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IAN BOSTRIDGE

28. FEBRUAR 2019 ELBPHILHARMONIE KLEINER SAAL Donnerstag, 28. Februar 2019 | 19:30 Uhr | Elbphilharmonie Kleiner Saal Liederabende | 3. Konzert

18:30 Uhr | Einführung mit Meike Pfister im Kleinen Saal

IAN BOSTRIDGE TENOR BRAD MEHLDAU KLAVIER

Brad Mehldau (*1970) The Folly of Desire (Uraufführung) (2019) Auftragskomposition von Elbphilharmonie Hamburg, , Stanford Live at Stanford University und Carnegie Hall

The Sick Rose – Leda and the Swan – Sonnet 147 – Sonnet 75 – Über die Verführung von Engeln – Ganymed – Ganymede – the boys i mean are not refined – Sailing to Byzantium – Night II ca. 35 Min.

Pause

Robert Schumann (1810–1856) Ausgewählte Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine Dein Angesicht op. 127/2 Lehn’ deine Wang’ op. 142/2 Es leuchtet meine Liebe op. 127/3 Mein Wagen rollet langsam op. 142/4 ca. 10 Min.

Dichterliebe op. 48 / Liederzyklus nach Gedichten von Heinrich Heine (1840) Im wunderschönen Monat Mai – Aus meinen Tränen sprießen – Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne – Wenn ich in deine Augen seh’ – Ich will meine Seele tauchen – Im Rhein, im heiligen Strome – Ich grolle nicht – Und wüssten’s die Blumen – Das ist ein Flöten und Geigen – Hör’ ich das Liedchen klingen – Ein Jüngling liebt ein Mädchen – Am leuchtenden Sommermorgen – Ich hab’ im Traum geweinet – Allnächtlich im Traume – Aus alten Märchen – Die alten, bösen Lieder ca. 30 Min.

Wir bitten Sie, nicht zwischen einzelnen Liedern zu applaudieren.

7797 BMW 8er HH Elbphil Front 148x210 Programmheft 201812.indd 1 04.12.18 11:51 Es ist das Besondere, WILLKOMMEN das Wellen schlägt.

Der Tenor Ian Bostridge und der Jazzpianist Brad Mehldau gelten als Ausnahme­ erscheinungen ihrer jeweiligen Zunft, als grandiose Musiker und feinsinnige Intel­ lektuelle. 2015 begegneten sie sich zufällig und blieben in Kontakt. Daraus ist nun ein Liederzyklus mit dem Titel »The Folly of Desire« entstanden, den Mehldau für sei­ nen befreundeten Kollegen komponierte und der heute zum ersten Mal öffentlich erklingt. Auf Basis ganz unterschiedlicher Gedichtvorlagen von Shakespeare über Goethe bis Brecht kreist er um die ver­ schlungenen Wege der Liebe, Verlangen, Anbetung und Gewalt – und bildet so ein vielschichtiges Gegenüber zu Schumanns »«, einem der bedeutendsten liebestrunkenen Liederzyklen der Romantik.

Der offizielle Weinpartner der Elbphilharmonie

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AZ_A5_Elbphilharmonie_Hawesko_Image_148x210mm_RZ.indd 1 15.05.18 15:57 DIE KÜNSTLER

Der 1964 in London geborene Tenor Ian Bostridge gehört zu den führenden IAN BOSTRIDGE TENOR Opern- und Liedsängern unserer Zeit. Seine internationale Karriere führte ihn zu den Festspielen nach Salzburg, Edinburgh, Wien und Aldeburgh. Residenz­ künstler war er an so renommierten Häusern wie dem Wiener Konzerthaus, der Carnegie Hall New York, dem Concertgebouw Amsterdam, dem Barbican Centre und der Wigmore Hall in London. Darüber hinaus gestaltete er Konzertreihen in Amsterdam, London, Luxemburg und der Hamburger Laeiszhalle. Im Opernbereich gab Ian Bostridge zahlreiche Rollen wie Tom Rakewell (Stra­ winsky: The Rake’s Progress) und Nerone (Monteverdi: L’incoronazione di Poppea) an der Bayerischen Staatsoper, Don Ottavio (Mozart: Don Giovanni) an der Wiener Staatsoper, Tamino (Mozart: Die Zauberflöte) an der sowie weitere Partien am Royal Opera House Covent Garden in London. Höhepunkte der vergangenen Spielzeit waren etwa die Aufführung von Hec­ tor Berlioz’ Nuits d’été mit dem Seattle Symphony Orchestra unter Ludovic Mor­ lot, die Titelrolle in Händels Jephta an der Opéra National de Paris und Benja­ min Brittens War mit der Staatskapelle Berlin unter . Ian Bostridge trat schon mehrfach in der Laeiszhalle und auch zweimal in der Elbphilharmonie auf: Zum Abschluss des Festivals »Lux aeterna« vor genau zwei Jahren sang er die Titelpartie in Brittens Kirchenparabel Curlew River, gestal­ tete ebenfalls 2017 einen Liederabend mit und gab zuletzt vergangenes Jahr Hans Zenders Version der in der Laeiszhalle. Bostridges zahlreiche Aufnahmen wurden mit allen international führenden Schallplattenpreisen ausgezeichnet und für insgesamt 15 Grammys nominiert, darunter Einspielungen von Franz Schuberts Die schöne Müllerin mit dem Pia­ nisten Graham Johnson und das Album Shakespeare Songs mit Pappano. Vor seiner Gesangskarriere studierte Ian Bostridge Geschichte und Philoso­ phie in Oxford und Cambridge, wo er auch promovierte. Anschließend forschte er am Fachbereich Geschichte des Corpus Christi College in Oxford und wurde 2001 zum Ehrenmitglied ernannt, ebenso wie später vom St John’s College. Seine intensive Beschäftigung mit der Geschichte von Liedern im Allgemeinen und mit dem Liedschaffen Franz Schuberts im Besonderen schlug sich in seinem Buch Schubert’s Winter Journey: Anatomy of an Obsession nieder, das 2016 mit dem Pol Roger Duff Cooper Prize für nonfiktionale Texte ausgezeichnet wurde. Zudem erhielt Ian Bostridge den Ehrendoktortitel der . 2004 wurde er als Commander of the Order of the British Empire geehrt. DIE KÜNSTLER

