgl. Boeckl 2010, S. 11. 82 In den ersten Jahren der Schwarzwaldschule zählten Adolf Loos, Arnold Schoenberg, Egon Wellesz und Oskar Kokoschka zum Lehrkörper. Obwohl diese zu Soshanas Schulzeit dort nicht mehr unterrichteten, lässt sich auf ein von Künstlern und Intellektuellen stark beeinflusstes Umfeld schließen. Vgl. Laudatio von Christian Kircher auf Website Soshana/Texte bzw. in Neider-Olufs 2010, S. 365 sowie Bäumer/Schueller 2010, S. 48. 22 Woman alone IV (Abb. 9) als immer wiederkehrende, schmerzvolle Erinnerungen an die klaustrophobische Enge des Kellerraumes lesen. 83 Aus der Londoner Zeit sind einige Briefe und Fotografien erhalten, die von einer innigen Freundschaft mit dem Engländer Eric Cook berichten.84 Er dürfte Soshana in dieser Lebensphase wohl sehr beeinflusst haben, zumal er Lehrer, Schriftsteller und um einiges älter war als sie. Neben der Malerei entwickelte sie eine Leidenschaft für die Poesie und begann auch selbst Gedichte zu schreiben. 85 Der intensiven Beziehung wurde mit der Übersiedelung nach New York ein abruptes Ende gesetzt. Aus einem Brief von Eric Cook an Soshana aus dem Jahr 1942 geht deutlich hervor, wo die Interessen der Fünfzehnjährigen lagen: „I expect you do often wonder whether you’ll be a great artist or writer. Well, you just can’t tell yet. But from your spidery writing I’m not sure about the artist. Most good artists have lovely handwriting!”86 Auch wenn in dieser Äußerung ein neckischer Unterton mitschwingt, so wird deutlich, dass Soshana einer Zukunft als Schriftstellerin oder bildenden Künstlerin entgegenstrebte und wie ihr malerisches Oeuvre heute beweist sollte ihr Freund Eric mit seiner Einschätzung, dass sie wohl keine gute Künstlerin abgeben würde, Unrecht behalten.

Amerikanische Lehr- und Wanderjahre (1941–1949) In New York angekommen, übernahm der Maler und Bildhauer Beys Afroyim 87 die weitere Schulung von Soshanas Talent. Matthias Boeckl beleuchtete dessen

83 Vgl. dazu auch Die innere Unsicherheit in Kapitel 3.5. der vorliegenden Arbeit, S. 82–86. 84 Vgl. Datenbank Soshana/Letters und Photos. 85 Vgl. Soshanas Poem for Eric , undatiert, in: Datenbank Soshana/Letters, Inv.-Nr. 30460. 86 Eric Cook, Brief vom 29.12.1942, in: Datenbank Soshana/Letters, Inv.-Nr. 30097. 87 Leben und Werk von Beys Afroyim sind nur spärlich dokumentiert. Die folgenden Informationen stammen von Amos Schueller und von der Website des Museums of the City of New York, das im Besitz einer Arbeit des Künstlers ist. Geboren 1893 als Ephraim Bernstein in Ryki (Polen) immigrierte dieser 1912 in die USA, wo er 1926 die Staatsbürgerschaft erhielt. Beys Afroyim, wie er seitdem nannte, studierte am Chicago Art Institute und der National Academy of Design in . Seine erste Einzelausstellung fand 1922 im Jewish Institute in New York statt. 1927 gründete er die Afroyim Experimental School of Art in New York City, die bis zum Jahr 1946 bestand. Sein Werk umfasst angeblich Portraits von Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur, Kupferreliefs sowie als visual music bezeichnete Malereien, die als Reaktion auf musikalische Kompositionen entstanden. 1950 eröffnete er ein Studio in der damaligen israelischen Kunsthauptstadt Safad, wo sich zwischen 1950 und 1960 eine rege Künstlerkolonie und Galerienszene angesiedelt hatte. Bis zu seinem Tod im Jahr 1984 pendelte Afroyim zwischen Israel und seinem Domizil in Staten Island. Vgl. http://www.mcny.org/museum-collections/painting-new-york/pttcat87.htm (Februar 2009). Bekannter als seine Kunst ist wohl der als Afroyim v. Rusk titulierte Rechtsstreit im Jahr 1967, der Auswirkungen auf die amerikanische Einwanderungspolitik hatte. Zum Rechtsstreit Afroyim v. Rusk siehe Spiro 2005. 23 künstlerische Aktivitäten trotz Mangel an dokumentierten Werken.88 In dem Bild Metropolis Movement 89 von 1939, dem einzig bekannten Ölgemälde Afroyims, erkannte Boeckl den Anschluss an die Tradition der amerikanischen Regionalisten des mittleren Westens (Grant Wood, Thomas Hart Benton) sowie des sozialen Realismus im New York der 1930er Jahre, unter anderem repräsentiert durch das Werk der mexikanischen Muralisten Diego Rivera und Clemente Orozco. Es war diese „realistische, sozialkritisch und politisch engagierte moderne Kunst“, 90 die Beys Afroyim praktizierte und für deren Themen sich auch die junge Soshana am Beginn ihrer Malerinnenkarriere begeistern konnte. Ein aufrichtiges Interesse am Gegenstand, der dargestellten Person oder Landschaft spricht aus ihren Bildern und kündet von einer sensibilisierten Wahrnehmung für die sie umgebenden Lebenswirklichkeiten. 1944 reiste Soshana gemeinsam mit ihrem Lehrer, den sie ein Jahr später heiratete, durch die USA. 1946 wurde ihr gemeinsamer Sohn Amos geboren. Ihr Leben finanzierte sich das Paar durch das Portraitieren von Politikern, Wissenschaftern, Musikern und Schriftstellern, darunter Thomas Mann, Arnold Schönberg, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel, Otto Klemperer, Hanns Eisler und Bruno Walter (Abb. 10). Diese Namen künden auch von der regen künstlerischen Gemeinde deutscher und österreichischer Exilanten und Emigranten in Los Angeles, „die in den 30er und 40er Jahren vor dem Aufflammen des Faschismus in Europa flüchten mussten und [...] Los Angeles vorübergehend zu einem Mittelpunkt der Weltkultur gemacht haben. “ 91 Als aktives Mitglied der kommunistischen Partei hatte Beys Afroyim außerdem Zugang zu „progressiven“ Kräften, wie die von Soshana angefertigten Bildnisse politisch engagierter Persönlichkeiten bezeugen. Deren linksgerichtete Gesinnung geht aus so manchem Bildtitel deutlich hervor oder wird in den beigefügten Attributen erkennbar. Alfred Valentine beispielsweise wurde als „revolutionary worker“ bezeichnet, Seymour Steadman als „progressive lawyer“ betitelt und die Frauenrechtlerin Anita Whitney (Abb. 11) mit Hammer und Sichel ausgestattet. Die Portraits dieser Jahre sind mehr als bloße Auftragsarbeiten

88 Boeckl 2010, S. 12–17. Selbst Amos Schueller sind keine weiteren großformatigen Gemälde seines Vaters bekannt. In seinem Besitz befinden sich lediglich eine undatierte Kreidezeichnung (15,5 x 15,5 cm) sowie vier in Kupfer gehämmerte Reliefs (30 x 23 cm), welche in den 1950er Jahren entstanden sein dürften. 89 Vgl. Abbildung in Bäumer/Schueller 2010, S. 14. 90 Boeckl 2010, S. 14. 91 Weschler 1997, S. 341. 24 oder individuelle Charakterstudien, sie reflektieren das kritisch-intellektuelle Umfeld, in dem die junge Frau mit ihrem Lehrer und späteren Ehemann verkehrte, und welches das Amerika der 1940er Jahre entscheidend mitprägte. In diese Periode fällt auch das Erstarken des Abstrakten Expressionismus. Die Immigrationswelle aufgrund der nationalsozialistischen Hetze hatte zahlreiche europäische Künstlerpersönlichkeiten – darunter zum Beispiel Marcel Duchamp, André Breton, Max Ernst, , Max Beckmann, Piet Mondrian – ins Land geschwemmt, was sich günstig auf die aufkeimenden Kräfte der amerikanischen Avantgarde auswirkte. 92 Die Impulse surrealistischer Maler verstärkten etwa im Schaffen Jackson Pollocks die Betonung des Unbewussten und verhalfen ihm zur Herausbildung seiner Dripping-Technik. Dank der Initiative von Kunstkritikern wie Clement Greenberg und Harold Rosenberg wurden die abstrakt-expressiven Erscheinungsweisen nach 1945 mehr und mehr zum Inbegriff einer amerikanisch geprägten Kunst der Freiheit. 93 Greenbergs Essays und Kritiken betrafen Ausstellungen europäischer wie amerikanischer Künstler, literarische Werke, Kunstsammlungen und Museen gleichermaßen. 94 „Seine Texte“, so Patrick Werkner, „lieferten den Künstlern geradezu Rezepte für die Produktion des idealen ‚avantgardistischen’ Gemäldes.“ 95 Bereits seit 1939 publizierte Greenberg in den Zeitschriften The Nation 96 und Partisan Review 97 . Die linksgerichtete Avantgarde- Zeitschrift Partisan Review rekrutierte ihre Leserschaft hauptsächlich aus den politisch engagierten Intellektuellenkreisen und dem fortschrittlichen New Yorker Künstlermilieu, zu dem die europäischen Immigranten, also auch die Afroyims, zählten. 98 Soshana, die sich in ihrer frühen Malerei für den sozial engagierten Realismus begeisterte – womöglich auch aufgrund der eigenen Erfahrungen als Vertriebene –, war von Beginn an mit den unterschiedlichen Ausprägungen amerikanischer Kunstproduktion konfrontiert. Einer aufmerksamen und interessierten Beobachterin blieben die neuen abstrakt-gestischen Tendenzen gewiss

92 Vgl. Barron 1997; Werkner 2007, S. 21–27. 93 Vgl. Boeckl 2010, S. 17. 94 Die Aufsätze wurden von John O’Brian in vier Bänden gesammelt und herausgegebenen. Vgl. O’Brian 1986/1993. 95 Werkner 2007, S. 37. 96 Die im linken politischen Spektrum angesiedelte Zeitschrift The Nation wurde 1865 gegründet und erscheint bis heute wöchentlich in den USA. Vgl. http://www.thenation.com/archive (November 2010). 97 Die Partisan Review erschien von 1934 bis 2003 vierteljährlich in den USA. Vgl. Boeckl 2010, S. 17; http://www.bu.edu/partisanreview/ (Dezember 2010). 98 Vgl. Boeckl 2010, S. 17. 25 nicht verborgen. Zudem scheint eine erste Auseinandersetzung mit der europäischen Moderne denkbar, war doch die Kunstlandschaft in den USA, vor allem in New York, von herausragenden Künstlerpersönlichkeiten der Pariser Schule bevölkert, deren Werke in Ausstellungen und Sammlungen präsentiert und öffentlich diskutiert wurden.

Soshanas früher Stil Matthias Boeckl kommentierte die Rezeption sozialrealistischer Malerei im Frühwerk Soshanas ausführlich und illustrierte diese anhand zahlreicher Vergleichsbeispiele. Da mein Fokus auf Soshanas Malerei der 1950er und 1960er Jahre liegt, beschränke ich mich hier großteils auf die Wiedergabe der relevantesten Ergebnisse von Boeckls Werkanalysen. Der Leser erhält dadurch die Möglichkeit, im Rahmen dieser Arbeit das Oeuvre der Malerin in seiner ganzen stilistischen Breite kennen und verstehen zu lernen. Soshanas Milieustudien wie My Sweatshop in N.Y. (Abb. 12) und American Worker II. (Abb. 14) weisen inhaltliche Affinitäten zu Werken bekannter Regionalisten und Sozialrealisten wie Thomas Hart Benton (Abb. 15), Grant Wood, der Soyer Brothers oder der mexikanischen Muralisten Clemente Orozco und Diego Rivera (Abb. 13) auf, deren Malereien den urbanen und ländlichen Alltag wiedergaben. Häufig machten sie auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam oder bildeten Arbeiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in heroischen Posen, aber mit sozialkritischem Ton ab. Als Vermittler dieser Tradition an Soshana bestimmte Boeckl den Künstler Beys Afroyim trotz fehlender Werkbeispiele allein aufgrund der Rekonstruktion seines Umfeldes. Stilistische Parallelen zum plakativen Sozialrealismus erkannte Boeckl bei Soshana in der Kompaktheit des Pinselstrichs und der intensiven Farbigkeit, beides ausgeführt in einer expressiven Manier. „Figuren werden [...] mit wenigen breiten Pinselstrichen grob und ohne jedes Detail modelliert, Landschaften und Stadtbilder öffnen sich dem Betrachter stets aus einem leicht erhöhten Blickpunkt – sei es eine Straßenszene in Los Angeles oder ein Dorf in Kuba. Die Szenen erscheinen meist in indifferentem Licht, weder Häuser noch Figuren werfen Schatten, aber dennoch verströmen diese Landschaften in ihrem satten Auftrag von Grundfarben jene fast heitere Stimmung, die als Nachklang des Fauvismus gedeutet werden kann.“ 99 (Abb. 16 und 17) Boeckl folgerte daher: „Es ist eine künstlerische Position, die Einzelnes

99 Boeckl 2010, S. 20. 26 aus der Tradition des Fauvismus mit der kompakten, hermetischen Auffassung des amerikanischen Realismus verbindet und zudem spürbar von jugendlicher Unbekümmertheit getragen ist.“ 100 Fauvistische Vorbilder, so scheint mir, rezipierte die Künstlerin verstärkt in den namenslosen Arbeiter-Portraits. Im Bildnis einer New Yorkerin (Abb. 18) und eines alten Bauers (Abb. 19) fühlt man sich an die vom Subjekt emanzipierende Farbigkeit bei Matisse erinnert (Abb. 20). Das Inkarnat der meisten Prominenten (Abb. 10, 11) weicht dagegen in seiner Koloration weniger vom realen Vorbild ab, wie ich finde. Die Übergänge sind weicher gestaltet, der Duktus insgesamt etwas runder und gemäßigter, was teilweise sicherlich durch die Auftragssituation bedingt war. Unter den frühen Malereien blitzen auch schon vereinzelte abstrahierende Experimente hervor: In Bildern wie Farm (Abb. 21) oder The Root of a Tree (Abb. 22) agiert die Künstlerin noch kraftvoller und dynamischer mit dem Pinsel und deutet schon ansatzweise eine Loslösung vom Gegenständlichen und die Eigenwertigkeit der malerischen Mittel an, wie ich finde. Diese Bilder bestärken die Vermutung, Soshana habe während ihrer amerikanischen Lehr- und Wanderjahre mit den zeitgenössischen Tendenzen des in den USA populär werdenden Action Painting sympathisiert. Resümierend lässt sich feststellen: Soshanas frühe Kunst ist inhaltlich von der politischen Einstellung Beys Afroyims geprägt und von sozialen Themen beherrscht. Ihre Malweise birgt aber von Beginn an einen befreiten und unbefangenen Umgang mit den unterschiedlichen Traditionen in sich. In Österreich, wohin Soshana mit ihrem Sohn nach mehrmonatigen Aufenthalten in Kuba und Israel und nach ihrer Scheidung von Beys Afroyim im Jahr 1950 kurzfristig heimkehrte, sowie auf Reisen durch Europa (Holland, England, Polen, Tschechoslowakei) setzte sich ihre künstlerische Entwicklung in Richtung abstrakt-gestischer Malerei (Abb.23, 24) fort, so dass sich laut Boeckl rückblickend ein organischer Übergang ins Informel ergibt.101 1950 bis 1951 studierte Soshana in Wien zuerst an der Angewandten und dann an der Akademie der bildenden Künste bei Sergius Pauser, Albert Paris Gütersloh und Herbert Boeckl bevor sie ihre Geburtsstadt erneut verließ, um in der Kunstmetropole Paris Karriere zu machen. Die informellen Gestaltungsweisen waren in Europa auf Erfolgskurs, auch in Österreich lagen sie bereits in der Luft.

100 Ebd., S. 22. 101 Ebd. 27 Überraschend sei, so Boeckl, aus welch unterschiedlichen Strömungen man zur abstrakt-gestischen Malerei gelangen konnte: „Nicht nur der Surrealismus, der vielfach als unmittelbare Vorstufe der gestischen Abstraktion bezeichnet wird, konnte in diesen neuen Mainstream der Moderne führen, sondern – wie es das Beispiel Soshanas zeigt – auch die Weiterentwicklung der expressiv-realistischen Malerei.“ 102 Die internationale Neuorientierung der Kunst ab den 1940er Jahren konnte sich aber erst nach ihrer Trennung von Beys Afroyim langsam entfalten und wirkte sich schließlich in Paris nachhaltig auf ihre Arbeitsweise aus.

3.2. Vom Aufbrechen: Die Dominanz des Informel in Paris und im Oeuvre Soshanas Das zweite Kapitel des Werkteils stellt in seiner Konzentration auf die informellen Gestaltungsweisen im Schaffen der Künstlerin das umfangreichste dar. Der kunstwissenschaftliche Umgang mit dem Phänomen Informel wurde eingangs bereits erörtert. 103 Nun gilt es daraus gewonnene Erkenntnisse im Werk Soshanas zu visualisieren. Zum Einstieg wird das Umfeld skizziert, in welches Soshana mit ihrer Malerei ab 1952 drängte und das den fruchtbaren Boden für ihre Weiterentwicklung bot. Paris und seine Künstlerkolonie in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts werden ebenso beleuchtet, wie die Schwierigkeiten einer Positionierung am damaligen Kunst- Parkett, vor allem als weibliche Künstlerin. Daran schließt die Betrachtung und Analyse der Werke der Pariser Periode an sowie deren Verortung im Kanon der Kunstgeschichte. Als Bezugsgrößen, an denen die Arbeiten Soshanas gemessen werden, dienen die Bildproduktionen „informeller“ Künstler. In prägnanten Vergleichen, sekundiert von Künstleraussagen, soll die Bedeutung dieser künstlerischen Massenbewegung für Soshana herausgearbeitet werden. Ihr Oeuvre bietet aber auch die Möglichkeit den Blick über den Tellerrand der informellen Erscheinungsweisen auf ästhetische Ausformulierungen etwas abseits davon zu werfen und in die Betrachtung mit ein zu beziehen. Der Vergleich mit Gustav Metzger und Lucio Fontana mag an dieser Stelle zwar noch befremdend anmuten, erhält aber im Laufe der Ausführungen seine Berechtigung. Meines

102 Ebd., S. 22f. 103 Vgl. Kapitel 2. Die Kunst des Informel in der vorliegenden Arbeit, S. 12–20. 28 Erachtens kristallisieren sich nämlich trotz der großen Distanz der künstlerischen Endprodukte gewisse Affinitäten in den gestalterischen wie inhaltlichen Dispositionen heraus, die deshalb wohl im Allgemeinen als populäre Trends in der Kunstproduktion der 1950 und frühen 1960er Jahre gedeutet werden können. Am Schluss soll der Blick auf die fruchtbare Symbiose von Abstraktion und Figuration bei Soshana gelenkt werden, was sich als ein Wesenmerkmal ihres gesamten Schaffens entpuppen und auch noch weiter hinten Gegenstand der Untersuchung sein wird.

Paris rundherum Paris als traditionelle Kunstmetropole Europas war schon vor dem zweiten Weltkrieg attraktiver Anziehungspunkt für junge Künstler aus aller Welt, die unter der Bezeichnung École de Paris 104 Eingang in die Literatur fanden. Ab 1940 kam es unter der deutschen Besatzung zwar zu Einschränkungen der künstlerischen Aktivitäten aber niemals zu einer gänzlichen Stagnation, wie etwa in Deutschland oder Österreich. Bei Kriegsende brodelte das künstlerische Leben in Paris mehr denn je: Es wurden Galerien und Salons gegründet, Museen, wie das Jeu de Paume und das Musée national d’art moderne wieder eröffnet. 105 Peter Baum fasste die Situation im Paris der beginnenden 1950er Jahre wie folgt zusammen: „Die Metropole an der Seine avancierte mehr und mehr zur Stadt der Museen und Galerien, deren Künstler und Avantgardezirkel maßgeblich Entwicklung und Klima prägten. Früher oder später, über kurz oder lang in Paris gewesen zu sein, gehörte einfach zum guten Ton und die meisten viel zu rosig eingeschätzten Verheißungen, die zahlreiche Maler anlockten, wurden im Alltag auf jene harte Realität hin überprüft, die darin bestand, den harten Konkurrenzkampf gegen unendlich viele Künstlerkollegen und die Usancen des Pariser Kunstlebens zu bestehen.“ 106 Der Umzug Soshanas im Jahr 1952 bedeutete demnach ein Mitmischen am avantgardistischen Brennpunkt und pulsierenden Hotspot der Zeit, allerdings unter der ständigen existenziellen

104 Der Kritiker André Warnod gebrauchte den Begriff erstmals in den frühen 1920er Jahren für die internationale Künstlergemeinde, die sich ab 1910 in Paris zusammenfand und sich der modernen Kunst, vom Post-Impressionismus bis zum Surrealismus, verschrieben hatte. Obwohl sich die École de Paris niemals offiziell zusammenschloss, keinen einheitlichen Stil repräsentierte, kein festes Ideenprogramm vertrat oder verbindliches Manifest besaß, wurden die Kunsttätigen in Paris zwischen den zwei Weltkriegen unter diesem Begriff versammelt. Ab 1945 sprach man auch von der Nouvelle École de Paris, welche vornehmlich die abstrakten Tendenzen in sich vereinte. Vgl. Turner 1996, S. 705; Olbrich 1991, S.259; Dempsey 2002, S. 140f. 105 Salm-Salm 2007, S. 396. 106 Baum 2003, S. 7. 29 Bedrohung des künstlerischen Scheiterns innerhalb der schier unübersichtlichen Ansammlung kreativer Geister. Soshana selbst beschrieb die damaligen Lebensumstände in einem Zeitungsinterview von 1957 mit den Worten: „In Paris leben 50.000 Maler. Fünf davon sind berühmt, 500 verdienen damit ihren Unterhalt und der Rest hungert.“ 107 Die künstlerischen Ausformulierungen innerhalb der Nouvelle École de Paris divergierten zum Teil stark voneinander. Ein breites Spektrum war anzutreffen, das sich von den dominierenden informellen Erscheinungsweisen (Hans Hartung, Georges Mathieu, Jean Fautrier) über die sich dazu abgrenzenden geometrisierenden Tendenzen (Auguste Herbin, Jean Dewasne, Alberto Magnelli) bis hin zu künstlerischen Einzelpositionen wie dem existenzialistischen Menschenbild eines Alberto Giacometti erstreckte. Der 2003 von Peter Baum anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Lentos Kunstmuseum Linz herausgegebene Katalog Paris 1945–1965 108 , indem auch Soshana als Vertreterin der Pariser Schule ein Beitrag gewidmet ist, gibt einen Überblick über die in der Kunsthauptstadt um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts lebenden und arbeitenden Maler und Bildhauer. Vertieft man sich zudem in die zeitgenössische Fachliteratur gewinnt man einen Eindruck von der damaligen Kunstproduktion und des kunstwissenschaftlichen Umgangs damit. Erste Überblickswerke wie die Geschichte der abstrakten Kunst 109 von Marcel Brion von 1956 oder das ein Jahr später erschienene Lexikon abstrakter Malerei 110 von Michel Seuphor vereinigten und beschrieben neben einer ausführlichen Darstellung der historischen Entwicklung abstrakter Kunst seit ihren Anfängen die aktuellen Positionen in der Malerei. Heute – mit einem Abstand von über sechzig Jahren – interessieren diese Einschätzungen vor allem als Dokumente des damaligen Zeitgeists, weshalb Michel Seuphor hier auszugsweise zitiert wird. Gleich zu Beginn seines Buches unterstrich Seuphor die Bedeutung der Abstraktion für die zeitgenössische Malerei: „[...] es ist und bleibt eine Tatsache, daß die Kunst in der Mitte unseres Jahrhunderts fest in der Abstraktion verankert ist, und zwar bereits in einem solchen Ausmaß, daß wir schon ganz automatisch jedes Kunstwerk [...] nach den Maßstäben der Abstraktion beurteilen.“111 Und Seuphor weiter: „Abstrakt ist jedes Werk, das nichts mehr zeigt als die reinen Elemente von Komposition und

107 Statesman 1957. 108 Baum 2003. 109 Brion 1960. 110 Seuphor 1957. 111 Ebd., S. 11. 30 Farbe. Umgekehrt ist ein Bild dann als nicht abstrakt zu bezeichnen, wenn der Maler zwar von Prinzipien oder Verfahren ausgeht, die der abstrakten Kunst zugehören, aber im Laufe seiner Arbeit gegenständliche Elemente einfügt, seien diese auch noch so phantastisch oder außergewöhnlich. [...] Der abstrakte Maler kann schließlich einen phantasievollen Betrachter nicht daran hindern, Dinge in das Bild hineinzusehen [Gegenstände und Gestalten], die dem Künstler durchaus ferngelegen hatten.“112 Obwohl vom Autor im ersten Teil des Satzes abgelehnt, versuchte er die gegenständlichen Anklänge in manchen Bildern gleich darauf zu rechtfertigen, allerdings unter der Voraussetzung, diese hätten sich unter Anwendung der neuen Verfahren unbeabsichtigt und unbewusst aus der Hand des Künstlers gelöst. Tatsächlich schließen die heute unter dem Label Informel versammelten malerischen Werke Gegenständliches nicht gänzlich aus. Vor allem die Künstler der CoBrA- Gruppe webten in ihre spontane, emotional bedingte Bildsprache figurative Elemente mit ein. 113 Hinsichtlich der damals schwelenden Konkurrenzsituation zwischen den informellen und den abstrakt-geometrischen Tendenzen bemerkte Seuphor: „[...] innerhalb der abstrakten Kunst führen die verschiedenen Richtungen und deren Wortführer einen erbitterten Kampf untereinander. Nach den einen ist Abstraktion fortwährende Zerstörung [...]. Nach den anderen hingegen ist die wirkliche und wahre abstrakte Kunst nichts anderes als eine Serie von Konstruktionsübungen [...].“114 Er schrieb diesbezüglich auch von einer Spaltung in zwei Lager, „in Geometrie und Algebra oder, anders gesagt in den ‚Stil’ und den ‚Schrei’“, die sich auf dem Turnierplatz, als welchen er Paris bezeichnete, gegenüberstünden. 115 Schließlich plädierte er dafür, in der abstrakten Kunst „nichts anderes [...] als das gegenwärtige Stadium im historischen Entwicklungsgang der Kunst, [den] vielgestaltige[n] Ausdruck der Kunst unseres Jahrhunderts“ 116 zu sehen. In ihr könne sich der ebenfalls „vielschichtig gewordene Mensch unserer Zeit wieder erkennen. [...] Sie ist die einzige Kunstform, die wirklich unserer Zeit entspricht.“ 117 Einem Mosaik gleich setzen sich die künstlerischen Positionen wie kostbare Einzelstücke zu einem Abbild der historischen Wirklichkeit zusammen, welches vom

112 Ebd., S. 13. 113 Vgl. Stokvis 1987. 114 Seuphor 1957, S. 21. 115 Ebd., S. 91. 116 Ebd. 117 Ebd., S. 24. 31 Erleben und Ausleben neuer Freiheiten nach Jahren der Unterdrückung berichtet, aber auch von einer sich rasant verändernden Lebenswirklichkeit durch Fortschritte in Technik und Wissenschaften geprägt war. 118 Ferner bestimmte die von Jean-Paul Sartre eingeleitete existentialistische Philosophie, die um das menschliche Individuum mit seinen dominierenden Erfahrungen wie Angst, Scheitern und Tod kreist, den damaligen Grundtenor und hinterließ deutliche Spuren in den bildnerischen Erzeugnissen der Zeit. 119 Umgekehrt war die Neuorientierung der Kunst ab Mitte der 1940er Jahre wohl auch für Sartres philosophisches Denken nährender Input.

Soshana mittendrin Soshanas Entscheidung für ein Leben in der Kunstmetropole zog die Trennung von der Familie nach sich. Sie ließ ihren sechsjährigen Sohn Amos in Wien zurück und übergab ihn der Obhut ihres Vaters. So schmerzhaft dieser Umstand auch war, markierte er den wesentlichen Schritt in Richtung einer selbstständigen und unabhängigen Künstlerinnenexistenz. Wie bereits betont, war es schwer in der Metropole der Kreativität Fuß zu fassen, besonders als weibliche Künstlerin. Seuphor beschrieb den „Beitrag der Malerinnen“ 120 , wie er ihn in seinem Buch nannte, auf weniger als zwei Seiten beginnend mit den Worten: „Bei der Betrachtung der abstrakten Kunst dürfen wir aber den Beitrag der Frauen nicht vergessen.“ 121 Allein diese Aussage enthält bereits eine unmissverständliche Wertung „weiblicher Kunst“, die im Anschluss noch deutlicher ausfällt: „Es wird nicht selten behauptet, dass die Frauen auf dem Gebiet der Kunst weniger schöpferisch, weniger ausdrucksstark, weniger erfindungsreich, weniger maßvoll wären als Männer.“ 122 Seuphor allerdings, laut eigener Einschätzung weniger kritisch, wies dieses summarische Urteil zurück, nur um in direkter Folge daran klarzustellen: „Zwar ist es eine Tatsache, daß die überragenden Gestalten immer Männer sind, auf dem Gebiet der Malerei wie sonst wo. Doch

118 Seuphor dazu: „Auch unser Jahrhundert hat sein eigenes Gesicht, das nach einer ihm gemäßen Kunst verlangt. Es ist das Jahrhundert der Erfindungen am laufenden Band, voller Unklarheit und Unsicherheit, ein Jahrhundert gewaltiger Umwälzungen, politischer Wirren, erschüttert von immer wiederkehrenden Krisen mit einer Gesellschaft, die jegliches Vertrauen in die Stabilität verloren hat. Diese Zustände finden ihren deutlichen Niederschlag, in der Entwicklung der Kunst seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts.“ Ebd., S. 22. 119 Vgl. Morris 1993. 120 Seuphor 1957, S. 72. 121 Ebd., S. 79. 122 Ebd. 32 solche Gestalten gibt es nur wenige, man kann sie an den Fingern einer einzigen Hand aufzählen. Sobald man aber weiterzählt kommt man auch schon zu den Frauen, die sich durchaus mit den Männern messen können.“ 123 Darauf folgt die recht sparsame Auflistung einiger Künstlerinnen, und zum Abschluss durchleuchtet Seuphor noch einmal, ganz im Sinne der Epoche, die Position der Frauen in den Künsten: „Die Künstlerinnen haben oft keinen leichten Stand zwischen ihren Fürsprechern und ihren Gegnern. Auf der einen Seite wird Unmögliches von ihnen verlangt, dann wieder lauern die Kritiker auf die kleinste Schwäche [...]. Ich kenne manch vielbeachtetes Werk, das ein Kritiker belächeln würde, wenn es mit einem Frauennamen signiert wäre.“ 124 Zwischen diesen Zeilen und der Gegenwart liegen mittlerweile Jahrzehnte emanzipatorischer Befreiungsschläge und feministischer Theorienbildung sowie (kunst)wissenschaftlicher Gender Studies, so dass Seuphors Analysen durchaus als Kuriosität belächelt werden können. Die gravierenden Folgen dieser Ansichten für die Künstlerinnen um die Jahrhundertmitte liest sich aber noch heute an den Namenslisten der Ausstellungen ab, wie beispielsweise an jener der zweiten Documenta in Kassel im Jahr 1959, welche die zeitgenössische, hauptsächlich informelle Kunst in einem sehr umfassenden und repräsentativen Rahmen zusammentrug. 125 Unter den insgesamt zweihundertachtzehn daran teilnehmenden Künstlern waren gerade mal vier Frauen vertreten! Angesichts eines solch diskriminierenden Umfeldes erscheinen Soshanas kompromisslose Lebenshaltung und ihr eigenwilliges Werk umso beachtlicher, wie auch andere Autoren in ihren schriftlichen Beiträgen würdigend festhielten: „Sich in einer männerdominierten Kunstwelt am Aufbruch der Avantgarde einen Platz zu sichern, den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten (Picasso, Giacometti) und Kulturschaffenden der Zeit zu begegnen und auch noch in vielen persönlichen Künstlerfreundschaften die Gelegenheit zur Weiterentwicklung zu finden war ein besonderer Verdienst Soshanas.“ 126 Wie man sich die heiß umkämpfte Künstlerinnenexistenz im Schatten der etablierten Größen vorzustellen hat, wird aus dem Gruppenportrait Artists in Paris (Abb. 25) von 1955 ersichtlich: Drei weibliche Figuren (darunter Soshana selbst) und fünf

