Miriam Smolle

ERZIEHUNGS-, BILDUNGS-, UND SOZIALISATIONSANSÄTZE

FÜR MÄDCHEN UND FRAUEN IM NATIONALSOZIALISMUS

DIPLOMARBEIT Zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Philosophie

Pädagogik Sozial- und Integrationspädagogik

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Fakultät für Kulturwissenschaften

Begutachter: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerald Grimm Institut: Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung Abteilung: Historische und systematische Pädagogik

Oktober 2011 Ehrenwörtliche Erklärung:

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekennzeichnet.

Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.

Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Einöde, am 13.10.2011 Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung 1

II. Nationalsozialismus 4

2.1 Begriffsdefinition 4 2.2 Entstehung des Nationalsozialismus 5 2.2.1 1919-1933 Aufstieg des Nationalsozialismus 5 2.2.2 1933-1945 Das Dritte Reich – Unter der Herrschaft Hitlers 10 2.3 Ideologien des Nationalsozialismus 15 2.3.1 Volksgemeinschaft 15 2.3.2 Sozialdarwinismus und Rassentheorie 17 2.3.3 Antisemitismus 20 2.4 Strategien des Nationalsozialismus 23 2.4.1 Politische Rhetorik 23 2.4.2 Führerkult 26 2.4.3 Massenkult und Rituale 28

III. Frauen im Nationalsozialismus (ab dem 21. Lebensjahr) 32

3.1 NS-Frauenorganisationen 32 3.2 Ideologische Ansichten der Frauen zur damaligen Zeit 36 3.3 Politische Maßnahmen 42

IV. Mädchen im Nationalsozialismus 49

4.1 Nationalsozialistische Erziehung 49 4.2. Schulische Erziehung 51 4.3. Außerschulische Erziehung „Bund Deutscher Mädel“ (BDM) 57 4.3.1 Entstehung des BDM 58 4.3.2 Organisation und Ideologie 60 4.3.3 Zeitzeuginnenberichte 66

V. Frauen für und gegen Hitler 72

5.1 Magda Goebbel – Vorzeigefrau des Regimes 72 5.2 Eva Braun 77 5.3 Vergessene Widerstandskämpferinnen 81 5.3.1 Dorothy Thompson 81 5.3.2 Liselotte Herrmann und 84

VI. Schlusswort 88 Literaturverzeichnis 89

I. Einleitung

Mit meiner Diplomarbeit, welche den Titel „Erziehungs-, Bildungs-, und Sozialisationsansätze für Mädchen und Frauen im Nationalsozialismus“ trägt, möchte ich versuchen die gesellschaftliche Stellung von Mädchen und Frauen zu dieser Zeit den Lesern meiner Arbeit näher zu bringen. Ich habe mich schon mehrmals mit dieser Thematik auseinandergesetzt, sei es als ich noch zur Schule ging, aber auch während meines Studiums. Dadurch wurde mein Interesse immer mehr geweckt diese Thematik auch schwerpunktmäßig für meine Diplomarbeit aufzuarbeiten. Während meiner umfassenden Auseinandersetzung mit einschlägiger Literatur habe ich gemerkt, wie umfassend dieses Thema ist. Immer wieder sind mir sehr interessante Themenstellungen aufgefallen und bald habe ich festgestellt, dass es sehr schwierig sein wird das Thema einzugrenzen. Aber ich habe versucht, die wichtigsten Schwerpunkte herauszunehmen, um den Umfang der Arbeit nicht zu sprengen.

Abschließendes Ziel meiner Arbeit ist es, die Rollenzuschreibung von Frauen und Mädchen, welche im Nationalsozialismus stets auf das Hausfrauen- und Mutterdasein beschränkt wurde, aufzuzeigen. Am Beginn meiner Diplomarbeit wird der Begriff Nationalsozialismus an sich erklärt. Danach folgt eine kurze Entstehungsgeschichte des Nationalsozialismus vom Jahr 1919 bis zum Jahr 1945. In diesem Kapitel wird auch zugleich die Entstehungsgeschichte der NSDAP angeführt. Im Anschluss daran folgen ideologische Ansätze wie beispielsweise die Volksgemeinschaft, welche im Nationalsozialismus von besonderer Bedeutung war. Als Abschluss des ersten Kapitels habe ich noch einige Strategien dieses Regimes angeführt. Das erste Kapitel soll als Einführung dienen, um die gesamte Thematik verständlicher zu machen. Die nachfolgenden Kapitel beziehen sich rein auf die Frauen und Mädchen der damaligen Zeit. Das heißt genauer auf die Erfassung dieser durch die verschiedenen Organisationen wie der NS-Frauenschaft und dem „Bund Deutscher Mädel“. Das Ziel solcher Organisationen war es zuerst die nationalsozialistischen Ideologien zu vermitteln, um so das weibliche Geschlecht für das Regime gefügig und brauchbar zu machen. Es ging hier also nicht um eine Erziehung, wie wir sie heute genießen, sondern es ging vielmehr darum, Mädchen auf die zukünftige Hausfrauen- und Mutterrolle vorzubereiten. Die Mädchen und Frauen mussten sich damit begnügen je nach Wirtschaftslage eingesetzt zu werden, denn in

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Kriegszeiten gab es plötzlich eine Umrüstung hinsichtlich der zu erfüllenden Funktion des weiblichen Geschlechts.

Zu meinem Thema hat es genügend Literatur gegeben und so fiel mir die Auswahl der Bücher, die ich schließlich für meine Arbeit verwendet habe, nicht immer leicht. Es gab materialreiche Bücher, die die Thematik umfangreich behandelten, wie beispielsweise das Buch von Dorothee Klinksiek „die Frau im NS-Staat“, indem das Mädchen- und Frauenbild im Nationalsozialismus sehr gut dargestellt wird. Ich möchte noch weitere Bücher anführen, die für meine Arbeit relevant waren. Das Werk von Ute Benz „Frauen im Nationalsozialismus“ beschreibt wichtige ideologische Ansichten der Frauen im NS-Staat. Des Weiteren war das Buch von Rudolf Benze „Erziehung im Großdeutschen Reich“ wesentlich für die Ausarbeitung meiner Diplomarbeit. Darin werden die nationalsozialistischen Erziehungsideale umfangreich behandelt. Die Bücher von Gisela Miller-Kipp „Auch Du gehörst dem Führer“ und „Der Führer braucht mich“ geben einen zentralen Einblick in die Aufgaben und Pflichten des BDM. Das Buch von Martha Schad „Frauen gegen Hitler“ und das Werk von Volker Elis Pilgrim „Du kannst mich ruhig Frau Hitler nennen“ waren ebenso wichtig für die Behandlung meines Themas, da darin das Leben berühmter Frauen wie Eva Braun oder Magda Goebbel in der NS-Zeit umfassend dargestellt wird. Zur Ausarbeitung meines Themas habe ich die historische-hermeneutische Methode herangezogen, da ich der Meinung bin, damit am besten mein Thema abhandeln zu können. Um mich jedoch nicht nur auf bereits vorhandene Literatur zu beziehen, führte ich auch ein narratives Interview mit einer Dame, die damals (1941) beim „Jungmädelbund“ gewesen war. Leider konnte ich nur ein einziges Interview führen, da es schwer war noch weitere Personen zu finden, die mir etwas dazu erzählen konnten. Deshalb habe ich mich der Literatur, welche zu meiner Thematik zum Glück ausreichend vorhanden ist, weiterhin bedient und füge dazu einige Zeitzeuginnenberichte vom „Jungmädelbund“ und vom „Bund Deutscher Mädel“ in meiner Arbeit an.

Sehr interessant finde ich aber, dass es nicht nur Frauen, die gegen Hitler und den Nationalsozialismus waren, gegeben hat. Zwei der bekanntesten Frauen, die Hitler und seinem Regime positiv gegenüberstanden, waren Magda Goebbel und Eva Braun. Mir war es wichtig, neben den Frauen, die den Mut hatten sich gegen Hitler und das Regime zu stellen, auch die andere Seite anzuführen.

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Zur Verbesserung des Leseflusses habe ich bestimmte Begriffe wie beispielsweise die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) oder den Bund Deutscher Mädel (BDM), abgekürzt.

Meine besondere Dankbarkeit gilt meinem Betreuer Dr. Gerald Grimm, meiner Studienkollegin Nadja Leeb und meiner Familie, die mich allesamt tatkräftig während des Schreibens der Diplomarbeit unterstützt haben.

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II. Nationalsozialismus

2.1 Begriffsdefinition

Um den Begriff „Nationalsozialismus“ definieren zu können, ist es wichtig, zwischen den nationalsozialistischen Parteiorganisationen und zwischen der Entstehung des Begriffes „Nationalsozialismus“ zu unterscheiden. Die zwei Hauptströmungen des Begriffes „Nationalsozialismus“, die erstmals im 19. Jahrhundert erwähnt worden sind, lauten Sozialismus und Nationalismus. Aus der Verbindung dieser zwei Vorstellungen entstand die eigentliche Idee des Nationalsozialismus (vgl. Deuerlein 1974: 38). Im Jahr 1860 hatte Moses Heß, welcher Gründer des sozialistischen Zionismus gewesen war, erstmals den Begriff „national-sozial“ erwähnt (vgl. Deuerlein 1974: 38). Im Jahr 1887 hatte man dann folgende Schlagzeile von einem deutschen Adelsblatt veröffentlicht: „Der Staat ist ihm [Bismarck] nicht nach dem heutigen Parteiwesen eine Summe von Einzelwillen, sondern der Gesamtwillen als Ausdruck des Nationalgeistes. Deshalb kennt er aber, wie nur einen Gott, auch für die Gegenwart nur einen vernünftigen Parteibegriff, nämlich, so könnte man sagen, den Nationalsozialismus mit dem einen Programm des christlichen Gebots der Gerechtigkeit und der Liebe.“ (Deuerlein 1974: 38,f.) Wenn man über den Nationalsozialismus spricht, dann handelt es sich hier auch um „eine Ideologie, die sich als Weltanschauung ausgab, und eine Partei, die sich als politische Bewegung erklärte. Nationalsozialismus ist eine Erscheinung der Entwicklung des Deutschen Reiches zwischen 1919 und 1933. Nationalsozialismus ist von 1933 bis 1945 Doktrin der totalitären Herrschaft in Deutschland. Nationalsozialismus ist geschichtlich bestimmt durch einen Mann, der sich als sein Schöpfer und Vollstrecker bezeichnete – .“ (Deuerlein 1974: 13) Der bereits oben erwähnte Nationalismus bildet ebenso eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung des Nationalsozialismus. Doch was genau bedeutet es eigentlich, wenn man von Nationalismus spricht?

„Die Nationalidee […] suggeriert den Angehörigen einer Großgruppe, die sich als Nation versteht, oder doch verstehen soll, eine nur ihr gemeinsame Vergangenheit. […] Diese gemeinsame Vergangenheit wird häufig zu einem Mythos gesteigert, der den betreffenden Individuen als Unterpfand ihrer nationalen Zusammengehörigkeit und ihrer gemeinsamen Interessen in der Vergangenheit und – was noch wichtiger ist -, in der vorsehbaren Zukunft angedient wird. Eine solcherart Entzauberung der Idee der Nationalität wird zusätzlich unterstützt durch den Regress auf ihre konstitutiven Elemente, wie zum Beispiel die 4

Gemeinsamkeit der Sprache und einer spezifischen Kultur, denen gleichsam eine magische Kraft abgesprochen wird.“ (Mommsen 2002: 12; Auslassung: M.S.)

Ausgangspunkt des nationalen Denkens und Handelns in Deutschland war die Französische Revolution und die daraus freigesetzten Vorstellungen von 1789 gewesen. Mit diesem Ereignis begann für Deutschland der Wunsch nach einem Nationalstaat (vgl. Deuerlein 1974: 15). „Der Stolz auf das spät gegründete, […] Deutsche Reich, das Bewußtsein der militärischen Stärke der deutschen Armee und der deutschen Flotte, der Glaube an die Sendung des deutschen Volkes und die als Bestätigung empfundene Entwicklung der deutschen Industrie wirkten zusammen in der Formung eines nationalen Selbstbewußtseins, das die Grenzen nüchterner Betrachtung und sachlicher Beurteilung rasch hinter sich ließ und das Gefühl dünkelhafter Überlegenheit begünstigte, die das eigene Volk überschätzte und die andern Völker unterschätzte. Diese, dadurch herausgefordert, unterstützten alle politischen Entscheidungen, die geeignet waren, das deutsche Machtstreben anzuhalten oder wenigstens zu verlangsamen. Das Deutsche Reich seinerseits sah sich, von den Mächten eingekreist, in einen Ausnahmezustand versetzt und geriet in nationale Hysterie: Es glaubte sich verkannt, verachtet und verfolgt.“ (Deuerlein 1974: 17; Auslassung: M.S.)

Somit wird der Nationalismus als eine von mehreren Voraussetzungen für die Entstehungsgeschichte des Nationalsozialismus gesehen.

2.2 Entstehung des Nationalsozialismus

2.2.1 1919-1933 Aufstieg des Nationalsozialismus

Der militärischen Niederlage der Deutschen im Ersten Weltkrieg folgten einige Enttäuschungen. Das deutsche Volk wollte es nicht wahr haben, dass die wirtschaftlichen und menschlichen Möglichkeiten nicht ausreichend gewesen waren um zu siegen. Sie machten viele für diese Tragödie verantwortlich und fühlten sich dabei oft in ihrer eigenen Existenz bedroht. Außerdem verloren viele ihren Halt (vgl. Deuerlein 1974: 22). Aus der noch einst herrschenden Monarchie entwickelte sich die sogenannte Weimarer Republik, die beim Volk jedoch auf Ablehnung stieß, da diese Veränderung als eine Auswirkung des verlorenen Kriegs verstanden wurde (vgl. Deuerlein 1974: 22,f.). „Demokratie war gleichbedeutend mit der politischen und militärischen Katastrophe des Jahres 1918 – ein

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Umstand, der dazu führte, daß die Demokratie keine ausreichende Grundlage erhielt.“ (Deuerlein 1974: 23) Die Weimarer Republik hatte nun die Nachfolge einer monarchischen Politik anzutreten und wurde überdies auch noch für die vorherrschenden schlechten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse verantwortlich gemacht. Mit der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages im Jahr 1919 kam das eigentliche Entsetzen der Bevölkerung (vgl. Deuerlein 1974: 23). Darin verpflichtete man sich unter anderem zu Reparationszahlungen an Frankreich für etwaige Kriegsschäden. Diese Zahlungen belasteten Deutschland schwer und es war kaum möglich, der Verpflichtung Folge zu leisten (vgl. Bishop/Jordan 2004: 9). Die französische Regierung forderte 800 Milliarden Goldmark als sogenannte Kriegsentschädigung, doch „[n]ach den Maßstäben der damaligen Zeit bezifferte sich der gesamte wirtschaftliche Wert des Reiches auf die Hälfte dieser Summe; […]. Es dauerte zwei Jahre, bis sich die Vernunft soweit Bahn gebrochen hatte, daß die Reparationskommission im April 1921 die Reparationsschuld auf 132 Gold- Milliarden festsetzte, zahlbar in Jahresraten zu 2 Milliarden.“ (Meissner/Wilde 1958: 26; Anpassung: M.S.; Auslassung: M.S.) Die bereits eingebrachten Zahlungen und Sachlieferungen wurden jedoch nicht honoriert. Realistisch gesehen waren auch die bereits heruntergesetzten Reparationszahlungen an Frankreich nicht aufzubringen. Nur mit Hilfe von etwaigen Auslandskrediten konnten die ersten Raten bezahlt werden, doch dies hielt nicht lange an und eine weitere Zahlungsunterstützung erhielt Deutschland nicht. Daraufhin marschierten französische Truppen ins Ruhrgebiet ein und besetzten dieses, da Deutschland im Rückstand mit Sachlieferungen wie Holz und Kohle an Frankreich gewesen war (vgl. Meissner/Wilde 1958: 26). Das Ziel dieser Besetzung war es nicht den Rückstand mit Hilfe von Panzern und Gewehren einzutreiben, sondern man wollte eine selbständige Rheinische Republik aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland machen. Da die Regierung gegenüber diesen Ereignissen militärisch machtlos war, hatte man sich zu einem passiven Widerstand entschieden. Daraufhin ließ man jegliche Sachlieferungen als Reparationszahlung einstellen und des Weiteren hatte man das Volk dazu aufgefordert, keinem Befehl der Besatzungstruppen Folge zu leisten. Die Besetzung Frankreichs blieb jedoch ohne ersichtlichen Erfolg (vgl. Meissner/Wilde 1958: 26). Deutschland selbst war es nicht erlaubt, an den Verhandlungen des Versailler Friedensvertrages teilzunehmen und so war es für die Bevölkerung ein von außen auferlegter Frieden, welcher den Hass gegen die Demokratie noch mehr entfachte. In Folge dessen kam es zur Bildung verschiedener Gruppierungen, die sich vornahmen, gegen die

6 herrschende Ungerechtigkeit vorzugehen (vgl. Bishop/Jordan 2004: 9). Somit „[wurde] [d]er Vorort von Paris zum Synonym des Unbehagens und der Unzufriedenheit des deutschen Volkes.“ (Deuerlein 1974: 24; Umstellung und Anpassung: M.S.) Noch vor dem Jahr 1919 und der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles, gründete sich eine politische Partei in München, welche sich auf ihre Weise bemühte „den Versuch fortzusetzen, der erstmals in der politischen Auseinandersetzung zwischen Deutschen und Tschechen im Kronland Böhmen des Staates der Habsburger unternommen worden war: Nationalismus und Sozialismus, die bestimmenden Ideen der Zeit, miteinander auszusöhnen und zu vereinen.“ (Deuerlein 1974: 24) Es handelte sich hierbei um die DAP (Deutsche Arbeiterpartei), welche 1919 von einem gewissen Mann namens Anton Drexler gegründet wurde. Man sagt, dass mit der Gründung dieser Partei der politisch organisierte Nationalsozialismus begann und somit auch der Aufstieg des Nationalsozialismus. Im Jahr 1920 wurde aus der einst gegründeten DAP die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) (vgl. Deuerlein 1974: 25).

„Entscheidend für die Entwicklung der DAP wurde die Begegnung zwischen ihrem Gründer Anton Drexler und Adolf Hitler, der zur Beobachtung und sicher auch zur Berichterstattung zum Besuch der Versammlung der Partei am 12. September 1919 vom Reichswehrgruppenkommando 4 befohlen wurde. In Hitler fand die Deutsche Arbeiterpartei den rhetorisch begabten Motor, dessen sie bedurfte, um aus ihrer Anonymität urbaner Bedeutungslosigkeit herauszutreten. Hitler seinerseits fand in der Partei eine (politische) Plattform.“ (Deuerlein 1974: 26)

Im Jahr 1921 wurde Hitler zum Parteivorsitzenden der NSDAP und übernahm ab diesem Zeitpunkt die alleinige Führung der Partei (vgl. Deuerlein 1974: 26). Hitler sah darin aber auch seine Chance mit Hilfe der Partei an die Spitze Deutschlands zu kommen (vgl. Bishop/Jordan 2004: 7). Um den Aufstieg der DAP bzw. NSDAP besser verstehen zu können, ist es wichtig, Hintergrundinformationen des Gründungslandes der DAP (Bayern) genauer zu behandeln. In Bayern herrschte die Meinung vor, dass die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse sehr stabil seien und so glaubte man nicht, dass diese Stabilität ins Wanken geraten könnte. Aber trotz dieses festen Glaubens war es zu revolutionären Veränderungen in Bayern gekommen. Dies führte dazu, dass das einst vorhandene Vertrauen der Bevölkerung in die Stabilität der Politik und Gesellschaft erschüttert wurde. Die Bevölkerung wurde unsicher und dies förderte alle antisozialistischen, antimarxistischen, antirepublikanischen und antijüdischen

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Feindseligkeiten (vgl. Deuerlein 1974: 27). Somit war es leicht für die DAP bzw. NSDAP in München Fuß zu fassen und von der Bevölkerung angenommen zu werden. Die Partei versprach oben genannte Feindseligkeiten der Bevölkerung zu vertreten und dafür anzukämpfen. All jene, die die gleichen Ansichten vertraten, waren Verbündete und dies führte wiederum zu einem stark ansteigenden Nationalbewusstsein. In der Regierung duldete man die Gründungen von diversen nationalen Parteien und wog sich in Sicherheit, diese Parteiengründungen und deren Vorgehen unter Kontrolle halten zu können. Somit lässt sich auch erklären, warum niemand Einwände gegen die vielen Gründungen solcher nationaler Parteien vorbrachte und sie so die Möglichkeit hatten langsam nach oben zu kommen (vgl. Deuerlein 1974: 27,f.). Die in der Regierung sitzenden Personen waren zu jener Zeit der Ansicht, dass die Parteien ihre Politik vertreten würden und hielten sich mit eigenen Aktionen gegen das Vorgehen der Parteien im Hintergrund. Dadurch, dass Hitler meist etliche Fürsprecher für sein Vorgehen hatte, war er der Meinung, dass man seine Aktionen nicht nur duldete, sondern diese auch von der Bevölkerung erwünscht wären, auch wenn diese Gefahr liefen, von einem Putsch ereilt zu werden. So entschloss sich Hitler im Jahr 1923 einen Staatsstreich im Bürgerbräukeller durchzuführen (vgl. Deuerlein 1974: 28). Dieser Putschversuch ging unter vielen Namen in die Geschichte ein, unter anderem als: „Hitler Putsch“. Daraufhin wurde Hitler verurteilt und in Gefangenschaft genommen. In dieser Zeit schrieb er auch sein Buch „Mein Kampf“. Doch obwohl Hitler in Gefangenschaft war und die NSDAP von November 1923, nach dem missglückten Putschversuch, bis Februar 1925 verboten war, fühlte sich niemand seiner Anhänger und Funktionäre daran gehindert, sich in anderen Ersatzorganisationen umzuschauen und die politischen Ansichten der einst bestehenden NSDAP weiterzuführen. Es bildeten sich, wie bereits erwähnt, Ersatzorganisationen und diese benötigten Führungskräfte. So kam es zu internen Streitigkeiten bezüglich der Führung der Parteien und viele sahen sich darin, Hitlers geräumten Platz einzunehmen. Anfangs blickte Hitler diesem Vorgehen nicht positiv entgegen, doch er wollte, um Bewährung zu bekommen, nicht weiter negativ auffallen und so zog er es vor sich mit der Niederschrift seines Buches zu befassen. Er befürchtete auch durch allzu auffälliges Verhalten nach Österreich abgeschoben zu werden. Dies wollte er in jedem Fall verhindern und so musste er einen Weg finden legal an die Spitze zu kommen. Um seinen Machtanstieg nach der Haftentlassung weiterführen zu können, war es wichtig die NSDAP neu zu ordnen. Man sah das von Hitler abgegebene Legalitätsversprechen mehr als skeptisch an, doch aufgrund dessen, dass die NSDAP bei den Wahlen nicht gut abgeschnitten hatte, war man der Meinung, sie könnte keine

8 wirkliche Gefahr mehr darstellen (vgl. Deuerlein 1974: 28,ff.). Die politische Lage in Bayern wurde wieder als stabil angesehen und so hob man auch das Verbot der NSDAP wieder auf. Hitler beschäftigte sich sehr stark mit der Neuorganisation seiner Partei, doch seinen einstigen Versammlungsleiter Drexler konnte er nicht mehr für seine Partei gewinnen und so blieb das einstige Programm der NSDAP zwar bestehen, doch die alten Mitglieder der NSDAP wurden gegen neue Mitglieder ausgetauscht (vgl. Deuerlein 1974: 30,f.).

Laut Deuerlein sind bezüglich der Entwicklung der NSDAP zwischen der Neugründung 1925 und der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Jahr 1933 zwei Abschnitten zu unterscheiden (vgl. Deuerlein 1974: 31). Der erste Abschnitt reichte vom Jahr 1925 bis zum Jahr 1930. In dieser Zeitspanne wurde die NSDAP nicht als ernstzunehmende Partei angesehen. Nach den Wahlen im September 1930 war jedoch klar, dass die NSDAP wohl sehr stark an Stimmen zugenommen hatte und so wurde sie zum Problem in der deutschen Politik. Für den ernstzunehmenden Anstieg der Partei gab es mehrere Gründe. Hitler nutzte die Zeit vor den Wahlen 1930 um seine Probleme, welche er bereits in seinem Buch „Mein Kampf“ angesprochen hatte, genauestens zu bearbeiten. Seine österreichische Staatsbürgerschaft wollte er aberkennen, was ihm auch gewährt wurde, weiters lehnte er jegliche Zusammenarbeit mit anderen Parteien ab und wollte den alleinigen Führungs- anspruch erlangen (vgl. Deuerlein 1974: 31). Die zukünftigen nationalsozialistischen Tätigkeiten wurden von Bayern in den Norden Deutschlands verlagert, da die NSDAP auch an Bedeutung außerhalb Bayerns gewann. Weil die NSDAP bei den Wahlen eher ernüchternd abschnitt, stellte sie, nach Meinung der anderen Parteien, keine wirkliche Gefahr dar. Auf Grund dieser Wahlenttäuschung entschloss sich Hitler zu einer unbehinderten Redeerlaubnis. Somit war es ihm gelungen, seine stärkste Waffe zu nutzen. Mit dem verhängten Redeverbot für die Partei konnte Hitler auch das schlechte Abschneiden der NSDAP erklären. Es wurde fleißig Propaganda betrieben und die NSDAP versprach den einzelnen Großgruppen der Gesellschaft alles, was sie sich erhofften, und so war es der Partei ab dann auch möglich vom unteren Mittelstand angenommen zu werden. Der bereits oben erwähnte Wahlerfolg der NSDAP bei den Reichstagwahlen 1930 führte zu einem positiven Wendepunkt in der Entwicklung der NSDAP, denn in der Zeit von 1930 bis 1933 bestanden zwei Möglichkeiten: entweder Hitler die alleinige Macht auszusprechen, oder ihn zu bekämpfen. Die gegensätzlichen Meinungen zu Hitlers Person führten zu heftigen Diskussionen innerhalb der anderen Parteien. Aufgrund der schlechten

9 wirtschaftlichen Verhältnisse kam es zu einer starken Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung. In dieser Zeit schaukelten sich die NSDAP und die KPD (Kommunistische Partei Deutschland) gegenseitig hoch. Bei den Wahlen im Jahr 1930 übernahm die NSDAP die Führung als stimmenstärkste Partei. Bei den Reichstagwahlen im Jahr 1932 forderte Hitler, mit der NDSAP als stärkste Partei, das Amt des Reichskanzlers. Der damalige Reichspräsident Hindenburg weigerte sich zuerst Hitler das Amt des Reichskanzlers zu übergeben, doch nach langem Hin und Her und unter dem Druck, den Hindenburg ausgesetzt war, willigte er schließlich ein (vgl. Deuerlein 1974: 32,f.). Letztendlich wurde Hitler im Jahr 1933 zum Reichskanzler von Deutschland ernannt. Während der folgenden 12 Jahre (bis 1945) wurde Deutschland unter der Herrschaft Hitlers als sogenanntes „Drittes Reich“ betitelt.

2.2.2 1933-1945 Das Dritte Reich – Unter der Herrschaft Hitlers

Am 30. Januar 1933 trat Hitler sein Amt als Reichskanzler an und mit seinem Antritt hoffte die gesamte Bevölkerung auf eine bessere Zeit. Die vorangegangenen Jahre waren sehr schwierig gewesen und gekennzeichnet von Arbeitslosigkeit und sehr schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen. Somit wurde das Bedürfnis nach einer Führungspersönlichkeit, die es schaffen könnte die Bevölkerung aus ihrem Elend zu reißen, sehr stark. Zur Zeit der Weimarer Republik waren nur liberale und konservative Politiker tätig gewesen, an deren politische Handlungsfähigkeit man nicht mehr geglaubt hatte. Aus diesem Grund hatte die nationalsozialistische Idee einen fruchtbaren Boden gefunden, um ihre Herrschaft auszuleben (vgl. Schneider 2000: 12). So könnte es nach nationalsozialistischer Ansicht nach ausgesehen haben: „Die Macht über Staat und Gesellschaft reicht ihnen nicht, sie wollen die Beherrschung der Gehirne. Und dies ist auch unabdingbar angesichts ungeheuerlicher globaler Eroberungspläne, zu deren Durchsetzung es im Inneren über Loyalität und Duldung hinaus millionenfacher Komplizenschaft bedarf. Einfache geistige Abhängigkeit der Menschen von ihrer «Führung» genügt nicht, sie sind zu absoluter Hörigkeit zu «erziehen».“ (Schneider 2000: 12) Der Reichstagbrand von 1933, der von Nationalsozialisten verübt worden war, um Hitlers alleinige Macht zu sichern, wurde den Kommunisten zur Last gelegt, sodass sich Hitlers Anhänger aus der Affäre ziehen konnten. Mit dem Reichstagbrand hatte Hitler die Möglichkeit sämtliche Bürgerrechte aufzuheben (vgl. Bishop/Jordan 2004: 8). „Mit der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes am 24. März 1933 war seine Vorherrschaft als Kanzler, der die

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Notverordnungs-Vollmacht des Reichspräsidenten kaum noch benötigte, auch institutionell gesichert.“ (Kershaw 1980: 52) Hitler hatte sich schon früh mit außenpolitischen Fragen auseinandergesetzt und die nun neu entfachten völkischen Kräfte sollten in erster Linie dazu dienen, Ungerechtigkeiten des Versailles Vertrages zu bereinigen. Des Weiteren sah man vor, neuen Lebensraum im Osten zu erobern um expandieren zu können (vgl. Woller 1994: 43). Im Vertrag von Versailles wurde festgelegt, dass das Heer nicht aus mehr als 100.000 Mann bestehen dürfe. Überdies hatte man die Heeres- und Marineluftwaffe aufgelöst und der Kauf von Panzern und Flugzeugen wurde strengstens verboten. Hitlers Plan war es nun die Reichswehr für sich zu gewinnen und er machte sie schon bald nach der Ernennung zum Kanzler mit seinen Plänen vertraut. Die dem Plan zugrunde liegende Absicht Hitlers war die Wiederbewaffnung Deutschlands. Die steigende Rivalität zwischen der SA (Sturmabteilung) und der Reichswehr war nicht zu übersehen und so musste Hitler etwas unternehmen. Dies stellte sich jedoch als schwierig heraus, denn die SA hatte den Nationalsozialisten zur Macht verholfen und die Unterstützung der Reichswehr benötigte Hitler, um seine Machtergreifung auf ganz Europa auszubreiten. Hitlers Entscheidung fiel gegen Röhm, den Führer der SA. Jene Kraft musste nun aus dem Weg geräumt werden, damit diese seinen Zukunftsplänen nicht mehr in die Quere kommen konnte. In dieser Nacht wurden 1000 Menschen ermordet und verhaftet. Ernst Röhm wurde von einer persönlich von Hitler beauftragten SS-Einheit festgenommen (vgl. Bishop/Jordan 2004: 9,11,f.). Die Morde und Inhaftierungen vieler Menschen wurden mit der Begründung „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ entschuldigt. Als der einstige Reichspräsident Hindenburg verstarb, übernahm Hitler nun auch sein Amt und wurde Führer des Deutschen Reiches. Nun galt es die Reichswehr auf Vordermann zu bringen, dies bedeutete unter anderem die Neugründung der Luftwaffe, den Ausbau des Heeres und der Marine. Kurze Zeit später ließ Hitler verkünden, dass die Forderungen und Bedingungen des Friedensvertrages von Versailles als nichtig anzusehen sind und er führte die einst abgeschaffte Wehrpflicht wieder ein (vgl. Bishop/Jordan 2004: 12). Damit wurde das Zeichen für einen territorialen Feldzug der Eroberung gesetzt. Hitlers Vorgehen schien niemanden zu stören und so konnte man sich ausreichend und sehr intensiv auf einen expansiven Eroberungsfeldzug vorbereiten. Bereits vor Kriegsausbruch konnte das Deutsche Reich einige Gebietszuwächse vermelden: den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, die Besitzergreifung des Sudetengebietes, die Zerschlagung der Tschechoslowakei und eine weitere Besetzung des Memelgebietes. Somit erhielt

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Deutschland wichtige rüstungswirtschaftliche Ressourcen. Außerdem stieg das Land durch die territoriale Eroberung auf fast eine Viertelmillion Quadratkilometer an und die Bevölkerung wuchs um rund 18 Millionen Menschen. Es sollten noch mehr Landaneignungen folgen und so marschierten deutsche Truppen am 1. September 1939 in Polen ein, um Gebietsansprüche gegenüber Polen einzuholen. Dieses Vorgehen läutete den Zweiten Weltkrieg ein (vgl. Schneider 2000: 16,f.). Deutsche Truppen begannen vom polnischen Luftraum aus Flugplätze, Straßen und Bahngleise zu bombardieren. Mit diesem Ereignis begann der so genannte erste Blitzkrieg, der dazu führte, dass sich Frankreich und Großbritannien zur Unterstützung Polens einmischten. Am 3. September 1939 erklärte Großbritannien Deutschland den Krieg (vgl. Bishop/Jordan 2004: 19). Für Hitler lief es bezüglich der Blitzkrieg Feldzüge sehr gut, da es ihm in kürzester Zeit gelang halb Westeuropa zu erobern. Ebenso war es Polen nicht gelungen, gegen die Deutschen anzukämpfen (vgl. Bishop/Jordan 2004: 21). Gemeinsam mit der Sowjetunion hatte man Polen besiegt. Die Sowjetunion kämpfte gemeinsam mit Deutschland, da man sich vor dem Krieg darauf geeinigt hatte, polnische Gebiete nach der Eroberung aufeinander aufzuteilen (vgl. Bishop/Jordan 2004: 24,f.). Deutschland war es nach dem Siegeszug gegen Polen nicht schwer gefallen sich wiederaufzurüsten, selbst die Wirtschaft hatte vom eigentlichen Krieg nicht viel abbekommen und so mussten weder mehr Arbeitsstunden geleistet werden, noch mussten vermehrt Frauen für die Kriegsarbeit eingesetzt werden (vgl. Bishop/Jordan 2004: 35). Die Sorge um jene, die im Krieg kämpften war sehr groß. Um die Bevölkerung abzulenken, benutzte man die Kunst sehr geschickt als Kriegspropaganda. Beispielsweise wurden im Rundfunk Wunschkonzerte gespielt, um die Daheimgebliebenen und jene, die im Krieg kämpften, geistig miteinander zu verbinden. Um auch jene, die im Krieg kämpften ein wenig abzulenken und zu entspannen, stellte man direkt vor Ort mobile Theatergruppen, Kinowägen und Kapellen zur Verfügung (vgl. Schneider 2000: 146,f.).