Mit seinen improvisatorischen Höhenflügen zwischen Jazz, Pop BRAD MEHLDAU KLAVIER und Klassik hat sich Brad Mehldau als eine der lyrischsten und intimsten Stimmen des zeitgenössischen Jazz etabliert. Als Bandleader arbeitete er mit Künstlern wie Pat Metheny, Renée Fleming und Joshua Redman; als Pianist zeichnet ihn vor allem der Hang zu expressiven Extremen aus – in seinen Programmen etwa greifen hochkomplex verarbeitete Motive und schlichte Balladen von unmittelbarer Emotionalität ineinander. Neben der Bearbeitung bekannter Stücke von Musikgrößen wie den Beatles, Cole Porter, Radiohead und Gershwin kon­ zentriert sich Mehldaus Schaffen auf die Komposition eige­ ner Werke. Diese sind gleichermaßen von seiner Leidenschaft für Improvisation und der Faszination für Struktur geprägt. Im spannungsreichen Zusammenspiel dieser scheinbaren Gegen­ sätze sucht Mehldau das »kontrollierte Chaos«. Auftragskompositionen schrieb Brad Mehldau für zahl­ reiche renommierte Häuser. So entstanden 2005 zwei Werke für Gesang und Klavier für die New Yorker Carnegie Hall, The Blue Estuaries und The Book of Hours: Love Poems to God. Diese wurden von der Sopranistin Renée Fleming uraufgeführt und erschienen auf dem Album Love Sublime. Ebenfalls von der »Mehldau ist der einfluss­ Carnegie Hall in Auftrag gegeben, folgten 2010 Uraufführung reichste Jazzpianist der und CD-Einspielung des Liederzyklus Love Songs, geschrieben letzten 20 Jahre.« für die Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter. – The New York Times Darüber hinaus bewährte sich Brad Mehldau auch mit groß­ formatigen Orchesterwerken. So wurden 2013 seine Variations on a Melancholy Theme für Klavier und Orchester mit dem Orpheus Chamber Orchestra und der urauf­ geführt. Als gemeinsames Auftragswerk der Carnegie Hall, des Royal Conservatory of Music, der National Concert Hall und der Wigmore Hall entstanden 2015 die Three Pieces After Bachzu denen sich Brad Mehldau von Bachs Wohltemperiertem Klavier inspirieren ließ. DIE MUSIK

THE FOLLY OF DESIRE

Von Brad Mehldau

Liebende müssen einander vertrauen, wenn sie sich hingeben – oder sie müs­ sen den Mut haben, sich etwas zu nehmen, ohne darum zu bitten. Dass es für dieses Geben und Nehmen keinen ausformulierten Vertrag gibt, birgt ein gewis­ ses Risiko. Es beflügelt das Verlangen, kann aber auch zum Regelverstoß füh­ ren. Der Idealfall geht vom Einverständnis aus, das jedoch nicht ausgesprochen wird. Dieser Umstand macht es für Dichter, Künstler und Musiker zu etwas Heili­ gem – stumm, unberührt vom Alltagsdiskurs. Das Verlangen – egal, ob unerfüllt oder im Rausch vollzogen – ist ein wichtiger Topos der Musik und lässt sich mit den Grundprinzipien der Tonalität ausdrücken: Spannung und Auflösung, wieder Spannung und wieder Auflösung. In ihrer wortlosen Abstraktheit bildet Musik sehr anschaulich den Austausch von Intimitäten nach. Im ersten Entwurf meines Zyklus The Folly of Desire (zu deutsch etwa: Die Brad Mehldau Narrheit der Begierde) sollte die Abfolge der Lieder einen spirituellen Aufstieg beschreiben – von der puren Lust zur reinen, lustfreien Liebe. Doch das hätte der Musik eine moralische Wertung unterstellt: dass sinnliches Verlangen per Dieser private Bereich ist ein hohes Gut liberaler Gesellschaften, aber er ist se niedrig und würdelos sei, Liebe ohne Verlangen hingegen die höchste Errun­ heutzutage nicht mehr unangreifbar. Sobald öffentlich über Sex geredet wird, genschaft. Das wäre zu einfach. Musik muss stets Raum lassen für neue Fragen, bekommt der Diskurs eine politische Dimension, denn dann redet man auch anstatt sie mit normativer Entschiedenheit zu beantworten. über das Grundrecht auf Privatsphäre. Damit eng verknüpft ist das Recht auf Die nächste Idee war, sich nur mit der Lust zu befassen, um sich ihr unver­ freie Meinungsäußerung. Für das Ausleben der eigenen Sexualität braucht es stellt und ohne Rechtfertigung nähern zu können. Ohne Rechtfertigung – hieße genauso wie für die freie Rede ein tendenziell anarchisches Umfeld, ohne feste das nicht, etwas zu bejubeln, das ein anderer vielleicht verurteilt? Ziel sollte Regeln oder staatliche Überwachung. Wenn sich jemand asozial verhält, indem doch sein, weder zu verurteilen noch zu verherrlichen und dabei das Thema er einen anderen sexuell belästigt, muss die Ordnungsmacht natürlich einschrei­ trotzdem so zu behandeln, dass man nie der Frage aus dem Weg geht, was sich ten und diese Handlungen unterbinden. Und wenn sich einzelne Kinder dane­ gehört und was nicht. benbenehmen, wird eben die ganze Klasse bestraft. Der Diskurs darüber, was in der Liebe geschehen darf und was nicht, hilft Wir leben in einem sehr speziellen Moment der Geschichte, denn heute tun bei der Herstellung eines (vorläufigen) Konsenses. Vielleicht muss dabei nur die Meinungsführer genau das Gegenteil: Sie heizen antisoziales Verhalten an. geklärt werden, was man unter »einvernehmlich« versteht. Es sollte aber einen In der Folge ist der Urnengang als Willensäußerung des Wählers zum erhobe­ persönlichen Rahmen geben, in dem man jemanden lieben und sich etwas neh­ nen Mittelfinger verkommen. Die zwanglose, spielerische Form der Anarchie ist men darf, ohne zu fragen. von innen heraus bedroht. DIE MUSIK

