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A KIFF AARAU WE KEEP YOU in the LOOP

A KIFF AARAU WE KEEP YOU in the LOOP

DEZ.18/JAN.19

2018 EINSCHLAUFEN FLIEG, HIMMELSVOGEL! Betrifft: Gott holt sich sein Maschinengewehr zurück Impressum Nº 10.18 DER MUSIKZEITUNG LOOP 21. JAHRGANG Was bleiben wird vom Jahr, das war? Der Es gibt freilich auch ein paar Lichtblicke zu endlos lange Sommer mit «Sonnenschein von vermelden. Beispielsweise das Tier des Jahres, P.S./LOOP Verlag Juni bis September», wie der grosse Fernseh- bei dem es sich um einen Schmetterling mit Hohlstrasse 216, 8004 Zürich Entertainer Rudi Carrell in seiner leichtfüs- dem doch eher verblüffenden Namen Gros- Tel. 044 240 44 25 sigen Version des Schienenverkehr-Klassikers ser Fuchs handelt. Oder das britische Königs- www.loopzeitung.ch «City of New Orleans» sang. Die Eiswürfel haus, das uns nicht nur mit der Netflix-Serie im Bourbon-Tumbler verdünnisierten sich «The Crown» ein paar vergnügliche Stunden bereits nach kurzem Klirren, man schaltete bereitet hat, sondern mit Meghan Markle Verlag, Layout: Thierry Frochaux den Tischventilator auf Dauerrotation und über eine traufrische Prinzessin verfügt. [email protected] googelte in obskuren Online-Shops nach Aber dann sind da eben auch noch jene he- begehbaren Kühlschränken. Lang und lustig rausragenden Persönlichkeiten, deren Bio- Administration, Inserate: Manfred Müller reihten sich die Nächte aneinander, mal vor grafien mit dem Jahr 2018 enden: Nouvelle- [email protected] der Kaschemme unten am Fluss, mal in den Cuisine-Erfinder Paul Bocuse, der grosse Hügeln Apuliens, von wo aus sich ein ver- Kleinganoven-Darsteller Rolf Zacher, Wrest- Redaktion: Philippe Amrein (amp), blüffender Blicke auf den am Firmament vor- ler Bruno Sammartino, die Hitparaden-Mo- Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe beiziehenden Mars und später auf die totale deratoren Dieter Thomas Heck und Stephanie Mondfinsternis werfen liessen. Tücking und der berühmte TransAm-Fahrer Mitarbeit: Philipp Anz, Reto Aschwanden, Der meteorologische Zauber soll jedoch Burt Reynolds. Und eben auch der Erwe- Yves Baer, Thomas Bohnet, Marcel Elsener, nicht davon ablenken, dass die Verrohung ckungstheologe und Johnny-Cash-Versteher Markus Ganz, Michael Gasser, Christa Helbling, der Welt auch in den vergangenen zwölf Billy Graham, den sie das «Maschinengewehr Hanspeter Künzler, Tony Lauber, Susanne Loacker, Monaten weiter vorangetrieben wurde. In Gottes» nannten. Sie alle hat der Schöpfer Sam Mumenthaler, Philipp Niederberger, Singapur kam es zum Gipfeltreffen der Un- nach Hause geholt. Sie werden uns fehlen. Jürg Odermatt, Christian Pauli, Jochen Schmid, sympathen, in Grossbritannien zum russi- Doch die Kerzen auf unseren Fensterbrettern Fabienne Schmucki, Markus Schneider, schen Agentenvergiften, derweil die Italiener spenden ein wenig Trost. Adrian Schräder, Veit F. Stauffer im Frühjahr eine Regierung mit Rechtsdrall Guido Goodyear installierten. Für ein paar wenige Lichtblicke Titelbild: Aretha Franklin sorgten überraschenderweise die Schweizer, PS: Die vorliegende Ausgabe wartet mit einer Besonder- die an der Urne nicht nur den Angriff auf das heit auf. Zum ersten Mal in 21 Jahren gibt es diesmal we- Druck: Tagblatt Print, St. Gallen gebührenfinanzierte Fernsehen abwehrten, der Plattenbesprechungen noch Konzertvorschauen. Das sondern auch der dummdreisten Selbstbe- ist der umfangreichen Anzahl von Nachrufen geschuldet Das nächste LOOP erscheint am 25.01.2019 stimmungsinitiative eine Abfuhr erteilten. – und wird definitiv eine Ausnahme bleiben.

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Hohlstrasse 216, 8004 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] FLIEG, HIMMELSVOGEL! Auf dem Höhepunkt löste Claudius claudius scholer Scholer seine Bands jeweils auf. So ging er fast vergessen, obwohl er zu den herausragenden Musikern der Schweiz zählte. Eine persönliche Erinnerung.

Claudius Scholer hatte eine verschwenderische Fülle an Gaben und Talenten: Er konnte seine Zuhörer in den Bann ziehen, höchsten Respekt bei Musikerkollegen hervorru- fen, aber auch die eigenen Leute mit Absatztricks überra- schen. Auf dem Höhepunkt des Erfolgs löste er als Sky Bird seine Begleitband The Fish of Hope auf. Heimlich arbeitete er zwei Jahre an seinem dritten «Das Schaf», das er 1993 im für Popmusiker metaphorischen Alter von 27 Jah- ren veröffentlichte. Danach gelang ihm der Absprung in die Realpolitik: Ausbildung zum Sozialarbeiter und Arbeit mit Jugendlichen im Zürcher Seefeld. Später war er langjähri- ger Delegierter für das Schweizerische Rote Kreuz, zuletzt in Kigali in Ruanda, wohin Scholer seine Familie mitge- nommen hatte. DIE ENERGIEN DES PUNK

