CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 5. 2. 1979

5. Februar 1979: Sitzung der Landesgruppe

ACSP, LG 1979: 2. Überschrift: »Protokoll der 156. Sitzung der CSU-Landesgruppe am 5. Februar 1979«. Zeit: 19.55–23.05 Uhr. Vorsitz: Zimmermann.

Anwesend: Althammer, Biehle, Bötsch, Engelsberger, Geisenhofer, Gerlach, Gierenstein, Glos, Handlos, Hartmann, Höffkes, Höpfinger, Graf Huyn, Jaeger, Jobst, Klein, Kraus, Kreile, Krone-Appuhn, Kunz, Lemmrich, Lintner, Niegel, Probst, Rainer, Regenspurger, Reichold, Riedl, Röhner, Schedl, Schleicher, Spilker, Voigt, Waigel, Warnke, Wittmann, Zimmermann.

Sitzungsverlauf: A. Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Zimmermann über die Haushaltsdebatte der vergangenen Plenarwoche, die Frage einer bundesweiten Ausdehnung der CSU für die Europawahl, die Situation innerhalb der CDU, die Bundespräsidentenwahl und die Ver- jährungsdebatte. B. Erläuterungen des Parlamentarischen Geschäftsführers Röhner zum Plenum der Woche. C. Bericht über eine Sitzung des Europarates zur Frage der Verjährung von Mord. D. Erläuterungen zum Programm der nationalen Kommission der Bundesrepublik Deutschland zum »Internationalen Jahr des Kindes 1979«. E. Bericht und Aussprache über die Frage der Verlagerung des Personenverkehrs von der Schiene auf die Straße. F. Bericht und Aussprache über das Mutterschafts- und Familiengeld. G. Verschiedenes.

[A.] TOP 1: Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Dr. Zimmermann gratuliert dem Kollegen Dr. Voss zum Geburtstag, Herrn Lintner zur Geburt seines Sohnes. Des weiteren übermittelt er Glückwünsche an Herrn Eck- hardt zum 60. Geburtstag. Die Haushaltsdebatte in der letzten Plenarwoche habe gezeigt, daß die Rolle Kohls1 als Oppositionsführer stärker im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestanden habe als die Politik der Regierung. Darüber sei sogar das Fehlen von Franz Josef Strauß als Höhepunkt früherer Bundestagsdebatten in den Hintergrund getreten. Die CSU- Landesgruppe könne sowohl qualitativ als auch quantitativ mit ihren Beiträgen zufrie- den sein. Bei der Ablehnung des Verteidigungshaushalts habe die Stimmenthaltung Wörners2 ungünstig gewirkt. In der Debatte habe es die Regierung versäumt, ein klä- rendes Wort zur weiteren Verschuldung zu sagen. Seit 1975 seien 20 bis 30 Mrd. DM neue Schulden jährlich hinzugekommen. In diesem Jahr betrage die Schuldenaufnahme 31,8 Milliarden DM. Schon 1982 werde die Nettokreditaufnahme unter diesen Um- ständen voll für die Zinsen gebraucht werden. Die FDP scheine dies allmählich zu be-

1 , Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Bundesvorsitzender der CDU. 2 Manfred Wörner, MdB (CDU), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestages.