123 Ebd. 124 Ebd., S. 79–80. 125 Vgl. Haftmann 1959. 126 Sturm 2006, S. 31. 33 männliche Akteure (unterschiedlicher kultureller Provenienz, darunter ein kleiner Junge) befinden sich zusammengedrängt und zwischen Metallstäben eingeklemmt vor einem in rot-gelben Flammen lodernden Hintergrund. In den Gesichtern der Erwachsenen zeichnen sich die Anstrengung der Nachkriegsjahre sowie der tägliche Überlebenskampf in der neuen Heimat ab, wie schon Martina Gabriel bemerkte. 127 Eine Sonderstellung scheint der Junge im Bild aufgrund seiner Zeigegeste einzunehmen. Beinahe anklagend weist er auf das linke Figurenpaar, eine alte Frau, welche schützend ihre Hand über ein blondhaariges Mädchen hält. Handelt es sich bei der abgemagerten und ausgehungerten Greisin um ein Alter Ego Soshanas bzw. um die finstere Zukunftsvision einer zum Scheitern verurteilten Künstlerin und in weiterer Konsequenz um ein Versagen als Tochter, die ihre Familie enttäuschte und als Mutter, die ihren Sohn zurückließ? Nicht ohne Grund schrieben Zeitgenossen in Presseartikeln immer wieder von Soshanas „kassandrinischen“ Eigenschaften. Ähnlich düsteren Grundstimmungen begegnet man wiederholt im gesamten Oeuvre der Künstlerin, und bereits damals zählten sie zu den Wesenszügen ihrer Malerei. Eine in Japan erscheinende Zeitschrift resümierte schon 1957: „Kritiker schrieben über die ‚tragische Stimmung ihrer gespenstischen Bilder’. Sie schrieben über ‚Betrübnis und düstere Vorahnungen, über die Rebellion, die ihren Pinsel führt und ihre Farben auswählt’. Sie schrieben über ‚weißen Zerfall, düstere Einsamkeit, aufwühlende Vernichtung, die ihren Launen Farbe geben und auf eine geradezu morbide Ratlosigkeit hinweisen’.“ 128 Trotz aller Schwierigkeiten war das Leben in Paris in vielerlei Hinsicht befruchtend und das Sprungbrett für eine Karriere als Künstlerin. Die Freundschaft mit Constantin Brancusi und Alberto Giacometti sowie der Kontakt zu zahlreichen anderen Künstlern, allen voran Pablo Picasso, inspirierten Soshana von Beginn an: „Die Tatsache, dass wir alle im Künstlerviertel nahe beieinander wohnten und die Schönheit, die uns Paris bot, waren beständige Inspirationsquellen. Wir wollten diese Stimmung absorbieren und all unsere Sinne dem Takt, der uns umgab, öffnen. Wir hatten das Gefühl etwas Großartiges und Dauerhaftes zu schaffen. Die damit einhergehende Inspiration und der Idealismus ermutigten uns, trotz Armut, Kälte und

127 Gabriel 2006, S. 7. 128 The Mainichi 1957. 34 Feuchtigkeit, viele Stunden in unseren Ateliers zu arbeiten. Ich hatte das Gefühl irgendwo zwischen einem Märchen und einem Lehrbuch zu stecken.“ 129

Gesten und Zeichen „In Paris kann kein Künstler der französischen Kunst entgehen.“, 130 gab Soshana 1957 in einem Interview preis und positionierte sich damit wie selbstverständlich innerhalb der Pariser Avantgarde. Ihr Oeuvre veranschaulicht das Hereinbrechen der „französischen“ Kunst über ihre Arbeitsweise ab dem Jahr 1952, ihrer Ankunft in Paris. Die stilistische Wende war aber keine abrupte. Anfangs blieb Soshana den Themen ihrer bisherigen Malerei größtenteils treu und dem expressiven Realismus verhaftet, was Stillleben wie Mimosa (Abb. 26) oder Flowers VII. (Abb. 27), Landschaftsaufnahmen wie Outside Paris II . (Abb. 28) sowie vereinzelte Portraits, zum Beispiel jenes einer Japanerin im Kimono (Abb. 29) beweisen. Dennoch war die Entwicklung in Richtung Abstraktion nicht mehr zu bremsen. Bewerkstelligt wurde dies aber weniger durch die Reduktion des Gegenstandes, sondern vielmehr durch eine Intensivierung der gestischen Vehemenz, die den Gegenstand bedrohte, ihn quasi zerstörte oder auslöschte, wie die Abbildungen Village in Austria (Abb. 30) und Portrait of a woman (Abb. 31) nahelegen. Der Maler Antonio Saura agierte ähnlich, was nicht nur aus seinen Werken ersichtlich wird, 131 sondern auch aus folgender Äußerung hervorgeht: „Der Gegenstand mag, falls er in Erscheinung tritt, als Stütze dienen, während der Malhandlung jedoch, die eher ekstatisch ist, in jenen blitzartigen Augenblicken, da Heftigkeit und angespannte Wucht sich die Waage halten, wird dieser Gegenstand zerstört.“ 132 Michel Ragon zitierte in seinem Buch Das Abenteuer der Abstrakten Kunst den renommierten Kunstkritiker und Direktor des Pariser Musée national d’art moderne, Jean Cassou 133 , einst mit den Worten: „Die Zeichen haben den Gegenstand getötet.“ 134 Einzelne Werke Soshanas könnten zur Illustration dieser Aussage herangezogen werden. Wie ein Florett führte sie ihr Malwerkzeug (Pinsel oder Spachtel) und hinterließ damit zeichenhafte Gebilde auf den Leinwänden, die nicht

129 Aus Soshanas unveröffentlichten Manuskripten, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek; zit. nach Al-Jaderi 2010, S. 30. 130 The Statesman 1957. 131 Vgl. Abbildungen in Mason 1989. 132 Zit. nach Claus 1963, S. 118. 133 Mit Jean Cassou (1897–1986) unterhielt Soshana in den späten 1950er Jahren bis Ende der 1960er Jahre eine enge Freundschaft und Briefverkehr. Vgl. Datenbank Soshana/Letters. 134 Ragon 1957, S. 21 35 nur schöpferisches Movens verkörperten, sondern sich mehr und mehr zum alleinigen Bildthema emanzipierten. Die Hiebe waren teilweise so wuchtig, dass sich die Farbspur tief in das Leinen drückte und dieses beinahe zu durchstoßen drohte. Orientierten sich Flowers in Winter (Abb. 32) und Landscape I . (Abb. 33) trotz auffälliger Hinwendung zum Zeichenhaften noch deutlich am realen Vorbild, wurde in Winter VIII. (Abb. 34) und schließlich in Abstraction on white (Abb. 35) der Gegenstand vollkommen aus dem Bild eliminiert. Pierre Restany, ein wie Cassou berühmter und ebenfalls mit Soshana bekannter französischer Kunstkritiker, 135 sprach 1958 von einer Mystifikation des Zeichens in der Malerei und dass diese, mehr denn je zuvor, sich selbst zerstören müsse, um sich wiederzufinden. 136 Soshanas frühe Neigung zu einem expressiven Ausdruck mittels einer kraftvollen, dynamischen Handschrift mündete nun also über den Einsatz einer impulsiven, weit ausholenden Geste in die neuen Gestaltungsweisen. Damit schloss Soshana an den internationalen Kunstjargon der Zeit an und artikulierte sich fortan in dieser universell verständlichen Sprache. Jackson Pollock (Abb. 36, 37) 137 , Georges Mathieu (Abb. 40, 41) 138 , Hans Hartung (Abb. 38, 39) 139 – drei Namen die stellvertretend für das Auftreten eines neuen Prinzips in der Malerei nach 1945 stehen – geben in ihrem Werk eine Vorstellung davon. Das direkte und spontane Agieren des Künstlers unter Einsatz seines ganzen Körpers, wie es von den Dreien in unterschiedlicher Intensität betrieben wurde, erwies sich als äußerst folgenreich für die weitere Kunstentwicklung. Harold Rosenberg, der den Begriff Action Painting 1952 für die amerikanische Malerei prägte, unterstrich das Neue dieser Kunstrichtung gleich zu Beginn seines Aufsatzes aus eben diesem Jahr: „At a certain moment the canvas began to appear to one American Painter after another as an arena in which to act – rather than as a space in which to reproduce, re-design, analyze or ‘express’ an object, actual or imagined. What was to go on the canvas was not a picture but an event.” 140 Dieser Ansatz fand dann auch Weiterentwicklung außerhalb der Gattung der Malerei in den diversen Strömungen der Aktionskunst ab 1960 (Happening, Fluxus, Performance) und wirkt bis heute bei Künstlern wie zum

135 Sowohl Pierre Restany (1930–2003) als auch Jean Cassou verfassten beide einen Text für Soshanas erste Künstlermonographie. Vgl. Soshana 1973, S. 8, 125–127; wiederabgedruckt in Schueller 2006, S. 33, 35f. 136 Vgl. Sotriffer 1986, S. 9. 137 Vgl. weiterführend etwa Küster 2008. 138 Vgl. weiterführend z. B. Baum 2003, S. 194–199, Baum 2007. 139 Vgl. weiterführend Hartung 1963, Baum 2003, S. 136–143. 140 Rosenberg 1994, S. 25. 36 Beispiel Albert Oehlen oder Jonathan Meese nach. 141 Allerdings ist die freie Geste in der auf mediale Diskursivität abzielenden Malerei der Gegenwart mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden und hat ihre pathetische Feierlichkeit abgeworfen, wie Robert Fleck feststellte. „Die Feierlichkeit entsprang dem Selbstverständnis, neues Terrain für die Malerei zu erobern, die europäische Tradition des Tafelbildes endgültig zu verlassen und eine epochale Innovation zu leisten, deren Notwendigkeit sich zugleich aus der bisherigen Geschichte der modernen Kunst ableitete. Ein solches Pathos entsprang dem Bewusstsein, eine Zäsur in der Kunstgeschichte zu vollziehen“, erklärte dieser.142 Barnett Newman fand 1967, Pollocks und seine eigene künstlerische Haltung kommentierend, dafür folgende Worte: „It was that awakening [...] – to start from scratch, to paint as if painting never existed before. It was that naked revolutionary moment that made painters out of painters.” 143 Bei Pollock wird dieser revolutionäre Moment am plakativsten. Indem er die monumentalen Leinwände flach auf den Boden legte, verwandelte er die Bildfläche wortwörtlich in eine Arena, wie Rosenberg es bezeichnet hatte. Auf seinem „Kampffeld“ wütete er mit Pinsel und Farbtopf bewaffnet hin und her. Der Körper hinterließ seine Spuren direkt auf der Malunterlage, die Bewegungen der ausschwingenden Arme des Künstlers, deren Verlängerung der Pinsel war, erfassten das Bild in einem rhythmischen „All over“ aus vernetzten Linien und Farbschnüren (Abb. 36, 37). Getragen wurde diese exzessive Stimmung von der Definition des Malens als ein Zustand („a state of beeing“144 ), in dem sich die aus dem Unbewussten strömenden Kräfte lösten („Etwas in mir weiß, wohin ich gehe.“145 ). Hinter Pollocks psychischer Improvisation standen die psychoanalytischen Theorien von Sigmund Freud und C. G. Jung, welche zuvor bereits auf die écriture automatique der Surrealisten abgefärbt hatten. Ähnlich dynamische Malaktionen setzte zeitgleich Georges Mathieu in Europa. Im Unterschied zu Pollock vollführte Mathieu seine Aktionen an aufrecht stehenden Leinwänden und zum Teil auch vor Publikum. In Wien bestritt er 1959 auf Einladung Otto Mauers gleich zwei Auftritte: eine Ausstellungseröffnung in der

141 Fleck 2008, 178–184. 142 Ebd., S. 183. 143 O’Neill, S. 191f. 144 „Painting is a state of beeing...self-discovery. Every good artist paints what he is.“ Jackson Pollock zit. nach Fineberg 1995, S. 5. 145 Jackson Pollock zit. nach Claus 1963, S.64 37 Avantgarde-Galerie St. Stephan 146 mit fünfundzwanzig kleinen Blättern die er über Nacht spontan angefertigt hatte, und am Tag darauf malte er vor der versammelten Wiener Kulturschickeria ein großformatiges Spontangemälde. 147 Fotos dokumentieren Mathieus fünfzigminütige Vorstellung und zeigen seine frenetisch- impulsive Herangehensweise an die Leinwand, die unmissverständlich auch der persönlichen Inszenierung diente. 148 Der Zeitgenosse Michel Ragon beschrieb Mathieu als Dandy, der versuche ein Salvador Dalí der abstrakten Kunst zu sein: „Wenn er ausstellt, muß es immer ein Riesenbild sein, das er in wenigen Minuten an Ort und Stelle hinpinselt. Wenn er einen Wagen kauft, muß es unbedingt ein Rolls- Royce sein, groß wie ein Ozeandampfer. Wenn er eines seiner überdimensionalen Bilder abliefert, tut er dies bestimmt mit Pferd und Wagen.“ 149 Darum erstaunt es auch weiter nicht, wenn Kollegen von seinem „affektiert affichierten Royalismus“ 150 sprachen. Und Mathieu selbst verkündete: „Das Bild gilt als Ausdruck eines totalen Elans, [...] die Malerei wird vor allem eine Handlung. Der IchKult triumphiert also.“ 151 Mathieu gilt als Begründer des „Lyrischen Informel“ das gegenüber dem Abstrakten Expressionismus stärker zum Graphischen tendierte, zum reinen Strich, der Linie und dem Skriptoralen, das in schnellen und knappen Kürzeln seinen Niederschlag fand (Abb. 40, 41). Die daraus resultierende Zeichenhaftigkeit im Abgebildeten stellte für Mathieu eine wesentliche Neuerung im künstlerischen Ausdruck dar, der er sich in seinem Aufsatz Skizze einer Embryologie der Zeichen widmete. 152 Dort heißt es beispielsweise: „Wenn tatsächlich zu allen Zeiten die Bedeutung dem Zeichen vorausgegangen war, ist von nun an die Beziehung Zeichen – Bedeutung erstmalig umgekehrt. Damit ist eine grundsätzlich neue Phänomenologie im Bereich des Ausdrucks entstanden und eine ebenfalls neue Strukturierung der Formen von einem totalen nada = Nichts aus geboten.“ 153 Den von jeglicher Bedeutung befreiten Zeichen begegnet man auch im Werk Hans Hartungs (Abb. 38, 39). Obwohl sich die Geschwindigkeit der Ausführung bei ihm im Vergleich zu Mathieu deutlich reduzierte, liegt die pathetische, Energie geladene

146 Im Jahr 1963 wurde die 1954 eröffnete Galerie St. Stephan von ihrem Gründer Otto Mauer in Galerie nächst St. Stephan umbenannt. Vgl. Richter 2010, S. 73. 147 Baum 2007, S. 402. 148 Vgl. zwei Fotografien in ebd. S. 403f. 149 Ragon 1957, S. 61. 150 Arnulf Neuwirth zit. nach Baum 2007, S. 402. 151 Georges Mathieu zit. nach Claus 1963, S. 72. 152 Vgl. dazu Wedewer 2007, S. 209f.; Claus 1963, S. 66f. 153 Zit. nach Wedewer 2007, S. 210. 38 Geste auch seinen Zeichen zu Grunde. „Es handelt sich [...] um eine Art Dynamik, die sich in mir angesammelt hat und von der die graphische Bewegung ihre Energie nimmt.“, 154 verriet Hartung. „Für mich ist die Realität des Werkes eine Manifestation, die parallel zum Leben des Künstlers läuft, die Äußerung von Kräften, die in ihm sind, von all dem, was ins Spiel tritt, um die Aktion anzutreiben, von allem, was seine Impulse, seine Bestrebungen, seine Erfahrung ins Spiel bringt. Oft bleibt im Bild eine Spur der Dinge, selbst wenn man nichts wieder erkennt. Sie manifestiert sich durch die Kraft, Schnelligkeit, Strenge oder Geschmeidigkeit des Striches. Unser organisches Wissen, daß es der Pulsschlag des Blutes oder die Kraft in einem Stamm sind, die treiben, findet seine Parallele, sein Äquivalent in dem, was wir schaffen.“ 155 Der künstlerische Ausdruck wurde also auch bei Hartung von den treibenden Kräften aus seinem Inneren gesteuert. Seine Werke wie auch jene Pierre Soulages 156 zelebrieren die Geste in bildfüllendem Format, sie sind quasi in sichtbare Linien gehüllte, reine Gesten. Stellt man Hartung und Mathieu nun das Werk Soshanas gegenüber, springen die Parallelen sogleich ins Auge. Beim Vergleich mit Hartung fällt vor allem die Verwandtschaft in der Konzeption des Gestischen auf. Ähnlich wie in Hartungs Komposition T55-17-1955 (Abb. 38) setzte Soshana die autonomen Pinselstriche in Black White Yellow (Abb. 42) in unterschiedlichen Stärken auf die Leinwand und bündelte sie zu einer zeichenhaften Bildsprache. Spätestens jetzt muss der Hinweis auf die fernöstliche Kalligraphie fallen, da diese Technik zahlreiche informelle Maler maßgeblich beeinflusst hatte. Hartungs gestische Schwünge gleichen dem konzentrierten Verfahren des kalligraphischen Malaktes und auch Soshanas Duktus schließt daran an, wie es noch eigens aufzuzeigen gilt. 157 Mit dem Meister des Lyrischen Informel verbindet Soshana die explosive Wucht und Geschwindigkeit in der Malweise, die sich in diversen Manifestationen auf der Bildfläche entlud (Abb. 44, 45, 46). Georges Mathieu, der seine Farbe gegen die Leinwände schleuderte und sie zu dramatischen Kompositionen meist um das Bildzentrum herum gruppierte (Abb. 40), arbeitete wie Soshana Nass-in-Nass. Bei beiden überlagern sich an manchen Stellen die verschiedenen Farbspuren in ähnlicher Weise und vermischen sich untereinander. Größtenteils bleiben die Striche,

154 Zit. nach Claus 1963, S. 83. 155 Ebd., S. 86. 156 Vgl. z. B. Abbildung in Baum 2003, S. 260–265. 157 Vgl. Kapitel 3.3. Vom Entdecken: Der Einfluss fernöstlicher Schrift- und Malkunst auf Soshana in der vorliegenden Arbeit, S. 52–63. 39 Bögen, Wirbel, Balken flach im Malgrund verankert, mancherorts bilden sich bei Soshana aufgrund der Überlagerungen fast reliefartige Strukturen heraus, was den Materialcharakter der Farbe und deren Eigenwertigkeit betont, so zum Beispiel in Trees on gold (Abb. 43). Der körperliche Elan wurde durchgehend ins Bild übertragen und dort sichtbar gemacht. Zuweilen wirkt es so, als würden sich die einzelnen Linien untereinander ein Gefecht um die größtmögliche Aufmerksamkeit liefern, einen inszenierten Wettlauf um den besten Platz auf der Leinwand austragen. Das gegenseitige Aufstacheln gipfelt in einem Moment höchster Spannung, einem explosiven „Jetzt!“, wodurch eine Gleichzeitigkeit im Ausdruck erreicht wird, die sich von der meditativen Ruhe in den Bildern Hartungs unterscheidet.158 Er scheint mir mehr an der zeitlichen Vermessung jeder einzelnen Linie im Bild interessiert, an manchen Stellen zieht sie langsam und bedächtig ihre Bahnen oder pflügt sich zögernd und stoßweise durch die Farbe, andernorts hetzt sie wie eine Gejagte über die Fläche. 159 Soshanas Striche hingegen stehen oft allesamt unter einem enormen Stress. Jeder will vorne mitmischen und sein Existenzrecht behaupten, sodass es zu Überkreuzungen und Verknotungen bis hin zur totalen Undurchsichtigkeit kommen kann – ein Kampf um Wahrnehmung, wie er der Künstlerin selbst wohl nicht fremd gewesen sein dürfte. Der Maler Antonio Saura pflegte in seinen Gemälden einen ähnlich turbulenten Umgang mit Strich und Linie. 160 Dies spiegelt sich zum Teil auch in seinen Gedanken wider: „Der abstrakte Expressionismus birgt in seinem Inneren eine Energiemenge, wie sie uns die Kunst bis heute kaum gegeben hat. Ein barocker Tumult in dem dennoch eine innere intuitive Mathematik liegt, die bewirkt, daß eine Geste in schicksalhafter Verbindung durch die vorangehende gerechtfertigt wird und eine Reihe von Kettenreaktionen schafft, die in einem gegebenen Augenblick enden.“ 161 Diese Textpassage könnte auch gut auf die Malweise Soshanas umgelegt werden.

Zerstörung und Wachstum Die energetisch aufgeladene Pinselführung Soshanas tritt schließlich auch in Dialog mit dem von Konzentration und gestischem Pathos beherrschten Malakt Jackson

158 Vgl. dazu weitere Abbildungen in Hartung 1963. 159 Siehe auch Haftmann 1976, S. 472. 160 Vgl. Mason 1989; Baum 2003, S. 246–251. 161 Zit. nach Claus 1963, S. 119. 40 Pollocks. Die Werke des Amerikaners wurden seit 1950 vermehrt in Paris sowie im restlichen Europa gezeigt. 1952, in dem Jahr in welchem Soshana nach Paris übersiedelte, veranstaltete die Galerie Fachetti eine Pollock-Ausstellung.162 Soshana, die sehr wahrscheinlich schon während ihrer Zeit in den USA mit der gestisch- abstrakten Avantgarde Amerikas geliebäugelt hatte, hätte also spätestens in Paris einer Konfrontation nicht mehr aus dem Weg gehen können. Die Impulse, welche vom Pionier des Action Painting freigesetzt wurden, gelangten über die vibrierende Pariser Entourage gewiss auch bis zu Soshana. So arbeitete sie vereinzelt ebenfalls auf horizontal liegenden Leinwänden und betrieb dort Drip Painting, allerdings mit „umgekehrten Vorzeichen“, wie Martina Pippal ihre Technik kürzlich beschrieb. 163 An deren Ausgangspunkt stand nämlich keineswegs die Rezeption der Pollock’schen Wucht, sondern vielmehr die Kraft der Natur: Der durch ihr Glasdach im Pariser Atelier tropfende Regen provozierte nach Abtrocknen der bereits fertigen Aquarelle helle Flecken mit dunkleren Rändern. 164 Diesen Effekt versuchte die Künstlerin daraufhin, so Pippal, auf ihren Ölbildern nachzuahmen, indem sie Terpentin über die Oberflächen träufelte und sich als Reaktion darauf die Farbe teilweise wieder löste, so dass ein wie von Vulkankratern übersätes Gesamtbild entstand. Die Ränder der Krater, an denen sich die Farbe zurückgezogen hatte, schlossen sich zu wabenartigen Strukturen zusammen, die sich selbständig untereinander vernetzten (Abb. 47, 48) Das Dripping erfolgte bei Soshana im Unterschied zu Pollock erst nach Abschluss des Malprozesses und nicht währenddessen. Pippal konstatierte resümierend einen Rückzug der Künstlerin aus dem Herstellungsprozess, „ein Zulassen des Zufalls als Mitwirkenden und ein – wenngleich kontrolliertes – destruktives Vorgehen, durch das es erst zur Vollendung des Werkes kam“. 165 Dieser sich selbst überlassene Produktionshergang und seine teilweise kalkulierte Selbstzerstörung erinnern an die von Gustav Metzger in den 1960er Jahren proklamierte Autodestruktive Kunst. 166 Obwohl von grundverschiedenen

162 Haftmann 1976, S. 486. 163 Pippal 2010, S. 55. 164 Vgl. Ebd. 165 Ebd. 166 Gustav Metzger wurde 1926 in Nürnberg als Sohn orthodoxer Juden geboren. Durch eine Rettungsaktion des Refugee Children Movements überlebte er den Holocaust und gelangte so nach London, wo er noch heute lebt. Im Jahr 1959 verfasste er sein erstes Manifest der Autodestruktiven Kunst, weitere sollten folgen, meist verbunden mit Demonstrationen und Lectures. In seiner Kunst beschäftigten ihn die politischen, ökonomischen und ökologischen Probleme der Zeit, die er mit Hilfe neuester Methoden und Erkenntnisse aus Technologie und Wissenschaft thematisierte. Dabei war sein Verhältnis zur Wissenschaft ein ambivalentes, wie er in einem Aufsatz von 1965 auf den Punkt 41 Motivationen gelenkt – Metzger verfolgte einen aktionistisch-radikalen und revolutionären Anspruch, der über die Ästhetik der Autodestruktiven Kunst das Destruktionspotential des zwanzigsten Jahrhunderts aufzuzeigen versuchte und das kapitalistische System als auch den Kunstbetrieb aufs Schärfste angriff –167 , bleibt der Moment der Zerstörung als zentrales Motiv ein verbindendes Glied zwischen den beiden. Nehmen wir etwa Metzgers Säure-Nylon-Malerei: In mehrmals durchgeführten Malaktionen am Beginn der 1960er Jahre strich er den mit Säure benetzten Pinsel über einen rechteckig aufgespannten Nylonstoff. Dabei fraß sich die Säure durch den Stoff und zersetzte diesen soweit, dass bis auf einen durchlöcherten Tuchfetzen fast nichts mehr davon übrig blieb (Abb. 51). Die Autorität der Geste sowie deren körperliche Bedingtheit während dieser Aktionen scheinen ein direktes Derivat des Action Painting zu sein. In einem Vortrag im Jahr 1965 meinte Metzger über Pollocks Drip Paintings, dass sie seiner Vorstellung von Malerei, wie er sie 1946 als Student verfolgt hatte, am nächsten kämen.168 Soshanas destruktiver Akt hatte keinen derart aggressiven und anarchischen Beigeschmack und verletzte den Körper des Leinens auch niemals so brutal. Trotzdem setzte sie die Bildfläche ganz bewusst einer Substanz aus (in ihrem Falle das weit weniger gefährliche Terpentin, das in der Ölmalerei auch als wichtiges Binde- und Verdünnungsmittel verwendet wird), von der sie wusste, dass sie einen tilgenden Effekt auf die zuvor angefertigte Malerei hatte und der Farbe, sprichwörtlich auf den Leib rücken würde. Wie Metzger entschied sie, an welchen Stellen der Leinwand die Flüssigkeit aufgetragen werden bzw. abtropfen sollte, konnte aber die Ausdehnung respektive endgültige Form der initiierten Zersetzung nicht gänzlich beeinflussen. Übrig blieb in beiden Fällen ein vom Künstler verwundetes Werk. Aber: Wo Metzger nach der totalen Destruktion und Auflösung der Kunst trachtete – „Autodestruktive Bilder, Skulpturen und Konstruktionen haben eine Lebensdauer, die zwischen ein paar Augenblicken und zwanzig Jahren schwankt. Wenn sich der Zerfallsprozess vollendet hat, wird das Werk entfernt und

brachte: „Wir werden ‚Wissenschaft’ mit Wissenschaft zerstören“ (Breitwieser 2005, S. 35). Im Jahr 1966 veranstaltete er das DIAS (Destruction in Art Symposium) in London, an dem auch die Wiener Aktionisten Peter Weibel, Hermann Nitsch, Otto Mühl und Günther Brus teilnahmen. Sabine Breitwieser ist eine umfangreiche Retrospektive in der Wiener Generali Foundation im Jahr 2005 inklusive einer umfassenden Monographie sowie die Sammlung und Herausgabe sämtlicher von Gustav Metzger verfassten Schriften zu verdanken. Vgl. dazu Breitwieser 2005. 167 Vgl. ebd. 168 Ebd., S. 93. 42 vernichtet“, 169 so Metzger in seinem ersten Manifest – blieb für Soshana die Integrität des Werkes unantastbar. Im Grunde erfolgte die Schädigung des Bildes bei Soshana aus einem konstruktiven Antrieb heraus, so paradox dies auch klingen mag. Obwohl das Verfahren ein destruktives war, provozierte es einen kreativen Prozess, aus dem am Ende ein „neues“ Bild erwuchs. Die Malerin selbst beschrieb den Vorgang unaufgeregt und sachlich: „I cover a primed canvas with linseed oil, apply oil paints with a palette knife and then throw turpentine on the surface to obtain accidental effects.“ 170 Und in einem ihrer unveröffentlichten Typoskripte mit dem Titel How to make use of and control results obtained by accident , hielt sie für ihre Kunst grundsätzlich fest: “I found out how by destruction, something new and constructive developed.” 171 Auf den oft knallig bunten Leinwänden setzte durch das Übergießen von Terpentin ein autonomes Treiben der Farben ein, bis sich diese in amöbenartigen Verrenkungen auf der Bildfläche neu ausgerichtet hatten. Das Resultat gleicht ein wenig den anisotropen Texturen von Flüssigkristallen, wie sie beim Erhitzen von bestimmten chemischen Substanzen als Zwischenphase (zwischen flüssig und fest) auftreten und unter dem Mikroskop sichtbar werden (Abb. 49). 172 Berücksichtigt man eine Äußerung Soshanas, scheint der Vergleich gar nicht so weit hergeholt: „Some biochemists said that my paintings resemble what you see when you look into a microscop“, 173 so die Künstlerin in dem von ihr verfassten Text . Gustav Metzger experimentierte mit eben solchen Liquid Crystals, 174 die er auf monumentalen Projektionen (Abb. 50), unter anderem während eines Rockkonzerts der Punk- Rockgruppe The Who im Jahr 1966 einer vom sich ständig verändernden, psychedelischen Farbenspiel faszinierten Menge vorführte. 175

169 Ebd., S. 224. 170 Soshana 1973, S. 147. 171 Soshana (undatiert), How to make use of and control results obtained by accident , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 3. 172 Vgl. http://nobelprize.org/educational/physics/liquid_crystals/history/index.html (November 2010); Brockhaus 2006, S. 428. 173 Soshana (undatiert), How to make use of and control results obtained by accident , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 6. 174 Aus dem Pressetext von 1966 über Metzgers Art of Liquid Crystals erfährt man: „A new art technique is on view in a window of Better Books [...]. Two aspects of the technique are displayed: 1. as the spectator passes pieces of glass mounted in the window, a series of color changes may be observed. 2. a chemical is mounted between microscop cover slips. In the course of a one-minute cycle, the chemical is melted and then cooled. As the chemical cools, color changes are observed which vary according to the position of the spectator an the light source. This word is called EARTH FROM SPACE. The technique is based on the use of liquid crystals. It can be used on a large scale, inside buildings or out.” Breitwieser 2005, S. 132. 175 Vgl. ebd., z. B. S. 131, 145. 43 Neben seinen Autodestruktiven Verfahren entwickelte er auch Techniken, für sich selbst (re)produzierende Autokreative Kunst, wie er es nannte: „ Autokreative Kunst ist Kunst der Veränderung, des Wachstums, der Bewegung.“ 176 Ohne den Vergleich mit Gustav Metzger überreizen zu wollen, da sich die inhaltliche wie ästhetische Ausrichtung seiner Kunst von der Soshanas grundsätzlich unterschied, kann doch festgehalten werden, dass beider Künste zwischen Destruktion und Kreation hin- und herpendeln. Dies wiederum erinnert an eine Aussage des deutschen Malers Karl Otto Götz über die Kunst des Informel, wonach diese ein ständiger Prozess des Zerstörens und Wiederaufbauens sei. 177 Man kann das wohl auch als Reaktion auf die unmittelbar miterlebten Katastrophen des Krieges lesen. Weiters steht die Bezugnahme auf historische Entwicklungen, wie die Bedrohung durch das atomare Wettrüsten, das sich die Westmächte mit der Sowjetunion seit den Bombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 lieferten, bei Metzgers aktivistischer Kunst außer Frage und auch einige Werke Soshanas bekunden zumindest dem Titel nach – Atomic Explosion II. (Abb. 52) – eine Auseinandersetzung damit.

Fläche und Raum Ein Künstler, dessen destruktive Geste der Malerei neue Räume eröffnete, war Lucio Fontana 178 . Mit ihm war Soshana befreundet und auch in Metzgers Biografie ist ein Zusammentreffen mit dem argentinisch-italienischen Künstler erwähnt. 179 Ausgehend von der Idee des Spazialismo, die er erstmals im Manifesto Blanco von 1946 und während der folgenden Jahre in weiteren Manifesten propagierte, 180 begann Fontana ab 1949 weiße bzw. monochrome Bildträger mit Locheisen zu durchstoßen und ab 1958 mit scharfen Messern zu durchschneiden (Abb. 53, 54). Durch die so entstandenen „Buchi“ und „Tagli“ wollte er den Raum jenseits der Leinwand ins Bild mit einbeziehen und folglich die auf Zweidimensionalität beschränkte Malerei überwinden. „I make a hole in the canvas in order to leave behind me the old pictural formulae, the painting and the traditional view of art and I escaped symbolically, but

176 Aus dem dritten Manifest Metzgers mit dem Titel Autodestruktive Kunst, Maschinenkunst, Autokreative Kunst aus dem Jahr 1961 in: Breitwieser 2005, S. 226. 177 Klant 1994, S. 62. 178 Lucio Fontana, 1899 in Argentinien als Sohn eines italienischen Bildhauers geboren, lebte abwechselnd in Argentinien und Italien und gilt als Bereiter einer neuen europäischen Avantgarde und Vorläufer der Konzeptkunst. Er verstarb 1968 in Comabbio/Italien. Vgl. Oettl 2008, S. 167–207, Reißer/Wolf 2008, S. 102–104. Ferner Ballo 1971. 179 Vgl. Breitwieser 2005, S. 112. 180 Insgesamt gibt es noch sechs weitere Manifeste. Guido Ballo publizierte die Manifeste 1970 in seiner Fontana-Monographie, vgl. Ballo 1971, S. 185–232. Siehe auch Fontana 1992. 44 also materially, from the prison of the flat surface.”, 181 so Fontana in seinem letzten Interview im Jahr 1968. Zum Teil wurden die perforierten Flächen mit lose gespannter, schwarzer Gaze hinterlegt und so der Eindruck von unendlicher Tiefe suggeriert. Die Zerstörung war also nicht das endgültige Ziel der künstlerischen Handlung, sondern Auftakt für ein neues künstlerisches Konzept, das Fontana als Concetto spaziale betitelte. 182 „Mit seinen Concetti spaziali kehrt Fontana bisherigen Bildkonzepten den Rücken. In den von ihm entwickelten Werken deutet Fontana einen fiktiven Raum an und verleiht ihnen deshalb die Bezeichnung eines räumlichen Konzeptes.“, 183 resümierte unlängst Barbara Oettl. Die neuartige Nutzung des Raumes, die Fontana für die Malerei anstrebte, fußte auf den damaligen Erkenntnissen der Weltraumforschung sowie den technischen Errungenschaften der Zeit und ihre Auswirkungen auf Leben und Anschauungen der Menschen. 184 Im Manifesto Blanco schrieb Fontana: „Die Entdeckung neuer physikalischer Kräfte, die Herrschaft über die Materie und den Weltraum erlegen dem Menschen schrittweise Lebensbedingungen auf, wie sie im Lauf der Geschichte noch nie existiert haben.“ 185 Flugzeuge begannen den Himmel zu erobern, Raketen und Satelliten drangen in den Weltraum vor und kehrten mit Bildern von fremden Planeten, fernen Galaxien und kosmischen Nebeln zurück, erläuterte Oettl und notierte dazu die wichtigsten Daten: 1957 startete der erste Sputnik, 1960 schickte die Sowjetunion Juri Gagarin als ersten Mensch in die Erdumlaufbahn und 1969 landete die bemannte US-Raumfähre Apollo 11 auf dem Mond. 186 „Die wahre Eroberung des Raumes durch den Menschen ist die Loslösung von der Erde, von der Horizontlinie, die jahrtausendelang die Basis seiner Ästhetik und seines Proportionsgefühls war. [...] Mit der Beherrschung des Raumes konstruiert der Mensch die erste Architektur des Raumzeitalters , das Flugzeug. Diesen bewegten Raumarchitekturen werden die neuen künstlerischen Phantasien gelten. Eine neue Ästhetik entsteht, leuchtende Formen, die sich durch den Raum bewegen. Bewegung, Farbe, Zeit und Raum sind die Grundbegriffe der neuen Kunst.“ 187 , prophezeite Fontana 1951.