Dieser Nachruf wäre eine nostalgische Angelegenheit, gäbe es nicht das kostbare Comebackalbum «The Kimihurura Tapes». 2013 führte Skybird Senior, wie sich Scholer jetzt nannte, sein neues Material mit einer hervorragend be- stückten Ad-hoc-Band in Zürich auf. Unvergesslich dabei Fotograf Tobias Madörin, früher Bassist bei The Fish of Hope, dem nach dem Konzert wutentbrannt die ganzen Er- innerungen hochstiegen. Es war als Kompliment gedacht: Warum verschwendete dieser Bursche dermassen sein mu- sikalisches Talent? Bezeichnend auch: Vom Zürcher Thea- terspektakel lag eine Einladung für die grosse Bühne vor. Skybird Senior hatte dafür neben seinem hart fordernden Beruf schlicht zu wenig Spielraum. Die Kritiker waren sich einig: Stephan Eicher musste sich match in Kigali war gene- Begonnen hatte Scholers musikalische Laufbahn 1984 mit zukünftig warm anziehen. Die Frauenfiguren bei Scholer tisch bedingt und nicht dem den Baboons. Auf Konzertausflügen bis nach Deutschland waren emanzipierter und gefährlicher: etwa in «Janine Lebensstil geschuldet. entwickelten er und sein Umfeld eine Chuzpe und Profes- aime les terroristes», eine Hommage an die Memoiren von Beruflich entwickelte er ei- sionalität, die ihn zu Soloarbeiten zu Hause am Vierspur- Bommi Baumann. Oder «Babette»: Eine ganze Mädchen- nen ausgereiften Pragma- recorder beflügelten. Die kulturell aufgeheizte Atmosphäre schar verschwindet im Urwald, macht mit verschiedenen tismus: zu den Ideen der der Achtzigerjahre liess sie nach Querverbindungen und Tieren Liebe und kehrt nicht mehr zurück. 68er-Bewegung oder zur essenziellen Einflüssen suchen. Das einzige Album der «political correctness» ging Baboons erschien «rechtzeitig» zur Auflösung im Febru- EIN SOLO FÜR PASOLINI er zuweilen auf kritische Di- ar 1988, eine wilde Mischung aus Westcoast-Psychedelic- stanz. Er begrüsste sehr früh Rock und den Energien des Punk. Durch das Umfeld von Sky Bird wurde ich mit wichtigen die Stoner-Rock-Bewegung, Claudius wandelte sich vom Affen (Baboons) zum einsa- Klassikern bekannt gemacht: Vladimir Vissotsky sowie in Zürich war er mit Alain men Himmelsvogel (Sky Bird). Der Name seiner stilsicher den Silver Apples. Der schönste Moment kam, als ich im Kupper befreundet und zusammengestellten Begleitband The Fish of Hope war Herbst 1988 die Sky-Bird-Platte wendete. spielte als Gast in dessen nach dem Vergiften des Rheins in Basel im November 1986 Das erste Stück der B-Seite hiess «Scorching a Bird», und Band Demolition Blues. Die ein klares politisches Statement gegen die Chemiefabriken. mit dem Akkordeon klang es wie eine irische Ballade aus Zürcher Sängerin Emanuela Das Soloalbum von Sky Bird durchzieht ein Klima der alten Tagen. Oder das neckische «Your Blue Skirt» im Pol- Hutter möchte eine begon- Frühreife und eine verspielte Kreativität. «Nightmare 701» karhythmus, eine Vorwegnahme von Stiller Has und Att- nenene Zusammenarbeit war sozusagen eine Country’n’Brubeck-Spielerei mit der wenger. Bemerkenswert auch das von Harmonium und Gi- noch vollenden. Eröffnungszeile im Stil eines gestandenen Rappers: «Bob tarrensolo begleitete, neunzig Sekunden kurze «Pasolini’s Zuletzt traf ich Claudius im Dylan calls my name, I got a bullet in my brain.» Das Trembling», in dem Claudius Drogenerfahrungen des ita- Juli 2017 in der Züri Bar, sechsminütige «Blind Prostitutes Eating» mündete als mo- lienischen Regisseurs verarbeitete: «There is no real reason an einer Abschiedsfeier für notones Mantra in eine faszinierende Geräuschcollage wie why I tremble that much, said Pier Paolo Pasolini.» Sky Urban Gwerder, dessen Ge- bei den Krautrockern von Faust. Über allem schwebte der Bird hat die Komposition 1993 nochmals aufgenommen, dicht «Cyrano’s Nose» er Geist von Jacques Brel, Leonard Cohen oder Tom Waits: nachdem sie sich an Konzerten zur zehnminütigen Zugabe 1993 mit rasantem Banjo Sky Bird sang mit brechtscher Inbrunst und zu gewieftem entwickelt hatte und klang, als würde Jim Morrison ge- vertont hatte. Banjo, ausgerüstet mit Megafon und Cowboystiefeln – und gen Ravels «Bolero» ansingen. Der plötzliche Herztod von mit einem genial gerollten R in der Aussprache. Claudius Scholer am 25. März 2018 nach einem Tennis- Veit F. Stauffer EIN FALL FÜR SICH und machte dafür auch die New-Labour-Lifestylepolitiker sein, die meist grossartigen Mit Mark E. Smith hat die Musikwelt verantwortlich: Unter ihnen sähen renovierte Pubs aus wie Kollaborationen mit unter- «Konzentrationslager mit Zapfhähnen». schiedlichsten Leuten wie Ende Januar einen ihrer eigenwilligsten Nun fühlt man sich im Stich gelassen: Wer Tod und Teufel Edwyn Collins, D.O.S.E so verhöhnte, dem traute man noch ein paar Jahre über oder Mouse On Mars (Von Exponenten verloren. Seinen Fans 60 zu. Doch haben ihn die gleichaltrigen Kumpel des Gip- Südenfed!) nicht mitge- feltreffens der «Unhold Trinity» (NME-Coverstory 1989) zählt. Unfassbar viel für lässt er auch nach dem Tod keine Ruhe. überlebt: Mark E. Smith ist tot, Nick Cave und Shane Mc- einen Arbeitersohn aus Gowan sind noch da. (Und Iggy Pop wirkt mit 71 gestählt Salford – der Vater Speng- Eine Annäherung. wie eh und je.) Kein Weitermachen, aber immerhin hilft ler, die Mutter Pöstlerin, das grosse Grinsen, Smiths Sarkasmus, all die Sprüche: drei jüngere Schwestern –, Old Knitterface hatten wir ihn zuletzt genannt, liebenswür- Zum Beispiel sein Ratschlag an Coldplay und einen Hau- der mit sechzehn die Schu- dig gemein: Mark E. (Edward) Smith, als Institution unter fen anderer Indiebands, sie sollen sich einen «anständigen le verliess, ein paar Jahre dem Kürzel MES bekannt, Firmengründer, Personalchef Job suchen». Oder sein Bluff, er könne jederzeit ein Pub als Packer in den Docks und Alleindirektor der nordenglischen Musikstörspengle- leeren und sei – abgesehen von Prince – der einzige Band- arbeitete, ein Zubrot als rei The Fall. Auf den Mann mit dem Megaphon war immer chef, der seine Musiker auf der Strasse rekrutieren könne Tarotkartenleger verdiente Verlass gewesen, allen widrigen Umstände zum Trotz, ob (was ihm der Prince-Manager gesagt habe). Die bissigsten und 1976, inspiriert vom auf seiner Seite oder auf unserer. Irgendwann würde immer Kommentare Smiths gelten oft der modernen Hölle auf Er- explosiven Auftritt der Sex wieder ein neues Album von The Fall erscheinen, das wuss- den: «Die Leute haben ihren eigenen Geruch verloren. Alle Pistols in Manchester, aus te man und glaubte ernsthaft, dass der Mann nie sterben baden sie zu viel.» Und auf allen Kanälen, von Twitter bis seiner Dichterstubenrunde könne. Als die BBC Anfang März 2017 zum 60. Geburts- Weltblatt-Feuilletons, werden die abstrusesten Anekdoten eine Band formte. tag fälschlicherweise seinen Tod vermeldete, lachten die aufgewärmt. Wie die Erzählung eines Soundtechnikers, Ein schmaler Wurf, blitzge- Fall-Fans nur: Ha, das gibt 20 Jahre obendrauf, wie sie das berüchtigte Herumschrauben des Diktators an scheit und angeblich hell- wird das vom Jenseits aus richten. den Verstärkern abgestellt hätten: Sie bastelten ihm ein Su- sichtig, der zum wirkmäch- «Immortality» aufgelegt, einen technoid treibenden Song pergerät namens DFA («Dynamic Field Adjustment»), mit tigen «Influencer» wurde, von «Code: Selfish» (1992), mit Smith in sanfter Stim- dem er alle Einstellungen regulieren könne, um ihn dann aber als gnomenhafter mung. Unsterblichkeit, du kannst sie nicht kaufen, du am Ende der Tournee aufzuklären: DFA heisse «Does Fuck Ausserirdischer erschien. kannst nichts daran ändern, die Götter der Wikinger hat- All» und sei nie angeschlossen gewesen. Whoah! Er hatte es, als fanatischer ten sie, Lord Odin hatte sie, Unsterblichkeit ist eine Reali- Über die Toten nur Gutes, und doch sind Hardcore-Fall- Leser von Horrorautoren tät. So geht der Text, der Song folgt auf «Time Enough At Fans verblüfft, wieviel Respekt und Liebe, ja LIEBE, dem wie Arthur Machen oder Last» und «Everything Hurtz», es ist ein stimmiger Drei- oft so bösen, rundherum giftelnden Mann nun von Hun- HP Lovecraft, mit Zwergen klang im Fall-Gesamtwerk mit Blick auf den himmeltrau- derten namhaften Bands, Musikern und Musikerinnen, und Schauergestalten, und rigen Winter 2017/18, als der Unsterbliche dann doch von Autoren oder Professoren nachgerufen wird. Entweder war gern bewegte er sich in den dieser Welt ging. Konzertabsagen und böse Gerüchte hat- die (2004 verstorbene) BBC-DJ-Legende John Peel, der ers- vorgestellten Welten von ten zugenommen, im November war MES in Glasgow im te Radio-Fürsprecher von The Fall, eben doch nicht allein, Sci-Fi-Pionieren wie Philip Rollstuhl zum letzten Mal auf einer Konzertbühne erschie- wie jemand scharfzügig feststellt. «Oder sie alle hatten Peel K. Dick und Ursula K. Le nen, ein tragikomischer Triumph, dann Funkstille und am geglaubt, wonach alle Bands an The Fall zu messen seien.» Guin. «Perverted by Mark 24. Januar spätnachmittags unvermittelt die Nachricht sei- Einig ist man sich, dass «es nie mehr einen solchen geben» E», wie ein famoses Tribut­ nes Todes, diesmal kein Fake. (Fall-Fans werden wissen, wo werde. Noch Wochen nach dem Tod erscheinen reihenwei- album mit fantastischen sie waren, als die Meldung am Abend bestätigt wurde. In se Sonderseiten über den «wunderbaren und fürchterlichen Verdichtungen betitelt ist, meinem Fall war es eine Mehrzweckhalle in Tübach, SVP- Mann». Klar, vieles ist bekannt, aus mittlerweile einem das bedeutete für Fans stets Versammlung, der logische Trauersoundtrack war «Gro- Dutzend Büchern über MES und The Fall, abgesehen von einen nicht ungefährlichen tesque»). Erst Wochen später, MES in Prestwich kremiert Hunderten längerer Aufsätze; vieles schon zum Sechzigs- Ride auf der Sprachschleu- und in einem bevorzugten Pub ausartend weggesoffen, ten (um)geschrieben worden. Verblüffend die Trouvaillen, der- und Cut-up-Musik- nennen seine Schwestern und seine letzte Lebenspartnerin unerschöpflich die Quellen, speziell erwähnenswert ein maschine – so rätselhaft die Todesursache: Nieren- und Lungenkrebs, unheilbar sorgfältiger Nachruf in der Fachzeitschrift «The Lancet die Bedienungsanleitung, und mit grauenhaften Nebenwirkungen, gegen die Diagno- Psychiatry». Und ein nachgereichtes Gespräch von 2016 so vielversprechend die of- se habe er lange mit allen Mitteln angekämpft. für ein Buch über Can: Mark E. Smith trifft da endlich den fenen Ausgänge. The Fall Keyboarder jener Band, die ihn nebst Velvet Underground waren über Jahrzehnte KONZENTRATIONSLAGER MIT ZAPFHÄHNEN am meisten prägte und die er schon 1977 für gemeinsa- schlicht das beste Angebot me Konzerte gewinnen wollte. Er trete noch immer auf, im Laden: nie lahmender Der Tod ist in diesem Fall ein spezieller Skandal: Dass einer, sagt Irmin Schmidt da zu seinem Namensvetter, und das Motor, unerschöpflicher der Gene Vincents «Race with the Devil» zum Lebensmotto mit achtzig! Ist doch kein Alter, klopft ihm Smith auf die Steinbruch, situationisti- erklärt hatte, das Rennen vorzeitig verlieren würde, damit Schulter. Und dann plaudern sie brüderlich über gegenseiti- sche Landkarte, die einen hatte kein Fan gerechnet. Weil MES, Kampftrinker (Bier, ge Verehrungen und einseitige Abneigungen (Smiths). auf viele Fährten brachte. Whiskey), Kettenraucher (Benson & Hedges), Speedfreak, Smiths «Psychosen-Rap» nicht nur einen sechsten Sinn, sondern auch übermenschli- BLITZGESCHEIT UND HELLSICHTIG (Diederich Diederichsen) che Kräfte zu haben schien. Zu Gene, dem Rock’n’Roller, und der manisch spuken- kamen die guten Gene der nordenglischen Arbeiterfamilie: The Fall wird es nie mehr geben, gemäss dem legendär- de Sound aus Rock’n’- Der Grossvater, ein Drucker, war «verdammte 99» ge- en Diktum Smiths war die Band unabhängig aller über Roll-, Protopunk- und worden, wie Smith jenen sagte, die um seine Konstituti- 60 verbrauchten Mitglieder bereits mit MES «und deiner Krautrock-Versatzstücken on fürchteten, «dabei arbeitete er immer durch die Nacht Oma an den Bongos» komplett. Die letzte Fall Group will erwischten einen um 1980 durch bis morgens um sieben, kam nach Hause, lag zehn weitermachen, und Ex-Frau -Start revitalisiert auch als Mittelklasse-Tee- Minuten nieder, ass ein Käsesandwich und ging ins Pub». ihre Hits mit den Hanley-Brüdern, langjährig für den Fall- nie in einer abgehängten Im Alter von vierzig, in dem die «verweichlichte Beckham- Rhythmus besorgt. Randnotizen in einem riesigen Werk, Ostschweizer Industrie- Generation» Nervenzusammenbrüche erleiden, habe sein das der «Hip Priest» als Einmanntriebwerk mit wechseln- kleinstadt als unschlagba- Opa in Dünkirchen gekämpft. Politisch unberechenbar, der Gruppe geschaffen hat. 32 Studioalben über 38 Jah- re Einladung zur Verwei- beklagte Smith den Zerfall der englischen Arbeiterkultur re, 100 sollen es inklusive Compilations und Live-Alben gerung und gleichzeitigen mark e. smith

Welterweiterung. Reaktion und Vision, Sprung nach vorn cken. Bald ein Jahr her all die Abschiedsfeiern wie jene vom und ein paar Schritte seitwärts, das konnten auf ihre Art 1. Februar, als das St. Galler Palace den Reigen von MES- nur The Fall. Eine so dringliche und trotzdem uneindeutige Hommagen in der UK und der restlichen Welt eröffnete. Musik wie auf ihrem Debüt «», Weihnachten konnte man schon früher mit The Fall feien: gemäss Smiths Losung «primitive Musik mit intelligenten Es gibt eine Christmas-Single. Zusätzliche Bescherungen Texten», hatte man noch nie gehört. Und manche Leute im Todesjahr müssen nicht sein. Vielleicht die 3er-CD-Box in englischen Weeklies oder im «Spex» (Amen!) setzten mit den 58 Golden Greats, als «The Fall Compilation to alles daran, den Ruf zu mehren. Fortan sollten es frühe- End All Compilations» auf den Markt geworfen, mit der re Favoriten wie The Jam so schwer haben wie alle, die Cherry Red seine frühere Best-of «50 000 Fall Fans Can’t noch folgten, auch jene, die wie jüngst Protomartyr, Fat Be Wrong» überholt. Erneut in Anlehnung an Elvis, nur White Family und Sleaford Mods einen Funken The Fall diesmal nicht «approved by MES». Zuguterletzt veröffent- versprühten. Selber zeigte sich der Fall-Chef nur selten gnä- licht Jeffrey Lewis seine «13 Fall Songs» und schraubt die dig: Unter seinen letzten Empfehlungen noch White Fence Erwartungen herunter: «live and lo-fi and lacking rehear- (Tim Presley war im Notfall mal Fall-Aushilfe) oder Goat sal». Der New Yorker, unter Fall-Fans dank seiner Comic- Girl. Aus der Schweiz hätte ihm wohl Guz gefallen, min- song-Fall-History und einer Zeichnung mit 100 Fall-Titeln destens dessen Meisterwerk «Starquick» hätte man MES ein Begriff, hat sich wohl nicht die gleiche Mühe gegeben zutragen sollen. Das Alpenland interessierte den Nordeng- wie bei seinen «13 Crass Songs». Leider, oder zum Glück, länder allerdings wenig, obwohl der verehrte Lee Scratch man wird hören. Zum Farewell schliesslich eine Phrase aus Perry dorthin gezogen war. «This is for all the Swiss in the einem Lieblingssong: «And brrrptzzap the subject» («Prole audience», pflegte er 1980 «Middle Mass» anzukündigen. Art Threat»). Die uralte deutsche Redewendung «Unkraut Und in «» erzählte er bitter von der Vali- vergeht nicht» hätte dem Krautrockfan gefallen, auch wenn umsucht seiner Muttergeneration, geschuldet dem Basler sie just in seinem Fall hinfällig wurde. Hier noch eine Aus- Chemiekonzern Roche. stellung, dort noch ein Memorial, aber erfreulicherweise keine weiteren Ankündigungen. Sondern eine Ruh, fertig UNKRAUT VERGEHT NICHT mit dem Fall-Repetition-Mantra, man ist dann doch froh, nicht länger mit MES mithalten zu müssen, sondern mit Bald ist Jahrestag, das Fall-Gesamtwerk bleibt langlebigs- Robert Forster elegant altern zu können. tes Teflon im besten Sinne, unzerkratzbar, unzerstörbar cool und von künftigen Generationen aufs Neue zu entde- Marcel Elsener