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greifen. Der Beitrag von Hoppe3 habe gezeigt, daß sie sich hier aus der Verantwortung lösen wolle. Die Rentenproblematik verschärfe sich immer mehr. Heute müssen bereits 100 Erwerbstätige für 60 Rentner sorgen. Experten schätzen, daß das Verhältnis in 30 Jahren umgekehrt sei. Bei dieser Voraussetzung habe Schmidt die Stirn zu behaupten, sinkende Bevölkerungszahlen seien nicht tragisch, vielleicht sogar positiv. Unsere Schwierigkeit bestehe darin, für diese Fragen das Problembewußtsein in der Bevölkerung zu wecken. Schmidt habe erneut versucht, eine Position je nach Opportu- nität zu beziehen. Dr. Zimmermann nennt die Stichpunkte: Stellungnahmen zum Eu- ropaprogramm der SPD, seine Stellung zu den Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst, seine widersprüchlichen Aussagen zur Regelanfrage, zur Neutronenwaffe, zur Wehrpflichtnovelle, in der Antiterrorgesetzgebungsdebatte, zur Verjährung von Mord und in der Abrüstungsfrage. Auf all diese Fragen gebe Schmidt keine konkreten Ant- worten. Selbst der Brief des schleswig-holsteinischen SPD-Vorsitzenden an prominente Anti-Atompropagandisten sei für Schmidt kein Anlaß einzugreifen. Diese Beispiele zeigen deutlich, daß durchaus angreifbar sei. Es müsse unsere Aufgabe sein, die Widersprüche, die Schmidt permanent hervorrufe, den Bürgern draußen deut- lich zu machen. Zur bundesweiten Ausdehnung der CSU für die Europawahl müsse festgehalten wer- den, daß sich die CSU noch nicht entschieden habe. Der Parteivorsitzende habe gesagt, es müsse erst geprüft und dann entschieden werden. Zur Zeit beobachte man die Ent- wicklung sehr genau. Geißler4 reagierte auf die Presseschlagzeilen wie immer aggressiv. Selbst Heinz Schwarz5 habe sofort den CDU-Einmarsch in Bayern angekündigt. Auch bezüglich der Vierten Partei seien die Zeitungen voll. Kaltefleiter6 habe seinen Standpunkt geändert. Der Führungsstreit innerhalb der Union habe die Bereitschaft vieler CDU-Wähler für eine Vierte Partei gesteigert. Zusätzliche Wählerstimmen seien allerdings für das gesamte Wählerpotential der Union nach wie vor unwahrscheinlich. Die Bürgerpartei Fredersdorfs7 müsse sehr genau beobachtet werden. Heute habe ein Gespräch zwischen Fredersdorf und Strauß in München stattgefunden. Zur Situation innerhalb der CDU erläutert Dr. Zimmermann, daß die CDU- Ministerpräsidenten ein neues Gremium bilden wollen. Hier stehe aber das Eigeninter- esse der Beteiligten im Vordergrund. Keiner der Würdenträger werde jetzt aus der Re- serve gehen, nicht 1980, sondern 1984 sei ihr Zeitpunkt. Kiep8 und Carstens9 haben sich für Kohl stark gemacht: »Kohl ist unser Mann, einen besseren bekommen wir so- wieso nicht«. Lediglich der Bremer CDU-Chef Neumann10 kritisiert Kohl ganz offen. Er zeigt sich darüber verärgert, daß die Zusage Kohls, einen Bremer Vertreter auf einer Europaliste abzusichern, nicht verwirklicht worden sei. Die Bremer CDU werde den Wahlkampf zu den Bürgerschaftswahlen ohne CDU-Bundesprominenz führen.

3 Hans-Günter Hoppe, MdB (FDP), stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. 4 Heiner Geißler, Generalsekretär der CDU, MdL Rheinland-Pfalz. 5 MdB (CDU). 6 Werner Kaltefleiter, Professor am Institut für Politische Wissenschaft der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel. 7 Hermann Fredersdorf, Vorsitzender des Bundes Deutscher Steuerbeamten, 1969–1979 stellvertreten- der Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes. 8 , Niedersächsischer Finanzminister, MdL Niedersachsen (CDU). 9 , Präsident des Deutschen Bundestages (CDU). 10 , Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft, Landesvorsitzender der CDU Bremen.