Im Auftrag von Hitler besetzten am 9. April 1939 deutsche Truppen Dänemark und Norwegen, um sich so entscheidende Vorteile einzuräumen. Mit der Eroberung norwegischer Häfen wollte man die Kontrolle über die Kriegsmarine erhalten. Diese Besetzung wurde unter dem Namen „Weserübung“ bekannt (vgl. Bishop/Jordan 2004: 38). Nach geraumer Zeit gelang es den deutschen Truppen halb Dänemark zu erobern, dessen Regierung noch zuvor um einen Waffenstillstand bat. Von Dänemark aus konnte man sich nun als nächstes auf die Eroberung Norwegens konzentrieren. Es dauerte nicht allzu lange

12 und die deutschen Truppen eroberten Mittel- und Südnorwegen (vgl. Bishop/Jordan 2004: 40,f.). Nachdem die deutschen Truppen bereits einige Siegeszüge vollbracht hatten, standen im Mai und Juni die Überfälle auf Frankreich, Belgien, die Niederlande und Luxemburg fest. Im Jahr 1941 wurden auf Griechenland und Jugoslawien weitere Angriffe verübt. Die deutsche Bevölkerung und auch jene, die zuerst nicht an Hitler geglaubt hatten, freuten sich nun gemeinsam und erhofften sich in naher Zukunft Frieden. Die deutsche Bevölkerung war sehr stolz auf die deutschen Truppen, die die Niederlage von 1918 gerächt hatten. Durch die Ausbeutung der vielen eroberten Länder hatte sich die allgemeine Lage Deutschlands sehr gut entwickelt und so gelang es der Bevölkerung Bombenangriffe seit Kriegsbeginn leichter zu vergessen. Außerdem wurden all jene, die weiterhin Kritik am Regime äußerten in KZ-Haft (KZ=Konzentrationslager) gebracht. Die Bevölkerung hatte nun keine Zweifel mehr, dass Hitler alles schaffen würde. Hitler stand nun an der Spitze der Macht und wurde von allen bejubelt. Mit diesem guten Gefühl wagte man sich als nächstes auf den schon längst geplanten und genauestens durchdachten Raubzug namens „Barbarossa“ heran. Der Osten sollte zur Lebensraumbeschaffung für das Deutsche Reich erobert werden (vgl. Schneider 2000: 147). Am 22. Juni 1941 befahl Hitler seinen Truppen in die Sowjetunion einzumarschieren und damit begann ein erbitterter Kampf um Leben und Tod. Hitlers Plan war es die Sowjetunion vollständig zu germanisieren. Für Stalin kam dieser Angriff Deutschlands sehr überraschend, da er ohne Neuorganisation seiner militärischen Einheiten nicht die Absicht hatte, mit Deutschland einen Krieg anzufangen. Dazu kam noch, dass Hitler und Stalin sich zuvor darauf geeinigt hatten sich gegenseitig nicht anzugreifen. Stalin vertraute darauf und wurde bitter enttäuscht. Die Enttäuschung wurde dadurch intensiviert, dass er zuvor Hitlers Truppen noch mit Kriegsmaterial versorgt hatte (vgl. Bishop/Jordan 2004: 149). Zu Hause in Deutschland fasste man die weitere Kriegsführung mit gemischten Gefühlen auf. An Versorgung sollte es dem deutschen Volk nicht mangeln, da man durch die zahlreichen Blitzkrieg Feldzüge genug erbeutet hatte, doch trotzdem wurde die Bevölkerung nachdenklicher. Diese Nachdenklichkeit wurde jedoch sehr schnell beseitigt, da erste Erfolge bereits bei der Eroberung der Sowjetunion erzielt werden konnten. Es gab jedoch in dieser kurzen Zeit schon zig-tausende Tote und Verwundete zu beklagen. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis dringend menschlicher und materieller Nachschub benötigt wurde, um weiter Krieg führen zu können. Doch dieser Nachschub fehlte. Zur

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Lösung des Problems wurden ausländische Arbeitskräfte geholt, um den Krieg weiter führen zu können. Natürlich waren diese nicht freiwillig hier, sie wurden dazu gezwungen zu kämpfen. Im Dezember kam es dazu, dass die deutschen Truppen von der roten Armee in Moskau zum Stillstand gebracht worden. Mit diesem Ereignis machte sich langsam Panik breit und man erkannte, dass die einst strategisch erfolgreich geführten Blitzkriege nun nicht mehr gelingen wollten (vgl. Schneider 2000: 166,f.). Selbst zu Hause in Deutschland sah die Lage nicht weitaus besser aus, die Lebensmittelrationen wurden immer knapper und zahlreiche Opfermeldungen erreichten das Deutsche Reich. Die deutsche Luftwaffe musste nun den östlichen Luftraum den anglo-amerikanischen Kampfflugzeugen überlassen, deren Ziel es vorerst war, Rüstungsbetriebe zu zerstören. Doch später konzentrierten sie sich mehr auf die Zerstörung der Wohnviertel durch zahlreiche Bombenanschläge. Vor inneren Unruhen fürchtete sich das Nationalsozialistische Regime sehr, deshalb hatte man tausende Personen dafür eingesetzt den SS-Sicherheitsdienst ständig mit Stimmungsberichten aus der Bevölkerung zu informieren. Für jene, die es sich erlauben sollten Kritik zu üben, sah man sehr harte Strafen vor. Doch trotz all dieser schlimmen Ereignisse, gab man alles dafür, eine gewisse Alltagsnormalität neben dem Kriegsgeschehen beizubehalten (vgl. Schneider 2000: 167). Einige exemplarische Eindrücke wären folgende: „Da werden Filme wie «Frau Luna» […], «Frauen sind doch bessere Diplomaten» […] und «Quax, der Bruchpilot» […] uraufgeführt, umjubelt wie die «Faust»-Premiere […]; aus dem Volksempfänger dudeln «Lili Marleen» und «Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei» - und nebenan fallen die Bomben!“ (Schneider 2000: 167; Auslassung: M.S.) Im November 1942 wurden deutsche Truppen bei Stalingrad eingekesselt. Letztendlich gingen die deutschen Truppen im Jahr 1943 im Kampf um die Sowjetunion als die Verlierer hervor (vgl. Schneider 2000: 168). Aufgrund der militärischen Niederlage und innenpolitischer Probleme befand sich das Regime in einer aussichtslosen Situation. Von da an nahm man nicht mehr viel Rücksicht auf die Bevölkerung. Viele vertrauten darauf, dass ihr Schicksal in den Händen des Führers eine positive Wende nehmen würde. Die noch einst gespielten Lieder und Theateraufführungen wurden eingestellt, jene Betriebe und Behörden die dem Krieg nicht wirklich dienlich waren wurden stillgelegt. Zusätzliche ausländische Arbeitskräfte wurden geholt, um Nachschub für die Rüstung und die Wehrmacht zu produzieren. Der ständige materielle Verlust an der Front ließ sich jedoch nicht mehr aufholen. Dazu kamen noch zahlreiche Opfermeldungen aus Nordafrika, dem Atlantik, aus dem Luftkampf über England und der Westfront. Die militärischen

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Niederlagen an den Kriegsschauplätzen ließen sich nun nicht mehr leugnen und die Schlinge zog sich immer weiter zusammen (vgl. Schneider 2000: 196, f.). Zudem kam noch, dass sich die USA und die sowjetischen Verbände immer mehr dem Deutschen Reich näherten. Die Tragödie des Deutschen Reiches begann jedoch nicht erst mit dem Einmarsch, denn auch schon zuvor war die Bevölkerung ständigen Bombenangriffen ausgeliefert gewesen. Immer mehr glich das Land einem Trümmerfeld. Die Lage verschlechterte sich von Tag zu Tag. Man wollte nicht aufgeben und so kam es, dass Frauen, Greise und Mädchen bis zum bitteren Ende kämpften. Das eigentliche Ende des Martyriums wurde erst mit Hitlers Selbstmord im Jahr 1945 erreicht (vgl. Schneider 2000: 197,f.). So lässt sich letztlich sagen, dass „Adolf Hitlers Deutsches Reich, das in seiner Fantasie 1000 Jahre bestehen hätte sollen, […] nach 12 Jahren schlussendlich gefallen [war].“ (Bishop/Jordan 2004: 369; Umstellung und Anpassung: M.S.).

2.3 Ideologien des Nationalsozialismus

2.3.1 Volksgemeinschaft

„Zu den großen Themen der NSDAP in der Weimarer Zeit zählten die Verheißung, in einem nationalsozialistischen Deutschland werde an die Stelle zerstrittener Parteien, verfeindeter Klassen und auseinanderstrebender gesellschaftlicher Interessen eine einheitliche, starke «Volksgemeinschaft» treten“ (Frei 2005: 107) Hitler selbst hatte das Wort „Volksgemeinschaft“ nie klar definiert. Es handelte sich um ein übernommenes Synonym für das Wort „Volk“ aus dem Ersten Weltkrieg (vgl. Frei 2005: 110). Erst im Jahr 1927/28, als man die NSDAP neu gründete, „sprach er von der «Volkgemeinschaft» im Kontext seiner Forderung nach Überwindung der «Klassenspaltung» und der «Zerreißung» des deutschen Volkes.“ (Frei 2005: 110) „Und ihr eigentlicher politischer Sinn lag darin, daß der «Führer» der NS-Bewegung in der «völkischen» Konsolidierung die Voraussetzung rassenimperialistischer Machtentfaltung erblickte. Für das Individuum oder gar für dessen Anspruch auf Selbstverwirklichung war in diesem Konzept kein Platz: […].“ (Frei 2005: 111; Auslassung: M.S.) „Statt durch Grundrechte und individuelle Freiheit sollte diese Gemeinschaftsordnung durch Treue, Dienstbereitschaft, Unterordnung unter gesetzte, nicht gewählte Rangordnung bestimmt sein: […].“ (Bracher/Sauer/Schulz 1960: 24; Auslassung: M.S.). Die alleinige Erwähnung der Volksgemeinschaft war nicht ausreichend, sondern sie musste Hitlers Ansicht nach zweckerfüllend sein, denn nur als

15 eine einheitliche Gemeinschaft, die frei von Negativem ist, könnte man es schaffen, Deutschland ans Ziel zu bringen. Mit dem Ziel sind Hitlers Vorstellungen der Lebensraumbeschaffung, der Germanisierung und seine Einstellung zum Antisemitismus gemeint (vgl. Frei 2005: 111). Der Bevölkerung selbst erschien die „Volksgemeinschaft“ teilweise sehr ansprechend, da sich die Wirtschaftslage langsam wieder besserte und es zudem auch noch ansteigende Konsummöglichkeiten gab (vgl. Frei 2005: 113,f.) Neben diesen zwei wesentlichen Aspekten spielte aber auch noch das neue Lebensgefühl eine wichtige Rolle. Man hatte wieder Hoffnung geschöpft, dass sich alles verbessern könnte (vgl. Frei 2005: 113,f.). „Der permanente sozialpolitische Aktionismus und eine egalitäre Propaganda stifteten «affektive Integration» und trugen dazu bei, daß die […] Entkoppelung von Lohn und Status funktionierte. Auf brachiale Weise demonstrierte das Regime, daß der Mensch nicht allein vom Brote lebt und Loyalität auch anders zu haben ist als durch die rechtzeitige Aufstockung des Ecklohns.“ (Frei 2005: 114; Auslassung: M.S.) Im Dritten Reich wurde ein sehr starkes Gefühl der sozialen Gleichheit vermittelt. Es hatte keine Unterschiede bezüglich Status oder Rang gegeben, jeder hatte das Gefühl es erginge allen gleich und dadurch schuf man eine unglaubliche Atmosphäre von Solidarität (vgl. Frei 2005: 114). Dieses Gefühl wurde gerade in solchen Momenten vermittelt, „[w]enn an den «Eintopfsonntagen» Direktoren und Arbeiter gemeinsam ihre Erbsensuppe löffelten und Goebbels daraus in Berlin ein Prominentenspektakel machte, so war das ein Paradestück nationalsozialistischer «Volkserziehung».“ (Frei 2005: 114; Anpassung: M.S.) Dem Regime selbst war dabei der sozialpsychische Effekt, die Bevölkerung nach ihren Ansichten zu erziehen, sehr wichtig. Daraus entstand ein weit verbreitetes Gefühl der Opferbereitschaft, jene die auch in unzähligen nationalsozialistischen Propaganda Parolen beschwört wurde. Beispielsweise hatte man diese Opferbereitschaft auch bei Sammelaktionen geschickt eingesetzt. So fand dies bei einer Sammelaktion des Winterhilfswerks seinen Ausdruck (vgl. Frei 2005: 115). Das Winterhilfswerk war eine Idee, die noch aus der Weimarer Republik stammte, wurde jedoch in der NS-Zeit als eine Idee der NSDAP ausgegeben. Es sollte zur Überbrückung für die schwersten Zeiten des Jahres der Bevölkerung zu Gute kommen (vgl. Burleigh 2000: 262). In dem Werbeslogan, der zum Spenden aufforderte, hieß es: „Ein Volk hilft sich selbst.“ Man hatte große Summen zusammenbekommen und genau mit solchen Sammelaktionen wurde die so genannte „Volksgemeinschaft“ immer wieder real. Dem Regime war es sehr wichtig, dass genau diese immer wieder ins Bewusstsein eines jeden einzelnen gerufen wird und so erklärte man sich beispielsweise durch den „Heil Hitler-Gruß“ dem Regime gegenüber

16 loyal zu sein. Des Weiteren wurde diese Loyalität mit ständigen öffentlichen Massenansammlungen verstärkt, bei denen ein Loyalitätsbekenntnis zum Regime erzwungen wurde. Die Integration wurde unabhängig von der Herkunft und dem Rang gemacht, viel mehr zählte die Leistung, um sich in das nationalsozialistische Regime integrieren zu können. Besonders bei den Arbeitern ist die Idee der Leistungslohn-Politik sehr gut angekommen, denn nach den schweren Jahren der Wirtschaftskrise, unter denen auch die Arbeiter besonders gelitten hatten, kam solch eine Form von Politik wie gerufen. Die Jahre der Wirtschaftskrise waren gekennzeichnet durch eine sich auflösende Solidarität und so empfing man das Angebot eines gemeinsamen Aufbaues von der einst verlorenen Solidarität mit offenen Armen (vgl. Frei 2005: 115,f.).

2.3.2 Sozialdarwinismus und Rassentheorie

Mit dem Beginn des Nationalsozialismus hatte der Rassegedanke in Deutschland seinen Durchbruch gefunden. Das Regime war davon überzeugt gewesen, dass nur eine einzige Rasse nämlich die nordisch-germanische Rasse überleben und sich gegenüber den anderen Rassen durchsetzen sollte (vgl. Schreckenberg 2001: 273). Die nordisch-germanische Rasse galt „als einzige wirklich kulturschöpferische völkische Einheit der Erde, weshalb ihr auch, so meinte man, ein Führungsanspruch zukam, der sozialdarwinistisch, mit dem Recht des Stärkeren, durchzusetzen war.“ (Schreckenberg 2001: 273,f.) Die Entstehung der Rassenhygiene lässt sich grundsätzlich auf den Sozialdarwinismus zurückführen, denn die Theoriebildung des Sozialdarwinismus bildet die Voraussetzung für die Rassenhygiene. Der Sozialdarwinismus versteht sich als Naturlehre der Gesellschaft (vgl. Schmuhl 1987: 49,f.). Die Begründung dafür, weshalb gerade die darwinistische Biologie dafür in Frage kam, ist nicht rein zufällig, „[d]enn die Übertragung darwinistischer Prinzipien auf soziale Phänomene durch den Sozialdarwinismus vollendete im Grunde genommen einen Zirkelschluß von der Gesellschaft auf die Natur, von der Natur auf die Gesellschaft, der seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts biologische und soziologische Evolutionstheorien miteinander verknüpft hatte.“ (Schmuhl 1987: 50; Anpassung: M.S.) Der Sozialdarwinismus ließ sich auf viele verschiedene gesellschaftliche Ereignisse anwenden, „je nachdem, welchen Aspekt der darwinistischen Evolutions- und Selektionstheorie man in den Mittelpunkt der sozialdarwinistischen Doktrin stellte.“ (Schmuhl 1987: 72) Mit dem Verweis auf den Sozialdarwinismus konnte für viele Erscheinungen eine passende Legimitierung erzielt werden, so auch für die Rassenpflege (vgl. Schmuhl 1987: 72,f.). Im

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Nationalsozialismus wurde die Erb-und Rassenpflege gesetzlich geregelt und zwar durch das Rassenpolitische Amt der NSDAP. Man hatte darauf geachtet, die Erb- und Rassenpflege durch ständige Propaganda in den Mittelpunkt zu stellen (vgl. Schmuhl 1987: 174). Neben den unzähligen Plakataktionen in öffentlichen Einrichtungen wie beispielsweise Schulen und Ämtern wurde ein besonderer Schwerpunkt der Propaganda auf die Jugendarbeit gelegt. So hieß es, dass Kenntnisse in Disziplinen wie Vererbungslehre, Rassenkunde, Rassenhygiene, Bevölkerungspolitik und Familienkunde bei schulischen Abschlussprüfungen am wichtigsten seien. All diese Bereiche sollten in die verschiedensten Unterrichtsfächer miteingebaut werden, sei es in Deutsch oder Mathematik. Der gesamte Unterricht wurde darauf aufgebaut. Um den Rassegedanken weiterhin an die Öffentlichkeit zu bringen, setzte man auch die Presse ein. Innerhalb kürzester Zeit wurden zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften zur Rassentheorie gedruckt und verteilt. Auch der Film und das Theater wurden zu propagandistischen Zwecken benutzt (vgl. Schmuhl 1987: 176). Hans F.K. Günther, ein Verfechter des Rassegedankens, der durch ihn in Deutschland erweckt worden war, war folgender Ansicht bezüglich der nordisch-germanischen Rasse gewesen:

„Da allen Völkern germanischer Sprache das nordische Blut gemeinsam ist, welche Einschläge anderer Rassen sie sonst auch zeigen mögen, und da sich in diesen Völkern immer noch Überlieferungen ihrer ,Herkunft‘ von hochgewachsenen, blauäugigen Vorfahren finden, Überlieferungen, an die sich anknüpfen läßt; da somit diesen Völkern die nordische Rasse als Zielbild gewiesen kann, ist der Gedanke der Aufnordung und der allnordischen Verbundenheit recht eigentlich eine Grundlage der Verständigung für die Völker germanischer Sprache. So wird angesichts der äußerst gefährdeten Lage der Nordrasse in allen heute noch nordisch- bedingten Völkern die Erzielung eines gewissen allnordischen Zusammenhalts notwendig sein. Die Rasse steht einfach vor ihrem Aussterben.“ (Günther 1938: 470,f.)

„Nur das zu weckende und dann immer mehr zu schärfende Artbewußtsein, nur das sichere Einhalten einer auf das Nordische zielende Artrichtung, vermag noch zu helfen. Das haben diejenigen Einzelmenschen und Gruppen innerhalb aller deutschen Stämme eingesehen, welche sich zum Nordischen Gedanken bekennen. Der Nordische Gedanke ist – auf die Deutschen angewandt – der Gedanke der Vorbildlichkeit des erbgesunden, erbtüchtigen Menschen nordischer Rasse und deutscher Prägung für die Auslese im deutschen Volke.“ (Günther 1938: 472)

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Laut Hans Günther bilden die seelischen Eigenschaften der nordisch-germanischen Rasse neben den leiblichen Eigenschaften den eigentlichen Unterschied zwischen den Rassen. Dies wären Unterschiede bezüglich der Haltung, des Auftretens, der Taten und Werke der nordisch-germanischen Rasse gegenüber den anderen Rassen (vgl. Günther 1938: 190). Hans Günthers Ansicht nach, käme der nordischen Rasse aufgrund sozialanthropologischer Erscheinungen eine besondere Führungsposition innerhalb der europäischen Rassen zu (vgl. Günther 1938: 201). Zudem lässt sich auch noch folgendes festmachen: „Innerhalb jedes Volkes mit stärkerem nordischem Einschlag sammelt sich die nordische Rasse immer wieder in den führenden Schichten, also sowohl in den gesellschaftlich oberen Schichten überhaupt, wie auch innerhalb jeder Volksschicht oder jedes Standes in den führenden Kreisen.“ (Günther 1938: 201)

„Bezeichnend für das seelische Wesen nordischer Menschen ist vielfach ein gewisses Übermaß, ein Überschwang der Kräfte und des Geistes, eine Rastlosigkeit des Denkens und Handelns, die den nordischen Menschen von Tat zu Tat, von einer gedanklichen Eroberung zur anderen treiben. Ihn drängt es am meisten dazu, im Wettbewerb der Kräfte die eigene Kraft zu messen. Nur innerhalb der Nordrasse sind männliches und weibliches Wesen zwei so deutlich ausgeprägte Gestaltungen. Der nordische Mann, das nordische Weib – die seelische Spannung dieser Zwiegestaltung ist weiter als bei anderen Rassen; und wiederum auch im Wesen des nordischen Weibes selbst ist eine Entfaltungsweite möglich, […] eine Entfaltung von anmutig milder Mädchenart bis zur harten Unerbittlichkeit und Unversöhnlichkeit des nordischen Weibes.“ (Günther 1938: 212; Auslassung: M.S.)

In einem letzten Punkt, welcher der nordisch-germanischen Rasse zugesprochen wird, wird die Reinlichkeit angeführt, die laut Hans Günther bei der nordischen Rasse mehr beobachtet wurde als bei anderen Rassen (vgl. Günther 1938: 213,214). Im Hinblick auf den Rassegedanken, lässt sich sagen, dass „[…] sich aus dem biologischen Darwinismus der Nationalsozialisten ein politischer Imperialismus [entwickelte], jedoch war auf jeden Fall Hitler selbst der Motor, der die Dinge vorantrieb.“ (Schreckenberg 2001: 274; Umstellung: M.S.).

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2.3.3 Antisemitismus

Der Antisemitismus, auch Judenfeindlichkeit genannt, war im 19. Jahrhundert durch zahlreiche Bücher und Zeitschriften zum Thema „Die Lösung der Judenfrage“, in den Mittelpunkt gerückt (vgl. Benz 2002: 42). „Die »Judenfrage« war seit der Jahrhundertmitte ein feststehender Begriff, der […] zur Chiffre wurde, die . politisches, kulturelles, ökonomisches Unbehagen zusammenfaßte, . Existenz- und Überfremdungsängste artikulierte und . durch die neue Lehre vom Rassenantisemitismus eine Richtung gewiesen bekam.“ (Benz 2002: 42; Auslassung: M.S.)

Die „Judenfrage“ stützte sich auf den Grundsatz, dass Juden und Jüdinnen anders wären als andere Rassen und demzufolge müsste eine Klärung herbeigeführt werden. Doch nicht erst seit dem 19. Jahrhundert gab es Judenfeindlichkeit, sondern schon auch davor sprach man vom religiös motivierten Antijudaismus. Die Lösung der „Judenfrage“ konnte ihrem Glauben nach durch die Taufe, bei der es zu einer sittlichen Verbesserung der Juden käme, erreicht werden. Sobald also die Juden die Bereitschaft zeigten zum Christentum zu konvertieren, schien das Problem gelöst. Es gab aber auch noch weitaus mehr Gründe, weshalb die Juden in Form von Vertreibungen, Plünderungen und Beraubungen erneut zu Opfern wurden. Diese Gründe reichten von wirtschaftlichen Faktoren bis hin zum Sozialneid. Im Gegensatz zur religiösen Judenfeindlichkeit, die es vor dem 19. Jahrhundert gegeben hatte, handelte es sich bei der im 19. Jahrhundert weit verbreiteten Judenfeindlichkeit um eine, die nicht mit Hilfe einer Taufe gelöst werden konnte. Man sprach von einem rassistisch begründeten Judenhass, der als Lösung nur die Vertreibung und Vernichtung von Juden vorsah (vgl. Benz 2002: 42). Bereits im Ersten Weltkrieg versuchte man die Juden als so genannte „Drückeberger“ vor dem Kriegseinsatz zu stigmatisieren. Obwohl im Jahr 1914 die Zahl der deutschen Juden, die sich freiwillig zum Einsatz meldeten – im Hinblick auf den jüdischen Bevölkerungsanteil gemessen -, groß war. Eine weitere Stigmatisierung der Juden wurde mit der Aussage getätigt, dass Juden geborene Wucherer und Spekulanten wären, sich als Kriegsgewinnler ausgäben und sich an der Not anderer bereichern würden. Unterstützt wurde diese Stigmatisierung durch die Veröffentlichung zahlreicher Flugblätter, auf denen der Slogan prangte: „»Überall grinst ihr Gesicht, nur im Schützengraben nicht«.“ (Benz 2002: 49)

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Die Anschuldigen beispielsweise, dass die meisten Juden vom Kriegsdienst befreit waren, führten so weit, dass man eine Judenzählung vornahm. Mit dieser erhoffte man sich die Dienstverhältnisse der deutschen Juden im Krieg herauszufiltern. Durch die Nichtveröffentlichung der Ergebnisse kam es dann zum eigentlichen Skandal. So konnte man keine wirkliche Einsicht gewinnen und viele hielten weiterhin an den Vorwürfen fest (vgl. Benz 2002: 49,f.). Als der Erste Weltkrieg dann zu Ende war, und die Niederlage schmerzte, kam es neuerdings zu rassistischer und antisemitistischer Propaganda. Man brauchte einen Schuldigen für den Misserfolg, um den verletzten Nationalstolz zu stärken und so kamen die Juden gelegen, da sie sowieso als Kriegsverweigerer galten. Auch die NSDAP sah im Antisemitismus eine Ideologie, die Erklärungen für wirtschaftliche und soziale Probleme der Bevölkerung lieferte (vgl. Benz 2002: 50).

„Im Programm der NSDAP waren seit 1920 die Lehr- und Grundsätze des Rassismus fixiert: . »Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volkgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.« . »Wer nicht Staatsbürger ist, soll nur als Gast in Deutschland leben können und muß unter Fremdengesetzgebung stehen.« . »Das Recht, über Führung und Gesetze des Staates zu bestimme, darf nur dem Staatsbürger zustehen.« . »Jede weitere Einwanderung Nichtdeutscher ist zu verhindern. Wir fordern, daß alle Nichtdeutschen, die seit dem 2. August 1914 in Deutschland eingewandert sind, sofort zum Verlassen des Reiches gezwungen werden.«“ (Benz 2002: 52)

Bereits 1933, als Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, wurden antisemitistische Maßnahmen propagiert. Zuerst musste sich das nationalsozialistische Regime in der Praktizierung des Antisemitismus jedoch zurückhalten, da es neben außenpolitischen, psychologischen und pseudohumanitären Gründen, auch innenpolitische Probleme gab. Um die nationalsozialistische Macht innenpolitisch zu festigen, konnte man solch einer radikalen antisemitistischen Durchführung vorerst nicht nachgehen, da es sonst zu Unruhen des schon ohnehin misstrauischen Auslands gekommen wäre (vgl. Bracher/Sauer/Schulz 1960: 277).

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Selbst in der Bevölkerung war die antisemitistische Haltung noch nicht so gefestigt, dass man ohne Rückschläge vorgehen hätte können. Dies schränkte die NSDAP vorerst noch taktisch ein, die antisemitistische Grundeinstellung war jedoch bereits vorhanden. Erste Schritte der antisemitistischen Propaganda wurden mit dem Boykott jüdischer Geschäfte gesetzt. Als nächstes sah man vor, die Juden aus allen Bereichen zu verbannen. Goebbels antisemitistische Propaganda „ließ Exzesse befürchten, deren sich die jüdischen Verbände in Deutschland nur noch durch ständig wiederholte Versicherung ihrer Loyalität der Regierung gegenüber erwehren zu können glaubten.“ (Bracher/Sauer/Schulz 1960: 277,f.) Danach folgten weitere Boykotts von Juden in jeglichen beruflichen Positionen. Angezettelt wurden diese von Hitler selbst, der den Gauleiter Julius Streicher, Volkschullehrer und Vertreter eines besonders primitiven rassistischen Antisemitismus, zum Leiter judenfeindlicher Aktionen ernannte. Angefangen hatten die Boykotts bereits in der Zeit der Weimarer Republik, doch erst mit den entsprechenden Mitteln und einer staatlich stillschweigenden Sanktion wurden die Boykotts realisiert (vgl. Bracher/Sauer/Schulz 1960: 278). So kam es zu Panikausbrüchen bei den betroffenen Juden und Jüdinnen. Verstärkt wurde das judenfeindliche Vorgehen mit Zeitungen, der SA, der SS, die man zur Unterstützung gezwungen hatte, und mit Hilfe zahlreicher Massenveranstaltungen. Sie sollten auf die antisemitistischen Forderungen hinweisen (vgl. Bracher/Sauer/Schulz 1960: 278). „Diese Aufrufe wie der Ablauf des Boykotts selbst enthüllten erneut die Realität hinter der nationalsozialistisch-totalitären Methode, durch Berufung auf eine angeblich spontane „Volkswut“ die Willkür- und Terroraktionen zu legitimieren, die in Wirklichkeit von einer Minderheit „planmäßig“ organisiert und durchgeführt wurden.“ (Bracher/Sauer/Schulz 1960: 278) Erst mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs konnte man der Politik nachgehen, die es vorsah jüdische Beamte, Rechtsanwälte und Ärzte aus ihren beruflichen Positionen zu vertreiben. Die eigentliche Judengesetzgebung, die 1933 legalisiert worden war, gab den Anpfiff zur Säuberung von Juden in den Bereichen Staat und Verwaltung. In den wirtschaftlichen Bereichen beispielsweise nahm man, aufgrund des wirtschaftlichen Eigennutzes, vorerst noch Rücksicht. Rassistische Diskriminierungen und Androhungen blieben jedoch nicht aus (vgl. Bracher/Sauer/Schulz 1960: 279,f.). Des Weiteren hatte man darauf geachtet die Zahl nicht arischer Rechtsanwälte und Richter zu reduzieren. Auch die Zahl der nicht arischen Studenten an den Universitäten sollte den Besucheranteil der arischen Studenten nicht übersteigen (vgl. Bracher/Sauer/Schulz 1960: 280,f.). So wollte man das sogenannte Judenproblem Schritt für Schritt in allen Bereichen lösen, um

22 letztendlich eine rein arische Bevölkerung zu erreichen. Im Ausland stand man dem Vorgehen gegen jüdische BürgerInnen geschockt gegenüber und versuchte einiges um ein weiteres judenfeindliches Vorgehen zu verhindern. 1933 wurde im Völkerbundesrat die Judenproblematik durch den „Nationalverbund deutscher Juden“ thematisiert, doch sie konnten aufgrund geschickt protestierender deutscher Vertreter kaum etwas ausrichten. Spezielle Fälle rechtfertigten die Nationalsozialisten damit, dass es sich höchst wahrscheinlich um Irrtümer handle, die es gilt zu überprüfen (vgl. Bracher/Sauer/Schulz 1960: 281). Deutschland wurde aufgrund des antisemitistischen Vorgehens beim Treffen des Völkerbundesrats verurteilt und gleichzeitig wurden die meisten Einsprüche zurückgewiesen. Dies beschleunigte den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund (vgl. Bracher/Sauer/Schulz 1960: 282). Mit Hilfe der Nürnberger Gesetze beispielweise, die man 1935 verabschiedet hatte, kam es zur Realisierung der Ideologie. Die Realisierung forderte unzählige Morde und Vertreibungen, die man als Lösung zur Problematik der Judenfrage ansah (vgl. Benz 2002: 52).