DIE TOTEN sechs Alben in den nächsten zehn Jahren, die 1987 mit der Single «Ella, elle l’a» ihren Höhepunkt erreichte – dem er- 1947 – 2018 folgreichsten Song ihrer Laufbahn. Nachdem Berger 1992 nur 44-jährig einem Herzinfarkt erlag – und wenige Jahre darauf auch ihre Tochter mit 19 einer schweren Krankheit –, zog sich France Gall mehr und mehr aus der Öffent- lichkeit und von der Musik zurück. Sie starb 70-jährig am 7. Januar in Neuilly-sur-Seine an Brustkrebs. Philipp Anz Denise LaSalle 1939 – 2018 denise lasalle

france gall

«Diejenigen, die France Gall nicht lieben, täuschen sich», sagte 1968 in einem Interview. Gains- bourg begann 1964 für die damals 17-Jährige Pariserin Isabelle «France» Gall, Tochter des Komponisten Robert Gall, Songs zu schreiben: «N’écoute pas les idoles», ihre zweite Single, und das rockige «Laisse tomber les filles», das ein Paradestück der losbrechenden YéYé-Welle war. 1965 folgte «Poupée de cire, poupée de son», mit dem Gall den Concours Eurovision de la chanson gewann und euro- paweit bekannt wurde. Sie sang auf Deutsch, etwa das in Sachen Partnersuche der Zeit weit vorausschauende «Der Computer Nr. 3» («Der Computer Nr. 3 sucht für mich den Während ihrer langen Karriere versuchte sich die amerika- richtigen Boy, und die Liebe ist garantiert für beide dabei»), nische Blues- und Soulsängerin Denise LaSalle an Songs, auf Spanisch, Italienisch und sogar auf Japanisch. In ihrer deren Thema die Liebe war – die Sehnsucht, die Begierde, Heimat war Gall neben Françoise Hardy und Sylvie Vartan der Betrug, der Schmerz. Kaum eine andere Sängerin be- der grosse Star des französischen Frauen-Pops jener Jahre. schrieb die Balance zwischen Romanze und rüdem Sex so Dabei kombinierte sie ein einnehmendes Auftreten, süssen treffend wie die dralle Lady aus dem Süden. Sie schrieb Teenie-Look und eine blonde Bob-Frisur mit unterschwel- Hunderte von Songs, die meisten handelten von alltägli- liger Erotik. Im wiederum von Gainsbourg geschriebenen chen Beziehungsproblemen, die sich zur Identifikation «» ging es vordergründig zwar um Lollypops, anboten, darunter «Your Husband Is Cheating on Us», aber auch um Oralsex. «Married, But Not to Each Other», «I Wanna Do What’s Im Zuge der British Invasion und der 68er-Bewegung war on Your Mind» oder «It’s Lying Time Again». Wie ihre der YéYé-Stil dann weniger gefragt. In «Teenie Weenie Kollegin Millie Jackson vermittelte auch die Frau mit der Boppie» sang sie noch über ein Mädchen, das LSD nimmt warmen Honigstimme technischen Support zum befriedi- und träumt, Mick Jagger sterbe durch Ertrinken. Danach genden Sex («Snap, Crackle and Pop»). endete die Zusammenarbeit mit Gainsbourg, und Gall Ora Denise Allen wurde am 16. Juli 1939 in der Nähe von konzentrierte sich verstärkt auf den deutschen (Schlager-) Sidon in Leflore County, Mississippi, geboren. Als ihre Fa- Markt. Die Sängerin war aber indirekt auch für einen Welt­ milie tief ins Delta nach Belzoni zog, war sie sieben. Ora hit verantwortlich: Um die Trennung von ihr zu verarbei- sang in der Kirche, zu Hause hörte sie Countrymusik und ten, schrieb Claude François 1967 «Comme d’habitude». Blues im Radio. Mit 13 zog sie allein nach Chicago, wo Paul Anka hörte das Lied in Paris am TV, kaufte die Rechte, sie mit einer Gospelgruppe sang. Sie begann Kurzgeschich- verfasste einen neuen englischen Text und gab das Stück als ten und Gedichte zu schreiben und legte sich den Namen «My Way» an Frank Sinatra weiter. Zu Beginn der 70er- LaSalle zu, weil er so schön französisch klang. Ihre erste Jahre arbeitete Gall dann vor allem mit ihrem damaligen Single war «A Love Reputation», eine Aufzählung ihrer Partner Julien Clerc zusammen. 1974 lernte sie den Sän- Verführungskünste. Chess Records veröffentlichte ihre ger und Songschreiber Michel Berger kennen und heiratete nächsten Singles, bevor sie und ihr damaliger Ehemann Bill ihn 1976. Berger zeichnete in der Folge für alle ihre Chan- Jones 1969 ihre eigene Produktionsfirma gründeten – Cra- sons verantwortlich, und Gall startete eine vor allem im jon. LaSalle schrieb auch Songs für andere Crajon-Künst- frankophonen Raum sehr erfolgreiche zweite Karriere mit ler. Eine Komposition, «Get Your Lie Straight», war 1971 bitte umblättern und am 10. Januar 2018 starb Fast Eddie Clarke an den DIE TOTEN Folgen einer Lungenentzündung. Bevor Eddie zu Motörhead stiess, spielte er in einer Band ein Hit für Bill Coday. Für ihre nächsten Singles spannte namens Zeus progressiven Blues. Er lernte Phil Taylor Denise LaSalle mit dem Produzenten Willie Mitchell aus bei der Renovation eines Hausboots in Chelsea kennen. Memphis zusammen, auf dessen Konto viele Hits von Al Dieser schleppte ihn mit zu Lemmy, der gerade mit der Green gingen. «Hung Up, Strung Out» erschien 1970 auf Gründungsformation von Motörhead gescheitert war. Ge- dem Detroiter Westbound-Label. 1971 schrieb und sang meinsam radikalisierten sie ab 1976 den Sound der Band. LaSalle den grössten Hit ihrer Karriere: «Trapped by a Philthy erfand mit seiner Double-Bass auf «Overkill» den Thing Called Love» schoss an die Spitze der Billboard- Speed Metal, Eddie hingegen sorgte mit seinen Licks aus R&B-Charts und erreichte Platz 13 bei den Pop-Singles. den Fünfzigerjahren dafür, dass für dieses Trio stimmte, In den Siebzigerjahren kehrte sie mit Songs wie «Now Run was Lemmy auch später stets behauptete: «We are Motör- and Tell That», «Man Sized Job», «Love Me Right» so- head and we play Rock’n’Roll.» In seiner Autobiografie wie «Married, But Not To Each Other» in die nationa- «White Line Fever» erinnerte sich Lemmy, dass sich der len R&B-Charts zurück. 1974 liess sich LaSalle scheiden Gitarrist und der Drummer so nahe standen wie Brüder – und zog nach Tennessee, wo sie den Disc-Jockey James E. und auch stritten wie Brüder: «Auf dem Weg zu einem Gig Wolfe Jr. heiratete, den Gründer der Radiostation WFKX boxten sich Phil und Eddie die ganze Zeit im Bus. Als wir in Jackson. 1982 unterschrieb die Sängerin beim Malaco- ankamen, hatte Phil ein blaues Auge und Eddie eine Ver- Label, damals eine der besten Adressen für Soul, Blues und letzung am Arm. Bevor wir auf die Bühne gingen, musste Gospel. Auf vielen ihrer Alben aus den Achtzigern liess ich ein Machtwort sprechen.» Es waren nur sechs Jahre, sie sich von der Muscle Shoals Rhythm Section begleiten. die Fast Eddie bei Motörhead spielte, doch was die Band LaSalle schrieb auch Material für andere Malaco-Acts wie in dieser Zeit schuf, bleibt für jeden der drei Musiker das beispielsweise Z. Z. Hill. Vermächtnis. «Overkill», «Bomber» und «Ace of Space» Mit «My Toot Toot», ihrer Version des Zydeco-Klassikers bilden eine Trilogie für die Ewigkeit, «No Sleep ’Til Ham- von Rockin’ Sidney, landete sie 1985 einen internationa- mersmith» (Nummer 1 in ) zählt zu den wichtigs- len Hit, der ihr viel Publizität ausserhalb des amerikani- ten Live-Alben der Rockgeschichte. Zum Split kam es 1982 schen Südens einbrachte. Ihre Konzert-Tourneen führten während gemeinsamen Aufnahmen von Motörhead mit sie mehrmals nach Europa und Japan. 2015 wurde sie in Wendy & The Plasmatics. Dabei sangen Lemmy und Wen- die Rhythm and Blues Music Hall of Fame aufgenommen. dy O’Williams eine Version von «Stand By Your Man», Im reiferen Alter degenerierte die Künstlerin, die von 1999 was sich als mühsam erwies. Eddie, der als Produzent am- bis 2001 mehrere Gospelplatten aufnahm, mehr und mehr tete, flippte aus und lief davon. Das war an sich nicht unge- zu einer Rhythm & Blues-Version von Mae West. Ihr Me- wöhnlich. Bloss, so Lemmy in seinen Memoiren: «Diesmal tier waren anzügliche Texte («Pay Before You Pump» von fragten wir ihn nicht, ob er zurückkommen würde.» Eddie 2007). Am 8. Januar starb Denise LaSalle in Jackson, Ten- sagte Jahre später dazu: «Ich würde nicht von einem Aus- nessee, an den Folgen eines operativen Eingriffs. stieg sprechen. Es war nicht meine Entscheidung.» In der Folge gründete Eddie die Band Fastway, doch bald Tony Lauber wurde es still um ihn. Da und dort kam er bei Motörhead- Gigs für ein paar Songs auf die Bühne. Doch auch wenn er nicht dabei war, bestimmten bis zuletzt Songs, die Eddie mit Lemmy und Philthy geschrieben hatte, einen Grossteil Fast Eddie Clarke von Motörheads Setlist. Warum Clarke Fast Eddie genannt 1950 – 2018 wurde, erklärte Lemmy übrigens einst ganz einfach: «Ed- die was a fast guitar player.» fast eddie clarke Reto Aschwanden Dolores O’Riordan 1971 – 2018

