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Margreth Lünenborg/Claudia Töpper Das System Castingshow

Provokationen und Skandale als ökonomisches und ästhetisches Prinzip von Castingshows

In einer Studie untersuchten die eingegriffen wird« (Keppler 1994, en, ihrem Alltag und Skandalen die Autorinnen, wie Provokationen S. 8 f.). Formate dieser Art geben ein Emotionen der ZuschauerInnen (vgl. und Skandalisierungen in Casting- Versprechen auf authentische Dar- ebd.). shows realisiert werden und wie stellungen, bewegen sich jedoch »im Spezifische Formen der Inszenierung Jugendliche und junge Erwach- Spannungsfeld zwischen Authentizi- wie Stereotypisierung, Intimisierung sene derartige Grenzverletzungen tät und Inszenierung, zwischen Re- oder Polarisierung lassen den Alltag wahrnehmen und darauf reagieren. alität und Fiktion. Sie möchten den der KandidatInnen interessanter er- Schein von Authentizität aufrechter- scheinen. Indem sie bestimmte The- halten, während sie tatsächlich Rea- men aus dem Bereich des Privaten eutiges Reality-TV ist lität inszenieren« (Klaus/Lücke 2003, ansprechen und »aufdecken«, sind sie gekenn­zeichnet durch »a va- S. 205). jedoch immer zugleich auch Skanda- Hriety of specialized formats Die Vermischung unterschiedlicher lisierungsstrategien. and subgenres« (Murray/Ouellette Darstellungsebenen basiert auf ei- Vor allem das werbefinanzierte 2004, S. 3), zu denen auch die Cas­ nem (kalkulierten) Prinzip der Hy- Fernsehen lebt von der öffentlichen tingshows zählen. bridisierung, indem in Castingshows Aufmerksamkeit und versucht, diese Castingshows lassen sich dem perfor- unterschiedliche Bezüge zu Comedy- durch Darstellung von Normabwei- mativen Realitätsfernsehen zuordnen. Sendungen, Soaps und dem Musik- chungen zu erzeugen. Grenzüber- Im Gegensatz zum narrativen Reality- fernsehen hergestellt werden, um ein schreitungen sind dementsprechend TV handelt es sich bei Formaten die- möglichst breites, heterogenes Publi- regelmäßige Bestandteile der Cas- ser Art nicht um fiktive Erzählungen kum anzusprechen. Dabei sorgen vor tingshows. Mittels eines Verspre- mit professionellen DarstellerInnen, allem Elemente der Soap-Opera für chens auf authentische Darstellun- sondern »um Unterhaltungssendun- Spannung, Dramatik und Emotiona- gen wird das Fernsehpublikum da- gen, die sich zur Bühne herausgeho- lität. In Castingshows treten nicht nur bei zum voyeuristischen Beobachter bener Aktionen machen, mit denen die KandidatInnen mit ihren künst- moralischer Grenzverletzungen. Aus gleichwohl direkt oder konkret in die lerischen Darbietungen in Erschei- medienpädagogischer Sicht werden Alltagswirklichkeit der Menschen nung, sondern auch ihre Konflikte, ihr dabei insbesondere die verschiedenen persönliches Umfeld und Formen der Abwertung und Erniedri- ihre Entwicklung werden gung der TeilnehmerInnen in Casting- thematisiert. Dabei werden shows kritisiert (Abb. 1). Mit Blick drehbuchartig Geschich- auf das Publikum werden polarisie- ten von Aufstieg und Fall rende und »verzerrte« Vorstellungen erzählt, bei denen der Rea- von Wirklichkeit kritisiert, bei denen Deutschland sucht den litätsbezug nicht eindeutig ethisch problematische Botschaften verortet werden kann (vgl. als scheinbar authentische Realität Kurotschka 