Durch Mitleid Wissend, Der Reine Tor …« Richard Wagner Parsifal Bühnenweihfestspiel in Drei Aufzügen
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»Durch Mitleid wissend, der reine Tor …« RICHARD WAGNER PARSIFAL Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen Live recording from the Tyrolean Festival { CD 1 } 6 »Hier war das Tosen!« 04:12 7 »Komm! Komm! Holder Knabe!« 04:53 1 Vorspiel / Prelude 11:03 8 »Parsifal! – Weile!« 10:04 1. Aufzug /Act I 9 »Wehe! Wehe! Was tat ich? Wo war ich?« 03:57 2 »He! Ho! Waldhüter ihr« 09:01 10 »Amfortas! Die Wunde!« 06:44 3 »Gawan!« – »Herr! Gawan weilte nicht.« 09:56 11 »Grausamer!« 14:57 4 »O wunden-wundervoller heiliger Speer!« 06:44 total time 75:53 5 »Drum blieb es dem, nach dem ihr fragt, verwehrt« 06:06 6 »Weh! Weh!« – »Hoho!« 06:12 7 »Nun sag: Nichts weißt du, was ich dich frage« 06:13 { CD 3 } 8 »Vom Bade kehrt der König heim« 04:10 9 »Nun achte wohl, und lass mich sehn« 06:42 3. Aufzug /Act III 10 »Mein Sohn Amfortas, bist du am Amt?« 10:17 1 Vorspiel / Prelude 03:34 total time 76:26 2 »Von dorther kam das Stöhnen« 03:41 3 »Du tolles Weib!« 05:50 4 »Erkennst du ihn? Der ist’s, der einst den Schwan erlegt.« 06:14 { CD 2 } 5 »O Gnade! Höchstes Heil!« 07:03 6 »Nicht so! Die heil’ge Quelle selbst« 06:52 1 »Nehmet hin meinen Leib« 09:57 7 »Mein erstes Amt verricht’ ich so« 09:10 2 »Was stehst du noch da?« 05:50 8 »Mittag: – die Stund’ ist da« 07:05 2. Aufzug /Act II 9 »Ja! Wehe! Wehe! Weh’ über mich!« 05:58 3 Vorspiel / Prelude 05:30 10 »Nur eine Waffe taugt« 09:39 4 »Ach! – Ach! Tiefe Nacht ...« 06:46 total time 65:07 5 »Ho! Ihr Wächter! Ho! Ritter!« 03:01 4 5 Thomas Gazheli, Amfortas Orchestra of the Tyrolean Festival Michael Doumas, Titurel Chorus of the Tyrolean Festival Manfred Hemm, Gurnemanz Jacek Benn, Chorus Master Michael Baba, Parsifal Wiltener Sängerknaben Michael Kupfer, Klingsor Johannes Stecher, Chorus Master Martina Tomcic, Kundry Gustav Kuhn, Musical Direction Giorgio Valenta, 1. Gralsritter / 1st Knight of the Grail Johannes Wimmer, 2. Gralsritter / 2ⁿd Knight of the Grail Jae Hee Kim, 1. Knappe / 1st Squire Dinah Berowska, 2. Knappe / 2ⁿd Squire Paul Schweinester, 3. Knappe / 3rd Squire Marwan Shamiyeh, 4. Knappe / 4th Squire Susanne Geb, 1. Blumenmädchen, 1. Gruppe / 1st Flower Maiden, 1st Group Anahita Ahsef, 2. Blumenmädchen, 1. Gruppe / 2ⁿd Flower Maiden, 1st Group Hale Al Orfali, 3. Blumenmädchen, 1. Gruppe / 3rd Flower Maiden, 1st Group Cho Hyun-Joo, 1. Blumenmädchen, 2. Gruppe / 1st Flower Maiden, 2ⁿd Group Junko Saito, 2. Blumenmädchen, 2. Gruppe / 2ⁿd Flower Maiden, 2ⁿd Group Taeka Hino, 3. Blumenmädchen, 2. Gruppe / 3rd Flower Maiden, 2ⁿd Group Emanuela Barazia, Altsolo / Alto solo 6 7 ES LACHT DIE AUE Wagners, durchpochen – so scheint es mir – die erschütternden und erhabenen Splitter zu Parsifal Themen der Menschen die sich in alle Richtungen ausbreitende Zeit. 1 4 D Sie darf es, und dies am Karfreitag. Die Au darf lachen als Zauber ihrer selbst, Welche Themen? Das Mitleid, die Rache, die Erlösung, die Liebe und deren doch Kundry, die bei der Qual des Menschensohns einst lachte, die muss nach Entsagungen. Der Schmerz. Der Schmerz, überhaupt da zu sein und zu fehlen. Begierde und Reue von einem törichten und hernach sehenden und sich be- Das Zusichkommen des zum Lichte sich aufreckenden Naturwesens und seine knirschenden Naturwesen zur Menschin durch Taufe gemacht werden. Parsifal Trivialisierung, seine auf Ja und Nein reduzierte Künstlichkeit. Das alles wird als Wiedergänger des Johannes. zu einer Lautsäule aufgeschichtet, die umgibt und ergreift. 