2.4 Strategien des Nationalsozialismus

2.4.1 Politische Rhetorik

Die politische Rhetorik zählte zu einer der Strategien des nationalsozialistischen Regimes. Bereits vor der Machtergreifung war es wichtig die nationalsozialistischen Ideologien zu verbreiten und dies setzte man mit Hilfe der politischen Rhetorik um. Die Kommunisten und Nationalsozialisten, die zwei radikalen Parteien in der Weimarer Zeit, setzten auf diese Waffe und hoben sich so von den anderen Parteien ab. Als Hitler im Jahr 1920 der DAP beitrat, hatte es bereits diverse Sprechabende, die Rednern die Möglichkeit boten vor einer kleinen Gruppe von Menschen zu sprechen, gegeben. Bei einer dieser Versammlungen hatte Hitler die Möglichkeit seine rhetorischen Fähigkeiten zu beweisen. Die ersten größeren Versammlungen beliefen sich auf 2000 Zuschauer und im Laufe der Zeit nahmen die Reden bei öffentlichen Versammlungen zu. Während der Reden sollte es zu keinen Zwischenrufen und Diskussionen kommen. Ebenso beförderte man eventuelle Störenfriede sofort aus dem Saal. Für solche Zwecke hatte Hitler eine eigene Abteilung gegründet und zwar die SA (Sturmabteilung), welche für den Saalschutz verantwortlich war. Die erste gewaltvolle Auseinandersetzung lieferten sich bei einer Versammlung die SA und die Marxisten (vgl. Grieswelle 1972: 22,f.). Ab diesen Zeitpunkt kam der Gewalt ein wichtiger

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Faktor zu, da man sich mit ihrer Hilfe von den anderen Parteien abhob und die eigene Stärke der Partei demonstrierte. Nicht nur die Versammlungssäle sollten Schauplätze von Gewalt werden, sondern auch die öffentlichen Straßen (vgl. Grieswelle 1972: 23). Hitler, Parteiführer der NSDAP, wollte sich unbedingt von den anderen völkischen Gruppen abheben und dies tat er „indem er seine Organisation eine Partei nannte, das Wort Arbeiter im Namen führte, eine rote Fahne als Symbol wählte und die Bezeichnung Genosse zur offiziellen Anrede machte, außerdem der ,Bewegung‘ durch gewalttätige Aktionen auf der Straße ein Image gab.“ (Grieswelle 1972: 26) Hitler als Parteivorsitzender der NSDAP legte großen Wert auf den ständigen rhetorischen Kontakt mit der Bevölkerung, um für die Partei Brauchbares zu sammeln und dies dann zu Gunsten der Partei einzusetzen. Hitler hatte mit seinem Werk „Mein Kampf“ große Popularität erreicht und wurde zur Vorlage zahlreicher veröffentlichten Zeitschriften, Bücher und Broschüren. Seine rhetorische Begabung brachte ihm und der Partei unfassbare Erfolge und mit diesen schafften sie es an die Macht zu kommen (vgl. Grieswelle 1972: 34). Eine weitere rhetorische Strategie Hitlers, um Befürworter für sein Regime zu gewinnen, war die ständige Negation der gegenwärtigen Situation. Die deutsche Bevölkerung war nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg schwer gezeichnet und die darauffolgende Weimarer Republik führte zu einer weiteren Niederlage. Diese inneren Unruhen bemerkte Hitler und fasste diese in seinen Reden geschickt auf, weil er wusste, damit genug ZuhörerInnen in der Bevölkerung zu finden. So fühlte sich die deutsche Bevölkerung in ihrem Unbehagen plötzlich verstanden und fasste Vertrauen. Alles Bestehende wurde negativ dargestellt, von der parteistaatlichen Demokratie bis hin zur Judenthematik. Diesen zwei Aspekten wurde die Sündenbockrolle zugeteilt. Was die Zukunft betraf, gab man aber kaum klare Zielvorstellungen bekannt, um so die breite Masse zu erfassen (vgl. Grieswelle 1972: 64). Die Bevölkerung war gezeichnet von großen Emotionen und diese nutzte Hitler geschickt, um die Allgemeinheit in ihrem befindlichen Gefühlsrausch an sich zu binden (vgl. Grieswelle 1972: 66). Hitlers Negationen bezogen sich meist auf bestimmte Punkte des Versailler Vertrages, die es galt zu verändern oder zu beseitigen. Mit seinen Ansichten, die er in seinen Reden vertrat, hatte er sozusagen leichtes Spiel, da das Volk derselben Meinung war. In seinen Reden gelang es ihm dem Volk reale Bilder zu vermitteln. In seinen Bildern zelebrierte er den Untergang des Deutschen Reiches, wenn man nicht endlich aufwachen würde um etwas dagegen zu unternehmen (vgl. Grieswelle 1972: 67,ff.). Denn „[f]ür viele, die die Politik des Weimarer Staates bekämpften, war es leichter, die eigenen Vorstellungen in einer fanatischen, von der totalen Negation getragenen

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Propaganda wiederzuerkennen als in einer Beurteilung der Lage, die den Tatsachen Rechnung trug und Kompromißbereitschaft zeigte.“ (Grieswelle 1972: 69; Anpassung: M.S.) Bezüglich des Inhalts war es nicht so wichtig, die eigenen Glaubenssätze zu besprechen, sondern viel wichtiger war es, die politischen Gegner schlecht zu machen (vgl. Grieswelle 1972: 69). Es wurden stets Wörter verwendet, die konträr zu einander waren, wie beispielsweise „Hell“ und „Dunkel“, „Oben“ und „Unten“ oder „Gesund“ und „Krank“. Damit beabsichtigte er die auf das Volk zukommende Katastrophe zu beschreiben und verwies so auf die Rettung durch den Nationalsozialismus. Diese vermittelten Bilder entsprachen oftmals nicht der Wirklichkeit, doch aufgrund ihrer Ungewöhnlichkeit schafften sie es das Volk zu schockieren und damit gelang es Hitler die Katastrophe, die er beschwor, passend auszudrücken (vgl. Grieswelle 1972: 78,f.). Er betitelte seine Gegner von Verbrechern bis hin zu jenen Menschen,

„die sich finsteren Machenschaften verschrieben hätten und dafür büßen müßten. Mit seinem Anspruch auf überlegenes Wissen ,klärte‘ er das Auditorium ,auf‘, daß es bisher betrogen worden sei und steigerte die Stimmung des Mißtrauens bei jenen, die sowieso schon Groll gegenüber den Herrschenden hegten und sich hintergangen fühlten. Er legitimierte diese Haßgefühle, indem er die Schuld auf Sündenböcke projizierte und nahm so auch den Enttäuschten die Verantwortung für die politisch-gesellschaftliche Situation. Hitler sah in der von einer verschworenen Clique inszenierten Erniedrigung des deutschen Volkes auch ein positives Merkmal, da das Chaos einen berufenen Führer und eine neue politische Elite hervorbrächte, die Deutschland erretten würden.“ (Grieswelle 1972: 79)

Meist verwandelte er seine Gegner in listige kleine Tierchen, da er der Meinung war, dass diese Lebewesen die heimtückischen Eigenschaften des Feindes sehr gut verkörpern würden. Beispielsweise sprach er von Parasiten, denn so wurde es einem leichter gemacht gegen den Gegner vorzugehen, da er durch die Degradierung zum Tier entmenschlicht worden war. Der Gegner durfte auch nicht zu gefährlich dargestellt werden, da man sonst Ängste oder Bedenken entwickeln könnte und folglich nichts mehr unternehmen würde um den Feind zu beseitigen (vgl. Grieswelle 1972: 80). Die gegenwärtige Situation wurde meist herabgesetzt, und stattdessen die Vergangenheit herangezogen. Hitler wollte zeigen wie gut es dem deutschen Volk doch mal gegangen war, um dann auch die Zukunft verbessern zu können (vgl. Grieswelle 1972: 88). „Der Aufstieg des Nationalsozialismus vollzog sich also in der Hitlerschen Darstellung vor dem großen Auditorium der Vor- und Nachwelt, der vergangenen und noch kommenden Generationen. Die Meinung, nur eine

25 nichtige Gegenwart zu verlieren, erzeugte Wagemut und Einsatzbereitschaft in der Hoffnung für eine bessere Zukunft.“ (Grieswelle 1972: 88)

2.4.2 Führerkult

Ein Charakteristikum des nationalsozialistischen Denkens war der Führer-Gedanke. Dies war auch schon vor Hitlers Aufstieg so. Seit Hitlers misslungenem Putschversuch im Jahr 1923 hatte es noch längere Zeit gedauert, bis man Hitler als den Führer der Nation in Betracht gezogen hatte. Hitler trat in ein bereits vorgeformtes Führergebilde ein. Die Sehnsucht nach einem starken, autoritären Führer war groß (vgl. Kershaw 1980: 25). Zur Entstehung des Führergedankens zählten auch politische und psychologische Aspekte, die hier aber nicht genauer erläutert werden. Vielmehr soll hier der pseudo-religiöse Entstehungsaspekt dargestellt werden, welcher aus teils dem traditionellen kirchlichen Autoritätsglauben und teils aus der Säkularisierung christlicher Heilsvorstellungen heraus entstanden war. Aus den evangelischen Kirchen in Deutschland kamen völkisch politische Ideen hervor, welche aber zugleich auch christliche, volksmissionarische Erweckungsbewegungen gefordert hatten. Dadurch wurde es naiven politischen Heilsvorstellungen leicht gemacht sich auszudehnen. Dazu kam auch noch die Bereitschaft des Volkes einer politisch-nationalen Führer-Figur Glauben zu schenken (vgl. Kershaw 1980: 26). Viele Menschen hatten aufgrund erlebter Ereignisse ihre Orientierung verloren und waren gezeichnet von Hoffnungslosigkeit. Dies hatte zur Folge, dass sie sehr empfänglich waren an Wunderlösungen zu glauben. Das Bedürfnis nach einem weltlichen Erlöser stieg an. Früher bestand die Möglichkeit die Ansprüche und den Ehrgeiz im Streben nach sozialem Aufstieg auszudrücken, doch dafür war eine gewisse soziale Stabilität von Nöten. Diese hatte man aber verloren und so war man sehr empfänglich für etwas, das Ersatz bieten würde für das, was einem real fehlte. Diesen Ersatz fanden viele in der Führerfigur Hitler. Die Erkenntnis, dass es nicht nur alleinig einer Person so ging, sondern einer ganzen Nation, verstärkte nochmals die Empfänglichkeit für politische irrationale Parolen (vgl. Grieswelle 1972: 57,f.). Wenn man auf die Kanzlerschaft Bismarcks zurückblickt, dann liegt der Unterschied zwischen der völkisch-nationalen Führererwartung und der monarchistischen Untertanengesinnung in der „durch die pseudo-demokratische Vorstellung einer den Führer tragenden völkischen Gefolgschaft. Der Führer sollte nicht ein vom Volk losgelöster Monarch oder Diktator, sondern eine den Volkswillen verkörpernde Figur sein.

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In dieser Vorstellung artikulierte sich zugleich das Gegenbild zur „führerlosen Demokratie“ von Weimar und ihrer antagonistischen Gesellschaft.“ (Kershaw 1980: 26,27.) Dem Führer standen Parteifunktionäre gegenüber, denen es nicht gelang eine wirkliche Führung zu übernehmen. Eine wirkliche Führung, die das Land benötigte, ließ sich nicht allein aus einem Verfassungssystem herstellen, sondern „lag außerhalb der Kalkulierbarkeit des nationalen und institutionellen gesellschaftlichen und politischen Gefüges, mußte aus „tieferen“ Gründen des Volkes herkommen; sie war Geschick, das nicht planbar war, sondern nur erwartet und ergriffen werden konnte.“ (Kershaw 1980: 27) Der zukünftige Führer sollte mit Entschiedenheit und Kühnheit regieren können. Seine Absicht sollte es sein, Deutschland aus der Misere zu holen. Innerhalb seiner Partei wurde Hitler oft als Führer betitelt, da er schließlich auch der Parteiführer gewesen war. Mit dem eigentlichen Führer, nämlich Hitler selbst, hatte dies noch nicht viel zu tun. Mit der Zeit wurde der Begriff „Führer“ aber immer populärer. Ein richtiger Hitler-Kult wurde endgültig mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Jahr 1933 entfacht (Kershaw 1980: 27,28). Von da an galt Hitler nicht mehr nur innerhalb der NSDAP und innerhalb der Regierung als Führer, sondern wurde als Führer einer nationalen Wiedergeburt Deutschlands gesehen. Die NS-Propaganda wurde gezielt eingesetzt, um die Popularität des Führers Hitler nochmals zu intensivieren (vgl. Kershaw 1980: 51). Wie geschickt Propaganda für Hitler betrieben worden war, soll das Beispiel mit dem „Tag von Potsdam“ zeigen. An diesem Tag bekamen der Reichspräsident Hindenburg und Hitler die Ehrenbürgerrechte verliehen und eine Benennung von Straßen und Plätzen nach deren Namen erfolgte. Dieses Spektakel wurde sehr geschickt eingesetzt, um das Charisma und die Autorität des Reichspräsidenten auf Hitler und das NS-Regime zu übertragen (vgl. Kershaw 1980: 52). „Die beabsichtigte Verbindung des Alten mit dem Neuen, der traditionellen Autorität Hindenburgs mit dem plebiszitären Mandat Hitlers, war offenkundig. Unzweifelhaft ist auf solche Weise ein Teil des großen Vertrauens, das Hindenburg genoß, auf Hitler übertragen worden.“ (Kershaw 1980: 52) Selbst Hitlers 44. Geburtstag wurde in aller Öffentlichkeit geschickt inszeniert, um so weitere Anhänger für das Regime zu gewinnen. Dabei wurde so ein Kult ausgelöst, dass man sich fast schämte, die NS-Ideologie noch nicht gutzuheißen. Ein Zeichen dafür, dass Hitler immer mehr an Ansehen gewann, war der Hitler Gruß, welcher früher nur innerhalb der Partei und von NS-Anhängern ausgeführt worden war. Dieser wurde letztlich zum Gruß der gesamten deutschen Nation. Mit diesem Gruß erklärte man sich mit dem NS-Regime als einverstanden. Mit dem Ausführen des Grußes zeigte sich die Einheitlichkeit zwischen

27 dem Volk und ihrem Führer. Dass dieser Führer-Kult immer intensiver wurde, zeigte sich auch durch die zahlreichen Besuche von Pilgern auf Hitlers Berghof bei Berchtesgaden. Dieser Ort wurde zu einem richtigen Wallfahrtsort. Man nahm diese Reise auf sich, um vielleicht einen kurzen Blick auf den Führer zu erlangen (vgl. Kershaw 1980: 56). Hitler ließ sich im engeren Kreise als „mein Führer“ ansprechen, jedoch „[gab] [er] sich im privaten Umgang einfach und persönlich anspruchslos, studierte aber sorgfältig – auch vor dem Spiegel – seine Posen ein und kultivierte seine öffentliche Selbstdarstellung durchaus wie ein von der „Vorsehung“ beauftragter Volksheiland.“ (Schreckenberg 2001: 273; Umstellung und Anpassung: M.S.) Hitler selbst verstand es auch sehr gut Menschen für sich zu gewinnen, indem er sein Schauspielgeschick einsetzte (vgl. Broszat 1978: 43). So lässt sich sagen, dass der Führer-Mythos um Hitler nicht nur durch die geschickte nationalsozialistische Propaganda künstlich erlangt worden war, sondern ein Konstrukt war, welches von der Gesellschaft und ihren Erwartungen und Sehnsüchten heraus entstanden war (vgl. Kershaw 1980: 16).

2.4.3 Massenkult und Rituale

Mit Hilfe von Flugblättern und Plakaten, die auf die Rahmenbedingungen hinweisen sollten, wurde auf die Massenversammlungen aufmerksam gemacht. Zu Beginn der Massenversammlungen waren Fahneneinmärsche, große Orchester und der Aufmarsch der SA vorgesehen. Dieses Aufgebot sorgte für Stimmung unter den Besuchern. Man war nicht nur als Zuhörer oder Zuschauer vor Ort, sondern konnte sich auch selbst durch das gemeinsame Singen von Liedern und die ständigen Heilrufe einbringen. In der emotional aufgeheizten Umgebung sorgte dies für eine gemeinschaftliche Stimmung. Selbst für jene, die dem NS-Regime noch misstrauisch gegenüber standen, war es schwer, sich den Emotionen vor Ort zu entziehen. Man fühlte sich als Einheit und das Selbstbewusstsein jedes einzelnen verstärkte sich dadurch immens. So war man für jegliche nationalsozialistische Propaganda bereit. Jene, die es wagten Kritik zu äußern oder irgendwie negativ aufzufallen, verwies man von der Versammlung. Bei den Verweisen sah man meist auch nicht von einer Gewaltanwendung ab (vgl. Grieswelle 1972: 35,f.). Hitlers Eindrücke zur Masse waren folgende:

„Ich habe die Masse fanatisiert, um sie zum Werkzeug meiner Politik machen zu können. Ich habe die Masse erweckt. Ich habe sie über sich selbst hinausgehoben. Ich habe ihr einen Sinn und eine Funktion gegeben. Man hat mir vorgeworfen, daß ich die niedrigen Instinkte der 28

Masse wachrufe. Was ich tue, ist etwas anderes. Wenn ich zur Masse mit vernünftigen Überlegungen komme, so versteht sie mich nicht. Aber wenn ich in ihr entsprechende Empfindungen wecke, dann folgt sie den einfachen Parolen, die ich ihr gebe. In einer Massenversammlung ist das Denken ausgeschaltet. Und weil ich diesen Zustand brauche, weil er mir den größten Wirkungsgrad meiner Reden sichert, lasse ich alle in die Versammlungen schicken, wo sie mit zur Masse werden, ob sie wollen oder nicht. ,Intellektuelle‘ und Bürger so gut wie die Arbeiter. Ich mische das Volk. Ich spreche zu ihm als Masse … Je größer die Masse ist, desto leichter lenkbar ist sie …Was Sie …dem Volk im Massenzustand sagen, in dem aufnahmewilligen Zustand fanatischer Hingabe, das bleibt wie eine in der Hypnose gegebene Parole, das ist unauslöschbar und hält gegen jede vernünftige Belehrung stand.“ (Rauschning zit. n. Grieswelle 1972: 36,f.)

Die Mitglieder liebten es nicht nur den Reden des Führers ein offenes Ohr zu schenken, sondern auch aktiv mitzuwirken (vgl. Grieswelle 1972: 37). Für Außenstehende sollten die Massenversammlungen so erscheinen, als wäre es eine Masse Gleichgesinnter die nur gekommen war, um ihren Führer sprechen zu hören. So konnte erreicht werden, dass auch Außenstehende versuchten der Bewegung anzugehören. Bei den Versammlungen selbst traf man auf eine unglaublich ansteckende Atmosphäre von Beifallsbewegungen, so dass man sich der dieser kaum entziehen konnte. Als Außenstehender fühlte man sich oft unter Beobachtung und war der Ansicht, man müsste sich dem geforderten Verhalten ebenso hingeben ohne genau zu überlegen, dass jeder einzelne der Masse sich eigentlich auch distanzieren könnte, wie er selbst. Man war einem enormen innerlichen Druck ausgesetzt sich anzupassen und dies kam dem Führer zu Gute, da er niemanden beeinflussen musste sich anzuhängen (vgl. Grieswelle 1972: 37). „So entstand der Eindruck, als sei der Redeinhalt in die allgemeine Zustimmung eingegangen und habe gleichsam normative Geltung angenommen. Die Täuschung, daß alle einer Meinung seien, ist eine durch die Massendemonstration ermöglichte propagandistische Taktik. Es überredete nicht nur den Redner, sondern mit ihm auch die akklamierende Menge.“ (Grieswelle 1972: 37) Die Versammlungen waren für alle Parteimitglieder verpflichtend gewesen. Die regelmäßigen Besuche der Versammlungen führten zu einem ganz besonderen Gefühl, denn jeder Einzelne, der sich oft noch isoliert fühlte, wurde plötzlich durch die Gruppe von Gleichgesinnten empor gehoben. Man fühlte sich zu etwas Größerem berufen. Doch nicht nur die Atmosphäre, die bei den Versammlungen vorherrschte, hatte einen psychologischen Einfluss auf jeden Einzelnen, sondern auch die Tatsache, dass man Eintrittsgeld zu bezahlen hatte. Obwohl die Zeiten finanziell nicht die besten waren, hatte

29 man dafür bezahlt und erhielt dadurch das Gefühl, dass es auch eine besondere Wertigkeit hatte, die Versammlungen zu besuchen. Eine weitere Taktik war es, die Besucher warten zu lassen, um so die Neugierde auf das, was kommen würde, nochmals zu intensivieren. Bevor der Führer vor die Masse trat, wurden noch mehrere Vorredner auf die Bühne gebeten. Nebenbei gab es Märsche und Musik, um eine spannende Atmosphäre zu schaffen (vgl. Grieswelle 1972: 38). Während der Wartezeit wurde die Stimmung unter den Besuchern noch mehr aufgeschaukelt, so dass es irgendwann zu einem Höhepunkt kam, bei diesem der Führer erscheinen sollte, um zur Masse zu sprechen. Die Versammlungen waren meist so organisiert, dass der Führer dabei immer perfekt in den Mittelpunkt gerückt wurde. Beispielsweise hatte man ein Flugzeug mit dem Führer über der Versammlung kreisen lassen, um ihn dann gebührend empfangen zu können. Die gesamte Aufmerksamkeit sollte dem Führer zukommen, um so sein Bestehen zu vereinfachen. Ein Ereignis wurde mit dem Slogan betitelt „Hitler über Deutschland“ und damit erweckte er beim Volk Assoziationen, als wäre er vom Himmel herab gekommen, um Deutschland wieder eine positive Wende zu geben (vgl. Grieswelle 1972: 39).

Merkmale der nationalsozialistischen Bewegung waren das Hakenkreuz, die Fahnen, Uniformen und ihre Standarten. Mit diesen Symbolen hatten sie einerseits ihren Parteiführer empor gehoben und andererseits wurden damit die Ziele und Ideen vermittelt (vgl. Grieswelle 1972: 40). Durch die Symbole wurden einerseits Werte vermittelt und andererseits führten sie zu Emotionen und Diskussionen. So bestand die Möglichkeit Probleme zu besprechen und zu beseitigen. Mit Hilfe der Symbole konnte eine gemeinsame Willensbildung erzielt werden. Neben der einzigartig geheimnisvollen Qualität der Symbole, konnten auch Zusammenhänge verdichtet und verdeutlicht werden (vgl. Grieswelle 1972: 40). Der Aufmarsch von Massen war sehr wichtig gewesen, um die Reden des Führers perfekt zu unterstreichen. Damit wurde auch die Stärke der eigenen Partei dargestellt. Der Einzelne erhielt einen gewissen Halt in der Gemeinschaft und auch die Absicht den politischen Gegner einzuschüchtern, wurde damit erfüllt. Ein weiterer Sinn der Versammlungen war es eine kollektive Willens-, Denk- und Stimmungsgesellschaft zu bilden. Gerade für jene, die sich aufgrund der Beschäftigungslosigkeit wertlos fühlten, bot die Gemeinschaft einen psychologischen Ausgleich (vgl. Grieswelle 1972: 40,f.). „Hitler schätzte, im Gegensatz zu jeder nationalsozialistischen, aufklärerischen Enthüllung der Uneigentlichkeit festlicher Ereignisse, zu jeder Tendenz, die Riten als Kosmetik abzutun, den Kult als essentielles Bedürfnis vieler Menschen der Weimarer Gesellschaft ein und

30 hatte mit dieser Beurteilung recht. Hitler bediente sich dieser Bedürfnisse, indem er sie in seien Feiern, die seine Bewegung als die wahre Repräsentanz des ,eigentlichen und zukünftigen‘ Deutschland darstellten, befriedigte.“ (Grieswelle 1972: 42)

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III. Frauen im Nationalsozialismus

3.1 NS-Frauenorganisationen

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden alle Bevölkerungsschichten in jeglichen Organisationen oder Verbänden erfasst. So gab es auch eine eigens gegründete Organisation für Frauen, die sich NSF (NS-Frauenschaft) nannte. Diese Organisation war neben der NSDAP, einer reinen Männerpartei, die einzige Partei für deutsche Frauen, „die als zahlenmäßig kleine Kerntruppe überzeugter Anhängerinnen des Nationalsozialismus für politische Gleichschaltung sorgte.“ (Benz 1993: 14) Jegliche Frauenthemen wurden von der NS-Frauenschaft betreut. Alle deutschen Frauen im Alter von 21 bis 30 Jahren gehörten dieser an. Sie konnte auch als Fortsetzung für den BDM (Bund Deutscher Mädel) gesehen werden. Die NSF war eng mit dem Deutschen Frauenwerk, dem Roten Kreuz, dem Reichsfachausschuss Deutscher Schwestern und Pflegerinnen und mit dem Frauenamt der Deutschen Arbeitsfront verbunden. Das Frauenamt der Deutschen Arbeitsfront war für die Betreuung erwerbstätiger Frauen zuständig (vgl. Benze 1939: 73,f.). Die Aufgaben der NS-Frauenschaft bezogen sich auf Beaufsichtigungs-, Schulungs- und Führungstätigkeiten. Eintreten konnte man in die NS-Frauenschaft nur wenn man vorher im BDM oder in anderen Organisationen tätig gewesen war. Im Jahr 1935 wurde die NS-Frauenschaft der Nationalsozialistischen Partei untergegliedert und bereits 4 Jahre später im Jahr 1939 konnte die Partei 2,3 Millionen weibliche Mitglieder vermelden (vgl. Benz 1993: 15). Die NS-Frauenschaft unterlag wiederum der Reichsfrauenführung, die als Oberhaupt Frau Gertrud Scholtz-Klink hatte. In der Reichsorganisationsleitung der NSDAP war sie wiederum dem Hauptamtsleiter Erich Hilgenfeldt untergeordnet (vgl. Benze 1939: 74).

„Das Zielbild bei der nationalsozialistischen Frauenarbeit ist die erbgesunde, gediegene, weltanschaulich gefestigte deutsche Frau und Mutter, die in Familie, Beruf und Volksleben ihre Pflichten im Blick auf das ganze Volk warmherzig erfüllen will und kann. Zu dieser Haltung und Fähigkeit die deutschen Frauen zu erziehen, ihnen in der Erfüllung der Aufgaben zu helfen und die dazu anzuhalten, ist das stete und, wie das Ergebnis zeigt, erfolgreiche Bemühen der Frauenschaft. So ist diese Tätigkeit eine pflegerische du erziehende zugleich. Da die Frau nicht nur durch die Art ihres Wirtschaftens entscheidenden Einfluß auf die Ernährung, Versorgung und Verbrauchslenkung hat, sondern vor allem auch die Gebärerin und Erzieherin der Kinder ist, dazu die Hüterin und Betreuerin aller seelischen Bezirke im Volk, so ist ihre Haltung von auschlaggebenden Gewicht dafür, welche seelische Gesamthaltung im Volke herrscht und ob

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die nahen und fernen Ziele der [Volks- und Staatsführung] erreicht werden.“ (Benze 1939: 74; Anpassung: M.S.)

Diese Ansicht sollte allerdings in keinster Weise ein schlechtes Bild auf die Frauen im Nationalsozialismus werfen (vgl. Benze 1939: 74). Man konnte von keiner Entrechtung der Frauen sprechen, nur „hat man Schluß gemacht mit der [frauenrechtlerisch-äußerlichen] Gleichsetzung von Mann und Frau.“ (Benze 1939: 74; Anpassung: M.S.) Man vertrat die Ansicht, dass sowohl dem Mann als auch der Frau eine gleichwertige Bedeutung zukam, man war jedoch auch der Meinung, dass die Geschlechter nur nach den Berufen streben sollten, die ihrer Art gemäß dem Geschlecht entsprachen (vgl. Benze 1939: 74). „So bleibt der Frau, auch wenn es ihr nicht vergönnt ist, als Ehefrau und Mutter ihre Erfüllung zu finden, eine solche Vielzahl weiblicher Berufe aller Grade offen, daß kein gesunder fraulicher Tätigkeitsdrang und Einsatzwille unbefriedigt bleibt, mag auch die politische Führung dem Manne vorbehalten sein.“ (Benze 1939: 74) Die Frauenschaftsarbeit war sehr vielseitig, dies konnte man am Aufbau der Reichsfrauenführung erkennen. Diese hatte neben den Verwaltungsstellen noch zahlreiche andere Abteilungen und Unterabteilungen. Der erste Bereich war Presse und Propaganda, dazu zählten auch der Film, Funk, Ausstellung und das Schrifttum. Der zweite Bereich war Kultur, Schulung und Erziehung. Dieser umfasste die weltanschauliche Schulung, Mädchenerziehung, Erb- und Rassenpflege und Volks- und Brauchtum. Der dritte Bereich war der Reichsmütterdienst, zu welchem die Mütterschule, die Hauswirtschaft und ebenso die Gesundheitsführung, einschließlich Säuglingspflege, Erziehung, Heimgestaltung und Volkstumsarbeit, gehörten. Der vierte Bereich war Volks- und Hauswirtschaft, dazu zählten praktische Haushaltsfragen, Ernährung und der „Kampf dem Verderb“, Kleidung, Bau, Wohnung, Ausstellung und hauswirtschaftliche Ausbildung. Der fünfte Bereich war der Hilfsdienst, zu dem das Rote Kreuz und das Hilfswerk „Mutter und Kind“ zählten. Der sechste Bereich wurde als „Ausland“ bezeichnet. Hier beschäftigte man sich mit der Auslandsbetreuung und Auslandsaufklärung, sowie auch mit der Volksdeutschen Frauenarbeit. Um diesen Aufgabengebieten nachzukommen, besaß die Frauenschaft 2 Reichschulen und 32 Bauschulen. Ebenso gehörten ihnen mehrere Heim- und Umschulungslager, sowie auch Mütterschulen, Bräuteschulen, Lehrküchen und hauswirtschaftliche Beratungsstellen an (vgl. Benze 1939: 74,f.).