2007). Die Ak- vermittelt werden (vgl. Mikat 2012, teure der Sendungen wer- S. 44). Superstar vom 28.01.2009 © RTL Screenshot aus den wie Figuren einer Serie Doch trotz bislang vorliegender Er- Abb. 1: Erniedrigende Darstellungen und Kommentare, z. B. über Kleidung und Figur, sind Teil des »Systems crossmedial vermarktet und kenntnisse ist nach wie vor offen, ob Castingshow« binden mit ihren Biografi- und falls ja, wie Jugendliche mit un- forschung 25/2012/1 45 eindeutigen Konstruktio- tung in der Boulevardpres- nen von Realität und Fikti- se strategisch optimiert. on im Fernsehen umgehen. Die simulierte Provokation Ob und wie sie problema- war damit nicht auf Ver- tische Inhalte aus Reality- störung angelegt, sondern

TV-Sendungen in ihren Deutschland sucht den diente der Unterhaltung realen Alltag übernehmen, und dem ästhetischen Prin- ist ebenfalls bislang nicht zip der Sendung. Obwohl hinreichend geklärt. Im Aktaufnahmen in der Öf- Superstar vom 18.04.2009 © RTL Rahmen einer Studie der Screenshot aus fentlichkeit kaum mehr als Autorinnen wurde daher Abb. 2: Annemarie Eilfeld wird in der Sendung DSDS als frei- nennenswerter Tabubruch zügige Intrigantin inszeniert und von Juror Dieter Bohlen als anhand von Inhaltsanaly- »Everybody’s Arschloch« und »Bitch« beschimpft wahrgenommen werden sen, Fallstudien, Gruppen- dürften, wurden die Auf- diskussionen, Werbezeitanalysen und KandidatInnen in Opposition gesetzt nahmen von Annemarie Eilfeld als ExpertInnenbefragungen untersucht, wurde. Anhand der Inszenierung klas- Normverstoß verhandelt. Ein/e Teil- wie Provokationen im Rahmen der sischer Antagonistenkonflikte, wie sie nehmerIn von Deutschland sucht den Sendungen und der Berichterstattung auch aus Soap-Operas bekannt sind, Superstar sollte demnach einen Sieg in der Presse sprachlich und visuell erschienen auf der einen Seite Anne- nicht durch den Einsatz sexueller realisiert werden und wie sich Ju- marie Eilfeld als selbstbewusste und Reize erreichen. Ein Verstoß gegen gendliche und junge Erwachsene zur ehrgeizige Intrigantin, die für einen die festgelegten Werte hatte automa- ethischen Zulässigkeit von Grenz- Sieg alles tun würde, und auf der an- tisch die Diskreditierung oder sogar verletzungen (z. B. verbale Erniedri- deren Seite integre KandidatInnen, Bestrafung der betreffenden Person gungen, Ausstellung von Nacktheit, die allein mit ihrem gesanglichen zur Folge, wie vor allem die Beur- Darstellung von Intimität) in Cas- Talent überzeugen wollten. Sowohl teilungen des Jurors Dieter Bohlen tingshows verhalten.1 Im Folgenden in den Boulevardmedien als auch im zeigten, der Annemarie Eilfeld in der stellen wir Ergebnisse der qualita- Rahmen der Sendung selbst wurde dritten Mottoshow als »Everybody’s tiven Fallstudie zur Castingshow vor allem Annemarie Eilfelds frei- Arschloch« (DSDS vom 21.03.2009) Deutschland sucht den Superstar zügiger Umgang mit Nacktheit und und in der sechsten Mottoshow am (DSDS) aus dem Jahr 2009 und aus- mit ihrem Körper sowie ihr geschäfts- 18.04.2009 als »Bitch« beschimpf- gewählte Ergebnisse der Gruppen- tüchtiges Auftreten in der Presse be- te. Ihre offensiv zur Schau gestellte, diskussionen mit Jugendlichen und wertet. Dieses Verhalten wurde in potente Weiblichkeit bedrohte die Erwachsenen