Romantische Ironie und Selbstkritik zeitig unterdrückt man sie aber, was ein wenig verklemmt wirkt. Souverän zu handeln und Macht über sich selbst zu haben, ist das Thema des Diese narrative Dissonanz nimmt ein Stilmittel des modernen überaus leidenschaftlichen Ich-Erzählers in Heinrich Heines Textvorlage zu Films vorweg, der oft ganz bewusst Dinge nebeneinanderstellt, Schumanns Zyklus Dichterliebe. Ständig läuft er Gefahr, sich in der Liebe zu einer die nicht zusammenpassen, etwa wenn der Regisseur Martin jungen Frau selbst zu vergessen und den Verstand zu verlieren. Meisterhaft hat Scorsese eine Gewaltszene mit fröhlicher Popmusik untermalt. Schumann diese Verstörung in musikalische Stimmungen übersetzt: mal unge­ Den Tätern in der #MeToo-Debatte und in der katholischen stüm und euphorisch, mal träumerisch oder schlicht unwirklich. Kirche dienten Fantasiegebilde und bewusste Selbsttäuschun­ Zu Heines »romantischer Ironie«, wie man sie später nannte, gehört auch, gen als Rechtfertigung für ihre Handlungen, ganz ähnlich wie dass sich der Dichter selbst kritisiert: In ein und demselben Gedicht bringt er vor beinahe 200 Jahren die Hauptfigur der Dichterliebe. Ein seine leidenschaftlichen Gefühle zum Ausdruck und schilt sich gleichzeitig für wenig Heine’sche Selbstreflektion hätte ihnen vielleicht gehol­ deren Unvernunft. So schmerzhaft dieses Korrektiv auch sein mag, es ist doch fen, von ihrem zerstörerischen Tun abzulassen. Durch die weniger destruktiv, als vor lauter Sehnsucht nach dem unerreichbaren Objekt romantische Ironie gewannen Autoren eine neue Freiheit, denn der Begierde völlig den Verstand zu verlieren. Heines sarkastische Rückkehr zur so konnten sie kurz aus dem selbst gewählten Rahmen ihrer Realität kommt in Schumanns Musikdramaturgie immer dann am besten zur Dichtung heraustreten. Und genauso könnte man auch im wirk­ Geltung, wenn sie bis zum Ende des Gedichts aufgespart bleibt, etwa in Wenn ich lichen Leben der fiktiven Geschichte entkommen, die man sich in deine Augen seh’ und Ich grolle nicht. Darin verändert Schumann den musika­ selbst über das Objekt der eigenen Begierde erzählt. Vielleicht lischen Gestus zum Schluss eben nicht – was den plötzlichen Stimmungsum­ sollten wir uns einfach ab und zu selbst hinterfragen, wenn wir Heinrich Heine schwung der Texte umso tragischer wirken lässt. Das ist ein typischer Zug der das Recht auf unsere Privatsphäre und Redefreiheit behalten deutschen Romantik: Einerseits bekennt man sich zu seinen Gefühlen, gleich­ wollen. Meine neu komponierten Lieder für Männerstimme und Klavier loten aus, wie weit man die romantische Ironie nach #MeToo noch treiben darf. Die Ausgangslage ist unverändert: Demonstration im Rahmen der #MeToo-Bewegung Ein Subjekt läuft Gefahr, sein Verlangen zu überhöhen, statt es zu sublimieren, was eigentlich angemessen wäre. Es kann nicht mehr klar sehen und begeht eine Dummheit. Insgeheim berei­ tet ihm diese Dummheit aber Vergnügen – es will ja gar nicht mehr klar sehen. Doch um welchen Preis?

Akt oder Gewaltakt? Einige Anmerkungen zu den einzelnen Gedichten: Der Liebende in den beiden Shakespeare-Sonetten reflektiert sich ständig selbst, was laut Harold Bloom ein gemeinsamer Charakterzug aller berühmten Shakespeare-Figuren ist. Im Sonett 147 klagt der Erzähler, er habe den Verstand verloren: »Der Liebe Arzt verließ mich, der Verstand, / Im Zorn, weil er vergebens mich berät; / Und in Verzweiflung hab ich es erkannt.« Ihm ist zwar klar, dass sein Verlangen Wahnsinn ist, doch er wählt den Unter­ gang. Selbstironie hilft in diesem Fall nicht weiter und mündet stattdessen in Untätigkeit: Unentwegt analysiert er seine Krank­ heit, will aber die bittere Medizin dagegen nicht schlucken. DIE MUSIK

Wenn stilles, echtes Einvernehmen das höchste Ideal ist, dann ist Vergewaltigung sein absolutes, brutales Gegenteil. Yeats’ mythologisches Gedicht Leda and the Swan verstört, weil es Zeus’ brutaler Überwältigung des Mädchens etwas Düster-­ Erhabenes verleiht. Sie ist dem Gott so nahe gekommen – vielleicht »wurde ihr bei aller Gewalt auch etwas von seinem Wissen zuteil«? In Über die Verführung von Engeln verfolgt Ber­ tolt Brecht mit seinem bitterbösen Humor ein klares Ziel: Er beschreibt hier die Falschheit des Vergewaltigers, der sich selbst frei spricht und dem Leser voller Sarkasmus präzise Anweisungen gibt, was man zu sagen und zu tun hat, um ans Ziel zu gelangen. Die Rollen sind diesmal umgekehrt: Wo Zeus der Täter war, ist jetzt der Engel das Opfer, eine erhabene Figur, der man nie in die Augen schauen darf, erst recht nicht beim gewaltsamen Geschlechtsverkehr. Goethes Ganymed sehnt sich nach dem Vater: »Aufwärts an deinen Busen, allliebender Vater!« Zeus ist hier weniger Täter Leda und der Schwan (nach einem verschollenen Gemälde von Michelangelo) als vielmehr pantheistisches Idealbild – die ewige Natur als Ausdruck des Göttlichen, in dem Ganymed versinkt und rausch­ haft vergeht. Dieser vergeistigte Zeus ist recht weit entfernt von seinem antiken Urbild. Aber es war schon immer schwer zu Audens Ganymede lässt uns mit dem unguten Gefühl zurück, dass das Opfer glauben, dass der Jüngling so begeistert von seiner Himmel­ eines Gewaltaktes später selbst zum Täter wird und sich dieser Kreislauf bis ins fahrt sein sollte – hatte er nicht doch vielleicht ein wenig Angst, Unendliche fortsetzen kann. William Blake sieht Lust und Gewalt als zerstöre­ genau wie Leda? Ganymeds »Liebeswonne« ist verknüpft mit rische Kräfte, gegen die wir machtlos sind; sie sind allgegenwärtig und »lassen »heilig Gefühl«, und beides ist »unendliche Schöne«. Es scheint, die Berge erzittern«, wie E. E. Cummings meint, der die beiden in seinem rup­ als hätten spirituelle und irdische Sehnsucht dasselbe Ziel: »Du pigen Gedicht auf sehr drastische Weise zusammenführt. Die Unschuld vor dem kühlst den brennenden Durst meines Busens.« Sündenfall ist dahin; Blakes Rose ist krank. Yeats ruft die heiligen Weisen an, Was steckt hinter diesem Durst – ist Lust vielleicht ihrem damit sie ihm Geleit geben in Sailing to Byzantium, denn sein Herz ist »krank vor Wesen nach ein heiliger Impuls? Nicht, wenn wir das Heilige Sehnsucht: Es weiß nicht, was es ist«. Blake antwortet ihm als Stimme aus der als Ausdruck von Güte und Wohlwollen begreifen. Verlangen ist Vergangenheit mit Night II: Man kann sich über sich selbst klar werden, doch Rubens: Der Raub des Ganymed von Natur aus blind, es gibt nichts und will stets besitzen. Wir dafür »zahlt der Mann, mit allem was er hat – seinem Haus, seiner Frau, seinen können die Gottheit nur bitten, dass sie uns Augen gibt, unseren Kindern«. Beide Dichter benutzen das Wort »artifice« (Künstlichkeit), was bei Wahnsinn zu erkennen. Doch die scharfe Trennung in heilig und Blake »List und Tücke« meint, während es bei Yeats die »Kunstwerke der Ewig­ fleischlich kann ihrerseits zu spiritueller Blindheit führen und keit« bezeichnet. Der brennende Durst bleibt unstillbar, egal, ob der Körper oder zu einer weiteren Strategie der Verleugnung, sodass man am die Seele ihn fühlt – oder am Ende beide. Ende nur noch glaubt, was man glauben will. Oder was sonst ÜBERSETZUNG: EVA REISINGER haben all diese Priester getan? DIE MUSIK