2 5 Der Steg, der von Natur in Kunst führt, ist das Religiöse. Wagner versteht es am Wagner hat seinen Hegel gelesen, nicht nur seinen Schopenhauer, in dessen Ende seines Lebens, in diesem Werk die Zerklüftetheit der Menschennatur über wunschlose Welt er und wir uns zuallerletzt aufzulösen mehr als zu erlösen Mitleiden in die geäderte Kompaktheit einer Menschenkunst zu verwandeln. haben. Religion, Wissenschaft und Kunst seien die Töchter des absoluten Geis- Die Musik bringt die damals verlorengehende Intensität des religiösen Gefühls tes, der sich in ihnen auf unterschiedliche Art und Weise offenbart. So gibt die zurück und restituiert das »Ewigmenschliche«. kraftlos werdende Religion den Erkenntnisstab ab an die ins Bürgerkraut schie- ßende Kunst. So kann der nicht für seine Gottesfürchtigkeit bekannte Wagner 3 ein Weihespiel inszenieren, welches Gläubige und Ungläubige gleichermaßen in seinen Bann zieht. Das ist eigentlich ein Aberwitz. Wie ist es denn zu erklären, dass diese simple, Also gehe ich zugleich getröstet und verärgert – getröstet wovon? verärgert zum Holzschnitt zurückgearbeitete Parzivalwelt mit dem Guten und dem Bö- worüber? – aus Gustav Kuhns Parsifal heraus, lasse das Haus in Erl im Rücken sen uns in der Musik dennoch überwältigen kann? In ihr, in der Kunst Richard und sehe auf die Sterne über den Bergen. 8 9 6 8 Bevor ich aber – Stunden früher – zu Kuhns beschwingt und intensiv diri- Amfortas giertem Parsifal gelange, komme ich auf dem Weg dorthin vorüber an der blauen Quelle, dem lokalen Naturwunder. Vor dem Festspielgebäude stehen Es breitet sich das Körperfremde im Körper aus wir zuhauf beim Getränk, und viele haben bereits die Gesichter an, mit denen Macht eine Strichpunktexistenz aus meinesgleichen sie Wagners Musik sowohl ertragen als auch überstehen können, Gesichter, die Wird mich in Allerseelenruhe gar nicht mehr erreichen zur Entrückung und zur spöttelnden Toleranz gleichermaßen taugen. Wenn Ich seh mich aufgesattelt letztes Mal als Kichergraus das Spiel aus ist, kommen wir heraus und setzen uns wieder die Alltagsgrimasse Es greift mein Atemüberschwangeres sich in die Schmerzensspeichen ein. So viel Zauber muss sein in Erl. Ich pass. Ich ziehe Linien nach, bin abgezappelt 7 Vom süßen Mutterweib. Ich seh auf Murks und Gralbleiglas Indes die Frommen der Natur davongedabbelt Doch eines Parsifalabends – der Intendant Gustav Kuhn bereitete einen sei- Komm ich im Haufen an. Da bin ich und das wars. ner runden Geburtstage vor – nein, das war ein Götterdämmerungsabend, also davor – eines Parsifalabends, nachdem der Erlöser erlöst ward, begann es (Abdruck des Gedichts »Amfortas« mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp Verlags) in meinem Unterkiefer zu knacken. Indes ich noch dachte, dieser Parsifal ist doch auch ein Reservechristus, endlich ein nichtjüdischer Heiland, überkam Robert Schindel mich etwas, was man einen richtungslosen Schmerz nennen mag. Das Knacken verstärkte sich: Es muss ein Text her, ich muss einen Schmerztext schreiben, sofort und plötzlich. Denn diese Oper ist die Oper über Schmerz. Gibt es etwas Robert Schindel wurde 1944 in Bad Hall geboren. Nach ger Jahre u. a. Tätigkeiten bei der Agence France Press, vorzeitiger Schulentlassung und abgebrochener Buch- seither freier Schriftsteller; Jury-Vorsitzender beim Prachtvolleres als einen Schmerz, der vergeht? händlerlehre Externistenmatura; Aktivist der 68er- Bachmann-Preis. Zuletzt erschienen: Mein liebster Bewegung; Gründer der »Kommune Wien«; Studium Feind (2004); Kassandra (2004); Wundwurzel (2005); der Philosophie und Pädagogik; bis Mitte der achtzi- Mein mausklickendes Saeculum. Gedichte (2008). 