vor. Opposition gestellt zu den von der Macht der Jury sowie die Macht der Sendung in Anspruch genommenen Sendungsregie und musste deshalb Werten wie Fairness, Ehrlichkeit und im Format scheitern. Dieses knappe Ergebnisse Talent. Beispiel zeigt, dass durch Erzählstra- Provokation und Skandale als Die erotisierende und sexualisierte tegien der Soap-Opera und unange- ästhetisches Prinzip Inszenierung Annemarie Eilfelds messene sprachliche Äußerungen der Das Beispiel DSDS durch die Senderegie bot für die Jurymitglieder fortlaufend neue Kon- Mit der polarisierenden Darstellung Personenentwicklung in der Staffel flikte inszeniert wurden, die bewusst der Kandidatin Annemarie Eilfeld und die begleitende Berichterstattung öffentliche Kritik evozieren sollten (Abb. 2) gelang es dem Sender RTL den Ausgangspunkt, um kommunika- und der Inszenierung von Skanda- im Jahr 2009, eine massive medien- tiv den Eindruck eines Skandals zu len dienten. Durch die vielschichtige öffentliche Auseinandersetzung zu erzeugen, der in der Realität keine Bezugnahme und Vernetzung wurde initiieren, die vor allem durch die Entsprechung hatte. Aktaufnahmen ein intermedial diskursives Feld um Bild-Zeitung gesteuert wurde. Mit- der Kandidatin wurden medial zum die Medienfigur Annemarie Eilfeld tels inszenierter Konflikte und unan- Regelverstoß stilisiert, der vorgab, aufgebaut, in dem sie polarisierte, gemessener Äußerungen bzw. unan- etwas Unerhörtes zu sein. Die au- um die Zuschauerschaft zu spalten. gemessenen Verhaltens der Jurymit- tonome, selbstbewusste Handlungs- Die gezielte Provokation durch die glieder gelang es RTL, bewusst zu weise der Kandidatin wurde narrativ konflikthafte Inszenierung im Rah- provozieren. Dabei wurde anhand der zum Skandal, der effektvoll im Rah- men der Show und der begleitenden zuvor unbekannten Kandidatin Anne- men der Sendungen inszeniert wur- Presseberichterstattung erzeugte bei marie Eilfeld durch die Montage und de. Die Aufmerksamkeitsökonomie den ZuschauerInnen eine hohe emo- sprachliche Attribuierungen eine Me- wurde dabei zwischen der Sendung tionale Spannung, die eine affektive dienfigur etabliert, die zu den anderen und der begleitenden Berichterstat- Positionierung einforderte und damit forschung 46 25/2012/1

Involviertheit herstellte. Der Norm- diskriminierenden Kommen- verstoß wird somit zur Erzeugung tare der Jury den Jugendli- von Aufmerksamkeit diskursiv erst chen ganz offenbar Vergnü- hergestellt. gen, bedienen sie doch eine jugendliche Sehnsucht nach Jugendliche in der Auseinander- Grenzverstößen. Zugleich Deutschland sucht den setzung mit Castingshows sind sich die Jugendlichen Dabei ist fraglich, wie Jugendliche der Amoralität öffentlich in- mit Provokationen aus dem Bereich szenierter, persönlicher Er- Screenshot aus Superstar vom 28.01.2009 © RTL niedrigung durchaus bewusst, Abb. 3: Befragte Jugendliche versuchen, die Aussagen des Sexuellen und dessen Skandali- der Jury zu rechtfertigen, und lassen die Autorität der sierung umgehen. Zweifellos spielen wie die folgenden Aussagen Jurymitglieder unangetastet Normverstöße in diesem Bereich eine exemplarisch belegen: wesentliche Rolle in Castingshows »Ich gucke das auch wegen Dieter Boh- darauf verweisen, dass solche Belei- und anderen Formen des Reality- len, denn der sagt ja seine Meinung und digungen Teil des Inszenierungs- TV (z. B. in der Reality-Soap Big pusht die Stimmung. Gut, manches ist musters von RTL sind – »Das ist ja Brother auf RTL2). Im Rahmen der zu hart ausgedrückt, aber ich finde ihn auch ein Privatsender und nicht die durchgeführten Gruppendiskussio- eigentlich okay.