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Der Frauenschaftserziehung kam in der NS-Zeit eine besondere Bedeutung zu und die besondere Wirkung, die sie auf die Bevölkerung hatte, lässt sich an diesem Beispiel gut verdeutlichen: „An den Mütterschulen arbeiten 3000 […] fachlich vorgebildete Lehrkräfte. Von Juli 1934 bis Juni 1937 fanden 54 000 Mütterschulungskurse über Haushaltsführung, Gesundheitsführung (einschließlich Säuglingspflege), Erziehung, Heimgestaltung, [Volks- und Brauchtum] statt mit weit über einer Million Teilnehmerinnen. Die Zahl der Frauen und Mädchen, die von den einzelnen Dienststellen, Walterinnen und Arbeitskreisen erzieherisch beeinflußt werden, ist unabschätzbar. Nimmt man hinzu, daß die Frauenschaft in der Deutschen Arbeitsfront […], der [NS-Volkswohlfahrt] […] und dem Roten Kreuz weitere große Wirkungsfelder pflegt und durch eine Reihe von viel gelesenen Zeitschriften – zum Beispiel […], „Die Frau am Werk“ […] – ihren Einfluß geltend macht, so kann man ermessen, welch belebender Strom von der [NS- Frauenschaft] tagein, tagaus in das deutsche Volk hineinströmt und hier die gesunden und guten Kräfte nährt zum Segen von Familie, Volk und Staat.“ (Benze 1939: 75; Auslassung und Anpassung: M.S.)

Der Sinn der Zwangsorganisation lag darin, alle Schichten der Gesellschaft politisch beeinflussen zu können, um so eine gewisse Handhabung über die Bevölkerung zu erlangen. Es war von besonderer Wichtigkeit, alle Altersgruppen und Geschlechter innerhalb der Organisationen voneinander zu trennen. Mit dieser Maßnahme sollte der Austausch innerhalb der Generationen und Geschlechter unterbunden werden und damit wurde auch eine gewisse Kontrolle und Lenkbarkeit erzielt. Frauenorganisationen, die sich nach den nationalsozialistischen Vorstellungen nicht anpassen ließen, wurden aufgelöst. Mit der Gründung der NS-Frauenschaft eröffnete sich ein breites Betätigungsfeld für die Frauen im Nationalsozialismus (vgl. Decken 1988: 70,f.).

„Hatte man vorher versucht, sie aus der Politik und der Öffentlichkeitsarbeit, wenn möglich, herauszuhalten und den ihnen verbliebenen Bereich des Haushaltes sozusagen als Nicht-Bereich ignoriert oder sogar abgewertet, bekamen sie jetzt eine wenigstens scheinbar wichtige und hochbewertete Position innerhalb der Gesellschaft, so daß es ihnen möglich wurde, sich wie der Mann, wenn auch auf Umwegen, ebenfalls mit einem politischen System zu identifizieren in dem in Wahrheit kein Platz für sie vorgesehen war.“ (Decken 1988: 71)

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So lässt sich festhalten, dass alle relevanten Themen für die Frauen letztlich doch von Männern entschieden wurden. Vor 1933 kam die gesamte Aufmerksamkeit der NSDAP der Machtergreifung zu und dabei spielte die Frauenfrage keine zentrale Rolle. Trotz der Einstellung der NSDAP gegenüber Frauen, wurde die Partei von Frauen unterstützt. Die Frauen wurden letztlich benutzt. Sie ließen der Partei ihre Unterstützung zukommen, hatten aber trotzdem keine Entscheidungsbefugnis. Hauptsächlich wurden sie zu wirtschaftlichen und krankenpflegerischen Hilfstätigkeiten eingesetzt. Diese Einsätze reichten vom Socken stopfen bis hin zur Lebensmittelversorgung von SA-Leuten. Man sprach vom Grundsatz, dass es für Frauen in der NS-Frauenschaft eine sogenannte Ehrenpflicht sein müsse, niemanden seinem Elend hilflos auszusetzen. Für diese Tätigkeiten wurden auch Nicht-Parteimitglieder der NS-Frauenschaft eingesetzt. Eine weitere Tätigkeit der Frau war es, öffentlich Propaganda zu betreiben, um so neue Mitglieder zu gewinnen und die ideologischen Ansichten des Nationalsozialismus zu verbreiten. Dass die NSDAP kaum ein ernstzunehmendes Interesse an den Frauen hatte, zeigte sich auch dadurch, dass es kein Frauenprogramm, das die Interessen der Frauen vertreten sollte, gab. Vielmehr war es ein politisch entwickeltes Programm, um Frauen für die NSDAP zwar zu gewinnen, doch in erster Linie sollten die Interessen der Partei vertreten werden (vgl. Klinksiek 1982: 20,ff.). Die Frauenorganisationen in der NS-Zeit waren darauf bedacht, Mutter und Kind zu unterstützen. Die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk leisteten besondere Unterstützung, um der Frau die Verantwortung, die sie gegenüber dem Volk hatte, aufzuzeigen und auch um bei den Frauen einen gewissen Kinderwunsch zu wecken. Nicht alleinig die Motivation von Frauen war das Ziel, sondern es ging darüber hinaus. So gründete man im Jahr 1934 den Reichsmütterdienst im Deutschen Frauenwerk. Dieser diente zur Abhaltung von Mütterschulungen. Bei diesen Schulungen achtete man speziell darauf, den zukünftigen Müttern ihre Verantwortung durch die Mutterschaft gegenüber der Volksgemeinschaft einzutrichtern. Die Haushaltsführung und die Säuglings- und Krankenpflege zählten zu den praktischen Einführungen, die man bei diesen Schulungen erhielt. Neben diesen war es aber auch wichtig, die nationalsozialistische Weltanschauung, Bevölkerungsfragen und die Pflichten der Frau zu vermitteln. Bereits im Jahr 1937 wurde das Schulungsangebot von über 20 % der über 18-jährigen weiblichen Bevölkerung besucht (vgl. Klinksiek 1982: 90).

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3.2 Ideologische Ansichten der Frauen in der NS-Zeit

Im Nationalsozialismus war dem Mann, im Gegensatz zur Frau, eine besondere Vielseitigkeit zugesprochen worden. Die Frau sollte sich meist nur auf jene Bereiche konzentrieren, die der Mutter, Hausfrau und eben der Familie zukamen. Mit dieser Reduzierung und Einfachheit der Frau schuf man ein einheitliches Frauenbild, mit welchem sich Frauen, unabhängig von Alter, Beruf, Lebenssituation und dem sozialen Status, identifizieren sollten. Das neu gewonnene und hoch gepriesene Bild der Frau in der NS-Zeit machte offensichtlich bei vielen Frauen Eindruck, zweifellos auch durch die ständigen öffentlichen Beschwörungen in Büchern und Ausstellungen. Die Regierung erhoffte sich eine gewisse Solidarität unter den Frauen zu erreichen (vgl. Benz 1993: 10,11). Mit dem Grundsatz, dass Frauen alle gleich seien und an einem Strang ziehen müssten, verbarg das Regime „daß Unterschiede zwischen Frauen produziert wurden, Unterschiede ganz grundsätzlicher und letztlich tödlicher Art: Unterschiede zwischen der Mehrheit der deutschen Frauen einerseits, die von Geburt an als wertvoll galten und deswegen öffentliche, ideelle und materielle Unterstützungen erhalten konnten, und zwischen Frauen andererseits, denen öffentlich Wert abgesprochen wurde und die deswegen vielfältig benachteiligt, beschädigt, zur Zwangsarbeit verschleppt, verfolgt und umgebracht wurden. Die Mehrheit der Frauen protestierte nicht gegen diese grundlegende Wertunterscheidung und nicht gegen die Wertzuweisung.“ (Benz 1993: 11) Bestimmte Charakterzüge, wie beispielsweise Verständnis und Hilfsbereitschaft, sollte jede Frau im Alltag der NS-Zeit ausstrahlen, um so eine ansprechende und angenehme Atmosphäre unter Frauen zu schaffen. Jene Frauen, die dazugehörten, weil sie den nationalsozialistischen Ansichten entsprachen, verloren kein Wort über jene Frauen, die nicht dazugehörten. Um Frauen nach den ideologischen Ansichten des Nationalsozialismus auszurichten, wurden zahlreiche Schulungen, wie beispielsweise die Mütterschulung, welche vom Reichsmütterdienst verkündet worden war, abgehalten. Dieser Reichsmütterdienst wurde effektvoll am Muttertag im Jahr 1934 ins Leben gerufen. So konnten Frauen im privaten Bereich erfasst werden, um sie so nach den vorgegebenen Idealvorstellungen der Frau in der NS-Zeit auszurichten (vgl. Benz 1993: 12,16,f.). Den Frauen wurde eine begrenzte Welt zugesprochen, die sich auf das Mutterdasein konzentrierte. Politisch gesehen waren Frauen, die nicht nach einem Berufsziel strebten, keineswegs ein Problem. Eher im Gegenteil, denn dem Mutterdasein kam eine besondere Unterstützung beispielsweise durch das „Hilfswerk Mutter und Kind“ zu. Jegliche Mittel

36 waren recht, um der Rolle als Hausfrau und Mutter einen besonderen Stellenwert zukommen zu lassen (vgl. Benz 1993: 28). Im Nationalsozialismus existierte kein Frauenbild, sondern ein Mutterbild, „denn nach den Vorstellungen der Ideologie war die Frau in der Hauptsache ein naturbestimmtes Wesen. Ihr adäquates Betätigungsfeld lag daher nicht primär im gesellschaftlichen Bereich. Ein Eindringen der Frau in die Welt des Mannes (als Gesellschaft gesehen) wurde somit konsequent als Fehlentwicklung verurteilt und mußte im Interesse der Frau wieder rückgängig gemacht werden: […]“ (Klinksiek 1982: 23; Auslassung: M.S.) All jene Frauen, die diese Ansicht nicht vertreten konnten oder wollten, wurden somit im Nationalsozialismus als keine richtigen Frauen wahrgenommen. Nur jene Frauen, die ihre Männer mit Kindern bereicherten und damit ihre Liebe zu ihnen auszudrückten, waren echte Frauen. Mit der Reduzierung auf jene Rolle sollte die Frau jedoch nicht als minderwertig dargestellt werden, sondern erst durch ihre Verwirklichung als Mutter, käme ihr eine gewisse Überlegenheit und Gleichberechtigung gegenüber dem Mann zu (vgl. Klinksiek 1982: 23). So kam den Frauen, obwohl sie auf die Mutterschaft reduziert wurden, noch immer eine wichtige Rolle in der Gesellschaft zu, mit der sie einen bedeutenden und wertvollen Beitrag für das Volk lieferten. Nicht jede Frau konnte die Aufgaben einer Mutter erfüllen und so sah man für diese Frauen die Lösung darin, sie nach ihren so genannten arteigenen Fähigkeiten im Berufsleben zu platzieren. Die mütterlichen Gefühle und Instinkte, die jeder Frau zugesprochen wurden, konnten in pflegerischen, sozialen und landwirtschaftlichen Bereichen ihren Ausdruck finden. Die typischen Eigenschaften von Frauen waren eng mit den ideologischen Ansichten der Mutterschaft verbunden (vgl. Klinksiek 1982: 23,24). Man vertrat die Meinung, dass „aufgrund ihrer minderen intellektuellen Fähigkeiten stehe die Frau dem Kind besonders nah, sie galt für die Kindererziehung als prädestiniert. Eine gewisse Bildungsfähigkeit wurde ihr zwar nicht abgesprochen, zu ihrem eigenen Besten wäre es aber völlig ausreichend, die Ausbildung nur soweit zu betreiben, daß sie ihren natürlichen Aufgaben als Mutter und verständnisvolle Kameradin des Mannes nachkommen könne.“ (Klinksiek 1982: 24) Dieses Bild der Frau offenbarte nicht nur die Meinung der NSDAP, sondern entfachte bei vielen Frauen auch bestimmte Wunschvorstellungen. Mit diesen unbewussten Wunschvorstellungen der Frauen fand das propagandistische Frauenbild des Nationalsozialismus großen Anklang beim weiblichen Geschlecht. Dies lässt sich durch die Situation in Deutschland in den 30er Jahren erklären. Theoretischer Ansicht nach, kam

37 den Männern und Frauen in dieser Zeit eine Gleichberechtigung zu, jedoch unterlag diese den wirtschaftlichen und sozialen Krisen der Zeit (vgl. Klinksiek 1982: 24). Die Frau hatte sich neben Familie und Haushalt auch noch auf die Arbeit zu konzentrieren. Viele Frauen fühlten sich damit psychisch wie physisch überfordert und die einst gewonnene Gleichberechtigung von Mann und Frau verlor plötzlich an Wert. Viele der betroffenen Frauen fühlten sich im Bewusstsein frei, jedoch war diese neu erlangte Freiheit nur sehr schwer in die Praxis umzusetzen. Durch diese Problematik lässt sich erklären, weshalb Frauen wenig Widerstand gegen das politische Vorgehen im Nationalsozialismus leisteten und die Frauen sich in ihre Privatheit und Innerlichkeit zurückzogen (vgl. Klinksiek 1982: 24). Die Frau musste nationalsozialistischer Ansicht nach die Bereitschaft besitzen Opfer zu bringen, auch wenn es die eigene Existenz bedeuten würde. Geschickt forderte man dies bei den Frauen ein, da sie aufgrund ihrer mütterlichen Instinkte besonders dafür geeignet waren. All jene Eigenschaften, die die Mutter aus Liebe zum Kind entwickelt, wurden politisch gezielt genützt und missbraucht. Klare Vorstellungen dieser Opfer- und Dienstbereitschaft wurden vorerst nicht definiert, erst mit Kriegsbeginn kam der oben erwähnten Bereitschaft eine Bedeutung zu und so hieß es, dass jede Frau stolz sein sollte auf den Sohn, der im Krieg kämpfte. Diese Bereitschaft sah man als notwendig an, da man Menschen brauchte, die jederzeit für das Volk einstehen würden (Klinksiek 1982: 66). „Die Frau konnte und durfte sich bei diesem Dienst, auch wenn er noch so schwere Opfer von ihr verlangte, aus zwei Gründen nicht ausschließen, erstens wäre dann auch das Opfer der Männer sinnlos, zweitens aber wäre sie an der Erfüllung ihrer Lebensaufgabe vorbeigegangen.“ (Klinksiek 1982: 66) Den nationalsozialistischen Ansichten entsprechend, sah man die deutsche Frau als Ehefrau. Folgend förderte man die Ehe auch, deren genaue Abwicklung dann im Kapitel ,3.3 Politische Maßnahmen‘ genauer besprochen wird. Hier soll es vielmehr um die Ehe als Ideal im nationalsozialistischen Alltag gehen. Die Ehe wurde als Einstieg für eine Familie gesehen, die durch staatliche Unterstützung zur Steigerung der Geburtenrate führte. Die Ehe und Familie war, wie bereits gesagt, im Nationalsozialismus von besonderer Bedeutung, da man der Meinung war, die Frau würde ihrer eigentlichen Berufung durch die Ehe und Familie nachkommen und so ihr höchstes Glück finden. Die Ehe konnte jedoch nicht nach individuellen Wunschvorstellungen geführt werden, sondern ihre Neuorganisation diente zur verpflichtenden Beitragsleistung für die Volksgemeinschaft (vgl. Klinksiek 1982: 68).

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So hieß es:

„Durch die Ehe werden … nicht bloß persönliche Beziehungen unter den unmittelbaren Beteiligten begründet, die Ehe ist vielmehr vorweg Grundlage und Keimzelle der Volksgemeinschaft. Wird die Ehe in Beziehung gesetzt zum Volksganzen, so erschöpfen sich auch ihre Wirkungen nicht in der individuellen Verbindung zweier Menschen, sondern sie gilt als tragender Pfeiler aller völkischen Kultur überhaupt.“ (Hiller zit. n. Klinksiek 1982: 68)

Mit der Ehe erhoffte man sich außerdem die Sicherung der deutschen Bevölkerung. Durch das Eheversprechen sollte die Geburtenrate und die Erziehung von Kindern als wichtige Beitragsleistung für den Staat erfüllt werden. Der Staat ließ seine Unterstützung aber nur jenen Familien zukommen, die allen Vorgaben entsprachen. Ehen, die nicht die Ideale, wie beispielsweise Kinderreichtum versprachen, wurden nicht sehr ernst genommen. Die Aufrechterhaltung solcher Ehen war staatlich gesehen auch nicht von Wichtigkeit, trotzdem standen diese Ehen unter staatlichem Schutz. Dieses Vorgehen hatte zweierlei Gründe: einerseits konnte man nicht alle Ehen, die kinderlos waren, gesellschaftlich ausschließen, andererseits wollte man auch unsittliche Geschlechtsbeziehungen verhindern (vgl. Klinksiek 1982: 68,f.). Die kinderlosen Ehen wurden unter folgender Begründung weiterhin geschützt und zwar, „daß aus einer glücklichen Ehe eine Stärkung der Kräfte resultierte, die für richtiges Wirken in der Volksgemeinschaft notwendig seien; das mache auch die kinderlose Ehe für den Staat wertvoll.“ (Klinksiek 1982: 69) Die Auflösung einer Ehe musste ebenso nach staatlichen Bedingungen erfolgen. Die Ehe stand unter gewissen Schutzbestimmungen, da man eine Scheidung verhindern wollte und die Ehepartner lieber in einer teils unglücklichen Ehe verbleiben lassen wollte (vgl. Klinksiek 1982: 69). Die staatliche Forderung war nicht an sich die Ehe, sondern im eigentlichen Sinne die daraus resultierende Familie. So war auch verständlich, weshalb anstelle der Ehefrau lieber die verheiratete Mutter im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Propaganda stand (vgl. Klinksiek 1982: 70). Im Nationalsozialismus verstand man unter der Familie folgendes: „Wenn das Kind in die Familie hineinwächst, wächst es zugleich in das Volk hinein. Die Familie, die in erster Linie Lebensgemeinschaft ist, ist nicht nur biologische, sondern zugleich seelisch-geistige Zelle des Gemeinwesens; denn sie erfaßt den Menschen ganz, sie ist eine totale Gemeinschaft und deshalb von großer erzieherischer Bedeutung.“ (Eggener zit. n. Klinksiek 1982: 82). So war es wichtig Forderungen an die Familien zu stellen, wie zum Beispiel die erzieherische Forderung nach einem gewissen Autoritätsverhältnis. Dabei war es nicht nur 39 wichtig sich einer Autorität unterzuordnen, „sondern die Unterwerfung unter einen bestimmten politischen Auftrag.“ (Klinksiek 1982: 82) Die Erziehung nach nationalsozialistischen Anordnungen war für alle Eltern verpflichtend. Wenn der Erziehungsauftrag nicht im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie erfüllt wurde, folgten Drohungen, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen, denn die Kinder würden sich selbst und auch dem Volk aufgrund geistiger Gefährdung durch falsche Erziehung schaden (vgl. Klinksiek 1982: 82,f.). Politisch gesehen stand die Wertschätzung der Familie an oberster Stelle und so erließ die Regierung zwei dienstfreie Sonntage pro Monat und zwei dienstfreie Tage pro Woche. Diese Rücksichtsmaßnahmen auf die Familien wurden allerdings nur so lange gewährt und unterstützt, so lange sie nicht eigenen Belangen im Wege standen (vgl. Klinksiek 1982: 83). Es war auch von propagandistischer Wichtigkeit die Mutter öffentlich zu preisen. Dies betrieb das Regime mit kleinen aber wirksamen Mitteln, wie beispielsweise mit dem Verweis auf den Muttertag. Mit der Stiftung des Mutterkreuzes im Jahr 1938 kam es zum Höhepunkt in der Idealisierung der deutschen Frau als Mutter (vgl. Klinksiek 1982: 84). Mit der Vergabe des Mutterkreuzes sollte ein Zeichen der Dankbarkeit gesetzt werden, um die Mutter im NS-Staat für ihren Kinderreichtum zu ehren, denn mit dem Kinderreichtum würde auch der Fortbestand der deutschen Volksgemeinschaft gesichert sein. Am Muttertag und am Ordenstag der kinderreichen Mütter wurden die Feierlichkeiten zur Ehrung der deutschen Mutter abgehalten (vgl. Benz 1993: 108,f.). Es wurde die Ansicht vertreten, dass „[…] jedes neugeborene Kind der lebendige Vertrauensbeweis zu Führer und Volk [ist].“ (Benz 1993: 109; Umstellung: M.S.) Ebenso wollte die Regierung jenen Müttern den Dank des Kinderreichtums zukommen lassen, die während und nach dem Krieg, trotz schwerster Bedingungen, Kinder zur Welt brachten. Diese Mütter wurden als sogenannte Altmütter bezeichnet (vgl. Benz 1993: 109). „Die Jugend vor allem, sie soll zur Ehrfurcht vor den Müttern des Volkes angehalten werden. So wird sich die Ehrung der kinderreichen deutschen Mutter nicht nur auf den Muttertag und auf die Ordensverleihung beschränken. Auch im öffentlichen Leben wird die kinderreiche Mutter in Zukunft den Platz einnehmen, der ihr zukommt.“ (Benz 1993: 109,f.). Für die Jugendlichen in allen Organisationen sollte eine Grußpflicht den Müttern Ehre erweisen. Den Müttern wurden zusätzliche Begünstigungen erwiesen, wie beispielsweise durch Ehrenplätze bei Veranstaltungen oder das Vortrittsrecht bei Behördenschlangen. Den Altmüttern ließ man ebenso Unterstützung hinsichtlich der Altersversorgung zukommen. So erhielten Altmütter bevorzugt Plätze in Altersheimen. Mit dem Mutterkreuz sollte nicht

40 nur Dank, sondern auch Vertrauen, dass der Führer den Müttern entgegenbrachte, ausgedrückt werden und zugleich sollte es auch Anreiz für weitere Geburten sein (vgl. Benz 1993: 110). Für viele gläubige Frauen im Nationalsozialismus war es selbstverständlich die Rolle der Mutter zu erfüllen, da die Aufgabe der Mutter den Frauen „als natürlich und von Gott vorbestimmt erklärt wurde, […].“ (Klinksiek 1982: 84; Auslassung: M.S.) „Die Betonung der Natürlichkeit leistete darüber hinaus einer Haltung Vorschub, die sich mit den Gegebenheiten abfindet, denn natürliche Vorgänge liegen weitgehend außerhalb des Einflußbereichs des Menschen und sind kaum zu verändern.“ (Klinksiek 1982: 84). Für die Mutter war es außerdem von besonderer Wichtigkeit, dass sie sich mit allen Bereichen des Lebens befasste, denn sie sollte als Mutter vorbildlich sein und so sollte sie sich nicht nur auf den Bereich des Hausfrauendaseins konzentrieren. Auch als Mutter musste man sich mit den nationalsozialistischen Idealen bezüglich der Kindererziehung auseinandersetzen, das hieß nicht die eigenen Erziehungsziele, sondern die Ziele des Nationalsozialismus für die Erziehung als Leitfaden zu nehmen. Wenn dies nicht erfüllt wurde, begaben sich Eltern und Kinder in Gefahr. Um dies zu vermeiden, äußerte das Regime auch kleine Drohungen. Bei Nichterfüllung des Erziehungsauftrages hätte man es auch in Erwägung gezogen, die Kinder gegen die eigenen Eltern auszuspielen. Mit dieser Tatsache wurde wohl deutlich, dass letztlich nicht die Mutter, sondern eigentlich nur eine Frau im nationalsozialistischen Sinne wertvoll war, die der „Funktion als kostenlose Erzieherin rassisch wertvollen, einsatzfähigen und gehorsamen ,Menschenmaterials‘ [nachkam].“ (Klinksiek 1982: 85; Einfügung: M.S.) Mit diesem Frauenbild wurde die Frau im Nationalsozialismus weit hinter die Errungenschaften der Frauenbewegung befördert (vgl. Klinksiek 1982: 86). Ein beträchtlicher Fortschritt wurde mit dem Frauenwahlrecht erreicht, das mit Hilfe der Frauenbewegung in der Weimarer Republik, erkämpft wurde (vgl. Schneider 2001: 12). Für die Frauen war letztlich in der Partei- und Staatsführung kaum Platz. Lediglich in der NS-Frauenschaft, im Deutschen Frauenwerk, der NS-Volkswohlfahrt und in der Deutschen Arbeitsfront waren Tätigkeitsbereiche den Frauen zugeordnet. In diesen Bereichen konnten sie zwar oberflächlich mitwirken, sie wurden jedoch von männlicher Dominanz hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis überragt (vgl. Schneider 2001: 25). Der Idealzustand der deutschen Frau war es unter der Herrschaft des Mannes zu stehen und die traditionelle Rolle „die von der Frauenbewegung vor 1933 nicht total beseitigt werden konnte [aufrechtzuerhalten].“ (Klinksiek 1982: 86; Einfügung: M.S.) So kam dem Mann die Erhalter- und Schutzfunktion der Familie wieder zu. Diese Tatsache war besonders in

41 einem totalen System, wie es im Nationalsozialismus der Fall war, wichtig, da ein Verlust seiner Bedeutung in Wirtschaft und Politik durch die Autorität innerhalb der Familie ausgeglichen werden konnte. Auch die Frau hatte in gewissen Positionen Verluste zu verzeichnen, die es galt zu entschädigen (vgl. Klinksiek 1982: 86). Dieser Entschädigung wurde nachgegangen, indem die Frau als Mutter ideologisch überhöht dargestellt wurde und dies „in keinem Zusammenhang stand zu ihrer Funktion, die der Staat ihr noch zugestand und die letztlich nur noch darin bestand, Kinder zur Welt zu bringen.“ (Klinksiek 1982: 86)

3.3 Politische Maßnahmen

Laut der NSDAP sollten Frauen schon vor 1933 auf die Hausfrauen- und Mutterrolle begrenzt werden. Die Rolle der Frau im Nationalsozialismus vom Jahr 1933 bis zum Jahr 1936 beschränkte sich größten Teils darauf, dem Mann eine Begleiterin und eine sogenannte Blutsbewahrerin zu sein. Ausschlaggebend dafür waren unter anderem die Wirtschaftskrise und zahlreiche Stimmen, die sich gegen die politische und wirtschaftliche Emanzipation der Frauen äußerten. Zuerst wurden Beamtinnen entlassen, die keine Garantie dafür hatten, jederzeit für den nationalen Staat einzutreten. Des Weiteren waren aber auch Doppelverdiener von diesen Entlassungen betroffen. In vielen Bereichen wurden männliche Bewerber von nun an vorgezogen. Die Gebiete der Mädchenbildung und der Jugendarbeit waren Bereiche, in denen Frauen aber notwendig waren. Die Vertreibung von Frauen aus Industrie und Handel waren eher mäßig, jedoch übte man einen gewissen Druck auf die Frauen in diesen Bereichen aus. Druck wurde beispielsweise durch Propaganda gegen verheiratete Frauen als Doppelverdiener ausgeübt (vgl. Klinksiek 1982: 100,f.). Aus wirtschaftlichen und ideologischen Gründen wurde vorerst auf die Vertreibung von Frauen aus dem Berufsleben verzichtet, doch mit diesem Vorgehen waren auch Probleme verbunden. Die Frau würde als einzige Ernährerin der Familie dem Staat aufgrund finanzieller Unterstützung zur Last fallen. Zu Bedenken war auch, dass nicht jede Frau die Mutter- und Hausfrauenrolle ideal erfüllen würde (vgl. Klinksiek 1982: 101). Eine weitere Problematik war, dass es durch die Ersetzung der Frauenarbeit durch Männerarbeit zu erhöhten Lohnzahlungen für Arbeitgeber kam. So war ein genereller Austausch von Frauen durch Männer nicht wirklich wünschenswert. Es mussten jedoch Maßnahmen getroffen werden, um den Arbeitsmarkt zu entlasten. Die erste förderliche Maßnahme zur Entlastung des Arbeitsmarktes wurde mit der Einstellung von

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Haushaltsgehilfinnen gesetzt. Wenn diese dann im Haushalt des Arbeitgebers lebten, dann kam dem Arbeitgeber eine Begünstigung der Einkommenssteuer durch eine Kinderermäßigung zugute. Zusätzlich wurde mit der Ausübung als Hausangestellte die zu zahlende Arbeitslosenversicherung nicht mehr verpflichtend. Durch diese Umrüstungsmaßnahmen verließen tausende Frauen ihre Arbeitsplätze in der Industrie. Mit der Gesetzesverabschiedung vom 1.6.1933, die zur Förderung von Eheschließungen bedacht war, kam es zur bedeutendsten Maßnahme gegen die gewerbliche Erwerbstätigkeit von Frauen (vgl. Klinksiek 1982: 101,f.). Mit dieser Gesetzesverabschiedung versprach die Regierung den zukünftigen Ehepaaren ein Darlehen in der Höhe von 1000 RM. Diese Ehestandsförderung erhielt das Ehepaar, „wenn die zukünftige Ehefrau zwischen dem 1.6.1931 und dem 31.5.1933 mindestens 6 Monate lang Arbeitnehmerin gewesen war und sich verpflichtete, ihre Tätigkeit aufzugeben und nicht eher wieder aufzunehmen, […]“ bis das geförderte Darlehen getilgt war und der Ehemann nicht mehr als 125 RM im Monat verdiente. (Klinksiek 1982: 102; Auslassung: M.S.) Die Eheleute erhielten das besagte Darlehen jedoch nicht in bar, sondern in Bedarfsdeckungsscheinen. Einerseits dienten sie zur Haushaltsbeschaffung und andererseits zur Konjunkturanhebung. Des Weiteren sah die Herrschaft es vor, Ehestandsdarlehen nicht zu gewähren, wenn einer der beiden Ehepartner nicht jederzeit für den nationalen Staat einstehen würde. Einen 25%igen Erlass bezüglich der Rückzahlung des Darlehens erhielt man für die Geburt eines lebendgeborenen Kindes. Nach der Geburt konnte ein 12-monatiger Rückzahlungsstopp angesucht werden (vgl. Klinksiek 1982: 102). Um ein Ehestandsdarlehen auch bewilligt zu bekommen, musste das Paar arischer Abstammung sein und ein amtsärztliches Eheeignungszeugnis vorweisen können. Das Eheeignungszeugnis bestand aus einer „Überprüfung der Vorgeschichte beider Ehekandidaten anhand vorhandener Akten und ggf. Ermittlungen durch die Fürsorgerin, eine aufwendige ärztliche Untersuchung von Körper und Verstand sowie die Klärung der Frage der „Erbgesundheit“.“ (Czarnowski 1997: 79) Die Angst, dass nicht nur das Darlehen verweigert werden könnte, sondern auch eine Zwangssterilisation aufgrund etwaiger Erbkrankheiten erfolgen könnte, löste vorerst den Ansturm auf ein Ehestandsdarlehen auf. Im Jahr 1935 wurde dann ein Eheverbot für untaugliche Ehen nach nationalsozialistischer Ansicht nach verhängt. Letztlich ging es sogar so weit, dass die Auswirkungen von schlechten Ergebnissen, die letztlich zur Verweigerung des Darlehens führten, auf Kinder und Verwandte übertragen werden konnten. Vor dem Jahr 1935 war das Ansuchen auf ein Darlehen nicht verpflichtend (vgl. Czarnowski 1997: 80).