181 Zit. nach Oettl 2008, 197. 182 Neben den Concetti spaziali entwarf Fontana auch Ambienti Spaziali , Lichtinstallationen mit dem Charakter von Environments, von denen heute kaum noch eines existiert, welche aber durch Fotografien dokumentiert sind. Vgl. Oettl 2008, S. 171–174; Ballo 1971 z. B. S. 151–153, 156, 159. 183 Oettl 2008, S. 207. 184 Ebd., S. 183f. 185 Ballo 1971, S. 185. 186 Vgl. Oettl 2008, S. 184. 187 Aus dem Technischen Manifest von 1951 in: Ballo 1971, S. 231. 45 Das visionäre Ausgreifen der Malerei hin zu einer „raumbezogenen Kunst“ 188 , wie es Lucio Fontana forderte, also das Durchbrechen der Leinwand und damit einhergehende Einbeziehen des Raumes mit dem Ziel die Gattungsgrenzen zwischen Malerei, Plastik und Objekt zu überspielen, lag Soshana fern. Obige Ausführungen verdeutlichen aber die zunehmende Popularität technischer und naturwissenschaftlicher Errungenschaften und ihre Wirkung auf die moderne Gesellschaft und die künstlerische Produktivität. Auch die Kunstkritik der 1950er Jahre verglich, glaubt man Robert Fleck, die aktuellen Bilder mit „dem Erlebnis der Wolkenkratzer, der im Flugzeug überflogenen Weiten der Landschaft und dem neuen Raumbegriff der modernen Physik“. 189 Ähnliche Bemühungen finden sich auch auf Seite der Kultur- und Geisteswissenschaften: Umberto Ecos 1962 erstmals publizierte Theorie des offenen Kunstwerks spiegelt das damalige durch die modernen Naturwissenschaften geprägte Weltbild wider. 190 An einer Stelle heißt es da beispielsweise: „So kommt es, dass Phänomene wie die Kunstwerke in Bewegung gleichzeitig epistemologische Situationen reflektieren, die einander gegenüberstehen, sich widersprechen, oder noch nicht miteinander versöhnt sind. Es kommt z. B. vor, dass, während Offenheit und Dynamismus eines Kunstwerks die für die Quantenphysik charakteristischen Begriffe der Unbestimmtheit und Diskontinuität evozieren, dieselben Phänomene zur gleichen Zeit als suggestive Bilder für einige von der Einsteinschen Physik beschriebene Situationen erscheinen.“ 191 Als eine Tatsache beschrieb Eco anschließend die Entsprechung zwischen der Einstein’schen Metaphysik und den Kunstwerken in Bewegung: „Wie in Einsteins Universum impliziert im Kunstwerk in Bewegung die Leugnung einer einzigen privilegierten Erfahrung nicht das Chaos der Relationen, sondern die Regel, die deren Sichorganisierens erlaubt.“ 192 Das Hantieren mit einem aus den Naturwissenschaften entlehnten Vokabular zur Beschreibung von Kunst zeigt sich schließlich bei den Künstlern selbst, was die bereits zitierte Äußerung Antonio Sauras belegt. Zur Erinnerung: Dort war von der

188 In einem Briefentwurf an Giampiero Giani aus dem Jahr 1949 schrieb Fontana: „Jahrhundertelang haben sich die Künstler auf die Technik der Malerei beschränkt, seit ein paar Monaten ahnt eine Gruppe von Künstlern eine neue künstlerische Entwicklung, die raumbezogene Kunst, ich versichere Euch, daß es auf dem Mond keine Malerei mehr geben wird – sondern raumbezogene Kunst.“ Ballo 1971, S. 248. 189 Fleck 2008, S. 179. 190 Eco 1993. 191 Ebd., S 52f. 192 Ebd., S. 54. 46 „Energiemenge“ und der „inneren intuitiven Mathematik“ der neuen Kunst die Rede und von einer „Reihe von Kettenreaktionen“, welche sie auslöse. 193 Und Georges Mathieu sprach in einem seiner Texte von analogen Entwicklungen in Kunst und Naturwissenschaften, da sich beide mit Konzepten des Raumes, der Materie, Gleichwertigkeit, Gravitationskraft, Unbegrenztheit, Kontradiktion, Wahrscheinlichkeit und Entropie auseinandersetzten.194 Wie äußern sich die neuen Sichtweisen in der Kunst Soshanas bzw. schimmern diese in ihren Arbeiten überhaupt durch? Ich finde schon, und nicht nur weil manche ihrer Bilder Titel wie Rocket (Abb. 55) oder Flying (Abb. 56) tragen. Der unbegrenzte, nach allen Seiten offene Raum spielt in Soshanas Werken eine tragende Rolle. Zwar ging sie nie soweit die Leinwände aufzuschlitzen, um den Raum durch die Ritzen ins Bild strömen zu lassen, dennoch gelang es ihr, den flachen Malgrund im Bild selbst als scheinbar unendliches Raumkontinuum anzulegen. Ihre Absicht war es, einen spannungsgeladenen Dialog zwischen Bildraum und Bildfläche auszufechten. Die mit Pinsel oder Spachtel gesetzten platten Grafismen, welche sich am Bildeingang in der Schwerelosigkeit tummeln, wirken der grenzenlosen Tiefe des Hintergrundes entgegen (Abb. 57, 58, 59). Und wenn Fontana für die zukünftigen Künste „leuchtende Formen, die sich durch den Raum bewegen“ 195 imaginierte, so mag Soshana in ihrer Malerei zumindest Entwürfe geliefert haben, die eine skizzenhafte Vorstellung von der möglichen Beschaffenheit, Menge, Form, Ausrichtung solcher sich im Raumflug durch die Dimensionen und Sphären befindlichen Teile hinterlassen.

Figur und Existenz Trotz der verstärkten Hinwendung zur Abstraktion ab 1952 löste sich Soshana niemals gänzlich vom Gegenstand. Das Einweben figurativer Versatzstücke ist ein Charakteristikum ihrer Malerei, 196 welches ich im Folgenden hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit den informellen Gestaltungsweisen untersuchen möchte.

193 Vgl. Zitat Antonio Sauras auf S. 40 vorliegenden Arbeit; Claus 1963, S. 119. 194 Westgeest 2002 verweist auf Mathieus Aufsatz L’Art et les sciences, siehe dies. S. 292. Eco 1993 führt diesbezüglich Mathieus Artikel D’Aristote á l’abstraction lyrique an, vgl. ders. S. 162. 195 Vgl. Zitat aus dem Technischen Manifest auf der vorhergehenden Seite. Ballo 1971, S. 231. 196 Vgl. dazu auch Kapitel 3.4. Vom Abheben: Surrealistische Tendenzen im Werk Soshanas , S. 63–72 sowie Kapitel 3.5. Vom Ausbrechen und vom Zerbrechen: Soshanas figurativ-narrative Malerei im Kontext persönlicher Geschichte/n , S. 72–86 in der vorliegenden Arbeit. 47 Soshanas Bedürfnis, von sich und ihrem Umfeld zu erzählen, entsprang dem „humanen Engagement“ 197 der Künstlerin, das Boeckl auf die sozialrealistische Prägung zurückgeführte. Die künstlerische „Sozialisierung“ in der realistischen Malerei erschwerte die Loslösung vom Gegenständlichen und lässt die figurativen Einbauten auf den ersten Blick als Rückgriff erscheinen. Allerdings schlossen die informellen Erscheinungen gegenständliche und figurative Infiltrationen keineswegs aus, wie anhand der Künstlergruppe CoBrA bereits kurz angerissen wurde. Asger Jorns (Abb. 60) und Karel Appels (Abb. 61) Bilder bezeugen dies beispielhaft. 198 In ihrer von Emotion und Improvisation getragenen Arbeitsweise konnte es unter Einsatz von kräftigen Farben in dickem Auftrag zur Deformierung figürlicher Motive kommen. Die Quellen ihrer Kunst des freien Ausdrucks bezogen sie aus der nordischen Mythologie, der Volkskunst sowie der Kunst von Kindern und psychisch erkrankten Personen, wie sie Jean Dubuffet Ende der 1940er Jahre in Paris mit seiner Art Brut populär gemacht hatte. 199 Soshana trat um 1959 über ihre persönliche Beziehung zu dem Künstler Pinot Gallizio in Kontakt mit Mitgliedern der CoBrA-Gruppe. In Bildern wie Prophet II. (Abb. 62), Prophet I. (Abb. 63), Head IV. (Abb. 64) könnte man einen fernen Nachhall dieser Begegnung vermuten. Sie spielen sowohl formal als auch inhaltlich mit den Leitgedanken von CoBrA: expressiv-gestische Handschrift, figurative Verzerrungen, ein mythischer Überbau scheint angedeutet. Obwohl sich das Kollektiv schon 1951 wieder aufgelöst hatte, blieben die Intentionen und Visionen der Bewegung, nämlich eine neue Kunst für das Volk zu schaffen, weit über die Zeitspanne ihres tatsächlichen Bestehens hinaus wirksam und mündeten zum Teil in den revolutionären Unternehmungen der Situationistischen Internationale. 200 Diesem 1957 in Italien gegründeten Zusammenschluss aus avantgardistischen Künstlern, Schriftstellern, Kritikern, Filmemachern gehörte auch der 1902 in Alba (Piemont) geborene und 1964 ebendort verstorbene Pinot Gallizio 201 an, mit dem Soshana ab 1959 mehrere Gemeinschaftsarbeiten realisierte, von denen sich zwei, Phoenix (Abb. 65) und Hurricane 202 im Besitz der Künstlerin bzw. ihres Sohnes befinden. Für die

197 Vgl. Boeckl 2010, S. 23. 198 Vgl. weiterführend Stokvis 1987. 199 Reißer/Wolf 2008, 82–84; ferner Martin 2005. 200 Vgl. Dempsey 2002, S. 193; Niggl 2007, S. 33–46. 201 Vgl. weiterführend Niggl 2007. 202 Vgl. Abbildung (Inv.-Nr. 00960) auf Website Soshana/Bilder/Paintings bzw. Datenbank Soshana/Paintings. 48 Situationisten war die künstlerische Tätigkeit immer auch ein politischer Akt. Indem sie künstliche Situationen konstruierten anstatt traditionelle Kunstobjekte zu schaffen, wollten sie die Kunst vor der Kommerzialisierung retten, welche aus den Werken teure Statussymbole zu machen drohte. 203 Aus dieser Motivation heraus schuf Pinot Gallizio seine „Pittura industriale“ – bis zu 145 Meter lange, mit unterschiedlichen Substanzen (z. B. Harzen, Industriefarben) bearbeitete Leinwände –, die er in großräumigen Settings installierte und vom laufenden Meter verkaufte, womit er sich über die Gepflogenheiten des Kunstmarktes hinwegsetzte.204 Fotografien aus dem Vorlass von Soshana belegen ihre Mitwirkung bei der Erstellung solcher Meterware (Abb. 66, 67). Trotz ihres malerischen Beitrags zu Gallizios Ausrollbildern scheint Soshana nirgends als Mitglied der Situationistischen Internationale auf, 205 noch zählte sie sich in ihren Äußerungen selbst je dazu. Die Überzeugungen und Strategien des Kollektivs müssen ihr aber zumindest ansatzweise vertraut gewesen sein. In den zahlreichen Briefen Gallizios an Soshana verlieh er nicht nur seiner Leidenschaft und Schwärmerei für die Malerin Ausdruck („tu m’a donner l’oxigène pour vivre“ 206 ), sondern brachte auch Ansichten über deren gemeinsame Arbeit („c’est pas si simple – le phénomène – Pinotsoshana | c’est pas répétible – tu comprend?!“207 ) und über die zeitgenössische Kunstszene zu Papier („l’école de Paris qui c’est [...] une vraie copisterie de toutes les idèes du monde“ 208 ), nannte Namen befreundeter Künstler (immer wieder Asger Jorn, Mitbegründer der Situationistischen Internationale: „Jorn il est mon frère – mon père – mon maître – mon dieu“ 209 ) und fütterte sie mit Informationen zu seinen Ausstellungen und sonstigen „situationistischen“ Aktivitäten („vient de paraître le manifeste de la peinture industrielle – le 1er numero a Soshana“ 210 ). Aber anders als in der gemeinsamen Zeit mit Beys Afroyim, in der sich Soshana von einem um etliche Jahre älteren Künstler in ihrem Ausdruck hatte beeinflussen lassen, bestimmte sie

203 Vgl. Dempsey 2002, S. 213–214. 204 Vgl. Abbildung in ebd., S. 214 bzw. diverse Abbildungen in Niggl 2007. 205 Soshanas Vorlass in der Österreichischen Nationalbibliothek beinhaltet den 1960 in Turin erschienen Ausstellungskatalog La Gibigianna di Pinot Gallizio (Galleria Notizie). Im hinteren, biografischen Teil des Katalogs ist ein Foto abgebildet, das Gallizio zusammen mit Soshana bei der Arbeit zeigt. Daneben ist Folgendes vermerkt: „1959 A Montparnasse, Rue de la Grand Gornier nasce la pittura a quattro mani.“ Soshanas Name ist nicht angeführt und findet auch im restlichen Buch keine Erwähnung. 206 Pinot Gallizio, Brief vom 1. 10. 1959 in: Datenbank Soshana/Letters, Inv.-Nr. 30299. 207 Pinot Gallizio, Brief vom 13. 10. 1959, in: Ebd., Inv.-Nr. 30303. 208 Pinot Gallizio, Brief vom 4.12.1963, in: Ebd., Inv.-Nr. 30410. 209 Pinot Gallizio, Brief vom 13. 10. 1959, in: Ebd., Inv.-Nr. 30303. 210 Pinot Gallizio, Brief undatiert, in: Ebd., Inv.-Nr. 30439. 49 nun selbstmächtig den Grad der Beteiligung. An einer totalen Vereinnahmung durch die Ideale der Situationisten war sie ihrem Werk nach zu urteilen nicht interessiert, sondern verfolgte ihren künstlerischen Weg unbeirrt weiter. Dieser verschränkte scheinbar unbekümmert und mühelos Abstraktes und Figürliches miteinander. Unter dem Schlagwort „Existenz“ wird ein vorerst letzter Erklärungsversuch für die Herkunft narrativer Versatzstücke und deren Vereinbarkeit mit den informellen Gestaltungszügen versucht. Es wurde bereits weiter vorne auf die Bedeutung des Philosophen Jean-Paul Sartre für die Kunst nach 1945 hingewiesen. 211 Sein Hauptwerk Das Sein und das Nichts ( L’Être et le Néant, 1943) begründete den französischen Existentialismus. 212 Die Umstände des Zweiten Weltkrieges trugen wesentlich zu dessen Herausbildung und Gestalt bei. Das intensive Bewusstsein der menschlichen Freiheit als Voraussetzung des eigenen Handelns und des eigenen Seins ist die Grundlage von Sartres Existenzphilosophie. „Das freie Sichentwerfen ist grundlegend, denn es ist mein Sein“, 213 zitierte Christoph Helferich den Denker im Rahmen seiner Geschichte der Philosophie . Wer sich seiner Freiheit bewusst ist, übernimmt die ganze Verantwortung für das eigene Tun, was auch eine ungeheuere Last darstellen kann, weil es dadurch unmöglich wird, sich in Ausreden zu flüchten. Sartre spitzte das zu in dem berühmten Satz: „Der Mensch ist verurteilt, frei zu sein.“ 214 Der Mensch existiert ohne Grund, es gibt keinen Gott, der die menschliche Natur festlegt – er ist also „nichts anderes als wozu er sich macht.“ 215 Die Erfahrung der Grundlosigkeit der Existenz und das Gefühl des „In-die-Welt-geworfen-Seins“ verarbeitete Sartre in Romanen und Erzählungen. Daneben ist sein literarisches Engagement für bildende Künstler wie den Einzelgänger Alberto Giacometti als auch den Informel-Pionier Wols hervorzuheben. 216 Gerade die Beziehung zu Letzterem und das Interesse für seine Malerei legt einen Bezug zwischen Sartres Denken und dem Gesamtphänomen Informel nahe. Sartres publizistische Aktivitäten und seine Umtriebigkeit in den

211 Siehe S. 32 in der vorliegenden Arbeit. 212 Helferich 1992, S. 405–407. 213 Zit. nach ebd., S. 406. 214 Ebd. 215 Ebd., S. 407. 216 Jean-Paul Sartre verfasste Texte zu Ausstellungen beider Künstler: La Recherche de l’absolu entstand 1948 für eine Giacometti Ausstellung in der Pierre Matisse Gallery in New York. Vgl. Morris 1993, S. 18f, 37. Im Essay Finger und Nicht-Finger befasste sich Sartre 1963 mit dem künstlerischen Schaffen von Wols anlässlich einer Ausstellung in Berlin. Außerdem ließ sich Sartre mindestens zwei seiner Schriften von Wols illustrieren: Visages (1948) mit vier Druckgraphiken und La Nausée (1949) mit drei Radierungen. Siehe Baus 2008, S. 21. 50 Zirkeln der zeitgenössischen Kunstszene dürfte die Verbreitung des Existentialismus innerhalb der Pariser Künstlergilde in jedem Fall begünstigt haben. 217 Wie aus Soshanas Biografie hervorgeht, war auch sie mit dem Philosophen persönlich bekannt (Abb. 68). In ihrem Werk I thought of Jean-Paul Sartre (Abb. 69) von 1960 mag man demnach eine Reaktion auf diese Begegnung bzw. einen Abglanz seines Denkens vermuten. Während ihres gesamten Schaffens setzte die Künstlerin immer wieder vereinzelte menschliche Silhouetten (Abb. 7-9, 70-72) und abgetrennte Köpfe im Zentrum ihrer Bilder (z. B. Abb. 74, 131, 132) aus. 218 Oft umgeben von schwarzem, wild durchkreuzten Gebälk scheinen sie, außer innere Befindlichkeiten seismographisch aufzuzeichnen, als Symbole für die pure und nackte Existenz, für das Sein an sich zu fungieren. Soshana rezipierte ein Menschenbild, das Sartre in seinen Schriften ausgebreitet hatte und das nicht zuletzt durch Alberto Giacomettis ausgezehrte Figuren (Abb. 73) in aller Munde war. In der Kombination mit den die damalige Kunst dominierenden abstrakt-gestischen Gestaltungsweisen traf die Künstlerin also ikonographisch wie stilistisch den Nerv der Zeit. Laut eigenen Aussagen verfolgte sie stets einen unverkrampften und offenen Zugang zur Art und Weise künstlerischer Produktivität: „Es kommt nicht darauf an, ob ein Gemälde im realistischen oder im abstrakten Stil gemalt wurde.“, erklärt sie, „Wichtig ist, dass die Bilder gut sind. Ich kombiniere beide Techniken in meiner Arbeit. Realismus und Abstraktion sind zwei Wege um die Welt mit unseren begrenzten Sinnen zu erfassen.“ 219 Dieser beinahe schon pragmatisch klingende Ansatz speiste sich aus ihrem lebenslangen Ringen um Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit, stets oberste Prinzipien ihrer Malerei. „Ich habe schon immer alleine gelernt“, bekräftigte sie einmal in einem Zeitungsinterview, „das wurde mir geraten und das war es, was ich schon immer machen wollte. Picasso hat mir dasselbe geraten. Er sagte: ‚Gehe in dich und nicht woanders hin. Wenn du Sachen, die du ausdrücken möchtest, in dir selbst findest, wirst du sie malen. Wenn nicht, kann es dir keiner beibringen.’.“ 220

217 Der Katalog Paris Post War. Art and Existentialism 1945-55 prüft die damalige Kunstproduktion auf seine existentialistischen Inhalte und versucht so eine Verdichtung zwischen diesen Erscheinungen. Vgl. Morris 1993. 218 Unter Die innere Unsicherheit in Kapitel 3.5. der vorliegenden Arbeit wird noch ausführlicher darauf eingehen, S. 82–86. 219 The Statesman 1957. 220 The Mainichi 1957. 51 Zusammenfassung Für die Pariser Periode lässt sich resümieren: Das maßgebliche Einwirken des informellen Massenphänomens auf Soshanas Schaffen schloss eine Hinwendung zu anderen künstlerischen Strömungen nicht aus. Am Beispiel der Situationistischen Internationale verkörpert durch Pinot Gallizio mit seiner zum Teil recht ablehnenden Haltung gegenüber der Ècole de Paris wurde dies deutlich. Zudem legten die Verweise auf Metzger und Fontana zeitgenössische Trends jenseits des Informel offen, die sich ansatzweise auch im Werkkorpus der Künstlerin nachweisen lassen. In ihrer Arbeit reflektierte Soshana aktuelle Ereignisse und Denkweisen und testete unterschiedliche, wenn auch weit weniger aktivistische Modi als etwa jene der beiden eben genannten Künstler aus. Schließlich machte sich die Bekanntschaft mit einzelnen Persönlichkeiten wie Jean-Paul Sartre und Alberto Giacometti, 221 der Ausnahmeerscheinung im Pariser Künstlerbezirk mit Langzeitwirkung, im Tun der Malerin bemerkbar. Ihre grundsätzliche Offenheit und Experimentierfreudigkeit ermöglichten es Soshana den Geist der Zeit in sich aufzunehmen und eigenständige künstlerische Lösungen zu generieren, wie anhand zahlreicher Werkbeispiele aufgezeigt werden konnte.

3.3. Vom Entdecken: Der Einfluss fernöstlicher Schrift- und Malkunst auf Soshana Wie bereits angedeutet weist Soshanas Malerei ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zunehmend einen kalligrafischen Duktus auf. Anfangs experimentierte sie vor allem auf Papier mit Tusche und Pinsel in mannigfaltiger Weise, bald griff die fernöstliche Attitüde aber auch auf die Ölbilder über. Damit reihte sich die Künstlerin in die westliche Tradition der Rezeption östlicher Kunst ein. 222 Gerade

221 Siehe dazu ausführlicher S. 83f. in der vorliegenden Arbeit. 222 Die individuellen Feinheiten der visuellen Medien (Kalligraphie und Malerei) in China und Japan und ihre landestypischen Ausprägungen können im Rahmen der Diplomarbeit nicht einmal annähernd erfasst werden. Ohne die japanische und chinesische Kunst über einen Kamm scheren zu wollen, ist es für meinen Zweck ausreichend, von einer ostasiatischen bzw. fernöstlichen Tradition im Allgemeinen auszugehen, auch weil aufgrund eines ähnlichen religiösen, philosophischen und weltanschaulichen Überbaus der beiden Kulturen gewisse gestalterische Prinzipien übereinstimmen. Gerade im Bereich der Kalligraphie, wo sich die gemalten Schriftzeichen im Chinesischen und Japanischen überwiegend entsprechen, fällt das besonders auf. Wenn also im Kapitel über die Schriftkunst vereinzelt von der chinesischen Kalligraphie die Rede sein wird, dies aber mit Beispielen aus Japan illustriert wird, soll das nicht weiter verwundern. Es geht hier nicht darum, die Differenzen in der Ausführung zwischen den beiden kulturellen Zirkeln aufzuzeigen, sondern vielmehr um ein grundsätzliches Verständnis der 52 informellen Künstlern, bei denen der gestalterische Fokus auf der Geste und dem Zeichen lagen, bot der kalligrafische Malakt eine viel versprechende Erweiterung ihres Darstellungsrepertoires. Auch dieses Kapitel konfrontiert das Werk Soshanas wieder mit bildlichen, mündlichen und schriftlichen Überlieferungen unterschiedlicher Provenienz. Es kommen Künstler, Wissenschaftler und Gelehrte aus dem Westen, aber auch aus dem ostasiatischen Kontext, zu Wort. In dem permanenten Dialog zwischen den Kulturen kristallisieren sich nicht nur Affinitäten, sondern eben auch die unüberbrückbaren Differenzen, wie sie den diversen Akteuren durchaus bewusst gewesen waren, heraus. So stellte der im fernöstlichen Ausdruck bewanderte André Masson schon am Beginn seiner Schrift Eine Malerei des Wesentlichen klar, dass zwischen der ostasiatischen und der europäischen Kunstpraxis ein Abgrund klaffe, denn: „Für sie ist es eine Weise, im universalen Leben aufzugehen, für uns eine Form des Resümees. Für den Asiaten eine vitale Entscheidung, für den Europäer eine ästhetische Stellungnahme.“ 223

Im Westen wie im Osten etwas Neues In den Jahren 1956 und 1957 bereiste Soshana China und Japan, wo sie sich im fernöstlichen Schrift- und Malduktus schulte und ihrem Werk dadurch neue Perspektiven eröffnete. Bei buddhistischen Mönchen im japanischen Kyoto erlernte sie die Technik der Kalligraphie und bei Malern in Hangzhou, Hauptstadt der Provinz Zehjiang, machte sie sich mit der chinesischen Tuschemalerei vertraut. Der erste Kontakt mit der ostasiatischen Kultur und Kunsttradition erfolgte aber schon früher: In ihrer Anfangszeit in Paris teilte sich Soshana das Atelier mit einem Künstler aus Japan. 224 Später bezog sie ein Studio gegenüber der Kunstakademie in der Rue de la Grande Chaumière, „welches sich im Erdgeschoß eines Hotels befand, das von so vielen japanischen Künstlern bewohnt war, dass es von den Franzosen ‚das japanische Haus’ genannt wurde“. 225 Ihr Portrait einer mit dem Kimono

kalligraphischen Praxis des Ostens beim Leser zu evozieren und deren Rezeption im Oeuvre Soshanas sichtbar zu machen. 223 Masson 2005, S. 222. 224 Soshana notierte dazu: „Dieses Atelier teilte ich mit einem japanischen Künstler namens Fujino und wir verbrachten viele Stunden dichtgedrängt an unserem jämmerlichen Zimmerofen, um uns zu wärmen, während wir dem Klopfen des Regens an den Fensterscheiben lauschten.“ Aus Soshanas unveröffentlichten Manuskripten, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek; zit. nach Al- Jaderi 2010, S. 28. 225 Ebd., S. 29. 53 bekleideten Japanerin (Abb. 29) sowie jenes des chinesischen Malers Walasse Ting 226 (Abb. 75), als auch die Fotografie (Abb. 76), welche sie mit dem befreundeten japanischen Künstler Tobashi 227 in ihrem Atelier zeigt, lassen zudem auf einen regen Austausch schließen, der offenbar nicht erst fernab des Pariser Domizils einsetzte. Dies belegen nicht zuletzt Soshanas Werke: Die ersten kalligraphischen Versuche (Abb. 77, 78) datieren bereits ins Jahr 1954, also noch vor ihre Asienreise, was ihre frühe Hingabe an den kalligraphischen Impetus beweist. Der Variantenreichtum in der Pinselführung sowie in der Intensität des Tuscheauftrags, deren Kenntnis das Fundament japanischer wie chinesischer Schrift- und Maltechniken bildet, ist bereits in diesen frühen Experimenten äußerst ausgeprägt. Die zahlreichen Künstler aus China und Japan, die ihre Heimat verließen, um in Paris Karriere zu machen, verstanden sich aber keineswegs als Botschafter der fernöstlichen Bildtradition, sondern suchten in erster Linie neue Anregungen in der Kunst des Westens. 228 Man kann annehmen, dass das Informel nicht nur wegen

226 Eine Monographie zum Künstler konnte ich im Rahmen meiner Recherchen nicht ausfindig machen. Auf zwei Internetseiten von Galerien, welche den Maler vertreten, finden sich Werkbeispiele sowie biographische Angaben zu Walasse Ting: Geboren 1929 in Shanghai, verließ er China im Jahr 1946, um sich 1952, nach einem längeren Aufenthalt in Hong Kong, in Paris niederzulassen, wo er mit Künstlern der CoBrA Bewegung sympathisierte. 1957 übersiedelte er nach New York und wurde dort vom Abstrakten Expressionismus und der Pop Art beeinflusst. Sein Stil ist durch eine feine und dynamische Lineatur gekennzeichnet, welche die meist knallig bunten Farbflächen voneinander trennt. Vor allem seine frühen Arbeiten weisen deutliche Affinitäten zur fernöstlichen Kalligraphie auf. Vgl. http://www.delaive.com/index.php?subpage=walasse_ting&page=walasse_ting05 (Juni 2010) und http://www.galeriebirch.com/artists/walasse-ting.html (Juni 2010). 227 Zu dem Künstler Tobashi, dessen Name aus den Bildunterschriften der Fotos auf der Datenbank hervorgeht, ergaben meine Recherchen keine weiteren Ergebnisse. Auf dem Foto im Anhang ist ein Ausstellungsplakat der Galerie Jacques Massol (Datum unleserlich) im Hintergrund abgebildet, das vier japanische Künstler auflistet, einer davon ist Tobashi. Vgl. auch Datenbank/Soshana/Photos, Inv.- Nr. 00457. 228 Jorinde Ebert (Ostasienexpertin und Dozentin an der Universität Wien) thematisierte in ihrer Einführung zur Vorlesung Chinesische Malerei der Moderne am Wiener Institut für Kunstgeschichte im Sommersemester 2007 den Einfluss der westlichen auf die chinesische Kunst am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und markierte damit die Voraussetzungen für die zeitgenössische Malerei Chinas. Im Zuge der „4. Mai Bewegung“ im Jahr 1919, als sich das Land gegen das alte Wertesystem des Imperialismus und Feudalismus zur Wehr setzte, geriet die traditionelle Literatenkunst zugunsten einer Orientierung an westlichen Kunstprinzipien ins Abseits. Das Kopieren alter chinesischer Meister, lange Zeit einzige Inspirationsquelle, wurde durch das Ideal der eigenen Kreativität ersetzt; die Tuschezeichnung, bis dahin als unübertrefflich eingestuft, verlor ihre hegemoniale Stellung und erhielt Konkurrenz durch Kohlezeichnung, Rötelstift, Skulptur und Ölmalerei. Chinesische Künstler strömten vermehrt in den Westen, vor allem nach Paris, um dort an den Akademien zu studieren. Diese Pioniere ließen sich von der Stimmung in der École de Paris beeindrucken und revolutionierten aufgrund der dort gesammelten Erfahrungen die Malerei in ihrem Heimatland. Mao Zedongs (1893- 1976) Kulturpolitik allerdings lähmte besonders nach 1949 diese progressiven Entwicklungen: Der Revolutionäre Realismus, eine Assemblage aus Sowjetischem Realismus und den ästhetischen Vorstellungen der chinesischen Volkskunst, wurde als zeitgemäße Kunstform propagiert und begründete in Folge eine „neue Tradition“ der chinesischen Kunst. Er war durchzogen von der kommunistischen Ideologie und diente der Partei und ihrem Führer hauptsächlich als 54 seiner Affinitäten zum kalligraphischen Duktus für die Künstler aus Asien attraktiv geworden war. Für die Chinesen, deren Land seit Ende der 1940er Jahre unter der rigiden und die individuellen Freiheiten beschneidenden kommunistischen Führung stand, als auch für die Japaner, denen der zweite Weltkrieg tiefe und schmerzhafte Wunden (Hiroshima und Nagasaki) zugefügt hatte, verkörperte das kulturelle Neuerwachen Europas nach 1945 zwar ein Wagnis, aber wahrscheinlich auch Ausweg und Befreiung aus zum Teil desperaten Verhältnissen. Im Westen angekommen, bot sich ihnen mit dem Informel eine Möglichkeit der unmittelbaren Artikulation und Kommunikation, welche auch anfänglichen sprachlichen Barrieren entgegengewirkt haben mag. Der Japaner Kumi Sugai und der aus China stammende Zao Wou-Ki zählten zu den erfolgreichsten unter den ausgewanderten Künstlern. 229 Die piktorale Bewegung hatte aber auch in Japan, das im Gegensatz zu China nicht unter totalitärer Vereinnahmung stand, Fuß gefasst und dort eine Anhängerschaft gefunden. Der im eigenen Land und über die Grenzen Japans hinaus bekannteste dem Informel zugewandte Künstler war Shiryu Morita, den bereits Michel Seuphor 1957 unter zahlreichen anderen besonders hervorhob.230 Auf großformatigen Blättern entwickelte Morita „ein äußerst bewegtes Zeichenvokabular des neuen, von jeder Lesbarkeit befreiten kalligraphischen Ausdrucks“. 231 In folgender Textpassage analysierte Morita die Parallelen zwischen Informel und Kalligraphie aus japanischer Perspektive: „In Europa geht die Kunst in eine ähnliche Richtung wie jetzt in Japan. Man sucht das Leben direkt auszudrücken, eine vitale Welt zu verwirklichen – was für uns eine Rückkehr zum Ursprung unseres Charakters ist, ist für den Europäer eine neue Kunst. Hier hat sich ein menschlicher Treffpunkt ergeben. Die Kunst der Zukunft muß einen Raum möglich machen, wo eine Existenz die andere, ein Geist den anderen trifft.“ 232 Nach dieser spotartigen Beleuchtung einzelner vom Westen geprägter Künstler aus Fernost und einer knappen Erläuterung der Hintergründe für deren Präsenz in Europa, soll die Untersuchung wieder in die umgekehrte Richtung gelenkt werden: auf

propagandistisches Instrumentarium. Erst Ende der 1970er Jahre, nach dem Tod Maos, öffnete sich das Land langsam wieder gen Westen. Zwar ist die realistische Malerei nach wie vor sehr dominant, allerdings von gesellschafts- und regimekritischen Inhalten durchzogen. Vgl. weiterführend auch Fibicher 2005. 229 Vgl. Baum 2003, S. 15g. Abbildungen zu Kumi Sugai siehe ebd., S. 270–273; Abbildungen zu Zao Wou-Ki siehe ebd., S. 304–307. 230 Vgl. Seuphor 1957, S. 84–86; Claus 1963, S. 102–107; Wedewer 2007, S. 214–217. 231 Claus 1963, S. 103. 232 Zit. nach Ebd., S. 107. 55 Soshana bzw. die Künstler des Informel und ihre Korrespondenz mit der (traditionellen) Kalligraphie und Malerei des Ostens.