« (Idris, 15 Jahre) Moralinstanz« (Jürgen, 48 Jahre) –, nen zeigte sich, dass Darstellungen »Na ja, manche, wenn sie jetzt nicht zu und die Beleidigungen als Teil der von Nacktheit in Castingshows oder niveaulos werden, sind schon lustig. Aber Inszenierungsstrategien betrachten, wenn die zu persönlich werden und ver- Reality-TV-Sendungen von den ju- übernehmen die Jugendlichen die letzend, dann ist es auch irgendwie nicht gendlichen Befragten nicht prinzipi- dominante Lesart des Medientextes ell als Tabubruch empfunden werden. mehr so [prustend] lustig.« (Daniela, 16 Jahre) und reproduzieren die moralische Sie verweisen bei ihrer Bewertung Legitimität der Jury. immer wieder auf die Freiwilligkeit Zugleich versuchen die Befragten, die Zwar stellt die Thematisierung mora- der Handlungen und folgen der Lo- Aussagen der Jury zu rechtfertigen lischer Konflikte als Bestandteil der gik der Sendedramaturgie. Dies führt (Abb. 3). Damit folgen sie der hege- Narration ein Element von Identifi- auch dazu, dass beispielsweise die monialen Ordnung, bei der in der In- kation oder Abgrenzung dar, bedeu- verbalen Attacken von Dieter Boh- szenierung der Sendung die Autorität tender ist für die Jugendlichen jedoch len gegenüber Annemarie Eilfeld und Integrität der Jurymitglieder stets das Herstellen von Gruppenzugehö- zwar von den meisten Befragten als unangetastet bleiben. Im Rahmen rigkeit im empathischen Mitfühlen Grenzüberschreitung empfunden, dieser filmischen Erzählung und des mit ausgewählten KandidatInnen zugleich jedoch als gerechtfertigt räumlich und zeitlich beschränkten oder die Definition oppositioneller betrachtet werden. Die Befragten ar- Spiels mit festgelegten Regeln kön- Identität durch eine ironische Distan- gumentieren, dass Annemarie Eilfeld nen Jugendliche bei der Rezeption zierung von der Fernseherzählung. schließlich auch provoziert habe, und von Castingshows und anschließen- So zeigten auch die durchgeführten übernehmen weitestgehend die im der Alltagskommunikation die mora- Gruppendiskussionen, dass es vor Rahmen der Inszenierung vorgege- lischen Grenzüberschreitungen ohne allem bei Jugendlichen im Rahmen bene moralische Rechtfertigung der negative Konsequenzen genießen. von Alltagsgesprächen über Casting- verbalen Beleidigungen: Zusätzlich schaffen die Belustigung shows vorrangig um Emotionen geht, »Ich mein’, die hat immer weiter gemacht über Herabwürdigungen und Beleidi- allenfalls nachrangig um einen mora- mit den ganzen (...) halb Nacktbildern. gungen sowie das »Ablästern« über lischen Diskurs. Gesprächsthema ist, Ja, und das war in jeder Zeitung. War KandidatInnen eine Distanz, von der welche KandidatInnen man favorisiert eigentlich klar, dass dann irgendwann so aus die dargestellten Provokationen und welche weiterkommen könnten: ein Spruch kommt.