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Als im Jahr 1935 die Nürnberger Gesetze verabschiedet wurden und „das sog. Blutschutzgesetz und das Reichsbürgergesetz, ergänzt durch das Ehegesundheitsgesetz, [in Kraft traten,] war in Deutschland bis Kriegsende die Freiheit der Eheschließung aufgehoben.“ (Czarnowski 1997: 80; Einfügung: M.S.) Durch das Reichsbürgergesetz erfolgte eine genaue Bezeichnung, „wer als „Jude“ galt.“ (Czarnowski 1997: 80) Ebenso folgten Bezeichnungen für jene, die deutschen oder artverwandten Blutes waren. Mit der Verabschiedung des Blutschutzgesetzes wurden Eheschließungen nur Bürgern rein arischen Blutes erlaubt. Eheschließungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen, sowie „Mischlingen“, „Zigeunern“ oder „Negern“ waren strengstens untersagt. Neben den erwähnten rechtswidrigen Eheschließungen waren auch sexuelle Beziehungen zwischen arischen Bürgern und Juden verboten. Bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschreibungen machte man sich der Rassenschande schuldig und wurde nach verbüßter Haftstrafe im Gefängnis als „politischer Straftäter“ in ein Konzentrationslager befördert (vgl. Czarnowski 1997: 80,f.). „Der „besondere Schutz“ der Ehe bedeutete also weder die Achtung der privaten Sphäre, noch eine Art repressiven Ehe- oder Familienzwangs, sondern beinhaltete im Gegenteil die Funktionalisierung der Ehe für die Ziele des Staates – und damit ihre tendenzielle Auflösung als „eigenständige“ soziale Institution.“ (Czarnowski 1997: 92) Zur völligen Gesundheit eines Paares zählte auch die Tatsache, dass es jederzeit in der Lage sein müsste, sich fortzupflanzen. Durch die Förderungen, die einerseits materiellen Anreiz zur Zeugung von Kindern gaben, kam es andererseits aber auch zu einer gewissen Schwierigkeit, da dies dem ideologischen Ansatz des Mutter-Seins im Nationalsozialismus widersprach, der davon ausging, dass Frauen aus freiem Wille heraus Kinder bekommen sollten (vgl. Klinksiek 1982: 87). Steuerliche Begünstigungen für die Bevölkerung setzte man im Nationalsozialismus geschickt ein, um wiederrum die Geburtenrate anzukurbeln. So waren ab dem ersten Kind bis zu 15 % des Einkommens steuerfrei. Das vierte Kind brachte eine steuerliche Befreiung der Einkommenssteuer von 75 % und bereits bei sechs Kindern war man von der zu zahlenden Einkommenssteuer komplett befreit. Familien aus unteren Einkommensschichten wollte das national- sozialistische System auch begünstigen und so kam die Bürgersteuer den Familien entgegen. Im Hinblick auf die Erbschaftsteuer gab es Begünstigungen für erbberechtigte Kinder und Enkel aus gerader Linie, indem die Freibeträge für Erbberechtigte erhöht wurden. Auch bei der Vermögenssteuer erhielten kinderreiche Familie hinsichtlich der Freibeträge Begünstigungen. Diese gesamten steuerlichen Maßnahmen dienten zur Absicherung der rasse- und erbbiologischen Ansichten der deutschen Bevölkerung. So

44 kamen beispielsweise kinderreichen Judenfamilien keine Begünstigungen oder Förderungen zu (vgl. Klinksiek 1982: 88). Jene Privatbetriebe, die mit freiwilligen Spenden das Gesetz unterstützten, erhielten zusätzliche Steuerbegünstigungen (vgl. Klinksiek 1982: 102). Für das nationalsozialistische Regime ließ sich bereits im Jahr 1934 ein Erfolg des Gesetzes verzeichnen - bis dahin waren insgesamt 183.000 Darlehen gewährt - und - 183.000 Arbeitsplätze für Männer geschaffen worden. Dies bedeutete für den Arbeitsmarkt eine Arbeitslosenentlastung von 300.000 bis 350.000 Personen (vgl. Klinksiek 1982: 102). Im weiteren Verlauf entwickelte sich die Bewilligung auf ein Ehestandsdarlehen eher negativ, da die Beträge dafür erheblich abnahmen. Etliche Ansuchen mussten auf längere Zeit hinausgezögert werden. Bereits im Jahr 1936 wurde der Wunsch auf die Reduzierung der Frau auf das Hausfrauen und Mutterdasein aufgegeben, da es zu einer zunehmenden Erschöpfung der Arbeitskraftreserven gekommen war. Folglich musste das System nun die zukünftigen politischen Ziele der gegebenen wirtschaftlichen Situation anpassen. Die Maßnahme Frauen für den Arbeitsprozess wiedereinzusetzen war auch langfristig von großer Bedeutung, da Frauen zukünftig in Krisenzeiten in den Fabriken eingesetzt werden sollten und so mussten rechtzeitig die Vorbereitungen dafür getroffen werden. Die Frau wurde in bestimmten Bereichen als hervorragende Facharbeiterin gesehen. Die einst getroffene Entscheidung, Frauen aus der Arbeitswelt zu vertreiben, musste sich ebenso den militärischen Notwendigkeiten anpassen. Zuvor wurde mit Hilfe des parteiamtlichen Frauenblattes noch auf die Gefahren hingewiesen, in welchen sich berufstätige Frauen befänden, und nun wurden genau diese Berufssparten ausgewählt, um zu zeigen wie sehr Frauen sich darin verwirklichen könnten. Künftig hatte man das Ehestandsdarlehen nur gewährt, wenn die Frau sich dazu verpflichtete nicht eher wieder arbeiten zu gehen, als dass das Darlehen getilgt ist und nun wurden bereits Ausnahmen gemacht. Im Jahr 1937 entschloss man sich schließlich zur Frauenarbeit trotz nicht getilgtem Ehestandsdarlehens. Lediglich der Tilgungsbetrag erhöhte sich von 1 auf 3 % (vgl. Klinksiek 1982: 103,f.). Auch die Frauen waren von den politischen Maßnahmen des Vierjahresplans betroffen, bei dem sich das Problem eindeutig durch den Einsatz von Frauen, die zur Auffüllung des männlichen Arbeitsmarktes dienen sollten, verbesserte (vgl. Klinksiek 1982: 104). Der Frau kam jedoch weiterhin die Rolle der Mutter und Hausfrau zu, doch in Anbetracht der Tatsache, dass dringend Arbeitskräfte gebraucht wurden, konnte auf die Rückgewinnung der Frauen in die Arbeitswelt nicht verzichtet werden. Auch die Gegebenheit, dass mit dieser Maßnahme die Hausfrauen- und Mutterrolle zu kurz käme,

45 beeinflusste die Entscheidung nicht. Mit diesem Vorgehen wurden einst herrschende Meinungen über die nationalsozialistische Frau aufgelöst. Frauen nahmen wieder am Berufsleben teil und erfuhren dadurch Anerkennung und Wertschätzung. Durch den Einsatz von Frauen in der Wirtschaft vollzog sich langsam eine Verbesserung, doch erst im Jahr 1941 konnte die Zahl der vom Jahr 1928 verzeichneten erwerbstätigen Frauen überschritten werden (vgl. Klinksiek 1982: 104,f.). Des Weiteren war es das Ziel, „Frauen in bestimmte Berufe und Industriezweige zu lenken, die rüstungspolitisch wichtig waren. Teil der Berufslenkung war das Pflichtjahr für Frauen, das nur beim Eintritt in bestimmte Berufe abgeleistet werden mußte.“ (Klinksiek 1982: 105) Letztlich ließ sich eine gewisse Zunahme von Arbeitnehmerinnen verzeichnen, doch der erhoffte Erfolg alle Frauen wieder für die Erwerbsarbeit zu gewinnen, blieb aus. Viele der Frauen kehrten nach ihrer Heirat nicht mehr in die Arbeitswelt zurück, da sie sich mit der Hausfrauen- und Mutterrolle sehr gut identifizieren konnten; auch sahen sie mit dem Verzicht auf die Berufstätigkeit eine Möglichkeit der monotonen Arbeitswelt zu entfliehen. Die finanzielle Lage der Familie verbesserte sich und war so ausschlaggebend für das weibliche Desinteresse an der Berufstätigkeit, da sie auf keinen eigenen Verdienst mehr angewiesen waren. Durch die Verteilung der Kinderbeihilfen verbesserte sich selbst bei den Arbeiterfamilien, die meist kinderreiche Familien hatten, die finanzielle Situation (vgl. Klinksiek 1982: 105). Weitere Gründe, weshalb Frauen nicht wieder in das Berufsleben einsteigen wollten, waren mit den geringen Löhnen und Gehältern für Frauenarbeit verbunden. Obwohl Frauen in der Wirtschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen hatten, blieben die Löhne und Gehälter, im Vergleich zu den Löhnen und Gehältern von Männern, für die gleiche Arbeit gering. Selbst in Kriegszeiten, wo die Frauenarbeit noch mehr an Bedeutung zunahm, änderte sich an den geringen Lohn- und Gehaltszahlungen nichts (vgl. Klinksiek 1982: 105,f.). Dies wurde durch einen Erlass des Reichsarbeitsministers bestimmt, in welchem es hieß, „[b]ei notwendiger Ergänzung der Lohnsätze durch spezielle Frauentarife war davon auszugehen, daß Frauen höchstens 75 % des Männerlohnes erhielten. Gerechtfertigt wurde diese Lohnstaffelung mit soziologischen Gegebenheiten, deren Aufhebung auch die Aufhebung der gesellschaftlichen Ordnung implizieren würde und die deshalb aufs schärfste abzulehnen sei. Darüber hinaus sollte den Frauen eingeredet werden, die hauswirtschaftliche Aufklärung durch staatliche Stellen käme einer indirekten Lohnerhöhung gleich.“ (Klinksiek 1982: 106; Anpassung: M.S.). Trotz allen bereits verordneten Maßnahmen gab es weiterhin einen Mangel an Arbeitskräften und dieser forderte einen Aufruf zur Einbeziehung von Ehefrauen in das Berufsleben. Diese

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Einbeziehung sollte aber nur von kurzer Dauer sein, um die ideologischen nationalsozialistischen Ansichten der Frauen weiterhin aufrechtzuerhalten, denn mit der Zurückdrängung der Frauen in die Familie sollten die Ziele, die die Gesunderhaltung des deutschen Volkes und die Verbesserung der Lebensqualität betrafen, erreicht werden. Der Schutz für die werktätige Frau, welcher vom DAF-Frauenamt und der sozialen Betriebsarbeiterin gestaltet wurde, gehörte zu diesen ideologischen Vorstellungen. Bezüglich der Schutzmaßnahmen kam der Arbeitsverordnung, welche am 30.4.1938 festgelegt wurde, und den Richtlinien, welche den Mutterschutz betrafen, eine besondere Bedeutung zu. Selbst bei Ausnahmen, die vom Reichsarbeitsminister erlassen werden konnten, durfte die Arbeitszeit nicht mehr als 10 Stunden betragen. Der Mutterschutz sah es vor, dass Schwangere innerhalb der Schutzzeit nicht arbeiten durften (vgl. Klinksiek 1982: 106). Bei der Festlegung des Mutterschutzes achtete man darauf, dass den werdenden Müttern keine harte körperliche Arbeit mehr auferlegt wird. Ebenso sollte die werdende Mutter keinen schädlichen Gasen oder Dämpfen ausgesetzt sein. Des Weiteren galt die Akkordarbeit, sowie die Arbeit am Fließband, als unzumutbar. Für stillende Mütter oder jene, die Frühgeburten hatten, wurden die Fristen des Mutterschutzes jeweils verlängert. Neben dem Verbot der harten Arbeit für werdende Mütter gab es auch drastische Stundenkürzungen. So wurden den Müttern Stillzeiten gewährt, ohne dabei Lohnkürzungen vorzunehmen. Dazu kamen zusätzliche Stillgelder und es wurden Liege- und Stillräume in den Betrieben einrichtet. Um eine weitere Arbeitserleichterung für Mütter zu erreichen, wurden neben den bereits vorhandenen Kindertagesstätten der NS- Volkswohlfahrt und der Gemeinden noch weitere zahlreiche Kindergärten, Krippen und Horte eingerichtet. Diese waren dann betriebseigene Einrichtungen (vgl. Schneider 2001: 111,f.). In dieser Zeit erhielten Frauen einen Betrag, der sich aus der Differenz zwischen dem Wochengeld und dem Wochenverdienst ergab. Die Maßnahme zum Schutz der schwangeren Frau musste getroffen werden, um „die Schwangere die im Berufsleben stand, stärker zu schützen, wollte man auf die Kinder nicht verzichten.“ (Klinksiek 1982: 106,f.) In Kriegszeiten, in denen Frauen als Männerersatz in Verwaltungs- und Wirtschaftsbereichen benötigt wurden, wollte das nationalsozialistische System aber trotzdem auf die eigentliche Rolle, die der Frau zukam, nicht verzichten und so musste dort, wo eine Bedrohung des Ideals stattfand, die Frauenarbeit ihren Abbruch finden (vgl. Klinksiek 1982: 107). Selbst die Leistungseinschätzung von Frauen im National- sozialismus entsprach einer gewissen Ideologie (vgl. Klinksiek 1982: 107). Das bedeutete,

47 dass „Frauen möglichst nicht mit Aufgaben betraut werden, die ˏtypisch männlicheˊ Eigenschaften erforderten, wie Geistesgegenwart, Entschlußkraft, schnelles Handeln und besonderes technisches Verständnis.“ (Klinksiek 1982: 107) Die Aufstiegschancen für Frauen im Berufsalltag waren eher mäßig. Die Reichsfrauenführerin, Frau Scholtz-Klink, sah sich aufgrund dessen dazu veranlasst ein Anliegen über die Nicht-Förderung von leistungswilligen und qualifizierten Frauen im Berufsleben einzubringen. Doch eine Klärung dieser Nicht-Förderung von Frauen sah der NS-Staat nicht als notwendig an, da mit dem nationalsozialistischen Frauenbild, dass Frauen nicht in höheren Positionen sah, bereits eine Legitimation für das politische Vorgehen gegen Frauen in der NS-Zeit gefunden hatte. Von diesen Maßnahmen am meisten betroffen waren Akademikerinnen, da ihre bessere berufliche Qualifikation gegenüber den Männern gefürchtet wurde. Die Entlassung von Beamtinnen tat die Regierung jedoch mit den ideologischen Ansichten der NS-Zeit ab. An Schulen gab es ab dem Jahr 1933 kaum noch weibliche Direktorinnen und in der Schulverwaltung wurden Frauen überhaupt ersetzt (vgl. Klinksiek 1982: 107). Auch Ärztinnen waren erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Im Jahr 1936 wurde für Juristinnen ein absolutes Berufsverbot ausgesprochen. Ausnahmen hatte es in einzelnen Ministerien gegeben, in denen Frauen eine höhere Position hatten. Jedoch muss man dazu sagen, dass es sich bei diesen Frauen um sehr qualifizierte Frauen handelte, die in ihren Positionen kaum durch Männer zu ersetzen waren. Zudem handelte es sich aber auch um Positionen, deren Tätigkeiten kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Daraus lässt sich schließen, dass die Frauen im Nationalsozialismus, die politischen Maßnahmen betreffend, kaum als eigenständige Personen der Gesellschaft wahrgenommen wurden (vgl. Klinksiek 1982: 108). „Die Frau war lediglich Mittel zu einem bestimmten, veränderbaren Zweck.“ (Klinksiek 1982: 108)

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IV. Mädchen im Nationalsozialismus

4.1 Nationalsozialistische Erziehung

Das Ziel der nationalsozialistischen Erziehung war folgendes: „Die nationalsozialistische Erziehung will das junge Geschlecht fähig machen, das Leben des deutschen Volkes, seinen Staat und seine Kultur und in diesem Rahmen sich selbst als Volksglied zu erhalten und zu steigern. Dazu ist es nötig, die Gesundheit jedes Einzelnen in Sinne der natürlichen Erb- und Rassenpflege zu fördern. Diese Gesundheitspflege erstreckt sich nicht nur auf den Körper, sondern nicht minder auf den Charakter und den Verstand. Das naturgegebene heilige Gleichgewicht von Körper, Seele und Geist, soll durch die Erziehung in gleichmäßiger Förderung wiederhergestellt, erhalten und gefestigt werden, so daß jeder deutsche Junge und jedes deutsche Mädchen dem Ideal zustrebt, ein reines Herz und einen festen Willen mit klarem, lebensnahem Verstand in einem gesunden und rassisch wohlgebildeten Körper zu hegen.“ (Benze 1939: 4)

Die durch die nationalsozialistische Erziehung erworbenen Eigenschaften sollten nur zum Dienste der Volksgemeinschaft eingesetzt werden. In der NS-Zeit war nicht der Eigensinn, sondern der Gemeinschaftssinn wertvoll (vgl. Benze 1939: 4). Somit war auch der Einheitsgedanke der Volksgemeinschaft folgend definiert: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz.“ (Benze 1939: 4) An erster Stelle stand somit das Gemeinschaftsgefühl, das durch Erziehung erreicht werden sollte. Das deutsche Volk sollte das Gefühl haben, eine Gemeinschaft zu sein, die durch ein gemeinsames Schicksal zusammen gefunden hat. Außerdem sollte die nationalsozialistische Erziehung vermitteln, „daß jeder einzelne als Volksglied mitverantwortlich ist für das Wohl und Wehe des Ganzen und daher mit aller Kraft seinem Volke zu dienen hat. Dieses Gemeinschaftsgefühl, das den Willen auslöst, für die Freiheit und die Ehre des eigenen Volkes alle Kraft, ja Leib und Leben einzusetzen, führt auch zur Achtung und Schonung der Sonderart anderer Völker, sofern diese auch dem Deutschtum gegenüber die gleiche Haltung wahren.“ (Benze 1939: 4) So ließen sich im Nationalsozialismus zwei grundlegende Erziehungsideale definieren, die ineinander übergingen: „1. die Erziehung zum rassisch gesunden und tüchtigen Einzelmenschen, 2. die Erziehung zum einsatzbereiten Gemeinschaftsglied.“ (Benze 1939: 4) Bei der Erziehung zum wertvollen Einzelmenschen ging es neben „einer rassisch allseitig gesunden, deutschbewußten Persönlichkeit“, auch darum, Körper, Seele und Geist miteinander, und nicht getrennt voneinander, in Einklang zu bringen. (Benze 1939: 5) Es

49 war wichtig, alle drei Bereiche so zu fördern, dass sie miteinander harmonieren. Der Nationalsozialismus und seine Erziehung setzten sich zum Ziel, den Körper nicht zu vernachlässigen, da er von besonderer Bedeutung war. Die nationalsozialistische Ideologie vertrat die Ansicht, dass nur ein rassisch wohlgebildeter Körper in der Lage sein konnte den Fortbestand der deutschen Bevölkerung zu sichern und so auch wichtige Leistungen für die Volksgemeinschaft vollbringen konnte. So stand die Leibeserziehung im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Erziehung, welche in und außerhalb der Schule stattfinden sollte. Ebenso unterstützte das eingeführte Unterrichtsfach der Erb- und Rassenpflege die Idee der körperlichen Erziehung zum gesunden und rassisch- deutschbewussten Einzelmenschen (vgl. Benze 1939: 5). So wurde besonderer Wert darauf gelegt mit Sport, Wandern und Turnen, sowie mit diversen Landaufenthalten, „die körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit nicht nur zu erhalten, sondern auch wesentlich zu steigern.“ (Benze 1939: 5) Unter der seelisch-charakterlichen Erziehung verstand man nationalsozialistischer Ansicht nach folgendes: „die Jugend zur Willensstärke und Entschlußfreudigkeit zu erziehen und ihr die hohen Charakterwerte zu stärken, die wir an den Besten der deutschen Männer und Frauen in Vergangenheit und Gegenwart bewundern: Wahrhaftigkeit und Treue, Freiheitsdrang und Ehrliebe, Mannesmut und Frauenwürde […].“ (Benze 1939: 6; Auslassung: M.S.) Als letzter, aber wichtiger, Bestandteil einer wertvollen und brauchbaren Erziehung wurde die geistige Erziehung gesehen. So stützte sich das System darauf, dass den Deutschen schon lange vor dem Nationalsozialismus eine besondere geistige Schulung zugesprochen wurde. Der Nationalsozialismus hatte sich zur Aufgabe gemacht, diese zu wahren und aufrechtzuerhalten (vgl. Benze 1939: 6). In gewisse Bereiche Zeit zu investieren, die den Einzelnen zwar interessierten, für die Gemeinschaft jedoch nicht brauchbar waren, wurden als Vergeudung angesehen und so war man folgender Ansicht: „An erster Stelle steht daher schon in der Erziehung das, was das Leben und die Kultur des deutschen Volkes heben kann. Dazu gehören natürlich auch die Kulturleistungen fremder Völker, besonders der uns artverwandten oder sonst mit uns verbundenen. Aber vorangesetzt werden überall die deutschen Stoffe der Vergangenheit und Gegenwart. Die Stoffauslese erfolgt daher nach volksbiologischen Grundsätzen, wie denn überhaupt die Biologie zum Kerngebiet aller Schulung geworden ist und auf den Lehren der [Erb- und Rassenkunde] die gesamte Erziehung aufgebaut ist.“ (Benze 1939: 7; Anpassung: M.S.)

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Letztlich stand nicht nur die Erziehung zum wertvollen Einzelmenschen, sondern auch die Erziehung zum einsatzbereiten Gemeinschaftsglied im Mittelpunkt des national- sozialistischen Erziehungsideals. Die Person musste zuerst als Einzelmensch funktionieren, um überhaupt für die Gemeinschaft brauchbar zu sein. So waren beide Erziehungsideale voneinander abhängig. Im nationalsozialistischen Glauben war eine bloße Vermittlung des Gemeinschaftssinns nicht genug, um wirklich für die Gemeinschaft einzustehen. Die nationalsozialistische Ideologie ging davon aus, dass der Gemeinschaftssinn lediglich erreicht werden kann, wenn er anlagebedingt bereits in einem vorhanden ist und dieser dann durch ein bestimmtes Erlebnis wachsen kann (vgl. Benze 1939: 7). So wurde davon ausgegangen, dass „[w]as blutsmäßig zusammengehört, ist von der Natur zur Gemeinschaft geschaffen. Diese angeborene Anlage findet ihren unmittelbarsten Ausdruck im Familienleben, und das Dritte Reich fordert daher Familie und Familiensinn als festeste Vorstufen völkischer Gemeinschaftsgesinnung.“ (Benze 1939: 7; Anpassung: M.S.) Der Gemeinschaftssinn bestand aus Kameradschaft, die sich durch Kriegserlebnisse im Ersten Weltkrieg und in der Kampfzeit im Dritten Reich, verstärkte. Erst mit der nationalsozialistischen Erziehungsform konnte die Kameradschaft wieder ganzheitlich gefördert werden (vgl. Benze 1939: 8).

4.2 Schulische Erziehung

Die schulische Erziehung sollte ebenso die grundsätzlichen Erziehungsideale des Nationalsozialismus fördern. So war es auch von besonderer Wichtigkeit den Gemeinschaftssinn in Schulen zu fördern. Dies wurde dadurch erreicht, dass gemeinsame Feiern abgehalten wurden und direkt im Schulgebäude, gemeinsam Sport betrieben wurde. Die Kameradschaft stand auch zwischen den Erziehern und der Schülerschaft an oberster Stelle. Es wurde besonderer Wert auf die Errichtung von Schülerheimen gelegt, „damit die Schule ihre erzieherische Einwirkung auf die Jugend nicht nur auf wenige Unterrichtsstunden zu beschränken braucht, sondern sie in dauernder Erziehungsgemeinschaft zusammenhält und zu bilden vermag.“ (Benze 1939: 8) Diese Schülerheime waren meist an den höheren Schulen den sogenannten Aufbauschulen, angeschlossen. Die Funktion einst reiner Wohn- und Versorgungsstätten wurde somit aufgelöst. Damit ergab sich die Möglichkeit Erziehungsarbeit zu leisten, „in der nach nationalsozialistischen Grundsätzen und in gewissenhafter Auslese die deutsche Jugend zu gesunden und leistungsfähigen deutschen Einzelmenschen und einordnungswilligen

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Gemeinschaftsgliedern geformt wird.“ (Benze 1939: 8) Den Zugang zu höheren Schulen wollte der NS-Staat aber nur bestimmten Schülern und Schülerinnen gewähren und so erfolgte ein Ausleseverfahren nach körperlichen, charakterlichen, geistigen und völkischen Eigenschaften. Dies wurde durchgeführt um den Begabten eine ihnen würdige Förderung zu ermöglichen (vgl. Benze 1939: 9). Die körperliche Auslese diente zur Überprüfung erbkranker SchülerInnen, denen somit der Eintritt in eine höhere Schule verwehrt blieb. Die Körperpflege war ein wichtiger Akt, die bei Nichterfüllung zum Schulverweis führte. Ein Versagen in Leibesübungen trug ebenso zum Schulverweis bei. In besonderem Maße zählte hier ein gewisser Willensmangel an körperlicher Härte und Einsatzbereitschaft (vgl. Benze 1939: 9). Der zweite Punkt des Ausleseverfahrens betraf die charakterlichen Eigenschaften. Hierzu zählten Sitte und Anstand, die durch falsches Verhalten zerstört wurden und somit zum Schulverweis führten. Wie bereits zuvor erwähnt, zählten auch Kameradschafts- und Gemeinschaftssinn zu den erwünschten Erziehungsidealen im Nationalsozialismus und so war ein Verstoß gegen diese Ideale ein schweres Vergehen und führte ebenso zum Schulverweis. Neben Kameradschaft und Gemeinschaft waren auch Ehrlichkeit, Ordnung und Zucht von Bedeutung. Wenn gegen diese verstoßen wurde, kam es zum Schulverweis. Mit dem Verstoß dieser wurde ein geringer Wille an Einfügungs- und Ordnungssinn verbunden. Des Weiteren zählte auch die geistige Auslese dazu, die nach der Denkfähigkeit, der geistigen Reife und ihrer zugrundeliegender Kenntnisse ermessen wurde. Der letzte Bereich im Ausleseverfahren erfolgte nach völkischen Eigenschaften. Darin wurde festgelegt, dass man arischen SchülerInnen in jeglichen Situationen den Vortritt gewährte (vgl. Benze 1939: 9,f.).

Im Jahr 1938 wurde mit dem Reichsschulpflichtgesetz die allgemeine Schulpflicht, die eine achtjährige Volksschulpflicht und eine dreijährige Berufsschulpflicht festlegte, eingeführt. Mit der Gesetzesverabschiedung erreichte der NS-Staat ein einheitliches Schulsystem, das für das gesamte Reich galt. Die Schulpflicht galt auch für Berufs- und Sonderschulen (vgl. Benze 1939: 16). Die Erziehung in den Schulen sollte die Sinnhaftigkeit der Volksgemeinschaft vermitteln. Der gesamte Unterricht musste von nun an nach der völkischen Weltanschauung ausgerichtet werden. Die ersten Änderungen wurden erst im Jahr 1938 verwirklicht. Im selben Jahr wurde, wie bereits erwähnt, das Reichsschulgesetz verabschiedet, mit dem eine reichseinheitliche Schulpflicht erreicht wurde. Die Umgestaltung hinsichtlich des Schulsystems erfolgte jedoch eher schleichend.

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Probleme bezüglich der Rassenzugehörigkeit wurden vorerst mit Hilfe von Einzelverordnungen geregelt (vgl. Klinksiek 1982: 38). All jene LehrerInnen die sich kommunistisch, sozialdemokratisch oder anderwärtig politisch orientierten, wurden entlassen. Jene, die noch an den Schulen unterrichteten, waren nicht nur einer gewissen staatlichen Kontrolle ausgesetzt, sondern waren „zusätzlich […] den noch wirksameren sozialen Zwängen in Klassenzimmer und Kollegium [ausgesetzt].“ (Klinksiek 1982: 38; Einfügung und Auslassung: M.S.) Trotz der Einführung der nationalsozialistischen Ideologie in den Schulunterricht blieben die meisten Unterrichtsfächer bestehen, lediglich die Prioritäten hatten sich verändert. Der Deutsch- und Sportunterricht rückte beispielsweise in den Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens, die Naturwissenschaften wurden hingegen in den Hintergrund gerückt. Stets betonte man die Besonderheit der deutschen Bevölkerung, und so ergab sich im Bewusstsein des deutschen Volkes eine besondere Wertigkeit gegenüber anderen Völkern. Biologische Denkansätze und Sichtweisen durchliefen die gesamten Unterrichtsfächer und waren stets präsent. Zusätzlich sollte mit der Einführung der Rassenkunde in den Unterricht eine Absicherung für die Besonderheit der deutschen Rassenzugehörigkeit getroffen werden (vgl. Klinksiek 1982: 38,f.). Neben der Funktion zur Vermittlung der nationalsozialistischen Ideologien hatte die Schule auch noch die Aufgabe die Entwicklung geistiger Fähigkeiten zu fördern. Mit ihrer geistigen Entwicklung waren jedoch Eigenschaften wie Selbstständigkeit oder Kritikfähigkeit nicht gemeint. Um dieses Ziel auch methodisch zu erreichen, galt der nationalsozialistische Lehrer als Führerpersönlichkeit (vgl. Klinksiek 1982: 39). Zur Wissensvermittlung standen weiterhin die Schulbücher im Mittelpunkt, die jedoch nur langsam für die Schulen zur Verfügung gestellt wurden. So wurde beispielsweise ein reichseinheitliches Lesebuch für die Volkschulen erst 1939/40 fertig gestellt und erst zu diesem Zeitpunkt wurden alle anderen Schulbücher verboten. Für die höheren Schulen ergingen diese Richtlinien erst 1938 und im Jahr 1940 erfolgten erstmals verschärfte staatliche Kontrollen der Schulbücher. Die Tatsache, dass erst spät Veränderungen im schulischen Bereich vorgenommen wurden, hing damit zusammen, dass selbst in der Weimarer Republik kaum Ansätze zur Demokratisierung des schulischen Bereichs durchgesetzt wurden (vgl. Klinksiek 1982: 39,f.). Den meisten Einfluss erreichte man gezielt mit der HJ (Hitlerjugend), die „viel besser, williger und kontrollierbarer geleistet wurde […].“ (Klinksiek 1982: 40; Auslassung: M.S.) Um die Mädchen auf ihre zukünftige Rolle vorzubereiten, ließ man ihnen eine spezielle Form von Bildung zukommen, demzufolge waren auch Lehrpläne und Inhalte auszurichten (vgl. Klinksiek 1982: 40). So

53 war es für Mädchen vorgesehen eigene Mädchenschulen zu besuchen, lediglich jene Mädchen, „die bereits eine Jungenschule besuchten, durften dort bleiben, Neuzulassungen waren grundsätzlich nicht möglich, solange es irgendeine Form der höheren Mädchenschule am Ort gab.“ (Klinksiek 1982: 40)

Elisabeth Lenz, Referentin der Reichsfachschaft für Volksschulen im Dritten Reich, vertrat folgende Ansicht hinsichtlich der Mädchenbildung:

„Die Arbeit an der Erziehung der Mädchen in der Volksschule ist eine der wichtigsten Kulturaufgaben; denn gerade aus der Volkschule kommt die Mehrzahl der zukünftigen deutschen Mütter. Sie gebären ein Geschlecht, welches durch seine Taten dereinst die Ernte der jetzt erfolgten Aussaat des Nationalsozialismus darstellen wird. An diesem Geschlechte wird es sich zeigen, ob die Mädchenerziehung der Volksschule vom Geiste Adolf Hitlers getragen war.“ (Lenz zit. n. Dauzenroth 1971: 167)

Vorerst war ein differenzierter Unterricht für Jungen und Mädchen schwer umzusetzen, doch mit den Volksschulrichtlinien im Jahr 1937 kam es zur bedachten Mädchenbildung. So war es von besonderer Wichtigkeit die Mädchen zwei Jahre vor Abschluss der Volksschule auf die zukünftige Hausfrauen- und Mutterrolle vorzubereiten. Die Mädchen sollten gezielt in die Bereiche der Säuglings- und Krankenpflege sowie der Hand- und Hausarbeit eingeführt werden. Um das Erreichen dieser Idealvorstellung zu unterstützen, gab es für Mädchen geringere Hausaufgaben, damit so genügend Zeit für die Einbringung in den elterlichen Haushalt blieb. Demzufolge waren Lehrerinnen von besonderer Wichtigkeit für die Beeinflussung der Mädchen (vgl. Klinksiek 1982: 40).