HAPPY END MIT HINDERNISSEN

Robert Schumann: Dichterliebe op. 48 Liederzyklus nach Gedichten von Heinrich Heine

Schon in seiner Schulzeit hatte Robert Schumann die Gedichte von Heinrich Erstaunlich ist diese düster- Heine regelrecht verschlungen. In seinen Augen besaß Heines Lyrik mit ihren dramatische Themenwahl schwärmerischen wie schwermütigen, aber auch volksliedhaften Zügen all das, insofern, als Schumann privat was das romantische Lebensgefühl schlechthin ausmachte. So war es nur folge­ eigentlich keinen Grund hatte, richtig, dass Schumann auf Basis von Heine-Texten zwei große Liedzyklen schuf: Trübsal zu blasen. Zwar war den Liederkreis und die Dichterliebe, die im ersten Teil des heutigen Abends das Jahr 1839 furchtbar gewe­ erklingt. sen: Sein Bruder Eduard war Schumann verfügte als Dichter, Denker und Journalist selbst über eine große gestorben und die Verbindung Affinität zum geschriebenen Wort. Er hatte also wenig Hemmungen, bei der zu seiner geliebten Clara Komposition von Dichterliebe im Frühsommer 1840 insgesamt 16 Gedichte aus wurde durch den Einspruch Heines Sammlung Lyrisches Intermezzo herauszugreifen und in seinem Sinne ihres Vaters und seine teils neu anzuordnen. Mit ihnen erzählt Schumann die Geschichte einer Liebe, die juristischen, teils intriganten Im wunderschönen Monat Mai beginnt. »Da ist in meinem Herzen die Liebe auf­ Versuche, die beiden ausei­ gegangen«, singt das lyrische Ich zu Anfang des ersten Liedes. Doch am Ende nanderzubringen, auf eine bleibt alles Sehnen unerfüllt, werden alle Liebesträume begraben. Der Zyklus harte Probe gestellt. Doch im endet düster mit den Worten: »Wisst ihr, warum der Sarg wohl so groß und Folgejahr 1840 wandte sich schwer mag sein? Ich senkt’ auch meine Liebe und meinen Schmerz hinein.« Clara und Robert Schumann (um 1850) endlich alles zum Besseren: Auf Basis von Heines nuancenreichen Texten schildert Schumann die emo­ Nach einem Gerichtsent­ tionalen Entwicklungsstadien einer Liebe, die vom anfänglichen Gefühlsüber­ scheid durfte das junge Paar schwang schnell umschlägt in eine zweifelnde, schließlich sogar depressive heiraten. Bei Schumann löste das Glück einen wahren Schaffensrausch aus. Atmosphäre. Spätestens mit dem 13. Lied ist klar, wie die Geschichte enden In diesem »Liederjahr« entstand die Hälfte seiner insgesamt etwa 260 Lieder – wird. Ich hab’ im Traum geweinet wird zum Albtraum, der auch vor der Realität obwohl er einem Freund gegenüber erst kurz zuvor eingeräumt hatte: »Gesangs­ nicht halt macht, denn selbst das Erwachen bringt keine Erlösung: »Ich wachte kompositionen habe ich, so lange ich lebe, nie für eine große Kunst gehalten.« auf, und noch immer strömt meine Tränenflut.« Dabei betritt das lyrische Ich Ja, die Macht der Liebe … nicht nur als Erzähler die Bühne, sondern reflektiert gleichzeitig über das eigene Bis zum Happy End der Dichterliebe freilich sollten noch einige Jahre verge­ Singen und Erzählen. Dieselbe Funktion übernehmen die für viele Heine-Verto­ hen. Obwohl Schumann den Zyklus ja als Ganzes konzipiert hatte, fand die erste nungen typischen langen Klaviernachspiele. So entsteht ein enges Beziehungs­ Gesamtaufführung erst lange nach seinem Tod statt: 1861 in Hamburg, mit dem geflecht zwischen Wort und Musik, zwischen Vergangenheit und (unerfüllter) Sänger Julius Stockhausen und Johannes Brahms am Klavier. Zukunftsvision, zwischen Traum und Realität. CLEMENS MATUSCHEK GESANGSTEXTE STEINWAY & SONS ELBPHILHARMONIE LIMITED EDITION BRAD MEHLDAU The Folly of Desire

The Sick Rose Die sieche Rose Text: William Blake (1757–1827) Übersetzung: Alexander von Bernus

O Rose, thou art sick. O Rose, du siechst: The invisible worm, Der unsichtbare Wurm That flies in the night Der fliegt bei der Nacht In the howling storm: Im heulenden Sturm, Has found out thy bed Entdeckte dein Bett Of crimson joy: Karmesinroten Glücks, And his dark secret love Seine nachtdunkle Lust Does thy life destroy. Zehrt dich auf hinterrücks.