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Zur Situation der CDU/CSU-Bundestagsfraktion müsse gesagt werden, daß die Zutei- lung neuer Verantwortungsbereiche an verschiedene Stellvertreter gescheitert sei. Eine neue Organisationsstruktur bringe nur neue Verwirrungen und neue Sprecherfunktio- nen. Im übrigen habe man bei den Sitzungen in der vergangenen Woche den personel- len Vorschlägen und den neuen Organisationsformen nicht zugestimmt. Man habe le- diglich das Schwerpunktprogramm gebilligt Dies werde auf der Fraktionssitzung vor- gelegt und besprochen. Dr. Zimmermann berichtet, daß an der sehr kurzfristig einberu- fenen Sitzung des engeren Vorstandes am 31. Januar Dr. Althammer teilgenommen ha- be. Dort seien alle personellen Vorstellungen Kohls gescheitert. Dr. Althammer werde nachher kurz über diese Sitzung berichten. Für dieses Jahr bis zum Sommer seien sechs Sondersitzungen der Fraktion in Aussicht gestellt worden: Verjährung, Abrüstung, Familien- und Bevölkerungspolitik, Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum, Nord- Süd-Dialog und China. Dies sei so beschlossen. Bezüglich der Bundespräsidentenwahl spitze sich die Lage immer mehr zu. Carstens bleibe bei seinem Termin. Dieser sei mit den Fraktionen abgesprochen. Die verfas- sungsrechtlichen Einwände von Prof. Schäfer11 gegen den Termin werden nichts an dieser Entscheidung ändern. Dr. Zimmermann berichtet, daß sich der Kanzler gegen- über Carstens dahingehend geäußert habe, daß er eine Erklärung zugunsten seiner Per- son abgeben werde. Des weiteren gibt Dr. Zimmermann bekannt, daß es keine gemein- same Sitzung der CDU- und CSU-Wahlmänner geben werde. Die CSU-Wahlmänner werden eigens zusammentreten. Zur Situation der SPD könne gesagt werden, daß sie dem äußeren und inneren Druck der Kommunisten allmählich erliege. Dies zeige sich an mehreren Punkten: Der Ver- bürgerungsprozeß innerhalb der SPD gehe zu Ende, marxistisches Gedankengut sei im Vormarsch, die Behandlung von Linksextremisten im öffentlichen Dienst sei verfas- sungsfeindlich, das augenfällige Wohlverhalten gegenüber der Sowjetunion suche sei- nesgleichen und die Suche nach Kompromissen mit den Eurokommunisten könne nicht übersehen werden. Koschnick12 stehe als stellvertretender Vorsitzender der SPD nicht mehr zur Verfügung. Koschnick rechne sich von seiner Position in Bremen eine bessere Chance zur Brandt13-Nachfolge aus. Bezüglich des Themas »Abrüstung« werde es in der nächsten Sitzungswoche eine Ak- tuelle Stunde geben. Hier müssen die Widersprüche und das permanente Nachgeben von Wehner14 und Genossen eindeutig angeprangert werden. Zur Verjährungsdebatte könne gesagt werden, daß diese durch die Sendung »Holo- caust« sehr aufgeheizt worden sei. Inzwischen höre man, daß das ARD diese Serie wie- derholen werde. Schmidt und Vogel15 haben die Hoffnung geäußert, daß der Film die Verjährungsdebatte beeinflussen werde. Umfragen bestätigen dies. Strauß habe als einziger in der »Welt am Sonntag« vor der »wachsenden anti-deutschen Welle in Westeuropa« gewarnt und die Einseitigkeit dieser Art von Geschichtsfor- schung hervorgehoben. Dr. Wittmann habe die Bundesregierung aufgefordert, In- und Ausland über die deutschen Bemühungen über die Verfolgung der NS-Verbrechen an-

11 Friedrich Schäfer, MdB (SPD). 12 , Bürgermeister der Hansestadt Bremen, 1975–1979 stellvertretender SPD- Vorsitzender. 13 , Parteivorsitzender der SPD, MdB. 14 , Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. 15 Hans-Jochen Vogel, Bundesjustizminister (SPD).