Im Reich der Zeichen Die Inspirationsgeschichte der europäischen durch die ostasiatische Kunst weist eine lange Tradition auf. 233 Beginnend mit der Herstellung so genannter Chinoiserie im siebzehnten Jahrhundert übten japanische Holzschnitte – vor allem deren dynamische Lineatur – eine zunehmende Faszination auf Künstler des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts aus, wie Gemälde von Claude Monet, Edgar Degas, Henri Toulouse- Lautrec oder Vincent Van Gogh beweisen. Im Informel schließlich schien sich ein gesteigertes Interesse für die fernöstliche Lebensauffassung und Philosophie zu verwirklichen. Mark Tobey, ein Pionier des Abstrakten Expressionismus, lebte für mehrere Monate in einem Zen-Kloster, wo er die Techniken der fernöstlichen Schriftkultur erlernte. Trotzdem war er sich über die grundsätzlichen und unüberwindbaren Unterschiede der kulturellen Dispositionen im Klaren und wehrte sich gegen Kritiker, die ihm vorwarfen, sich als Orientalist und Nachahmer zu gebaren: „[...] als ich mich in Japan und China mit der Sumi-Tasche und dem Pinsel herumschlug in dem Bemühen, ihre Kalligraphie zu verstehen, wurde mir bewußt, daß ich nie etwas anderes sein würde als der westliche Mensch der ich bin. Aber ich erhielt von dort, was ich den kalligraphischen Impuls nenne, um mein Werk in neue Dimensionen zu treiben.“ 234 Was ist nun mit dem „kalligraphischen Impuls“ gemeint und wie äußerte sich dieser in den Bildern des Westens? Konzentration, Meditation, Leere, Zufall, Energie, Dynamik – das sind Schlagwörter zur Kennzeichnung des inspirativen Transfers von Ost nach West, wie sie von den Künstlern selbst in den Mund genommen wurden und in der Literatur nach wie vor als verbindende Elemente angeführt werden. 235 Es sind dies die Wesensmerkmale, welche den kalligraphischen Akt in China und Japan bedingen. Bevor der Pinsel das Papier berührt, versetzt sich der Schreiber in einen der Meditation verwandten geistigen Zustand, in dem der bewusste Denkprozess aufgehoben werden soll. Dieses „Herstellen der Leere“, eine aus dem Zen- Buddhismus kommende Praktik, dient der Konzentration und erhöht die Fähigkeit

233 Vgl. Müller-Yao 1985; Linsmann 1991, S. 108. 234 Zit. nach Claus, S. 91. 235 Vgl. Claus 1963, Götze 1987, Müller-Yao 1985 und 2002, Park 1989, Westgeest 2002, Wedewer 2002 und 2007. 56 des Erkennens, die es erlaubt vor und während des Schreibprozesses in Verbindung zu den dynamischen Kräften und Gesetzen des Universums zu treten. 236 Bei westlichen Künstlern fand diese dem Kunstschaffen vorgelagerte, meditative Haltung Zustimmung, wie folgendes Zitat André Massons verdeutlicht: „Im Gefolge der heiteren Kontemplation, die die Leere herbeiführt, kommt die Vision. [...] Der große Weg: reine Sammlung, vollkommene Versenkung vor dem Schaffen und während der Ausführung: ihr seid nicht mehr da. Oder, wenn es euch besser gefällt: euer Ich ist verweht durch den Wind des Kosmos.“ 237 Masson und andere Surrealisten praktizierten diese Hingabe in der écriture automatique, welche wie bereits mehrmals erwähnt auch eine Säule der informellen Kunst bildete. Im Unterschied zur unmittelbaren Automatik in Surrealismus und Informel gingen dem kalligraphischen Malakt jahrelange vertiefende Studien voran. Schon allein die Pinselhaltung und die unterschiedlichen Techniken der Pinselführung folgten strengen Regeln, erforderten akribische Vorbereitung und konzentrierte Übung, um eine völlige Vertrautheit mit den Schriftzeichen zu erreichen und deren perfekte Beherrschung zu gewährleisten. 238 Von Wang Xizhi (303-361 n. Chr.), dem Ahnherrn der chinesischen Kalligraphie, ist folgende Anleitung überliefert: „Derjenige nun, der schreiben will, reibe sich Tusche auf dem Tuschstein an, festige den Geist und stille die Gedanken. Er vergegenwärtige sich die Form der Schriftzeichen nach Größe, Lage, Richtung und Bewegung, so daß die ‚Sehnen’ und die ‚Adern’ in Verbindung stehen. Erst wenn der Gedanke dem Pinsel vorangeht, kann man schreiben.“ 239 Dennoch waren die Ideogramme weder Nachahmung noch Kopie. In deren Lineatur sickerte der individuelle Charakter des jeweiligen Schreibers durch (Abb. 79-81). „Die innere Ruhe ist der Ausgangspunkt für die Entäußerung der Persönlichkeit in der Ausführung der Kalligraphie selbst. Der kraftvolle Pinselstrich in einem Zug

236 Vgl. Park 1989, S. 108, 116. 237 Masson 2005, S. 223. 238 Marguerite Müller-Yao skizzierte einige grundlegende Methoden und Unterscheidungen innerhalb der chinesischen Kalligraphie. Sie verwies auf die Acht-Strich-Methode zum formvollendeten Schreiben eines Zeichens. Unter Anwendung der Ein-Strich-Methode entwickelt sich laut Müller-Yao sukzessive eine bildnerische Einheit aus den einzeln nacheinander gesetzten Strichen (Cheng 2004 benannte ein ähnliches Verfahren in der Malerei als Ein-Linien-Prinzip). Außerdem differenzierte Müller-Yao zwischen der symbolisch-zeichenhaften K’ai-Shu Schrift, die sie auch als Standardschrift bezeichnete, und der gestisch-prozessualen Ts’ao-Shu Schrift. Für die Pinselbewegung unterschied sie drei Grundbewegungen: die sog. Tun -Bewegung bewirke durch etwas stärkeren Druck und Umkehren der Pinselspitze eine etwas breitere Stelle am Anfang des Striches, die Ti -Bewegung kennzeichne das Abheben, welches eine Verdünnung bzw. spitzes Auslaufen der Linie bedinge, und die Na -Bewegung bewirke durch Aufdrücken der Spitze eine Verdickung am Ende der Linie. Vgl. dazu Müller-Yao 2002, S. 330–333. 239 Zit. nach Götze 1987, S. 11. 57 ohne Unterbrechung und ohne jede Möglichkeit nachträglicher Korrektur ist eben der ‚Siegelabdruck des Geistes’.“, erklärte Heinz Götze, profunder Kenner und Sammler ostasiatischer Schriftkunst. 240 Die dynamisierte, lebendige, elastische Linie spielt also eine wesentliche Rolle in der ostasiatischen Kunst, ist sie doch ihr wichtigstes Ausdrucksmittel. Durch sie hindurch schimmern die Eigenheit des Kalligraphen und dessen persönlicher Stil, „vor allem aber drücken sich in den vielfältigen Wandlungen der Pinsellinie äquivalent die Wandlungen und Bewegungen der Kräfte der (universalen) Natur aus, zu denen ja auch der Mensch gehört. Die Bewegungen und Wandlungen der Realitäten werden durch die Bewegung der Hand umgewandelt in die Bewegung der Linie.“ 241 Eingespannt im leeren Umraum verweist das Liniengeflecht über seine Semantik hinaus auf Zen-Philosophie und taoistisches Denken, worin die Wurzeln der kalligraphischen Ästhetik liegen. 242 Blickt man nun auf Werke westlicher Künstler wie zum Beispiel Jean Degottex (Abb. 82), Julius Bissier (Abb. 83) und im Speziellen auf das hier relevante Oeuvre Soshanas (Abb. 84-87), wird recht schnell klar, was Tobey seinerzeit mit dem Empfang des „kalligraphischen Impulses“ aus Fernost gemeint hatte. Dieser erschöpfte sich nämlich nicht nur in der Verwendung desselben Werkzeugs (Tusche, Pinsel, Papier). Man entdecke darüber hinaus, wie Müller-Yao resümierte, Ähnlichkeiten in der Handhabung des Pinsels (Heben und Senken, Drehen und Wenden), energetisch aufgeladene Linien in ruckartiger und schneller Niederschrift, wie von geschulten Kalligraphen ausgeführt sowie einen vergleichbaren zeichenhaften Charakter des Dargestellten. Weiters erkenne man in den Bildern des Westens ein den Kalligraphien verwandtes Streben nach Gleichgewicht und Harmonie von Bewusstem und Unbewussten, Plan und Zufall, Spontaneität und Kontrolle. Aber auch Affinitäten in der geistigen Grundhaltung sind denkbar: Das Andocken an die schöpferischen Kräfte des Universums bestimme laut Müller-Yao die Arbeitsweise der „kalligraphierenden“ Künstler des Informel. 243 In dem überlieferten Wortlaut Mark Tobeys klingt Ähnliches an: „Eine geistige Sammlung ist die Voraussetzung, von hier aus muß der Prozeß beginnen. Seelische Ausgeglichenheit ist ein weiteres Ideal. [...] Unmittelbarkeit des Geistes wird für uns

240 Götze 1987, S. 10. 241 Müller-Yao 2002, S. 329. 242 Ebd., S. 327. 243 Ebd., S. 336. 58 ein neuer Gesichtspunkt sein.“ 244 Und: „Laß die Natur die Führung in deiner Arbeit übernehmen.“ 245 Soshana beschrieb anlässlich ihrer Ausstellung 1957 im Kaiserpalast in Peking den „kalligraphischen Impuls“ in knapper und prägnanter Weise: „Meine Arbeit hat sich total verändert – ZEN – man versucht mit einem Strich alles zu sagen.“ 246 Diesen „einen Strich“ markierte also auch Soshana synchron zur fernöstlichen Usance als Transporteur geistiger und künstlerischer Energien und dementsprechend begegnet man ihm in ihren Papierarbeiten entweder solo über die Fläche tanzend (Abb. 84) oder in orchestraler Begleitung eine Liniensymphonie anstimmend. (Abb. 85) In beinahe unüberschaubarer Vielfalt und scheinbar nie versiegender Inventionskraft variierte Soshana den von Konzentration, Dynamik und Individualität gezeichneten Gestus des kalligraphischen Malaktes. Anhand zweier unbetitelter Blätter (Abb. 86, 87) soll ihre Herangehensweise veranschaulicht werden: Der in Tusche getauchte Pinsel huscht in zarten, durchschimmernden, fast transparenten Spuren über das Reispapier oder peitscht kräftig und in breiten Bahnen auf der Oberfläche hin und her. Wild und ungestüm kracht er auf die Unterlage, ballt sich dort zu einem Epizentrum zusammen, von wo aus er in alle Richtungen aussprengt, in Ekstase um sich greift und noch in seinen kleinsten Restpartikeln eine vitale Konversation mit dem ihm umgebenden, leeren Malgrund eingeht. Dabei wirkt das Ganze nie unkontrolliert, ziellos oder gar unschlüssig, sondern im Gegenteil äußerst komprimiert und bestimmt. Das Resultat sind eindrucksvolle und versierte Kompositionen mit zeichenhaftem Charakter, von denen Soshanas Oeuvre ab 1954, besonders aber seit 1956, einen großen Reichtum aufzuweisen hat. Die zahllosen Blätter funktionieren aus zweierlei Perspektiven: Im Osten als vertiefende Studien zu Pinselhaltung und Pinselführung, im Westen als eigenständige künstlerische Werke. Soshanas Beschäftigung mit der Kalligraphie des Ostens findet in Roland Barthes kulturphilosophischen Reflexionen am Beginn seines Essays über das japanische Zeichen überraschende Analogien: „Ein Traum: eine fremde (befremdliche) Sprache kennen und sie dennoch nicht verstehen: [...]; in einer neuen Sprache positiv gebrochen, die Unmöglichkeit der unsrigen erkennen; die Systematik des Unbegreifbaren erlernen; unsere ‚Wirklichkeit’ unter dem Einfluß anderer

244 Zit. nach Park 1989, S. 118. 245 Ebd., S. 119. 246 Christian Kircher zitierte Soshana mit diesen Worten in seiner Ansprache zu ihrem achtzigsten Geburtstag im Jahr 2007, nachzulesen auf Website Soshana/Texte. 59 Einteilungen, einer anderen Syntax auflösen; [...] mit einem Wort, ins Unübersetzbare hinabsteigen und dessen Erschütterung empfinden, ohne es je abzuschwächen, bis der ganze Okzident ins Wanken gerät [...].“ 247 Und Barthes weiter: „Die unbekannte Sprache, deren Atem, deren erregenden Hauch, mit einem Wort deren reine Bedeutung ich dennoch wahrnehme, schafft um mich her, im Maße wie ich mich fortbewege, einen leichten Taumel und zieht mich in ihre künstliche Leere hinein, die allein für mich existiert: Ich lebe in einem Zwischenraum, der frei von jeder vollen Bedeutung ist.“ 248

Dichte Leere Was für die Kalligraphie konstatiert wurde, gilt im Prinzip auch für die Tuschemalerei, da die beiden Künste in China und Japan eng miteinander verwandt sind. 249 „Schreiben und Malen haben verschiedene Namen, aber eine gemeinsame Form“, 250 zitierte Günther Debon den im neunten Jahrhundert lebenden Kalligraphen und Maler Zhang Yanyuan. Nicht nur das künstlerische Instrumentarium (Pinsel und Tusche auf Papier oder Seide) ist dasselbe, auch Technik und Ästhetik gleichen einander, und so halten sich der malerische Wert der Schrift und der graphische Wert der Malerei die Waage. 251 Am Beispiel des Bambus, dessen Darstellung im ostasiatischen Kontext Tradition hat, veranschaulichen sowohl Müller-Yao als auch Heinrich Götze das Naheverhältnis zwischen den beiden Künsten. 252 Das Ideogramm des Bambus setzt sich aus der stilisierten Darstellung zweier Bambuszweige zusammen, in seinem malerischen Abbild hallt stets die Symbolhaftigkeit des Schriftzeichens nach. 253 Der chinesische Maler Zhao Mengfu (1254-1322) kommentierte die gegenseitige Durchdringung wie folgt: „Das Malen von Bäumen ist, wie wenn man Siegelschrift schreiben würde. Will man Bambus malen, muss man die Regelschrift beherrschen. Wenn man das begreift, erkennt man, dass Schriftkunst und Malerei eigentlich gleich sind.“ 254 Auch Soshana übte sich im Malen des Bambus (Abb. 88) und schloss damit indirekt an die Jahrhunderte alte Tradition der fernöstlichen Literatenmalerei an. In intellektueller Konsequenz strebte

247 Barthes 1981, S. 17. 248 Ebd. S. 22. 249 Vgl. Götze 1987, S. 31–33; Lutz/Qi 1994, S. 72–74; Müller-Yao 2002, S. 335. 250 Debon 1978, S. 47. 251 Götze 1987, S. 32. 252 Ebd., Müller-Yao 2002, S. 335. 253 Vgl. Abbildungen in Götze 1987, S, 32. 254 Zit. nach Lutz/Qi 1994, S. 74. 60 diese nach einer künstlerischen Einheit von Schrift, Malerei und Poesie. 255 Die Gewandtheit in allen drei Künsten wurde in Ostasien von den Malern verlangt und führte zu einer Vermischung der Gattungen auf dem Papier. Häufig schmücken längere Aufschriften von Gedichten oder Kommentaren das Bild (Abb. 89). Bisweilen neigt man auch dazu, das komprimierte Gekritzel auf zahlreichen Blättern (Abb. 91, 92) Soshanas als einen abstrahierten dichterischen Entwurf zu lesen, der das Abbild anreichert oder sich in symbiotischen Verschleifungen um sich selbst windet und die Fläche in Eigenregie bespielt. Ähnlich wie für die Kalligraphie ist auch für die Malerei aus Fernost der Begriff der Leere von zentraler Bedeutung. François Cheng beschrieb in seiner 1991 erstmals erschienenen Studie Fülle und Leere. Die Sprache der chinesischen Malerei die Leere nicht als „etwas Vages oder Inexistentes, sondern [als] ein ausgesprochen dynamisches und aktives Element. Eng verbunden mit der Idee des Lebensatems und dem Prinzip des Wechselspiels von Yin und Yang, bildet die Leere den eigentlichen Schauplatz, an dem sich die Verwandlungen vollziehen; sie ist der Ort, wo die Fülle in die Lage versetzt wird, ihre wahrhaftige Bestimmung zu erreichen.“ 256 Ihre Signifikanz erschließt sich nicht zuletzt aus Zitaten der taoistischen Denker Laozi und Huainanzi, wie sie Cheng anführte: Laozi: „Der Zwischenraum von Himmel und Erde gleicht einem Blasebalg. Obgleich leer, bleibt er unerschöpflich; obschon bewegt, verlangt er nichts als zu atmen.“ 257 Huanzi: „Der Ursprung des Tao ist die Leere. Aus der Leere wird der Kosmos geboren, von dem der Lebensatem ausgeht.“ 258 In der chinesischen Tuschezeichnung schließlich findet das Prinzip der Leere als privilegiertes Zeichen seinen Gebrauch. Der nicht bemalte Raum ist durchzogen „von Atemzügen, die die sichtbare mit der unsichtbaren Welt verbinden.“ 259 Cheng sprach ferner von einer vermittelnden, aktiven Leere, welche auch die sichtbare Welt im Gemälde (z. B. Berge, Wasser, Wolken, Flüsse) ineinander übergehen lasse und dadurch einen Prozess der Verinnerlichung und Verwandlung ermögliche, „durch den jedes Ding das ihm jeweils Eigene und Andere verwirklicht und zur Ganzheit gelangt.“ 260 (Abb. 90)

255 Ebd., S. 72–74. 256 Cheng, 2004, S. 51–52. 257 Laozi zit. nach Ebd., S. 65. 258 Huainanzi zit. nach Ebd., S. 61. 259 Cheng 2004 S. 53. 260 Ebd, S. 54. 61 Eine profunde Kenntnis philosophischer Gedankenmodelle und ästhetischer Prinzipien des Ostens kann für den Großteil westlicher Künstler wohl ausgeschlossen werden. Dennoch scheinen sie in manchen Werken indirekt Wirksamkeit zu erlangen, was Soshanas chinesische Landschaften in Tusche (Abb. 93-95) eindrucksvoll belegen. Die Leere beherrscht das Abbild bzw. ist dessen fundamentaler Bestandteil. Die darin verstreuten Bildelemente verharren nicht ohne Zusammenhang nebeneinander, sondern sind durch kaum wahrnehmbare Pinselspuren – möglicherweise Relikte der vermittelnden, aktiven Leere – miteinander verbunden. Eine Bemerkung über die Tuschemalerei des berühmten, zu Beginn der Qing Dynastie (17.-19. Jahrhundert) lebenden Malers Shitao verdeutlicht im direkten Vergleich zu Soshanas Arbeiten noch einmal ihre in dieser künstlerischen Fertigkeit geschulte Hand: „An den Stellen, an denen die Bewegung des Pinsels am stärksten betont wird, muß man gleichsam mit abgehobener Hand über das Papier hinwegfliegen und jedwede Gewalt vermeiden; so wird alles, in den dichtesten wie in den flüssigsten Teilen, gleichermaßen immateriell und beseelt, leer und wunderbar.“ 261 Über ihre Erfahrungen berichtete Soshana: „My trip to China in 1957 left a lasting influence on my work.[...] I was taught the traditional Chinese painting technique on rice paper by an artist in Hangchow. When I returned to Paris I tried applying oils with a palette knife on canvas in a similar way and I continue to use this technique.” 262 Die ostasiatischen Errungenschaften beschränkten sich also keineswegs auf die Papierarbeiten, sondern griffen auch auf die großformatigen Leinwände über, wie in Chinese Inspiration (Abb. 96) beispielhaft vorgeführt werden kann. Vor leeren Sphären transformieren sich zeichenhafte, grafische Elemente zu spielerischen Farbphantasien, denen man in Abwandlungen im gesamten Schaffen der Künstlerin wieder begegnet. Angesichts solcher Malereien mag man sich an die von François Cheng zitierten Worte Laozis erinnert fühlen: „Leere ist Größe. Sie gleicht dem Vogel, der spontan zu singen anhebt und eins wird mit dem Universum.“ 263 Und André Masson, der sich bereits mehrfach als Interpret ostasiatischer Gedankenmodelle entpuppte, hätte in folgender Formulierung gut und gerne Laozis Worte im Kopf und Soshanas Bilder vor Augen haben können: „Der farbige Elan muß sich [mit] der Entdeckung neuer Chiffren verbinden: Zeichen,

261 Zit. nach Ebd., S. 157. 262 Soshana 1973, S. 146. 263 Zit. nach Cheng 2004, S. 65. 62 Ideogramme, die ein unvermutetes Bewusstsein des Menschen erwecken, der sein Universum erobert.“ 264

3.4. Vom Abheben: Surrealistische Tendenzen im Werk Soshanas Soshanas Werke lassen sich aber ebenso in Verbindung mit den surrealen Raumimaginationen von Malern wie Salvador Dalí, Max Ernst oder Yves Tanguy bringen. Der Surrealismus hatte seinen Höhepunkt Ende der 1950er Jahre zwar schon überschritten, war aber für zahllose Künstler entscheidende Vorstufe ihres informellen Schaffens gewesen. Hätte sich Soshana wie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen ebenfalls über diese Bewegung dem Informel angenähert, würde der eröffnende Befund nicht weiter befremden, hätte man doch sogleich eine Erklärung für derartig weitläufige und sphärische (T)Räume in Tanguy’scher Manier, wie sie ab 1958 vermehrt in Soshanas Gemälden (Abb. 99-101) auftauchen, parat. Aber wie sich aus ihrem Oeuvre erschließt und wie bereits Matthias Boeckl im Rahmen seiner Untersuchungen zu ihrem Frühwerk konstatierte, gelangte die Malerin eben nicht wie üblich vom Surrealismus zum Informel. 265 Im Gegenteil, ihre initiale künstlerische Prägung fand in einem Umfeld statt, welches sich sogar äußerst kritisch gegenüber den Surrealisten geäußert haben dürfte. Romy Golan berichtete, dass die surrealistischen Künstler im New Yorker Exil zum Teil heftigen Attacken seitens der linken Künstler- und Intellektuellenszene, der Beys Afroyim zweifellos zugerechnet werden kann, ausgesetzt waren, nicht zuletzt wegen ihres reibungslosen Sicheinfügens in das marktorientierte Dreiecksverhältnis zwischen Galerien, Museen und Sammlern.266 Mit der Aufnahme surrealer Settings ab den späten 1950er Jahren bewies Soshana also in gewissem Sinne auch ihre endgültige Emanzipation von dem einstigen Lehrer. Mittlerweile schöpfte sie aus einem reichen gestalterischen Fundus, der es ihr erlaubte Expressives, Informelles, Kalligraphisches, Figuratives und eben Surrealistisches problemlos miteinander zu kombinieren. Die möglichen Pfade, über welche Letzteres Eingang in die Kunst Soshanas gefunden hat, gilt es nun aufzuspüren.

264 Zit. nach Claus, S. 19. 265 Vgl. Boeckl 2010, S. 22–23, bzw. Kapitel 3.1. Vom Erwachen: Das frühe Werk in der vorliegenden Arbeit, S. 21–28. 266 Vgl. Golan 1997, S. 132–134. 63 Zwischen Gras und Wind 267 Die Literatur zur Künstlerin liefert nur spärliche bis gar keine Erklärungen über Soshanas surrealistische Tendenzen. Einige Anhaltspunkte diesbezüglich finden sich lediglich in dem Artikel von Christian Kloyber im Rahmen der kürzlich erschienen Soshana-Monographie. 268 Kloyber analysierte die Auswirkungen von Soshanas Mexiko-Reisen auf ihr Werk und brachte damit ganz neue Aspekte ihres Oeuvres ans Licht. Unter der Kapitelüberschrift Surrealistische Entdeckung schrieb er vom regen Interesse der Surrealisten an dem „exotischen Land“ und skizzierte die Anbahnung eines Brückenschlags „zwischen den Künstlerinnen und Künstlern Mexikos mit denjenigen der europäischen Avantgarde“, 269 ausgelöst durch die Einladung André Bretons vom mexikanischen Intellektuellen und Diplomaten Isidro Fabela im Jahr 1938. Letztlich, so Kloyber, wäre Breton die erste internationale Ausstellung des Surrealismus in Mexiko zu verdanken gewesen. Diese wurde vom österreichisch- mexikanischen Maler und Kunsttheoretiker Wolfgang Paalen und dem peruanischen Schriftsteller César Moro Ende 1939 in der Galería Arte Mexicano organisiert. Dieselbe Galerie versammelte zu Beginn des Jahres 1940 so illustre Namen wie Salvador Dalí, Marcel Duchamp, Max Ernst, Alberto Giacometti, Frida Kahlo, Pablo Picasso, Diego Rivera und Yves Tanguy unter ihrem Dach und wurde so zum Beweis „für die Überzeugung der Modernen Kunst gegen Faschismus und Rassismus“ 270 . Aufgrund der avantgardistischen Attraktivität Mexikos sei es kein Wunder, so Kloyber weiter, auch Soshana dort anzutreffen: „[...] kein Weg der zeitgenössischen Kunst, der nicht auch nach Mexiko führte“. 271 Er stellte der Künstlerin die ebenfalls aus Europa emigrierten Surrealistinnen Remedios Varo (Spanien) und Alice Rahon (Frankreich) als im künstlerischen Ausdruck verwandte Malerinnen zur Seite. Obwohl vom Autor nirgends explizit behauptet, könnte man als Leser mutmaßen, Soshanas Auseinandersetzung mit dem Surrealismus habe in Mexiko eingesetzt. Der Ausstellungskritiker der Schweizer Tageszeitung Die Tat kam in der Ausgabe vom 29. Mai 1963 zu einem ähnlichen Schluss: „Süd- und Mittelamerika inspirieren [Soshana] zu surrealistischen Phantasien brünstiger Glut

267 Deutsche Übersetzung des Bildtitels von Yves Tanguys Werk Entre L’herbe et le vent von 1934. Vgl. Maur 2000, S. 77. 268 Vgl. Kloyber 2010, S. 220–228. 269 Klovber 2010, S. 222. 270 Ebd., S. 223. 271 Ebd. 64 und finsterer Nacht.“, heißt es dort. 272 Soshana hatte im Jahr 1960 erstmals weite Teile Süd- und Zentralamerikas bereist, was sich in Werken wie zum Beispiel Mexican Inspiration (Abb. 99) niederschlug. Darin prangt ein abstrahiertes Gesicht – die Deutung als Maske scheint aufgrund des Vergleichs mit dem sehr ähnlichen, 1964 entstandenen Gemälde Mexican Mask273 nahe liegend – vor einem sphärischen Bildraum. Anhand rätselhafter Sujets in Form figurativer und gegenständlicher Einsprengsel, die sich häufig vor unendliche Perspektiven (Abb. 97) oder ortlosen Weiten (Abb. 98) positionieren, verschlüsselten die Surrealisten ihre Bildwelten. So manche traumhafte Sequenz Soshanas lehnt sich an deren Bildvokabular an. Neben Masken und Köpfen betreten mitunter isolierte Figuren, die meist an der zentralen Bildvertikalen ausgerichtet sind, den Schauplatz. Im Mittelgrund platziert, fungieren sie als Verbindungsglieder zur hinteren Bildebene, entbehren selbst aber jeglichen Volumens und bleiben halluzinierte Fragmente.274 Soshana verwies bezüglich deren Herkunft des Öfteren auf den Surrealismus, was folgende Zeilen aus ihrer ersten Künstlerinnenmonographie beispielhaft belegen: „Since I have been strongly influenced by Surrealism, the images I see and develop, with the help of a palette knife, consist mainly of animals, faces and figures in the midst of fantasy landscapes.” 275 Stilistisch aber blieben ihre Motive dem expressiv-gestischen Modus verpflichtet. Allein die Behandlung des Malgrundes weist surrealistische Qualitäten auf: Im Unterschied zum pastosen Farbauftrag von früher, der die Flächigkeit der Tableaux unterstrich (Abb. 32, 35, 43), trug Soshana ab den späten 1950er Jahren, etwa in Bird over Japan (Abb. 101) oder Destiny IX (Abb. 100), die Öllasur dünn und sehr gleichmäßig auf die Bildträger auf, ganz ähnlich wie Yves Tanguy in La Toilette de l’air (Abb. 98). Die graduelle Aufhellung bzw. Abdunkelung der Farbskala bewirkt in beiden Fällen die „dynamische Anziehung des Betrachters in die Tiefe des Bildraumes“. 276 Die fließenden Übergänge deuten dabei durchaus eine Scheidung der Sphären in Oben und Unten, Himmel und Erde an. Irgendwo in weiter Ferne glaubt man eine feine Horizontlinie mit den Blicken zu ertasten, dort „...Wo sich berühren

272 Die Tat 1963. 273 Vgl. Abbildung (Inv.-Nr. 00121) auf Website Soshana/Bilder bzw. Datenbank Soshana/Paintings. 274 Zur Interpretation dieser Motive siehe auch Figur und Existenz in Kapitel 3.2. sowie Die innere Unsicherheit in Kapitel 3.5. in der vorliegenden Arbeit. 275 Soshana 1973, S. 147. 276 Maur, S. 78. 65 Raum und Zeit | Am Kreuzpunkt der Unendlichkeit [...]“ 277 . Aber trotz der greifbaren Affinität zu Tanguys Bildsprache offenbaren sich die Unterschiede im direkten Vergleich ohne Umschweife. Während sich seine biomorphen Organismen sukzessive in den Bildraum hinein ausbreiten und sich in ihrem Schattenwurf die Räumlichkeit jedes einzelnen Objekts ankündigt, spielt sich das Geschehen bei Soshana meist unmittelbar an der vorderen Bildgrenze ab. Rhythmisierte Spachtelschwünge positionieren sich sehr prominent am Bildeingang und erwecken manchmal sogar den Eindruck, diesen vor unerwünschten Zugriffen von außen abschirmen zu wollen. So entsteht eine Ambivalenz zwischen extremer Nähe und undefinierbarer Distanz. Durch diese Gegenüberstellung von illusioniertem, nach allen Seiten offenen Tiefenraum und flachen, zweidimensionalen Grafismen im Vordergrund wird die besondere Spannung in diesen Darstellungen bewerkstelligt. Die Vermutung, Soshana habe sich in Mexiko zum ersten Mal mit den surrealistischen Gestaltungsweisen auseinander gesetzt, reicht meines Erachtens nicht aus, um ihre ausgereiften Lösungen ab 1960, dem Zeitpunkt ihrer ersten Mexikoreise, zu erklären. Wie anhand einzelner Werkbeispiele aufgezeigt werden konnte und in der Gesamtbetrachtung ihres Oeuvres278 noch deutlicher wird, häuften sich ab 1958 ähnlich fluktuierende Farbräume wie jene Tanguys bzw. die anderer Surrealisten in der Malerei Soshanas. Das Bild Flowers with Seashell (Abb. 102) ist sogar schon auf 1955 datiert. Eine verstärkte Hinwendung zum Surrealismus hätte demnach spätestens in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre erfolgen müssen. Der damalige Lebensmittelpunkt Soshanas war Paris, einstige Wiege der surrealistischen Bewegung, 279 welche zwar an Strahlkraft verloren aber sicher nicht alles von ihrem einstigen Glanz eingebüßt hatte. So waren die surrealistischen Techniken ja bekanntlich in das Informel eingeflossen und auch die Ideen der Surrealisten wurden von Zusammenschlüssen wie etwa der Situationistischen Internationale weiter getragen. Dies sind ausreichende Argumente, um im Falle unserer Künstlerin von einer Beschäftigung mit dem Surrealismus vor der ersten Mexikoreise auszugehen, wie ich finde. Im folgenden Kapitel werden die Wurzeln für Soshanas surrealistische Anwandlungen sogar noch früher angesiedelt.