Leda and the Swan Leda und der Schwan Text: William Butler Yeats (1865–1939) Übersetzung: Norbert Hummelt © Luchterhand Literaturverlag

A sudden blow: the great wings beating still Ein jäher Stoß: die Schwingen schlagen noch Above the staggering girl, her thighs caressed Über der Taumelnden, Lenden liebkost By the dark webs, her nape caught in his bill, Von dunkler Schwimmhaut, Schnabel um’s Genick, He holds her helpless breast upon his breast. Hält er sie, hilflos, Brust auf seiner Brust. How can those terrified vague fingers push Wie schieben so verzagte Finger nur The feathered glory from her loosening thighs? Die Federpracht aus fast gelöstem Schoß? LUCAS & ARTHUR JUSSEN · IGOR LEVIT · JAN LISIECKI · BRAD MEHLDAU And how can body, laid in that white rush, Wie kommt ihr Leib, so weiß umrauscht, umhin, DANIIL TRIFONOV · · ANNA VINNITSKAYA · YUJA WANG But feel the strange heart beating where it lies? Das fremde Herz zu spüren, wo es liegt? A shudder in the loins engenders there Ein Schauder in der Lendengegend zeugt The broken wall, the burning roof and tower Zerstörte Mauern, Feuer, Turm und Dach And Agamemnon dead. Und Agamemnon tot. Being so caught up, So ausgetrickst, So mastered by the brute blood of the air, So übermannt vom rohen Blut der Luft, Did she put on his knowledge with his power Nahm sie sein Wissen auf mit seiner Macht, Before the indifferent beak could let her drop? Eh sie der kalte Schnabel fallen lassen kann?

SuS_ELPHI_EDITION_Programmheft_A5_SLH_4c.indd 2 15.01.19 13:31 GESANGSTEXTE

Sonnet 147 Sonett 147 Über die Verführung von Engeln Ganymed Text: William Shakespeare (1564–1616) Übersetzung: August Schlegel / Ludwig Tieck Text: Bertolt Brecht (1898–1956) Text: Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)

My love is as a fever, longing still Die Liebe brennt wie Fieber und verlangt Engel verführt man gar nicht oder schnell. Wie im Morgenglanze For that which longer nurseth the disease, Nach dem allein, was heft’ger sie entfacht, Verzieh ihn einfach in den Hauseingang Du rings mich anglühst Feeding on that which doth preserve the ill, Und nimmt, in wechselnder Begier erkrankt, Steck ihm die Zunge in den Mund und lang Frühling, Geliebter! The uncertain sickly appetite to please. Nur Nahrung, die ihr Leiden schlimmer macht. Ihm untern Rock, bis er sich nass macht, stell Mit tausendfacher Liebeswonne Ihm das Gesicht zur Wand, heb ihm den Rock Sich an mein Herz drängt My reason, the physician to my love, Der Liebe Arzt verließ mich, der Verstand, Und fick ihn. Stöhnt er irgendwie beklommen Deiner ewigen Wärme Angry that his prescriptions are not kept Im Zorn, weil er vergebens mich berät; Dann halt ihn fest und lass ihn zweimal kommen Heilig Gefühl, Hath left me, and I desperate now approve, Und in Verzweiflung hab ich es erkannt, Sonst hat er dir am Ende einen Schock. Unendliche Schöne! Desire is death, which physic did except. Begier ist Tod, die jeden Rat verschmäht. Ermahn ihn, dass er gut den Hintern schwenkt Dass ich dich fassen möcht’ Past cure I am, now reason is past care, Unheilbar bin ich, und unheilbar wird Heiß ihn dir ruhig an die Hoden fassen In diesen Arm! And frantic-mad with evermore unrest, Der Wahn in mir zu wilder Raserei, Sag ihm, er darf sich furchtlos fallen lassen My thoughts and my discourse as madmen’s are, Mein Denken ist und Reden toll verwirrt, Ach, an deinem Busen Dieweil er zwischen Erd und Himmel hängt – At random from the truth vainly express’d. Sinnloses Stammeln, nichts als leerer Schrei. Lieg’ ich, schmachte, Doch schau ihm nicht beim Ficken ins Gesicht Und deine Blumen, dein Gras For I have sworn thee fair and thought thee bright, Dich nannt’ ich schön, sah dich in lichter Pracht, Und seine Flügel, Mensch, zerdrück sie nicht. Drängen sich an mein Herz. Who art as black as hell, as dark as night. Die schwarz wie Hölle, dunkel ist wie Nacht. Du kühlst den brennenden Durst meines Busens, Lieblicher Morgenwind! Sonnet 75 Sonett 75 Ruft drein die Nachtigall Text: William Shakespeare Übersetzung: August Schlegel / Ludwig Tieck Liebend nach mir aus dem Bebeltal. So are you to my thoughts as food to life, Du bist der Seele, was dem Leib das Brot, Ich komm’, ich komme! Or as sweet-season’d showers are to the ground; Was für die Erde milder Frühlingsregen, Wohin? Ach, wohin? And for the peace of you I hold such strife, Und doch um dich empfind ich Qual und Not As ’twixt a miser and his wealth is found. Wie je ein Geizhals seiner Schätze wegen. Hinauf! Hinauf strebt’s. Es schweben die Wolken Now proud as an enjoyer and anon Bald im Besitz frohlockend, dass du mein, Abwärts, die Wolken Doubting the filching age will steal his treasure, Bald zagend, dass die Zeit mir dich nicht gönnt, Neigen sich der sehnenden Liebe. Now counting best to be with you alone, Bald wünsch’ ich, wär’ ich nur mit dir allein, Mir! Mir! Then better’d that the world may see my pleasure, Bald dass die ganze Welt mein Glück erkennt. Sometime all full with feasting on your sight, Bald schwelg’ ich lang in deinem Angesicht, In eurem Schoße And by and by clean starved for a look, Bald hungre ich nach einem einz’gen Blick, Aufwärts! Possessing or pursuing no delight Denn andre Freuden such’ und hab’ ich nicht, Umfangend umfangen! Save what is had or must from you be took. Als du mir gibst, als von dir kommt das Glück. Aufwärts an deinen Busen, Allliebender Vater! Thus do I pine and surfeit day by day, So schwankend Tag für Tag in Lust und Pein, Or gluttoning on all, or all away. Hab’ ich bald nichts, und bald ist alles mein. GESANGSTEXTE