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gemessen zu unterrichten. Der Bericht der Zentralen Stelle der Justizverwaltungen dür- fe nicht länger vertraulich behandelt werden. Dies alles zeige deutlich, daß sich die Auseinandersetzung immer mehr von der juristischen Problematik entferne. Die politi- schen Gründe treten hervor. Auch über den Entwicklungspolitischen Kongreß der Kirchen müsse im nochmals gesprochen werden. Bahr16 vertrat die Ansicht, daß man Befreiungsbewe- gungen in Afrika unterstützen dürfe, nicht jedoch in Osteuropa. Dies würde den Frie- den gefährden. Die Abrüstungsdebatte werde uns in diesem Jahr vorrangig beschäftigen. Wehner ver- spricht sich von den Abrüstungsinitiativen eine ähnlich wählerwirksame Mobilisierung wie von Brandts Ostpolitik. Wehner fordert Abrüstungsverhandlungen auf politischer Ebene und behauptet, daß das sowjetische Militärpotential rein defensiv sei. Schmidt, Apel17, Genscher18 vertreten zur Zeit noch eine andere Position, drücken sich aber vor einer Entscheidung im Kabi- nett. Bestes Zeichen dafür sei die Kabinettsitzung am letzten Mittwoch auf der Hardt- höhe gewesen. Es sei kein Resümee bekanntgegeben worden. Auch die Bewertung Schmidts: »Ich bin grundsätzlich der Meinung, daß sich die Philosophie, erst einmal aufrüsten und dann vielleicht hinterher abrüsten, nicht so sonderlich bewährt habe im Laufe der letzten Jahrzehnte und Generationen«, sei gefährlich. Nur Ahlers19 habe sich aus der SPD gemeldet und den Standpunkt der Linken zurückgewiesen: »Optionen nützen nichts, Russen lachen über uns, sie verhandeln und rüsten fleißig auf«. Dr. Zimmermann betont, daß die Produktion und die Stationierung eigener Waffen im Mittelstreckenbereich in Angriff genommen werden müsse, bevor über Grauzonen verhandelt werde. Insbesondere sei hier zu berücksichtigen, daß die USA nur dann ihre Aufgaben in Europa erfüllen können, wenn dies ausdrücklich von der Bundesrepublik Deutschland gewünscht werde. Sie werde sich nicht freiwillig und gegen den Willen der Regierung engagieren. Zum Europaparteitag der FDP könne gesagt werden, daß keine konkreten Aussagen getroffen worden seien. Die Betonung von Liberalität und europäischem Bürgertum machen noch keine Politik. Der Mittelstandskongreß der Union in Berlin habe ein sehr starkes Echo gefunden. Dr. Zimmermann berichtet, daß er überrascht gewesen sei, wie stark seine Rede sowohl im Fernsehen als auch in der Presse kommentiert worden sei. Der Besuch von Deng Xiaoping20 in den USA sei von welthistorischer Bedeutung ge- wesen. Die USA werde die führende Rolle in der Modernisierung Chinas spielen. Dr. Zimmermann weist auf den »Spiegel«-Bericht über die Entscheidung in der Mitbe- stimmungsklage hin. Am 1. März falle die Entscheidung. Es sei damit zu rechnen, daß die Klage der Arbeitgeber abgewiesen werde. Entscheidend sei jedoch die Begründung. Hier bestehen berechtigte Hoffnungen, daß das Übergewicht der Kapitaleigner in mit- bestimmten Betrieben festgeschrieben werde.

16 , Bundesgeschäftsführer der SPD, MdB. 17 , Bundesminister der Verteidigung (SPD). 18 Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister des Auswärtigen, Vizekanzler, Bundesvorsitzender der FDP. 19 Conrad Ahlers, MdB (SPD), Mitglied des Verteidigungsausschusses. 20 Deng Xiaoping, stellvertretender Ministerpräsident der Volksrepublik China, Mitglied im Politbüro der Kommunistischen Partei.