«I’m the queen of Limerick», schleuderte eine wütende Do- lores O’Riordan 2014 einem Polizisten entgegen, der sie auf dem Flughafen Shannon wegen «Air Rage» verhaftete, nach- dem sie sich im Flugzeug mit der Besatzung angelegt hatte. Dabei hatte es O’Riordan nie darauf angelegt, eine Königin zu werden. Aber sie und ihre Band The Cranberries hatten die irische 100 000-Einwohner-Stadt Limerick auf die glo- bale Rockkarte gesetzt. Nachdem der erste Sänger die Band 1990 verlassen hatte, suchte diese eine Frontfrau als Ersatz – und fand die damals 18-jährige O’Riordan, die zuvor vor allem im Kirchenchor und in Pubs gesungen hatte. Das erste gemeinsame Album «Everybody Else Is Doing It, So Why Can’t We?» erklomm 1993 bereits die Spitze der englischen Charts. Ein Jahr später folgte mit «No Need to Argue» dann der grosse Erfolg: Rund 17 Millionen Exemplare verkauften sich davon weltweit. Darauf fand sich mit «Zombie» ein Hit, der sich bis heute in den Radio­datenbanken findet. Eine Anti-Bürgerkriegs-Hymne, die den IRA-Bombenanschlag Im Leben gingen die drei Musiker, die zusammen die ul- 1993 in Warrington thematisierte und ein Nordirland ab- timative Motörhead-Formation gebildet hatten, lange ge- bildete, das sich noch weit weg vom Karfreitagsabkommen trennte Wege. Als es ans Sterben ging, folgten sie einander und einer Friedenslösung befand. auf dem Fuss. Phil «Philthy Animal» Taylor verstarb am Mit Songs wie «Zombie», «Linger» oder «Dreams» stan- 15. November 2015 an Leberversagen, Lemmy Kilmister den The Cranberries im Zentrum des Alternative Rock der erwischte der Krebs am 28. Dezember des selben Jahres, frühen Neunziger. Und sie hatten mit Dolores O’Riordan dolores o'riordan

coco schumann eine Sängerin, die alles in ihre Stimme legen konnte. dem Namen «Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus «Drängend, fordernd, durchbohrend. Emotional und zu- dem jüdischen Siedlungsgebiet», den die nationalsozialis- gleich stoisch. Auf die endlos langen Vokale legte sie kaum tischen Machthaber seinerzeit produzieren liessen und in Vibrato, liess sie stattdessen brechen und kippen, sich in dem Coco Schumann für einen kurzen Moment am Schlag- merkwürdige Melismen verzweigen, vom Nasalen ins Keh- zeug zu sehen ist. Er gehörte der Jazz-Combo mit dem flot- lige, ja, manchmal schien sie geradewegs zu jodeln», wie ten Namen «Die Ghettto Swingers» an und glaubte darauf «Die Zeit» in ihrem Nachruf schrieb. hoffen zu dürfen, nach den Dreharbeiten freizukommen. Doch die Nachfolgealben erreichten nicht mehr den Erfolg Stattdessen wurde er, wie die meisten Mitglieder der und die Wirkung von «No Need to Argue», 2003 löste sich 16-köpfigen Band auch, nach Auschwitz-Birkenau ge- die Band auf. O’Riordan litt bereits zuvor unter Anorexie schickt. Dort spielte er gemeinsam mit einem Roma-Or- und Depressionen, später wurde bei ihr eine bipolare Stö- chester für die KZ-Aufseher zur Unterhaltung auf. Die rung diagnostiziert. Trotzdem startete sie eine Solo-Karrie- Habanera «La Paloma», eines der meistgesungenen Volks- re mit zwei unterbewerten und oft übersehenen Alben und lieder der Welt, erklang so auch am Eingang zu den deut- später mit dem früheren Smiths-Bassisten Andy Rourke schen Gaskammern. Bis in die 80er-Jahre hinein konnte das Projekt D.A.R.K. Coco Schumann nicht über seine Erfahrungen sprechen. 2009 fanden auch The Cranberries wider für Konzerte zu- «Lange Zeit habe ich verdrängt, was ich gesehen hatte», sammen. Die Band arbeitete an einem neuen Album, als meinte er anlässlich seines 90. Geburtstags, «die Augen der die Sängerin am 15. Januar tot in der Badewanne eines Kinder, die in die Gaskammern geführt wurden; die Lei- Londoner Hotels aufgefunden wurde. Als Todesursache chen, die dort abgeladen wurden.» Er überlebte die Lager wurde offiziell ein Unfall – Ertrinken als Folge einer Alko- und kehrte 1945 nach Berlin zurück, wo er, in der Trüm- holvergiftung – angegeben. Nachdem Dolores O’Riordans merlandschaft der Stadt, seiner künftigen Frau begegnete, Sarg am 20. Januar in der St. Joseph’s Church in ihrer Hei- die, selbst in Theresienstadt inhaftiert, ihn als Schlagzeuger matstadt aufgebahrt worden war, nahmen Tausende Ab- der «Ghetto Swingers» wiedererkannte. schied von der «Queen of Limerick». Er verstand sich immer als Musiker, vor allem als Musi- Philipp Anz ker. «Ein Musiker, der im KZ gesessen hat. Kein KZ-ler, der Musik macht.» Nach dem Krieg wurde er ein Pionier an der E-Gitarre, spielte mit Helmut Zacharias Jazz und Tanzmusik ein, verdingte sich auf Kreuzfahrtschiffen und Coco Schumann an Gala-Events. Zweimal wanderte er nach Australien aus, 1924 – 2018 aber zweimal trieb ihn das Heimweh zurück. Am 28. Janu- ar ist der Swingmeister Coco Schumann, der «La Paloma» Coco Schumann hiess eigentlich Heinz Jakob Schumann, in Auschwitz zu Gehör brachte, im Alter von 93 Jahren in aber seine französische Freundin konnte das «’einz» nicht Berlin gestorben. richtig aussprechen. Also machte sie aus dem Zweitnamen Jochen Schmid Jakob ein «Coco», und so bekam Schumann seinen Spitz- und Künstlernamen weg. Das war in den 30er- und frühen 40er-Jahren, und Coco Schumann, damals noch minder- jährig, lungerte in den Berliner Bars und Tanzclubs herum, wo sie den Jazz und den Swing spielten. 1945 – 2018 Er selbst beherrschte das Schlagzeug und die Gitarre, und mit der Zeit gelang es ihm, mehr und mehr auch in nam- Mit Mike Harrison ist einer der letzten grossen Blues- und haften Orchestern mitzumischen. Allerdings galten Jazz Rock-Sänger Grossbritanniens gestorben. Geboren wurde und Swing als «undeutsch», und Coco Schumanns Mutter er am 3. September 1945 im englischen . Dort sang war Jüdin. er Mitte der Sechzigerjahre in einer Band namens V.I.P.’s. Das flog erstaunlich spät auf, nämlich erst 1943, und die 1967 stieg Organist aus, um The Nice zu Nationalsozialisten schickten Coco nach Theresienstadt. gründen. Die restlichen Musiker nannten sich fortan Art Das war ein Vorzeigelager der Nazis und dazu eingerichtet, und nahmen das psychedelische Album «Supernatural Fai- der Welt vorzugaukeln, wie human die jüdischen Insassen ry Tales» auf. Obwohl es floppte, glaubte , doch behandelt würden. Es gibt einen Propagandafilm mit der Boss von , weiter an die Band, regte eine bitte umblättern SZENE

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mike harrison weitere Namensänderung () und das Enga- gement des amerikanischen Keyboarders an. Diese Besetzung – Mike Harrison (Gesang, Keyboards), Gary Wright (Keyboards, Gesang), (Schlag- zeug), (Bass), (Gitarre) – veröffentlichte ein viel beachtetes Debüt («It’s All About», 1968), doch erst «» – mit Hits wie «That Was Seine Musik kannte kein Gedächtnis. Und das wollte sie Only Yesterday» oder «Evil Woman» – brachte 1969 den auch gar nicht, denn Aviciis Tracks standen für den flüch- internationalen Durchbruch. tigen Moment. So, wie das bei Popmusik, ob man sie nun Spooky Tooth etablierten einen monotonen, heavy Blues- ästhetisch schätzt oder nicht, im besten Fall immer ist. Sie rock, dessen auffälligstes Merkmal neben dem Orgelsound erzählte auch noch keine Geschichte, zumindest keine, die die expressive Stimme von Mike Harrison war. Die Chemie man in biografischen Wälzern bereits ausgebreitet hätte. innerhalb der Band war jedoch kompliziert, die Vision des Denn wer hätte schon gedacht, dass einer wie der schwedi- Managements kaum nachvollziehbar. Als Spooky Tooth sche Produzent und DJ, der in den letzten Jahren gemein- auf dem Höhepunkt ihrer Popularität mit dem französi- sam mit Kollegen wie David Guetta die Hitparaden und schen Avantgarde-Komponisten Pierre Henry ins Studio den Mainstream in den verschiedensten Regionen der Welt gingen, wurde das Ergebnis («Ceremony», 1970) von Kri- prägte, nun einfach wegstirbt? tik und Publikum verrissen. Die Band brach auseinander. Vor zehn Jahren fiel Tim Bergling zum ersten Mal mit ei- Um den Vertrag für ein weiteres Album zu erfüllen, holten nem Remix einer Videogame-Musik auf. 2011 folgte mit Harrison und Kellie drei Musiker der Grease Band (Henry «Levels» sein erster grosser Hit: Er sampelte dabei die McCullough, , ) ins Boot. In Jazzsängerin Etta James und schloss ihre Stimme mit den dieser Besetzung entstand «», ein erstaunlich übergrossen Dancefloor-Beats kurz, die er beherrschte wie solides Album. Anschliessend versuchte Harrison eine So- kaum ein anderer. Den subtilen Gesang von James kombi- lo-Karriere einzuschlagen. Die Songs seiner ersten beiden nierte er dabei mit seinen recht grobschlächtigen Electro- Alben von 1971 und 1972 waren tief im Blues verwurzelt, sounds. Dieser Track öffnete ihm die Tür zu Weltstars wie intensiv und melancholisch, doch ohne kommerzielles Po- Coldplay, Madonna, Rita Ora oder Wyclef Jean. Und dank tenzial. Dem Sänger fehlten die Hits, wie sie einem Rod Figuren wie Avicii wurde EDM, kurz für Electronic Dance Stewart in den Schoss fielen. Music, zur prägenden westlichen Mainstream-Popmusik Als das Angebot einer Plattenfirma kam, eine Spooky- der Gegenwart. Tooth-Reunion zu finanzieren, griff er zu. 1973 erschien Avicii war dabei stets inspiriert von der Electronica von «You Broke My Heart, So I Busted Your Jaw», vom Ori- Daft Punk, teilte aber auch das Popverständnis seiner gros- ginal-Line-up waren lediglich Harrison und Gary Wright sen Landsleute Abba (mit Björn Ulvaeus und Benny An- dabei. Der Musik fehlte ein klares Profil. Nach «Witness» dersson schrieb er 2013 die Eurovisions-Hymne «We Write (1974) hatte der Sänger endgültig die Nase voll. Sein nächs- the Story»). Mit dem Stück «Wake Me Up» gelang ihm tes Soloalbum «Rainbow Rider» war deutlich rockiger als dann vor fünf Jahren sein grösster Hit. Spätestens mit die- die vorangegangenen. Es floppte trotzdem. Frustriert zog sem Track wurde der DJ zum Superstar und – wenn man sich Harrison für 20 Jahre aus dem Business zurück. Immer so will – zum Rockstar unserer Zeit. wieder fragten ihn Konzertveranstalter nach Spooky Tooth. Avicii kannte aber abseits der Partyzone auch Dämonen, Zur neuerlichen Reunion (ohne Gary Wright) kam es Mit- Stress und Angst. Da war etwa der exzessive Alkoholkon- te der Neunzigerjahre, zur letzten (ohne den mittlerweile sum, der gesundheitliche Probleme mit der Bauchspei- verstorbenen Greg Ridley) kam es 2004. Bis 2001 arbeitete cheldrüse mit sich brachte. Seit 2016 trat er nicht mehr Harrison immer wieder mit der Blues Band. auf – produzierte aber immer noch weiter Tracks für Acts 2006 erschien ein letztes Soloalbum («Late Starter»). wie das Popduo AlunaGeorge. Denn das Studio und nicht Dann wurde es ruhig um den Briten, der in den letzten acht die Showbühne war seine eigentliche Welt, wie er einmal Jahren seines Lebens nur noch sporadisch auf der Büh- anmerkte. Dort, wo für ihn alles Sinn ergeben habe. Auf ne stand. Mit Mike Harrison verlor die Musikwelt Ende seiner Facebook-Seite schrieb Avicii damals über seinen bitte umblättern Ruhe mit Gott im Himmel und spiel mit der himmlischen DIE TOTEN Band.» Tony Lauber Rückzug: «Danke, dass ich so viele Jahre meine Träume verwirklichen konnte.» Vielleicht hätte spätestens dann erahnt werden müssen, dass Avicii mehr als nur den ausgelassenen Moment kennt. Glenn Branca Eine Ahnung, die am 20. April schreckliche Realität wur- 1948 – 2018 de: Tim Bergling wurde in der omanischen Hauptstadt Muscat tot aufgefunden. «Die Familie ist geschockt, und wir bitten darum, die Privatsphäre in dieser schweren Zeit zu respektieren», hiess es in einer Stellungnahme des Ma- nagements. Avicii wurde nur 28 Jahre alt.