277 Zwei Verse aus der letzten Strophe des Gedichtes Wo sich berühren Raum und Zeit... von Mascha Kaléko, Vgl. Kaléko 1998, S. 13. 278 Siehe dafür Website Soshana/Bilder bzw. Datenbank Soshana/Paintings sowie Bäumer/Schueller 2010. 279 Das erste Surrealistische Manifest von André Breton erschien 1924 in Paris. Die erste Ausstellung der Surrealisten fand 1925 in der Galerie Pierre in Paris statt. Vgl. Partsch 2008, S. 54–57; 235f. 66 Then and Now: Von Edgar Jené zu Monika Baer und Maja Vukoje Die Überschrift spannt einen weiten, vielleicht auch etwas gewagten zeitlichen Bogen, an dessen Enden sich die genannten Künstlernamen positionieren: Edgar Jené – ein vehementer Verfechter des Surrealismus, der ab Mitte der 1940er Jahre maßgeblich für dessen Verbreitung in Wien verantwortlich zeichnete – auf der einen Seite; Monika Baer und Maja Vukoje – beides Künstlerinnen, deren medienreflexive Malereien der Gegenwart aus der postmodernen und postkolonialen Diskursivität und Theorienbildung erwachsen sind – auf der anderen Seite. Die Konfrontation von Soshanas Werkkorpus mit dem Edgar Jenés fügt der Forschung einen neuen Aspekt hinzu, 280 im Dialog mit den zeitgenössischen Malweisen der Jungen offenbart das Bildverständnis der Älteren eine überraschende Aktualität. Die Literatur zu Edgar Jené, die mir zur Verfügung stand, befindet sich fast ausschließlich in der Bibliothek des Belvedere und beschränkt sich auf wenige dünne Ausstellungskataloge, eine Monographie und zwei Bände, von denen sich einer seinen Gouachen, der andere seinen Zeichnungen widmet. 281 Das ist auch ein Indiz dafür, dass dieser, insgesamt fast fünfzehn Jahre lang in Wien aktive Künstler, beinahe in Vergessenheit geraten ist. Monika Bugs hat sich in den vergangenen Jahren des Malers verstärkt angenommen. 282 Im Rahmen der Ausstellung des Belvedere über den Phantastischen Realismus im Jahr 2008 wurde Jené schließlich als Pionier des Surrealismus in Wien wieder entdeckt. 283 Edgar Jené, 1904 in Saarbrücken geboren, studierte in München und Paris und emigrierte aufgrund seiner von den Nazis als entartet eingestuften Kunst 1935 nach Wien. 284 1938, nach dem Anschluss Österreichs, floh er in die Schweiz, nach Italien und Jugoslawien, entging aber der Einberufung in die Wehrmacht nicht und landete als Übersetzer für Französisch im Kriegsgefangenenlager Gneixendorf in der Wachau. Die dort erlebten Grausamkeiten verarbeitete er in zahlreichen seiner

280 Den Verweis auf Edgar Jené verdanke ich Franz Smola (Kurator im Leopoldmuseum), der sich, im Zuge meines Impulsreferats zu Soshana im Rahmen des Privatissimum bei Prof. Martina Pippal im Juni 2009 am Wiener Institut für Kunstgeschichte, an Malereien Jenés erinnert fühlte. 281 Vgl. Jené 1954; Jené 1964; Költzsch 1984; Jené 1988; Jené 1989. 282 Bugs 1994; Bugs 2008, S. 45–53; Auf der Website von Monika Bugs finden sich die Biographie Edgar Jenés, Literaturangaben, Abbildungen sowie Aktuelles (Ausstellungen, weiterführende Links) zum Künstler, siehe http://www.monika-bugs.de/jene-aktuelles.htm (Juli 2010). 283 Bugs 2008, S. 45–53. Als solchen würdigte ihn bereits Johann Muschik in seinem 1974 erschienen Buch Die Wiener Schule des Phantastischen Realismus . Vgl. Muschik 1974, S. 13f. 284 Die hier angeführten Informationen zu Edgar Jené entstammen aus den oben zitierten Büchern, hauptsächlich aber aus Bugs 2008, S. 45–53. 67 Bilder. 285 Seit dem Frühjahr 1930 fühlte er sich zum Surrealismus berufen, „seit jenem für ihn denkwürdigen Tag, an dem er das zweite surrealistische Manifest entdeckte und die Collagen von Max Ernst, ‚La Femme 100 têtes’. Und er ist ‚Surrealist’ sofort und mit vollem Herzen.“ 286 Diesem fast mythischen Erweckungserlebnis folgten nach 1945 Jenés „militante“ Versuche der Installierung einer surrealistischen Bewegung in Wien. Jené war Bildredakteur der von Otto Basil zwischen 1945 und 1948 herausgegebenen Zeitschrift Plan, in der auch einige seiner Bilder (Abb. 104-107), Texte und Zeichnungen veröffentlicht wurden, er war Aushängeschild der surrealistischen Gruppe im Art Club 287 , organisierte nach seinem Austritt aus dieser avantgardistischen Künstlervereinigung im Jahr 1948 die erste Surrealistische Ausstellung in Wien gemeinsam mit Arnulf Neuwirth in der Galerie Agathon und lud regelmäßig junge Studierende der Akademie – Schüler des befreundeten Albert Paris Gütersloh – in sein Atelier am Althanplatz ein, wo diese sich aus seiner mit surrealistischen Schriften reichhaltig bestückten Bibliothek bedienen konnten. Ernst Fuchs, einer dieser jungen Hoffnungsträger Jenés, erinnerte sich: „Ebenso trafen wir uns im Atelier des saarländischen Surrealisten Edgar Jené, der während des Krieges und einige Jahre über den Krieg hinaus in Wien wohnhaft war. Er besaß eine nahezu vollkommene Bibliothek aller surrealistischen Veröffentlichungen, die in Paris vor dem Krieg erschienen waren. Durch ihn, der korrespondierendes Mitglied der surrealistischen Gesellschaft in Paris war und der sich gerne als persönlichen Freund André Bretons bezeichnete, lernten wir nach und nach im Laufe der Jahre 1946/47 alles kennen, was der Surrealismus vor dem Krieg herausgebracht hat.“ 288 Das heftige Werben für das von André Breton in dessen Manifesten proklamierte surrealistische Denken und Tun stieß innerhalb der Wiener Kunstszene zwar auf reges Interesse, Jenés Versuch, eine Surrealisten-Gemeinschaft nach Pariser Vorbild aufzubauen, scheiterte jedoch. 1950 übersiedelte der Künstler schließlich nach Paris. Dennoch war Jené, und darin liegt seine maßgebliche Bedeutung für Österreich, ein Pionier des Surrealismus in diesem Land und gemeinsam mit dem befreundeten Künstler und Professor an der Wiener Akademie

285 Vgl. zum Beispiel das Bild Die Gefangenen , abgebildet in Bugs 2008, S. 46. 286 Költzsch 1984, S. 33. 287 Der Art Club war eine Künstlervereinigung, die in Wien offiziell von 1947 bis 1959 bestand und deren Präsident Albert Paris Gütersloh war. Vgl. dazu Ausführungen in Kapitel 3.6. Verortung von Soshanas Malerei innerhalb der österreichischen Moderne in der vorliegenden Arbeit, S. 88f. 288 Zit. nach Muschik 1974, S. 12. 68 der Bildenden Künste, Albert Paris Gütersloh, geistiger Vater des Phantastischen Realismus 289 . Soshana studierte 1952 für kurze Zeit an der Akademie unter anderem auch bei Gütersloh, bevor sie noch im selben Jahr dem Wiener Kunstbetrieb den Rücken kehrte und nach Paris übersiedelte. Das kurze Intermezzo in ihrer Geburtsstadt (von 1950 bis 1952) reichte aber mit Sicherheit aus, um der surrealistisch-phantastischen Tendenzen im Wien der frühen 1950er Jahre gewahr zu werden. Edgar Jené, der sich damals schon nicht mehr in Wien aufhielt, übte höchstens noch indirekten Einfluss aus, zum Beispiel durch die von ihm und Max Hölzer 1950 und 1954 herausgegebenen Surrealistischen Publikationen , in denen surrealistische Texte erstmals ins Deutsche übersetzt wurden. 290 Weiters ist die Kenntnis einiger seiner Werke im Gütersloh-Umkreis durchaus denkbar. Zwischen 1954 und 1960 stellte Jené regelmäßig in der Galerie Fürstenberg in Paris aus. 291 Gut möglich, dass Soshana dort Gemälde, Gouachen oder Zeichnungen des Künstlers im Original zu Gesicht bekam. Vergleichbar im Oeuvre beider Künstler ist das Einschleusen figurativer Fragmente in unauslotbaren, sich magisch in die Tiefe erstreckende Malgründe. Der Kopf Gütersloh’s bei Jené (Abb. 104) und jener Giacomettis bei Soshana (Abb. 103) ähneln sich insofern, als dass die beiden körperlosen Häupter wie schemenhafte Erinnerungen in einem zeitlosen, unbestimmten Raum zu baumeln scheinen. Während aber Jené das Antlitz realistisch und in altmeisterlicher Manier modellierte, bündelte Soshana die expressiven Pinselstriche nach und nach zu einer abstrahierten Giacometti-Fasson. Sieht man sich Gouachen von Jené an, trifft man zum Teil auf eine Ähnlichkeiten in der Auffassung und Ausführung des Hintergrunds bei beiden Künstlern: in sich changierende Farbschlieren durchziehen die Bildoberflächen jeweils in einem Zug von links nach rechts (Abb. 106, 107). Hierfür finden wir bei Soshana unzählige Pendants, bis hinein in die 1990er Jahre (z. B. Abb. 58, 99, 108). Der Verweis auf Edgar Jené und dessen Wirkung auf die österreichische Kunstlandschaft der Nachkriegszeit gibt also Anlass dazu, Soshanas surrealistische Initiation noch vor ihre Pariser Zeit anzusiedeln. Da sich in ihren Werken aber erst ab 1958 deutliche Spuren davon abzeichnen, wäre dieses Potenzial bis dahin ungenutzt geblieben. Wie ist das zu erklären? Die in Paris zur Zeit ihres Umzugs

289 Vgl. Muschik 1974; Husslein-Arco 2008. 290 Bugs 2008, S. 50f. 291 Siehe Jené 1954 sowie Biographie in: http://www.monika-bugs.de/jene-aktuelles.htm (Juli 2010). 69 aufgeflammten neuen Malweisen forderten eine rasche Aneignung. Selbst Jené konnte, in Paris angekommen, dem Sog des Informel nicht entgehen und wurde 1957 als „figurativer Tachist“ eingeordnet. 292 Nach dem Erwerb der informellen Techniken und möglicherweise auch beflügelt durch die ostasiatischen Errungenschaften, in welchen sich eine dem Surrealismus verwandte Methodik wie Raumauffassung zeigt, besann sich unsere Künstlerin, so scheint es fast, surrealistischer Kompositionen und fügte ihrem Werk diese weitere Färbung hinzu. Gemeinsamkeiten mit Soshanas surrealistischen Arbeiten glaube ich in den Malereien der beiden Gegenwartskünstlerinnen Monika Baer und Maja Vukoje zu erkennen. In ihnen vernehme ich – neben den beherrschenden zeitgenössischen Fragestellungen, die hier nicht ausführlicher erörtert werden können – einen fernen Nachhall der traumhaft-magischen Szenarien aus Bildern Edgar Jenés und Soshanas. Freilich bleibt festzuhalten, dass deren Bildmaße nicht ansatzweise mit den monumentalen Werken von Baer und Vukoje mithalten können. Bei Monika Baer schieben sich in ähnlicher Art und Weise figurative Elemente vor atmosphärische Malgründe (Abb. 109, 110). Kuratoren nehmen in ihnen Reminiszenzen an die Romantik sowie die Malerei der 1950er Jahre (Abstrakter Expressionismus bzw. Informel) wahr, 293 Sabeth Buchmann schreibt ihnen gar die Funktion einer „geschlechterpolitischen Denaturalisierung von Kunst (im allgemeinen) und Malerei (im besonderen)“ zu. 294 In der Analyse Hans-Jürgen Hafners von Baers Vampir (hier die ähnliche Abb. 109) im Katalog der 2007 zum zwölften Mal ausgetragenen Documenta klingen Parallelen zu Soshanas Gestaltungsweisen an, wenn er schreibt das Bild dürfe „als Austragungsfeld für verschiedene Mittel und Rhetoriken – wie Figur und Gestus, handwerkliche Penibilität und Spontanes, konzeptuelle und arbiträre Lösungen – gesehen werden.“ 295 Monika Baers Kombinationen von maskenhaften, untot-starren Gesichtern (deren detaillierte Modellierung an Jenés Gütersloh-Portrait erinnert) mit Spuren aktionistischer Gestik und energischem Pinselstrich vor Räumen „vernebelter, unwirklicher Entrücktheit und magischer Entfremdung“ 296 finden meines Erachtens in Soshanas Bildarrangements einen Vorläufer (Abb. 103, 111, 112).

292 Jené 1989, S. 16. 293 Vgl. Text von Ralf Christofori in Baer 2005, S. 57–60; Stadler 2008, S. 7–19. 294 Buchmann in Baer 2005, S. 9–25. 295 Hafner 2007, S. 216. 296 Baer 2005, S. 7. 70 Eine Aura des Unheimlichen, wie sie der Malerei Monika Baers anhaftet, umgibt auch die schemenhaften Gestalten auf den großformatigen Leinwänden Maja Vukojes (Abb. 113, 114). Angeblich orientiere sich die ehemalige Lassnig-Studentin in ihren Arbeiten an Filmstills, Illustrationen und Comic Strips, so Stella Rollig. 297 Auch ein Hang zum Theatralischen sowie Phantastischen und Bezüge zur Literatur Dostojewskis sollen ihre Inszenierungen aufweisen. 298 Maja Vukojes gespenstische Silhouetten werden von den sie umgebenden Landschaften durchdrungen, welche durch ihre malerische Ausführung charakterisiert sind. Melanie Ohnemus beschrieb Vukojes Szenerien in dem Ausstellungskatalog der Secession sehr treffend, weshalb ich sie hier auszugsweise zitiere: „So erscheinen diese Landschaften, die man kaum im herkömmlichen Sinne Orte nennen mag, in einer augenfällig verfremdeten Farbgebung. Flächige Texturen, die durchscheinend wirken, lassen ein Spiel zwischen Vorder- und Hintergrund entstehen. Lichtflecken, Ästegewirr, die gleichzeitig Farbkleckse, Tropfen, Schlieren auf der Leinwand sind, tauchen aus dem ‚bunten Nebel’ auf und verorten die Szenerien in traumähnlichen [...] Landschaften. [...] Die Welt in Vukojes Bildern ist eine zeitlose, eine, die sich auf sich selbst zurückgezogen hat. Leichthin könnte man diese Welt als eine imaginierte, traumähnliche bezeichnen, in der natürliche Gesetze aufgehoben sind.“ Dieser Auszug lässt bereits erahnen, wo ich die Analogien zu Soshanas Bildsprache sehe. Soshana operiert ähnlich wie Vukoje, wenn es darum geht, „dass sie als Malerin in vollem Maße die Qualitäten der Malerei zugunsten der Darstellung ihrer fantastischen Bilder ausschöpft.“ 299 Mit „Qualitäten der Malerei“ meinte Ohnemus wohl das spannungsgeladene Ineinandergreifen von illusionierter Tiefe und flächiger Textur, selbstreflexiver Geste und torsohafter Narration und nicht zuletzt eine psychedelische Farbigkeit, worauf wir auch in Bildern Soshanas treffen. (Abb. 47, 115, 116) Ohnemus behauptet im Bezug auf Vukoje, dass erst die Entschlüsselung dieser Simultaneität – von Form und Bilderzählung – ein Verständnis des Bildes beim Betrachter bewirke bzw. eben überhaupt eine spezielle Qualität der Malerei darstelle. 300 In dieser simultanen Rhetorik erkenne ich eine Verbindung zur Kunst Soshanas.

297 Vgl. http://www.martinjanda.at/index.php?cms=kuenstler&info=more_24&details=kurztext_ 24&kID=24 (Juli 2010) 298 http://www.secession.at/art/2006_vukoje_d.html (Juli 2010). 299 Ohnemus 2006, S. 64. 300 Vgl. Ebd., S. 63. 71 Soshana experimentierte ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre, wie wir wissen, mit den damals neuen Prinzipien des Prozessualen, Zufalls, All-Overs, der Expansion, scheute sich aber nicht davor, diese mit narrativ-figurativen Motiven in expressiver Manier zu verschränken und verpasste dem Ganzen eine surreale Patina. Es entstanden eigenwillige Lösungen, die anhand der Vergleiche mit Baer und Vukoje als durchaus zukunftsträchtig eingestuft werden könnten. Diese beiden jungen Künstlerinnen nutzen heute neben zahlreichen anderen wie selbstverständlich den „technisch-historischen Apparat der Bilderzeugung“ 301 und stellen im pointierten Zitieren und flexiblen Arrangieren seine Qualitäten wie auch sein Erneuerungspotenzial zur Schau.

3.5. Vom Ausbrechen und vom Zerbrechen: Soshanas figurativ-narrative Malerei im Kontext persönlicher Geschichte/n Auf die figurativen Versatzstücke in Soshanas Gemälden wurde schon mehrfach hingewiesen und ihr Stellenwert innerhalb gestisch-abstrakter Kulissen und phantastischer Landschaften skizziert. So wurde etwa das in Einsamkeit ausharrende und zwischen bedrohliches Gebälk geklemmte Menschenbild als Reflex auf den Existentialismus gelesen. Soshana selbst rückte einst ihre vereinzelten Figuren, wie auch die körperlosen Köpfe und Masken, in die Nähe surrealistischer Bildmetaphern. Die Signifikanz dieser Sujets ergibt sich aus deren ständigen Wiederkehr und Variation im Oeuvre der Künstlerin, weshalb es meines Erachtens eine gesonderte, zusammenfassende Betrachtung verdient. Im Zuge dieser Fokussierung offenbaren sich am Ende dieses Abschnittes neue kunsthistorische Bezüge. Es zeigt sich außerdem, dass die Bildmotive zum Teil mit Soshanas persönlicher Historie überflochten sind. „To me painting is like writing a diary”, 302 so lautet dann auch eine viel zitierte Sichtweise der Künstlerin, welche eine weitere Facette ihrer Malerei erklärt. Zahlreiche ihrer Aquarelle und Gouachen bilden Gebirgszüge und Wüstenlandschaften, verträumte Strandszenen und dörfliche Idyllen in bunten Farben und beinahe naiver Verspieltheit ab (Abb. 123-127 ). Pittoresken Postkarten gleich

301 Hafner 2007, S. 216. 302 Soshana 1973, S. 6. 72 kommentieren die narrativen Bildfindungen das Leben fremder Kulturen aus subjektiven Blickpunkten und bewahren freudige Erinnerungen für die Zukunft. Auslöser und Inspiration dafür war Soshanas exzessive und unermüdliche Reisetätigkeit, welche sie im Laufe ihres Lebens mehrmals um den Globus führte. Als Kosmopolitin, Weltensammlerin oder peintre voyageur wurde sie bezeichnet und ihre Geschichte/n begeisterte/n mindestens in demselben Maße wie ihr künstlerisches Schaffen. Diese Geschichten sind nicht nur von Soshana selbst und mittlerweile auch von ihrem Sohn Amos mündlich überliefert worden, sondern auch in zahlreichen Tagebüchern, Manuskripten und Typoskripten festgehalten. Bevor ich einige wichtige Reisedestinationen im Leben Soshanas rekapituliere und deren mögliche Auswirkungen auf die Bilderwelten der Malerin beschreibe, möchte ich kurz auf die schriftlichen Aufzeichnungen zu sprechen kommen, aus denen bereits vereinzelt zitiert wurde.

Schwarz auf Weiß – autobiographische Skizzen Die Österreichische Nationalbibliothek erwarb im Jahr 2009 den gesamten Vorlass der Künstlerin, der dort nach Fertigstellen der Bestandaufnahme und Katalogisierung öffentlich zugänglich sein wird. 303 Mehrere Archivschachteln sind gefüllt mit schriftlichen Aufzeichnungen wie Tagebüchern, Manuskripten, Typoskripten, transkribierten Interviews sowie mit Briefen, persönlichen Dokumenten und Fotomaterial, Ausstellungskritiken, Einladungskarten und so fort (Abb. 117). Seit den 1940er Jahren notierte Soshana ihre Gedanken, Erlebnisse und Erinnerungen in kleinformatigen handlichen Büchern, Heften, Notizblöcken oder auf losen Blättern. Diese Aufzeichnungen bildeten wohl auch die Grundlage für zwei Buchprojekte Anfang der 1980er Jahre, welche zwar nie realisiert wurden, aber durch maschinenschriftliche Skripten und Briefe gut dokumentiert sind. 304 In vertraglich

303 An dieser Stelle möchte ich Dr. Andreas Fingernagel (Direktor der Sammlung von Handschriften und alten Drucken der Österreichischen Nationalbibliothek) und Afnan Al-Jaderi (sie bearbeitet Soshanas Vorlass) für deren Entgegenkommen und die Möglichkeit der frühzeitigen Einsicht in sämtliche Unterlagen herzlich danken. Die folgenden Ausführungen gründen darauf. 304 An Typoskripten finden sich im Soshana-Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek außerdem: Eine unbetitelte, undatierte und über 500 Seiten dicke maschinenschriftliche Vorlage gefüllt mit Soshanas Lebensbeschreibungen, die wahrscheinlich in Zusammenhang mit dem Buchprojekt, das sie gemeinsam mit Toby Falk plante, entstanden ist. Das Typoskript Soshana – Around the World without money and without preconceived ideas wurde schon 1963 verfasst ohne die Nennung von Co-Autoren. Aus dem Jahr 1967 stammt das Drehbuch für ihr Filmprojekt Silvia , das ebenfalls autobiographische Züge aufweist. Eine Szene daraus wurde unter dem Titel Love and Death in Zusammenarbeit mit Edgardo de Habicher ausgearbeitet. Der kurze, undatierte, ebenfalls maschinenschriftliche Text How to make use of and control results obtained by accident hingegen 73 vereinbarter Kooperation mit Lucy Freeman entstand 1981 der Entwurf für einen autobiographischen Roman mit dem Titel The Girl who said No to Picasso . Zusammen mit Toby Falk konzipierte die Künstlerin 1983 ein umfassendes Buch, das neben der eigenen künstlerischen Entwicklung auch den Verlauf der Kunstgeschichte von den Ägyptern bis in die Gegenwart darlegen sollte, wie aus der detaillierten Inhaltsangabe zu entnehmen ist. Als Arbeitstitel, unter dem das Projekt auch im Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek gelistet ist, fungierte die Überschrift Hand to Mouth – A Self Portrait in Color . Von den geplanten Kapiteln wurden allerdings nur zwei schriftlich ausgeführt: Montparnasse, An Artist’s Workshop und Memories of Picasso: The View from Valouris [sic!] 305 . Die Beispielkapitel, die in verschiedenen, leicht abgeänderten Versionen vorliegen, wurden in der Ich-Perspektive verfasst und erzählen in einer schlichten, schnörkellosen Sprache Episoden aus Soshanas Leben, von ihrer Malerei, von ihren Bekanntschaften und Liebschaften sowie von ihren Abenteuern auf Reisen. 306 Gleichzeitig mischen sich kritische Bemerkungen zur zeitgenössischen Kunstszene darunter. Mehrmals klingt ihre ablehnende Haltung gegenüber dem damaligen Kunstmarkt durch. Vor allem dem neuen Kunstzentrum New York stand die Malerin, obwohl sie lange Zeit (von 1974 bis 1985) selbst dort lebte und arbeitete, äußerst skeptisch gegenüber. 307 Lieber schwelgte sie in Erinnerungen an Paris und seine zahlreichen Künstler, die sie dort kennen und schätzen gelernt hatte. Immer wieder verwies sie auf die etablierten Kunstproduzenten im Paris der 1950er Jahre (darunter Jean-Paul Riopelle, Georges Mathieu, Hans Hartung, Yves Klein) und verortete sich dadurch selbstmächtig in der Tradition der informellen Malerei. Ihr Interesse galt aber beispielsweise auch dem Werk des französischen Symbolisten Odilon Redon verfolgt einen wissenschaftlichen Anspruch, indem er Einflüsse auf Soshanas Werk benennt (China, Surrealismus, indische Philosophie usw.), ihre Technik beschreibt, Beispielbilder angibt und ein knappes Literaturverzeichnis anführt. Wie bereits aus den Titeln hervorgeht, wurden alle diese Texte in Englisch verfasst. Die Tagebücher wechseln zwischen Englisch und Deutsch. 305 Die richtige Schreibweise lautet Vallauris. 306 Die Beispielkapitel wurden laut Amos Schueller nicht von Soshana selbst, sondern von Toby Falk bzw. Lucy Freeman schriftlich ausgeführt. In Absprache mit der Künstlerin dürften die Autoren ihre Notizen, mündliche Erzählungen und briefliche Anweisungen zu Texten zusammengefasst und ihr dann zur Durchsicht übermittelt haben. Diverse handschriftlich angefügte Korrekturen und Anmerkungen weisen darauf hin, dass Soshana die Textproduktion kontrolliert und ergänzt hat. 307 „We both [Soshana und die befreundete Künstlerin Hanna Eschel] wanted to continue our careers as they had been in Paris, but were afraid that the vicious atmosphere of New York would either devour us or turn us into hungry, clawing animals”, oder „The dirt and traffic and rushing from one place to another in New York can sap an artist of vital inner energy. It can rob your desire to create, to paint, to be part of the world.” Vgl. Soshana/Falk 1983, Montparnasse, An Artist’s Workshop in: Hand to Mouth – A Self Portrait in Color , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 4 und 5. 74 (1840-1916, Abb. 134) sowie Vertretern anderer zeitgenössischer Strömungen, wie etwa den von ihr erwähnten Op-Art Künstlern Yacoov Agam (geboren 1928) und Frank Malina (1912-1981). Darüber hinaus betonte sie die Signifikanz Chinas (Kalligraphie), Indiens (Philosophie) und Mexikos (Farben, Landschaften) für die Entwicklung ihrer Malerei. Mit Nachdruck berief sich Soshana auf Brancusi, Picasso und Giacometti – ihre Väter im Geiste. 308 Die ausschweifenden Erinnerungen an die gemeinsamen Stunden mit Picasso und die Worte, welche der berühmte Künstler einst an sie gerichtet hatte, wurden mehrmals ausformuliert und zum Teil von der Malerin instrumentalisiert: als Beweis für ihr künstlerisches Talent 309 sowie als möglicher Auslöser für die Veränderung im Erscheinungsbild ihrer Kunst nach 1953, dem Jahr des ersten Zusammentreffens mit Picasso im Salon de Mai in Paris. 310 Die wiederholte Berufung auf die wohlwollende Akzeptanz ihrer Person durch die international anerkannten Autoritäten könnte ihr gewissermaßen als Bestätigung für die Qualität ihres Oeuvres gedient haben, was sie in Folge auch als weibliche Künstlerin legitimiert hätte. Am damaligen Kunstmarkt als Frau zu reüssieren war nämlich kein Leichtes, was Soshana ihren Texten und Tagebüchern nach zu urteilen nicht nur finanziell, sondern auch persönlich sehr belastete. 311 Kein Wunder also, dass sie anhand spannungsgeladener Geschichten versuchte, einen regelrechten Mythos um ihr Wesen aufzubauen, wie der geplante Buchtitel The Girl who said No to Picasso exemplarisch veranschaulicht. Einerseits ist er ein Plädoyer für Autonomie und eine kluge Taktik die Aufmerksamkeit mittels der Nennung eines der bedeutendsten Namen der Kunstgeschichte auf das eigene Werk zu lenken,

308 Allen dreien wäre in dem von Soshana und Toby Falk geplanten Buch ein eigenes Kapitel gewidmet worden, wie aus dessen Inhaltsverzeichnis hervorgeht. 309 „Soshana – Je trouve qu’elle a du talent.“ Diese Notiz Picassos und das Portrait, welches der Künstler von Soshana angefertigt hatte, wurden und werden im Zusammenhang mit der Künstlerin immer wieder zitiert und abgebildet (Abb. 3). Vgl. auch Soshana 1973, S. 4–5; Bäumer/Schueller 2010, S. 55; diverse Ausstellungskataloge sowie Artikel und Texte auf der Datenbank und Website Soshanas. 310 „You’re out of date, you’re not modern“, soll Picasso zu Soshana bei ihrem Besuch in Vallauris gesagt haben, nachdem sie ihm eine kurz vorher von ihr angefertigte Ölskizze gezeigt hatte. Auf die Frage, wie sie ihre künstlerische Karriere vorantreiben sollte, riet er ihr angeblich: „See a lot of exhibitions, work a lot and drink a lot of coffee.“ Vgl. Soshana/Falk 1983, Memories of Picasso...The View from Valouris , in: Hand to Mouth – A Self Portrait in Color , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 3. 311 „But to succeed as a female artist was far from easy. The owner of the Galerie de France told me in no uncertain terms that they did not like to take woman artists on contract, it was considered too risky. A woman could get married, have children and abandon her career. Twenty years of publicity and a long-term financial investment in a female artist would be ruined over-night. Since this did not apply in my case, I felt the discrimination against women all the more.” Vgl. Soshana/Falk 1983, Montparnasse, An Artist’s Workshop , in: Hand to Mouth – A Self Portrait in Color , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 40. 75 andererseits installiert er Picasso als unangefochtene Größe und degradiert die Künstlerin selbst zum „Girl“. Laut ihren Tagebüchern haderte sie ihr Leben lang mit der Entscheidung für die Künstlerlaufbahn und wünschte sich an manchen Stellen ein Leben als Hausfrau und Mutter von vier Kindern. Andernorts bedauerte sie vehement die Einladung Picassos, bei ihm zu leben, ausgeschlagen zu haben. Viel Weitsicht bewies Soshana in einem anderen von ihr initiierten Projekt: Zwischen 1970 und 1980 führte sie über fünfzig Interviews mit zahlreichen Akteuren der damaligen Kunstszene (Künstler, Galeristen und Museumsleuten). Diese Gespräche sollten ebenfalls in die mit Falk konzipierte Publikation einfließen. Auf einer Liste (Abb. 118) sind alle Interviewpartner, teilweise mit Angaben zu deren Tätigkeit und Herkunft, verzeichnet. Die noch erhaltenen Tonbandaufnahmen sowie dreißig maschinenschriftliche Transkriptionen liegen im Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Ohne mich im Detail damit befasst zu haben, scheinen alle ähnlich zu funktionieren. Es existiert kein vorgefertigter Fragenkatalog. Die Gesprächspartnerinnen und -partner gaben in einem ungezwungenen Ton Persönliches preis und sinnierten gemeinsam mit Soshana über die Kunstentwicklung der vergangen Jahrzehnte (das Hauptaugenmerk liegt auf dem Verschieben des Kunstzentrums von Paris nach New York in den 1960er Jahren). In ihrer Eigenschaft als zeitgeschichtliche Dokumente vermitteln die Interviews dem Leser realpolitische Geschehnisse und gesellschaftliche wie künstlerische Entwicklungen jener Jahre, und das nicht nur in Europa, sondern weltweit. Ein Künstler aus China beispielsweise wollte aufgrund seiner kritischen Äußerungen zur restriktiven Kunstpolitik der Kommunistischen Partei und der Befürchtung, diese könnten, wenn sie publik würden, negative Folgen für ihn haben, anonym bleiben. Weshalb nun aber dieser Exkurs in die publizistischen respektive literarischen Aktivitäten der Künstlerin, und warum an dieser Stelle? Erst zu einem relativ späten Zeitpunkt meiner Arbeit nahm ich Einsicht in Soshanas Vorlass und war sehr überrascht von der Menge an schriftlichem Material, das ich in der Österreichischen Nationalbibliothek vorfand. Ein Großteil der betippten oder beschriebenen Blätter kreist um ihre Person – eine immer wieder aufgerollte Geschichte, denn ab Mitte der 1990er Jahre begann Soshana erneut Episoden aus ihrem Leben in Notizblöcken festzuhalten. Es dominieren darin dieselben Erinnerungen und Erlebnisse wie schon in den Aufzeichnungen vergangener Jahrzehnte, so dass unweigerlich der Eindruck entsteht, Soshana habe nicht bloß für sich, sondern für einen möglichen Rezipienten

76 geschrieben. In den oben angeführten Skripten war dies zweifellos der Fall. Auch wenn die Textentwürfe für die zwei geplanten Bücher nicht aus ihrer Hand stammen, lassen sie deutlich ihre „Federführung“ erkennen: Das episodenhafte Schildern der erlebten Geschichte/n, das Abwechseln von intimen Details mit der Beschreibung von fremden Orten und Kulturen durchzogen mit Bemerkungen zur Kunst scheint in ihren frühen Tagebüchern bereits vorweggenommen. Im Laufe der vertiefenden Lektüre von Soshanas autobiographischen Skizzen glaubte ich verwandte Strategien zu ihren visuellen Niederschlägen zu erkennen. So spiegelt sich meines Erachtens ihre Erzählleidenschaft in gewissen Zügen ihrer Malerei wider. Deren narrativ-figurativer Aspekt, den sie trotz Bekenntnis zur abstrakt-gestischen Kunst niemals gänzlich abwarf, verkörpert das malerische Pendent zum Geschriebenen bzw. ist möglicherweise ein Derivat ihres Mitteilungsbedürfnisses (Soshana: „To me painting is like writing a diary.“). Besonders deutlich wird das hinsichtlich ihrer zahlreichen Reisen, die sie nicht nur schriftlich kommentiert, sondern auch bildlich dokumentiert hatte. Außerdem ähnelt die Betonung und Wiederholung gewisser Lebensstadien dem Wiederkehren der immer gleichen Sujets in ihren Bildern. Und nicht zuletzt gleichen Interesse und Routiniertheit, mit welchen sie ihren Interviewpartnern begegnete, denen einer geübten Portraitistin, was sie ja auch war. A Self Portrait in Color sollte, wie schon oben angeführt, der Titel ihrer Memoiren lauten. Auch andere schriftliche Formulierungen deuten darauf hin, dass für Soshana Schreiben, Erzählen und Malen einander verwandt sind und dieselben Intentionen mit unterschiedlichen Mitteln verfolgen. Zeilen Lucy Freemans unterstützen diese Vermutung: „She will paint a vivid picture as she takes the reader from country to country. She will describe both the beauties and the horrors – the elaborate tempels and castels, the vast deserts and jungels, the striking sunset, but also the poverty, the slavery and the explotation of woman.” 312 Thematisch gibt es also auffallende Übereinstimmungen zwischen den schriftlichen Erzählungen und den Bildern Soshanas. Die verschiedenen Texte als integralen Bestandteil ihres künstlerischen Oeuvres zu definieren würde aber zu weit führen, da sie niemals direkt mit den Bildwerken interagieren bzw. keine werkerweiternde Funktion

312 Soshana/Freeman 1981, The Girl who said No to Picasso , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 3. 77 erfüllen. 313 Dennoch sollten sie als eine Ergänzung ihrer Kernkompetenz, der Malerei, Beachtung finden. Gewiss wäre auch eine Auseinandersetzung mit Soshanas lebensgeschichtlichen Erzählungen aus der Perspektive der Biographieforschung aufschlussreich. Die Sozialwissenschaft begreift unter biografischer Forschung alle Forschungsansätze- und wege, „die als Datengrundlage Lebensgeschichten haben, also Darstellungen der Lebensführung und Lebenserfahrung aus dem Blickwinkel desjenigen, der sein Leben lebt.“ 314 Populärste Methode dieses, auch in anderen Disziplinen (Volkskunde, Kulturwissenschaft, Geschichtswissenschaft etc.) verfolgten Ansatzes ist das narrative Interview. Daneben sind auch Tagebücher sowie sämtliche schriftliche Dokumente der betreffenden Person von Relevanz. Die Differenz zwischen tatsächlicher, erlebter und erzählter Lebensgeschichte ist ein von der Forschung erkanntes Phänomen. Jede Lebensschilderung kann als Interpretation ihrer Selbst verstanden werden, da sie nicht die historische Wahrheit wiedergibt, sondern die Geschichten und Vorstellungen, welche zum Zeitpunkt des Geschehens wahrgenommen wurden, zu einem anderen Zeitpunkt rekonstruiert. 315 „Geschichten, das wären die zur Sprache gewordenen Begegnungen mit der Welt, formieren die Gedächtnisse nach ihrer Logik“ 316 und sind deshalb, wie Verena Lageder schrieb, eher mit Illustrationen vergleichbar denn als historische Beweisstücke begreifbar. Es wäre sicherlich spannend Soshanas Berichte nach diesen Gesichtspunkten zu untersuchen, doch liegt das außerhalb der Zielsetzung meiner Arbeit.