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Dr. Althammer berichtet über die Mittwochsitzung. Zu dieser sei kurzfristig eingeladen worden. Er habe auf Wunsch des Landesgruppenvorsitzenden daran teilgenommen. Es habe sich gezeigt, daß der »Schwarze Peter« der CSU-Landesgruppe zugeschoben wer- den sollte. Es wurde immer wieder argumentiert, daß man nicht entscheiden könne, be- vor nicht die CSU gefragt worden sei. Der Vorschlag Dreggers21, der gesamte Vorstand solle zurücktreten, fand keine Zustimmung, über die personellen Umsetzungen sei nur sehr kurz gesprochen worden. Man diskutierte sofort das Sachprogramm. In der Sach- diskussion habe er sich kooperativ gezeigt. Dr. Althammer betont, daß er trotz seiner vielen Arbeit gerne bereit sei, eine Sonderaufgabe innerhalb des Vorstandes zu über- nehmen.

[B.] TOP 2: Plenum der Woche Röhner gibt einen kurzen Bericht über das Plenum der Woche. Drei große Komplexe stehen auf der Tagesordnung. Einmal das Jahresgutachten 1978/79 des Sachverständi- gen Rates und der Jahreswirtschaftsbericht 1979 der Bundesregierung. An der Debatte werden Biedenkopf22, Haberl, Sprung23 und Pieroth24 teilnehmen. Ein weiterer Punkt sei die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines 6. Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Der dritte Schwer- punkt in dieser Woche sei die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU zur Lage der Behinderten und Weiterentwicklung der Rehabilitation. Die Rednerfolge für die beiden letztgenannten Punkte werde in den Arbeitskreisen noch festgelegt. Folgende Schreiben werden von der Landesgruppe zentral beantwortet: Der Brief über die sozia- le Lage der Angehörigen der Bundeswehr vom Deutschen Bundeswehrverband und das Schreiben der Interessenvertretung älterer Menschen vom Bund der Deutschen Ruhe- standsbeamten und Hinterbliebenen. Röhner gibt weiter bekannt, daß Kollege Handlos eine Dokumentation zur Frage SPD und Europa erstellt habe. Diese könne bis zu 1000 Stück bei ihm bestellt werden. Des weiteren macht er darauf aufmerksam, daß nächste Woche nach heutigem Stand keine Landesgruppensitzung stattfinden werde.

[C.] Handlos berichtet über die Sitzung des Europarats. Es wurde über die Verjährung von Mord gesprochen. Es sollte eine rechtsverbindliche Konvention des Europarats verab- schiedet werden. Die CSU-Vertreter haben alleine gestanden. Von den gesamten Abge- ordneten des Europarates haben nur fünf zusammen mit der CSU gestimmt. Insgesamt könne aber festgehalten werden, daß unter den Abgeordneten keine antideutsche Stimmung aufgekommen sei. Der Europarat sei mit etwa einem Viertel seiner Mitglie- der besetzt gewesen. Zum Thema Abrüstung könne man jetzt ganz klar erkennen, daß Wehner hier ein Handlanger Moskaus sei. Wehner liefere uns an die Russen aus. Des weiteren erklärte Handlos, daß er zusammen mit dem Kollegen Dr. Rose zum Jugend- hilfegesetz ein Informationsblatt erstellt habe. Krone-Appuhn fragt, ob die in Aussicht gestellte Tagung mit dem bayerischen Kul- tusminister25 vom 22. bis 24. Februar 1979 in Wildbad-Kreuth stattfinde.

21 , MdB (CDU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundesfraktion. 22 , MdB (CDU). 23 Rudolf Sprung, MdB (CDU). 24 , MdB (CDU). 25 Hans Maier (CSU).