„In reinen Mädchenschulen sollten zwei Drittel der Lehrkräfte Frauen sein, in Schulen mit nur drei Stellen war grundsätzlich mindestens eine Stelle mit einer Lehrerin zu besetzen. Sport und Lebenskunde waren in gemischten Schulen für Mädchen und Jungen getrennt zu erteilen, die Mädchen mußten in diesen Fächern ebenso wie in Hauswirtschaft von weiblichen Lehrpersonen unterrichtet werden. Billigte man den Mädchen noch eine ordentliche Volksschulbildung zu, die sie befähigte, den Anforderungen der Mutterschaft und der Frauenberufe zu genügen, so wurde die mühsam erkämpfte höhere Schulbildung wieder ins Abseits gedrängt. “ (Klinksiek 1982: 40,f.)

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Selbst für Akademiker und Abiturienten waren die Berufschancen am Arbeitsmarkt eher schlecht, aber für Frauen sah es meist noch schwieriger aus. Man wollte das weibliche Geschlecht vorerst nicht auf eine Zukunft im Berufsleben vorbereiten. Um diese Vorstellung auch umzusetzen, betrieb das Regime propagandistische Maßnahmen, mit denen gegen die höhere Mädchenbildung vorgegangen wurde. So errichtete die Regierung eine Frauenschule, die drei Jahre dauern sollte. Mit der Gründung dieser Schule glaubte das NS-System einen für die Frau geeigneten Schultyp erschaffen zu haben. Diese Schulform bot für Mädchen die einzige Möglichkeit einen höheren Bildungsweg einzuschlagen, denn der Anteil von Abiturientinnen sollte auf ein Minimum begrenzet werden. Wenn die Frauenschule erfolgreich abgeschlossen wurde, konnte ein weiterer Bildungsweg, nämlich der der Lehrerinnenbildung, eingeschlagen werden. Das Regime war der Ansicht, dass die Hausfrauen- und Mutterrolle nur für die Frauen in Frage käme, die die Bedeutung zur Erziehung der Hausfrau und Mutter erkannt hatten und dies dementsprechend auch in die Praxis umsetzen konnten (vgl. Klinksiek 1982: 41). Im Jahr 1938 wurden, wie bereits erwähnt, einheitliche Maßnahmen für das Schulsystem getroffen. Im Jahr zuvor wurde die Frauenschule in eine hauswirtschaftliche Oberstufe umfunktioniert. Neben dieser Form der höheren Schulbildung für Mädchen gab es auch noch die sprachliche Oberstufe. Zudem folgten auch noch Maßnahmen, wie zum Beispiel die Abschaffung der Mädchengymnasien. Auch der Staat wollte seinen Nutzen daraus ziehen und versuchte die Mädchen in die gewünschte Richtung zu lenken, indem er besonders dem hauswirtschaftlichen Zweig erhöhte Förderungen zukommen ließ (vgl. Klinksiek 1982: 41,f.). Falls trotzdem ein Mädchen Abitur machen wollte, musste sie vorerst Kenntnisse im hauswirtschaftlichen Bereich nachweisen können. An den einseitigen Bildungschancen für Mädchen ließ sich sehr gut der ideale Werdegang für Mädchen erkennen. Letztlich zur Führung der NS-Frauenorganisationen und zur perfekten Repräsentanz für Männer in höheren Positionen wurden qualifizierte Frauen benötigt, doch dafür war ein kleiner ausgewählter Kreis an Frauen ausreichend. So wurde auch der männliche Führungsanspruch gewährleistet (vgl. Klinksiek 1982: 42) Die Oberschule sprich Oberstufe musste man 8 Jahre lang besuchen, um die Reifeprüfung ablegen zu können, die Aufbauschulen benötigten dafür nur 6 Jahre (vgl. Benze 1939: 35). Als Aufbauschulen wurden Schulen definiert, die eher im ländlichen Bereich vorkamen, um dort die Begabungen von Kindern, „die so bis zum zwölften Lebensjahre noch im Elternhaus verbleiben können, in landnaher Erziehung zusammenzufassen und dafür zu sorgen, daß in die führenden Berufe gerade auch die gesunden Kräfte des Landvolkes

55 einströmen.“ (Benze 1939: 37) Zur Unterstützung des straffen Arbeitsplans waren Schülerheime an die Schulen angeschlossen. Die höhere Schulform baute auf die 4-jährige Grundschule auf. Es kam jedoch auch vor, dass die höhere Schulform bereits auf die ersten 3 Grundschuljahre aufbaute, was bei besonders begabten Kindern der Fall war (vgl. Benze 1939: 35). Deshalb sah das NS-System es als wichtig an, dass in allen Orten solche Ober- und Aufbauschulen errichtet wurden. Als alleinige Fremdsprache wurde in den Oberschulen für Mädchen Englisch vorgesehen, und zwar von der ersten bis zur fünften Klasse, „um genügend Raum für Fächer des Frauenschaffens zu lassen.“ (Benze 1939: 37) Für Mädchen gab es, wie bereits erwähnt, zwei Zweige der Oberschule: den hauswirtschaftlichen und den sprachlichen Bereich. Im hauswirtschaftlichen Bereich wollte die NS-Politik die Mädchen gemäß der künftigen Aufgabe der Hausfrau bilden. Da für die Mehrheit der Mädchen diese Schulform vorgesehen war, war es auch nicht verwunderlich, dass sie zur Hauptform der höheren Mädchenbildung wurde. Somit konnte man, nationalsozialistischer Ansicht nach, auf weitere Fremdsprachen verzichten. Ein Besuch der sprachlichen Oberstufe war anzuraten, wenn man im späteren Verlauf einem Studium nachgehen wollte. Hier lag der Schwerpunkt eher auf wissenschaftlichen Fächern und es gab die Wahlmöglichkeit zwischen Italienisch, Französisch und Spanisch als zweite und dritte Fremdsprache neben Englisch (vgl. Benze 1939: 41). Die Aufbauschule, die es auch für Mädchen gab, bot lediglich die hauswirtschaftliche Oberstufe an. Die einzelnen Fächer und Fächergruppen wurden gemäß den nationalsozialistischen Bildungsgrundsätzen ausgelegt. Am wichtigsten war das Unterrichtsfach „Leibeserziehung“, da das NS-Regime der Ansicht war, erst bei körperlicher Gesundheit und Kraft auch in allen anderen Bereichen eine gute Leistung erbringen zu können. Ebenso wichtig war die Fächergruppe „Deutschkunde“, die aus dem Deutsch-, Geschichte- und Erdkundeunterricht sowie aus dem Musikunterricht und der Kunsterziehung, bestand (vgl. Benze 1939: 41). „Diese Gruppe vor allem hat die Jugend in die Grundlagen des deutschen [Volks- und Staatslebens] und der deutschen Kultur einzuführen und die Tugenden zu entwickeln, die für deren Erhaltung und Steigerung unentbehrlich sind.“ (Benze 1939: 41; Anpassung: M.S.) Ein wichtiger Bestandteil in der Wissensvermittlung kam der Biologie zu. Ziel war es, die Grundlagen der nationalsozialistischen Weltanschauung zu vermitteln, um mit den Gesetzen des Lebens vertraut zu sein. Dazu zählte auch die Erb-, Rassen- und Familienkunde. Physik, Chemie, Mathematik, Rechnen und die Fremdsprachen nahmen zwar auch einen wichtigen Stellenwert ein, waren jedoch hinsichtlich des Schwerpunktes der Oberstufenform

56 auszurichten. Neben der Vermittlung von Kenntnissen galt es auch immer den Bezug zur nationalsozialistischen Weltanschauung herzustellen und ihn mit den einzelnen Fächern in Verbindung zu bringen. Daraus ergab sich auch für die höheren Schulen ein bedeutsamer Erziehungsauftrag, der die nationalsozialistische Weltanschauung stets in den Mittelpunkt zu stellen hatte (vgl. Benze 1939: 41). Den Fremdsprachen kam folgender Bildungszweck zu: „So sollen die Fremdsprachen die Art des anderen Volkes verständlich machen und dadurch das Wesen des eigenen Volkes aus Verwandtschaft oder Verschiedenheit deutlicher erkennen und bewusster lieben lassen, zugleich aber auch im Sinne des nationalsozialistischen Grundsatzes für die friedliche Zusammenarbeit gutwilliger, nationalbewußter Völker Verständnis wecken.“ (Benze 1939: 41) Auch die Religionslehre galt weiterhin als ordentliches Lehrfach, die Teilnahme war jedoch nicht verpflichtend. In den höheren Schulen wurde zwar nicht nach den verschiedenen Glaubensbekenntnissen unterschieden, man erteilte jedoch separaten Religionsunterricht je nach Bekenntnis (vgl. Benze 1939: 41). Die höheren Schulen hatten ebenso einen Grundsatz festgemacht, den es zu verfolgen galt: „Die neue höhere Schule legt bei aller Betonung der körperlichen und geistigen Durchbildung allergrößten Wert auf Charakterformung und Erziehung zu Gemeinschaftssinn.“ (Benze 1939: 42)

4.3 Außerschulische Erziehung „Bund Deutscher Mädel“ (BDM)

Die Erziehung beider Geschlechter erfolgte grundsätzlich nach den gleichen nationalsozialistischen Vorstellungen. Bei den Jungen legte die NS-Politik sehr großen Wert auf die Persönlichkeitsbildung, wo hingegen bei den Mädchen, wie bereits des Öfteren erwähnt, die Erziehung zur künftigen Mutter im Mittelpunkt stand. So war es wichtig die Mädchen getrennt von den Jungen zu organisieren. Diese Funktion übernahm der Bund Deutscher Mädel (BDM), der den Mädchen die entsprechende Erziehung zukommen lassen sollte (vgl. Klinksiek 1982: 48). „Der BDM, seit 1932 einzige parteiamtliche Mädchenorganisation, übernahm es, die Mädchen zu Trägerinnen der national-sozialistischen Idee zu formen.“ (Klinksiek 1982: 48) So war es bedeutsam die Mädchen zur richtigen Zeit, das hieß im Alter von 10-21 Jahren, zu erfassen, da in diesem Zeitraum eine Formung und Lenkung in die gewünschte Richtung noch möglich war. Das Ziel war es, die Mädchen so zu erziehen, dass sie widerspruchslos alles taten und kritiklos alles annahmen, was ihnen vom Staat aufgetragen wurde. Es ging um absoluten Gehorsam und absolute Pflichterfüllung. Zur Erziehungsvermittlung beschränkte man sich im BDM

57 auf den Sport und auf die weltanschauliche Schulung (vgl. Klinksiek 1982: 48,f.). „Notwendig ist die körperliche Erziehung unserer Mädel schon gewesen, weil sie die einzige Möglichkeit gibt, die Massen in Zucht und Disziplin zusammenzuhalten, die unser Bund umfaßt, dann aber, weil wir gesunde und kraftvolle Mädel heranziehen wollen, die später als Frauen und Mütter ihre vielen und großen Pflichten für Volk und Staat erfüllen können.“ (Hesse zit. n. Klinksiek 1982: 49) Jene Mädchen, die besonders gute Leistungen, beispielsweise beim Sport, beim Kartenlesen oder bei der Wanderkunde ablieferten, erhielten ein Leistungsabzeichen, das von der RJF (Reichsjugendführung) zur Verfügung gestellt wurde (vgl. Klinksiek 1982: 49). Durch den Erhalt des Abzeichens wurde eine gemeinsame Einsatzbereitschaft für die Volksgemeinschaft repräsentiert. Es handelte sich um eine Leistungsgesellschaft, die es vorsah Druck auszuüben, um die geforderten Leistungen zu vollbringen (vgl. Knopp 2001: 116). Mit der weltanschaulichen Erziehung sollte erreicht werden, dass verpflichtende Aufgaben für die Volksgemeinschaft erfüllt werden und gleichzeitig sollte eine Absicherung erreicht werden, „daß die künftige Familienerziehung der Kinder bereits von Anfang an im nationalsozialistischen Sinne stattfand.“ (Klinksiek 1982: 49) Die nationalsozialistische Ideologie musste stets vermittelt werden, um im späteren Verlauf darauf aufbauen zu können (vgl. Klinksiek 1982: 49).

4.3.1 Entstehung des BDM

Der „Bund Deutscher Mädel“ (BDM) zählte organisatorisch gesehen zur Hitlerjugend (HJ) und wurde vorerst nicht als eigenständiger Verein anerkannt. Die HJ wurde bereits im Jahr 1926 gegründet. Bei der Gründung, die von der NSDAP ausging, war an eine organisatorische Erfassung von Mädchen innerhalb der HJ noch nicht zu denken. Im Jahr 1930, als sich bereits bestehende Mädchengruppen, die die nationalsozialistische und völkische Ideologie vertraten, zusammengetan hatten, konnte von einem Gründungsdatum des BDM gesprochen werden. Als Vorläufer des BDM waren die Schwesternschaften bekannt, die Ende der 20er Jahre gegründet worden waren. Im Jahr 1930 wurden die Schwesternschaften dann zum BDM umfunktioniert. Anfangs war die Bedeutung der Schwesternschaften eher gering, da diese Organisationen kaum Mitglieder hatten (vgl. Klaus 1983: 77). Der Name „Schwesternschaften“ an sich lässt sich darauf zurückführen, dass die ersten Mädchen, die in den Schwesternschaften organisiert waren, leibliche

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Schwestern von Hitlerjungen waren, die den Wunsch hatten, auch einer Organisation anzugehören (vgl. Knopp 2001: 102). Im Jahr 1929 folgten dann erste Regelungen zur Arbeit und Aufgabe der Schwesternschaften. Wie bereits erwähnt, erfolgte im Jahr 1930 die Gleichschaltung aller bereits bestehenden Schwesternschaften zum BDM. Mädchen im Alter von 6-13 Jahren wurden in der Jungschar des BDM erfasst, Mädchen von 13-22 Jahren hingegen in einer eigenen Gruppe (vgl. Klaus 1983: 77,f.). In den ersten Jahren war die Bedeutung aufgrund geringer Mitglieder eher mäßig (vgl. Klaus 1983: 80). „Trotzdem setzte sich innerhalb der NSDAP und innerhalb des anfangs reinen Jungenverbandes HJ immer mehr die Erkenntnis durch, daß auch die Mädchen zu organisieren wären.“ (Klaus 1983: 80) Damit würde es auch ihnen ermöglicht werden, sich in einer organisierten Gemeinschaft entfalten zu können. Die Regelungen besagten, dass der BDM der HJ weiterhin unterliegen würde, jedoch an den einzelnen Orten und Bezirken ihres Vorkommens selbstständig walten kann (vgl. Klaus 1983: 80). Es folgte ein Verbot der HJ, die der SA untergeordnet war, und folglich auch ein Verbot des BDM von April bis Juni 1932. Dies bedeutete jedoch nicht die Arbeit niederzulegen, im Gegenteil, unter verschiedensten Namen wurde der Arbeit illegal innerhalb der diversen BDM Gruppierungen nachgegangen (vgl. Klaus 1983: 80,81). Nachdem das Verbot aufgehoben wurde, „war der BDM organisatorisch noch der Reichsleitung der NS- Jugendbewegung (Deutsche Arbeiterpartei) unterstellt.“ (Klaus 1983: 81). Im Jahr 1932 wurde Baldur von Schirach zum Reichsleiter der gesamten NS-Jugendarbeit ernannt. Einheitliche Regelungen bezüglich der Aufgaben, Gliederungen usw. führten zur Vereinheitlichung im Jahr 1932. Als oberstes Ziel des BDM sollte jedoch nicht die Emanzipation der Frauen stehen, sondern es sollte sich lediglich um eine Jugendbewegung handeln, die zur Vollkommenheit der Jugend beitragen sollte. Im BDM wurden ab diesem Zeitpunkt nun Mädchen im Alter von 15-21 Jahren erfasst und alle jüngeren organisierte man in den Kükengruppen. Das Hauptaugenmerk bei den unter 15-jährigen Mädchen galt der kulturellen Erziehung. Der Schwerpunkt wurde auf Theaterspiele, Volkslieder und Volkstänze gelegt. Die älteren Mädchen hingegen sollten weltanschaulich und politisch geschult werden (vgl. Klaus 1983: 80,f.). Die Bildung des BDM verstand sich darin, Körper, Seele und Geist so zu fördern, dass sie miteinander harmonieren. Auch der Opferbereitschaft kam ein besonderer Stellenwert zu. Beispielsweise beauftragte man Mädchen im BDM Kleidung und Säuglingspflege an bedürftige Mütter der Partei auszuteilen. Bezeichnungen wie Arbeits-, Kampf- oder Lebensgemeinschaft sollten den BDM beschreiben. Ab dem 18. Lebensjahr war es für Führerinnen dieser Organisationen

59 verpflichtend, Mitglied der NSDAP zu werden. So entsprachen auch schon damals die meisten Aktivitäten im BDM der späteren Rollenzuschreibung als Mutter. Außerdem bezog sich ihr Aufgabenschwerpunkt auf die Verpflegung von SA-Männern bei etwaigen Wahlveranstaltungen oder auf die Versorgung von Verwandten. In erster Linie waren es wohl eher Hilfstätigkeiten. Im weiteren Verlauf verlangte man vom Bund, sich als Hilfsorganisation für den politischen Kampf zu entwickeln (vgl. Klaus 1983: 81,f.). Im Jahr 1932 war die HJ nicht mehr der SA untergeordnet und somit erreichte auch der BDM organisatorische Selbstständigkeit innerhalb der HJ (vgl. Klaus 1983: 83). Letztlich kann man sagen, dass bis zur Machtergreifung 1933 der BDM organisatorisch, inhaltlich und führungsmäßig unter der Herrschaft der HJ stand, da es sich bei jeglichen Tätigkeiten nicht um mädchenbezogene Jugendarbeit handelte (vgl. Klaus 1983: 87).

4.3.2 Organisation und Ideologie

Für den BDM gab es keine eigenen organisatorischen Strukturprinzipien, sondern er war der HJ angepasst (vgl. Klaus 1983: 67). Der BDM galt als Teilbereich der HJ, die an oberster Stelle stand und als ein staatlich organisierter Jugendverband galt (vgl. Miller- Kipp 2007: 13). „Der Mitgliederstärke nach war der BDM deren zweite Hälfte – im BDM waren knapp vier Millionen Kinder und Jugendliche organisiert, in der HJ waren es insgesamt 8,7 Millionen.“ (Miller-Kipp 2007: 13) Der BDM bot für viele Mädchen die Möglichkeit ein Leben auch außerhalb von Schule und Elternhaus zu haben. Zudem konnte man sich aktiv an Staat und Gesellschaft beteiligen. Trotzdem handelte es sich nicht um selbstbestimmtes Wirken im BDM, sondern die Erfassung diente zu anderen Zwecken, wie zum Beispiel der staatlichen Lenkung und Kontrolle. Damit wurde außerdem auch eine gewisse Bindung an den so genannten Führerstaat erreicht (vgl. Miller-Kipp 2007: 14) An oberster Stelle stand die Reichsjugendführung (RJF) der NSDAP mit dem Reichsjugendführer Baldur von Schirach (vgl. Miller-Kipp 2007: 14). „Ihm unterstand nunmehr die gesamte HJ als „Parteigliederung“ und als Jugendverband. Ihm unterstand damit auch die „Reichsreferentin“ des BDM. Ihre persönlich nachgeordnete Stellung galt für die ganze Institution: auf allen Führungsebenen waren die BDM-Führerinnen den HJ- Führern dienstlich unterstellt. In der HJ hatten die Männer das Sagen – das entsprach nationalsozialistischer Politik wie althergebrachter Geschlechterordnung.“ (Miller-Kipp 2007: 14)

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Im Jahr 1936 wurde dann auch der Anspruch auf die Jugend, die von der RJF eingefordert wurde, institutionell gefestigt. In den Jahren zuvor hatte sich die HJ ihre Anerkennung gewaltsam erkämpfen müssen. Dieser gewaltsame Kampf für eine legale Jugendorganisation wurde mit dem Erziehungsanspruch, der von der HJ neben Schule und Elternhaus gestellt wurde, erreicht. Der Beitritt zur HJ wurde erst kurz vor dem Kriegsausbruch verpflichtend. Zuvor konnte man freiwillig beitreten, es galt jedoch zu überlegen, was passieren würde, wenn man nicht der HJ beitrat. Es war selten der Fall, dass sich jemand gegen den Eintritt entschied, da von der HJ eine unglaubliche Anziehungskraft ausging. Eltern, die ihren Kindern verboten der Organisation beizutreten, drohten Geld- oder Haftstrafen (vgl. Miller-Kipp 2007: 14,f.). Die Erfassung der Mädchen beim BDM erfolgte vom 10. bis zum 21. Lebensjahr. Danach gehörten die meisten der NS- Frauenschaft an, die sich als eine Art der Erwachsenengliederung verstand (vgl. Benze 1939: 70). Ab dem 17. Lebensjahr bestand die Möglichkeit für Mädchen dem Werk „Glaube und Schönheit“, das als Anschlussorganisation des BDM galt, beizutreten. Diesem konnte man – auch ohne Mitgliedschaft beim BDM - bis zum 21. Lebensjahr angehören. Die Organisationen legten darauf Wert, dass die Gemeinschaften persönlich gehalten wurden und sie unter einer reifen Führung standen (vgl. Benze 1939: 73). Es gab unterschiedliche Gestaltungen für den ländlichen und für den städtischen Bereich, außerdem wollte man „mit Gleichstrebenden alles das pflegen dürfen, was es Gutes, Schönes und Wertvolles für Körper, Seele und Geist gibt und was sie in ihrer Entwicklung fördert, so daß sie zu „gemeinschaftsgebundenen Persönlichkeiten“ werden. Neben und durch Fragen [geistig-seelischen] Gehalts, des Wissens, der Weltanschauung und des völkischen Lebens soll der Sinn für Gesundheit und Schönheit des äußeren und inneren Menschen gepflegt, ein edler Lebensstil entwickelt und Einsatzbereitschaft für weibliche Aufgaben des Volkslebens geschaffen werden.“ (Benze 1939: 73; Anpassung: M.S.) Die Machthaber setzten sich im Werk „Glaube und Schönheit“ weitere Ziele: beispielsweise sollten die Mitglieder des Werkes innerhalb der 4 Jahre so viel Pflichtbewusstsein entwickelt haben, dass sie auch danach weiterhin Sport betreiben. Weiterhin sollten sie sich der Notwendigkeit, die sie für das Volk haben, bewusst geworden sein und deshalb auf die Erhaltung einer gesunden Lebensweise und auf die Körperpflege achten. Dazu war es auch noch von Wichtigkeit durch kulturelle Aufgaben, die die Mädchen während des Aufenthaltes erhalten hatten, eine stilvolle und persönliche Lebensgestaltung entwickelt zu haben. Dazu zählten beispielsweise die Einrichtung des eigenen Heimes und die Kleiderwahl (vgl. Benze 1939: 73).

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Des Weiteren sollte das ehemalige Mitglied „gemäß seiner Eignung, Begabung und seines besonderen Interesses in den einzelnen Arbeitsgemeinschaften persönlich bereichert und geformt sein.“ (Benze 1939: 73) Im Jahr 1935 kam durch das Wehrgesetz ein weiterer Aufgabenbereich dem BDM zu. So einigte man sich darauf, im Ernstfall auch Frauen zum Kriegseinsatz zu verpflichten. Obwohl dieser Maßnahme ein wichtiger Stellenwert zukam, um eine sichere und gut ausgebildete Heimatfront zu haben, war es nicht die oberste Priorität des BDM. An erster Stelle stand noch immer die Vorbereitung zur Hausfrau und Mutter (vgl. Klinsiek 1982: 49,f.).

Der Bund vertrat folgende Ansicht: „Jedes [BDM-Mitglied] ist grundsätzlich verpflichtet, in der Zeit vom 14. bis 21. Jahr planvoll hauswirtschaftliche Arbeit zu leisten und zwar möglichst ein Jahr lang. Das kann geschehen im Landdienst, Familienhaushalt oder in pflegerischem Hilfsdienst als Schwester und Volkspflegerin, in Kindergärten und Horten. Diese noch im Aufbau befindlichen Maßnahmen sind – in Verbindung mit den Einrichtungen des Staates und anderer Parteistellen – von unschätzbarem Wert für die Zukunft von Familie, Volk und Staat. Schon jetzt bestehen eine Anzahl von staatlich anerkannten Haushaltsschulen des BDM.“ (Benze 1939: 72; Anpassung: M.S.)

Zugleich spielten auch die Fahrten und Ausflüge ohne Eltern, die mit dem BDM unternommen wurden, eine beträchtliche Rolle, da dadurch die Anziehungskraft des BDM nochmals verstärkt wurde. Außerdem wurde damit ein Gefühl hervorgerufen, das sich gegen die Moralvorstellungen der Elternhäuser auflehnte (vgl. Knopp 2001: 104). Ebenso spielte die Tatsache, dass zur damaligen Zeit kaum an Urlaub oder etwaige Ausflüge zu denken war, eine entscheidende Rolle dem BDM beizutreten (vgl. Knopp 2001: 111).

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An der Graphik lässt sich der Organisationsaufbau der HJ sehr gut erkennen.

(Abb. 1) „Gliederung und Aufbau der HJ“, 1937 (Miller-Kipp 2007: 17)

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Die Jungmädelschaft erfasste alle jüngeren Jahrgänge, vom 10. bis zum 14. Lebensjahr (vgl. Benze 1939: 70). Das folgende Beispiel soll die Themenbereiche, die in den Heimabenden (wöchentliche Treffen der HJ-Einheiten) bei den Jungmädeln behandelt wurden, aufzeigen: . „1. Jahr: Deutsche Menschen in Sage und Märchen. . 2. Jahr: Große Gestalten deutscher Vergangenheit. . 3. Jahr: Männer und Frauen im Kampf um Deutschland . 4. Jahr: Adolf Hitler und seine Mitkämpfer.“ (Benze 1939: 72) Im Vergleich dazu wurden bei den älteren Jahrgängen bereits Themen behandelt, die die Berufswahl betrafen. Beim BDM sah es deshalb wie folgt aus: . „1. Jahr: Kampf um das Reich (germanische Zeit bis Weltkrieg). . 2. Jahr: Die nationalsozialistische Bewegung im Kampf um das Volk. . 3. Jahr: Das Volk und sein Blutserbe. . 4. Jahr: Das Volk und seine Lebensgesetze. . 5. bis 7. Jahr: Das Volk und seine Familien, die Aufgaben der Frau.“ (Benze 1939: 72)

Der Bund wollte stets darauf hinweisen, dass „bei allem Zusammensein in HJ. und BDM. natürlicher Jugendfrohsinn herrscht, Spiel, Musik, Singen und Scherz ein Hauptelement bilden und männliche oder weibliche Beschäftigungen ergänzend hinzutreten, […]“ (Benze 1939: 72; Auslassung: M.S.)

Die Führung bis zur Organisationseinheit „Ring“ (siehe Graphik) übernahmen meist Führerinnen, die aus den eigenen Reihen kamen und kaum älter waren als die übrigen Mitglieder. Bei den Jungmädeln gab es die Möglichkeit ab dem 12. Lebensjahr als Führerin die Gruppenleitung zu übernehmen. Es boten sich zahlreiche Führungspositionen im BDM an und die Mitglieder kamen diesem Angebot auch gerne nach, da damit das Gefühl vermittelt wurde, nur unter sich zu sein. Man erhielt den Eindruck Entscheidungen frei treffen zu können, ohne dass ein Erwachsener oder eine andere Person sich einmischen würde. Doch dieser Eindruck täuschte, denn letztlich hatte jede Führerin eine noch ranghöhere Führerin. Die Führung derer übernahm die RJF, die männlich besetzt war und die wiederrum der Führungsspitze Adolf Hitlers unterlag (vgl. Miller-Kipp 2007: 16,19). Die RJF wollte damit ein Gefühl vermitteln, dass die Jugend unter sich wäre und sich selbst erziehen würde (vgl. Miller-Kipp 2007: 19).

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Das NS-Regime ließ dem BDM und der HJ einen besonderen Stellenwert hinsichtlich der Erziehung zukommen und zwar aus folgendem Grund: „Aller Erziehung, die nur vom Alter herkommt und daher zum Alter hin erzieht, wohnt die Gefahr inne, daß sie unjugendlich ist und die Jugend vorzeitig alt macht. Diese Gefahr wird durch die Erhebung der HJ. zur vollberechtigten Erziehungsmacht gebannt. Jetzt können auch die Werte der Jugend – Unmittelbarkeit, Frische, Wagemut, Gläubigkeit, Unbedingtheit und Tatendrang – wirksam werden und schaffen zusammen mit den Idealen des erfahrenen, besonnenen und maßvollen, aber doch innerlich durch den Nationalsozialismus jugendlich erhaltenen Alters in der Erziehung eine gesunde und fruchtbare Spannung, aus der das ganze Volk, sein Leben und seine Kultur Lebenskraft, Jugendfrische und Schaffensdrang gewinnen.“ (Benze 1939: 73)

Im BDM hatte man durchaus ein Gefühl von Verbundenheit, das der Führungsaufbau der HJ herbeiführte. Es wurde versucht Aufgaben, die im eigentlichen Sinne einer Zweckerfüllung dienten und nichts anderes waren als getarnte Dienstleistungen, geschickt in Erlebnisangeboten zu präsentieren. So waren diese Angebote bewusst attraktiv und interessant für die Mädchen. Die gemeinsamen Aktivitäten ließen sich in drei Aufgabenbereiche teilen und zwar: Formaldienst, welcher aus Aufstellungen, Märschen und dem Flaggen hissen bestand, „Freizeitaktivitäten und gesellschaftliche Dienste im engeren Sinne von Dienstleistung.“ (Miller-Kipp 2007: 19) Um die Verbundenheit am effektivsten zu zelebrieren eigneten sich Feste und Feierlichkeiten, die in regelmäßigen Abständen stattfanden. Ebenso spielten die Ausflüge, die stets eine gewisse Lagerfeuerromantik versprachen, eine wichtige und bedeutsame Rolle neben dem Sport. Neben den wöchentlichen Sportnachmittagen gab es auch jährliche „Reichssportwettkämpfe“. Des Weiteren standen wöchentliche „Heimabende“, kleinere Ausfahrten, die von einmal im Monat bis mehrmals im Jahr stattfanden, größere Ausfahrten, welche im Sommer durchgeführt wurden und sogenannte „Jugendlager“, die jedes Jahr stattfanden, am Programm. Zudem kamen noch Einsätze, die von gesellschaftlichem Nutzen waren, wie beispielsweise die Erntehilfe oder soziale Hilfsdienste (vgl. Miller-Kipp 2007: 19,f.). Mit all diesen Angeboten wurde bei der weiblichen Jugend das Gefühl von starker Verbundenheit innerhalb der Volksgemeinschaft erzeugt. Als Mitglied ergab sich der Eindruck einer großen Kette anzugehören, die die Aufgabe hatte, dem Führer und der Volksgemeinschaft dienend gegenüber zu stehen. Bei den jüngeren Generationen kam dies sehr gut an, da die Möglichkeit bestand sich im Kindesalter gesellschaftlich zu integrieren und sich zugleich erwachsen fühlte. Der BDM

65 hatte neben Schule, Elternhaus und Beruf sehr hohen erzieherischen Einfluss auf die weibliche Jugend und diese dadurch fest im Griff. Zu einem weiteren Verbundenheitsgefühl trug die einheitliche Uniform bei. Mit dem Tragen der Uniform stellte man sich einerseits selbst dar, andererseits erhielten Teilnehmer das Gefühl von der gesamten Gesellschaft anerkannt zu werden (vgl. Miller-Kipp 2007: 20,f.).

4.3.3 Zeitzeuginnenberichte

Die anschließenden Berichte sollen Einblicke in das Leben ehemaliger Mitglieder des BDM und der Jungmädeln geben. Das folgende Interview wurde mit einer Dame geführt, die anonym bleiben möchte. Das Interview wird in der Mundart wiedergegeben.