Ein Bummel um die Welt „The World was her canvas“ 317 – dieser Ausspruch offenbart die beiden großen Leidenschaften im Leben Soshanas: Das Reisen und das Malen. Als Kind habe sie einmal von ihrer Tante ein Buch mit dem Titel Ein Bummel um die Welt geschenkt bekommen und ab jenem Zeitpunkt habe sie gewusst, was sie in ihrem Leben

313 Einige Werke aus der jüngsten Vergangenheit reicherte die Künstlerin mit gemaltem Text bzw. Wörtern an, die wie Hilferufen anmuten (Abb. 144). Siehe auch I want to die I . (Inv.-Nr. 01600) und I want to die II. (Inv.-Nr. 01647) auf Website Soshana/Bilder bzw. Datenbank Soshana/Paintings. 314 Fuchs-Heinritz 2009, S. 9. 315 Vgl. Lageder 2006, S. 31. 316 Utz Jeggle zit. nach Lageder 2006, S. 34. 317 Soshana/Freeman 1981, The Girl who said No to Picasso , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 3. 78 machen wolle, so Soshana in einem ihrer Typoskripte. 318 Die Selbstverständlichkeit, mit welcher die allein stehende Frau bereits vor über fünfzig Jahren um die Welt reiste, erstaunt noch heute. Soshanas Offenheit und ihr Talent sich schnell an ungewohnte Gegebenheiten anzupassen, bescherten der Globetrotterin neue Bekanntschaften in den entlegensten Gegenden. So berichtete der Pariser Kunstkritiker Michel Georges-Michel 1969: „Wo ich Soshana das erste Mal traf? In über zweitausend Meter Höhe, auf dem östlichen Hang des Himalayagebirges, zwischen Nepal und Pakistan, in einem kleinen Zug, der sich [...] seinen Weg nach Darjeeling bahnte.“ 319 (Abb. 123) Indien war neben Mexiko eines ihrer beliebtesten Reiseziele. Beide Länder hinterließen bei Soshana einen tiefen Eindruck sowie markante Spuren in ihrem künstlerischen Werk. In den Tagebüchern und Skripten wurde sie nicht müde davon zu berichten. Sie war fasziniert von den Lehren des Vedanta, einem philosophischen System, das sich in der Periode des klassischen Hinduismus (500 v. – 1100 n. Chr.) formte und dessen Tradition bis in die Gegenwart reicht. 320 „According to Vedanta’s philosophy, the material world, as we think we see it, does not really exist. The only thing that exists is conscioussness and the body; thoughts and matter are only objects of the consciousness. This philosophy affected both my thinking and work to a very great extend, making the material world seem unreal to me [...] all is an illusion.” 321 , liest man in einem von Soshanas Skripten zu den Lehren des Vedanta, die sie in zahlreichen Ashrams und bei diversen Gurus studiert hatte. Ihr ausgeprägtes Interesse für die indische Philosophie beruhte auch auf der persönlichen Bekanntschaft mit Sarvepalli Radhakrishnan und Soshanas Verehrung für den bedeutenden Religionsphilosophen und späteren Präsidenten Indiens (1962–1967). 322 Der über Jahrzehnte (von 1952 bis 1970) bestehende Briefwechsel zwischen Radhakrishnan und der Künstlerin ist Ausdruck und Beweis der gegenseitigen Wertschätzung. 323 Das Geschick, mit den Eliten eines Landes in Kontakt zu treten und ihnen selbstbewusst zu begegnen, verdankte sie zu einem

318 „On[c]e my aunt Emma visited us in Vienna and she brought me the book ‘Ein Bummel um die Welt’, and I decided then that this ist what I really wanted to do in life.” Aus einem unbetitelten, über 500 Seiten dicken Typoskript über Soshanas Leben, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek. 319 Schueller 2006, S. 33. 320 Vgl. Viehbeck 2008, S. 516. 321 Vgl. Soshana (undatiert), How to make use of and control results obtained by accident , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 6f. 322 Radhakrishnans (1888–1975) zweibändiges Standardwerk über indische Philosophie erschien erstmals 1923. Vgl. Radhakrishnan 1999. 323 Vgl. zahlreiche Briefe auf der Datenbank Soshana/Letters. 79 gewissen Teil sicher noch der gemeinsamen Zeit mit Beys Afroyim, als die beiden aufgrund ihrer Tätigkeit als Portraitmaler ständig in gehobenen Kreisen verkehrten. Die Schulung im Portraitieren kam Soshana nicht nur bei Radhakrishnan zu Gute (Abb. 119), sondern verhalf ihr auch zu einem Auftrag in Sikkim, wo sie das dortige Königspaar malte (Abb. 121, 122). In Lambaréné, Hauptort der Provinz Moyen- Ogooué im afrikanischen Gabun, besuchte sie im Jahr 1959 Albert Schweitzer, den sie laut Angaben in ihrer Biographie ebenfalls portraitierte.324 Von der chinesischen Regierung wurde sie schon 1957 eingeladen eine Ausstellung in Peking auszurichten, was durch Fotos (Abb. 120) und Zeitungsberichte in der Datenbank sowie durch ihre schriftlichen Notizen dokumentiert ist. 325 Man könnte also durchaus behaupten, die Künstlerin habe im Zuge ihrer Reisen ein erfolgreiches Selbstmanagement entwickelt, wie es den Kunstschaffenden heutzutage in einschlägigen Handbüchern empfohlen wird. 326 Selbstdarstellung und Selbst-PR, Branding, Corporate-Identity-Management und Marketing-Management, Networking und Selbstorganisation sind nur einige der Schlagwörter, welche dort als zusätzliches Know-How zur gewinnbringenden Ausübung des Künstlerberufs angeführt werden. Ohne sich um die Praxistauglichkeit solch vermarktungsstrategischer Instrumente zu kümmern, verstand es Soshana intuitiv, ein unverwechselbares Image zu kreieren und ihre „unique selling proposition“ glaubhaft zu transportieren. Das Ausstellungsportfolio 327 der Künstlerin liest sich dann auch wie der Meilensteinplan eines kosmopolitischen Projekts, welches sich für Unabhängigkeit und Grenzen überwindende Mobilität engagierte. 328 Eine der Lieblingsdestinationen Soshanas war Mexiko, wohin sie 1960, im Zuge einer Reise durch Süd- und Mittelamerika zum ersten Mal aufbrach. Längere Aufenthalte ab dem Jahr 1964 waren die Folge. Christian Kloyber wies in dem schon mehrmals erwähnten Artikel auf die Bedeutung Mexikos für die zeitgenössische Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts hin und untersuchte davon ausgehend Soshanas

324 Das Portrait ist nicht mehr im Besitz der Künstlerin und auch sonst nicht durch Abbildungen oder Fotografien dokumentiert, wohl aber das Zusammentreffen mit Albert Schweitzer in Lambaréné. Vgl. Datenbank Soshana/Photos, Inv.-Nr. 00460-00464. 325 Vgl. Datenbank Soshana/Photos und Press (verschiedene Artikel aus dem Jahr 1957 erwähnen ihren Aufenthalt und die Ausstellung in Peking). Siehe auch diverse Stellen in Tagebüchern und Typoskripten, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek. 326 Weinhold 2005. 327 Vgl. Website Soshana/Ausstellungen. 328 Eine vollständige Ausstellungsliste findet sich auf Website Soshana/Ausstellungen. 80 Beziehung zu diesem Land. 329 Mexiko übte aufgrund seiner geografischen Lage und seines revolutionären Potenzials bzw. seiner Proteste gegen den Faschismus in Europa eine große Anziehungskraft auf zahlreiche von dort vertriebene Künstler und Intellektuelle aus. „Mexiko galt als Metapher für den tropischen Raum des biografischen Experiments und für den zerbrochenen Spiegel, in dem sich die alte Welt wiederzuerkennen suchte, fragmentarisch, sehnsuchtsvoll, zerstört.“, so Kloyber. 330 Er verdichtete sämtliche Hinweise, die das reichhaltige Werk und Archiv Soshanas in Bezug auf Mexiko bereithält (Soshanas Wohnorte in Mexiko, Briefe, Interviews mit mexikanischen Künstlern, Bildsujets) zu einer straffen aber prägnanten Analyse und zählte die Künstlerin, in Folge, zu den „pintores filomexicanos“. 331 Dieser vom Maler und Kunsttheoretiker Wolfgang Paalen geprägte Begriff bezeichne, so Kloyber, die in der Sprache der Malerei Mexikos bewanderten und diesem Land in Dankbarkeit verbundenen Künstler. 332 Frida Kahlo, Diego Rivera, José Clemente Orozco, David Alfaro Siqueiros, Rufino Tamayo gaben in ihren monumentalen, sozial-kritischen, farbgewaltigen Gemälden und Wandepen den Ton der mexikanischen Moderne vor, der vom Credo für Freiheit und Unabhängigkeit durchdrungen war. 333 Mit Siqueiros und Tamayo war die Malerin persönlich bekannt, wobei sie die Werke des Letzteren besonders beeindruckten: „Tamayo is one of the artists whom I loved the most, whose work inspired me very much. The colours he used and his mystic Indian feeling in his paintings did something with me. I also love Mexiko and Oaxaca, the city he comes from; and this orange and the special rosy pink that he uses, togheter with the blue, are colours that I love myself very much.” 334 Die Liebe zu diesen Orten und Farben lebte sie in ihren Reiseblättern allem Anschein nach aus (Abb. 124, 125). Zu den europäischen Immigranten in Mexiko unterhielt Soshana ebenfalls regen Kontakt. Vor allem mit dem 1915 in Danzig geborenen und 1941 nach Mexiko ausgewanderten Architekten, Maler und Bildhauer Mathias Goeritz verband sie eine innige Freundschaft, was aus dem jahrelangen, von 1981 bis 1989 besonders intensiv

329 Kloyber 2010, S. 220–228. 330 Ebd., S. 220. 331 Ebd., S. 223. 332 Ebd. Wolfgang Paalen wurde 1905 in Österreich geboren und lebte lange Zeit im mexikanischen Exil. Einer Notiz aus seinem Nachlass zur Folge, dessen wissenschaftlicher Verwalter Christian Kloyber ist, plante Wolfgang Paalen die Gründung der Gruppe „pintores filomexicanos“ im Jahr 1959, kurz vor seinem Selbstmord. Vgl. Kloyber 1993, S. 214f. 333 Vgl. Kloyber 2010, ferner O’Neill 1990. 334 Aus einem über 500 Seiten umfassenden, undatierten Typoskript, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek. 81 geführten Briefwechsel hervorgeht. 335 In Anlehnung an der von Goeritz entwickelten „arquitectura emocional“ wandelte Kloyber diese Bezeichnung in „pintura emocional“ zur Beschreibung von Soshanas Malerei um und meinte damit die aus ihren Bildern (Abb. 129) sichtbar werdende Verbundenheit mit Mexiko – „dem Land der Imagination“, als welches der Autor den zentralamerikanischen Staat bezeichnete. 336 „Ihre Bilder sind nichts anderes als ein Dialog mit Landschaft, Licht und Menschsein – die Interaktion von Landschaft und innerer Landschaft, auf der Suche nach der Brücke zwischen Individuum und Kosmos.“ 337 Wie eng Kloybers komprimierte Diagnose – die sich im Übrigen auf zahlreiche außerhalb Mexikos entstandene Bilderzeugnisse anwenden ließe (Abb. 126, 127) – an Soshanas Empfinden anknüpfte, offenbart die folgende Textstelle aus einem ihrer Skripte: „Sometimes there are moments, like looking at a wonderful sunset or a beautiful landscape, where I loose myself in the magic beauty of nature. There is a unity of all living matter.“ 338 Parallel zu den schriftlichen Aufzeichnungen und in Ergänzung zu fotografischen und filmischen Aufnahmen aus ihrem Vorlass, welche die Künstlerin vor Sehenswürdigkeiten zeigen und die Lebenswirklichkeiten der besuchten Länder dokumentieren, übersetzen Soshanas Reiseblätter ihre ganz persönlichen Eindrücke und Wahrnehmungen von der Ferne in poetische Bildgeschichten. Die kleinteiligen und zierlichen Arrangements, zumeist Aquarelle oder Gouachen, breiten sich in gelöster Manier auf der Malunterlage aus und setzen damit einen Kontrapunkt zur sonst wuchtigen Pinselführung und oft düsteren Farbigkeit auf ihren Gemälden. Das am Beginn von Soshanas Künstlertum stehende Portraitieren von Landschaften und Einfangen genreartiger Szenen mittels leuchtender Farben (Abb. 16, 128) erfährt in diesen Umsetzungen wohl seine deutlichste Wiederbelebung.

Die innere Unsicherheit Und trotz alledem begleitete die Künstlerin ihr Leben lang der Ruf einer „Prophetin des Unheils“, einer „Malerin der Beklemmung und Einsamkeit, des Leidens und Wahnsinns, des Schmerzes und des Todes“. 339 Anhand eines Motivs, das im

335 Vgl. Datenbank Soshana/Letters. 336 Kloyber 2010, S. 224f. 337 Ebd. 338 Soshana 1963, Soshana – Around the World without money and without preconceived ideas , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 3. 339 The Mainichi 1957. 82 gesamten Oeuvre der Künstlerin virulent bleibt, lassen sich diese Beurteilungen visuell nachvollziehen: Die vereinzelte, meist im Bildzentrum stehende Figur (Abb. 7-9, 70-72) – eingepfercht zwischen klaustrophobisch wirkenden, schwarzen Balken oder verloren und haltlos in entleerten Räumen – ist in erster Linie Ausdruck für Soshanas innere Befindlichkeiten. Folgende Stelle aus einem Tagebuch, zitiert von Afnan Al-Jaderi in dem von ihr verfassten biographischen Beitrag zur Soshana- Monographie, verdeutlicht dies besonders gut: „Es gab Zeiten, in denen ich den ganzen Tag alleine im Atelier war, tagelang mit keiner Menschenseele sprach und von depressiver Verstimmung und Trauer eingeholt wurde. [...] Ich malte mich als einsamen Mann, umgeben von heranrückenden Gebäuden, immer als außenstehender Betrachter ins Innere blickend.“ 340 Diese Bilder reflektieren aber auch die Auseinandersetzung mit der prägenden philosophischen Strömung der 1950er Jahre, dem Existenzialismus, worauf hingewiesen wurde. 341 Jean-Paul Sartres Denken hat zweifellos auf sein künstlerisches Umfeld ausgestrahlt. Man denke stellvertretend an das „in Einsamkeit verschrumpelnde – und den Raum mit Leere füllende – Menschenbild Alberto Giacomettis“. 342 „Die Art, wie Giacometti seine Figuren in trostloser Isolation darstellt, zerfressen gleichsam vom Raum, der sich ihnen aufzudrängen scheint, besitzt eine offenkundige Nähe zu dem Bewusstsein, das sich in den Schriften Sartres ausdrückt“ 343 , liest man etwa im Katalog zu einer Giacometti-Retrospektive (Vgl. 73). Soshanas schmale, an den Gliedmaßen ausfransende Figuren (Abb. 70) wirken tief beeindruckt von der existenzialistischen Dringlichkeit in Sartres Hauptwerk Das Sein und das Nichts ( L’Être et le Néant, 1943) und der Ästhetik des Unfertigen bei Giacometti. Mit beiden befreundet, hegte sie für Letzteren eine besondere Bewunderung. Giacometti fertigte – wie auch schon Picasso vor ihm (Abb. 3) – eine Portraitserie der Künstlerin an (Abb. 4).344 Soshana ihrerseits ließ die Erinnerung an den von ihr verehrten Bildhauer und Maler mehrmals in ihrer Kunst aufleben (Abb. 103, 111.). Ihre Portraits von Alberto Giacometti pochen weniger auf physiognomische Ähnlichkeiten, sondern verkörpern vielmehr einen bestimmten Typus, dem man wiederholt im Oeuvre der Künstlerin antrifft. In mit Masks (Abb.

340 Al-Jaderi 2010, S. 35. 341 Vgl. Ausführungen unter Figur und Existenz in Kapitel 3.2. der vorliegenden Arbeit, S. 47–51. 342 Dusini 2010, S. 29. 343 Elliott 1996, S. 23. 344 Weitere Bilder der Serie finden sich auf Datenbank Soshana/Photos of Paintings, Inv.-Nr. 10214, 10215, 10216. 83 130, 133) oder Heads (Abb. 131, 132) betitelten Bildern werden Gesichter mit verwandten Zügen häufig am rechten Bildrand übereinander gestapelt oder ineinander geschichtet Im Sinne Giacomettis könnte man sie als Träger des Blicks entziffern. Allein durch den Blick unterscheide sich der Lebende vom Toten, so Giacometti, „wenn der Blick, also das Leben, das Wichtigste wird, zählt zweifellos einzig der Kopf wirklich. Die übrigen Körperteile spielen nur noch die Rolle von Antennen, die das Leben der Person ermöglichen – das Leben, das im Gehäuse des Kopfes zentriert ist“.345 Ikonographisch könnten Soshanas „Geköpfte“ darüber hinaus auf die visualisierten (Alp)Träume des von ihr verehrten Symbolisten Odilon Redon verweisen (Abb. 134). Zweifellos aber rührt die immer wiederkehrende Fokussierung auf das menschliche Antlitz bei Soshana von ihren künstlerischen Wurzeln als Portraitmalerin her. In Skizzenbüchern (Abb. 135, 136), die aus ihrer Anfangszeit in Paris stammen, als sie noch an der Académie de la Grande Chaumière eingeschrieben war, hatte die Künstlerin bereits einen Kopftypus entwickelt auf dessen stilisierte Züge sie noch während der späten Schaffensperiode zurückgriff. Eine weitere Quelle der Inspiration findet sich möglicherweise in der beachtlichen Sammlung von Masken unterschiedlichster Provenienz, welche sie im Laufe der Zeit und im Zuge ihrer Reisen zusammengetragen hatte. 346 Das Fehlen eines zum Kopf gehörigen Körpers und das steife Ausharren als Hülle, die schematisierten Züge sowie eine besondere Betonung der Augenhöhlen durch dicke schwarze Umrandungen würden diese Deutung unterstützen. Die Bezugnahme auf Artefakte so genannter „Naturvölker“ (Abb. 137, 138) war in der Moderne en vogue . William Rubin bezeichnete den Primitivismus als Schlüsselthema der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts. 347 Künstler wie Pablo Picasso, Georges Braque, Paul Klee und der eben schon beanspruchte Alberto Giacometti – um nur einige wenige zu nennen – zitierten in ihren Arbeiten Formprinzipien „primitiver“ Kult- und Kunstobjekte. Zum Teil flossen auch Masken als Bildmotive in ihr Darstellungsrepertoire mit ein. Die Maske als eines der ältesten Phänomene der Menschheitsgeschichte ist Forschungsgegenstand unterschiedlichster Disziplinen, was nur bedingt eine

345 Zit. nach Schneider 2008, S. 75. 346 Vgl. Datenbank Soshana/Objects, wo Amos Schueller sämtliche von seiner Mutter gesammelte Gegenstände, darunter auch zahlreiche Masken, registriert hat. 347 Rubin 1984, S. 9. 84 summarische Interpretation zulässt. 348 Je nach Entstehung, Kultur und Gebrauch kann sie unterschiedlich konnotiert sein, stark verkürzt und verallgemeinernd lässt sich aber feststellen, „dass sie zwischen einem Innen und einem Außen trennt, und sie verbindet das Innen mit dem Außen“.349 Richard Weihe bezeichnete dies dann auch als die Paradoxie der Maske und konstatierte: „Der, der die Maske durchschaut, sieht die Maske nicht mehr. Der, der die Maske betrachtet, sieht das Gesicht nicht mehr. Die Maske verbindet und trennt.“ 350 Doch sei sie letztlich nicht Täuschung, sondern ein Instrument der Erkenntnis, so Weihe. Als solches erfüllen wohl auch Soshanas Larven eine fundamentale Funktion und ähneln in dieser Hinsicht symbolistischen Bildnissen von James Ensor. In ihrer oft frontalen Erstarrtheit und gegenseitigen Durchdringung gemahnen sie den Betrachter an dessen (un)bewusste, gesellschaftlich bedingte Maskerade und führen ihm damit die Ambivalenz seiner Existenz vor Augen. Sich schützend – sich aussetzend, sich verbergend – sich zeigend, sich zurückziehend – sich öffnend; in diesem ewigen Hin und Her wird „jedem seine Maske“ 351 zuteil, die letzten Endes das eigene Überleben sichert. Verbindet man die häufig von Angst, Verstörung, Gewalt und Ohnmacht gezeichneten Köpfe und Masken mit Soshanas persönlicher Geschichte, scheint eine weitere Lesart denkbar: Zu einem Mahnmal aufgetürmt, künden sie vom Leid und Elend einer durch Krieg und Vertreibung traumatisierten Generation (Abb. 131, 133). Vor allem im späteren Schaffen der Künstlerin erlangten die eigenen Erfahrungen und Erinnerungen als vom Naziregime Vertriebene sichtlich an Bedeutung. 1985, nach Jahrzehnten des Reisens endgültig in ihre Geburtsstadt Wien zurückgekehrt, duldeten diese keinen Aufschub mehr und drängten vehement nach außen, auf die Leinwand. Soshana zeigte sich sensibilisiert für aktuelle Ereignisse und reflektierte nun vermehrt tagespolitische Themen in ihren Bildern. International brodelnde Konflikte wie der Krieg in Ex-Jugoslawien (Abb. 141), die Terroranschläge in München 1972 (Abb. 139) und New York 2001 (Abb. 142), Peinigungen während des Golfkrieges im Irak (Abb. 140), aber auch innenpolitische Belange wie die nationalistisch gefärbte Waldheim-Affäre (Abb. 143) und das jüngste

348 Für weiterführende Literatur zum Thema Maske siehe auch Ferino-Pagden 2009; Weihe 2004; Baum 1990. 349 Weihe 2004, S. 46. 350 Zit. nach Ferino-Pagden 2009, S.13. 351 Auf einem von Ridolfo del Ghirlandaio bemalten Portraitdeckel (um 1510) steht über der zentralen Abbildung einer Maske in großen Lettern Sua cuique persona (Jedem seine Maske). Vgl. Weihe 2009, S. 21–27. 85 Wiedererstarken rechtsgerichteter Parteien in Österreich (Abb. 144) erregten das Gemüt der Künstlerin und fanden Niederschlag in ihrem Werk. Die malerische Umsetzung speiste sich zum Einen aus dem bereits seit den Anfängen ihrer Malerinnenlaufbahn vertrauten ikonographischen Inventar – schematisierte Köpfe, vereinzelte Figuren zwischen sich häufig zu Gebäuden zusammenrottenden, senkrechten Balken – zum Anderen aus der abstrakt-expressiven Geste vor unauslotbaren Hintergründen, ausgeführt in düsteren Farbtönen und einem alles dominierenden Schwarz.

3.6. Vom Heimkehren: Verortung von Soshanas Malerei innerhalb der österreichischen Moderne In der kürzlich erschienenen Monographie wurde das Verhältnis von Soshanas Malerei zur österreichischen Kunstgeschichte erstmals untersucht: Martina Pippals Artikel Soshana und die österreichische Moderne – Versuch einer Positionierung 352 zeichnet ein Panorama der Kunstlandschaft Österreichs von 1945 bis in die späten 1950er Jahre und verortet Soshanas Schaffen innerhalb der abstrakt-gestischen Tradition um Arnulf Rainer, Oswald Oberhuber, Maria Lassnig, Markus Prachensky, Hans Staudacher. Allerdings, so Pippal, habe der gestisch-expressive Modus stets nur eine, wenn auch die wichtigste, von mehreren Möglichkeiten für die Malerin dargestellt, 353 was auch die vorliegenden Ausführungen nahelegen. Pippal unterstrich die Progressivität von Soshanas in den 1950er Jahren entstandenem Werk, das aus dem Dialog mit der internationalen Avantgarde erwuchs und deshalb, gleichberechtigt neben dem anderer österreichischer Künstler dieser Periode, als entwicklungsgeschichtlich relevantes Oeuvre zu gelten habe. 354 Die entsprechende Anerkennung von offizieller Seite erfolgte aber erst in den beiden vergangenen Jahren. 2009 erhielt die Künstlerin das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien, 2010 schließlich das Große Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich. Wäre Soshana 1985 nicht in ihre Geburtsstadt „heimgekehrt“, wer weiß, ob ihr diese späte Würdigungen jemals zuteil geworden wären. Denn obwohl Soshana in der ausländischen Presse immer als „österreichische“ oder „in Wien

352 Pippal 2010. 353 Ebd., S. 64. 354 Ebd. 86 gebürtige“ Malerin vorgestellt wurde, blieb ihr die Wahrnehmung von Seiten der heimischen Kunstgeschichtsschreibung weitgehend versagt, was sich durch die umfangreiche, im renommierten Springer-Verlag erschienene und bereits vielfach zitierte Publikation, herausgegeben von Angelica Bäumer und Amos Schueller, ändern soll. 355 Namhafte Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker haben mit ihren Beiträgen im Buch – wie schon eingangs erwähnt – einen wichtigen Schritt in diese Richtung gesetzt. Die vorliegende Diplomarbeit verfolgt im Grunde dasselbe Ziel. Eine Standortbestimmung innerhalb der österreichischen Kunsttradition war deswegen von Beginn an eingeplant. Martina Pippals Artikel markiert nun den Auftakt eines solchen Vorhabens und bildet daher die Basis für die folgenden Ausführungen.

Revisited: Versuch einer Positionierung Die Konfrontation mit informellen Werken österreichischer Kunstschaffender sichert Soshana einen Platz in deren Reihen und beweist außerdem ihre von Pippal bereits konstatierte Progressivität. Mit der Übersiedlung nach Paris im Jahre 1952 und der damit einhergehenden Wandlung ihrer Malerei positioniert sich die Künstlerin am Beginn der in Österreich annährend zeitgleich einsetzenden Entwicklung. Die Anfänge des Informel in Österreich datierte Otto Breicha zwischen 1949 und 1954, als dessen Pioniere bestimmte er Maria Lassnig (Abb. 145), Oswald Oberhuber und Arnulf Rainer (Abb. 146). 356 Damals florierte in Wien das künstlerische Leben wieder, das während des Zweiten Weltkriegs fast vollkommen zum Stillstand gekommen war. Markus Prachensky beschrieb den gestalterischen Neuanfang unlängst in einem Interview: „Während der gesamten Nazizeit waren wir in Österreich vollkommen isoliert. Das einzige an Kunst, was es gab, waren Kunstbücher über Rembrandt oder Van Eyck. Kunst aus dem beginnenden 20. Jahrhundert hat es so gut wie nicht gegeben. Nach dem Krieg begann die Öffnung, auch in unseren Köpfen. Auf diese furchtbare Zeit des Zweiten Weltkrieges folgte die große Freiheit. Das mag übertrieben klingen, aber ich habe es so empfunden. Wir haben versucht uns vom Naturalismus zu befreien. Plötzlich hat man Dinge gesehen und ist dadurch auf neue Ideen gekommen.“ 357

355 Bäumer/Schueller 2010. 356 Vgl. Breicha 1997. 357 Neider-Olufs 2010, S. 284. 87 Das Aufkeimen und Erstarken der neuen künstlerischen Tendenzen im Nachkriegsösterreich hatte mehrere Gründe. Entscheidend war das „großzügige, auf umfassende Verständigung angelegte kulturelle Engagement der französischen Besatzungsmacht unter General Bèthouart in Wien und Innsbruck“ 358 . Die Rezeption moderner französischer Kunst, die in Österreich bereits eine längere Tradition aufzuweisen hatte, 359 wurde durch die französische Besatzungspolitik gezielt gefördert. 1946 eröffnete das Institut Français in Innsbruck seinen Betrieb mit der Ausstellung Meisterwerke der französischen Malerei der Gegenwart. 360 In den 1950er Jahren gewann das Kulturinstitut als Zentrum der Moderne für ganz Österreich an Bedeutung. Sein Ausstellungsprogramm mit Schwerpunkten auf Fauvismus, Kubismus und Informel bot der jungen Generation die Möglichkeit in einen Dialog mit diesen internationalen Strömungen zu treten und trug damit zur Neuformulierung der künstlerischen Identität in Österreich nach 1945 bei. 361 Ins Jahr 1947 fiel die Gründung der österreichischen Sektion des Art Club. 362 Erster Präsident war der Künstler und Akademieprofessor Albert Paris Gütersloh. Der Art Club war maßgeblich an der Förderung, Anerkennung und Verbreitung avantgardistischer Tendenzen sowie an der internationalen Vernetzung der ihm beigetretenen jungen Kreativen beteiligt. In Ausstellungen, Lesungen und Konzerten erhielten diese die Möglichkeit, ihr Werk zu präsentieren. Die Offenheit gegenüber verschiedenster damals vorherrschender Richtungen war ein Prinzip der „ersten Internationale der bildenden Kunst“ 363 , als welche Gütersloh die Vereinigung zu bezeichnen pflegte, die ihren Ursprung in Rom und Quartiere in ganz Europa hatte. Im „Strohkoffer“, Ausstellungsstätte des Art Club im Keller der von Adolf Loos gestalteten American Bar in Wien, stellten die Phantastischen Realisten gemeinsam mit den Abstrakten aus. 364 Der am Surrealismus angelehnte Phantastische Realismus fand bei der Bevölkerung schon bald regen Zuspruch, im Gegensatz zur abstrakten

358 Boeckl 2007, S. 33. Daneben forcierte auch die amerikanische Besatzungsmacht mittels einschlägiger Kulturprogramme den raschen Internationalisierungsprozess der Kunstlandschaft in Österreich von 1945 bis 1955. Vgl. Boeckl 2008, S. 9, Richter 2009, S. 20f. 359 Vgl. Boeckl 2007, S. 23–34. 360 Das Institut Français in Wien wurde 1947 eröffnet. Vgl. Dankl 1996, S. 66. 361 Vgl. Dankl 1996. 362 Vgl. Breicha 1981. 363 Vgl. ebd., S. 8. 364 Große Ausstellungen des Art Club fanden in der Wiener Kunsthalle (damals Zedlitzgasse 6 im ersten Bezirk) und in der Secession statt. Vgl. Breicha 1981; Pippal 2010, S. 56. 88 Malerei, die anfangs auch von Kunstkritikern heftig bekämpft wurde. 365 Mit ein Grund, weshalb die Gräben zwischen den abstrakten und den nicht abstrakten Künstlern „tiefer und eine Verständigung unmöglich“ wurde. 366 Innerhalb des Art Club kam es vermehrt zu Meinungsverschiedenheiten. Die erste Hälfte der 1950er Jahre sah dann eine sukzessive Aufspaltung der Wiener Künstlerschaft in rivalisierende Gruppen. 367 1959 löste sich der Art Club schließlich ganz auf. Ausschlaggebend für die Etablierung informeller Gestaltungsweisen im Werk vieler österreichischer Künstler war neben den im eigenen Land geschaffenen Voraussetzungen vor allem das Überschreiten der Landesgrenzen gen Westen – nach Paris, dem damaligen Tummelplatz der Avantgarde. Lassnig und Rainer machten sich schon 1951 auf den Weg in die Kunstmetropole. Damals waren beide noch dem Surrealismus verhaftet, weshalb sie die Nähe André Bretons, dem wichtigsten Theoretiker dieser Bewegung, suchten. 368 Dieser zeigte aber kein Interesse an ihren Arbeiten, die Begegnung wurde zur Enttäuschung. Nicht aber jene mit den Vertretern der informellen Malerei. Im Rahmen der Ausstellung Véhémence Confrontées in der Pariser Galerie Nina Dausset kamen die beiden erstmals mit der Kunst amerikanischer und französischer Informeller in Berührung (Jackson Pollock, Jean- Paul Riopelle, Hans Hartung, William de Kooning, Georges Mathieu), 369 was sich unmittelbar auf ihr Werk auswirkte. Rainer entdeckte im Destruktionspotential des Informel eine wegweisende Möglichkeit für sein weiteres künstlerisches Schaffen, mit dem er (inter)national Furore gemacht hat und deshalb heute als einer der erfolgreichsten österreichischen Künstler gilt. 370

