Zur Geologie Des Piz Mundin-Gebietes (Engadiner Fenster, Österreich-Schweiz): Stratigraphie, Geochronologie, Strukturen
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Zur Geologie des Piz Mundin-Gebietes (Engadiner Fenster, Österreich-Schweiz): Stratigraphie, Geochronologie, Strukturen Dissertation von Mag. rer. nat. Rufus J. Bertle eingereicht zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien Wien, am 1 BILD Wia kunts denn, dass i oft net wäß, so wo-mer der Kopf grad stoht, Warom mer d´Sterna gar sa häß, Alls hinderför nu goht, dass d´sHerz mir klockat grad wia net Mir mengmol wörd sa-n-eng, So wenn des lenger wära söt, Mir wärda thet noch z´streng. Aus: Johann Baptist Biedermann 1897, „Nüt för uguat“ 2 Zusammenfassung Im Rahmen einer Neubearbeitung wurde das Gebiet zwischen Samnaun und Reschenpass im Grenzgebiet Österreich – Schweiz ( - Südtirol/Italien) geologisch im Maßstab 1 : 10.000 kartiert und petrologisch-geochronologisch- mikropaläontologisch-geotechnisch neu bearbeitet. Das Arbeitsgebiet kann in 2 Großeinheiten unterteilt werden: das Penninikum in Form des Unterengadiner Fensters und andererseits dessen Rahmen in Form der ostalpinen Decken. Im Arbeitsgebiet ist der Südrand und der Kern des Engadiner Fensters aufgeschlossen, der Rahmen daher auch nur im Süden. Dieser wird dort durch die Silvrettadecke gebildet, die von W nach E kontinuierlich ausdünnt (???). Die Silvrettadecke ihrerseits ist entlang der Schliniglinie von der Ötztaldecke mit westgerichteter Bewegung überschoben worden. Der genaue Verlauf war bisher im Gebiet Piz Lad unbekannt und wurde nun im Detail auskartiert. Es zeigte sich, dass Teile des Piz Lad-Mesozoikums auf typisch ötziden Biotit-Paragneisen (Typus Plamort) sedimentär liegen. Die Schliniglinie selbst hat eine mehrphasige Geschichte: primär als westgerichtete Überschiebung angelegt, wurde sie später in die entgegengesetzte Richtung abschiebend reaktiviert. Die Überschiebung der Ötztaldecke führt in den unterliegenden Sedimenten der Engadiner Dolomiten im Kontaktbereich zu hochduktiler Deformation, die an Karbonatmyloniten studiert werden kann. Dolomit reagiert während der Deformation spröde. Es liegen daher Dolomitklasten in einer hochdeformierten Kalkmatrix. Die Überschiebung der Ötztaldecke führt in den Kristallingesteinen der Silvrettadecke zu Diaphtorese, die durch den Abbau von Feldspat und Biotit (= Gesteinsvergrünung) zum Ausdruck kommt. Die Überschiebung des Ötztalkristallins auf die Engadiner Dolomiten und die Diaphtorese in der Silvrettadecke haben während der Kreidezeit stattgefunden, wie ältere geochronologische Datierungen zeigen. Die Silvrettadecke ihrerseits grenzt mit einem hochduktilen Kalkmylonit an der Basis an die Einheiten des Engadiner Fensters. Das Engadiner Fenster wird im Arbeitsgebiet durch Gesteine der mittelpenninischen Tasnadecke und die tektonisch tiefer liegende Zone von Pfunds gebildet. Der Kalkmylonit an der Grenze zum Ostalpin könnte der Fimbereinheit zugeordnet werden. Das Penninikum erfuhr eine wesentlich jüngere Strukturprägung als die ostalpinen Decken, wie Fossilbelege und Altersdatierungen zeigen. Die Tasnadecke zeigt im Arbeitsgebiet eine im Vergleich zur Typusregion weiter im Westen stark reduzierte Schichtfolge und eine noch stärkere Tektonisierung. Ihr Grundgebirge ist in Form einer Krusten-Mantel-Grenze aufgeschlossen, die besonders im Bereich Plattamala – Mot (S Raschvella) gut studiert werden konnte: Ultramafitite mit einer Primärparagenese und lherzolithischer Zusammensetzung werden zuerst durch einzelne Gabbrolinsen überlagert. Mit einer unscharfen Grenze setzen deutlich kontinental-saure Gesteine ein: recht dunkle Bänderamphibolite (wahrscheinlich Gabbroabkömmlinge der unteren Kruste), die gegen das Hangende immer saurer werden und schließlich in Form des fast undeformierten Tasnagranits vorliegen. Stellenweise läßt sich eine schlieren- bis stockartige Durchdringung von gabbroiden Gesteinen und Graniten innerhalb des Tasnakristallins beobachten. Eine metamorphe Überprägung der Ultramafitite ist in Form von pargasitischen Amphibolen (bis zu 14% Al2O3) und späteren aktinolithisch-tremolitischen Amphibolen, die sich auch in Klüften finden, ersichtlich. Einzelne Ultramafitite (Pyroxenite) zeigen Relikte von Symplektiten, bestehend aus grünem Spinell (Hercynit) und Pyroxen. Die Symplektite sind vermutlich durch den Abbau von Granat entstanden. Das Gestein wäre daher als retrograder Granat-Peridotit anzusprechen. 