A Voice of Disturbance – Robert Coover Und Mythos
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A Voice of Disturbance – Robert Coover und Mythos Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades im Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften Freie Universität Berlin John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Abteilung Literatur Nordamerikas vorgelegt von Elisabeth Ly Bell Erstgutachter: Prof. Dr. Heinz Ickstadt Zweitgutachter: Priv.-Doz. Dr. Catrin Gersdorf Tag der Disputation: 24. Juni 2009 A Voice of Disturbance - Robert Coover und Mythos Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 1 1.1 Vorhaben, Fragestellung, Ziel 1 1.2 Literaturwissenschaftliche Relevanz 5 1.3 Methodologisches Vorgehen 6 1.4 Vorstellung und Strukturmerkmale des Gesamtwerks 17 Thematik, Form und Funktion mythischer Systeme der Sinnstiftung und Wirklichkeitserfahrung bei Coover 23 2 Mythos 23 2.1 Die Bedeutung des Mythos für Coover 26 2.2 Vom Mythos zur Populärkultur - Amerikanische Mythen 29 2.2.1 Der amerikanische Cowboy 30 2.2.2 Walt Disney 35 2.2.3 Comics und Cartoons 35 2.2.4 Entertainment 36 2.2.5 Amerikanische Klassiker 37 2.2.6 TV 39 2.2.7 Folklore und Folksongs, am Beispiel von "Casey at the Bat" 41 3 Film und Filmisches 46 3.1 Wahrnehmungsform 46 3.2 Technik 49 3.3 Zitatenreservoir 49 4 Sex und Eros im Werk Coovers: Funktion und Metapher 53 4.1 Theaterstücke: Love Scene, A Theological Position 55 4.2 Märchen, Hair O’the Chine und Stepmother 56 4.3 The Origin of the Brunists 67 4.4 The Universal Baseball Association 68 4.5 Gerald's Party 70 4.6 Die Schlußszenen in Coovers Romanen 74 4.6.1 Origin of the Brunists 75 4.6.2 The Public Burning 76 4.6.3 Pinocchio in Venice 79 4.6.4 The Universal Baseball Association 81 5 Religion 84 5.1 Religion als System und Dogma am Beispiel von The Origin of the Brunists 86 5.2 Bibelgeschichten 93 5.3 Christusparodien 98 6 Geschichte und Wissenschaft als Systeme der Wirklichkeitserfahrung 104 6.1 A Political Fable und Whatever Happened to Gloomy Gus 105 6.2 The Public Burning 107 6.3 The Universal Baseball Association 111 6.4 Wissenschaften 117 6.4.1 “Morris in Chains” 119 6.4.2 Naturwissenschaften und neue Technologien: Katherine Hayles Feldtheorie und Coovers "Beginnings" und "A Sudden Story" 122 6.4.3 Gerald's Party 127 7 Spiel, Spielen und Spiele 131 7.1 Erzspieler Coover 136 7.1.1 Namens- und Wortspiele 139 7.1.2 Zahlenspiele 145 7.1.3 Zitatenspiele 147 7.2 Sportspiele im Werk Coovers 149 7.2.1 Basketball 150 7.2.2 Baseball 152 7.2.3 Football 154 7.2.4 Fußball/Soccer 157 7.3 Spielerfiguren und Sprachspiele 159 8 Gelungene Verwirklichung des Cooverschen Vorhabens an zwei Beispielen 163 8.1 John’s Wife 163 8.2 Pinocchio in Venice 179 9 Ausblick 195 10 Anhang 202 10.1 Primärliteratur 202 10.2 Interviews, Diskussionen, etc. 221 10.3 Literarische Biographien / Bibliographien 224 10.4 Über Coover 226 10.5 Sekundärliteratur 271 10.6 Lebenslauf Robert Coovers 310 10.7 Ehrungen, Auszeichnungen, Preise 314 10.8 Abkürzungen der Werke 315 1 A Voice of Disturbance – Robert Coover und Mythos Thematik, Form und Funktion mythischer Systeme der Sinnstiftung und Wirklichkeitserfahrung bei Coover 1 Einführung 1.1 Vorhaben, Fragestellung, Ziel Auf den ersten Blick fallen dem Leser zum Werk Robert Coovers nicht unbedingt die Begriffe Mythos oder Mythisches ein, zumal dieser Autor als Anliegen seines Schaffens deklariert: “to go deeper and deeper into the American experience." 1 Auch bei genauerer Betrachtung lassen sich weder an Coovers Themen oder Titeln, noch an seinen Charakteren – im Gegensatz zum Beispiel zu James Joyce oder John Barth – offensichtliche Bezüge auf Mythisches festmachen. Warum also die Frage nach der Bedeutung des Mythos für und im Werk Robert Coovers? Welchen Erkenntnisgewinn bringt eine Untersuchung über den inneren Zusammenhang zwischen Mythos, Coovers Themenwahl und seinen Erzählformen? Die Antwort ist ebenso vielschichtig wie das Vorhandensein des Mythos in Coovers Erzählen, da für die vorliegende Arbeit Mythos durchgängig verstanden wird als Antwort auf Fragen, die sich menschliche Urbedürfnisse immer wieder suchen, im Versuch mit chaotischen, angstbesetzten und bedrohlichen Erfahrungen umzugehen. Bei Mythen handelt es sich um tradierte (oft als heilig angesehene) Erzählungen und Geschichte, um ein sprachliches Artefakt, dessen Aufgabe es ist, Bedeutung zu erstellen, um ein Modell, mit dem Ziel und Zweck, Widersprüche und Gegensätze zu überbrücken und einer Gemeinschaft Zusammenhalt, eine Richtung und ein Ziel vorzugeben. Mythen sind Erfahrungs- und Erklärungs- und Ordnungssysteme, die (eine formale, nicht unbedingt aber eine inhaltliche) Struktur bringen in die Unordnung des Seins, die die ontologische Kluft zwischen Ereignis und Bedeutung zu überbrücken suchen. Die Eigengesetzlichkeit von Bildern ist ein all diesen Systemen