Benedikt Sartorius Charles Neville 1939 – 2018 charles neville

glenn branca

Rock’n’Roll interessierte ihn nicht. Bis Glenn Branca 1964 «You Really Got Me» von den Kinks im Radio gehört hat- te. Dieses Ding, das anders, härter und lauter als alle an- deren Songs der damaligen Zeit war, sprang ihn sofort an. Branca, 1948 in Harrisburg, Pennsylvania, geboren, kaufte sich kurz nach diesem Erweckungserlebnis eine elektrische Gitarre und damit das Instrument, in dem er später neue Töne, Stimmungen, Lärm und Möglichkeiten finden wür- de. Mit seinen einflussreichen Stücken macht er Bands wie Sonic Youth erst möglich – und wurde selbst von David Bowie gepriesen. Seine Berufung sah Branca aber zunächst eher im Thea- Charles Neville, Saxofonist der Neville Brothers, starb ter als in der Musik, die er eigentlich als Hobby betreiben am 26. April in Huntington, Massachusets, im Alter von wollte: Nach seinem Studium in Boston gründete Branca 79 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Der zweitälteste das Bastard Theatre, 1976 folgte sein Umzug nach New der vier musizierenden Brüder spielte seit den späten Fünf- York. Wenn man zu jener Zeit ein Publikum mit radikaler zigerjahren mit vielen Grössen der Crescent City: Als Saxo- Kunst erreichen wollte, musste man nun mal in die Gross- fonist war er Mitglied der Hausband im Dew Drop Inn und stadt. Es war denn auch dort, wo die Musik für ihn, der stand Allen Toussaint, James Booker, Huey Smith und Er- als Teenager auch mit Kassettengeräten herumexperimen- nie K. Doe zur Seite. Während die anderen Neville-Brüder tierte, ins Zentrum rückte: Branca gründete 1977 mit dem ihre Talente in diversen R&B- und Bluesgruppen schulten Künstler Jeff Lohn die Band Theoretical Girls. – The Meters war die bekannteste davon –, war Charles Sie definierten sich zwar als Punkband, doch die Theoreti- auf einem anderen musikalischen Trip: Seine Idole spielten cal Girls spielten eine Musik, die all die gärenden Szenen Bebop, wie Charlie Parker oder Coleman Hawkins. der Downtown zusammenbrachte. Man hört in ihrem be- Nach seinem Dienst in der Navy zog er nach New York kanntesten Stück «You Got Me» neben dem Punk-Rock und fand dort in der lebendigen Jazzszene Anschluss und die Minimalmusic durch, man hört auch den Einfluss des Inspiration. Ende der Siebziger kehrte Charles Neville Free Jazz, und man hört – vor allem – die Aggression, die nach New Orleans zurück, um mit seinen Brüdern Art, Gewalt, den Nihilismus und die Hektik der Grossstadt. Aaron und Cyril und Big Chief Jolly das Album «The Wild Allein waren die Theoretical Girls nicht, denn da waren Tchoupitoulas» (1976) einzuspielen. Im folgenden Jahr auch der Saxofonist James Chance und seine superaggres- fanden The Neville Brothers definitiv als Band zusammen sive Band The Contortions oder Performerinnen wie Lydia und avancierten zu den weltweit erfolgreichsten musikali- Lunch, die mit ihrer Gruppe Teenage Jesus and the Jerks schen Botschaftern ihrer Heimatstadt. die Grenzen zwischen Rock und Kunst weiter niederrissen. «Die Musik aus deinem Instrument begleiteten uns rund All diese Bands figurieren seither unter dem Etikett No um die Welt», schrieb der jüngere Bruder Aaron zum Ge- Wave. Was für eine Szene das war, kann selbst heute prob- denken an Charles. «Wenn ich dir zuhörte, vergass ich lemlos nachvollzogen werden, beispielsweise mit einem Vi- manchmal alles um mich herum. In ‹Caravan› führtest du deo einer Gitarrenperformance von Glenn Branca: Wie ein uns nach Indien oder Arabien. Unvergessen bleibt dein elektrisierter Derwisch traktierte er bei einem Auftritt 1978 Solo in ‹Fever›, wie jedes andere, das aus deinem Horn sein Instrument, als gälte es, alle Ekstasen, die die Rockmu- kam. Nun, geliebter Bruder, geniesse deine wohl verdiente sik sonst so bereithält, ein für allemal aus der Stromgitarre zu prügeln. Doch Branca war mitnichten einfach ein geni- ben von Jack Bruce dabei («Things We Like», «Songs for a aler Dilettant, sondern einer, der bald schon Stücke kom- Tailor») und trommelte auf «Fire», der Hitsingle der Crazy ponierte, die der elektrischen Gitarre neue Möglichkeiten World of Arthur Brown (1968). eröffneten: «Lesson No. 1» hiess sein erstes und vielleicht Ende 1968 gründete er mit den Bluesbreakers-Kollegen wichtigstes Stück, das den Geist des Punk mit der Minimal und Dick Heckstall-Smith Colosseum, eine Music eines Steve Reich verband. 1981 folgte «The Ascen- wegweisende Band, die Blues, Jazz, Rock und Klassik-Ele- sion», das er mit seinem Ensemble einspielte. Zu diesem mente zu einem eigenen Sound verschmolz. Die Studioplat- zählte damals auch der Komponist Ned Sublette oder der ten «Those Who Are About to Die Salute You», «Valentyne spätere Sonic-Youth-Gitarrist Lee Ranaldo. Suite» und «Daughter of Time» kamen in Grossbritanni- Bei allem grossartigen Lärm, den Brancas Kompositionen en in die Top 10. 1971 gingen Hiseman, Heckstall-Smith, und Sinfonien zelebrierten, drang aber auch etwas Feierli- Dave , , sowie ches, Erhabenes, ja, Ekstatisches durch. Denn Branca, dem getrennte Wege. Nach Tempest, dem kurz- der Ruf des Kompromisslosen und Unerbittlichen zeitle- lebigen Rock-Projekt mit Bassist Clarke, Gitarrist Allan bens anhaftete, bezeichnete seine Musik stets als Rock. Holdsworth und dessen Nachfolger, dem genialen Ollie Wie physisch diese unerhörte Musik war, wie physisch er Halsall, setzte Hiseman 1974 voll auf Jazzrock: Unter diese auch dirigierte, war 2011 auch in Zürich zu erleben. dem Namen Colosseum II spielten sich Kreativkräfte wie Viel dringender, lauter und erhabener als an jenem Abend Gary Moore, Don Airey und Neil Murray die Einfälle wie klang Rockmusik selten. Ping-Pong-Bälle zu. In den späten Siebziger- und Achtzi- Am 13. Mai ist Glenn Branca an Kehlkopfkrebs gestorben. gerjahren trat vor allem als Drummer bei Er wurde 69 Jahre alt. Paraphernalia in Erscheinung, der Band seiner Ehefrau, Benedikt Sartorius der Saxofonistin Barbara Thompson. Zusammen spielten sie auch im United Jazz and Rock Ensemble und waren an mehreren Studioprojekten des Musical-Komponisten Lloyd Webber beteiligt. 1994 reformierte er Colosseum Jon Hiseman in der definitiven Besetzung von 1971. Mit wechselnden 1944 – 2018 Saxofonisten (mit Thompson für den 2004 verstorbenen Heckstall-Smith) tourte die in Europa noch immer populä- jon hiseman re Gruppe bis 2015. Während seiner langen Karriere als Musiker veröffentlich- te Jon Hiseman lediglich zwei Alben unter seinem eigenem Namen: «A Night in the Sun» (1982), eine Kollaboration mit brasilianischen Musikern, und «About Time Too!» (1986), eine Kollektion von Live-Schlagzeugsoli. Sein letz- tes Projekt war JCM, ein Powertrio mit den Colosseum- Kollegen Mark Clarke und Clem Clempson. Das Debütal- bum «Heroes» erschien im April 2018. Tony Lauber D.J. Fontana 1931 – 2018 dominic joseph (d.j.) fontana