365 Matthias Boeckl begründete dies wie folgt: „Gegenüber [...] der Gesellschaft bot die Kombination altmeisterlicher Maltechniken mit magischen Bildinhalten voll religiöser und kunsthistorischer Inbrunst einen faszinierenden Ausweg aus der von Sedlmayr und anderen Kulturpessimisten ausgerufenen Krise, welche die moderne Kunst vor allem die Abstraktion heraufbeschworen hatte.“ Vgl. Boeckl 2008, S. 12. Dem Kunsthistoriker Hans Sedlmayr gelang aufgrund seines 1948 erschienenen Bestsellers Verlust der Mitte der Wiedereinstieg in den akademischen Betrieb, aus dem er bei Kriegsende wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft entlassen wurde. Ganz im Sinne der NS-Doktrin bezeichnete er die abstrakte Kunst darin „als Ausdruck der Menschenverachtung und eines gestörten Naturbezugs“, so Pippal 2010, S. 59. 366 Schmied 1996, S. 32. 367 Ernst Fuchs, Arik Brauer, Arnulf Rainer, Maria Lassnig und andere formierten sich zur „Hundsgruppe“, die 1951 ihre erste und letzte öffentliche Präsentation hatte. 1954 entstand mit der Gründung der Galerie St. Stephan durch Monsignore Otto Mauer eine bedeutende Plattform für die Vertreter der abstrakten Malerei. Vgl. Boeckl 2008, S. 12 368 Vgl. Pippal 2010, S. 60. 369 Vgl. Breicha 1997, S. 25, 145. 370 Vgl. weiterführend Madesta 2009. 89 Sein fulminanter Aufstieg bzw. der Erfolg anderer gestisch-abstrakter Künstler wie Markus Prachensky, Josef Mikl, Wolfgang Hollegha wäre aber ohne das Engagement Otto Mauers, Priester und Domprediger von St. Stephan, nicht möglich gewesen. 371 1946 trat dieser in seiner damals veröffentlichten Schrift Kunst und Christentum noch als vehementer Kritiker der Abstraktion auf, wandelte sich aber im Laufe des folgenden Jahrzehntes zur intellektuellen Leitfigur der österreichischen Avantgarde. 372 1954 eröffnete er die Galerie St. Stephan, die zu der Anlaufstelle heimischer und auswärtiger Künstler und Kunstinteressierter avancierte. 373 Hier hatte 1959 Georges Mathieu, „die Galionsfigur [...] der Schnellmalerei“ 374 , seinen Auftritt. Auf Anregung von Markus Prachensky, der Mathieu ein Jahr zuvor anlässlich eines längeren Parisaufenthaltes kennen gelernt hatte, lud Otto Mauer den Künstler nach Wien ein. Seine Ausstellung in der Galerie St. Stephan wurde von einer Malaktion im Theater am Fleischmarkt begleitet. Der Kunsthistoriker Peter Baum, der beim Spektakel selbst anwesend war, erinnerte sich: „Die mit Spannung erwartete Malaktion wurde zu einem Abend der Superlative, privilegiert durch die Teilhabe am Entstehen eines ganz und gar zeitgemäßen, aktuellen Gemäldes. Profil und Eigenart des Bildes vereinen all das in sich, was für die damalige Avantgarde in der bildenden Kunst charakteristisch war und durch ein bewusst nach außen getragenes, missionarisches Bekenntnis zur Moderne auch in Wien propagiert werden sollte.“ 375 Vor diesem Hintergrund positioniert sich Soshanas expressiv-gestisches Schaffen. Zu dem Zeitpunkt, als sie Österreich verließ, hatten lediglich Arnulf Rainer, Maria Lassnig und vor ihnen noch Oswald Oberhuber die ersten Annäherungsversuche in Richtung Informel unternommen, während in Paris die tachistischen Gestaltungsweisen bereits tobten. Soshana übernahm diese, in der Kunstmetropole angekommen, schrittweise für ihre Malerei und schloss recht bald an den Jargon der internationalen Avantgarde an. 1954 machte sich die Loslösung vom Gegenständlichen in Ölbildern wie White Abstraction (Abb. 147) und diversen Tuschearbeiten (Abb. 77, 78) erstmals bemerkbar. Wir erinnern uns: ab 1954 begannen sich die informellen Tendenzen in Österreich aufgrund Otto Mauers Initiativen zu verfestigen. 1956, als Soshana in Asien die Technik der Kalligrafie erlernte und dadurch ihre Arbeitsweise um eine originelle Facette erweiterte, schloss

371 Vgl. weiterführend Böhler 2003. 372 Vgl. Pippal, S. 57, 62f. 373 Vgl. Richter 2009, S. 24. 374 Baum 2007, S. 402. 375 Ebd. 90 sich in Wien die „Malergruppe St. Stephan“ (Rainer, Mikl, Hollegha, Prachensky) zusammen, deren abstrakt-gestische Malerei in den folgenden Jahren auf breite Anerkennung im In- und Ausland stieß. Das Informel, das in den 1950er Jahren zum unangefochtenen Mainstream der Kunstentwicklung in der westlichen Welt aufgestiegen war, hatte sich gegen Ende des Jahrzehnts endgültig im Alpenstaat etabliert. Der Vergleich mit Markus Prachensky (Abb. 148, 149) beweist beispielhaft die Progressivität von Soshanas Ausdruck innerhalb der heimischen Kunsttradition. 376 Beide verbindet die Nähe zum Werk Hans Hartungs und Georges Mathieus – Informelle der ersten Stunde. Als Kunststudent übte sich Prachensky zunächst in der geometrischen Abstraktion, wandte sich aber ab 1956 der gestisch-expressiven Malweise zu. 377 Seine dynamischen Gebilde auf zum Teil monumentalen Leinwänden zeichnen, ähnlich wie bei Mathieu, den dramatischen Körpereinsatz während des Malaktes nach. Gleichzeitig fühlt man sich an den kalligrafischen Duktus erinnert, den Hartung neben zahlreichen anderen Informellen praktizierte. Otto Mauer machte auf den skriptoralen Zug in Prachenskys Malerei in der Eröffnungsrede anlässlich einer Vernissage in Berlin aufmerksam: „Damit das frei Schweifende nicht der Willkür verfällt und ins Ausschweifende entartet, verdichtet es sich immer aufs Neue, zu strukturierten Figuren, zu Zeichen, die wie Schriften, durch den geistigen Rhythmus ihrer Bewegung, Gehalt und Bedeutung erkennen lassen.“ 378 Soshana bietet in ihrem Werk ganz ähnliche Lösungen (Abb. 84-87), was auf ihre die intensive Schulung in der fernöstlichen Kalligrafie zurückgeführt werden kann. 379 Allein dieses Faktum, das sie von allen anderen zu jener Zeit in Österreich tätigen Künstlern unterscheidet, müsste ihr meines Erachtens einen Platz unter den österreichischen Pionieren des Informel sichern.

In Between: Ausweitung des Blickwinkels Wie Martina Pippal schon richtig bemerkte, stellte der gestisch-expressive Modus ja nur eine von mehreren stilistischen Optionen für die Künstlerin dar. Weitere

376 Auf Ähnlichkeiten und Unterschiede zum Werk Arnulf Rainers und Hans Staudachers wies bereits Martina Pippal in ihrem Artikel hin, weshalb ich diese Vergleiche hier ausspare. Siehe dafür Pippal 2010, S. 60–62. 377 Vgl. Richter 2009. 378 Passage aus Otto Mauers Eröffnungsrede aus dem Jahr 1960 in der Galerie Springer in Berlin, abgedruckt in: Essl 2007, S. 20. 379 Vgl. dazu ausführlich Kapitel 3.3. Vom Entdecken: Der Einfluss fernöstlicher Schrift- und Malkunst auf Soshana in der vorliegenden Arbeit, S. 52–63. 91 Anregungen für ihre Malerei fand Soshana, wie schon erwähnt, im Surrealismus. Berücksichtigt man Soshanas surrealistische Tendenzen in der Bemühung um eine Verortung ihres Werks innerhalb der österreichischen Nachkriegsmoderne, verschieben sich die bis hierher abgesteckten Markierungen ein wenig und es ergeben sich neue Ankerpunkte für eine Positionierung. Die vorliegende Arbeit beschrieb Soshanas Naheverhältnis zu surrealistischen Bildfindungen bereits ausführlich und lokalisierte dessen Ursprung im Wien der frühen 1950er Jahre. 380 Als (indirekter) Vermittler wurde der Maler Edgar Jené bestimmt. Wie erwähnt lebte der im Saarland geborene Jené lange Zeit in Wien (1935-1950) und beeinflusste mit seinem flammenden Engagement für den Surrealismus einen Teil der jungen Künstlergeneration, vornehmlich Studenten des ebenfalls äußerst umtriebigen Albert Paris Gütersloh. Das Wirken Jenés und Güterlohs führte schließlich, wie gleichfalls schon betont, zur Herausbildung der „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ 381 , als dessen Hauptvertreter Ernst Fuchs (Abb. 151), Arik Brauer (Abb. 150), Rudolf Hausner (Abb. 152, 153), Wolfgang Hutter und Anton Lehmden gelten. Der Kunstkritiker Johann Muschik prägte 1957 die Bezeichnung „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“. 382 In dem gleichnamigen, 1974 erschienen Buch charakterisierte er diese Strömung an einer Stelle wie folgt: „Die Malerei der Wiener ist phantastisch in der Übersteigerung, in der Bilddialektik, und sie ist realistisch nicht allein in der Treue des Details, sondern auch in einer umfassenden Bemühung, die keinen Bereich des Gegebenen außer acht lassen möchte, nicht die unbewusste, doch auch nicht die bewusste Welt.“ 383 Muschik hatte im Vorfeld der hier nur in einem Auszug zitierten Beschreibung dieses Phänomens eine knappe Genealogie des Phantastischen in der Bildenden Kunst erstellt und damit die wichtigsten kunsthistorischen Quellen der Phantastischen Realisten freigelegt. 384 Deren akribische Malweise orientiert sich an der technischen Perfektion der Alten Meister. Im Manierismus mit seinem antiklassischen Gestus und seiner Neigung zum Paradoxen findet sich ein weiterer Bezugspunkt phantastisch-realistischer Malerei. Innerhalb der Tradition der Moderne knüpfen die Wiener Phantasten an den

380 Vgl. Kapitel 3.4. Vom Abheben: Surrealistische Tendenzen im Werk Soshana in der vorliegenden Arbeit, S. 63–72. 381 Vgl. Muschik 1974, Husslein-Arco 2008. 382 Vgl. Boeckl 2008, S. 16. Zur Genese der Begriffe „Wiener Surrealismus“ und „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ vgl. Beitrag von Katinka Gratzer in Husslein-Arco 2008, S. 202–214. 383 Muschik 1974, S. 56f. 384 Ebd., S. 49–56. 92 Surrealismus und den Magischen Realismus der 1920 bis 1940er Jahre an, denn „beide Strömungen kultivieren einen betonten Detailrealismus, beide zeigen in breiten Landschaftsszenarien, die als Traumbühnen verstanden werden können, eine unwirkliche, aber dennoch merkwürdig reale Welt des Bizarren.“ 385 Die erste große Ausstellung der Wiener Schule des Phantastischen Realismus fand 1959 im Oberen Belvedere statt. 386 Boeckl ortete darin eine programmatische Gegenthese zur legendären Aktion Georges Mathieus im selben Jahr. 387 Noch am Beginn des Jahrzehnts waren, wie wir wissen, die Vertreter beider Richtungen im Art Club vereint gewesen. Über dieser gegen Ende der 1950er Jahre deutlich sichtbar gewordenen Kluft in der österreichischen Kunstlandschaft balanciert Soshanas damaliger Werkkorpus. Nicht die altmeisterliche Akribie der realistischen Details oder der manieristische Hang zur Übertreibung, wohl aber das Applizieren traumähnlicher Sequenzen auf leuchtenden, surreal-phantastischen Bildhintergründen verbindet Soshanas Arbeiten mit der in Österreich praktizierten Variante des Surrealismus. 388 Gleichzeitig verkörpert der informelle Modus bis heute die Grundlage für ihren künstlerischen Ausdruck. Er ermöglichte ihr zunächst die Loslösung vom Gegenständlichen, indem er den Gegenstand nach 1952 zerstörte, ließ ihn aber in spektakulären Verdichtungen und Zusammenballungen von mit Wucht gesetzten Linien, Strichen, Diagonalen, Wirbeln etc. wiederauferstehen und bewies so gleichermaßen seine Eignung als adäquate Technik zur Formung figurativ-narrativer Bildsujets auf der Leinwand. So gesehen bezieht die Künstlerin eine Sonderstellung in der heimischen Kunsttradition. Unbelastet von den regionalen Konflikten – denen sie im Ausland entging – und unter dem Eindruck der stilistischen Vielfalt innerhalb der internationalen Avantgarde kombinierte sie die unterschiedlichen Gestaltungsweisen spielerisch miteinander. Surrealistisches, Abstrakt-Gestisches, Symbolistisches, Figurativ-Narratives vermischte sie sorglos und in vielfältigen Variationen auf ihren Bildern (z. B. Abb. 47, 111, 154, 156, 157). Damit hebt sich ihr Werk von den Erzeugnissen der in zwei Lager gespalteten Österreicher ab, die sich bis zu Beginn

385 Boeckl 2008, S. 15. 386 Der internationale Durchbruch erfolgte 1965, dank der von Wieland Schmied organisierten Ausstellung in der Kestner-Gesellschaft in Hannover. Vgl. Ebd., S. 16. 387 Ebd., S. 9. 388 Im Literaturverzeichnis des undatierten Textes How to make use of and control results obtained by accident , archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, verwies Soshana auf eine 1964 im Forum Verlag erschienene Publikation über die Malerei der Phantastischen Realisten der Wiener Schule. 93 der 1980er Jahre laut Boeckl fast unversöhnlich gegenüber standen. „Der Konflikt zwischen Abstrakten und Realisten aller Art, der ein Vierteljahrhundert lang die Debatte geprägt hatte“, wurde erst „mit dem machtvollen Aufstieg [...] der Neuen Malerei“, die schon der Postmoderne zuzurechnen ist, „gleichsam auf einer höheren Ebene gelöst.“ 389 Eine frühere, noch tief im Boden der Moderne verankerte malerische These zur Bewältigung dieses Konfliktes bietet meines Erachtens (unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen) Soshanas Gestaltungsprinzip des Kombinatorischen.

389 Boeckl 2008, S. 17. 94 4. Schlussbemerkung

Ziel dieser Diplomarbeit war es, die Produktionsweisen und die künstlerischen Resultate der 1927 geborenen Malerin Soshana Afroyim innerhalb eines abgegrenzten Zeitraums näher zu beleuchten. In den 1950er und 1960er Jahren schuf die Künstlerin einen Werkkorpus, dessen Qualität bereits erkannt und zum Teil auch beschrieben, aber in der vorliegenden Studie erstmals anhand kunstwissenschaftlicher Methoden eingehend erforscht wurde. Zwar blieb ihr späteres Schaffen fast vollständig unberücksichtigt, durch ausgewählte Werkbeispiele (insbesondere der 1980er und 1990er Jahre, aber auch aus der jüngsten Vergangenheit) verhärtete sich der einleitende Verdacht, es handle sich dabei vorwiegend um Wiederholungen und Variationen künstlerischer Modi und Themen, welche in der hier untersuchten Periode vorbereitet wurden. Eine Gegenüberstellung mit der in den 1980er Jahren sich fulminant etablierenden postmodernen Malerei (Neue Wilde, Neue malerische Abstraktion) 390 würde, ohne dies hier weiter zu vertiefen, ihre feste Verwurzelung im Boden der Moderne nur noch unterstreichen. 391 Ebenfalls lohnenswert wäre möglicherweise eine Werkbetrachtung aus der Perspektive feministischer Kunstgeschichtsforschung. 392 Dieser noch relativ junge Ansatz „hat mit der Destruktion des kunstgeschichtlichen Kanons und seiner Funktionsmechanismen gezeigt, dass in die Konstituierung der Disziplin die Geschlechterdifferenz eingeschrieben ist. Noch immer ist für die Wahrnehmung von KünstlerInnen der Kanon prägend. Darum ist es eine anhaltende Herausforderung der feministischen Kunstgeschichte, dessen strukturelle Ausschlussmechanismen aufzuzeigen und die Kunstgeschichte als ein System von geschlechtsspezifischen Wertungen sichtbar zu machen.“, 393 so Maike Christadler. Amos Schueller berichtete am Beginn unseres Kennenlernens von Ausstellungsbesuchern, welche aufgrund der heftigen Gestik und Expressivität von Soshanas Malerei einen männlichen Produzenten dahinter vermutet hätten. Diese Äußerung löste in mir Fragen wie die folgenden aus: Was liegt einer solchen

390 Zur Entwicklung der Neuen Malerei, insbesondere der „Neuen Wilden“ und der „Neuen malerischen Abstraktion“ in Österreich vgl. weiterführend Steininger 1999 und Essl 2003. 391 Die vorbildlich geführte Website Soshanas bietet dem kritischen Leser die Möglichkeit, diese Ansicht noch eingehender zu prüfen, vgl. Website Soshana/Bilder. 392 Vgl. weiterführend Söntgen 1996, Hoffmann-Curtis/Wenk 1997, Zimmermann 2006. 393 Christadler 2006, S. 253. 95 Annahme zu Grunde? Werden damit nicht auch gesellschaftlich verankerte Geschlechtszuweisungen (in)direkt perpetuiert? Warum sonst sollte Kunst von Männern (ausdrucks)stärker als von Frauen sein? Die Wuchtigkeit des Pinselstriches wird in derlei Aussagen als ein Derivat männlicher Schöpfungsgeste verstanden und als Qualitätsmerkmal ausgewiesen. Impliziert dies dann nicht auch eine, wenn auch unbewusste, so doch unmissverständliche Wertung und Hierarchisierung von Kunst, indem es männliches Schöpfertum als einen Maßstab installiert? Mit solchen Fragestellungen beschäftigt sich auch die feministische Forschung in der Kunstgeschichte. Ihre Grundannahme bestehe laut Beate Söntgen darin, „dass die Geschlechterdifferenz den gesamten Bereich der Kunstproduktion und -rezeption, der Wahrnehmung und der Annahmen über Kunst prägt.“ 394 Über Jahrhunderte transportierte Mythen künstlerischer Produktivität, welche verkürzt dargestellt zwischen männlicher Kreativität und weiblicher Reproduktivität unterscheiden, haben sich im Kanon verfestigt und wirken ungebrochen. 395 Maike Christadler erläuterte, dass die Legenden der Kunstgeschichte, den männlichen Schöpfungsakt als großartig beschreiben und häufig mit Genialität in Verbindung bringen würden, während Kunst von Frauen, gemäß ihrer biologischen Natur, reproduktiv sei. 396 Diese Kategorisierungen und Hierarchisierungen von Kunst gründen zum Teil im kunsttheoretischen Vokabular der Renaissance (Giorgio Vasari), welches eine lineare Entwicklungsgeschichte der Kunst konstruierte, künstlerische Arbeit klassifizierbar und bewertbar machte und den (männlichen) Künstler als Schöpfer konstituierte, so Christadler. 397 Soshanas Arbeiten, insbesondere jene der 1950er und 1960er Jahre, im Licht der feministischen Kunstwissenschaft zu untersuchen würde die geschlechterspezifischen Setzungen der Kunstgeschichte und des Kunstbetriebes in jenen Jahren sowie die Reaktionen der Künstlerin darauf demaskieren. Ihr Leben war geprägt von Diskriminierungen aufgrund ihres Geschlechtes, laut eigenen Aussagen malte sie sich als einsamen Mann, von außen wurde sie als „orientalische Schönheit“ und „Kassandra der Leinwand“ betitelt. Wie bestimmend all dies für ihren künstlerischen Ausdruck war, ob Soshanas Schaffen im Banne der Mythen von Autorschaft und Weiblichkeit entstand und also den klassischen westlichen Kanon

394 Söntgen 1996, S. 7. 395 Vgl. Christadler 2006, ferner diverse Artikel in Hoffman-Curtis/Wenk 1997 und Zimmermann 2006. 396 Vgl. Christadler 2006. 397 Ebd., S. 254. 96 bedient oder einzelne ihrer Arbeiten diesen dekonstruieren (wie es etwa im Werk der unlängst im Alter von neunundneunzig Jahren verstorbenen Louise Bourgeois der Fall ist), könnten weiterführende Fragestellungen sein. Die Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem Oeuvre Soshanas sind also durchaus noch nicht ausgeschöpft. Vorerst gilt es aber die hier vorliegende Arbeit durch eine resümierende Betrachtung zu beenden. 398 Tief geprägt von der frühen Entwurzelung aufgrund des drohenden Krieges erzählen uns Leben und Werk der Künstlerin von der bis heute andauernden Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmtheit. In ihrem Leben stillte sie diese Bedürfnisse durch eine schier unermüdliche Reisetätigkeit, welche sie, einer Vagabundin gleich, mehrmals um die Welt herumtrieb. In ihrem künstlerischen Schaffen garantierte die konsequente Verweigerung gegenüber einer stilistischen Vereinahmung dessen unbekümmerte Gewandtheit, welche schon mehrfach als spezielle Qualität identifiziert wurde. Doch dieser kompromisslose Weg hatte auch seinen Preis: Die Reiselust bezahlte Soshana mit der Entfremdung von Heimat und Familie; die künstlerische Unangepasstheit brachte zwar Anerkennung und Respekt für ihr Oeuvre, verwehrte ihr aber gleichzeitig eine breite Wahrnehmung auf dem internationalen wie nationalen Kunst-Parkett. Aufgrund ihrer Orientierung nach außen und der Bekanntschaft mit den weltweit etablierten Größen der Kunstszene ließ sich ihr Werk „in den innersten Zirkeln der internationalen Moderne“ 399 gut verankern. Die Konzentration auf das Informel wollte und konnte das ansonsten so heterogene Werk Soshanas in keiner Weise beschneiden. Letztlich machte sich darin ein gestalterischer Zug bemerkbar, den man abschließend vielleicht als charakteristische Eigenheit ihrer Kunst bestimmen könnte. Wie bereits am Eingang der Studie erwähnt, wohnen dem Informel Momente der Offenheit, Bewegtheit, Pluralität, Unangepasstheit und Revolte inne. Kein einheitlicher Stil betrat in den ausgehenden vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die Bühne des weltweiten Kunstgeschehens, vielmehr entlud sich darin in dramatischer Attitüde eine künstlerische Haltung der Welt und dem Ich gegenüber. Genannte Wesenszüge des Informel bestimmten fortan Soshanas Kunstschaffen, garantierten aber zugleich die Aufgeschlossenheit gegenüber anderen künstlerischen Modi. Wichtige Weichen für die Erscheinungsweisen ihrer Malerei um die Mitte des

398 Diese deckt sich weitgehend mit dem Resümee in meinem Buchbeitrag. Vgl. Prunner 2010. 399 Boeckl 2009, S. 175. 97 vergangenen Jahrhunderts wurden schon in den jungen Jahren gestellt, wie sich an ihrem Frühwerk zeigte. Der gestisch-expressionistische Duktus, mittels dessen sie ihre frühen, sozial-realistischen Bilder modellierte, sollte ihr erst den Weg in die Abstraktion ermöglichen. Das Empfangen des kalligrafischen Impulses, die Hinwendung zu surrealistischen Gestaltungsweisen, die fragmentarische Fortsetzung einer gegenständlichen Malerei sowie die Kombination all dieser diametralen Rhetoriken begründete Soshanas originelle, von stilistischen Repressionen befreite Bildsprache. Einschränkende Zuordnungen zur Abstraktion oder Figuration werden im Rückblick also obsolet und verlieren ihre Bedeutsamkeit, weil die Künstlerin ihr Leben lang zwischen diesen stilistischen Ausprägungen hin und her pendelte. Weder Verlegenheit noch Unentschlossenheit ließen dieses Pendel ausschwingen, sondern die bewusste Entscheidung für beides. Die Diversität der informellen Erscheinungsweisen und deren von Vitalität und Spontaneität gekennzeichneter Duktus dürfte sich in diesem Sinne als lebenslange schöpferische Stimulanz erwiesen und zugleich Soshanas Stilpluralismus gefördert haben, wie jüngere Werkbeispiele noch einmal verdeutlichen (Abb. 155, 158-160). Roland Barthes präzisierte gleich zu Beginn des Essays Im Reich der Zeichen – worin er Japan nicht nach objektiven Kriterien beschrieb, sondern nach subjektiven Erfahrungen und persönlichen Beobachtungen – seine Methode anhand folgender Formulierung, die mich an Soshanas Herangehensweise denken ließ: „Ich kann auch ohne jeden Anspruch, eine Realität darzustellen oder zu analysieren (gerade dies tut der westliche Diskurs mit Vorliebe), irgendwo in der Welt (dort ) eine gewisse Anzahl von Zügen (ein Wort mit graphischem und sprachlichem Bezug) aufnehmen und aus diesen Zügen ganz nach Belieben ein System bilden.“ 400 Zuweilen scheint es so, als hätte sich Soshana ebenfalls gewisser, in ihrem Fall gestalterischer, „Züge“ bedient, welche sich ihr in den entlegensten Orten und unterschiedlichsten künstlerischen Strömungen offenbarten, diese in ihr Werk aufgenommen und zu einem autarken System umfunktioniert. Widerstrebende Bewegungen bestimmen ihre Malerei: Abstraktion und Figuration, Wachstum und Zerstörung, Konstruktion und Destruktion, Verdichtung und Reduktion, apokalyptische Düsternis und naive Buntheit, Blumen und Kreuze. Das sind die Pole, welche Soshanas Kunst steuern, innerhalb derer sich ihr persönlicher Formenkosmos entfaltet, und die letzten Endes

400 Barthes 1981, S.13. 98 einen Zwischenraum definieren, nämlich den, von der Kunst zur Verfügung gestellten, „Raum des Überlebens unter nicht lebbaren Bedingungen“. 401 Ein Zitat von Markus Prachensky aus dem Jahr 1976 gibt uns, obwohl für einen anderen Kontext bestimmt, abschließend noch eine mögliche Anleitung zur Betrachtung von Soshanas vielschichtigem Oeuvre. Darin heißt es: „Es gibt keinen Maler, der nicht – im vollen Bewusstsein oder unwillentlich sein imaginäres Museum mit sich herumschleppt. Erweitern möchte ich den Begriff ‚imaginäres Museum’ um das, was sich dem sehenden und wertenden Menschen außer den ihn persönlich seit seiner Jugend beeindruckenden (und wohl auch beeinflussenden) Bildern noch an Erkenntnissen, Landschaften, Situationen, Büchern, Menschen, Meeren, Philosophien, Stimmungen, Kontinenten, Kontrasten, Konzeptionen, Qualen, Quellen, Tönen, Märchen, Träumen, Schreien, Berührungen, Kriegen, Blicken, Lieben, Kosmen, Hügeln, Ebenen, Schrecken, Lacken, Flecken, Freuden tief eingegraben hat. Dies alles, mühsam durch die Ratio geordnet – zugleich triumphierend getrieben und geängstigt gebremst – ergibt das Bild.“402

401 Bonito Oliva 1982, S. 92. 402 Aus Markus Prachenskys Manifest Ist ungegenständlich abstrakt? von 1976 in: http://www.prachensky.net/?page_id=24 (Juli 2010). 99 Literaturverzeichnis

1. Soshana Monographie Soshana 1973 Soshana/United Artists Ltd. (Hg.), Soshana, 1973 Tel Aviv.

Schueller 2006 Amos Schueller (Hg.), Soshana, Linz 2006.

Bäumer/Schueller 2010 Angelica Bäumer/Amos Schueller (Hg.), Soshana. Leben und Werk, Wien 2010.

Ausstellungskataloge Ausst.-Kat. Palais Pálffy 1997 Soshana, Gemälde und Zeichnungen 1945-1997, Palais Pálffy, Wien 1997.

Ausst.-Kat. Pancho Fierro Art Gallery 2008 Soshana, vida y espíritu, Pancho Fierro Art Gallery, Lima 2008.

Ausst.-Kat. Tel Aviv/Ramallah 2008/2009 Soshana, Artistic Passages, Tel Aviv/Ramallah 2008/2009.

Ausst.-Kat. Yeshiva University Museum 2008/2009 Soshana, Life and Work, Yeshiva University Museum, New York 2008.

Ausst.-Kat. Nordna banka Srbije 2009 Soshana, Slike/Paintings, Nordna banka Srbije, Belgrad 2009.

Ausst.-Kat. Centro Cultural Isidro Fabela 2009 Soshana, Pasión por México, Centro Cultural Isidro Fabela, México City 2009.

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Baum 1997 Barbara Baum, Soshana – eine Reise von der Geburt zum Tod, in: Soshana, Gemälde und Zeichnungen 1945-1997 (Ausst.-Kat. Palais Pálffy), Wien 1997, S. 6–12.

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111 Abbildungsverzeichnis

Werke Soshana Alle im Anhang abgebildeten Werke Soshanas sowie Abb. 3 und 4 wurden als Bilddateien von der Datenbank Soshana/Paintings oder Paper Works bzw. Website Soshana/Bilder heruntergeladen (außer Abb. 1, 5 und 6); sie sind sowohl in der Datenbank als auch auf der Website numerisch erfasst (siehe den Bildern vorangestellte Inv.-Nr.) und dort in einem größeren Format abrufbar, weshalb hier zugunsten einer höheren Anzahl an Abbildungen auch auf eine größere Darstellung der Werkbeispiele verzichtet wurde. Abb. 1: Soshana, Gemälde und Zeichnungen 1945-1997, Palais Pálffy, Wien 1997, S. 19. Abb. 5 und 6 wurden mir direkt von Amos Schueller in Form digitaler Bilddateien übermittelt und für die Arbeit zur Verfügung gestellt. Alle Werke Soshanas (außer Abb. 1) sowie Abb. 3 und 4 befinden sich im Privatbesitz von Soshana Afroyim und Amos Schueller.

Fotos Soshana Das private Fotomaterial der Künstlerin (hier Abb. 66, 67, 68, 76, 120, 121) steht den registrierten Usern der Datenbank Soshana unter der Rubrik Photos als Download zur Verfügung bzw. kann dort eingesehen werden. Das Foto von dem Portrait Sarvepalli Radhakrishnans (Abb. 119) und jenes von dem Bildnis des Königs von Sikkim (Abb. 122) wurden der Datenbank Soshana/Photos of Paintings entnommen. Abb. 117 und 118: Foto Birgit Prunner

Vergleichsbeispiele Abb. 13: John P. O’Neill (Hg.), Mexico. Splendors of Thirty Centuries, New York 1990, S. 623. Abb. 15: http://prometheus.uni-koeln.de/pandora/image/show/Image-digidia- 6485b1268ddcc405e631d51c7df5c974b263e617 (November 2010) Abb. 20: Anna Carola Krauße (Hg.), Geschichte der Malerei von der Renaissance bis heute, Köln 1995, S. 85. Abb. 36: Ulf Küster (Hg.), Action Painting. Jackson Pollock (Ausst.-Kat. Fondation Beyeler, Riehen/Basel), Ostfildern 2008, S. 90, Kat. 44. Abb. 37: Ulf Küster (Hg.), Action Painting. Jackson Pollock (Ausst.-Kat. Fondation Beyeler, Riehen/Basel), Ostfildern 2008, S. 41. Abb. 38: Peter Baum, Paris 1945-1965 (Ausst.-Kat. Lentos Kunstmuseum, Linz), Linz 2003, S. 141. Abb. 39: http://prometheus.uni-koeln.de/pandora/image/show/Image-heidicon_kg- 9274d6702fb25b298a45468a322142b69217b88b (November 2010) Abb. 40: Peter Baum, Paris 1945-1965 (Ausst.-Kat. Lentos Kunstmuseum, Linz), Linz 2003, S. 195. Abb. 41: Foto © MUMOK, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien Abb. 49: http://www.wellcome.ac.uk/en/wia/images/13.jpg (April 2010) Abb. 50: Sabine Breitwieser (Hg.), Gustav Metzger. Geschichte Geschichte, Köln 2005, 208. Abb. 51: Sabine Breitwieser (Hg.), Gustav Metzger. Geschichte Geschichte, Köln 2005, S. 110. Abb. 53: Sabine Breitwieser (Hg.), Gustav Metzger. Geschichte Geschichte, Köln 2005, S. 112. 112 Abb. 54: Lucio Fontana, Lucio Fontana (Ausst.-Kat. Hochschule für Angewandte Kunst Wien), Wien 1992, keine Seitenangabe. Abb. 60: Peter Baum, Paris 1945-1965 (Ausst.-Kat. Lentos Kunstmuseum, Linz), Linz 2003, S. 157. Abb. 61: Peter Baum, Paris 1945-1965 (Ausst.-Kat. Lentos Kunstmuseum, Linz), Linz 2003, S. 38. Abb. 73: Peter Baum, Paris 1945-1965 (Ausst.-Kat. Lentos Kunstmuseum, Linz), Linz 2003, S. 133. Abb. 79: Heinz Götze (Hg.), Chinesische und japanische Kalligrafie aus zwei Jahrtausenden. Die Sammlung Heinz Götze Heidelberg, München 1987, S. 115. Abb. 80: Heinz Götze (Hg.), Chinesische und japanische Kalligrafie aus zwei Jahrtausenden. Die Sammlung Heinz Götze Heidelberg, München 1987, S. 133. Abb. 81: Heinz Götze (Hg.), Chinesische und japanische Kalligrafie aus zwei Jahrtausenden. Die Sammlung Heinz Götze Heidelberg, München 1987, S. 137. Abb. 82: Peter Baum, Paris 1945-1965 (Ausst.-Kat. Lentos Kunstmuseum, Linz), Linz 2003, S. 83. Abb. 83: Christoph Zuschlag/Hans Gercke/Annette Frese (Hg.), Brennpunkt Informel (Ausst.-Kat. Kurpfälzisches Museum, Heidelberg), Köln 1998, S. 23. Abb. 89: Eberhard Fischer (Hg.), Asiatische Malerei (Ausst.-Kat. Museum Rietberg Zürich), Zürich 1994, S. 95. Abb. 90: Eberhard Fischer (Hg.), Asiatische Malerei (Ausst.-Kat. Museum Rietberg Zürich), Zürich 1994, S. 66. Abb. 97: Agnes Husslein-Arco (Hg.), Phantastischer Realismus (Ausst.-Kat. Belvedere Wien 2008), Wien 2008, S. 78. Abb. 98: Foto © Michael Herling/Aline Gwose, Sprengel Museum Hannover Abb. 104: Agnes Husslein-Arco (Hg.), Phantastischer Realismus (Ausst.-Kat. Belvedere Wien 2008), Wien 2008, S. 97. Abb. 105: Agnes Husslein-Arco (Hg.), Phantastischer Realismus (Ausst.-Kat. Belvedere Wien 2008), Wien 2008, S. 87. Abb. 106: Edgar Jené, Wasserfarben. Gouaches, Worms 1989, S. 24. Abb. 107: Edgar Jené, Wasserfarben. Gouaches, Worms 1989, S. 25. Abb. 109: http://www.belvedere.at/jart/prj3/belvedere/main.jart?rel=en&reserve- mode=active&content- id=1196259258590&gid=1207559583972&imgid=1207559583975 (Mai 2010) Abb. 110: http://www.belvedere.at/jart/prj3/belvedere/main.jart?rel=en&reserve- mode=active&content- id=1196259258590&gid=1207559583972&imgid=1207559583974 (Mai 2010) Abb. 113, 114: http://www.martinjanda.at/hp/bilder/vukoje (Mai 2010) Abb. 134: http://prometheus.uni-koeln.de/pandora/image/show/Image-artemis- e2967a7f709b2cc570abeb9c0b635bdf458a1893 (November 2010) Abb. 137: Peter Baum (Hg.), Ursprung und Moderne (Ausst.-Kat. OÖ Landesausstellung, Neue Galerie der Stadt Linz), Linz 1990, S. 145. Abb. 138: Peter Baum (Hg.), Ursprung und Moderne (Ausst.-Kat. OÖ Landesausstellung, Neue Galerie der Stadt Linz), Linz 1990, S. 153. Abb. 145:Agnes Husslein-Arco (Hg), Wien – Paris. Van Gogh, Cézanne und Österreichs Moderne 1880-1960 (Ausst.-Kat. Belvedere Wien), Wien 2007, S. 372. Abb. 146: Agnes Husslein-Arco (Hg), Wien – Paris. Van Gogh, Cézanne und Österreichs Moderne 1880-1960 (Ausst.-Kat. Belvedere Wien), Wien 2007, 370. Abb. 148: http://www.prachensky.net/?page_id=22&paged=32 (September 2010) Abb. 149: http://www.prachensky.net/?page_id=22&paged=34 (September 2010)

113 Abb. 150: Agnes Husslein-Arco (Hg.), Phantastischer Realismus (Ausst.-Kat. Belvedere Wien), Wien 2008, S. 71. Abb. 151: Agnes Husslein-Arco (Hg.), Phantastischer Realismus (Ausst.-Kat. Belvedere Wien), Wien 2008, S. 57. Abb. 152. Agnes Husslein-Arco (Hg.), Phantastischer Realismus (Ausst.-Kat. Belvedere Wien), Wien 2008, 154. Abb. 153: Agnes Husslein-Arco (Hg.), Phantastischer Realismus (Ausst.-Kat. Belvedere Wien), Wien 2008, 141.