3 In den Gabbros in den hangenden Anteilen des Ultramafitits zeigen die magmatischen Pyroxene metamorphe Ränder bestehend aus einem intensiv braunen Amphibol (Hornblende?). Plagioklas ist vollständig bei der alpinen (und ozeanischen??) Metamorphose umgewandelt worden. Es liegt nun ein Gemenge aus Pumpellyit, Albit, Chlorit, Epidot/Clinozoisit und Amphibol vor. Als alpines Produkt konnten kleine Kristalle von blauem Amphibol in den Gabbros der Tasnadecke neu entdeckt werden. Einzelne Ultramafitithandstücke aus dem Kernbereich des Ultramafitits zeigen makroskopisch erkennbare Korona- und Kelyphitgefüge. Im Dünnschliff erkennt man große Pyroxene, die sich teilweise in Kaersutit umwandeln. Phlogopit ist häufig im Gestein. Makroskopisch weiße Bereiche zeigen im Dünnschliff einen lichtmikroskopisch in seine Mineralphasen nicht auflösbaren Symplektit. Diskordante Basaltgänge und einzelne Gabbrolinsen innerhalb des Ultramafitits zeigen geochemisch Within-plate-Signaturen. Die sedimentäre Bedeckung des Tasnakristallins (= Kruste und Mantel) ist nur in sehr reduzierter Form im Arbeitsgebiet aufgeschlossen. Reste des Steinsberger Lias (Lias beta bis delta?) finden sich in Kontakt zum Serpentinit, des weiteren Tristelformation und Gault (beides Kreide). Die Metamorphose der Tasnadecke ist schwer zu erfassen. Jedenfalls hat sie eine regionalmetamorphe Überprägung in unterer Grünschieferfazies erfahren, die unter anderem im Wachstum von grünen Amphibolen (aktinolithisch?) in Klüften des Serpentinits, einer Vergrünung (Feldspatabbau zu Chlorit, Albit, Epidot und fraglichem Pumpellyit) des Tasnagranits und dem Wachstum von Stilpnomelan im gleichen Gestein ersichtlich wird. Wenige Kristalle von blauem Amphibol weisen auf eine mögliche HP-Metamorphose der Tasnadecke hin. In der tektonisch tieferen Zone von Pfunds wurde eine neue stratigraphische Gliederung entwickelt. Die bis jetzt nicht untergliederten Grauen Bündnerschiefer des Fensterinnersten konnten dabei in 6 Formationen untergliedert werden: Als ältestes Sediment findet sich Radiolarit stellenweise in Kontakt zu den blauschieferfaziell überprägten Basalten des Piz Mundins. Meist grenzen die Basalte jedoch mit dem tuffitic transistion member an die Sedimente. Das tuffitic transistion member geht gegen das Hangende in die Neokomschiefer über, indem der Kalkgehalt zum stratigraphisch jüngeren Schichtglied hin zunimmt. Gleichzeitig nimmt der Chloritgehalt ab. Die Neokomschiefer gehen graduell in die Tristelformation über. Es schalten sich dabei zunehmend Karbonatbreccien ein, die einerseits durch ihre braunen Dolomitklasten und andererseits durch große detritäre Hellglimmer gekennzeichnet sind. Die Tristelformation konnte am Saderer Joch mittels Neotrocholina fribourgensis eindeutig in die Unterkreide eingestuft werden. Am Piz Mundin selbst weisen Dasycladales und Quinqueloculina sp. der Tristelformation ein Kreidealter zu. Durch Abnahme des Kalkgehaltes bei gleichzeitiger Zunahme des quarzosen Anteils in den klastischen Bänken der Tristelformation geht diese in die Gaultformation über. Die Gaultformation stellt eine turbiditische Wechsellagerung von Quarzsandsteinbänken und dunklen Phyllitlagen dar. An ihrer Basis sind noch einzelne Tristelkalkbänke eingeschaltet. Die Obergrenze wird durch 10 m mächtige black shales (jetzt in Form von Schwarzphylliten aufgeschlossen = Fuorcla d´Alp Formation) definiert. Das Alter der Fuorcla d´Alp Formation wurde durch Schichtvergleich mit fossilbelegten, nichtmetamorphen Abfolgen im Helvetikum Vorarlbergs als Alb festgelegt (vermutlich älter als R. appeninica Zone). Der jüngste Teil der Schichtfolge der Zone von Pfunds wird durch die Malmurainza-Abfolge gebildet. Diese stellt eine turbiditische Abfolge 4 dar, bestehend aus Sandstein- und Breccienbänken, wechsellagernd mit Phylliten. Die Zusammensetzung der Sandstein- und Breccienbänke kann erheblich schwanken. Sie reicht von reinen Kalksandsteinen über sehr differenziell zusammengesetzte Bänke (Kristallinkomponenten, Dolomite etc.) bis hin zu reinen Glimmersandstein- oder Quarzsandsteinbänken. Die stark detritischen Hellglimmer führenden Abfolgen könnten Äquivalente des Reiselsberger Sandsteins des Rhenodanubikums (Cenoman bis Turon) darstellen. Das Rhenodanubikum wäre dann paläogeographisch zwischen die Ophiolite des Piz Mundins und die Tasnadecke einzuordnen. Die jüngsten Anteile der Malmurainza-Abfolge könnten in Form der Roz-Breccie vorliegen und wären dann oberste Kreide bis Alttertiär (umgelagerte Orbitoiden, umgelagerte Globotruncana arca). In jenen Bereichen, die keine Unterteilung in Formationen zuließen (meist bei ungünstigen Verschnitten der Schieferung mit der Topographie), wurden nur Graue oder Bunte Bündnerschiefer kartiert. Die Gesteine der Zone von Pfunds erfuhren eine HP-LT-Metamorphose, deren retrograder Ast durch petrologische Untersuchungen gut definiert werden konnte: Bündnerschiefer zeigen am Piz Mundin die HP-Paragenese Carpholit – Phengit. Die grünschieferfazielle Überprägung führt zum Abbau von Carpholit zu Chlorit. An Phengit bildet sich eine zweite metamorphe Glimmergeneration als Anwachssaum mit niedrigerer Si-Komponente. Basalte und Ophikarbonate