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Dr. Zimmermann antwortet, daß man mit dem Kultusminister in Kontakt stehe. Ein genauer Zeitpunkt sei aber noch nicht festgelegt worden. Dr. Waigel berichtet vom Entwicklungspolitischen Kongreß der Kirchen. Dabei geht er insbesondere auf die Bahr-Äußerungen ein. Er betont in diesem Zusammenhang, daß vor allem das Wort Papst Johannes Pauls II. in Mexiko, die Kirche sei keine Kirche der Gewalt, unsere Position stärke. Lemmrich betont, daß die SPD zur Zeit in der Außen- und Verteidigungspolitik ganz klar einen linken Standpunkt einnehme. Schmidt sei nicht mehr der Rechte, als der er sich gebe. Zum Problem Bürgerpartei von Fredersdorf sagt er, daß die Neugruppierung wohl eher das Potential der CDU/CSU-Wähler treffe als das der Koalition. Klein betont, daß die Themen für die Diskussion in der Fraktion auf einige wichtige Bereiche beschränkt sein müssen. Sehr viele Sachbereiche lassen sich überhaupt nicht durchführen. Er schlägt vor, unter dem Begriff »Bewältigung der Zukunftsangst« die anstehenden Probleme zu diskutieren. Die Zersplitterung der parlamentarischen Arbeit werde draußen nicht mehr verstanden. Engelsberger berichtet aus seinem Wahlkreis. Er stellt die Frage, wie sich Strauß in dieser Situation verhalten werde. Wie können wir den Leuten an der Basis klarmachen, daß die Uneinigkeit in der Fraktion nur eine vorübergehende Sache sei. Zum Thema Bürgerpartei von Fredersdorf äußert sich Engelsberger sehr pessimistisch. Dr. Zimmermann antwortet, daß zur Zeit wohl keiner ein Rezept habe. Jeder könne die Situation sehr genau analysieren, aber ein Vorschlag für eine Lösung sei nicht vor- handen. Er selbst bekomme in immer größerem Ausmaß bei den verschiedensten Ver- anstaltungen demonstrativen Beifall, wenn die Rede irgendwie auf die Vierte Partei komme. Eine Sehnsucht sei sicherlich vorhanden. Es frage sich aber, ob diese Welle der Sympathie anhalte. Darauf könne zur Zeit keine Antwort gegeben werden. Es bleibe deshalb nichts anderes übrig, als die im Frühjahr anstehenden Wahlen abzuwarten. An- dererseits müsse man sich darüber im klaren sein, daß auch eine CSU in Bayern ihre gut 60 Prozent nur dann halten könne, wenn in Bonn und in Europa der Standpunkt der CDU/CSU kräftiger und klarer vertreten werde. Falls dies nicht gelinge, würde sicher- lich die moralische Kraft im Laufe der Zeit schwächer werden. Er bittet darum alle Kollegen eindringlich, nicht der Torheit zu verfallen und schon heute bekanntzugeben, daß 1980 alles verloren sei. Nichts sei in der Politik so alt wie die Ereignisse von ge- stern. In vier Wochen könne die Situation schon wieder ganz anders sein. Man müsse durch diese Talsohle hindurchgehen.

[D.] TOP 3: Das »Internationale Jahr des Kindes« Berichterstatter: Frau Krone-Appuhn (MdB). Krone-Appuhn verteilt das Programm der nationalen Kommission der Bundesrepu- blik Deutschland zum »Internationalen Jahr des Kindes 1979«. Sie weist darauf hin, daß dies lediglich eine Ideensammlung und kein Programm sei. Es sei aufgrund der Zu- sammensetzung der Kommission nicht möglich gewesen, zu einem Konsens zu kom- men. Die Einzelveranstaltungen zum »Internationalen Jahr des Kindes« in Bonn hätten bereits gezeigt, daß das Kind zu den benachteiligtsten Gruppen der Gesellschaft abge- stempelt werden solle, welche Forderungen an den Staat, die Gesellschaft und die El- tern zu richten haben. Wir haben dieser Tendenz mit aller Entschiedenheit entgegenzu- treten. Krone-Appuhn bittet deshalb, dieses Thema in den Versammlungen ausführlich zu behandeln.