Der britische Schlagzeuger und Komponist Jon Hiseman, der Bands wie Colosseum und Tempest gründete, starb am 12. Juni in Sutton, einem Vorort von . Er war 73 Jahre alt. Während der ersten Tournee mit seinem neu- en Trio JCM wurde bei Hiseman ein Tumor diagnostiziert. Eine in London ausgeführte Notoperation konnte sein Le- ben nicht retten. Seine letzten Tage verlebte der Musiker in einem Sterbehospitz. Der 1944 in London geborene Philip John Hiseman war ein agiler, kraftvoller Instrumentalist, der seine Becken me- lodisch stimmte und sich in komplexen Stücken die Lust am Improvisieren bewahrte. Seine Musik enthielt Ele- mente der Klassik, des Modern- oder Free-Jazz, des Blues und Rock. Als Kind lernte er Piano und Violine. Zum Schlagzeug kam er erst als Teenager. Er spielte für diverse Jazz- und R&B-Bands. Und machte eine Ausbildung zum Buchhalter. 1966 wurde er Profi, als er Ginger Baker in der Dominic Joseph (D.J.) Fontana, der als Schlagzeuger von Graham Bond Organisation ersetzte und danach zu John berühmt wurde, war das letzte noch leben- Mayall’s Bluesbreakers stiess. Mit dieser Formation spielte de Mitglied der Originalband. Erste Erfahrungen als Mu- er 1968 das ambitionierte Album «Bare Wires» ein. Auch siker sammelte er in den Nachtklubs seiner Heimatstadt als Studiomusiker glänzte Hiseman mit technischer Präsi- Shreveport, Louisiana. Doch erst das regelmässige Enga- zion und Raffinesse. Er war auf den ersten beiden Soloal- gement am Louisiana Hayride, einem populären, im Ra- bitte umblättern Inserat im LOOP vom 7.12.2018 SZENE Konzerte 7.12.2018 bis 24.1.2019 IG Rote Fabrik Seestrasse 395 8038 Zürich [email protected] Fr. 18.1.19 - Do. 24.1.19 Ziegel oh Lac 20:30 Tel. 044 485 58 58 Samstag 08.12. 20Uhr20 Ziischtigmusig, ROCKWOCHE 2019 Fax. 044 485 58 59 WHAT JOSEPHINE SAW GIIGESTUBETE Fr. PABLO INFERNAL Sonntag, 6.1. / 3.2. Dienstag 11.12. 20Uhr20 3.3./ 14.4. 18Uhr18 Sa. GO!ZILLA POKEY LAFARGE Di. UNHOLD / OLTEN Samstag 15.12. 20Uhr20 JODLEREI Mi. CATALYST / THE PACK A.D. EMANUELA HUTTER Sonntag, 16.12./20.1. 24.2./24.3. 18Uhr18 Do. ZARBOTH / IT IT ANITA Montag 17.12. 20Uhr20 Vorverkauf: www.starticket.ch TH. HOFFMANN Eintritt frei für Personen des Asylbereichs. Nur TICKETS: solange verfügbar. Ausweis N/F vorweisen. Samstag 12.01. 20Uhr20 Erhältlich direkt MARIA DOYLE KENNEDY am el Lokalen Tresen und auf Montag 14.01. 20Uhr20 ticketino.com PSTCRD + PHIL DUKE Gessner-Allee 11 Samstag 19.01. 20Uhr20 8001 Zurigo Isola WHISKEY SHIVERS www.ellokal.ch Mi 30.1.19 > Neumünster Zürich Mario Batkovic Der Akkordeon-Überflieger live in concert

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Das Trio spielte einen Mix aus Blues, Pop und Country. Fontana vermied es, die Becken zu treffen und schlug auf Toms und Snare lediglich einen leichten Backbeat, um der Musik zu entsprechen. Obwohl nur ein Teil des Publikums das Gebotene goutier- te, wurde Presley von den Produzenten des Hayride erneut eingeladen. Einen Monat später spielte Fontana vor dem Vorhang, und Presleys Körpersprache versetzte die ersten weiblichen Fans in Ekstase. Schon bald gehörte D.J. zur festen Besetzung des Quartetts. Im Januar 1956 nahm er an einer Studiosession teil: Aufgenommen wurden fünf Songs, darunter der Bestseller «Heartbreak Hotel». Drei Jahre später trennte sich die erste Elvis-Band, doch Fontana blieb rund 15 Jahre lang an der Seite des «King of Rock’n’Roll». Auf über 450 Songs schlug er den Takt, darunter die bahn- mac miller brechenden Hits «Don’t Be Cruel» oder «Jailhouse Rock». 1969 verliess er Presley nach einem Streit mit Manager Co- Und trotzdem, oder gerade wegen seiner unbekümmerten lonel Tom Parker. Grund des Zwistes war das liebe Geld. Stil- und Richtungswechsel, erreichte er besonders in den Als Drummer war D.J. Fontana explosiv, doch effizient. Er USA ein grosses Publikum: Sein Debütalbum «Blue Slide etablierte die rhythmische Grundlage, auf welcher Gene- Park» erklomm 2011 als erstes Independent-Album seit rationen erfolgreich Popmusik aufbauen konnten. «Elvis Tha Dogg Pounds «Dogg Food» (1995) die Spitze der Bill- und Scotty und Bill machten gute Musik, doch das war board Charts. kein Rock’n‘Roll – bis D.J. puren Backbeat dazu lieferte», Sein zweites Album erreichte Platz 3 und verkaufte sich sagte The-Band-Schlagzeuger Levon Helm 2004 zu einem über 200 000-mal. Auch in Orpund, wo sich jedes Jahr Journalisten. blutjunge Hip-Hop-Anhänger und Liebhaber allen Alters Fontana zog nach Nashville, um eine Karriere als Sessi- treffen, kannte man seine Musik und würdigte den Auftritt onmusiker einzuschlagen. Er spielte auf Platten von Paul des Amerikaners. McCartney, Johnny Cash, Dolly Parton sowie Waylon Wie auf Platte präsentierte sich dort allerdings ein ziemli- Jennings. 1983 veröffentlichte er seine Memoiren («D.J. ches Durcheinander: Moderne Synthie-Beats, die blechern Fontana Remembers Elvis»), und in «All the King‘s Men» zirpend und zuckeln, gesellen sich unbrüderlich zu klas- (1997), einer preisgekrönten Filmdokumentation, trat sisch klopfenden Stücken mit eingesampelten Bläsersätzen, er neben Keith Richards und Jeff Beck auf. 2016 zählte souligen Gitarrenmelodien und Pop-Trällereien. Er arbei- ihn das Musikmagazin «Rolling Stone» zu den 15 besten tete sich damals durch soviel verschiedenartiges Material, Schlagzeugern aller Zeiten. Im April 2009 wurde D.J. Fon- dass man irgendwann den Anschluss verlor. Den musste tana in die « Hall of Fame» aufgenommen. man sich dann schon wieder selber erarbeiten. Er starb am 13. Juni im Alter von 87 Jahren. Von seinem Weg ist er seither nie abgewichen: Keines sei- ner Alben bietet schlicht gleichförmigen Rap. Immer such- Tony Lauber te der Multiinstrumentalist das Experiment, immer span- nende Kollaborateure. Auf «Swimming», seinem letzten, tummelten sich etwa Flying Lotus, Thundercat, Snoop Dogg, Dâm-Funk, Dev Hynes und J. Cole. Mac Miller Anfang September ist er seinen Dämonen erlegen. 1992 – 2018 Adrian Schräder Die verflixten Dämonen verfolgten ihn wie einen Schwer- verbrecher. «I been having trouble sleeping, battling these demons/Wondering what’s the thing that keeps me brea- thing, is it money, fame or neither», heisst es etwa in einem Rachid Taha seiner grössten Hits, «Weekend» von 2015. 1958 – 2018 Malcolm James McCormick alias Mac Miller, in jungen Jahren zum US-Hip-Hop-Star aufgestiegen, führte einen «Ey, ist jetzt heute hier türkischer Abend?» – Die hübsche internen Nervenkrieg. Nervös zappelnd sass er vor fünf Berlinerin mit der Schnodderschnauze wundert sich, dass Jahren in seinem Container im Backstage-Bereich des Ro- bei meiner monatlichen «Franzosen-Disco» Tour de France yal Arena Festivals in Orpund bei Biel und zog pausenlos im Roten Salon auch arabische Musik läuft. Türkisch oder an der Zigarette. Zarte 21 Jahre alt war er da gerade. Ein arabisch, das scheint dem Mädel egal zu sein. dünnes, weisses Bürschchen mit Schalk in den Augen und Dabei sind arabische Klänge längst integraler Bestandteil einer Erscheinung, die auf den ersten Blick an einen Ska- der französischen Musikszene. Nicht erst seit der Raï-Star ter erinnerte: Tätowierungen, Kapuzenpulli, Schirmmütze, Khaled mit «Aicha» die Charts erklomm. Die Musik der Turnschuhe. arabischstämmigen Franzosen, der jungen Immigranten- Wo er mit seiner Musik genau hinwollte, hatte er damals kinder, der «beurs» ist – im Gegensatz zu ihren Schöpfern noch nicht wirklich festgelegt – und wie sich zeigte, hatte – längst mitten in der französischen Gesellschaft angekom- er auch in der Folge keine Lust darauf, dies zu tun. Mal men. Das war nicht immer so. klingt sie fröhlich und unbekümmert, nimmt für Hip-Hip Als ich erstmals im Herbst 1988 in Paris für die WOZ eine ungewöhnlich viel Fahrt auf, mal verhangen und düster, Geschichte über Raï recherchierte, hat das die europäi- mal welterobernd oder eher traditionell. schen Franzosen noch herzlich wenig interessiert, und bei bitte umblättern DIE TOTEN Otis Rush 1935 – 2018 otis rush