114 Abbildungen

Abb. 1: Selbstportrait (1945) Abb. 2: #01871 Self-Portrait IV (2008) Öl auf Leinwand, 46 x 65 cm Acryl auf Leinwand, 60 x 40 cm Privatbesitz, Hamburg

Abb. 3: #10120 Abb. 4: #10215 Pablo Picasso, Portrait Soshana (1954) Alberto Giacometti, Portrait Soshana (1958)

115

Abb. 5: Hitler als Cloun (1938/39) Bleistift auf Papier Abb. 6: Adolf Hitler (1938/39) Bleistift auf Papier

Abb. 7: #00091 Abb. 8: #00722 Abb. 9.: #01641 Alone in a Room (1960) Woman alone II (1992) Woman alone IV (2004) Öl auf Leinwand, 36 x 33 cm Öl auf Leinwand, 38 x 46 cm Öl auf Leinwand, 60 x 30 cm

Abb. 10: #00485 Bruno Walter (1945) Abb. 11: #01300 Anita Whitney (1943) Öl auf Leinwand, 74 x 59 cm Öl auf Leinwand, 73 x 61 cm 116

Abb. 12: #01506 My Sweatshop in N.Y. (1943) Abb. 13: Diego Rivera, The Tortilla Maker (1925) Öl auf Leinwand, 56 x 46 cm Öl auf Leinwand, 121,9 x 96,5 cm University of California at San Francisco, Medicine School

Abb. 14: #00628 American Worker II. (1945) Abb. 15: Thomas Hart Benton, Steel (1928) Öl auf Leinwand, 96 x 56 cm Tempera auf Leinwand, 233,68 cm x 297,18 cm New York School of Research

117

Abb. 16: #00882 Landscape in Cuba (1947) Abb. 17: #00823 Street in L.A. (1945) Öl auf Leinwand, 41 x 51 cm Gouache auf Karton, 51 x 48 cm

Abb. 18: #00456 Abb. 19: #00737 Abb. 20: Henri Matisse Portrait of a woman in N.Y. (1944) An old farmer (1945) Madame Matisse, 1905 Öl auf Leinwand, 44 x 36 cm Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm Öl auf Leinwand, 40,5 x 32,5 cm Statens Museum for Kunst Kopenhagen

Abb. 21: #00770 Farm (1944) Abb. 22: #00826 The Root of a Tree (1944) Öl auf Leinwand, 46 x 56 cm Öl auf Leinwand, 52 x 42 cm

118

Abb. 23: #01567 Israel Landscape (1950) Abb. 24: #00020 Landscape in Winter (1952) Öl auf Leinwand, 27 x 41 cm Öl auf Leinwand, 38 x 55 cm

Abb. 25: #00607 Artists in Paris (1955) Abb. 26: 00033 Mimosa (1952) Öl auf Leinwand, 73 x 100 cm Öl auf Leinwand, 74 x 53 cm

Abb. 27: #00561 Flowers VII. (1953) Abb. 28: #00793 Outside Paris II. (1955) Abb. 29: #01532 Öl auf Leinwand, 55 x 46 cm Öl auf Leinwand, 65 x 46 Japanese Women Öl auf Leinwand, 47 x 28 cm

119

Abb. 30: #00788 Village in Austria (1953) Abb. 31: #01521 Portrait of a woman (1953) Öl auf Leinwand, 45 x 55 cm Öl auf Leinwand, 41 x 33 cm

Abb. 32: #00592 Flowers in Winter (1953) Abb. 33: #00465 Landscape I. (1953) Öl auf Leinwand, 46 x 38 cm Öl auf Leinwand, 18 x 14 cm

Abb. 34: #00955 Winter VIII. (1956) Abb. 35: #01520 Abstraction on white (1957) Öl auf Leinwand, 41 x 33 cm Öl auf Leinwand, 46 x 55 cm 120 Abb. 36: Jackson Pollock, ohne Titel (um 1949) Papier, Lack, Aluminiumfarbe auf Hartfaserplatte, 78,5 x 57,5 cm, Sammlung Beyeler, Basel

Abb. 37: Jackson Pollock bei der Arbeit an Autumn Rhythm: Nr. 30, 1950 (1950) Foto Hans Namuth

Abb. 38 (links) Hans Hartung, Komposition T55-17-1955 (1955) 162 x 114 cm, Hamburger Kunsthalle

Abb. 39 (unten): Hans Hartung, T 19493., 50 x 73 cm Collection Guy Genon, Paris

Abb. 40: Georges Mathieu, Painting-6 (1955) Abb. 41: Georges Mathieu, Upside Down (1951) Privatbesitz Sylvia und Ulrich Stöhrer, Darmstadt Mumok Wien 121 Abb. 43 (rechts): #0045 Trees on Gold (1954) Öl auf Leinwand, 55 x 46 cm

Abb. 42 (unten): #00259 Black White Yellow (1957) Öl auf Leinwand, 50 x 100 cm

Abb. 45 (rechts): #00493 Sea Mood (1961) Öl auf Leinwand, 115 x 73 cm

Abb. 44 (unten): #00217 Night Flowers (1958) Öl auf Leinwand, 81 x 130 cm

Abb. 46: #00136 Brazil I. (1961), Öl auf Leinwand, 98 x 196 cm

122 Abb. 47 (rechts): #00985 Don Juan in Oaxaca, Mexico (1965) Öl auf Leinwand, 81 x 130 cm

Abb. 48 (unten): #00438 Fleuve (1968) Öl auf Leinwand, 65 x 100 cm

Abb. 49 (oben): Mikroskopische Aufnahme eines Liquid Crystal (Flüssigkristall)

Abb. 50 (unten): Gustav Metzger, Liquid Crystal Environment (1965-66), Museum of , Oxford, 1998, Installationsansicht

Abb. 51 (oben): Gustav Metzger Säure-Nylon-Malerei (1960) King’s Lynn Foto John Cox, Ida Kar Studio

Abb. 52 (rechts): #00942 Atomic Explosion II. (1968) 73 x 116 cm

123 Abb. 53 (ganz links): Lucio Fontana, 1963 Foto Ugo Mulas

Abb. 54: Concetto Spaziale, Attese - 64 T 53 (1964) Mischtechnik auf Leinwand, 100 x 81 cm Privatbesitz

Abb. 55: #00675 Rocket (1959) Abb. 56: #00935 Flying High (1958) Abb. 57: #00930 Thoughts IV (1963) Vinovil auf Leinwand, 100 x 50 cm Öl auf Leinwand, 80 x 40 cm Öl auf Leinwand, 162 x 96 cm

Abb. 58: #01237 Destiny IV. (1968) Öl auf Leinwand, 131 x 90 cm

Abb. 59: #00256 Red-Blue Abstraction (1977) Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm

124 Abb. 60 (ganz links): Asger Jorn Bevölkerte Felsen (1956) Öl auf Leinwand, 81 x 65 cm Mumok Wien

Abb. 61: Karel Appel Stephane Lupascu en Michel Tapié (1956) Öl auf Leinwand 130 x 195 cm Stedelijk Museum, Amsterdam

Abb. 62: #01230 Prophet II. (1959) Abb. 63: #00150 Prophet I. (1960) Abb. 64: #00201 Head IV. (1961) Öl auf Leinwand, 60 x 100 cm Öl auf Leinwand, 130 x 81 cm Öl auf Leinwand, 116 x 73 cm

Abb. 65 (oben): #00134 Phoenix (1959) Öl auf Leinwand, 97 x 146 cm

Abb. 66 und 67 (Fotos): #00468 und #00471 Soshana und Pinot Gallizio im Atelier des Künstlers in Alba (Piemont), 1960

125 Abb. 68 (Foto): #00374 Soshana und Jean-Paul Sartre in Paris, 1958

Abb. 69: #00693 I thought of Jean-Paul Sartre (1960) Öl auf Leinwand, 40 x 80 cm

Abb. 70: #01574 Meditation (1961) Öl auf Leinwand, 32 x 23 cm

Abb. 71: #005277 Alone in the Woods (1966)) 73 x 50 cm

Abb. 72: #00581 Woman alone I (1977) Abb. 73: Alberto Giacometti Abb. 74: #00034 Heads I. (1965) Öl auf Leinwand, 50 x 30 cm Stehende III (1962) Öl auf Leinwand, 65 x 54 cm Bronze, H: 240 cm, Mumok Wien 126

Abb. 75: #00024 Chinese Artist Walasse Ting (1955) Abb. 76:#00457 Soshana mit dem Künstler Öl auf Leinwand, 65 x 81 cm Tobashi in ihrem Studio in Paris, 1956

Abb. 77: #06848 Without Title (1954) Tusche auf Papier 80 x 61 cm

Abb. 78: #06865 Without Title Tusche auf Papier 134 x 68 cm

Abb. 79: Mokuan Shôtô (1611-1684), Doppelrolle, 106,9 x 27,9 cm Sammlung Heinz Götze Heidelberg

Abb. 80: Hakuin Ekaku (1685-1768) Zen-Gedicht, Zwei Hängerollen 110,7 x 23,7 cm Sammlung Heinz Götze Heidelberg

127 Abb. 81: Jiun Onkô (1718-1804) Shinnyo, Hängerolle, Tusche auf Papier, 30 x 48,3 cm, Museum für Ostasiatische Kunst Köln

Abb. 82: Jean Degottex, Bushido (1958) Abb. 83: Julius Bissier, Woge gegen Fels (1940) Öl auf Leinwand, 130 x 95 cm, Mumok Wien Tusche auf gelblichem Japanpapier, 16 x 24 cm Kunstsammlung Nordrhein Westfalen, Düsseldorf

Abb. 84: #06757 Without Title (1956) Abb. 85: #04088 Without Title (1957) Tusche auf Papier, 61 x 98 cm Tusche auf Papier, 32 x 40 cm

Abb. 86: #06574 Chinese Water Life (1957) Abb. 87: #03193 Without Title (1959) Tusche auf Papier, 51 x 75 cm Tusche auf Papier, 60 x 85 cm

128

Abb. 88: #05942 Bambus in China I. (1957) Abb. 89: Sakaki Hyakusen (1698-1753) Himmelsbrücke Tusche auf Papier, 60 x 43 cm Edo-Zeit, 1. Hälfte 18. Jh., Hängerolle, Tusche auf Papier Museum Rietberg Zürich (ehemals Sammlung Heinz Brasch)

Abb. 90: Mei Qing (1623-1697), Sammlung berühmter Ansichten von Xuancheng, datiert 1680, Album mit 24 Blättern und einem Geleitwort, Tusche und Farbe auf Papier, Museum Rietberg Zürich

Abb. 91: #05006 Without Title (1960) Abb. 92: #09752 Without Title (1964) Aquarelle/Gouache auf Papier, 23 x 33 cm Aquarelle/Gouache auf Papier, 25 x 32 cm

129

Abb. 93: #06717 Without Title (1957) Abb. 94: #03183 Without Title Tusche auf Papier, 48 x 34 cm Tusche auf Papier, 28 x 23 cm

Abb. 95: #05761 Chinese Landscape (1957) Abb. 96: #00492 Chinese Inspiration (1958) Aquarelle/Gouache auf Papier, 25 x 35 cm Öl auf Leinwand, 73 x 54 cm

130

Abb. 97: Salvador Dalí, Der Turm (1936) Abb. 98: Yves Tanguy, La Toilette de l’air (1937) Öl auf Leinwand, 65,5 x 54 cm, Kunsthaus Zürich Öl auf Leinwand, 73 x 54 cm, Sprengel Museum Hannover

Abb. 99: #00130 Mexican Inspiration (1964) Abb. 100: #00204 Destiny IX (1964) Öl auf Leinwand, 115 x 73 cm Öl auf Leinwand, 130 x 80 cm

131 Abb. 101 (ganz links): #00145 Bird over Japan (1959) Öl auf Leinwand, 92 x 60 cm

Abb. 102: #00690 Flowers with Seashell (1955) Öl auf Leinwand, 80 x 40 cm

Abb. 103: #01150 Giacometti (1962) Öl auf Leinwand 115 x 73 cm

Abb. 104 (ganz rechts) Edgar Jené, Albert Paris Gütersloh (1948) Öl auf Hartfaserplatte, 67 x 55 cm Wien Museum

Abb. 105: Edgar Jené, Das Lager (1945) Abb. 106: Edgar Jené, Wallfahrt zum Hl. Seetier (1946) Öl auf Holz, 60 x 73 cm, Saarlandmuseum Saarbrücken Gouache, 54,5 x 39,5 cm

132

Abb. 107: Edgar Jené, Barbares devant la ville (1947) Abb. 108: #00734 Alone on Ice II (1990) Gouache, 42,5 x 56,5 cm Acryl auf Leinwand, 35 x 60 cm

Abb. 109: Monika Baer, Vampir 3 (2007) Abb. 110: Monika Baer, ohne Titel (2004) Tusche, Acryl, Öl auf Nessel, 260 x 230 cm Acryl, Aquarell, Öl auf Nessel, 180 x 280 cm Galerie Barbara Weiss, Berlin, Foto: Jens Ziehe Galerie Barbara Weiss, Berlin, Foto: Jens Ziehe

Abb. 112: #00356 Mexican Skulls (1964) Öl auf Leinwand, 130 x 81 cm

Abb. 111:#00164 Memories of Giacometti (1991), Öl auf Leinwand, 65 x 100 cm 133

Abb. 113: Maja Vukoje, Sangoma (2007) Abb. 114: Maja Vukoje, Pink church (2007) Acryl, Spray, Öl auf Leinwand Acryl, Spray, Öl auf Leinwand Galerie Martin Janda, Wien Galerie Martin Janda, Wien

Abb. 115: #00158 Cactus in Mexico I (1967) Abb. 116: #00083 Rock in the Sea (1970) Öl auf Leinwand, 101 x 56 cm Öl auf Leinwand, 50 x 35 cm

134 Abb. 117: Archivierter Vorlass Soshanas in der Österreichischen Nationalbibliothek Foto Birgit Prunner

Abb. 118 (unten): Liste mit der von Soshana zwischen 1970 und 1980 geführten Interviews, aus: Vorlass Soshana, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek Foto Birgit Prunner

135

Abb. 119: #10071 Sarvepalli Radhakrishnan Abb. 120: #00453 Soshana auf ihrer Foto von dem 1959 gemalten Portrait Ausstellung in Peking, 1957

Abb. 121 #00247 Soshana malt König und Königin von Sikkim, 1969 Abb. 122: #10194, König von Sikkim Foto von dem 1969 gemalten Gemälde

Abb: 123:# 05567 Abb.124: # 05130 Abb. 125: #06313 Nepal I (1957) Mexico Cuernavaca (1964) Mexico, Puerto Vallerta (1963) Aquarelle/Gouache auf Papier Aquarelle/Gouache auf Papier Aquarelle/Gouache auf Papier 40 x 30 cm 40 x 30 cm 40 x 30 cm 136

Abb. 126: #05740 Sri Lanka (1965) Abb. 127: #05554 Sunset in China (1957) Aquarelle/Gouache auf Papier, 30 x 40 cm Aquarelle/Gouache auf Papier, 30 x 40 cm

Abb. 128: # 01528 New Mexico scene (1946) Abb.129: #00273 Path to Tepozlan, Mexico (1965) Öl auf Leinwand, 34 x 46 cm Öl auf Leinwand, 80 x 120 cm

Abb. 130 (ganz links): # 00949 Mask V (1964) Öl auf Leinwand, 80 x 55 cm

Abb. 131: #00348 Heads II (1969) Öl auf Leinwand, 130 x 81 cm

137 Abb. 132: #00170 Heads and Alone (1988) Öl auf Leinwand 100 x 70 cm

Abb. 133 (ganz rechts): # 00406 Masks and Heads (1990) Öl auf Leinwand 115 x 80 cm

Abb. 134: Odilon Redon Abb. 135: #07579 Book Nr. 25 (1953) Abb. 136: #Book Nr. 27 (1954) Guardian Spirit of the water (1878) Kohle auf Papier, 53 x 43 cm Tusche auf Papier, 53 x 43 cm Kohle auf Papier, 46,5 x 37,6 cm The Art Institut of Chicago

Abb. 137 (ganz links) Jbo, Nigeria/Afrika Tanzmaske, 1. Hälfte 20. Jh. Holz, Höhe: 51 cm Galerie Walu, Zürich

Abb. 138: Kobadoku, Schnitzmeister/schule westl. von Lagos Helm-Maske des Gelede- (Efe-)Kultes der südwestl. Yoruba (Nigeria), vor 1950/60 Holz, schwarz gefärbt H:18 cm, L:28 cm, B: 20 cm Sammlung Melchart

138 Abb. 139 (ganz links) #00261 Terrorist in Munich (1972) Öl auf Leinwand 115 x 72 cm

Abb. 140: #00658 Prisoner II (1991) Öl auf Leinwand 70 x 60 cm

Abb. 141: #00987, War in Sarajevo I (1993), Öl auf Leinwand, 60 x 70 cm Abb. 142: #01403, N.Y. C. I (2001) Öl auf Leinwand, 90 x 70 cm

Abb. 143: #06460 Without Title (1987) Abb. 144: #02017 HELP (2009) Aquarelle/Gouache auf Papier, 45 x 63 cm Acryl auf Leinwand, 40 x 60 cm

139 Abb. 145 Maria Lassnig, Informel (1951) Öl auf Leinwand, 74 x 81 cm Galerie Maier Innsbruck

Abb. 146: Arnulf Rainer, Zentralisation (1951) Abb. 147: #01519 White Abstraction (1954) Graphit und Öl auf grundiertem Karton, 60,5 x 95,5 cm Öl auf Leinwand, 54 x 39 cm Galerie Kovacek Wien

Abb. 148: Markus Prachensky Abb. 149: Markus Prachensky Rouge sur noir - Gainfarn IX. (1958) Rouge sur blanc – Liechtenstein (1957) Lack auf Hartfaserplatte, 85 x 107 cm Lack auf Hartfaserplatte, 84 x 166 Privatsammlung Wien Privatsammlung Wien

140 Abb. 150: Arik Brauer, Dornbuschmessias(1959) Abb. 151: Ernst Fuchs Öl auf Hartfaserplatte, 27 x 30 cm Bombenbilliard (1947) Privatbesitz Arik Brauer Tusche und Aquarell 62 x 43 cm Privatsammlung

Abb. 152 (ganz links): Rudolf Hausner Gelber Narrenhut (1955) Tempera und Harzölfarben auf Hartfaserplatte 65 x 55,2 cm Wien Museum

Abb. 153: Rudolf Hausner Kleiner Laokoon I (1964) Tempera und Harzölfarben auf Leinwand auf Hartfaserplatte, 67,5 x 52,5 cm Sammlung Dr. Rösler

Abb. 154: #01961 Knowledge (1966) Abb. 155: #01036 Vietnam (1996) Öl auf Leinwand, 48 x 65 cm Öl auf Leinwand, 60 x 90 cm

141

Abb. 156: #01518 Rio (1964) Abb. 157: #00213 Rainbow (1981) Abb. 158: #01060 Öl auf Leinwand, 87 x 68 cm Öl auf Leinwand, 101 x 76 cm Flying Happiness (1991) Öl auf Leinwand, 115 x 70 cm

Abb. 159: #01377 Flight IV. (2002), Öl auf Leinwand, 50 x 100 cm Abb. 160: #01744 Criss-cross with red (2008) Acryl auf Leinwand, 80 x 60 cm

142 Tabellarischer Lebenslauf Soshanas (Quelle: http://www.soshana.com/de/page.php)

1927 1. September: Soshana wird in Wien geboren (bürgerlicher Name: Susanne Schüller) 1933 Besuch der Schwarzwald-Schule 1938 Anschluss Österreichs an Deutschland verlässt Wien mit ihren Eltern und ihrem Bruder, kurzer Aufenthalt in der Schweiz und in Paris 1939 Umzug nach England, Besuch des Northwood College 1940 Besuch der Chelsea Polytechnic School in London, Mal- und Zeichenkurse, Ausbildung in der Modezeichnung Bombardement Londons, Bilderserie des Blitzkrieges (nicht erhalten) 1941 Emigration nach Amerika Besuch der Washington Irving High School, New York beginnt unter der Anleitung von Beys Afroyim zu malen 1944 reist mit Beys Afroyim durch Amerika Portraits von Schriftstellern, Musikern, Staatsmännern und Wissenschaftern wie Thomas Mann, Arnold Schönberg, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel, Otto Klemperer, Bruno Walter, Theodore Dreiser, Hanns Eisler Aufenthalt in San Francisco und Los Angeles heiratet den Maler Beys Afroyim in Chicago 1946 Geburt ihres Sohnes Amos in New York 1948 erste große Ausstellung im Circulo de Bellas Artes, Havanna stellt von nun an unter dem Künstlernahmen „Soshana“ aus 1949 verlässt Amerika 1950 Aufenthalte in Holland, Österreich, England, Polen, Tschechien, Slowakei und Israel 1951 Studium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien 1952 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien unter Sergius Pauser, Albert P. Gütersloh und Herbert Boeckl 1952 Umzug nach Paris

143 bezieht ehemaliges Atelier von André Derain, später ein Atelier neben Constantin Brancusi am Impasse Ronsin Bekanntschaft mit Frantisek Kupka, Auguste Herbin, Ossip Zadkine, Èdouard Pignon, Jean René Bazaine, Max Ernst, Yves Klein, Alexander Calder, Wifredo Lam, Sam Francis, Lucio Fontana, Èmile Gilioli, Jean Paul Sartre und dem bekannten indonesischen Maler Affandi, besucht Marc Chagall in St. Paul de Vence 1953 arbeitet im ehemaligen Atelier von Paul Gauguin (davor von Alfons Mucha) in der Rue de la Grande Chaumière, Montparnasse Freundschaft mit Giacometti trifft Pablo Picasso erstmals im Salon de Mai, Einladung nach Vallauris Ausstellungen in verschiedenen Salons: Salon de Mai, Salon d´Automne, Salon de Printemps, Salon des Réalités Nouvelles Ausstellungen in der Galerie André Weil, Paris Beginn der Zusammenarbeit mit dem Galeristen Max Bollag, Zürich 1954 wird von Picasso portraitiert 1956 ausgedehnte Reisen in den Fernen Osten, nach Asien, Indien und Japan großes Interesse an der indischen Philosophie, Hinduismus und Buddhismus Portrait des indischen Präsidenten Sarvepalli Radhakrishnan starker Eindruck der kalligraphischen Kunst, erlernt künstlerische Techniken auf Reispapier bei buddhistischen Mönchen in Kyoto und bei chinesischen Malern in Hangzhou 1957 Einladung zur Ausstellung im Kaiserpalast von Peking Ausstellung Henry Lidchy Gallery, Johannesburg und Edouard Loeb, Paris 1959 Reisen durch Afrika, portraitiert Albert Schweitzer in Lambaréné Rückkehr nach Paris, enge Kontakte zu Mitgliedern der Cobra-Gruppe (Karel Appel und Asger Jorn) Zusammenarbeit mit der O´Hana Gallery, London 1960 Ausstellungen in Brasilien, Süd- und Zentralamerika erste Ausstellung in New York und in der Mitsubishi Gallery, Tokyo 1962 Ausstellung im Musée Picasso, Antibes, Südfrankreich 1963 Ausstellung im Salon des Réalités Nouvelles

144 1964 Beginn längerer Aufenthalte und Ausstellungen in Mexiko Freundschaft mit wichtigen mexikanischen Künstlern wie Rufino Tamayo, David Alfaro Siqueiros, José Luis Cuevos, Mathias Goeritz wohnt in Cuernavaca, Mexiko Ausstellung in der Krasner Gallery, New York 1965 trifft erstmals Adolph Gottlieb Ausstellung Galerie Wolfgang Gurlitt, München 1966 Ausstellung im Palacio de Bellas Artes, Mexiko 1968 Weltreise u. a. in die Südsee, in die Karibik, nach Thailand, Bali, Australien, Indien, Sikkim, Nepal, Afghanistan, den Iran und Israel Portraits des Königs und der Königin von Sikkim 1969 Konzepte der dreidimensionalen Kunstform „Soma“ in Paris, Stahlobjekte mit verschiebbaren Magneten, Ausführung von Plexiglasobjekte wird Mitglied der Theosophischen Gesellschaft 1972 zieht nach Jerusalem 1973 Ausbruch des Yom-Kippur Krieges am Tag ihrer Ausstellung in der Old Jaffa Gallery, vier geplante Ausstellungen in Israel werden durch den Krieg verhindert 1974 Umzug nach New York, lebt in Manhattan u. a. im Chelsea Hotel Atelier in Queens, Bekanntschaft mit Marc Rothko, Francesco Clemente und dem Kunstmäzen Joseph Hirschhorn neun Einzelausstellungen seit 1985 lebt und arbeitet in Wien Diverse Ausstellungen in Österreich und international (siehe weiterführend auch Website Soshana/Ausstellungen) Reisen nach Indien (1988, 1995), Haiti (1989), Mexiko und Kuba (1993), USA (1994) 2009 2. September: Soshana erhält das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien 2010 27. Mai: Soshana erhält das Große Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst vom österreichischen Bundesministerium für Unterricht, Wissenschaft und Kunst

145 Anhang Abstract

Soshana Afroyim, 1927 in Wien als Susanne Schüller geboren, schuf ein umfangreiches malerisches Oeuvre, dessen Höhepunkt in den 1950er und 1960er Jahren verortet werden kann, als die Künstlerin vorwiegend in Paris lebte. Paris war damals die Kunstmetropole, obschon im Begriff diesen Status langsam an das neue Zentrum New York zu verlieren. Die Nouvelle Ècole de Paris verkörperte nach 1945 den Inbegriff der künstlerischen Avantgarde Europas. In der Malerei dominierten die abstrakt-gestischen Tendenzen, welche von der Kunstwissenschaft unter dem Dachbegriff „Informel“ subsumiert, aber nicht als ein einheitlicher Stil, sondern eher als eine künstlerische Haltung charakterisiert wurden. Getragen von der Aufbruchstimmung nach jahrelanger kriegsbedingter Repression befreiten die Künstler ihre Bildwerke von formalen und kompositorischen Fesseln und betonten im Zuge ihrer anarchischen Herangehensweise die Eigenwertigkeit von Material und Farbe. Nicht nur in Europa etablierte sich das Informel um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zum neuen Mainstream der Moderne, auch außerhalb, vor allem in den USA, feierte der Abstrakte Expressionismus bzw. das Action Painting fulminante Erfolge. Vor diesem kunstgeschichtlichen Hintergrund entfaltet sich Soshanas Schaffen jener Jahre. Ihre frühe expressiv-realistische Malweise wandelte sich ab 1952 verstärkt zu einer abstrakt-gestischen Handschrift. Damals übersiedelte Soshana nach Paris. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren hatte sie bereits eine traumatische Flucht vor dem nationalsozialistischen Regime aufgrund ihrer jüdischen Identität hinter sich sowie eine gescheiterte Ehe und war Mutter eines sechsjährigen Jungen. Die Entscheidung für die Künstlerinnenlaufbahn zog eine Trennung von ihrem Sohn nach sich, was der jungen Frau keinesfalls leicht fiel. Auch die Lebensumstände in Paris waren anfangs äußerst beschwerlich, aber dennoch ermöglichten ihr die neue Unabhängigkeit und das anregende Klima innerhalb der Pariser Kunstszene die eigene Arbeit voranzutreiben und Freundschaften mit international renommierten Künstlerpersönlichkeiten zu schließen. Auf zahlreichen Reisen dehnte sie das Netzwerk an Kontakten über den gesamten Globus aus und machte sich vertraut mit fremden Philosophien (Indien) und Künsten (fernöstliche Kalligraphie) bzw. ließ sich von den Landschaften, Menschen und Farben vor Ort (z. B. Mexiko) inspirieren.

146 So entstanden neben den kraftvollen, informellen Gemälden auch zarte bis kitschig- romantische Veduten, die vom Leben an paradiesischen Stränden oder inmitten imposanter Bergpanoramen erzählen. Das Pendeln zwischen Abstraktion und Figuration ist dann auch ein Wesenmerkmal von Soshanas Kunst, dem in dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Die figurativen Versatzstücke erfahren vielfache Deutung, auch scheinen sie die abstrakt-gestische Bildsprache niemals zu behindern, sondern erweitern in der fruchtbaren Symbiose das gestalterische Spektrum. Im Surrealismus fand die Künstlerin diesbezüglich ebenfalls wertvolle Anregungen, worauf die vorliegende Studie erstmals ausführlicher eingeht. Soshanas Werkkorpus der 1950er und 1960er Jahre, der sich in der Konfrontation mit der internationalen Moderne als maßgeblich vom Informel beeindruckt zeigt, beschränkte sich also nie darauf allein dieses zu rezipieren, sondern offenbart seine spezielle Qualität in der unbekümmerten Handhabung und Verbindung diametraler malerischer Rhetoriken, was einem letztlich erlaubt sich ihm aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu nähern.

147 Birgit Prunner

geboren am 24. Februar 1979 in Meran, Südtirol/Italien Email: [email protected]

Ausbildung seit 2007 Studium der Kunstgeschichte, 2. Studienabschnitt (Universität Wien)

2003–2005 Kolleg für Kunstmanagement, Vienna Business School, Wien

1998–2002 Studium der Kunstgeschichte, 1. Studienabschnitt (Universität Wien)

Praxis

11/2005- Generali Foundation Wien, Presseassistenz 10/2007

11/2005- Engholm Engelhorn Galerie, Wien, Praktikum 02/2006

06/2005- Generali Foundation Wien, Praktikum Presseabteilung 11/2005

Projekte

10/2009 „Und hinter tausend Stäben...“ Aktuelle Arbeiten von Simon Reitstätter Raum Glockengasse, 1020 Wien

2007 Nomad International agierendes Kunstprogramm, SODAart :: association for contemporary arts and emerging artists

04/2006- Der 6te Sinn : Kulturprojekt im öffentlichen Raum (1060 Wien), 09/2006 Kunstverein Kforumvienna

04/2005- Display hautnah : Kunstprojekt im öffentlichen Raum (1070 Wien), 06/2005 Kunstverein Kforumvienna

02/2005 Doppelter Boden Arbeiten von Franz Riedl und Simon Reitstätter in Zusammenarbeit mit 5uper.net, quartier21 im MQ

Publikation

2010 Soshana – Am Kreuzpunkt der Unendlichkeit , in: Angelica Bäumer/ Amos Schueller (Hg.), Soshana. Leben und Werk, Wien 2010, S. 118–139. 148