« (Stan, 12 Jahre) die eigene Lebenswelt nicht bedro- »Ich fand es nicht okay. Aber die provo- hen. Damit ist es für die Jugendli- »Na ja, da ist es so: ›Nein, wie konnten ziert ihn ja schon und dann will sie ja auch chen möglich, über Beleidigungen die nur die rausfliegen lassen. Das ist doch nur Aufmerksamkeit bekommen. Wäre es zu lachen und sich – im Bewusstsein die Einzige, die was im Kopf hatte‹ oder bei einer anderen Person gewesen, dann der immanenten moralischen Grenz- so. Also eigentlich Sachen, die uns voll- kommen scheißegal sein könnten. Aber wäre es nicht okay gewesen. Aber bei ihr verletzung des Gezeigten – mit den es ist trotzdem so, dass man dann sagt, kann ich das schon verstehen.« (Julia, eigenen Grenzen auseinanderzuset- 13 Jahre) wie dumm die doch alle sind.« (Lillith, zen. Die Narration der Sendungen 12 Jahre) Mit Blick auf beleidigende Äuße- unterstützt so erfolgreich die Autori- rungen bestätigen unsere Gespräche tät und Integrität der Jurymitglieder. Daneben spielen jedoch auch Sen- bisherige Ergebnisse. So bereiten die Während die erwachsenen Befragten sationen und Skurrilitäten einzelner forschung 25/2012/1 47

Charaktere eine Rolle. Voyeuristi- dessen/deren moralischen Vorstel- sche Sehlust, die zugleich fortlaufend lungen zusammenbasteln kann, die Anmerkung Gesprächsstoff liefert, wird hier als wiederum in Auseinandersetzung mit 1 Das Forschungsprojekt »Skandalisierung und Nutzungsmotiv formuliert. Vor allem der jeweiligen Peergroup bestätigt, Provokationen als Quotenbringer in Zeiten rück- die offensive crossmediale Vermark- erweitert oder demontiert werden läufiger Werbeeinnahmen? Analyse aktueller Cas- tingshow- und Reality-Doku-Formate« wurde im tung besonders provokativer Szenen kann. Das System der Castingshows Auftrag der Landesanstalt für Medien Nordrhein- schafft dabei erfolgreich hohe Auf- mit ihren Provokationen und Skan- Westfalen von Oktober 2009 bis August 2010 rea- merksamkeit und macht die Sendun- dalisierungen besteht damit aus pan- lisiert (vgl. Lünenborg u. a. 2011). gen zum alltäglichen Gesprächsthe- optischen Beobachtungen, die quasi ma. Im Rahmen der Alltagsgespräche Realität(en) verdoppeln. Im Rahmen über die Sendungen werden öffentlich einer spielerischen Auseinanderset- ausgestellte Provokationen in den Be- zung über Pseudoskandale, die mitt- Literatur reich des Privaten überführt, der an die lerweile zu einem ästhetischen und Hill, Annette: Reality TV. Audiences and popular diskursive Struktur des Klatsches an- ökonomischen Prinzip der Sendungen factual television. London: Routledge 2005. schließt. Im Gespräch wird wiederum geworden sind, werden dabei in All- Keppler, Angela: Wirklicher als die Wirklichkeit? »Verhalten rekonstruiert und bewertet, tagsgesprächen über die Sendungen Das neue Realitätsprinzip der Fernsehunterhaltung. Frankfurt a. M.: Fischer 1994. auf dessen Basis dem Klatschobjekt gesellschaftliche Werte und Normen Klaus, Elisabeth; Lücke, Stephanie: Reality TV. ein bestimmter moralischer Charakter ausgehandelt. So tragen auch die Definition und Merkmale einer erfolgreichen Gen- zugesprochen wird« (Keppler 1995, medial erzählten Grenzverletzungen refamilie am Beispiel von Reality-Soap und Docu- Soap. In: Medien und Kommunikationswissenschaft, S. 92 f.). So tragen die medial erzähl- des Reality-TV dazu bei, sich der ei- 51/2003/2, S. 195-212. ten Grenzverletzungen der Casting- genen Positionierung