Erinnerungen zu den Jungmädeln Mit 8 Jahr bin i zum Jungmädelbund kummen. Es war mei alleinige Entscheidung. Die Eltern warn a einverstanden, also einstimmig. Mei Muata hat wohl ab und zu gmant, so a Bledsinn da, war wohl gscheida wennst in die Kirchen gehen tatest a bissal beten. Mei Vater war voll dafür. Mei Schwester war schon beim BDM, sie hat ma natürlich imponiert. De war a mit Leib und Seele dabei. I war a schon gern beim BDM gwesn, aber leider war i noch zjung. Sie hat sich a Radl gekaft, da BDM hat se da finanziell unterstützt. I hab mir ihr Radl öfters ausgeborgt, bis i an Sturz gbaut hab. Des Geld hat se sich verdient, weil sie hat nämlich im Forstgarten garbeitet, da hats se Bameln gsetzt. Es war allgemein a lustige Zeit. Es war eigentlich immer a Gaude. So hab i hauptsächlich schöne Erinnerungen. Wir hama Feste gfeiert, Ausflüge gmacht. Da sema amol auf die Gerlitzen gfahrn mitn Zug nach Annenheim. Da was i no genau, da Zug is um 4 in da Früh gangen. Di Muata hat a Jausen mitgeben und i bin immer beim Fenster gstanden, da hab i a schene Aussicht ghabt. Jo und a mal in da Wochen hama uns in ana Baracken getroffen zur Heimstund. Da hama gsungen, das Liad hat ghaßn „Deutschland, Deutschland über alles!“ Sport hama gmacht, marschiert sama. Politische Erziehung hama a ghabt, da hama miasn Fragen und Anworten. So Art Hausübung hama kriagt, dann sema immer abgepfrüft worden. Die Treffen send immer sehr diszipliniert abglafen, da hat jeder sein Sitzplatz ghabt da hats ka umalafen geben. Im Hof da hats a Hakenkreuz aus Blumen geben und da is die Fahne drin gwesen, da hama uns immer zamsammeln miasn. Wenn ma nit kummen is, dann hats strenge Kontrollen geben durch die Scharführerinnen, de warn schon beim BDM. Aber da is jeder gern kummen, das war für a jeden a Ehre da dabei zu sein. An schwarzn Rock und

66 a weiße Blusen immer mit lange Ärmel hama müssen tragen. Da hama a an eigenen Knoten miasn binden uman Hals uma, da is obngstandn „Sieg Heil dem Führer“. De Ausflüge hätt ma uns ja nie daleistet. Da warn ganz andere Zeiten, als jetzan. Mit da Zeit send de Mittel aber a ausgangen, in de letzten Kriegsjahr. Aber amol da bin i skeptisch wurden, als a Bekannter von uns verschwunden is. Der war geistig a bissal, aber wast eh echt nur a bissl und dann war er plötzlich weg. Dann hama erfahren den ham se ins Lager gebracht. An Lehrer hama ghabt, des war a festa Nazi. Ab und zua hats a paar Raufereien geben unter uns Mädeln, a paar Eifersuchtsszenen. De Hundsmarkter ham uns Frauenburger nit megen. Ma bitte da hama scho öfters graft, zfezt sema daham immer zwegen kummen, aber mei Identitätsausweis auf den hab i immer guat aufgepasst. De hama gebraucht, damit ma von da Mur von da ana Seiten auf die andere Seitn zruckgehen ham kennen. Amol hab i den Hitler getroffen, der is zu uns in Dorf kemmen. Da hama miasn a Gedicht lernen und ihm aufsagen. A paar Blumen hama ihm a geben. 1945 dann hat sich alles ins Nichts auflöst, die ganzen Vereine. Mei Muata war wieda froh, jetzt kann i wieda in die Kirchen gehen beten. Man hat nie was gmerkt um was es eigentlich geht. De ham alles guat vorgredet, uns das Blaue vom Himmel versprochen und wir hama a nie das Gfühl ghabt, dass se uns ausnuztn taten.

(Abb. 2) „Hitler beim Zusammentreffen mit einem Jungmädel“, (Knopp 2001: 109)

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An diesem Interview zeigt sich sehr gut, dass viele der Mädchen kaum eine Ahnung von den eigentlichen Zielen der NS-Politik hatten. Hauptsächlich waren es positive und schöne Erlebnisse, die mit dieser Zeit in Verbindung gebracht wurden. Die meisten Mädchen wurden mit besonderen Angeboten wie tollen Ausflügen hinsichtlich ihrer Haltung zum Nationalsozialismus beeinflusst.

Die hier folgenden Zeitzeuginnenberichte stammen aus autobiographischen Erzählungen und Tagebucheintragungen, die teilweise wiedergegeben wurden.

Ursula Sonnemann Mit Begeisterung Jungmädel

In der Schule wurden wir eines Tages von unserem Rektor gefragt, wer denn von uns noch nicht bei den Jungmädeln sei. Vorerst zögerte ich mich zu melden, doch dann meldete ich mich. Darauf ordnete der Rektor an, dass wir ihm innerhalb von 14 Tagen Bescheid geben müssten, uns bei den Jungmädeln angemeldet zu haben. Von meinen Eltern aus durfte ich nicht dabei sein, da ich zu jung war. Außer mir gab es nur ein einziges Mädchen, das auch nicht bei den Jungmädeln war. Der Befehl vom Rektor hatte mir natürlich sehr gut gefallen, da meine Eltern nun damit einverstanden sein mussten, mich bei den Jungmädeln anzumelden. Meine Schulkameradin hatte bereits die gesamte Kluft, die alle einheitlich tragen mussten. Die Kluft bestand aus einem dunkelblauen Rock, einer weißen Bluse, auf der ein schwarzes Fahnentuch war und dazu gehörte auch noch ein brauner Lederknoten. Am linken Ärmel der Bluse war ein schwarzes Dreieck, das darauf hinwies, welchem Gau man zugeordnet war. Meine Eltern waren davon nicht sehr begeistert und so kauften sie mir auch nur gezwungenermaßen die Kleidung für die Jungmädeln. Bis auf die Weste, die einfach zu teuer war. So musste derweilen ein anderer Mantel ausreichen, bis ich die gewünschte Weste von meiner Oma als Geschenk bekam. Als ich die Weste endlich in Besitz hatte, freuten meine Schulkameradin und ich uns sehr. Wir waren stolz darauf endlich richtige Hitlermädel zu sein. Zweimal in der Woche haben wir uns nachmittags mit den anderen Schulkolleginnen getroffen. Wir lernten Lieder, Gedichte und den Lebenslauf des Führers. Wir haben auch Spiele im Gelände gespielt. Wenn wir uns nachmittags bei den Jungmädeln trafen, bekamen wir an diesen Tagen auch keine Hausübung. Da laut der Lehrer diese Nachmittage nur dem Dienst zu Gute kommen sollten. Die Teilnahme an diesen Treffen war für jeden verpflichtend (vgl. Miller-Kipp 2007: 123,f.).

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Evelyn Hardey Erinnerungen zu den Jungmädeln

Weil ich einen Heimabend nicht besucht hatte, bekam ich mit meiner Mutter Ärger. Die Scharführerin fand es heraus und beschwerte sich darüber bei meiner Mutter. Meine Mutter hatte nun Angst, da man stets kontrolliert wurde, ob die Erziehung auch nach den Vorstellungen des Führers passierte. Seit meinem 10. Lebensjahr besuchte ich nun die Heimabende und an meinem 14. Geburtstag musste ich dann zum eigentlichen BDM. Ich hatte aber keine Lust auf diese blöden Anziehsachen und überhaupt machte es mir keinen Spaß da dabei zu sein, da die Scharführerin nicht gerade nett gewesen ist. Wir durften ihr nicht widersprechen, denn dann folgten Strafen, wie beispielsweise Schreibaufgaben. Ständig wurden wir mit neuen Sachen konfrontiert, die ein Jungmädel nicht machen sollte. Da hieß es oft, wir dürfen keinen Schmuck tragen oder wir dürfen keinen Regenschirm verwenden. Während unserer Treffen war der Radio stets an, falls etwas passieren würde, denn dann mussten wir dies unterstützen, indem wir auf den Hof liefen und dort eine sogenannte Rakete imitierten. Das heißt zuerst wurde laut geklatscht, dann folgte das Trommeln und anschließend mussten wir pfeifen. Jedes unentschuldigte Fehlen war streng verboten. Einmal wurde ich verpetzt. Ich hatte keine Lust zu unserem Treffen zu gehen. Da merkte ich, dass man niemandem vertrauen konnte. Man durfte nicht mal irgendetwas Negatives über den Krieg oder so sagen, denn dann hätte man einen gleich von zu Hause geholt und in irgendein Lager weggesperrt (vgl. Miller-Kipp 2007: 79).

Ursula G. Erinnerungen zum BDM

Ein Grund, weshalb ich mich zur Gemeinschaft Gleichaltriger hingezogen fühlte, war vielleicht auch die Tatsache, dass ich ein Einzelkind gewesen bin. So genoss ich es in der Gemeinschaft zu sein, dies galt sowohl für die Schule als auch für die nationalsozialistische Jugendbewegung. Ich war stets bei Ausfahrten oder Lageraufenthalten dabei und genoss dort den Aufenthalt. In diesen Kreisen hatte ich nie den Eindruck von Führerinnen erzogen zu werden, oder dass man mir irgendetwas eintrichtern wollte. Ich habe wohl eher die Möglichkeit erhalten, mich mit diversen Dingen ernsthaft auseinanderzusetzen, die mir bisher nicht zugänglich waren. Es war ein Gefühl von Verständnis für uns da und die Führerinnen erfüllten auch eine Vorbildfunktion. Zu

69 den ernsthaften Auseinandersetzungen kamen aber auch noch weitaus fröhlichere Dinge, die mich begeisterten, wie beispielsweise Spiele oder auch sportliche Aktivitäten. Über die Erlebnisse in Schule und Freizeit erhielt ich die Möglichkeit Berichte zu verfassen oder sogenannte Tagebücher zu führen. Diese Tätigkeit machte mir so großen Spaß, dass ich es für später in Erwägung zog, darauf aufzubauen. Unsere Schule wurde im Jahr 1944 geschlossen, da man für den Kriegseinsatz eingespannt wurde. Meinen Einsatz musste ich nun beispielsweise in der Landarbeit oder bei diversen anderen Hilfstätigkeiten unter Beweis stellen. Langsam konnte man den Zerfall Deutschlands erkennen und somit ging in mir auch all die Hoffnung und Begeisterung verloren. Als im Oktober 1945 dann die Schule wieder begann, fand ich solch eine enorme seelische Zustimmung bei meinen SchulkollegenInnen zu meinem Gemütszustand, der sich von einstigem Unmut in Hoffnung auf ein schönes und erholtes Deutschland wandelte (vgl. Miller-Kipp 2001: 315).

Inge Scholl Erinnerungen zum BDM

Die Einstellung unseres Vaters konnten wir nicht verstehen, er war nicht sehr begeistert über unsere Mitgliedschaft beim Bund. Doch wir waren es. Seine Einstellung zu Hitler war jedoch nicht so positiv, er sah eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Hitler und dem Rattenfänger von Hameln, der mit Hilfe einer Flöte die Kinder zuerst einsammelte und sie dann ins Unglück riss. Nachvollziehen konnten wir seine Meinung nicht, da unsere Begeisterung seinen Pessimismus bei weitem überragte. Die Wanderungen zählten zu den schönen Erlebnissen, die man bei dem BDM erfuhr. Die Tatsache, mit anderen jungen Menschen etwas Gemeinsames zu unternehmen, trug ebenso zu unserer Begeisterung bei. Bei den Heimabenden standen Singen, Bastelarbeiten, Vorlesungen und Spiele am Programm. Uns wurde vermittelt für etwas ganz Großes berufen zu sein. Wir hatten das Gefühl ernst genommen zu werden und dadurch erhielten wir auch Ermutigung für unser Tun. In unseren Augen handelte es sich um eine riesengroße Organisation, in der jeder Anerkennung und Zuspruch fand. Eine richtige Gemeinschaft eben. Manche Dinge, die unserem Ansehen nicht entsprachen, würden mit der Zeit sicherlich geändert werden. Als einmal das Thema mit den Juden aufkam, sagte man uns, dass man wegen dieser einen großen Sache eben über gewisse Gegebenheiten hinwegschauen müsste. Dieser Vorfall wühlte uns alle ein wenig auf, doch dann hatten wir dies auch ganz schnell wieder

70 vergessen. Der Zusammenhalt unter uns und die Kameradschaft waren etwas unbeschreiblich Schönes (vgl. Miller-Kipp 2001: 317,f.).

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V. Frauen für und gegen Hitler

5.1 Magda Goebbel – Vorzeigefrau des Regimes

Ihr vollständiger Name lautete Johanna Maria Magdalena Behrend und sie wurde am 11. November 1901 in Berlin Kreuzberg geboren. Ihre Mutter war zum Zeitpunkt ihrer Geburt nicht verheiratet und so wurde es nie ersichtlich, wer Magdas leiblicher Vater war (vgl. Pilgrim 1994: 23).

(Abb. 3) (Sigmund 2000: 133)

Selbst in der Geburtsurkunde war niemand als ihr leiblicher Vater vermerkt. Ritschel, der spätere Ehemann von Magdas Mutter hatte Magda nie als seine leibliche Tochter anerkannt. Erst der zweite Ehemann der Mutter namens Friedländer übergab Magda seinen Namen. Zu ihrem 5. Lebensjahr übersiedelte die Familie von Berlin Kreuzberg nach Brüssel, wo Magda ein Ursulinenkloster besuchte. In diesem verweilte sie bis zu ihrem 14. Lebensjahr und genoss dort auch ihre grundlegende Erziehung, da ihre Eltern aus Zeitmangel den erzieherischen Aufgaben nicht nachkommen konnten. Nachdem der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, übersiedelte die gesamte Familie von Brüssel zurück nach Berlin. Dort angekommen wurde Magda eine Zeit lang bei Familie Nachmann untergebracht (vgl. Pilgrim 1994: 23,f.). Insgesamt ließ sich die Mutter zweimal scheiden danach folgte keine weitere Heirat mehr. Während eines weiteren Heimaufenthaltes lernte Magda ihren ersten zukünftigen Ehemann namens Quandt kennen. Zum Zeitpunkt der Hochzeit war Magda 18,5 Jahre und Quandt 39 Jahre alt. Er selbst brachte bereits 2 Söhne in die Ehe, da seine erste Frau früh verstarb (vgl. Pilgrim 1994: 24).

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Den einzigen beständigen Kontakt hatte Magda mütterlicherseits, väterlicherseits konnte nie eine Beziehung aufgebaut werden, da entweder keine Akzeptanz seitens der Männer da gewesen war, oder sie früher oder später auch von der Bildfläche verschwanden. So war dies beispielsweise der Fall bei Herrn Friedländer, der sich nach der Scheidung von Magdas Mutter zurückzog. Somit ließ sich eine fortlaufende Vaterlosigkeit in Magdas frühen Jahren verzeichnen. Mit der Beziehung zum schwerreichen Wirtschaftsboss Quandt offenbarte Magda ihre Vaterlosigkeit (vgl. Pilgrim 1994: 25,f.). Nach der Heirat erwartete Magda ein schweres Leben an der Seite ihres Mannes. Sie musste Ersatzmutter für ihre Stiefsöhne Hellmuth und Herbert sein und hatte auch noch ständig Empfänge vorzubereiten. Sie musste stets an der Seite ihres Mannes sein und hatte täglich einen 12- 14stündigen Arbeitstag zu meistern. Bald nach der Heirat brachte sie ihren ersten gemeinsamen Sohn Harald zur Welt. Zu den nun drei Kindern, die bei ihnen im Haushalt lebten, kam ihr auch noch die Verantwortung für drei weitere Kinder, Kinder eines Geschäftsfreundes von Quandt, zu. Trotzdem musste Magda stets sparen und erhielt nur wenig Wirtschaftsgeld von ihrem Mann, um die Familie zu versorgen. Jegliche Ausgaben wurden von Quandt persönlich kontrolliert. Magda wollte sich von Quandt trennen, doch dieser stimmte ihren Scheidungswünschen nicht zu, aus Angst dies könnte sich schlecht auf sein Geschäftsleben auswirken. Als offizieller Trennungsgrund wurde schließlich eine außereheliche Beziehung, die Magda zu einem anderen Mann hatte, verwendet. Daraufhin verbannte Quandt Magda und verbot ihr jeglichen Hauseintritt. Sie stand vor dem Nichts, doch dann konnte Magda, dank einiger Briefe, nachweisen, dass auch Quandt in der Ehe Beziehungen zu anderen Frauen hatte. Dieses Wissen verhalf ihr dazu, dass sie sich mit Quandt einigen konnte. Sie stellte, neben dem Sorgerecht für den leiblichen Sohn Harald, auch noch Geldforderungen auf. Eine weitere Beziehung ging sie mit einem Mann namens Hoover ein, einem noch mächtigeren Mann als Quandt es gewesen war. Eine weitere Heirat kam für sie jedoch nicht in Frage. Die Erziehung ihres Sohnes und die Tatsache, nur als Frau an der Seite eines reichen und mächtigen Mannes zu sein, genügten ihr jedoch nicht und so besuchte sie trotz ihres eigentlichen politischen Desinteresses einige Veranstaltungen der NSDAP. Bald darauf folgte der Beitritt zur NSDAP, da Josef Goebbels, Gauleiter Berlins, Redetalent ihr sehr zugetan hatte (vgl. Pilgrim 1994: 26-29). Hitler selbst hatte Goebbels sehr viel zu verdanken, denn er schaffte es durch ständige Propaganda und Gewaltanwendungen die Stimmen für die NSDAP von 100 auf 100 000 zu steigern (vgl. Sigmund 2000: 113).

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Schließlich stellte Magda sich für ehrenamtliche Zwecke zur Verfügung. Bald darauf wurde ihr die Führung einer NS-Frauenschaftsgruppe anvertraut, doch damit fühlte sie sich nicht wohl. Ihr Ziel war ein anderes, sie wollte direkt in der Gauleitung Berlins tätig sein. So erhielt sie das Angebot im Parteipressearchiv ihre Dienste anzubieten und dabei begegnete sie Goebbels erstmals persönlich. Dank ihrer Fremdsprachenkenntnisse in Englisch und Französisch war sie von großem Nutzen für Goebbels, da sie ihm von nun an helfen konnte nationalsozialistische Pressemeldungen ins Ausland zu verbreiten. Letztlich kam es zu einer Liebesbeziehung zwischen Magda und Josef. Die Trennung von Hoover verlief nicht einfach, doch sie musste diesen Schritt wagen. Am 19. Dezember 1931 heirateten Magda und Josef - Trauzeuge war Hitler. Josef hatte sich schon immer eine Frau wie Magda an seiner Seite gewünscht, eine geistige Frau, mit der er reden konnte und der er auch alles erzählen konnte. So wusste Magda stets über seine Taten Bescheid und war sich auch bewusst, auf wen sie sich eingelassen hatte (vgl. Pilgrim 1994: 29,f.). Magda verehrte Hitlers Taten und stand auch hinter den gesamten Gräueltaten, die von ihrem Mann ausgingen (vgl. Pilgrim 1994: 33). Ihre Unterstützung der NSDAP zeigte sie beispielsweise dadurch, dass sie ab dem Jahr 1931 ihre Wohnung in Berlin als sogenanntes Führerhauptquartier zur Verfügung stellte. Während in der Wohnung Eroberungsfeldzüge geplant wurden, bewirtete Magda die nationalsozialistischen Anhänger. Außerdem erfüllte sie das Idealbild einer nationalsozialistischen Frau geradezu perfekt. Stets zeigte sie sich an der Seite ihres Mannes und verherrlichte öffentlich ihre Wirkung als Hausfrau und Mutter. Mit Goebbels hatte sie insgesamt 6 gemeinsame Kinder und so wurde sie als perfekte Vorzeigefrau des nationalsozialistischen Regimes gehandhabt und vorgeführt (vgl. Pilgrim 1994 38,f.). Ihr Mann stand der Gewalt alles andere ablehnend gegenüber, im Gegenteil, er verherrlichte sie sogar. Ob Magda selbst Gewalttaten ausübte, war vorerst nicht bekannt, erst „der Mord an ihren sechs Kindern [gegen Ende des Krieges im Führerbunker] könnte ihrem «Gutsein» zugerechnet werden, da sie glaubte, den Kindern ein Leben in Qual und Verfolgung zu ersparen.“ (Pilgrim 1994: 40,f.; Einfügung: M.S.) Als Mutter machte sie ihre Aufgabe sehr gut, sie liebte ihre Kinder und tat stets ihr Bestes. Was anderen Menschen angetan wurde, schien ihr gleichgültig zu sein. Erst als sie sich selbst bedroht und angegriffen fühlte, stellte sie sich zur Wehr. Dies tat sie beispielsweise als sie erfuhr, dass Goebbels eine Liebesbeziehung zu einer anderen Frau hatte (vgl. Pilgrim 1994: 39,f.). Nach mehrmaligen Versprechungen ihres Mannes, dass er sich nicht mehr mit ihr treffen würde und der Tatsache, dass „Magda also im Käfig der sexuell nicht

74 mehr funktionierenden Ehe bleiben mußte und sie den Umgang ihres Mannes mit der Nebenbuhlerin nicht mehr aushalten konnte, da erst bestand sie auf der [sic] Ausweisung Baarovas.“ (Pilgrim 1994: 40) Baarova Lida war die besagte Geliebte Josef Goebbels gewesen. Die Taten Hitlers und ihres Mannes versuchte sie jedoch auszublenden, sie wollte sie nicht sehen. Einige Male übte sie sogar Kritik an Hitlers Tun. Sie glaubte beispielsweise, dass Hitler die Frauen entrechtet hätte und sie forderte dies zu ändern, da sie schließlich auch zu seinem Erfolg beigetragen hatten. Doch wirklich etwas dagegen unternommen, hatte sie nicht. Erst die Liaison ihres Mannes mit Lida Baarova brachte sie zur völligen Verzweiflung und zur erstmaligen gedanklichen Auseinandersetzung mit Gewalt (vgl. Pilgrim 1994: 41). Magda blendete das gesellschaftliche Gewaltgeschehen um sich herum aus (vgl. Pilgrim 1994: 42). „Von der «Teuflischkeit» des Goebbelsschen Verhaltens kann Magda erst etwas begreifen, wenn es sich gegen sie sichtbar für sie ereignet.“ (Pilgrim 1994: 42) Eine weitere Affäre ihres Mannes mit seiner Sekretärin schien sie wachzurütteln. Daraufhin wollte sie die Scheidung, doch scheinbar schien sich keiner dafür zu interessieren. Hitler willigte einer Scheidung aus Staatsinteresse nicht ein, da er „eine Scheidung der ersten Mutter des NS-Systems nicht zulassen wollte […].“ (Pilgrim 1994: 40; Auslassung: M.S.) So blieb Magda in einer unglücklichen Ehe gefangen. Auffällig daran war, dass Magdas Männer stets Männer waren, die eine besondere Gewaltbereitschaft aufwiesen. Magda schien diese Gewaltbereitschaft unbewusst zu suchen. Sie empfand auch für Hitler eine gewisse Zuneigung, doch Goebbels wollte diese Anziehung zu Hitler unterbinden. Zwischen ihm und Hitler sollte es zu keinen Schwierigkeiten kommen. Selbst die Tatsache, dass die Männer an ihrer Seite nicht nur die Bereitschaft zu Gewalttaten hatten, sondern diese auch tatsächlich ausführten, stellte für sie keinen wirklichen Trennungsgrund dar (vgl. Pilgrim 1994: 43,f.) Sie versuchte „am Schluß ihres Lebens eine Mitgefangen-Mitgehangen-Strategie. Der einzige Grund für ihre realitätsangenäherte Wahrnehmung des Mannes ist nicht sein Verhalten gegenüber der Welt, sondern sein Verhalten gegenüber der Frau.“ (Pilgrim 1994: 45) Die Tatsache, dass Magda ohne ihren Vater aufgewachsen war, spiegelte sich in ihrem Verhalten gegenüber der Gesellschaft wider. Den einzigen stabilen Halt fand sie bei ihrer Mutter und so identifizierte sie sich mit ihr. Besonders die Beziehungen Magdas zeigten ähnliche Abläufe wie die ihrer Mutter Auguste Behrend. Sie stand immer zu ihrer Tochter und nahm sich selbst zurück, wenn sie anderer Meinung als ihre Tochter Magda war. Bei Schwierigkeiten mit Männern, fand Magda stets Halt bei ihrer Mutter. So lebten sie in etwaigen Trennungsphasen auch immer wieder für einige Zeit zusammen (vgl. Pilgrim

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1994: 45,f.). Es gab ein weiteres Problemfeld in Magdas Leben, das einerseits durch ihre innere Leere hervorgerufen wurde, und andererseits dadurch, dass sie nie wirklich einen Zugang zur Gesellschaft aufbauen konnte. Diesen Zugang eröffneten ihr nur ihre mächtigen Männer, dank derer sie es auch schaffte gesellschaftliches Ansehen zu erlangen, das sie vorher nicht hatte. Das lässt sich darauf zurückführen, dass ihre Mutter der Arbeiterschicht entstammte und Magda ein uneheliches Kind war, dessen Vater unbekannt blieb. Genau diese Tatsache trug zu einer gewissen gesellschaftlichen Abwertung bei (vgl. Pilgrim 1994: 49). Magdas Ziel war es auch nie, einen Beruf zu erlernen oder etwas zu unternehmen, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Wenn Schwierigkeiten mit Männern auftraten und eine mögliche Trennung bevorstand, dann hoffte Magda entweder auf einen weiteren Mann, der ihr aus der Misere half, oder sie suchte Zuflucht bei ihrer Mutter (vgl. Pilgrim 1994: 50). „Ihr Leben bestand letztlich nur aus Umbettungen zwischen Mutter und Männern.“ (Pilgrim 1994: 50) Sie entwickelte, wie bereits erwähnt, eine besondere Verbindung zu Hitler. Kennengelernt hatte Magda Hitler vor der Zeit mit Goebbels und Hitler empfand von Anfang an etwas Besonderes für Magda. Doch dann erfuhr er, dass Magda die Geliebte Goebbels war und so musste er dies akzeptieren (vgl. Pilgrim 1994: 77,f.). Die Ursache für die unglaubliche Nähe, die sie für Goebbels und Hitler empfand, „beruhte auf ihrer grundstrukturellen psycho-sozialen Ähnlichkeit mit diesen Männern. Daß sie sie lieben konnte, steht mit ihrem speziellen Aufwachsen in einem Zusammenhang, das nicht nur vaterlos, sondern auch «bruderlos» verlaufen war. Magda hatte keine heranwachsenden Erfahrungen mit Jungen, wußte nicht, wie Männliches überhaupt ist. Sie sah Männer durch einen Filter. Magda muß in ihrer Wahrnehmung einen Filter vor Männer geschoben haben, der sie hinderte, die Realitäten, die wirklichen Dimensionen, das heißt besonders, die Gewalttätigkeit der Männer einzuschätzen. Sie schaute auf die Männer mit einem verschönernden Grobraster, das die Partner selbst herunterreißen und sie zur Sicht auf die Tatsachen zwingen mußten. Dann sah Magda aber auch nur die Tatsachen, die zwischen den Männern und ihr eine Rolle spielten.“ (Pilgrim 1994: 75,f.) „Magda war eine Art Zwigemahlin, nicht nur mit Goebbels, sondern auch mit Hitler liiert, der ihr von Anfang an bis zum Ende trotz kleiner vorübergehender Trübungen des Verhältnisses sehr nahegestanden hatte. Immer wieder stützte Magda Joseph in seiner Position gegenüber Hitler und stärkte damit Hitler, der von niemandem so unterstützt wurde wie von Goebbels. Sie nähte beständig an der immer unverbrüchlicher werdenden, seltsamsten und verhängnisvollsten Beziehung des Patriarchats, an dem Männerliebespaar Hitler und Goebbels, trug wesentlich dazu bei, daß die destruktive Wirkung dieser beiden sich ausweitete, sich steigerte und verlängert wurde.“ (Pilgrim 1994: 76) 76

Auch die Liebschaften und Affären Goebbels trugen dazu bei, dass sich Magda immer mehr von ihm abwand und sie dadurch vermehrt die Nähe zu Hitler suchte. Hitlers Entscheidung sich das Leben zu nehmen, brachte auch sie dazu zu gehen und ihre Kinder nahm sie mit. Sie hatte Hitler ein Versprechen gegeben und nur deshalb hielt sie an ihrer Ehe fest. Die kommende Welt versprach nichts Gutes und so war es ihrer Meinung nach, der einzige Ausweg dem zu entkommen (vgl. Pilgrim 1994: 77,ff.).

5.2 Eva Braun

Eva Braun wurde am 6. Februar 1912 in München geboren. Evas Kindheit verlief im Gegensatz zu Magdas Kindheit eher normal. Ihre Eltern waren verheiratet, insgesamt hatte sie zwei Schwestern. Die ältere Schwester hieß Ilse und die jüngere Schwester hieß Gretl (vgl. Pilgrim 1994: 82,84).

(Abb. 4) „Eva Braun“, (Sigmund 2000: 229)

Mit der jüngeren Schwester hatte sie fast ihr gesamtes Leben zusammengewohnt. Im Gegensatz zu Magda hatte Eva ihre Kindheit und Jugend die meiste Zeit, bis auf zwei Ausnahmen, zu Hause verbracht. Das heißt, sie wurde nicht ständig fremduntergebracht wie Magda. Eva erhielt klosterschulische Erziehung und Bildung. Sie hatte Träume, beispielsweise wollte sie einen Beruf erlernen um selbstständig sein zu können. Sie interessierte sich für Musik und liebte es zu lesen. Auch der Freund Evas, der Jude war, war in der Familie Braun herzlich willkommen. Ihrem Berufswunsch kam sie nach, sie erhielt die Möglichkeit eine Lehre bei Foto Hoffmann zu machen (vgl. Pilgrim 1994: 84,f.). Das Fotogeschäft Hoffmann hatte große Aufträge der NSDAP erhalten und so ergab

77 es sich, dass Eva Adolf Hitler im Jahr 1929 dort zum ersten Mal traf (vgl. Sigmund 2000: 232,234). Sie wusste zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht, um wen es sich dabei handelte. Bis sie erfuhr, wer Hitler eigentlich war, dauerte es, da Eva, wie auch Magda, in ihren jungen Jahren, nicht wirklich etwas für Politik übrig hatte (vgl. Pilgrim 1994: 85). Bei jedem Wiedersehen im Fotogeschäft Hoffmann, machte Hitler Eva Komplimente und brachte ihr auch kleine Geschenke mit, dadurch fühlte sich Eva geschmeichelt und so näherten sie sich langsam an (vgl. Sigmund 234,f.).

Eva hatte kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater. Negativ deshalb, weil sich Fritz Braun anstatt Eva lieber einen Jungen gewünscht hätte. Ein Mädchen hatte seiner Ansicht nach, nur an der Seite eines Mannes zu dienen. Evas Vater war im Umgang mit ihr stets sehr streng. Sie wurde von ihm ständig in ihrem Handeln und Tun kontrolliert. Taschengeld erhielt sie keines. Ihren eigentlichen Wunsch, Filmschauspielerin zu werden, unterstütze ihr Vater überhaupt nicht. Obwohl er durch eine Erbschaft das Geld eigentlich zur Verfügung hatte, wollte er seine Tochter in der Nähe haben, um so die Kontrolle über sie zu haben. Aus diesem Grund kam ihm die Lehre bei Foto Hoffmann gelegener (vgl. Pilgrim 1994: 84-87). Evas Vater erlebte den Ersten Weltkrieg und blieb bis nach 1918 ein Verfechter der einstigen Monarchie (vgl. (Pilgrim 1994: 85,f.). „Hitler stand er lange ablehnend gegenüber, selbstverständlich von rechts aus, Hitler war ihm zu poplig, hergelaufen, nicht ausgewiesen zur Führung eines Reiches. Sowie Hitler dann aber begonnen hatte, als international gefürchteter Kriegsherr Europa zur Kasse zu bitten – ab 38/39 -, da wurde am 1. Mai 1939 auch Fritz Braun Mitglied der NSDAP […].“ (Pilgrim 1994: 86; Auslassung: M.S.) Der Vater wünschte sich von Anfang an einen Jungen und Eva versuchte diesem Wunsch in ihrer Jugend nachzukommen. So war Eva, im Vergleich zu anderen Mädchen, sehr sportlich. Sie widmete dem Sport die meiste Zeit. In den restlichen Unterrichtsfächern war sie eher faul, doch dank ihrer Intelligenz schaffte sie den Schulabschluss. Die Zeit in den Klosterschulen war für sie besonders schwer, da sie stets nur von Mädchen umgeben war (vgl. Pilgrim 1994: 88,f.)