Ganymede Ganymed they come with girls who bite and buck sie stehn auf gören weps- und krötig Text: Wystan Hugh Auden (1907–1973) Übersetzung: Hanno Helbling who cannot read and cannot write in lesen und schreiben kamen die nicht mit © Pendo Verlag GmbH Zürich who laugh like they would fall apart vor lachen platzen sie aus allen röhren and masturbate with dynamite und machen sich‘s mit einer Stange dynamit He looked in all His wisdom from the throne Allweise blickte Er von seinem Thron Down on that humble boy who kept the sheep, Auf das bescheid’ne Kind bei seinen Schafen; the boys i mean are not refined die jungs dahier sind gar nicht fein And sent a dove; the dove returned alone: Sandte die Taube; die kam bald zurück: they cannot chat of that and this sie haben keinen bock auf höheres wissen Youth liked the music, but soon fell asleep. Den Knaben ließ Musik verzaubert schlafen. they do not give a fart for art sie haben keine brunst für kunst they kill like you would take a piss und killen so wie andre pissen But He had planned such future for the youth: Er aber hatte seinen Plan: gewiss, Surely, His duty now was to compel. Es ging nicht ohne Zwang und brauchte Zeit, they speak whatever‘s on their mind in ihrer meinung kümmert sie kein schwanz For later he would come to love the truth, Die später Wahrheitsliebe in ihm reifen ließ they do whatever‘s in their pants die schalten aus dem hosenschlitz And own his gratitude. His eagle fell. Und Dankbarkeit. Sein Adler war bereit. the boys i mean are not refined die jungs dahier sind gar nicht fein they shake the mountains when they dance berge versetzen sie mit ihrem tanz It did not work. His conversation bored Es klappte nicht: Sein Reden ging ins Leere; The boy who yawned and whistled and made faces, Der Knabe gähnte, schnitt Gesichter, pfiff Copyright 1935, © 1963, 1991 by the Trustees for the And wriggled free from fatherly embraces; Und wand sich aus dem väterlichen Griff; E. E. Cummings Trust. Copyright © 1978 by George But with the eagle he was always willing Doch Seinem Adler war er stets zu Willen James Firmage, from »Complete Poems: 1904-1962 by E. E. Cummings«, edited by George J. Firmage. Used To go where it suggested, and adored Und folgte seinem Wink, gab ihm die Ehre by permission of Liveright Publishing Corporation. And learnt from it so many ways of killing. Und lernte auf so viele Weise töten.

Sailing to Byzantium Seereise nach Byzanz the boys I mean are not refined Die jungs dahier sind gar nicht fein Text: William Butler Yeats Übersetzung: Norbert Hummelt Text: Edward Estlin Cummings (1894–1962) Übersetzung: Eva Hesse © Luchterhand Literaturverlag © Verlag C.H. Beck O sages standing in God’s holy fire Weise, die ihr steht in Gottes heiligem Feuer the boys i mean are not refined die jungs dahier sind gar nicht fein As in the gold mosaic of a wall, Wie in dem goldenen Mosaik der Mauer, they go with girls who buck and bite sie gehn mit gören weps- und krötig. Come from the holy fire, perne in a gyre, Kommt aus dem Feuer, dreht euch im Kreisel, they do not give a fuck for luck sie geben keinen fick auf glück And be the singing masters of my soul. Bringt meiner Seele neu das Singen bei. they hump them thirteen times a night sie bumsen dreizehnmal am stück Consume my heart away; sick with desire Zehrt mir das Herz auf; krank vor Verlangen, one hangs a hat upon her tit der eine hängt die mütz an ihre zitz And fastened to a dying animal Gekettet an ein Tier, das sterben muss, one carves a cross on her behind der andre ritzt ein kreuz ihr hinten rein It knows not what it is; and gather me Kennt sie sich selber nicht; nehmt mich doch mit they do not give a shit for wit sie geben keinen schiet auf witz Into the artifice of eternity. Auf in das Kunstwerk für die Ewigkeit. the boys i mean are not refined die jungs dahier sind gar nicht fein GESANGSTEXTE

ROBERT SCHUMANN Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine

Night II Nacht II Dein Angesicht Es leuchtet meine Liebe Text: William Blake Übersetzung: Clemens Matuschek Dein Angesicht so lieb und schön, Es leuchtet meine Liebe, I am made to sow the thistle for wheat, Ich muss Disteln anstelle von Weizen säen, Das hab ich jüngst im Traum gesehn, In ihrer dunkeln Pracht, the nettle for a nourishing dainty und Brennnesseln als nährende Leckerei, Es ist so mild und engelgleich, Wie’n Märchen traurig und trübe, I have planted a false oath in the earth, Ich habe einen falschen Eid in die Erde gepflanzt, Und doch so bleich, so schmerzensreich. Erzählt in der Sommernacht. it has brought forth a Poison Tree der einen Giftbaum hervorgebracht hat, Und nur die Lippen, die sind rot; »Im Zaubergarten wallen I have chosen the serpent for a counsellor Ich habe die Schlange als Berater ausgewählt Bald aber küsst sie bleich der Tod. Zwei Buhlen, stumm und allein; and the dog for a schoolmaster und den Hund als Lehrer Erlöschen wird das Himmelslicht, Es singen die Nachtigallen, to my children. meiner Kinder. Das aus den frommen Augen bricht. Es flimmert der Mondenschein. I have blotted out from light and living Ich habe Taube und Nachtigall the dove and nightingale aus Licht und Leben getilgt, Die Jungfrau steht still wie ein Bildnis, And I have caused the earthworm Und ich habe den Regenwurm Der Ritter vor ihr kniet. Lehn’ deine Wang’ to beg from door to door zum Betteln von Tür zu Tür geschickt. Da kommt der Riese der Wildnis, I have taught the thief a secret path Ich habe dem Dieb einen geheimen Zugang Lehn’ deine Wang’ an meine Wang’, Die bange Jungfrau flieht. into the house of the just zum Haus des Gerechten gewiesen, Dann fließen die Tränen zusammen; Der Ritter sinkt blutend zur Erde, I have taught pale Artifice Ich habe bleiche List gelehrt, Und an mein Herz drück fest dein Herz, Es stolpert der Riese nach Haus.« to spread his nets upon the morning am Morgen ihre Netze auszubreiten. Dann schlagen zusammen die Flammen! Wenn ich begraben werde, My heavens are brass, my earth is iron, Mein Himmel ist aus Messing, meine Erde Und wenn in die große Flamme fließt Dann ist das Märchen aus. my moon a clod of clay aus Eisen, mein Mond ein Klumpen Ton, Der Strom von unsern Tränen, My sun a pestilence burning at noon Meine Sonne ist mittags eine brennende Pest Und wenn dich mein Arm gewaltig umschließt and a vapour of death in night. und nachts ein Todeshauch. Sterb ich vor Liebessehnen! Mein Wagen rollet langsam What is the price of Experience? Was kostet Erfahrung? Mein Wagen rollet langsam Do men buy it for a song Kann man sie für ein Lied kaufen, Durch lustiges Waldesgrün, Or Wisdom for a dance in the street? Oder Weisheit für einen Tanz auf der Straße? Durch blumige Täler, die zaubrisch No – it is bought with the price Nein – man kauft sie Im Sonnenglanze blühn. Of all that a man hath – Mit allem, was man hat: his house, his wife, his children. seinem Haus, seiner Frau, seinen Kindern. Ich sitze und sinne und träume, Wisdom is sold in the desolate market where Weisheit wird auf einem verlassenen Markt Und denk an die Liebste mein; none come to buy verkauft, den niemand besucht Da grüßen drei Schattengestalten And in the wither’d field where the farmer Und auf dem verwelkten Feld, auf dem der Kopfnickend zum Wagen herein. ploughs for bread in vain. Bauer vergeblich für Brot pflügt. Sie hüpfen und schneiden Gesichter, So spöttisch und doch so scheu, Und quirlen wie Nebel zusammen, Und kichern und huschen vorbei. ROBERT SCHUMANN Dichterliebe op. 48 / Liederzyklus nach Gedichten von Heinrich Heine