rachid taha

einem Konzert mit Khaled in der Pariser Banlieue waren damals unter 3000 Besuchern gerade mal zwei, drei Dut- Otis Rush, einer der einflussreichsten Gitarristen und zend «Weissbrote» wie ich. Songschreiber der Bluesszene von Chicago, starb am Inzwischen sind Khaled, Mami oder der jüngere Faudel 29. September. Er war 83 Jahre alt. Mit seinem mitreissen- Stars, und französische Rockbands integrieren in ihre den, ökonomischen Spiel galt Rush in den späten Fünfzi- Songs wie selbstverständlich auch arabische Elemente. Ei- ger- und frühen Sechzigerjahren als einer der Schöpfer des ner der Pioniere der Verschmelzung von arabischen, ori- modernen «West Side Sound». Der Stil des linkshändigen entalischen Sounds mit Rock und Punk ist Rachid Taha. Gitarristen beeinflusste jüngere Mitstreiter wie Magic Sam 1958 im Zentrum des Raï, im algerischen Oran, geboren, und Buddy Guy, später auch unzählige Rockmusiker – al- kommt er als Zehnjähriger mit den Eltern ins Elsass. Über- len voran Eric Clapton und Carlos Santana. Sie bewun- gesiedelt nach Lyon, gründet er dort Anfang der Achtziger derten seine originelle Phrasierung, die jazzigen Fills, das zusammen mit drei Kumpels die Band Carte De Séjour Saitenziehen und den Einsatz von Vibrato. Rushs Spiel bil- («Aufenthaltserlaubnis») und verschmilzt Rock, Punk und dete das ganze emotionale Spektrum ab – vom stechenden Wave mit Arabischem, wobei man sowohl auf Französisch Schmerz bis zur Euphorie. als auch Arabisch singt. Otis Rush wurde 1935 in Philadelphia, Mississippi, als Mit der arabischen Version von Charles Trenets Chanson- eines von acht Kindern eines Landarbeiters geboren. Das Klassiker «Douce France» feiert er einen ersten Hit. Die Gitarrespielen brachte er sich selber bei. 1949 zog er nach Band löst sich nach ein paar Platten auf, Taha zieht nach Chicago. Nachdem er Muddy Waters live gesehen hatte, Paris und veröffentlicht unter dem eigenen Namen. Mu- setzte Rush alles daran, professioneller Musiker zu werden. sikalisch mischt Taha zusehends auch Elektronisches und Willie Dixon, damals Chicagos führender A&R-Mann, Dancefloor-Sounds unter seine Stücke. entdeckte den 18-Jährigen in einem Blues-Club und nahm Bekannt wird er mit «Ya Rayah», einer aufgefrischten ihn für das neu gegründete Cobra-Label unter Vertrag. «I Version eines arabischen Klassikers, und 2000 feiert er un- Can’t Quit You Baby», seine erste Single, schoss 1956 an ter dem Titel «1, 2, 3 Soleils» gemeinsam mit den Stars die Spitze der Billboard R&B Charts. Rushs Performance Khaled und Faudel Erfolge. Hierzulande kennt man ihn war überraschend und spannend, der Gesang ausdrucks- auch wegen seiner wunderbaren, mit Flöten und Trom- stark, gekrönt von einem frenetischen Gitarrensolo. Viele meln gepuschten arabische Adaption des alten Clash-Hits seiner auf Cobra, Chess oder Duke Records veröffentlich- «Rock the Casbah». Das passt, immerhin ist Rachid Taha ten Songs wurden später gecovert: John Mayall’s Blues- so etwas wie der arabische Joe Strummer. breakers (mit Eric Clapton) nahmen «All Your Love» und In den letzten Jahren ist es ruhiger um ihn geworden, ob- «Double Trouble» auf. «I Can’t Quit You Baby» tauchte wohl er immer noch gute Platten veröffentlichte. Zuletzt 1969 auf dem Debütalbum von Led Zeppelin auf. Der jun- «Zoom» (2013), das ich auch hier in dieser Zeitung vorge- ge Stevie Ray Vaughan taufte seine Band Double Trouble. stellt hatte. Dort hören wir als Coverversion «Voilà Voilà», In den Sechziger- und Siebzigerjahren kam Otis Rushs Kar- Tahas neu aufgenommenes Statement gegen Ausländer- riere wegen juristischer Probleme nie richtig in Schwung. feindlichkeit, bei dem er – produziert von Brian Eno – ne- 1969 erschien sein Debütalbum «Mourning In the Mor- ben anderen Gästen auch den Ex-Fussballstar Eric Canto- ning», welches in den legendären FAME-Studios mit der na zum Mitmachen überredet hatte. Muscle Shoals Rhythm Section, Nick Gravenites und Mike Live habe ich ihn zuletzt vor drei Jahren beim Bran- Bloomfield eingespielt wurde, floppte. Das Erscheinen des chenmeeting MaMA in Paris gesehen. Dort sah er schon zweiten («Right Place, Wrong Time») verzögerte sich um schlecht aus und nicht gut gealtert, von Drogen, Alkohol fünf Jahre. Während die Engagements in den Clubs von und dem rauen Rock’n’Roll-Leben gezeichnet. Chicago immer seltener wurden, fand Rush in Europa und Am 12. September ist Rachid Taha, wenige Tage vor sei- Japan ein neues Publikum. Seine Frustration über die Prak- nem 60. Geburtstag, an einem Herzinfarkt gestorben. Ein tiken der Plattenfirmen nahmen wieder zu, als Alligator grosser Verlust für die französische Musikszene. Records 1991 ein in den Siebzigern in Schweden aufge- nommenes Album radikal neu abmischte und 1991 unter Thomas Bohnet anderem Namen veröffentlichte. Ohne Wissen und Beteili- gung des Künstlers. Doch auf Otis Rush wartete späte Ge- au chocolat» oder die Liebeslieder «Ma vie sans toi» und nugtuung: 1994 nahm er «Ain’t Enough Comin’ In» auf, «Mon amour je te porte en moi». Die Nachte im Montmar- sein erstes Album seit 16 Jahren. 1998 wurde «Any Place tre behandelt «La maison rose», Erinnerungen an Edith Piaf I’m Going» mit dem Grammy für das beste traditionelle werden in «De la môme a Edith» wach. In der wunderba- Bluesalbum ausgezeichnet. Obwohl dies seine letzte Platte ren Single-Auskopplung «Avec un brin de nostalgie» geht blieb, beteiligte sich Otis Rush an diversen Tributalben und es um die Farben der Melancholie, und «Chez Fanny» ist stand noch bis 2003 auf der Bühne. ein Lied uber den franzosischen Widerstand gegen die Nazi- Tony Lauber Besatzung. Nun ist diese grosse Stimme des französischen Chansons verstummt – und lebt in den Liedern weiter. Charles Aznavour Thomas Bohnet 1924 – 2018 Geoff Emerick 1945 – 2018 geoff emerick

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Er war eine lebende Legende, und eigentlich dachte man auch, er wäre unsterblich: Der grosse Chansonnier Charles Aznavour, der am 1. Oktober 94-jährig – dann doch über- raschend – verstorben ist. Bis zuletzt stand der armenisch- Die Beatles waren bekannt dafür, die Grenzen der Mög- stämmige Sänger, der eigentlich Schahnur Waghinak Asna- lichkeiten auszuloten, Klänge auf Band zu bannen. Mög- wurjan hiess, auf der Bühne, und zwei Wochen vor seinem lich wurde dies nicht zuletzt durch die Innovationskraft Tod gab er noch ein Konzert in Osaka; weitere Termine des klassisch geschulten George Martin und die Experi- standen an. Aznavours glänzende Karriere umfasste über mentierlust des Tontechnikers Geoff Emerick, der John 70 (!) Jahre, nachdem der damals 22-Jährige nach dem Lennons Vision eines Sounds, der sich anhört, als ob «der Krieg mithilfe der grossen Edith Piaf bekannt geworden ist. Dalai Lama auf einem Berg singt», mit aufwendig gebastel- 200 Millionen verkaufte Platten, 1000 aufgenommene ten Tape-Loops umsetzte und in den psychedelischen Song Chansons, darunter 800 selbst geschriebene – das sind «Tomorrow Never Knows» integrierte. Zwecks Verfrem- Marken des in Paris geborenen Sängers, dessen Hits «La dung jagte der 20-Jährige Lennons Stimme durch einen Bohème», «Emmenez-moi», «Hier encore» oder «Formi- rotierenden Leslie-Lautsprecher. dable» längst zum Kanon des französischen Musik gehö- Seine Karriere begann Emerick als 15-jähriger Assistent in ren. Politisch hat sich Aznavour immer für seine zweite den Londoner Abbey Road Studios. Als die Beatles dort Heimat Armenien eingesetzt. Folgerichtig ist er vor einigen erstmals für EMI Records aufnahmen, trugen die Toninge- Jahren auch armenischer Botschafter in der Schweiz gewor- nieure noch weisse Laborkittel. Sein Know-how erwarb der den. Sein Talent bewies er auch als Schauspieler in zahlrei- 1945 geborene Emerick als Hilfskraft, später als Matrizen- chen Filmen. Mir ist er immer noch als tragischer Pianist schneider, Mastering- und Balance-Techniker. Zum ersten in François Truffauts wunderbarem frühen Meisterwerk Mal traf er die Band aus Liverpool 1963, anlässlich einer «Tirez sur le pianiste» («Schiessen Sie auf den Pianisten») Overdub-Session für die Songs «Misery» und «Baby It’s aus dem Jahr 1960 in bester Erinnerung: eine schwarzhu- You». Die Bezeichnung für seinen damaligen Job im streng morige, poetische Hommage an den US-amerikanischen hierarchisch organisierten Studio lautete Tape-Operator. Er Film Noir mit einem damals frischen Kinogesicht. war auch an Songs wie «Love Me Do», «I Want To Hold Auf CD ist zuletzt das Album «Encore» 2015 erschienen Your Hand», «She Loves You» oder «A Hard Day’s Night» – ein wunderbares Spätwerk, am Vorabend seines 91.Ge- beteiligt. Als leitender Tontechniker und rechte Hand von burtstags. «Zugaben» hiess dieses 51. Album einer langen Produzent George Martin nahm Emerick Meisterwerke Karriere. Zum Ruhestand selber sagte er damals: «Mein wie «Revolver», «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band», Ruhestand? Mit einem Stock laufen? Und meinen Bart lang «Abbey Road» und «The Beatles» auf. Während der mona- wachsen lassen, weil ich mich nicht jeden Morgen rasieren telangen Sessions zum sogenannten «White Album» 1968 kann? Das ist nicht mein Ding. Ein guter Ruhestand bedeu- wechselte Geoff Emerick in die Apple Recording Studios tet, nicht im Ruhestand zu sein.» Und seine Stimme war auch der Beatles. Nach dem Ende der Band nahm er weiterhin da noch bemerkenswert. Rau, altersreif – auf zwölf schönen Musik von Paul McCartney (bis 1997) und dessen Band Chansons, darunter die Jugenderinnerung «Les Petits Pains Wings auf. Und er produzierte Künstler wie The Zombies bitte umblättern SZENE

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Musik im Briefkasten. loopzeitung.ch DIE TOTEN Silver Disc 1989 – 2018 («Odessey and Oracle»), America, Jeff Beck, Elvis Costello («Imperial Bedroom»), Ultravox («Quartet»), Kate Bush, Stevie Wonder, Michael Jackson, Tim Hardin, Cheap Trick, Split Enz, Badfinger, Supertramp, Oasis, Kaiser Chiefs und Art Garfunkel. Geoff Emericks Arbeit wurde mit vier Gram- mys ausgezeichnet: einen für das Wings-Album «Band on the Run», je einen für «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band» und «Abbey Road» sowie 2003 einen letzten für sein Lebenswerk. 2006 veröffentlichte Emerick seine Memoiren «Here, There and Everywhere». George Martins Sohn Gi- les bezeichnete ihn als «einen der besten und innovativsten Toningenieure, der je in einen Aufnahmestudio tätig war.» Geoff Emerick starb am 2. Oktober 72-jährig an einer Herz- attacke. Tony Lauber «Spex» 1980 – 2018