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Hartmann bekräftigt die Ausführungen von Krone-Appuhn. Er sagt, man müsse ein positives Bild der Familie vermitteln. Biehle faßt nochmals zusammen: Er betont, daß die Familie im Vordergrund stehen müsse und nicht das Kind. Dr. Zimmermann sagt zu, dieser Frage in der Landesgruppe in der Zukunft besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

[E.] TOP 9: Verlagerung des Personenverkehrs von der Schiene auf die Straße Berichterstatter: Dr. Dionys Jobst (MdB). Dr. Jobst berichtet über das zur Zeit laufende Anhörungsverfahren. Er sagt, daß 1976 der Plan vorgelegt worden sei, 16 000 Kilometer stillzulegen. 1978 gehe man davon aus, daß 3 000 Kilometer ganz stillgelegt werden sollen, und des weiteren auf 6 000 Kilome- tern der Personenverkehr. Die Bundesregierung sei also im Laufe der Zeit von ihren Positionen abgerückt. Durch diese Maßnahmen sei eine Einsparung von 500 Millionen DM zu veranschlagen. Er betont, daß das gesamte Problem eine differenzierte Betrach- tungsweise erfordere. Er sagt, daß die Stillegung teilweise Vorteile, teilweise auch Nachteile bringe. Man könne deshalb nicht von vornherein gegen oder für die Stille- gung sein, sondern man müsse jeden Einzelfall prüfen und dann entscheiden, welcher Weg gegangen werden solle. Dabei sei darauf zu achten, daß das festgelegte Verfahren eingehalten werde. Höpfinger berichtet über Probleme aus seinem Wahlkreis. Er spricht davon, daß die Stillegungen in der Regel Nachteile mit sich bringen. Er befürwortet und regt an, daß die CSU-Landesgruppe zu diesem Komplex eine gemeinsame Stellungnahme abgibt. Lemmrich geht auf die finanziellen Probleme ein. Der echte Verlust der Bundesbahn liege bei 4,6 Milliarden DM. Der Rest bestehe aus sozialen Zuschüssen, zu denen der Bund gesetzlich verpflichtet sei. Der Kostendeckungsgrad sei in der Stadt höher als in den ländlichen Räumen. Bei der Entscheidung müssen die raumordnerischen und strukturpolitischen Aspekte berücksichtigt werden. Lintner gibt zu bedenken, daß mit einer Streckenstillegung für den Personenverkehr der erste Schritt getan werde, um die gesamte Strecke – auch für den Güterverkehr – stillzulegen. Dies sei für die Grenzgebiete nicht vertretbar. Biehle betont, daß neben den betriebswirtschaftlichen Kosten auch die volkswirtschaft- lichen Gesichtspunkte Berücksichtigung finden müssen. Rainer macht darauf aufmerksam, daß die ländlichen Räume benachteiligt werden. Er gibt ein Beispiel für die personalintensive Verwaltung der Deutschen Bundesbahn. Hier seien Einsparungsmöglichkeiten. Regenspurger macht auf eine Tatsache aufmerksam: Die Werra-Talbahn, die seit 1946 nicht mehr befahren werde, sei noch heute in der Defizitrechnung der Bundesbahn enthalten. Er betont, daß die CSU nicht Hilfstruppe der Regierung werden dürfe. Dr. Warnke faßt die Diskussion zusammen: Der Bus sei teurer, der Bus koste mehr Zeit, der Bus sei unbequemer und der Bus sei gemeindefeindlicher. Diese Aspekte müs- sen gesehen werden. Wenn man sparen wolle, so müsse man auch die Ballungsräume mit einbeziehen. Dr. Waigel unterstützt diese Aussagen und sagt, wenn gespart werden soll, dann über- all. Auch die Ballungsräume tragen zum jährlichen Defizit einen erheblichen Teil bei.

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Dr. Jobst widerspricht. Die Kostendeckung sei in den Ballungsräumen besser als in den ländlichen Räumen. Er betont nochmals, daß man jede Stillegung differenziert sehen müsse. Man könne nicht einerseits fordern, die Defizite der Bundesbahn abzubauen und sich andererseits gegen Vorschläge wehren. Wenn man grundsätzlich sage, das De- fizit müsse verringert werden, so seien auch Streckenstillegungen ein Weg. Röhner schlägt vor, daß die Kollegen Dr. Jobst, Lintner und Dr. Warnke hierzu eine Stellungnahme der Landesgruppe ausarbeiten, mit der dann im Wahlkreis argumentiert werden könne.