Nach dem Tod von Hitlers Nichte Geli im Jahr 1932, wurde Eva zu Hitlers Geliebter (vgl. Pilgrim 1994: 93). Der Wunsch Adolf Hitler Braut zu sein, war riesengroß, doch trotz ihres Status als Geliebte, schien er für sie unerreichbar. Evas Bemühen ein Junge zu sein, sprach Hitler an, da sein eigentlicher Wunsch – keine Frau an seiner Seite zu haben – damit erfüllt

78 schien. Seine Absicht war es nie zu heiraten. Er wollte nach außen der ewige Junggeselle bleiben. Hitler war gern unter Frauen, doch eine emotionale Beziehung zu ihnen sollte nicht stattfinden. Eva hielt er mit dem Versprechen hin, sie dann zur Frau zu nehmen, wenn er selbst nicht mehr als Führer, sondern nur noch als beratende Person tätig wäre. Sie hoffte darauf und außerdem spielte die Tatsache, dass sie endlich erlöst werden würde aus ihrem unglücklichen Dasein, eine beträchtliche Rolle, um auszuharren. Evas Leben drehte sich ständig zwischen Sein und Sollen, doch an Hitlers Seite wurden ihr Abenteuer und Freiheiten eingeräumt, die ihre Situation erheblich erleichterten (vgl. Pilgrim 1994: 91,ff.). Allein die Geliebte von solch einem mächtigen Mann zu sein, versprach ein Abenteuer. Offiziell wusste niemand von Eva. Sie musste das Ganze auch vor jedem geheim halten, was ihr auch gelang, als sie noch zu Hause wohnte. Mit 21 Jahren erhielt sie ihre eigene Wohnung in München, in der sie Hitler besuchte. Bald darauf gehörten auch ein Haus in München, der Berghof in Berchtesgaden, in dem ein Appartement für sie vorgesehen war, und eigene Räumlichkeiten in der Reichskanzlei in Berlin zu ihren Treffpunkten. Eva setzte sich nicht mit der Welt auseinander, in der Hitler als mordende Person fungierte. Ihre Bereiche berührten sich nicht, das heißt Eva war an allem unbeteiligt. Sie wollte auch kein Parteimitglied sein, sie sah es beispielsweise auch nicht ein, ihre jüdischen Lieblingsromane nun nicht mehr zu lesen. Jeder beschäftigte sich mit seinem Bereich. Sie hielt sich aus den meisten Angelegenheiten heraus (vgl. Pilgrim 1994: 93,ff.). Eva liebte es auch, sich mit schönen Schuhen, Kleidern und Schmuck zu beschäftigen. Obwohl sie alle Möglichkeiten der Welt gehabt hätte, sich zu bilden oder zu reisen, blieb sie am liebsten im engeren Kreis der Familie und traf sich ab und zu mit ein paar Freundinnen. Eva wurde in der Öffentlichkeit nicht als die Gattin gehandhabt, diese Funktion wurde bereits von zwei anderen Frauen erfüllt, eine davon war Magda Goebbel (vgl. Pilgrim 1994: 96,f.). Wenn man Besucher am Berghof erwartete, dann war Eva nicht eingeladen. Sie musste derweilen auf ihrem Zimmer bleiben. Eva hatte die Absicht Hitler überall hin zu folgen, auch wenn dies den Tod bedeutet hätte (vgl. Pilgrim 1994: 97,f.).

Das Kriegsende rückte immer näher und damit auch die Einsicht, den Krieg verloren zu haben. Es wäre sinnlos gewesen, noch an einen Sieg zu glauben. Diese Ansicht vertrat auch Eva und so hatte sie mit dem Verfassen ihres Testaments im Alter von 32 Jahren bereits mit ihrem Leben abgeschlossen. Auch die Tatsache, dass ihr Geliebter Adolf Hitler gesundheitlich von Verfallserscheinungen gezeichnet war, brachte sie zu dem Entschluss ihm in den Führerbunker nach Berlin zu folgen. Zuvor feierte sie noch ihren 33.

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Geburtstag, dies war zugleich auch ihr Abschiedsfest im Kreise ihrer geliebten Menschen. Auf ihr Kommen reagierte Hitler sehr erfreut und sie bestand darauf bei ihm zu bleiben, komme was wolle. So erkundigte sie sich bereits vorab über etwaige Möglichkeiten des Erschießens (vgl. Sigmund 2000: 270,f.). Nach längerem Aufenthalt im Bunker ging dann am 28. April endlich ihr Traum, Hitlers Frau zu werden, in Erfüllung. Einer der Trauzeugen war Josef Goebbels. Am nächsten Tag, den 29. April, erhielten sie noch einige Gratulationswünsche zur Vermählung, worauf Eva stolz bemerkte, dass man sie nun ruhig mit Frau Hitler ansprechen könne. Am Tag danach, den 30. April 1945, setzte das Ehepaar Hitler seinem Leben ein Ende (vgl. Sigmund 2000: 273,f.). Dem letztendlich erfolgreichen Selbstmord waren bereits zwei andere Versuche vorausgegangen. Den ersten Versuch unternahm Eva, als sie noch zu Hause lebte. Ihre Schwester entdeckte sie rechtzeitig und holte Hilfe. Ein weiterer Versuch wurde unternommen, noch bevor sie ihr Haus in München bekam, also noch am Anfang in der Beziehung zu Hitler. Hitler wandte sich immer mehr von ihr ab, meldete sich nicht mehr und ließ sie warten. Lange Zeit betete sie und hoffte er würde sich melden. Doch dies tat er nicht. Als einzigen Ausweg schrieb sie ihm einen Brief, dass sie sich umbringen würde, wenn er sich nicht meldete. Als er ihrem Wunsch nicht nachkam, schritt sie zur Tat. Sie versuchte es diesmal mit Schlaftabletten und wieder rettete ihr ihre Schwester das Leben. Als Hitler davon erfuhr, erfüllte er Eva ihre Wünsche und so bekam sie endlich ihr Haus in München, ein Appartement am Berghof und eigene Räumlichkeiten in der Reichskanzlei (vgl. Pilgrim 1994: 99-105). Sie hatte nun endlich das Gefühl, dass sich jemand um sie kümmern würde (vgl. Pilgrim 1994: 120).

Letztlich lässt sich Evas Leben so beschreiben: „Die erste Hälfte verbrachte sie im Vater- zu-Willen-Tun, im Sich-Drehen vor dem biologischen Vater. Die zweite Hälfte verbrachte sie im Sich-Drehen vor dem sozialen Vater Adolf Hitler, konzentrierte auf ihn die immer vergeblicher werdende Hoffnung: «Erlöse mich!», «Mach mich zum Jungen!», oder: «Akzeptiere mich als Mädchen!»“ (Pilgrim 1994: 91) So könnte Hitlers Wirkung auf Frauen zur damaligen Zeit ausgesehen haben: „Ein Mann wie Hitler, der als «Mister Universum» auftritt und alles verspricht, der trickreicherweise die Erfüllung alter Vaterwerte ankündigt und gleichzeitig Garant für frauenbefreiende Erlösung aus ihrer gesellschaftlichen Unfreiheit zu sein scheint – allzu verständlich, daß auf einen solchen Mann «alle» Frauen fliegen. Hitler war ein Neurosenmagnet, der die Hoffnungsspäne aller unbefreiten Frauen anzog. Wie reaktionär er in Wirklichkeit über die Frau dachte, das haben Frauen nicht von ihm zu hören zu bekommen. Er 80

war ihnen gegenüber charmant, amourös, exaltiert, mit einem Wort, ein Ritter! Er gelobte, Kreise zu schließen, Ringe anzulegen. Die Ahnungslosen, die Vaterlosen, ließen sich «willig» einfangen: So muß Vater doch sein, so soll er sein! Da ist er! Und hinter dem Rücken der Frauen potenzierte Hitler die Ungeheuerlichkeiten ihrer normalen väterlichen Bösewichter ins Gigantische. Er verdrehte, er entfesselte, er stampfte ein, er verbrannte ….“ (Pilgrim 1994: 134,f.)

5.3 Vergessene Widerstandskämpferinnen

5.3.1 Dorothy Thompson

Dorothy Thompson wurde am 9. Juli 1894 in Lancaster in der Nähe von New York geboren. Sie besuchte die Highschool in Chicago und übte danach ihr Studium in New York aus. Ihr erster Wunsch war es Lehrerin zu werden, doch dabei blieb es nicht. Während ihrer sozialen Arbeit, bei der es um die Durchsetzung des Frauenwahlrechts ging, die sie während des Ersten Weltkriegs leistete, entdeckte sie ihr Talent fürs Schreiben und Reden (vgl. Schad 2010: 47).

(Abb. 5; Schad 2010: o.S.)

Daraufhin kam sie zu dem Entschluss, sich als Auslandskorrespondentin zu bewerben. Im Jahr 1920 erhielt sie dann die gewünschte Stelle als Korrespondentin in Wien. Dorothy war zu diesem Zeitpunkt erst 26 Jahre alt. Sie war eine kluge, hübsche und vor allem eine Frau mit Selbstbewusstsein. So fiel ihr der Umgang mit wichtigen Politikern leicht. Dorothy 81 hatte sich durchgesetzt und sie wurde in ihrer Tätigkeit als Auslandskorrespondentin sehr gut angenommen (vgl. Schad 2010: 47,f.). Sie hegte alsbald auch den Wunsch Hitler zu interviewen, da er zum damaligen Zeitpunkt immer bekannter wurde. Bald machte sie Berlin zu ihrem Wohnsitz, wo das kulturelle Leben ihr Interesse weckte. Sie war mit sehr bekannten Persönlichkeiten wie beispielsweise Albert Einstein befreundet. Im Jahr 1931 stand das schon lang ersehnte Interview mit Hitler an. Sie war voller Neugier und großer Erwartungen, doch nach kürzester Zeit überkam sie eine große Enttäuschung, da sie ihn für bedeutungslos hielt (vgl. Schad 2010: 49,52,f.). In ihren Augen war er ein kleiner Mann, der nicht in der Lage war Deutschland, oder überhaupt ein Land, zu führen. Es war auch kaum möglich, mit ihm ein richtiges Gespräch zu führen, da er in einem ständigen Redefluss war, so dass man selbst nicht zu Wort kommen konnte. Er sprach so, als würde er vor einer Masse sprechen und hielt kaum Augenkontakt. Er sprach sehr hysterisch und wurde auch schon mal lauter. Vor dem Interview musste Dorothy einen Fragenkatalog zusammenstellen und diesen vorzeigen, denn ein Interview mit spontanen Fragen war nicht erlaubt, da der Führer die Möglichkeit haben sollte die Antworten genau abzuwägen (vgl. Schad 2010: 54,f.). Dorothy las auch Hitlers Werk „Mein Kampf“ und sagte, dass die Juden seiner Meinung nach für alles erdenklich Schlechte verantwortlich waren. Sie glaubte Hitler hätte sich zu hoch erhoben, da er eigentlich als kleiner, unscheinbarer Mann, wie er es ihrer Meinung nach war, noch gieriger im Streben nach Macht wurde und er nur gegen die Schwächsten seiner Gegner vorgehen würde. Sie erkannte früh, dass der immense Hass in Hitler bis zum Völkermord gehen würde (vgl. Schad 2010: 58,f.). Er schien zwar unscheinbar zu sein und man lachte über ihn, doch genau seine Volksnähe brachte ihn an sein Ziel (vgl. Schad 2010: 60). Nach dem besagten Interview zwischen Dorothy und Hitler, forderte er, nie wieder solch eine Person, wie sie, zu ihm zu lassen, denn genau mit der Zwischenfragerei fühlte er sich überfordert und angegriffen. Dorothy stellte nach dem Interview fest, dass sie für Hitler und sein Verhalten nichts übrig hatte. Sie veröffentlichte den Artikel im Cosmopolitan Magazine, der besonders bei Hitlers Gegnern großen Anklang fand. Nach dieser Veröffentlichung erschien der Artikel auch noch als Buch und trug den Titel „I saw Hitler!“. Es dauerte nicht lange und Hitler wurde als der Messias von Deutschland angesehen. In Berlin zeigte man in einer Galerie ein Portrait von Hitler, worauf er mit einem Heiligenschein umgeben von Christbildnissen zu sehen war (vgl. Schad 2010: 61,f.). Auch nach Hitlers Machtübernahme blieb Dorothy in Berlin, wo sie weiterhin ihrer Tätigkeit als Korrespondentin nachging. Ihr war wohl bewusst, dass alles, was sie tat

82 beobachtet werden würde. Dazu zählte auch das Abhören von Ferngesprächen. Die Nationalsozialisten hatten Dorothys Berichterstattungen über den Führer natürlich nicht vergessen und so dauerte es nicht lange und Hitler ließ Dorothy seine Macht, die er nach dem Tod Hindenburgs am 2. August 1934 erhielt, spüren. Sie erhielt die Ausweisung aus dem Deutschen Reich am 25. August 1934. Dies orderte Hitler persönlich an (vgl. Schad 2010: 67). Doch damit erreichte Dorothy ihren Durchbruch in Amerika, da sie nun selbst zu den so genannten Opfern des Nationalsozialismus zählte und zudem noch eine Kennerin des nationalsozialistischen Vorgehens war. Sie ließ sich nicht stoppen und begann nun erst recht mit den Hassparolen gegen Hitler - sie wollte die amerikanische Öffentlichkeit über die Gefahr, die der Nationalsozialismus in sich trug, aufklären (vgl. Schad 2010: 68,f.). Für sie war es der „Kampf gegen den Hitlerismus“ und somit auch ihre Haupttätigkeit, der sie ständig nachkam. Einmal wagte sie es auch durch ständige Zwischenrufe und lautes Gelächter eine Veranstaltung zu stören. Es ging so weit, dass ihr die Polizei helfen musste, damit sie nicht einem Übergriff zum Opfer fiel (vgl. Schad 2010: 69). Dorothy galt mit ihrem Wirken und Tun in Amerika als kluge und pflichtbewusste Person. Sie war der Meinung, man müsste nur rechtzeitig den Kampf gegen dieses Gräuel aufnehmen (vgl. Schad 2010: 70). Als Hitler 1941 den Vereinigten Staaten den Krieg erklärte, ließ Dorothy ihre gesamte „Unterstützung der nunmehrigen Kriegsführung gegen Hitlerdeutschland [zukommen].“ (Schad 2010: 76; Einfügung: M.S.) Ihre Unterstützung sah so aus, dass sie eine Radiosendung bei CBS für Hörer in Deutschland unter dem Titel: „Listen Hans!“ führte. Auch Goebbels bekam Wind von der Sache, dies bewies ein Tagebucheintrag von ihm, in welchem er Dorothy als eine Frau beschrieb, deren Gehirn alleinig aus Stroh bestehen würde. Über die Radiosendungen verfasste sie später auch ein Buch, das mit demselben Namen erschien wie die Radiosendungen selbst (vgl. Schad 2010: 76,f.). Trotz alldem wollte sie weiterhin gegen Hitler und sein Regime ankämpfen und sich für ein besseres Weltsystem einsetzen. Dorothy hatte sich auch für die Einwanderungspolitik stark gemacht, sie befürwortete es dem Flüchtlingsstrom aus Deutschland zu helfen. Sie wollte die internationale Politik auffordern, Verantwortung für die vorherrschenden Geschehnisse in Deutschland zu übernehmen. Außerdem war sie eine der Gründerinnen der Organisation „Emergency Rescue Committee“ (ERC). Diese Organisation nahm eine Abänderung der Visabestimmungen für Flüchtlinge vor. Auch der Organisation „American Friends of German Freedom“ gehörte sie als Mitglied an (vgl. Schad 2010: 77). Selbst die Ehefrau des damaligen U.S. amerikanischen Präsidenten Roosevelt setzte sich für die Organisation von Thompson ERC ein. Ihre Hilfe war besonders für hartnäckigere Fälle von Emigranten

83 wichtig (vgl. Schad 2010: 77). Viele der Flüchtlinge, die in die USA kamen, waren Freunde und Bekannte von Dorothy und so half sie wo sie nur konnte. Besonders bei sprachlichen Barrieren ließ sie ihnen Unterstützung zukommen (vgl. Schad 2010: 79). Nachdem Hitler Selbstmord begangen hatte und der Zweite Weltkrieg zu Ende war, bestand für Dorothy erstmals wieder die Möglichkeit, sich nach Europa zu begeben (vgl. Schad 2010: 81). So konnte sie auch mitansehen welches Unglück der Nationalsozialismus über das Land gebracht hatte (vgl. Schad 2010: 81). Nach jahrelanger Aufopferung verstarb Dorothy am 31. Januar 1961. Zurückblickend war sie die einzige Journalistin gewesen, die für Hitler von Anfang an eine Antipathie empfand und diese auch nicht scheute zu zeigen, indem sie sich gegen Hitler und sein Regime zu Wort meldete (vgl. Schad 2010: 84).

5.3.2 Liselotte Herrmann und Lina Haag – Mütter im Widerstand

Wie bereits schon mehrere Male erwähnt, kam der Mutter im Nationalsozialismus ein besonderer Stellenwert zu. Dies bewies auch ein Befehl, der im Jahr 1939 von der SS ausging. In diesem hieß es, dass Müttern und deren Kindern, egal ob es sich hierbei um eheliche oder uneheliche Kinder handelte, während des Krieges ein besonderer Schutz zustehe. Hitler selbst sah alle Kinder, die zur Welt gebracht wurden, als seine eigenen Kinder an und freute sich stets über eine steigende Geburtenrate, da so sein Wunsch, ausreichend Einsatzkräfte für das Heer und den Krieg zu haben, erfüllt werden würde. Doch Mütter und Kinder, die nicht den nationalsozialistischen Vorstellungen entsprachen, kam natürlich kein Schutz zu. Dies bekamen zwei Mütter, nämlich Liselotte Herrmann und Lina Haag, zu spüren. Liselotte Herrmann kam am 23. Juni 1909 in Berlin zur Welt. Später studierte sie Chemie in . In ihrer Jugendzeit hatte sie sich bereits gegen das nationalsozialistische Regime gewehrt, indem sie unerlaubt kommunistisches Schreibmaterial verteilte. Auch jegliche Aufforderungen der Polizei, dies zu unterlassen und ihnen die Schriften zu übergeben, waren ihr gleichgültig. So erhielt sie eine Geld- und Gefängnisstrafe (vgl. Schad 2010: 162,f.). Ihr Chemie-Studium blieb jedoch nicht ihr einziges Studium, sie begann im Jahr 1931 auch noch Biologie in Berlin zu studieren. In dieser Stadt bekam sie eine sehr stark geprägte antisemitische Einstellung, die nationalsozialistisch beeinflusst war, zu spüren. Doch auch dies änderte ihre Meinung nicht und so ließ sie ihre Unterstützung Aktionen zukommen, die ganz klar gegen den Krieg und den Faschismus waren (vgl. Schad 2010: 163).

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Als Hitler im Jahr 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, war es von nun an für all jene, die nicht nationalsozialistischen Vorstellungen entsprachen oder anderer Meinung waren, sehr schwer. Dies bekam auch Lilo zu spüren. An der Universität schloss man sie aus, das hieß, sie durfte ihr Studium nicht mehr weiterführen. Trotzdem entschied sie sich gegen das System anzukämpfen und so organisierte sie antifaschistische Veranstaltungen für Jugendliche. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich nun als Kinderpflegerin. Sie hatte auch ein eigenes Kind, das im Jahr 1934 zur Welt kam. Doch mit der Zeit war es nicht mehr einfach illegal mit einem Kind in Berlin zu leben und so fasste sie den Entschluss zu ihren Eltern nach Stuttgart zurückzugehen. Bei ihrem Vater erhielt sie auch Arbeit als Sekretärin in seiner Firma (vgl. Schad 2010: 163,f.). Ihre Arbeit sah nun so aus, dass sie Kommunisten aus Stuttgart half Verbindungen in andere Länder, beispielsweise in die Schweiz, herzustellen. Des Weiteren besorgte sie sich Informationen aus den Vertrauensrätewahlen von verschiedenen Firmen, zum Beispiel Bosch, um diese dann auszuwerten. Ihr Hauptziel war es aber, geheime Kriegsvorbereitungen aufzudecken. Deshalb versuchte sie dafür Beweise zu sammeln, indem sie Unterlagen zur Produktion von Kriegsflugzeugen und bezüglich anderer Vorbereitungstätigkeiten erlangen wollte (vgl. Schad 2010: 164). Ihre Absicht war es, der gesamten Öffentlichkeit die Aufrüstungspläne des sogenannten Hitler-Deutschlands aufzuzeigen (vgl. Elling 1981: 55). Doch man erfuhr von ihrem Vorgehen und fand zudem auch noch Beweismaterial und so verhaftete man sie. Die Haftzeit war sehr schwer für sie und der Tag, an dem ihr der Prozess gemacht werden sollte (8. Juni 1937) erschien ihr fern. Vor allem aber vermisste sie ihren Sohn. Während ihres Gefängnisaufenthaltes lernte Lilo Herrmann auch Lina Haag kennen und ihr gleiches Schicksal brachte sie einander näher (vgl. Schad 2010: 164,165). „Lina Haag war die Ehefrau des Journalisten Alfred Haag, der als jüngster KPD- Abgeordneter im Stuttgarter Landtag gesessen hatte. Schon während der Weimarer Republik wurden beide von der politischen Polizei und vor allem von den Nationalsozialisten heftig verfolgt. Unmittelbar nach Hitlers »Machtergreifung« wurde Fred Haag am 10. Februar 1933 von SA-Männern zu Hause abgeholt, ins Gefängnis gebracht und anschließend im württembergischen KZ auf dem Oberen Kuhberg inhaftiert. Aus dem KZ Oberer Kuhberg kam er 1935 nach Dachau und von dort ins berüchtigte KZ Mauthausen.“ (Schad 2010: 165). Am 8. Juni 1937 erfuhr Lilo ihr Urteil: sie erhielt das Todesurteil. Lina war am Boden zerstört. Sie konnte es nicht fassen, wie man einer Mutter so etwas antun kann. Doch am schlimmsten war für sie die Tatsache, dass sie nichts verbrochen hatte, außer sich gegen

85 einen Krieg zu entscheiden und so mutig war dafür zu kämpfen. Es dauerte nicht lange und die Wege der beiden Frauen trennten sich. Lilo wurde von Stuttgart nach Berlin ins Gefängnis überstellt. Doch ihre Eltern hielten weiterhin zu ihr und zogen letztlich auch nach Berlin um in der Nähe ihrer Tochter sein zu können. Das Gnadengesuch, um das Lilo bat, wurde abgelehnt, weil man der Meinung war, dass sie keine Einsicht zeige, eine Straftat begangen zu haben. Sie zeigte auch keinerlei Interesse daran Hilfestellung zur Klärung zu leisten (vgl. Schad 2010: 166ff). So blieb das Urteil, das für Lilo den Tod bedeutete, aufrecht. Man versuchte weiterhin Informationen von ihr zu etwaigen Mittätern zu erhalten. Ihr wurde versprochen das Todesurteil für weitere Aussagen zu einer Freiheitsstrafe umzuwandeln. Doch Lilo schenkte diesem Versprechen keinen Glauben. Selbst vorgetäuschten Rufen, die von ihrem Sohn aus dem Nebenzimmer kommen sollten, schenkte sie keinen Glauben. Auch die Aussage, dass man ihren Sohn den Großeltern entziehen würde, ließ sie nicht weich werden, da sie schon längst an kein Wiedersehen mit ihrem Sohn mehr glaubte. Der Fall von Lilo ging um die gesamte Welt und viele setzten sich für sie ein. Doch leider vergebens, denn am 20. Juni 1938 kam es zur Vollstreckung des Urteils (vgl. Schad 2010: 168,f.). Die zweite Mutter, Lina Haag, wurde ebenfalls wegen ihrer Tätigkeit als aktive Kommunistin verhaftet. Man befürchtete, dass sie einen Hochverrat anfechten könnte. Insgesamt hatte sie zwei Jahre in Haft in Stuttgart verbracht und dann folgten weitere Lageraufenthalte. Das letzte Lager, in dem sie noch weitere 12 Monate verbrachte, war das KZ Lichtenburg (vgl. Schad 2010: 170,172). Nach ihrer Entlassung aus dem KZ ging sie zurück nach Stuttgart. Ihr Ziel war es nun, ihren Mann aus der Gefangenschaft zu holen, dabei wollte sie sich Unterstützung direkt bei , Reichsführer der SS und Oberhaupt der deutschen Polizei, holen und sie war sich auch durchaus im Klaren darüber, was das bedeuten könnte. Jeder Fehler könnte sie wieder in Haft bringen. Doch er hörte sie an und gab ihr das Versprechen ihren Mann frei zu lassen. Zuerst aber schickte er ihn an die Ostfront zum Kriegseinsatz. Nach Kriegsende und ein paar Jahren in sowjetischer Gefangenschaft kehrte ihr Mann zu ihr und der gemeinsamen Tochter Käte zurück (vgl. Schad 2010: 172,f.). Ihre Tochter Käte hatte nie die Absicht gehabt, über das Erlebte zu sprechen, da es wohl zu schmerzhaft war. Lina dagegen verfasste ein Buch über ihre Erinnerungen mit dem Titel: „Eine Handvoll Staub“. Es wurde erstmals im Jahr 1947 veröffentlicht (vgl. Schad 2010: 173,f.).

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(Abb. 6) (Schad 2010: o.S.)

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VI. Schlusswort

Zusammenfassend kann man festhalten, dass das weibliche Geschlecht im Nationalsozialismus in ein vorgefertigtes Gefüge einzutreten hatte. Mit der Geburt eines jeden Mädchens war wieder eine Mutter für die Volksgemeinschaft erschaffen worden, deren Aufgaben sich hauptsächlich auf das Hausfrauen- und Mutterdasein beschränkten. Außerdem hatte der NS-Staat sie aus politischen, sowie anderen gesellschaftlichen Bereichen, gestrichen. Zu dieser Zeit waren die Machthaber der Ansicht, es würde eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen geben, nur die Frauen sollten den Aufgaben nachkommen, denen sie auch naturgemäß entsprachen. Als einziger Ort der Entfaltung kam die Familie in Frage, alle anderen Bereiche waren tabu. Ein kritisches Hinterfragen wurde den Frauen nicht erlaubt. So war sehr vielen auch gar nicht bewusst, dass sie zum Zwecke des national- sozialistischen Regimes manipuliert und ausgenutzt wurden. Selbst jenen Mädchen, die dem BDM angehörten, war vieles nicht bewusst und so beschrieben viele die Zeit in der Organisation als ein schönes Beisammensein in einer großen Gemeinschaft. Für viele war die Organisation eine Möglichkeit, eine trügerische Selbstständigkeit, die es in Wirklichkeit nie gegeben hatte, zu erlangen. Man fühlte sich frei, da man unter Gleichaltrigen war und glaubte, nicht von Erwachsenen bevormundet zu werden. Es wurden einfach nur die richtigen Mittel und Methoden eingesetzt, um die Jugend für das Regime zu motivieren und zu gewinnen.

Abschließend lässt sich somit sagen, dass es sich um ein Thema handelt, das meiner Meinung nach, kaum zufriedenstellend zu beantworten ist. Dies war auch ein Grund für mich, weshalb ich gewisse Bereiche nur peripher behandeln konnte.

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Anhang

Interview mit einer Dame, die im Jahr 1941 beim JM (Jungmädelbund) gewesen war.

Wie sind sie damals zum JM geraten? War nach ihrem Gefühl die Teilnahme daran freiwillig oder eher erzwungen? Inwiefern hat die Schule/Eltern darauf Einfluss genommen, dem JM beizutreten?

Mit 8 Jahr bin i zum Jungmädelbund kummen. Es war mei alleinige Entscheidung. Die Eltern warn a einverstanden, also einstimmig. Mei Muata hat wohl ab und zu gmant, so a Bledsinn da, war wohl gscheida wennst in die Kirchen gehen tatest a bissal beten. Mei Vater war voll dafür.

Wie lange waren Sie dabei? Hat es danach auch noch eine Teilnahme beim BDM gegeben?

Bis 1945, dann hat sich alles ins Nichts aufglöst, die ganzen Vereine. Mei Muata war wieda froh, jetzt kann i wieda in die Kirchen gehen beten.

Wie hat der Ablauf ausgesehen? Wie oft hat man sich getroffen? Wie hat die Kleiderordnung ausgesehen? Welche Themen wurden behandelt?

Jo a mal in da Wochen hama uns in ana Baracken getroffen zur Heimstund. Da hama gsungen, das Liad hat ghaßn „Deutschland, Deutschland über alles!“ Sport hama gmacht, marschiert sama. Politische Erziehung hama a ghabt, da hama miasn Fragen und Anworten. So Art Hausübung hama kriagt, dann sema immer abgeprüft worden. Die Treffen send immer sehr diszipliniert abglafen, da hat jeder sein Sitzplatz ghabt da hats ka umalafen geben. Im Hof da hats a Hakenkreuz aus Blumen geben und da is die Fahne drin gwesen, da hama uns immer zamsammeln miasn. Wenn ma nit kummen is, dann hats strenge Kontrollen geben durch die Scharführerinnen, de warn schon beim BDM. Aber da is jeder gern kummen, das war für a jeden a Ehre da dabei zu sein. An schwarzn Rock und a weiße Blusen immer mit lange Ärmel hama müssen tragen. Da hama a an eigenen Knoten miasn binden uman Hals uma, da is obngstandn „Sieg Heil dem Führer“.

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Welche persönlichen Eindrücke/Erlebnisse haben sie noch in Erinnerung?

Mei Schwester war schon beim BDM, sie hat ma natürlich imponiert. De war a mit Leib und Seele dabei. I war a schon gern beim BDM gwesn aber leider war i noch zjung. Sie hat sich a Radl gekaft, da BDM hat se da finanziell unterstützt. I hab mir ihr Radl öfters ausgeborgt, bis i an Sturz gbaut hab. Des Geld hat se sich verdient, weil sie hat nämlich im Forstgarten garbeitet, da hats se Bameln gsetzt. Es war allgemein a lustige Zeit. Es war eigentlich immer a Gaude. So hab i hauptsächlich schöne Erinnerungen. Wir hama Feste gfeiert, Ausflüge gmacht. Da sema amol auf die Gerlitzen gfahrn mitn Zug nach Annenheim. Da was i no genau, da Zug is um 4 in da Früh gangen. Di Muata hat a Jausen mitgeben und i bin immer beim Fenster gstanden, da hab i a schene Aussicht ghabt. De Ausflüge hätt ma uns ja nie daleistet. Da warn ganz andere Zeiten, als jetzan. Mit da Zeit send de Mittel aber a ausgangen, in de letzten Kriegsjahr. Aber amol da bin i skeptisch wurden, als a Bekannter von uns verschwunden is. Der war geistig a bissal, aber wast eh echt nur a bissl und dann war er plötzlich weg. Dann hama erfahren den ham se ins Lager gebracht. An Lehrer hama ghabt, des war a festa Nazi. Ab und zua hats a paar Raufereien geben unter uns Mädeln, a paar Eifersuchtsszenen. De Hundsmarkter ham uns Frauenburger nit megen. Ma bitte da hama scho öfters graft, zfezt sema daham immer zwegen kummen, aber mei Identitätsausweis auf den hab i immer guat aufgepasst. De hama gebraucht, damit ma von da Mur von da ana Seiten auf die andere Seitn zruckgehen ham kennen. Amol hab i den Hitler getroffen, der is zu uns in Dorf kemmen. Da hama miasn a Gedicht lernen und ihm aufsagen. A paar Blumen hama ihm a geben. Man hat nie was gmerkt um was es eigentlich geht. De ham alles guat vorgredet, uns das Blaue vom Himmel versprochen und wir hama a nie das Gfühl ghabt, dass se uns ausnuztn taten.

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