Gemeinsames, in allen wird das Bild dem Wort vorgezogen, erfolgt die Vermittlung und Verstärkung kultureller Werte und Normen durch nicht-bezeichnende Ausdrucksformen, durch Symbole. Solche Systeme können nur in einer Gemeinschaft entstehen, sind keine Privatveranstaltungen, sondern kulturelle, soziale Gebilde. Dies gilt für den Mythos wie auch für Ritual, Kult, okkulte Vereinigungen, Sekten und letztlich für Religion. Wird ein Mythos gesehen als der menschliche Versuch durch Sprache der erlebten Wirklichkeit Sinn und Richtung zu geben, erhebt sich gleichzeitig die Frage, wie, warum und von wem eine solche Geschichte erzählt wird. Ein Ansatzpunkt ausserhalb des Cooverschen Werkes liegt in der Verbindung zwischen Mythos und dem “American experience.” Letzterem, der Auseinandersetzung mit und der Bewältigung von amerikanischer Lebenswirklichkeit, liegt das Konzept des American Dream zugrunde, der zwar in der Vorgabe als ein demokratisches Ideal steht, sich jedoch in der Wirklichkeit von Anfang an als Mythos erweist, als ein Instrument der Unterdrückung, Gewalt und Macht. – Allen großen Entwürfen mit dogmatischem Charakter voller Skepsis gegenüberstehend, macht es Coover sich zur Aufgabe, den Ursachen und Auswirkungen dieser Diskrepanz nachzuspüren, wobei er einerseits die Schwachstellen 1 André Le Vot, "Robert Coover: An Interview." Tréma 1 (1975): 296. – In der vorliegenden Arbeit sind, dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend, durchgängig mit dem Begriff “Amerika” die Vereinigten Staaten vom Amerika gemeint und nicht der nordamerikanische Kontinent. 2 und Schattenseiten des “American experience” aufzeigt, andererseits aber auch dessen positive Aspekte zelebriert. Allerdings gibt er selbst zu, das größere Gewicht in seinen Arbeiten liege auf dem Offenlegen der negativen Aspekte. Dennoch ist Coovers Interesse keineswegs destruktiv; ihn beschäftigt vorwiegend der Widerspruch und die Spannung zwischen Idee und Verwirklichung, oder genauer noch, der Umkehrpunkt, die Schnittstelle, der Raum zwischen den beiden: “That vibrant space between the poles of a paradox: that's where all the exciting art happens, I think." 2 Ein werkinterner Ansatzpunkt sind die theoretischen und schreibstrategischen Aussagen des Autors selbst. In fast allen längeren Diskussionen über das Werk Robert Coovers wird vorwiegend seine Widmung an Cervantes aus der Kurzgeschichtensammlung Pricksongs & Descants als Beleg für ein schriftstellerisches Manifest herangezogen. Knapp 10 Jahre zuvor jedoch hat er bereits in einer Short Story seine persönliche Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Schreibens und seinen Angang an Fiktion in der Rede eines Polizeibeamten “versteckt,” die sich zum Teil wie eine Parodie auf seine Cervantes-Widmung liest. Und weil sich an dieser Story überdies ein Großteil der für das Gesamtwerk Coovers determinanten Faktoren aufzeigen lässt, soll sie am Anfang als Beispiel herangezogen werden. Zwar handelt es sich bei “The Marker” nicht um Coovers erste Veröffentlichung einer Short Story überhaupt, doch steht sie ganz am Beginn seiner literarischen Produktion: diese Geschichte, mit dem deutschen Titel “Das Lesezeichen," stammt aus dem Jahre 1960 und ist Coovers zweite publizierte Short Story. 3 Allegorie, Parabel, auktoriales Spiel, Metafiktion in "The Marker" – was hat dies mit Mythos zu tun? Wie eingangs bemerkt, findet sich Coovers Inanspruchnahme des Mythos nicht an der Oberfläche seines Erzählens, sondern erfordert ein genaueres Untersuchen seines Anspruchs, Vorgehensweisen und erzähltechnischen Umsetzung. In dieser frühen, nur vierseitigen Erzählung tauchen bereits alle für Coovers weiteres Schreiben charakteristischen Themen auf: Suche, Kreativität, Eros und Thanatos, Wiedergeburt und Verwandlung, Macht und Gewalt – der Stoff, aus dem seit Beginn des Geschichtenerzählens geschöpft wird, das Grundmaterial eines jeden Mythos. In unterschiedlicher Intensität lassen sich diese Strukturen durchgängig im Werk Coovers festmachen; was sich ändert ist seine rhetorische Methode. Zu diesem Thema äußert er sich selten, doch gibt ein wenig beachtetes Beispiel Einblick in seine kreative Ästhetik. Dieser knappe Essay findet sich als Vorrede zu The Water Pourer , einem zuvor unveröffentlichten Kapitel aus seinem ersten Roman über Entstehung einer religiösen Sekte nach einem Bergwerksunglück. 4 The infinite is all we have! All narratives, like the universe, are explosive. Man's weak vision is not suited for these infinite explosions. To avoid going blind, he attempts to focus on this or that vector, spark, trajectory. But there is too much in the corner of his eye. The eye is jittery, distractable. There is more and more to see on all sides. Into the center, out to the edgeless edge. But if he relaxes his eye altogether, he sees nothing at all. Art is a polarizing lens. 2 Larry McCaffery,