fortlaufend zu Kurotschka, Mara: Verschwimmende Grenzen von shows dazu bei, dass sich Jugendliche vergewissern und im eigenen sozialen Realität und Fiktion. In: Döveling, Katrin; Mikos, Lothar; Nieland, Jörg-Uwe (Hrsg.): Im Namen des der gemeinsamen Regeln und Normen Umfeld die »Grenzen des guten Ge- Fernsehvolkes. Neue Formate für Orientierung und vergewissern: Was gilt als peinlich? schmacks«, also die gemeinsame Ba- Bewertung. Konstanz: UvK 2007, S. 117-154. Was ist gewagt und mutig? Diskurse sis moralischen Handelns auszuloten. Lünenborg, Margreth; Martens, Dirk; Köhler, To­ des Reality-TV bieten den Raum zur Die Jugendlichen sind sich dabei der bias; Töpper, Claudia: Skandalisierung im Fernse- hen. Strategien, Erscheinungsformen und Rezeption beständigen Neuverhandlung gesell- Amoralität dargestellter problemati- von Reality-TV-Formaten. Berlin: Vistas 2011. schaftlicher Normen und Werte (vgl. scher Verhaltensweisen in Casting- Mikat, Claudia: Casting- und Coachingformate hierzu auch Hill 2005). shows durchaus bewusst. Sie unter- aus Sicht des Jugendmedienschutzes. In: Hajok, Daniel; Selg, Olaf; Hackenberg, Achim (Hrsg.): scheiden bei ihrer Bewertung der Auf Augenhöhe? Rezeption von Castingshows und Verhaltensweisen jedoch zwischen Coachingsendungen. Konstanz: UvK 2011, S. 43-55. Fazit ihrem realen Leben und den Fernseh- Murray, Susan; Ouellette, Laurie (Hrsg.): Reality- TV. Remaking television culture. New York/London: Castingshows lassen sich sowohl als erzählungen. Im Rahmen eines räum- NYU Press 2004. Soap, als Spiel, als Show oder als lich und zeitlich begrenzten Spiels Spiel mit realen Folgen rezipieren. mit changierenden Wirklichkeitsbe- Die in den Sendungen dargestellten zügen bereiten ihnen die diskriminie- Verhaltensweisen müssen von den renden Kommentare Vergnügen. Sie ZuschauerInnen vor dem Hinter- können ohne negative Konsequenzen die Autorinnen grund unterschiedlicher Wirklich- genossen werden, ohne für das ei- keitsebenen interpretiert werden gene Leben folgenreich zu sein. So Margreth Lünen- (vgl. Kurotschka 2007). Darüber ließen sich anhand der durchgeführ- borg, Dr. phil., ist hinaus werden durch die Interak­ ten Gruppendiskussionen auch weder Professorin für tion zwischen Sendeformaten und systematische Grenzverschiebungen, Journalistik an der FU Berlin und Presseberichterstattung sowie durch noch Gewöhnungen oder Abstump- Direktorin des In- Angebote des Internets referenzielle fungsprozesse gegenüber Provoka- ternationalen Journalisten-Kollegs. Felder aufgebaut, in deren Rahmen tionen und Tabubrüchen bei Jugend- eine Verdichtung der Inszenierungen lichen erkennen. Vielmehr zeigte Claudia Töpper, stattfindet. Diese vielfältigen Infor- die Untersuchung, dass es Bereiche Dipl.-Medienwiss., ist Doktorandin an mationen über ProtagonistInnen und gibt, in denen Normverletzungen in der HFF Potsdam Verhaltensweisen erlauben einen Castingshows bei Jugendlichen und und arbeitet in der Zugriff, aus dem sich jeder einzelne Erwachsenen eindeutig abgelehnt »Arbeitsgemein- Zuschauende ein individuelles Bild, werden. Dies betrifft beispielsweise schaft Kindheit, Jugend und neue eine eigene »Wirklichkeit« des/der die Zurschaustellung von Trauer oder Medien« (AKJM). favorisierten Kandidaten/in und Gewalt gegen Kinder.