Im wunderschönen Monat Mai Wenn ich in deine Augen seh’ Im Rhein, im heiligen Strome Und wüssten’s die Blumen Im wunderschönen Monat Mai, Wenn ich in deine Augen seh’, Im Rhein, im heiligen Strome, Und wüssten’s die Blumen, die kleinen, Als alle Knospen sprangen, So schwindet all’ mein Leid und Weh; Da spiegelt sich in den Well’n Wie tief verwundet mein Herz, Da ist in meinem Herzen Doch wenn ich küsse deinen Mund, Mit seinem großen Dome Sie würden mit mir weinen, Die Liebe aufgegangen. So werd’ ich ganz und gar gesund. Das große, heil’ge Köln. Zu heilen meinen Schmerz. Im wunderschönen Monat Mai, Wenn ich mich lehn’ an deine Brust, Im Dom da steht ein Bildnis, Und wüssten’s die Nachtigallen, Als alle Vögel sangen, Kommt’s über mich wie Himmelslust; Auf gold’nem Leder gemalt; Wie ich so traurig und krank, Da hab’ ich ihr gestanden Doch wenn du sprichst: ich liebe dich! In meines Lebens Wildnis Sie ließen fröhlich erschallen Mein Sehnen und Verlangen. So muss ich weinen bitterlich. Hat’s freundlich hineingestrahlt. Erquickenden Gesang. Es schweben Blumen und Eng’lein Und wüssten sie mein Wehe, Um unsre liebe Frau; Die goldenen Sternelein, Aus meinen Tränen sprießen Ich will meine Seele tauchen Die Augen, die Lippen, die Wänglein, Die kämen aus ihrer Höhe, Aus meinen Tränen sprießen Ich will meine Seele tauchen Die gleichen der Liebsten genau. Und sprächen Trost mir ein. Viel blühende Blumen hervor, In den Kelch der Lilie hinein; Sie alle können’s nicht wissen, Und meine Seufzer werden Die Lilie soll klingend hauchen Nur eine kennt meinen Schmerz; Ein Nachtigallenchor. Ein Lied von der Liebsten mein. Ich grolle nicht Sie hat ja selbst zerrissen, Und wenn du mich lieb hast, Kindchen, Das Lied soll schauern und beben Ich grolle nicht, Zerrissen mir das Herz. Schenk’ ich dir die Blumen all’, Wie der Kuss von ihrem Mund, Und wenn das Herz auch bricht, Und vor deinem Fenster soll klingen Den sie mir einst gegeben Ewig verlor’nes Lieb! Ich grolle nicht. Das Lied der Nachtigall. In wunderbar süßer Stund’. Wie du auch strahlst in Diamantenpracht, Das ist ein Flöten und Geigen Es fällt kein Strahl in deines Herzens Nacht. Das ist ein Flöten und Geigen, Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne Das weiß ich längst. Ich sah dich ja im Traume, Trompeten schmettern darein; Und sah die Nacht in deines Herzens Raume, Da tanzt wohl den Hochzeitsreigen Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne, Und sah die Schlang’, die dir am Herzen frisst, Die Herzallerliebste mein. Die liebt’ ich einst alle in Liebeswonne. Ich sah, mein Lieb, wie sehr du elend bist. Ich lieb’ sie nicht mehr, ich liebe alleine Das ist ein Klingen und Dröhnen, Die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine; Ein Pauken und ein Schalmei’n; Sie selber, aller Liebe Wonne, Dazwischen schluchzen und stöhnen Ist Rose und Lilie und Taube und Sonne. Die lieblichen Engelein. GESANGSTEXTE