10 11 INHALTSANGABE Erster Aufzug Im Wald bei der Gralsburg hält sich Gurnemanz mit einigen Knappen auf und verrichtet mit ihnen das Morgengebet. Kundry erscheint mit Heilkräutern für den siechen Gralskönig Amfortas. Auf dem Weg zum lindernden Bad wird Amfortas vorbeigeführt. Seinen Dank für die Heilkräuter weist Kundry brüsk zurück. Der Gralskönig wird weiter zum Bad geleitet und Gurnemanz schil- dert den Knappen die Geschichte vom ersten Gralskönig Titurel und dessen Sohn Amfortas, dem vom heiligen Speer eine nicht heilende Wunde zugefügt wurde. Eine Hoffnung ist für Amfortas geblieben: Seine Wunde kann durch die erneute Berührung des heiligen Speers geheilt werden; aber nur ein durch Mitleid wissender »reiner Tor« kann ihn zurückbringen. Plötzlich stürzt ein tödlich getroffener Schwan zu Boden, die Ritter bringen den Schuldigen, einen fremden Jüngling. Gurnemanz hält ihm die Frevelhaftigkeit seines sinnlosen Handelns vor. Schuldbewusst zerbricht der Jüngling in einer plötzlichen Re- gung seinen Bogen. Auf die Fragen Gurnemanz’ nach seiner Herkunft vermag der Knabe keine Auskunft zu geben. Er erinnert sich nur an seine Mutter Her- zeleide. Als Kundry ihm vom Tod seiner Mutter berichtet, greift er sie wild an. Gurnemanz kann ihn beruhigen. Er hält ihn für den verheißenen reinen Toren und führt ihn in die Gralsburg, wo er Zeuge des Liebesmahles der Bruderschaft der Gralsritter und der Klage des leidenden Amfortas wird, der sich weigert, Titurels Bitte um Enthüllung des lebensspendenden Grals nachzukommen. Thomas Gazheli, Amfortas Doch Titurels Befehl muss erfüllt werden. Der Jüngling verweilt schweigend 12 13 bei der heiligen Handlung. Enttäuscht, dass der Jüngling kein sichtbares Mitleid und Amfortas’ heiligen Speer. Parsifal erfährt von Gurnemanz die Not der zeigt, schickt Gurnemanz ihn weg. Gralsritter; dann wäscht Kundry ihm die Füße. Gurnemanz begrüßt ihn als neuen Gralskönig; als solcher vollzieht er als erstes Amt an Kundry die Tau- Zweiter Aufzug fe. Gurnemanz preist die Bedeutung des Karfreitagswunders; in leuchtender Auf seiner Zauberburg sieht Klingsor den von langer Wanderschaft kommen- Schönheit erblüht die Natur. Dann geleitet Gurnemanz Parsifal zur Gralsburg. den Jüngling herannahen. Auf sein Geheiß erwacht Kundry aus todesähnli- Dort schreiten die Ritter in düsterem Zug zur Totenfeier für Titurel. Noch chem Schlaf; Klingsor zwingt sie, den Jüngling zu umgarnen und zu vernichten. einmal soll Amfortas ihnen den Gral enthüllen; doch er weigert sich und fleht Ein zauberhafter Garten entsteht; verführerische Mädchen umdrängen den sie an, ihm den Tod zu geben. Da betritt Parsifal in Begleitung von Kundry und staunenden Jüngling. Dann erscheint Kundry, die ihn mit seinem richtigen Na- Gurnemanz den Saal. Er bringt der Bruderschaft den Speer zurück und erlöst men Parsifal anspricht und vom Sterben seiner Mutter erzählt. In zauberhafter Amfortas dadurch von seinem Leiden. Schönheit nähert sie sich dem von der Erzählung bewegten Parsifal. Bei ihrem Kuss aber erwacht er zu plötzlichem Wissen; das Bild des leidenden Amfortas ersteht vor seinem inneren Auge. Er stößt Kundry von sich, er wird sich seiner Sendung zur Erlösung des Grales bewusst.