[F.] TOP 5: Mutterschafts- [und] Familiengeld Berichterstatter: Stefan Höpfinger (MdB), Albert Schedl (MdB). Höpfinger skizziert das geltende Recht: Sechs Wochen vor der Geburt, acht Wochen nach der Geburt, für diese Zeit Kündigungsschutz. Ein Mutterschaftsgeld wird nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung gezahlt. Was bringe nun der Vor- schlag der Bundesregierung? Dieser sehe eine Freistellung von 6 Monaten vor, wobei monatlich 750 DM an die berufstätigen Frauen überwiesen werden sollen. Daneben werden die Beiträge zur Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosen- versicherung gezahlt. Der Kündigungsschutz werde auf 6 Monate ausgedehnt. Dieser Vorschlag habe einen erheblichen Nachteil. Er begünstige nur die berufstätige Frau. Die CSU fordere deshalb, daß das Familiengeld an alle Frauen gezahlt werde. Die Freistellung müsse auf 6 Monate bis 12 Monate bei einer entsprechenden arbeitsrechtli- chen Absicherung ausgedehnt werden. Dadurch können bestimmte Mittelstandsberei- che in Schwierigkeiten geraten. Hier könne aber eine befriedigende Lösung gefunden werden. Dieser Vorschlag sei familienpolitisch gerecht und politisch gut zu vertreten. Die Kosten für diese Lösung würden bei 1,8 Milliarden DM liegen. Schedl tritt dafür ein, daß alle Frauen ein Mutterschaftsgeld erhalten. Er sieht jedoch in der arbeitsrechtlichen Absicherung bezüglich des Kündigungsschutzes Probleme. Er plädiert dafür, daß es bei der jetzigen Lösung von 4 Monaten bleibt. Geisenhofer stimmt Höpfinger zu. Lemmrich betont, daß dies kein Zustimmungsgesetz sei. Zwar müsse der Bundesrat seine Stellungnahme abgeben, aber ansonsten falle die Entscheidung allein im Bundes- tag. Krone-Appuhn unterstützt die Ausführungen von Höpfinger und Geisenhofer. Dr. Bötsch erinnert nochmals an die Haushaltsberatungen, wo ein Schwerpunkt die hohe Staatsverschuldung gewesen sei. Neue Lasten müssen von allen getragen werden, nicht nur von einem Teil der Gesellschaft. Wolle man eine familienpolitische Lösung finden, so müssen die Kosten auf alle umgelegt werden, nicht nur auf den Mittelstand. Schleicher plädiert dafür, zunächst noch die Stellungnahme der Länder abzuwarten. Gerlach betont nochmals, daß es ein Grundsatz sein müsse, das Mutterschaftsgeld auf alle Frauen auszudehnen. Über die arbeitsrechtliche Absicherung müsse gesprochen werden. Bei der Deutschen Bundesbahn gehe man mit dem Geld sehr großzügig um, auch bei der Subventionierung der Kohle schaue man kaum aufs Geld. Bei den fami- lienpolitischen Überlegungen knausere man aber um 1,8 Milliarden DM. Man müsse hier grundsätzlich entscheiden, ob man etwas für die Familie tun wolle, wenn ja, dann könne er seine Stimme nur einer umfassenden Lösung geben.

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Höpfinger betont nochmals, daß das Mutterschaftsjahr schon von sehr vielen Verbän- den gefordert werde. Dr. Zimmermann schlägt vor, die Tagesordnungspunkte 6 und 7 zu vertagen. Es erhebt sich kein Widerspruch.

[G.] TOP 8: Verschiedenes Dr. Bötsch fragt, ob die Fristen bezüglich der Einladung der Delegiertenversammlun- gen für Bundestag und Europa inzwischen geklärt seien. Gerlach erwidert, daß dieses Problem im Innenausschuß beraten werde. Rainer macht auf das sogenannte Feuerschutzsteuergesetz aufmerksam. Dies sei ein Problem für die freiwilligen Feuerwehren. Dr. Zimmermann beendet die Sitzung um 23.00 Uhr.

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