Als die Nachricht kam, ging ein leiser Ruck durch den Freundeskreis. Die Nachricht: Mit der letzten, im Dezember erscheinenden Ausgabe verschwindet die Musikzeitschrift «Spex» definitiv. Unverständnis machte sich breit, zugleich musste man sich allerdings auch die Frage stellen, wann man denn letztmals ein Exemplar der Zeitschrift erstanden, Seit der ersten Ausgabe 1998 lag im Silver Disc das Loop geschweige denn durchgelesen hatte. Der Titel war längst auf. So ist es nun, als ob Ende Jahr das CD-Zeitalter end- mythisch entschwunden, das zugehörige Heft auf dem Weg gültig zu Ende geht, wenn der Silver Disc in Zürich seine in die Bedeutungslosigkeit. Dennoch sorgt das nun anste- Türen schliesst. Nomen est omen: 1989 mit CDs gestar- hende Ende für Betroffenheit bei all jenen, die in den frühen tet, kamen im Lauf der Zeit die anderen Formate aus dem Neunzigerjahren Musik als Kunst-, Darstellungs- und De- Reich der Silberlinge ins Sortiment, also Games, DVDs, battenvehikel entdeckt haben. Für sie war «Spex» das Skript Blu-rays, seit ein paar Jahren gar Vinyl (nicht nur silberne zur vertieften und vergeistigten Auseinandersetzung mit Me- Schallplatten). Die Geschäftsidee ist bestechend: An- und lodien, Wucht, Lärm, Lyrik, Eleganz und Ekstase. Verkauf von Occasionen, jedoch mit garantierter Qualität. Zu Beginn der Achtzigerjahre gegründet, erlebte das Magazin Für kurze Zeit gab es fünf Filialen, eine in Basel, eine in ein paar Jahre später mit dem ehemaligen «Sounds»-Redak- Baden, für wenige Wochen eine im Thurgau sowie zwei tor Diedrich Diederichsen an der Spitze einen Aufschwung. in Zürich – eine beim Bahnhof Oerlikon und eine beim Sein Schreibstil, oft eigenwillig bis zur Unlesbarkeit, wurde Löwenbräuareal. in der Folge mit dem Stichwort «Spex» verknüpft, was bis Nach seinem Studium als Forstingenieur stieg 1995 Yves zur Jahrtausendwende immer wieder Anfeindungen herauf- Ziegler als Franchisenehmer in den Laden an der Limmats- beschwörte. Man mochte es als «angeberische Kontroversi- trasse ein und führt ihn bis heute. Man traf ihn auch an tät» bezeichnen, als einen unsinnigen Versuch, die Popkultur den Schallplattenbörsen. So hatte er seinen Stammplatz komplizierter zu machen, als sie wirklich ist, doch letztlich im Foyer des Volkshauses, wo der Schreibende 2003 eine machte genau dieser spezielle Stil den Reiz der «Spex» aus: Woche vor Veröffentlichung von «The Eye» von Yello die Andeutungen, Übertreibungen, Verweise, Theoriekonstruk- Promo fand und dann in mehreren Medien eine Bespre- te und das versierte Spiel mit popkulturellen Codes. Wer chung veröffentlichen konnte – doch welches Medium hat eher verständlich dargelegte Fakten wollte, griff halt zu sim- heute noch CD-Tipps? Seit einigen Jahren ist Yves auch pleren Musikmagazinen. bei Amazon und Discogs registriert. Dauerbrenner im Der Sinkflug begann mit dem Jahreswechsel 1999/2000. Die Sortiment waren neben Rock und Pop Metal und Hip- Zeitschrift wurde von der Münchner Piranha Medien AG Hop, erinnert sich der Plattenhändler im Gespräch, in den übernommen, die man dazumals – wenn überhaupt – als 90er-Jahren lief auch Weltmusik gut. Der technologische Herausgeberin des «Burger King»-Magazins kannte. Die Wandel spiegelte sich in den Preisen. Einst kosteten CDs Leserschaft befürchtete einen Umbau Richtung Lifestyle- 14 und 9 Franken, heute noch 5 Franken. Erhielt man als Postille, der dann – abgesehen von der Einführung einer Verkäufer früher faire Preise, ist es heute gerade mal noch Modestrecke – nicht eintrat. Der Grossteil des Magazins 1 Franken pro CD. blieb der Musik vorbehalten. Mit klassischem Handwerk, Yves erinnert sich, dass der Aufbau eines DVD-Sortiments das auch in den Folgejahren fachlich sattelfest und stilistisch eine Herausforderung gewesen war, da die Leute anfänglich versiert betrieben wurde. 2007 folgte der Umzug von Köln ihre DVDs behielten. So hatte er jede Gelegenheit genutzt, nach Berlin, die komplette Redaktion wurde ausgewechselt, um günstig DVDs zu kaufen. Da sie neuwertig 50 Franken es gab Anfeindungen und vorauseilende Abgesänge – aber kosteten, konnte er sie auch zu einem entsprechenden Preis dennoch erschien die Zeitschrift unbeirrt weiter. Bis Mitte verkaufen und war immer noch günstiger. Heutzutage er- Oktober 2018, als die Einstellung per Ende Jahr vermeldet halte er immer wieder komplette Sammlungen angeboten, wurde. Die Begründung dafür ist wirtschaftlicher (Anzei- die sich die Leute in den Neunziger- und Nullerjahren zu- genverlust), das Bedauern darüber hingegen ästhetischer sammengestellt hatten. Im Gegensatz zu früher bekomme Natur. Denn wenn Musik nicht mehr mit Worten beschrie- er aber nur noch wenige neu veröffentlichte Alben, da diese ben, sondern bloss noch mittels Like-Symbolik in Kommen- vermehrt gestreamt würden. Dass Yves nun den Laden auf- tarspalten abgehandelt wird, müssen wir womöglich bald gibt, liegt freilich nicht (nur) am kaputten Musikmarkt: Er schon Don McLean als Experten beiziehen. Und der wird geht mit seiner Frau auf Weltreise. – leider – auch nicht ewig leben. Philippe Amrein Yves Baer TIEFSTER RESPEKT R-E-S-P-E-C-T! Wie anders könnte man eine Würdigung Pop und Gospel kamen in ihrer Stimme zusammen. Aretha Franklins beginnen, als mit diesem fordernden Ruf aus ihrem berühmtesten Song? 1965 von Otis Redding als Mitte August ist Aretha Franklin mit 76 Jahren ihrem Liebeslied geschrieben, wurde er zwei Jahre später durch Franklins rüttelnden Optimismus zum Schlachtruf der Krebsleiden erlegen. Bürgerrechtsbewegung und zur frühen Hymne weiblicher Emanzipation. «Respect» bedeutete aber auch den künstle- aretha franklin rischen wie kommerziellen Durchbruch für Aretha Frank- lin. Die Single und das begleitende Album «I Never Loved a Man the Way I Love You» markieren ihren Wechsel zum Atlantic-Label, das sich nicht zuletzt durch die Partner- schaft mit der Southern-Soul-Firma Stax zu einer entschei- denden Kraft im 60er-Soul entwickelt hatte. Produzent Jerry Wexler, neben den Firmengründern Ahmet und Nesuhi Ertegun wichtigster Mann des Labels, brach- te Franklin mit den Musikern der Muscle Shoals Rhythm Section aus Alabama zusammen, die mit ihrer deftigen Countrysoultönung ähnlich wiedererkennbar und mar- kant wirkten wie Motowns Funk Brothers oder Booker T and the MGs bei Stax. Die, übrigens weisse, Backingband – beliebt bei Soulgrössen von Percy Sledge, Otis Redding zu den Staple Singers und Rockern wie Bob Seger und den Rolling Stones – begleiteten Franklin (wie auch ihre beiden Schwestern als Backingchor Sweet Inspirations) durch ihre wichtigsten Jahre bis Anfang der Siebzigerjahre. DEBÜT IM GOTTESDIENST

Nachhaltiger wirkte jedoch, dass Wexler furchtlos die Gos- pelwurzeln in Franklins Gesang betonte. Immerhin war «I Never Loved a Man...» schon ihr zehntes Album, seit sie 1956 mit einer Sammlung von Kirchenliedern debütiert hatte – als vierzehnjährige Mutter eines Sohnes, dem ersten von insgesamt vieren. Geboren in Tennessee und aufgewachsen in Detroit, hatte sie das Singen in den Gottesdiensten ihres Vaters gelernt, einem populären Pfarrer und Bürgerrechtler, durch den Aretha schon früh mit Gospelgrössen wie Mahalia Jackson und Clara Ward, ihrem stärksten Einfluss, bekannt wurde. Nachdem sie unter anderem ein Angebot des jungen De- troiter Labels Motown ausschlug, begann sie 1960 ihre Popkarriere beim Major Columbia in New York mit swin- gorchestrierten Popsongs. Nummern wie «Rockabye Baby with a Dixie Melody», ein Klassiker seit dem Blackface- Sänger Al Jolson in den 20ern, brachten ihr erste Notierun- gen ausserhalb der schwarzen R&B-Charts. Wer nur ihren strahlenden Gospelton im Ohr hat, für den klingt sie auf diesen elegant-polierten Stücken ungewohnt verhalten – wohl der Preis, den man als afroamerikani- scher Künstler in jenen segregierten Tagen zahlen musste, wenn man im Pop Fuss fassen wollte – die Sinnlichkeit des Rhythm & Blues rührte an die sexualisierten Ängste am Grunde des US-Rassismus. «YOUNG, GIFTED AND BLACK»

Im Strom der Bürgerrechtsbewegung entstanden jedoch mit der urbanen Souveränität Motowns und der eher ländli- chen Energie des Southern Soul von Stax beinahe zeitgleich zwei Entwürfe, die aus der afroamerikanischen Tradition heraus den Pop-Mainstream erschlossen. Aretha Franklins Aufnahmen für Atlantic liegen ganz auf der energischen Linie des Stax-Modells. Franklin übernimmt den starken Ausdruck ganz selbstverständlich. Doch kontrolliert sie noch mit der befreiendsten Geste ihren Gesang gerade dort, wo es scheint, als werfe sie sich rückhaltlos in den Song. So wichtig sich ihre Rückbesinnung auf den ekstatischen Stil der Kirche erweist, so sehr erzielt sie ihre immense Wir- aretha franklin kung durch die Erfahrung im wohltemperierten Pop. Aber Crossover-Pop von «Who’s Zooming Who» und dessen sie lässt keinen Zweifel, dass sie immer noch einen effekt- Duette mit Annie Lenox und George Michael, wofür sie vollen Schritt nach oben steigen könnte, wenn es denn nö- sogar ihre erste Platin-Auszeichnung bekam. tig wäre – ein unerschütterlicher Ton, der gleichermassen schwarzes wie weibliches Selbstbewusstsein demonstrierte, STADTSCHLÜSSEL UND EHRENDOKTORATE «Young, Gifted, and Black», wie sie 1972 eins ihrer besten Alben nannte. Künstlerisch blieb sie damit jedoch, zumal wenn man sie an ihren besten Arbeiten misst, eher im Bereich bloss ge- RÜCKKEHR ZUR KIRCHENMUSIK fälligen Mainstream-Pops. Das änderte sich auch nur eher atmosphärisch auf «A Rose Is Still a Rose», wo sie 1998 Da schien es, als würde ihr, trotz einer manchmal sehr zu- mit Lauryn Hill, Puff Daddy und Jermaine Dupri einen fällig wirkenden Auswahl von Bluesnummern und Beatles- Neo-Soul-Versuch unternahm. Hits, Easy Listening und zeitnahem Chartsmaterial, alles Auftritte wie jener zu den Grammys des selben Jahres, als gelingen. Mit Songs wie «Think», «Say a Little Prayer», sie für den kranken Luciano Pavarotti mit Puccinis «Nes- «Spanish Harlem» oder «Bridge Over Troubled Water» sun Dorma» einsprang, deuteten bereits eine Art undekla- lebte sie praktisch in den internationalen Top Ten, wo sie rierten Ruhestand an. Es gab eine Sammlung von Duetten wie niemand sonst den US-Soul verkörperte. seit den mittleren Achtzigerjahren mit All-Stars wie Whit- Zehn ihrer 18 Grammys erhielt sie von 1968 bis 75. Und ney Houston, Frank Sinatra oder , ein kitschiges zum Abschluss ihrer Superstar-Periode gelang ihr mit dem Weihnachtsalbum und natürlich den denkwürdigen Hut triumphalen Live-Doppel-Album «Amazing Grace», dem zur Amtseinführung Barack Obamas. persönlichen Bestseller, sogar die überraschende, erfolg- Schliesslich auch noch einen fröhlich schwergewichtigen reiche Rückkehr zur Kirchenmusik. Doch wie die meisten Auftritt im Werbespot für einen Schokoriegel. Sie hatte je- Soulsänger ihrer Generation kam auch Aretha Franklin den Grammy gewonnen, war die erste Frau in der Hall of in den hedonistischen Zeiten von Phillysound, Disco und Fame des Rock, trug einige Ehrendoktorate, Stadtschlüssel schliesslich HipHop aus dem Tritt. und Kongressmedaillen – offenbar fügte sie sich in den Sta- Immerhin gelang ihr nach dem resoluten Auftritt in John tus als Institution. Den jedoch hat sie sich mit ihrem ein- Landis’ Rhythm & Blues-Hommage «Blues Brothers» ein drucksvollen Lebenswerk voll menschlicher und künstleri- kommerzielles Comeback. scher Grösse nicht weniger gründlich verdient als unseren Luther Vandross produzierte für sie modisch hübschen allertiefsten Respekt. Soul, mit Narada Michael Walden zog sie energisch in den Markus Schneider SZENE

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