Hör’ ich das Liedchen klingen Ich hab’ im Traum geweinet Aus alten Märchen Die alten, bösen Lieder Hör’ ich das Liedchen klingen, Ich hab’ im Traum geweinet, Aus alten Märchen winkt es Die alten, bösen Lieder, Das einst die Liebste sang, Mir träumte, du lägest im Grab. Hervor mit weißer Hand, Die Träume bös’ und arg, So will mir die Brust zerspringen Ich wachte auf, und die Träne Da singt es und da klingt es Die lasst uns jetzt begraben, Von wildem Schmerzendrang. Floss noch von der Wange herab. Von einem Zauberland; Holt einen großen Sarg. Es treibt mich ein dunkles Sehnen Ich hab’ im Traum geweinet, Wo bunte Blumen blühen Hinein leg’ ich gar manches, Hinauf zur Waldeshöh’, Mir träumt’, du verließest mich. Im gold’nen Abendlicht, Doch sag’ ich noch nicht, was; Dort löst sich auf in Tränen Ich wachte auf, und ich weinte Und lieblich duftend glühen, Der Sarg muss sein noch größer, Mein übergroßes Weh’. Noch lange bitterlich. Mit bräutlichem Gesicht; Wie’s Heidelberger Fass. Ich hab’ im Traum geweinet, Und grüne Bäume singen Und holt eine Totenbahre Mir träumte, du wär’st mir noch gut Uralte Melodei’n, Und Bretter fest und dick; Ein Jüngling liebt ein Mädchen Ich wachte auf, und noch immer Die Lüfte heimlich klingen, Auch muss sie sein noch länger, Ein Jüngling liebt ein Mädchen, Strömt meine Tränenflut. Und Vögel schmettern drein; Als wie zu Mainz die Brück’. Die hat einen andern erwählt; Und Nebelbilder steigen Und holt mir auch zwölf Riesen, Der and’re liebt eine and’re, Wohl aus der Erd’ hervor, Die müssen noch stärker sein Und hat sich mit dieser vermählt. Allnächtlich im Traume Und tanzen luft’gen Reigen Als wie der starke Christoph Das Mädchen nimmt aus Ärger Allnächtlich im Traume seh’ ich dich Im wunderlichen Chor; Im Dom zu Köln am Rhein. Den ersten besten Mann, Und sehe dich freundlich grüßen, Und blaue Funken brennen Die sollen den Sarg forttragen, Der ihr in den Weg gelaufen; Und laut aufweinend stürz’ ich mich An jedem Blatt und Reis, Und senken ins Meer hinab; Der Jüngling ist übel dran. Zu deinen süßen Füßen. Und rote Lichter rennen Denn solchem großen Sarge Es ist eine alte Geschichte, Du siehest mich an wehmütiglich Im irren, wirren Kreis; Gebührt ein großes Grab. Doch bleibt sie immer neu; Und schüttelst das blonde Köpfchen; Und laute Quellen brechen Wisst ihr, warum der Sarg wohl Und wem sie just passieret, Aus deinen Augen schleichen sich Aus wildem Marmorstein. So groß und schwer mag sein? Dem bricht das Herz entzwei. Die Perlentränentröpfchen. Und seltsam in den Bächen Ich senkt’ auch meine Liebe Du sagst mir heimlich ein leises Wort Strahlt fort der Widerschein. Und meinen Schmerz hinein. Und gibst mir den Strauß von Zypressen. Am leuchtenden Sommermorgen Ach, könnt’ ich dorthin kommen, Ich wache auf, und der Strauß ist fort, Und dort mein Herz erfreu’n, Am leuchtenden Sommermorgen Und’s Wort hab’ ich vergessen. Und aller Qual entnommen, Geh’ ich im Garten herum. Und frei und selig sein! Es flüstern und sprechen die Blumen, Ich aber wandle stumm. Ach! jenes Land der Wonne, Das seh’ ich oft im Traum, Es flüstern und sprechen die Blumen Doch kommt die Morgensonne, Und schaun mitleidig mich an: Zerfließt’s wie eitel Schaum. Sei uns’rer Schwester nicht böse, Du trauriger blasser Mann. VORSCHAU

JAZZ PIANO JAMIE SAFT TRIO WIR DANKEN UNSEREN PARTNERN Nicht nur Brad Mehldau meistert den Spagat zwischen ver­ schiedenen Genres und Stilen. Auch der Pianist und Keyboar­ der Jamie Saft, seit über 20 Jahren fester Bestandteil der New PRINCIPAL SPONSORS PRODUCT SPONSORS FÖRDERSTIFTUNGEN Yorker Downtown-Szene, überwindet in seinen Kompositionen BMW Coca-Cola Kühne-Stiftung die Grenzen zwischen Folk, Heavy Metal, Jazz, Oper und Film­ Montblanc Hawesko Körber-Stiftung musik. In der Laeiszhalle ist der Multiinstrumentalist, der schon SAP Lavazza Hans-Otto und mit den Beastie Boys, der Punkband Bad Brains und dem Film­ Julius Bär Meßmer Engelke Schümann Stiftung komponisten John Adams gemeinsame Sache machte, nun im Deutsche Telekom Ricola Haspa Musik Stiftung Ruinart Hubertus Wald Stiftung Trio mit zwei Grandseigneurs der New Yorker Jazzszene zu erle­ Störtebeker Ernst von Siemens Musikstiftung ben: dem renommierten Schlagzeuger Bobby Previte und der Cyril & Jutta A. Palmer Stiftung lebenden Jazz-Legende Steve Swallow am E-Bass. Mara & Holger Cassens Stiftung CLASSIC SPONSORS Programm Kreatives Europa Aurubis der Europäischen Union 16. April 2019 | Laeiszhalle Kleiner Saal Bankhaus Berenberg Adam Mickiewicz Institut Commerzbank AG Stiftung Elbphilharmonie DZ HYP GALENpharma Freundeskreis Elbphilharmonie Hamburger Feuerkasse + Laeiszhalle e.V. Hamburger Sparkasse Hamburger Volksbank HanseMerkur Versicherungsgruppe Es ist nicht gestattet, während des Konzerts zu filmen oder zu fotografieren. HSH Nordbank Jyske Bank A/S IMPRESSUM KRAVAG-Versicherungen Herausgeber: HamburgMusik gGmbH Wall GmbH Geschäftsführung: Christoph Lieben-Seutter (Generalintendant), Jochen Margedant M.M.Warburg & CO Redaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta, Laura Etspüler, Nina Schulze Lektorat: Reinhard Helling Gestaltung: breeder typo – alatur, musialczyk, reitemeyer ELBPHILHARMONIE CIRCLE Druck: Flyer-Druck.de

Anzeigen: Antje Sievert, +49 40 450 698 03, [email protected]

BILDNACHWEIS Ian Bostridge (Sim Canetty-Clarke); Brad Mehldau (David Bazemore); Clara und Robert Schumann (Daguerrotypie, um 1850); Brad Mehldau (Michael Wilson); #MeToo-Demonstra­ tion (dpa); Heinrich Heine: Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, 1831 (Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf); Peter Paul Rubens: Der Raub des Ganymed, ca. 1637 (Museo del Prado); Leda und der Schwan: Kopie nach einem verschollenen Gemälde von Michelangelo (um 1530); Jamie Saft Trio (unbezeichnet) MODERNE KULTUR IN EINZIGARTIGER GESTALT. WELCHE VISION MÖCHTEN SIE VERWIRKLICHEN?

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Julius Bär ist Principal Sponsor der Elbphilharmonie Hamburg.

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